Konsumentenschutz

Greenwashing: Warum Heumilchtrinken kein Beitrag zum Klimaschutz ist

In einem Werbespot behauptete die ARGE Heumilch, dass Heumilchtrinken zum Klimaschutz beitrage. Das grüne Werbeversprechen stellte sich als irreführend heraus. Konsequenzen gibt es dafür keine. Die EU will Greenwashing künftig ein Ende setzen.

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Saftige Wiesen, glückliche Kühe und eine ordentliche Portion Greenwashing. In einem Werbespot behauptet die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Heumilch aktuell: „Die traditionelle Heuwirtschaft schützt wertvolle Böden. Und die speichern sogar mehr CO2 als der Wald. Wer das Klima schützen will, muss also nicht unbedingt einen Baum pflanzen – Heumilch trinken hilft auch.“ Doch eine Überprüfung durch den Verein für Konsumentenschutzinformation (VKI) entlarvt diese romantische Darstellung als falsch.

Unternehmen reagieren auf das gesteigerte Umweltbewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten mit grünen Produktversprechen. Viele dieser Claims entpuppen sich bei näherer Betrachtung allerdings als Öko-Schwindel. Im Extremfall klagt der VKI wegen unlauterem Wettbewerb, etwa wenn eine Brauerei behauptet, ihr Bier sei CO2-neutral gebraut. Und auch auf EU-Ebene wird an einem rechtlichen Rahmen gearbeitet, um die Konsumententäuschung abzudrehen.

Nun knöpfte sich der VKI die Arge Heumlich vor, eine Vereinigung von knapp 7000 Heumilchbäuer:innen und 90 Molkereien. Skeptisch wurde der VKI, weil die Informationen in dem Werbevideo auf einer Studie der Universität für Bodenkultur (Boku) beruhen, die von ARGE selbst beauftragt worden ist, und deren vollständige Ergebnisse weder auf VKI- noch auf profil-Anfrage offengelegt werden. Der Verdacht liege nahe, „dass dem Auftraggeber die gesamte Studie eher unangenehm sein könnte“, vermutet Raphael Fink vom VKI.

Binden Grünlandböden wirklich mehr CO2 als ein Wald? Einfache Antwort: Nein. Selbst im zwei Absätze kurzen, von der ARGE offengelegten Abschnitt der Studie, der diesen Aspekt behandelt, sei laut VKI „klar ersichtlich, dass es nicht um den Vergleich mit dem Wald per se geht, sondern um den Vergleich mit Waldböden“. Der ganze Wald inklusive Bäume würde selbstverständlich deutlich mehr CO2 als Weiden binden. Gleichzeitig würde dieser im Gegensatz zu Kühen auch nicht zum Klimawandel beitragen.

Konsument:innen sollten alle vagen Begriffe wie „natürlich“, „nachhaltig“, „grün“, „naturnah“, „co2-neutral“ oder „klimapositiv“ stutzig machen.

Raphael Fink, Leiter des Greenwashingchecks des VKI

Die Arge Heumilch hält trotz Kritik an der Aussage fest und teilt profil auf Anfrage mit: „Im Spot verweisen wir auf den Umstand, dass Dauergrünlandböden ähnlich wie der Waldboden zu den großen Kohlenstoffsenken gehören.“ Weiters argumentiert ARGE Heumilch gegenüber profil mit einem Vergleich zwischen Dauergrünlandböden und Ackerböden – erstere würden deutlich mehr Kohlenstoff als Ackerböden enthalten (70 Tonnen pro Hektar im Vergleich zu 50 Tonnen pro Hektar). Darum geht es im Werbespot aber gar nicht.

Auch Heumilchkühe sind Methanschleudern

Es ist nicht das einzige irreführende Marketingversprechen der ARGE: „Heumilchkühe sind keine Klimakiller“, wirbt die Heumilch-Gemeinschaft auf ihrer Webseite. Zwar ist die Weidewirtschaft laut VKI weniger emissionsrelevant als die industrialisierte Produktion, doch Weidetiere stoßen trotzdem massig Gase aus. Sie sind für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausemissionen verantwortlich – in Österreich für 2,5 Prozent.

Ein Beitrag zum Klimaschutz ist Heumilchtrinken nicht.

VKI-Greenwashingcheck

Insgesamt kommt der VKI nach Prüfung zu dem Schluss: „Ein Beitrag zum Klimaschutz ist Heumilchtrinken nicht.“ Es mache einen großen Unterschied, ob auf einer Fläche eine Kuh weidet und Methan ausstößt, oder ein Baum wächst, der der Atmosphäre CO2 entzieht. „Mit der Gegenüberstellung Waldböden – Dauergrünlandböden wäre die ARGE Heumilch bei der Wahrheit geblieben, das hatte aber wohl zu wenig Marketingwert.“

Einen Punkt gesteht Fink vom VKI den Heumilchproduzenten aber zu: Deren Biomilch sei immerhin die am wenigsten klimaschädliche Kuhmilch. Einerseits fördere sie kleine bäuerliche Betriebe, andererseits bringe sie den ökologischen Vorteil, dass die Kühe nicht mit Soja aus Übersee gefüttert werden und die Biodiversität gefördert wird.

So weit, so löblich. Warum aber bedient sich ARGE irreführender Werbebotschaften? Und warum stört es niemanden, dass sich die ARGE in der inkriminierten Werbung mit der Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums und der EU rühmt, die für die „geschützte traditionelle Spezialitäten“ Förderungen vergeben? Pro Jahr fließen so 700.000 Euro an die ARGE. Die Prüfung von Förderanträgen erfolge „entsprechend den gesetzlichen Vorgaben sowie den einschlägigen Förderrichtlinien“, heißt es im Ministerium auf profil-Anfrage. Faktenbasierte Werbebotschaften sind offenbar nicht teil der Förderrichtlinien.

Kritik an der Heumilch-Werbung setzte es auch schon vom Österreichischen Werberat (ÖWR). Im Dezember 2022 forderte der Rat die ARGE Heumilch auf, in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen sensibler vorzugehen.

Die ARGE plant trotzdem keine Richtigstellung des Werbeinhalts und betont gegenüber profil, dass die „nachhaltige Grünlandnutzung mit Weide- und Almwirtschaft der Heumilch für den Klimawandel von entscheidender Bedeutung“ sei. Es sei hinlänglich noch nicht bekannt gewesen, dass „Dauergrünlandböden wichtige Kohlenstoffsenken darstellen“, mit der Werbekampagne wollte man „diesem Umstand entgegenwirken“. Die Werbekampagne läuft noch bis Frühling nächsten Jahres.

EU-weites Verbot von Green Claims

Die Heumilchproduzenten könnten bald ein Problem aus Brüssel bekommen: Als Teil des Green Deals will die EU irreführende „green claims“ bekämpfen. Als Beispiel nennt Experte Fink vage Slogans wie „natürlich“, „nachhaltig“, „grün“, „naturnah“, „co2-neutral“ oder – derzeit sehr beliebt – „klimapositiv“. 

Aktuell feilt die EU-Kommission an einem Vorschlag, der vorsieht, dass für grüne Slogans Beweise vorgelegt werden müssen. Dazu soll eine externe Prüfstelle ins Leben gerufen werden. Zudem sollen Gütesiegel standardisiert und verstaatlicht werden. Derzeit gibt es allein in Österreich mehr als 200 Gütesiegel, die sich die Unternehmen teilweise selbst verpassen. Das Konsumentschutzressort unter dem grünen Minister Johannes Rauch begrüße „den Vorschlag der Europäischen Kommission ausdrücklich, denn konkrete Vorgaben für Werbung mit Umweltclaims sind dringend notwendig“. Ein Zeitplan steht allerdings noch nicht fest.

Positive Entwicklungen

Franzisca Weder, Expertin für Nachhaltigkeitskommunikation an der Wirtschaftsuni Wien, begrüßt die EU-Pläne: „Kundinnen und Kunden sind mit einer Informationsflut konfrontiert, die es an der Oberfläche fast unmöglich macht, Produkte zu finden, die nicht als ‚nachhaltig‘ oder ‚natürlich‘ beworben werden.“

Bis zu einer EU-weiten Regelung bleibt dem VKI und dem Ministerium nur ein Weg, um gegen die Claims vorzugehen: Mit Klagen wegen unlauterem Wettbewerb. Im Juni 2022 brachte der Verein die erste Greenwashing-Klage in Österreich ein – und gewann in erster Instanz. Dabei geht es um angeblich „co2-neutral“ gebrautes Gösser-Bier. Aus Sicht des VKI kann die Brau Union, zu der Gösser gehört, dieses Versprechen nicht belegen. Gösser sieht es anders und geht in die nächste Instanz.

Greenwashing werde oft skandalisiert, doch auch für Unternehmen seien interne Wertbildungsprozesse notwendig, sagt Kommunikationsexpertin Weder. Aus der Kommunikationsperspektive sei es jedoch als positiv zu werten, dass sich viele Unternehmen klimafreundlicher ausrichten. Weder: „Das ist ein Zeichen, dass das Thema Nachhaltigkeit wichtig ist und Unternehmen sich am gesellschaftlichen Wandel beteiligen wollen.“

Auch der Werberat musste sich laut Präsident Michael Straberger erst inhaltlich für dieses Thema aufstellen. Er plädiert dafür, dass der Werberat die Aufgaben der externen Prüfstelle grüner Slogans hierzulande übernehmen soll: „Fast 100 % unserer Entscheidungen werden von den Unternehmen angenommen – durch das Prinzip ‚Shaming und Blaming‘ kann Druck aufgebaut werden.“ Eine Selbstregulierung sei schneller umsetzbar als gesetzliche Beschwerdeverfahren.

Im Falle der Heumilch war allerdings keine Einsicht zu erkennen.

Update vom 01.09.2023: Noch am selben Tag reagiert ARGE Heumilch auf die Kritik und zieht den Werbespot aus dem Verkehr: Wir sagen darin, dass Grünlandböden mehr CO2 binden als der Wald. Diese Aussage ist ungenau. Der Vergleich bezieht sich auf den Waldboden. Man werde das im Spot richtigstellen und mehr Sensibilität bei der Erstellung der Botschaften walten lassen. Für die Ungenauigkeit entschuldigt man sich. Der Claim Heumilchkühe sind keine Klimakiller ist noch immer auf der Webseite zu lesen.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.