Grüne fordern Verbot - Gericht: Verfassungsschutz darf AfD-Jugend als rechtsextremistisch einstufen

Di 06.02.24 | 17:03 Uhr
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Archivbild: Demonstranten mit Deutschlandfahnen und Fahnen der Jungen Alternative Brandenburg am 01.05.2021 in Potsdam. ( Quelle: Imago / Martin Müller)
Audio: Radioeins | 06.02.2024 | Jan-Hendrik Raffler | Bild: Imago / Martin Müller

Die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, ist nicht mehr nur ein Verdachtsfall für den Verfassungsschutz. Nach einem Gerichtsbeschluss ist eine neue Einstufung und Behandlung rechtens, die Grünen fordern ein Verbot der Organisation.

  • Verwaltungsgericht Köln urteilt: Verfassungsschutz darf Junge Alternative als "gesichert rechtsextremistisch" einstufen
  • Brandenburger Verfassungsschutz hatte AfD-Jugendorganisation 2023 als "gesichert extremistisch" eingestuft
  • Grüne fordern Verbot von JA, Innenminister Stübgen (CDU) bleibt zurückhaltend

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative, als gesichert rechtsextremistisch einstufen. Das hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden. Den Beschluss von Montag hat das Gericht am Dienstag veröffentlicht.

Die Fraktion der Grünen im Brandenburger Landtag forderte daraufhin, ein Verbot der Jungen Alternative in Brandenburg zu prüfen. Innenminister Michael Stübgen (CDU) hielt sich auf rbb24-Anfrage zu einem möglichen Verbot bedeckt. Er wolle sich nicht an öffentlichen Spekulationen beteiligen und werde informieren, wenn ein Verbot umgesetzt würde, so Stübgen.

"Nicht mit dem Grundgesetz vereinbar"

Im Januar 2021 hatte der Verfassungsschutz die Jugendorganisation als Verdachtsfall eingestuft. Eine Klage gegen diese Entscheidung war vom Verwaltungsgericht Köln damals zurückgewiesen worden. In der nächsten Instanz beschäftigt sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Mitte März mit dieser Frage.

Im April 2023 hatte das BfV mitgeteilt, dass sich durch die Verdachtsfallbeobachtung Hinweise ergeben hätten, dass es bei der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verdichtet hätten. "Die Positionen der Jugendorganisation der AfD, Junge Alternative, sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar", erklärte damals Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang. Es bestünden keine Zweifel mehr, dass die JA "verfassungsfeindliche Bestrebungen" verfolge. Daher werde die Junge Alternative künftig als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft und behandelt.

Dagegen hatten die AfD und die Nachwuchsorganisation im Juni 2023 geklagt und sich per Eilantrag gegen die Einstufung gewährt. Den Eilantrag hat das Verwaltungsgericht Köln nun abgelehnt. Noch ist der Beschluss des Gerichts allerdings nicht rechtskräftig. Die AfD und ihre Jugendorganisation können dagegen Beschwerde am nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht einlegen (Az: 13 L 1124/23).

Gericht sieht Verstoß gegen die Menschenwürde

In seiner Urteilsbegründung schreibt das Verwaltungsgericht, die Beobachtung durch das BfV stelle keine Maßnahme dar, "die gegen den Bestand der AfD gerichtet ist, sondern dient der Aufklärung, ob eine Partei - bzw. im vorliegenden Fall deren Jugendorganisation - verfassungsfeindliche Ziele verfolgt", teilt das Verwaltungsgericht mit.

Die Zulässigkeit einer solchen Aufklärung werde von der Verfassung vorausgesetzt. In der Sache handelt es sich bei der JA um eine gesichert extremistische Bestrebung. "Die tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen haben sich seit dem Urteil des Gerichts vom 08.03.2022, in dem es um die Einstufung der JA als Verdachtsfall ging, zur Gewissheit verdichtet."

Die Jugendorganisation vertrete weiterhin einen völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff. Der Ausschluss "ethnisch Fremder" sei eine zentrale Vorstellung der JA und damit ein Verstoß gegen die Menschenwürde, erläutert das Gericht in der 70-seitigen Beschlussbegründung. Das Grundgesetz kenne überdies keinen ausschließlich an ethnischen Kategorien orientierten Volksbegriff. "Hinzu kommt bei der JA eine fortgeführte massive ausländer- und insbesondere islam- und muslimfeindliche Agitation. So werden Asylbewerber sowie Migranten pauschal verdächtigt und herabgewürdigt. Einwanderer werden allgemein als Schmarotzer und kriminell bezeichnet oder in anderer Weise verächtlich gemacht und dadurch in ihrer Menschenwürde missachtet", schreibt das Verwaltungsgericht.

Die JA handele auf allen politischen Ebenen gegen die Prinzipien der Demokratie. Die Bundesrepublik Deutschland werde mit diktatorischen Regimen, "insbesondere dem NS-Regime und der DDR" gleichgesetzt. Auch die Verbindungen der Jugendorganisation mit verfassungsfeindlich eingestuften Organisationen wie der Identitären Bewegung würden für eine Verdichtung der Verdachtsmomente sprechen.

Brandenburger Verfassungsschutz stufte JA bereits im Juli als extremistisch ein

Seit dem vergangenen Oktober ist der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck aus der Uckermark Bundesvorsitzender der AfD-Jugendorganisation. Er und andere JA-Mitglieder pflegen Kontakte zum Institut für Staatspolitik in Sachsen-Anhalt, das beim BfV ebenfalls als gesichert rechtsextremistische Bestrebung gilt.

Der Brandenburger Verfassungsschutz hatte den AfD-Landesverband 2020 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft - im Juli 2023 stufte die Behörde den AfD-Nachwuchs bereits als "gesichert extremistische Bestrebung ein".

Im vergangenen Jahr galten nach Einschätzung der Behörde in der AfD 730 Menschen als Rechtsextremisten, bei der Jungen Alternative 90. "Gesichert extremistische Bestrebung" ist die höchste Kategorie des Verfassungschutzes. Bei als gesichert extremistischen Bestrebungen sind die Hürden für das Abhören von Telefongesprächen oder dem Einsatz von V-Leuten niedriger als bei Verdachtsfällen.

Grünen-Fraktion: Verbot "energisch vorantreiben"

Vor diesem Hintergrund und nach dem nun vorliegenden Gerichtsurteil, sagte der Fraktionsvorsitzende der Brandenburger Grünen, Benjamin Raschke, die Prüfung eines Verbots der Jungen Alternative in Brandenburg müsse jetzt energisch vorangetrieben werden. Durch die Bundesentscheidung falle ein möglicher Einwand dagegen weg und die Hürden für ein Verbot der Jugendorganisation seien niedriger als bei einem Parteiverbotsverfahren.

Durch ein Verbot der JA erhoffe sich die Grüne das Zerschlagen rechtsextremer Strukturen und den Einzug von Vereinsvermögen. Gegen den Rechtsextremismus müssten alle Register gezogen werden, so Raschke.

Sendung: Radioeins, 06.02.2024, 12:00 Uhr

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63 Kommentare

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  1. 63.

    Ein Anteil daran hat der Fachkräftemangel. Wir stehen auf Platz vier der meisten offenen Stellen.
    Wer nun die Wahl hat in ein Land zu gehen in dem ausländische Arbeitskräfte willkommen sind wird dieses Land wohl bevorzugen.
    Das ist aber nur ein Anteil von vielen.

  2. 62.

    "Die Gefahr für unsere Wirtschaft ist z.Zt. nicht die AfD."
    Das sehen Sie vielleicht so. Die vorgenannten Wirtschaftsexperten sehen das aber offensichtlich anders.
    Abschottung nach außen und wenn es um Menschen geht kann für ein rohstoffarmes und export- und handelsorientiertes Land kein Weg sein.
    Schwächung der EU bedeutet Schwächung der starken Staaten in der EU.
    Schwächung der Nato bedeutet Schwächung der Schwachen in der NATO, wozu wir derzeit gehören. Sie wissen Deutschland ist derzeit kaum allein verteidigungsfähig.
    Die Faktoren der derzeitigen Wirtschaftslage sind leider sehr komplex und lassen sich eben nicht mit "Die Ampel ist schuld" beantworten. Das ist zwar einfach und populär aber deshalb noch lange nicht richtig. Da hilft auch kein undifferenzierter Vergleich mit anderen.

  3. 61.

    Die Gefahr für unsere Wirtschaft ist z.Zt. nicht die AfD. In 2023 ist die deutsche Wirtschaft um ca. 0,3 - 0,4 Prozent geschrumpft (die einzige unter den großen weltweit). Die Prognose für 2024 sieht auch nicht besser aus, zu erwartender Rückgang des BIP bei ca. 0,5 Prozent. Und jetzt kommen sie bitte nicht mit Krieg u.s.w., andere Volkswirtschaften boomen.

  4. 60.

    Im Prinzip zutreffend, weil die Geburtsstunde der USA von Gewaltexzessen gegen die lange dort Lebenden begleitet waren. Doch nachträglich formuliertes Recht ist nicht rückwirkend. Selbsteingeständnisse wie bspw. in Australien gegenüber den Aborigines wären deshalb sinnvoll. Das ist von Seiten der US-administrativen Administration bisher nicht so kundgetan worden. Es gibt die weitestgehende (aber nicht vollständige) Überwindung der Diskriminierung der Schwarzen, ein Defizit herrscht aber gegenüber den länger dagewesenen "indianischen" Stämmen.

    AfD-seitig ist es schon recht "bezeichnend", von einer Quasi-Homogenität des so bez. deutschen Volkes auszugehen, wo es zu keiner Zeit seiner Existenz diese Homogenität aufgewiesen hat - vielmehr: eine reichhaltige Bevölkerung, gerade durch Zuzug.

  5. 59.

    "das Ziel der Erhaltung des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand verstoße gegen die Menschenwürde" ist nach meinem Informationsstand eine eingedampfte Formulierung presseöffentlicher Vermittlung. Aber nicht was im Urteil des Verwaltungsgerichtes steht. Das Verwaltungsgericht hebt tatsächlich auf die Präzisierung dessen ab, was die Jugendorganisation des parlamentarischen Arms des Rechtsterrorismus AfD unter "Deutsches Volk" und Ethnie versteht.

    Tatsächlich gefährdet die "JA" die Bevölkerung Deutschlands in ihrem "ethnischen" Bestand. Als Einwanderungsland seit Generationen, gehören Bevölkerungsteile, -biografien und Familiengeschichten zur ethnischen Identität der Bevölkerung Deutschlands, die der Rechtsextremismus und -terrorismus gewaltsam in seiner völkisch selektiven Ideologie quasi rückabwickelnd will. Er vertritt einen "ethnischen" Volksbegriff, der seine Tradition in biologistischen, rassistischen, Kultur- und sozialchauvinistischen Herrenmenschenerzählungen hat.

  6. 58.

    Ich finde es gefährlich, wenn gesichert Rechtsextreme von sich selber behaupten, sie wären Opfer in diesem Land. Rechtsextreme waren noch nie Opfer, die stehen immer auf der anderen Seite. Rechtsextremismus ernährt sich von Antisemitismus und Rassismus. Wer dort steht ist alles, nur kein Opfer.
    Wacht endlich auf, gegen Rechtsextremismus, gegen Unfreiheit.

  7. 57.

    Die AfD ist eine Gefahr für unsere Wirtschaft. Investoren werden abgeschreckt, die Demokratie gefährdet. Überall melden sich Wirtschaftsweise zu Wort und warnen. Der deutsche Einzelhandel erhebt sich gegen die AfD. Ökonomen und Manager erheben sich gegen die AfD.
    Was vielen nicht klar zu sein scheint:
    Eure Jobs sind in Gefahr, wenn die AfD sich durchsetzt.

  8. 56.

    ja.
    Das Grundgesetz ist ein halbes Jahr jünger älter als die UN Menschenrechtskonventionen.

    Die haben natürlich nichts miteinander zutun, das ist natürlich völlig aus dem Kontext gerissen..

  9. 54.

    Das Gericht hat bestätigt, die AfD Jugend wurde gesichert rechtsextrem eingestuft .Da hat @ Bedrohen ja tatsächlich Recht gehabt und Sie tatsächlich nicht.
    Wenn Sie es immer noch nicht verstehen können, nutzen Sie seriöse Quellen.

  10. 53.

    Und noch ein paar Phrasen aus dem Afd Skript. Erklären Sie doch bitte mal den deutschen Sozialismus bei dem die Reichen immer reicher werden?

  11. 52.

    Ihr Argument könnte man dann auch bei Kapitalverbrechen wie Mord anbringen: Verbote nützen nichts, passiert ja trotzdem. Ein extremes Beispiel, aber ich bin mir sicher, Sie wissen, worauf ich damit hinauswill: Verbote haben einen Sinn, somit auch ein Verbot der AfD bzw. ihrer Jugendorganisation. Wenn eine Partei bzw. deren Mitglieder offen unter dem Deckmantel demokratischer Legitimation ihren menschenfeindlichen Müll absondern dürfen, mit verfassungswidrigen Massendeportationen liebäugeln, dem FSB (Russlands Geheimdienst) helfen wollen, Waffenlieferungen an die Ukraine zu verhindern bzw. zu verzögern, Russlands faschistoid-menschenverachtendes Regime, das auf das Völkerrecht einen Dreck gibt und unverhohlen mit Atomwaffen droht, verherrlichen und verharmlosen, dann ist ein Verbot nicht nur ratsam, sondern die Pflicht einer wehrhaften Demokratie. Oder wollen wir wie damals 1933 gemütlich abwarten, was die AfD noch so alles für einen Schaden anrichten kann?

  12. 51.

    Die Uno wurde lange nach Gründung der USA gegründet. Den Rechtsgrundsatz : "keine Strafe ohne Gesetz" kennen Sie auch? Warum sollte also die Gründung der USA rechtswidrig sein?

  13. 49.

    Überzeugungen lassen sich nicht verbieten? Die AfD will den Einparteienstaat, bedeutet, man darf nur dem folgen, was eine Partei will. Autokratische Systeme verbieten alle Meinungen, Ansichten anderer, müsste aber jeder mitbekommen haben, dass wir nur frei sind, wenn wir alle das GG schätzen und schützen.
    Die AfD will gerade alle und alles, die anders als sie selbst sind, verbieten.
    Das muss den Wählern klar sein.

  14. 48.

    netter Versuch von Ihnen, die verfassungswidrige afd-jugend zu retten.

  15. 47.

    Es gab nach den G20 Gipfel durchaus Prozesse die auch mit hohen Strafen, selbst bei wackeligen Beweislage, geendet sind. Einfach Mal in seriösen Medien informieren und nicht alles YT oder dem Deutschlandkurier glauben.

  16. 46.
    Antwort auf [Ruffty] vom 06.02.2024 um 19:27

    Seit wann betreibt denn die grüne Jugend Volksverhetzung?

  17. 45.

    Wie kommen Sie darauf, dass Maaßen beim Verfassungsschutz ist? Ich weiß aus seriösen und öffentlichen Quellen, dass er da gar nicht mehr ist, seit Jahren, eben weil er antisemitisch und rechtsextrem aufgefallen ist.
    Vielleicht fällt Ihnen Ihr plumper Fehler bei der Findung der Fakten auf.

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