Zweibrücken Realos gegen Fundis

Die Belagerung der Ebernburg 1523 ziert das Cover.
Die Belagerung der Ebernburg 1523 ziert das Cover.

Zwei Kapitel des Sammelbandes „Die Anfänge der Reformation in der Pfalz“, den Bernhard H. Bonkhoff zum 500. Jubiläum des Thesenanschlags herausgegeben hat, beschäftigen sich mit der Stadt Zweibrücken.

Die beiden führenden Persönlichkeiten, die die Reformation in Zweibrücken in die Wege leiteten und maßgeblich prägten, waren der Humanist und langjährige Kanzler und Berater Jakob Schorr (um 1484-1566), dessen Wirken ein Essay von Thomas Hohenberger untersucht, und der Hofprediger Johannes Schweblin (1490-1540). Seinem theologischen Netzwerk spürt Hannes Amberger nach. Wie konnte sich die Kleinstadt Zweibrücken zu einem Zentrum der Reformation in der Pfalz entwickeln? Das war trotz der revolutionären Erfindung des Buchdrucks, die – allerdings weitgehend nur in den großen städtischen Zentren – die Herstellung von Flugschriften ermöglichte, hier fast ausschließlich durch persönliche Kontakte bedeutender Führer möglich. Oft stammten sie noch aus der Jugend- und Studienzeit wie Schweblins Kontakt zu Philipp Melanchthon, da briefliche Korrespondenz in der Regel nur durch zufällig reisende Privatleute möglich war, denen man Briefe mitgeben konnte. Immerhin unterhielt Johannes Schweblin so ein sehr enges Netzwerk nach Pforzheim und Heidelberg, vor allem aber nach Straßburg, wo der Reformator Martin Bucer wirkte, so dass auf diesem Weg auch Einflusse der Schweizer Reformation über das Elsass in die Pfalz gelangten. Sehr kenntnisreich hat Hannes Amberger hier anhand von ausführlichen Quellenstudien die Korrespondenz und das daraus resultierende Netzwerk des Hofpredigers Johannes Schweblin erforscht, der das in Phasen verlaufende Reformationsgeschehen im Herzogtum Zweibrücken so entscheidend prägte. Eine der interessantesten Informationen bei der Lektüre dieser Kapitel ist allerdings die Erkenntnis, dass sich die ersten Reformatoren in Zweibrücken sowohl in Glaubensinhalten – wie zum Beispiel der Abendmahlslehre – als auch in der Frage nach der praktischen Durchsetzung und Verbreitung der Reformation ungeachtet ihrer Gemeinsamkeiten im Antiklerikalismus und in der Kritik an der römisch-katholischen Kirche in einen liberal-realpolitisch orientierten Flügel und eine fundamentalistisch ausgerichtete Gruppe spalteten. Während der letztlich erfolgreiche Hofprediger Schweblin die Etablierung der reformatorischen Lehre den verschiedenen Zweibrücker Herzögen als staatliche Aufgabe vermittelte, wies der durch und durch humanistisch geprägte Kanzler Jakob Schorr jegliche Form von staatlicher Einflussnahme oder gar Druck in Glaubensfragen kategorisch zurück. Die radikal-revolutionären Reformatoren sahen sich als „Werkzeuge Gottes, die dann als seine Knechte oder Schnitter zur letzten Ernte beauftragt und berechtigt sind, um das Endgericht Gottes herbeizuführen“. Dies äußerte sich zum Beispiel in der Forderung nach einem rigorosen obrigkeitlichen Vorgehen gegen das Priesterkonkubinat, das in der Folge dazu führen sollte, dass die betreffenden Priester sich verehelichen oder das Land verlassen mussten. Auch Jakob Schorr, persönlich ein überzeugter Lutheraner, vertrat ein apokalyptisch-endzeitliches Verständnis der Reformation. Allerdings vertraute er auf die „Durchsetzungskraft der Wahrheit“ und lehnte jegliche Einflussnahme von außen als unvereinbar mit der von Martin Luther propagierten Gewissensfreiheit ab. In der Frage des Priesterkonkubinats riet er zu diplomatischer Zurückhaltung. „Für Jakob Schorr hätte eine unter erheblichem Druck und Zwang durchgesetzte Reformation den Übergang von einer Tyrannei zur anderen bedeutet. Gerade gegen die Machtstellung des Papstes und seiner hierarchischen Zwingherrschaft, gegen die Seelenvergewaltigung des Priestertums (…) sah er in der Reformation Martin Luthers eine Befreiung der Christenheit von ihren dem Wort Gottes widersprechenden Fesseln. Daraus mit politischen Zwangsmitteln und Gesetzen wiederum eine das Gewissen gefangen nehmende Verpflichtung zu einheitlich genormter Glaubensauffassung zu machen, hätte nur einen Austausch der Gewaltherrschaften unter veränderten Vorzeichen ergeben, einen Rückfall in eine neue Versklavung“, bringt Thomas Hohenberger Schorrs Position auf den Punkt. Das Alte und das Neue sollten nebeneinander wachsen, „bis Gott selbst die Spreu von dem Weizen sondern würde“. Durchsetzen konnte sich allerdings Johannes Schweblin, auf dessen Veranlassung 1533 nach einem Regierungswechsel die Reformation kirchenjuristisch eingeführt und entsprechende Kirchenordnungen veröffentlicht wurden. Jakob Schorr bat daraufhin, aus dem Kanzleramt ausscheiden zu dürfen, blieb aber weiter als herzoglicher Berater tätig. Beide Reformatoren fanden ihre letzte Ruhestätte in der Alexanderskirche. Lesezeichen —Bernhard H. Bonkhoff (Herausgeber): „Die Anfänge der Reformation in der Pfalz. Beiträge zum 500. Jubiläum des Thesenanschlags.“ Conte Verlag, St. Ingbert 2017, 457 Seiten mit 14 farbigen und 214 schwarz-weißen Abbildungen, 19,90 Euro. —Die Bibliotheca Bipontina, Zweibrücken, Bleicherstraße 3, zeigt bis 17. November die Ausstellung „Gott, Schöpfer Himmels und der Erden“, mit der wichtigsten reformatorischen (Kontrovers-) Literatur aus der Bibliothek des Pfalzgrafen Karl von Pfalz-Birkenfeld sowie zahlreiche Bibeln. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 8-13 Uhr, Montag, Mittwoch, Freitag 14-17 Uhr.

x