Umfrage der Robert-Bosch-Stiftung

Jede zweite Lehrkraft beobachtet an ihrer Schule Gewalt in problematischem Ausmaß

Mit dem Rücken zur Wand: Gewalt an Schulen hat viele Gesichter – wie dieses Symbolbild zeigt.

Mit dem Rücken zur Wand: Gewalt an Schulen hat viele Gesichter – wie dieses Symbolbild zeigt.

Stuttgart. Fast jede zweite Lehrkraft in Deutschland sieht an der eigenen Schule psychische oder physische Gewalt unter Schülerinnen und Schülern in problematischem Ausmaß. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten, repräsentativen Umfrage der Robert Bosch Stiftung hervor. Danach gaben 47 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer an, dass es diese Probleme an ihrer Schule gebe.

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Für die aktuelle Ausgabe des Deutschen Schulbarometers wurden zwischen dem 13. November und 3. Dezember vergangenen Jahres 1608 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland vom Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. Es handelt sich um eine repräsentative Befragung zur aktuellen Situation der Schulen in Deutschland. Die Robert Bosch Stiftung lässt sie seit 2019 regelmäßig durchführen.

„Momentaufnahme eines kranken Systems“

Als größte Herausforderung in ihrer beruflichen Tätigkeit sehen Lehrkräfte das Verhalten von Schülerinnen und Schülern. Das sagten bei der aktuellen Umfrage 35 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer. Am zweithäufigsten (33 Prozent) nannten sie den Umgang mit heterogenen Klassen. Gemeint sind damit nach Angaben der Robert Bosch Stiftung Klassen, in denen die Schülerinnen und Schüler individuelle Lernbiografien, unterschiedliche kulturelle und familiäre Hintergründe und unter Umständen auch besondere Förderbedarfe haben.

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Bei der Frage, was an den Schulen am dringendsten getan werden müsse, sahen 41 Prozent Handlungsbedarf beim Personalmangel. Dagmar Wolf von der Robert Bosch Stiftung wertete die Ergebnisse der Umfrage als Momentaufnahme eines kranken Systems. Lehrerinnen und Lehrer müssten seit Langem die Folgen des „massiven Personalmangels“ ausgleichen und immer neue Belastungen bewältigen. Gleichzeitig werde das berufliche Wohlbefinden in Zukunft enorm wichtig sein, um Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen zu halten und den Beruf für junge Menschen wieder attraktiver zu machen.

Dringenden Handlungsbedarf sieht gut ein Drittel auch bei maroden Schulgebäuden: 35 Prozent der befragten Lehrkräfte hielten Investitionen in die Sanierung und Renovierung für notwendig. Der Bedarf ist laut Robert Bosch Stiftung in allen Regionen und sozialen Lagen in etwa gleich hoch.

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Intensivpädagoge erklärt: Nimmt Jugend­gewalt tatsächlich zu?

Laut der Kriminalstatistik der Polizei gab es im vergangenen Jahr mehr Verbrechen, die von Kindern und Jugendlichen begangen wurden. Im Interview erklärt der Intensivpädagoge Menno Baumann, ob Gewalt tatsächlich zunimmt und wie es dazu kommen kann, dass Kinder sogar töten.

27 Prozent aller Lehrkräfte würden den Beruf wechseln

Ganz grundsätzlich zeigt die Umfrage aber auch: Obwohl die Mehrheit (75 Prozent) der Lehrerinnen und Lehrer der Umfrage zufolge zufrieden mit ihrem Beruf und ihren Schulen ist, würden 27 Prozent den Beruf wechseln, wenn sie könnten.

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Mit Blick auf die Umfrage sagte die Vorsitzende des Philologenverbandes Susanne Lin-Klitzing, dem Berliner „Tagesspiegel“: „Es ist erschütternd, dass so viele Lehrkräfte im Alltag verschiedene Formen von Gewalt erleben müssen.“ Das wachsende Ausmaß von Gewalt an Schulen, der Lehrkräftemangel und der marode Zustand vieler Schulen führten zu zusätzlichem Stress für alle. Deshalb müsse in die Schulen investiert werden.

Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte die Ergebnisse alarmierend. Es mache deutlich, wie groß mittlerweile der Handlungsdruck in der Bildung sei, sagte sie den Tageszeitungen der „Funke Mediengruppe“. „Schulen müssen für Schüler und Lehrer sichere Orte sein. Das ist eine Grundvoraussetzung, um überhaupt vernünftig lernen und unterrichten zu können.“

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Zur Gewaltprävention an Schulen fordert der Deutsche Lehrerverband mehr Personal. Probleme von physischer und psychischer Gewalt könnten die Schulen und Lehrkräfte nicht alleine lösen, sagte der Präsident des Lehrerverbandes, Stefan Düll, wie schon Ministerin Stark-Watzinger den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“: „Der Deutsche Lehrerverband fordert seit langem mehr flankierendes Personal für die sozial-emotionale Förderung an den Schulen, also Personal für Sozialarbeit, Jugendarbeit, Schulassistenz und Schulpsychologie“, erklärte Düll mit Blick auf die Ergebnisse des „Schulbarometers 2024″.

„Das geht zulasten der Lernenden und zermürbt das Lehrpersonal“, sagte Düll. Schulen könnten nicht die gesamte Erziehungsarbeit leisten, sondern seien auf die Unterstützung von Politik, Gesellschaft und insbesondere von Elternhäusern angewiesen.

RND/dpa

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