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Ehemaliger Nestlé-Chef Helmut Maucher gestorben

Argenbühl / Lesedauer: 5 min

Der Allgäuer Helmut Maucher, der es als erster Deutscher bis zum obersten Chef des Schweizer Nahrungsmittel-Konzerns Nestlé gebracht hatte, ist im Alter von 90 Jahren gestorben.
Veröffentlicht:08.03.2018, 14:11

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Bei vielen Topmanagern erinnert sich kaum noch jemand an den Namen, wenn sie einige Jahre aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind. So vergänglich ist ihr Ruhm. Für Helmut Maucher, der am 5. März im Alter von 90 Jahren in seinem Wohnort Bad Homburg gestorben ist, traf dies nicht zu. Sein Ruf als eine der großen internationalen Wirtschaftspersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts ist bis zuletzt kaum kleiner geworden.

Helmut Maucher, der es als erster Deutscher bis zum obersten Chef des Schweizer Nahrungsmittel-Konzerns Nestlé gebracht hatte (was er selbst als eine „mittlere Revolution“ empfand), war eine solche Weltkarriere wahrlich nicht an der Wiege gesungen worden. Diese hatte in dem Dorf Eisenharz in Argenbühl gestanden, wo der Vater eine kleine Molkerei leitete. Schon bald hatte sich freilich gezeigt, dass in dem Allgäuer Buben einiges steckte. Er machte Abitur im nahen Wangen, absolvierte anschließend ganz bodenständig eine kaufmännische Lehre und hängte dann noch berufsbegleitend ein Betriebswirtschaftsstudium an.

Schon als Student hatte Helmut Maucher in den Diensten von Nestlé gestanden, und das blieb so sein ganzes aktives Berufsleben lang, das er erst mit 72 Jahren, beendete. In den gut eineinhalb Jahrzehnten, in denen Helmut Maucher den Nestlé-Konzern zunächst als Delegierter des Verwaltungsrats (operativer Geschäftsführer) und später zugleich als Verwaltungsratspräsident mit exekutiver Funktion geführt hatte, verdoppelte sich der Umsatz auf 60,5 Milliarden Franken bei respektablen 3,9 Milliarden Franken Gewinn.

Das ganz große Verdienst um sein Unternehmen erwarb sich Maucher jedoch mit dessen konsequenter Internationalisierung. Unter seiner Leitung wurde Nestlé zu einem echten Weltunternehmen mit mehr als 230 000 Mitarbeitern in gut 400 Fabriken rund um den Erdball.

Vielfach ausgezeichnet

Diese Globalisierung zu einer Zeit, als dieser Begriff noch längst nicht in aller Munde war, hatte Helmut Maucher auch sein hohes internationales Renommee eingebracht. Zumindest die europäischen Manager betrachteten den Kollegen von Nestlé als ihren Doyen und betrauten ihn mit wichtigen Ehrenämtern wie der Präsidentschaft der Internationalen Handelskammer in Paris und der Leitung des European Round Table, einer Runde von 50 europäischen Spitzenmanagern. Auch bei Staatsmännern in aller Welt war Maucher ein gern gesehener Gast, auf dessen Rat sie hörten. Dass dabei hohe internationale Ehrungen nicht ausblieben, versteht sich fast von selbst. Aber in diesem Fall hatte der Prophet auch im eigenen Vaterland gegolten. In Deutschland wurde Maucher ebenfalls vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis „Soziale Marktwirtschaft“ der Konrad-Adenauer-Stiftung“ und zuletzt, im Jahr 2013, mit dem „Hanns-Martin-Schleyer-Preis“, zusammen mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt.

Keine Statussymbole

Bei all den großen unternehmerischen Erfolgen – der typische Topmanager war Helmut Maucher nicht. Das galt auch für seinen persönlichen Lebensstil und sein öffentliches Auftreten. Statussymbole, wie sie für Persönlichkeiten seinesgleichen meist selbstverständlich sind, spielten für ihn nie eine Rolle. Zu Gesprächen, auch mit seiner Heimatzeitung, der „Schwäbischen“, ließ er sich nie von Referenten und anderen in diesen Kreisen üblichen „Kofferträgern“ begleiten, nicht selten kam er sogar ohne Chauffeur. Vor allem aber leistete sich Maucher in seiner Unternehmensführung seinen eigenen Stil, der von einigen seiner Kollegen und von Wirtschaftswissenschaftlern als ziemlich unkonventionell empfunden, manchmal auch kritisiert wurde. So hielt er beim Thema Führung gar nichts von einem Team als Spitze, sondern plädierte energisch für ein Team mit Spitze, und genau so hielt er es auch in seinem Konzern.

Die Werte, die Helmut Maucher als Unternehmenschef vertrat und lebte, mögen früher einmal Allgemeingut für Manager gewesen sein, sie haben aber in den letzten Jahrzehnten doch einiges an Bedeutung verloren, meist nicht zum Vorteil der Unternehmen, sondern eher zum Schaden des Ansehens der Managergilde. Für Maucher waren ein hohes Verantwortungsbewusstsein, Glaubwürdigkeit, Angemessenheit, persönliche Bescheidenheit und nicht zuletzt auch Mut zu unpopulären, aber notwendigen Entscheidungen unverzichtbare Tugenden eines Unternehmensleiters. Mit seiner sehr kritischen Einstellung zum deutschen Modell der Mitbestimmung im Aufsichtsrat war Maucher zwar sicher nicht allein unter den großen Managern, aber er hatte mehr als viele andere die Courage, diese Meinung auch in aller Deutlichkeit öffentlich zu äußern, wie übrigens auch seine Kritik an den teilweise weit überzogenen Gehältern und Boni für die Chefs großer Unternehmen. Aber er ließ auch nie einen Zweifel daran, dass ihn dass „Sozialgesäusel“ mancher seiner Kollegen ziemlich nervte. Freilich ging Helmut Maucher gelegentlich auch zu weit in seiner Missbilligung von Verhältnissen, mit denen er nicht einverstanden war. Dies war vor allem der Fall, als er angeblich arbeitsunwillige Menschen als „Wohlstandsmüll“ bezeichnete und damit zum Schöpfer des Unworts des Jahres 1997 wurde.

Durch Allgäuer Herkunft geprägt

Immer wieder hatte Helmut Maucher betont, wie sehr er durch seine Allgäuer Herkunft geprägt worden sei. Das Wir-Gefühl, die Verantwortung für die Familie und die Nachbarn, die Natürlichkeit im Umgang miteinander – all das habe ihm die dörfliche Gemeinschaft vermittelt. Auch als er in der Nestlé-Konzernzentrale in Vevey am Genfer See seinen Schreibtisch hatte, ließ Maucher die Verbindung zur Heimat nie abreißen. Wann immer er es einrichten konnte, war es für ihn und seine aus Wangen stammende Frau Mathilde Ehrensache, am 26. Dezember den traditionellen Stephansritt in Eisenharz zu besuchen, und er war auch immer ein großzügiger Förderer von sozialen, kulturellen und sportlichen Aktivitäten seiner Heimatgemeinde. Anlässlich seines 80. Geburtstags hatte Maucher sogar eine eigene Stiftung gegründet, die sich derartige Unterstützung zur Aufgabe gemacht hat. Um den Kontakt zu seinem Allgäu zu pflegen, musste Helmut Maucher meist gar nicht erst aus Bad Homburg anreisen, wo er seinen Hauptwohnsitz hatte, denn seit vielen Jahren besaß er ein Appartement im Berghotel „Jägerhof“ bei Isny, das ihm längst viel mehr als nur ein Feriendomizil geworden war.