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Symposium

„Musik kann verdummen, verrohen und abstumpfen“

Lauchheim / Lesedauer: 3 min

„Musik kann verdummen, verrohen und abstumpfen“
Veröffentlicht:21.01.2010, 16:20

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Kann Musik Jugendliche zu Gewalt anstacheln? Darüber diskutieren Experten vom 20. bis 22. Januar beim Symposium „Musik und Gewalt“ auf der Kapfenburg. Unser Redakteur Bernhard Hampp sprach mit Prof. Dr. Gabriele Hofmann von der Abteilung Musik der Pädagogischen Hochschule (PH) Schwäbisch Gmünd. Der PH-Förderverein finanziert das Projekt.

Es heißt: Böse Menschen kennen keine Lieder. Musik und Gewalt müssten sich doch eigentlich ausschließen…

Dem würde ich widersprechen. Musik ist emotionaler Ausdruck, und Emotionen sind nicht immer positiv. Jugendliche hören Musik mit gewaltsamen Texten aber oft nicht, weil sie gewaltsam ist, sondern, um zur Clique zu gehören. Die Musik ist für sie das Verbindende, in ihren Ohren also etwas Gutes. Die Botschaften werden ja oft auch ganz subtil vermittelt.

Musik, die Menschen zu Kampf und Krieg angestachelt hat, gab es immer. Ist die sogenannte Gewaltmusik denn etwas Neues?

Politisch motivierte Musikformen, die Gemeinschaftsgefühl erzeugen und Menschen zielgerichtet für bestimmte Zwecke manipulieren, sind das eine. Eine neue Dimension hat Musik, die vordergründig keine Botschaften vermittelt, sondern sich durch diskriminierende und sexistische Texte auszeichnet. Denken Sie an Gangsta-Rapper wie Bushido oder Sido.

Macht diese Musik Jugendliche gewaltsam?

Das ist nicht so einfach zu sagen. Man muss unterscheiden: Ist diese Musik Ausdruck eines Entwicklungsstadiums der Jugend? Also provokative Musik, um die Eltern herauszufordern, wie es in allen Generationen war? Oder sind das erste Anzeichen für eine Verrohung der Jugend und des Sprachgebrauchs und der inneren Haltungen? In jedem Fall sollte man bei Gewaltexzessen wie dem Attentat von Winnenden nicht nur nach Computerspielen und Gewaltvideos sehen, sondern auch fragen: Welche Musik haben die Täter gehört? Woher haben sie die Musik bekommen? Über das Internet oder irgendwelche Organisationen? Neben dem Gangsta-Rap, der oft Frauen, Schwächere und Minderheiten wie Homosexuelle diskriminiert, sind es die rechtsextremen Songs. Sie kommen heute nicht mehr klischeehaft als Marschmusik daher, sondern imitieren oft andere Musikrichtungen, wie zum Beispiel Liedermacher. Dazu kommen Teile der Black-Metal-Szene, die man aber nicht über einen Kamm scheren sollte. Ich habe selbst Studierende, die Metal-Fans sind und nichts mit Gewalt am Hut haben. Andererseits glaube ich kaum, dass gewaltbereite Jugendliche Schubert hören würden.

Ist die Wirkung auf alle Jugendliche gleich?

Nein. Viele Jugendliche hören diese Gewaltmusik und nehmen sie nicht ernst, sondern sehen sie als Kommerzprodukt. Andere identifizieren sich damit, weil sie aus einem Umfeld kommen, wo diese Sprache gesprochen wird und der unwürdige Umgang mit dem Gegenüber normal ist.

Wie sollte man auf diese Tendenzen reagieren?

Bestimmt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger oder Verboten. Es ist wichtig, dass Jugendliche ihre Musik haben und damit provozieren können. Aber man sollte sie sensibilisieren, zum Beispiel über Jugendarbeit, Gespräche mit den Eltern und in der Schule. Musiklehrer sollten mit Schülern über diese Art Musik sprechen.

Kann man Menschen mit Musik besser oder schlechter machen?

Man könnte sagen, Musik, die eindimensional ist, kann verrohen, verdummen, abstumpfen und desensibilisieren. Wer sich kreativ und differenziert mit Musik auseinandersetzt, wird sensibilisiert für Klänge und musikalische Strukturen – das ist ein wertvolles Stück Menschenbildung.

Haben Sie selbst in Ihrer Jugend solche Gewaltmusik gehört?

Ich war da eher untypisch und habe mich für Liszt, Chopin und Bach begeistert.