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Mit Spitzeln und Gewalt - ein Polizeichef kämpft gegen die Taliban

Mit fragwürdigen Methoden geht der Polizeichef von Kandahar gegen die Taliban in seiner Provinz vor. Abdul Rasik ist hoch umstritten - viele Afghanen unterstützen ihn dennoch, weil er Sicherheit bringt.

Mit Spitzeln und Gewalt - ein Polizeichef kämpft gegen die Taliban
Mit Spitzeln und Gewalt - ein Polizeichef kämpft gegen die Taliban
Die südafghanische Provinz Kandahar war einst die unbestrittene Hochburg der Taliban. Dass dies heute nicht mehr so ist, liegt vor allem an Polizeichef Abdul Rasik, der von der Provinzhauptstadt Kandahar aus herrscht. Er hält die Gegend mit einem Netzwerk von Spitzeln und Stammeskontakten, mit fragwürdigen Geldquellen und brutalen Methoden unter Kontrolle. Sogar die Taliban erkennen widerwillig seine Macht an. "Wenn Rasik tot ist, brennen wir die Stadt nieder", sagt ein Taliban-Anführer namens Abdullah Rasak. Schon 19 Mal seien die Taliban dabei gescheitert, Rasik zu töten.

Der Polizeichef hat sogar in dem Dorf für Sicherheit gesorgt, in dem der inzwischen verstorbene Taliban-Gründer Mullah Mohammad Omar einst als Madrasa-Lehrer arbeitete. "Die Sicherheitslage hier ist gut. Es gibt keine Taliban. Die afghanische Polizei hat ihnen im letzen Jahr das Rückgrat gebrochen", sagt Mohammad Haschem (44), der schon in dem Dorf lebte, als Mullah Omar dort Mitte der 1990er Jahre unterrichtete.

Die Veränderungen in der Provinz sind auch der engen Zusammenarbeit von Stammesältesten und Klan-Chefs zu verdanken - eine Initiative, die auf Rasik zurückgeht. Der Bezirk Sari war noch im vergangenen Jahr unter Taliban-Kontrolle, sagt der örtliche Polizeikommandeur Sadikulla. "Heute haben wir Informanten im gesamten Bezirk. Sie sagen uns, wenn sie Taliban oder einen Fremden in ihrem Dorf sehen."

Sadikulla sagt, acht der 17 Bezirke in der Provinz seien sicher, in acht weiteren sei die Sicherheitslage noch problematisch. Ein Bezirk, Gorak, werde von den Taliban kontrolliert. Taliban-Anführer Rasak räumt ein, seine Kämpfer operierten lieber in den Nachbarprovinzen Helmand und Urusgan, weil Kandahar für viele als verloren gelte.

"Rasik befiehlt seinen Leuten, Taliban zu töten und ihre Sympathisanten festzunehmen", sagt der Taliban-Anführer. "Er ist (vom Unterstamm der) Adosai, ich bin Gabisai. Rasik ist gut darin, diese Stammeskontakte auszunutzen. Viele Adosai-Geschäftsleute liefern ihm Informationen. Dafür schützt er ihre wirtschaftlichen Interessen."

Bis 2011 war Rasik Kommandeur der Grenzpolizei im Bezirk Spin Boldak. Aus seinem Umfeld heißt es, er habe in der Region an der Grenze zu Pakistan immer noch viel Einfluss - und erhalte täglich tausende Dollar für seine Kriegskasse, mit der er sein Spitzelnetz finanzieren soll. Rasik stieg zum Polizeichef der Provinz auf, als sein Vorgänger bei einem Selbstmordanschlag getötet wurde. Seit auch Rasiks Förderer Ahmad Wali Karsai - Bruder des damaligen Präsidenten Hamid Karsai - 2012 getötet wurde, ist Rasik der mächtigste Mann in Kandahar.

Von Skrupeln ließ sich Rasik bei seinem Aufstieg nicht behindern. Die Organisation Human Rights Watch wirft ihm Menschenrechtsverletzungen wie Folter und illegale Tötungen vor. In einem Bericht der Vereinten Nationen heißt es, zwischen September 2011 und Oktober 2012 seien 81 Menschen in Polizeigewahrsam verschwunden. "Die afghanischen Gerichte sind korrupt. Ich werde sie (die Taliban) direkt ins Grab schicken", soll Rasik nach Aussage eines Stammesältesten bei einem Treffen im August gesagt haben. Rasik hat die Behauptung zurückgewiesen. Zu einem Treffen mit einem dpa-Reporter war er nicht bereit.

Der 30-jährige Klanchef Dadgul wurde nach seiner Erfahrung mit der afghanischen Justiz zu einem von Rasiks Spitzeln. "Ich habe den Taliban-Kämpfer festgenommen, der meinen Onkel getötet hat", sagt er. "Ich habe ihn an die Polizei übergeben, weil ich dachte, dass der Gerechtigkeit genüge getan würde. Später fand ich heraus, dass der Richter ihn für 10 000 Dollar Schmiergeld freigelassen hat."

Trotz seiner fragwürdigen Taktiken unterstützen viele Menschen in Kandahar Rasik - aus dem einfachen Grund, dass er ihnen Sicherheit vor der Gewalt der Taliban gebracht hat. Stammesanführer zeigen sich erleichtert, dass sie sich jetzt um Landwirtschaft, Bildung und Jobs kümmern können statt um die Sicherheitslage.

"Auch wenn er Menschen umbringt, mögen wir ihn, weil er der einzige ist, der die Sprache der Taliban spricht", sagt der Stammesälteste Tadsch Mohammad mit Blick auf das brutale Vorgehen der Aufständischen. Mohammad ist aus dem Bezirk Argandab, sein Dorf wurde von den Taliban kontrolliert, heute treffen sich Menschen dort zum Picknick. "Es gibt hier keine Taliban mehr", sagt Mohammad. "Möge Allah Sicherheit wie in Argandab nach ganz Afghanistan bringen."

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