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Kleinserien Wider die Einförmigkeit

Während sich in Großbritannien Dutzende kreativer Kleinserienhersteller etabliert haben, verbreitet sich diese Kultur in Deutschland nur langsam. Der Fließband-Konkurrenz auf dem diesjährigen Automarkt stellen sich ein Bitter CD II, ein YES! Roadster und ein Wiesmann GT.

Braunschweig - Erich Bitter meint es ernst. Der 70-Jährige will sich wie andere deutsche Kleinserienhersteller auch - beispielsweise YES! und Wiesmann - mit seinen Kreationen auf dem Automarkt gegen die Einförmigkeit der Fließbandfahrzeuge behaupten. Bis Ende 2006 sollen in Braunschweig 200 Fahrzeuge seines Coupés Bitter CD II gebaut werden. Wie klein diese Serie ist, zeigt ein Blick ins 50 Kilometer entfernte Volkswagenwerk in Wolfsburg: Dort entstehen 2200 Golf pro Tag.

Der Prototyp des Bitter CD II ist fertig und fährt. "Auch mit Normalbenzin", erklärt Bitter und verweist auf den V8-Motor unter der langen Haube. Der Hubraum von 5,7 Liter verrät es: Er ist ein Abkömmling des millionenfach gebauten "Small Blocks" von General Motors. Bewährte und, darauf legt Bitter besonderen Wert, zuverlässige Technik. Mit rund 400 PS beschleunigt er das 1,7 Tonnen schwere Sportcoupé auf mehr als 250 Kilometer pro Stunde. Auf der Straße liege der Wagen dabei "wie ein Brett".

Mit der Mischung aus US-amerikanischer Technik, eigenständigem Design und deutschem Perfektionsanspruch war Erich Bitter schon in den siebziger Jahren erfolgreich. CD hieß auch damals das Kürzel, dass für Coupé Diplomat stand. Bitter ist sich absolut sicher, dass er den CD II für rund 100.000 Euro pro Stück genau so problemlos verkaufen kann. "Das Wichtigste ist, dass den Kunden das Auto gefällt. Und wegen der GM-Technik weiß er, dass es zuverlässig fährt." Für den Produktionsbeginn fehlt jetzt nur noch Startkapital. "So ein Projekt lässt sich nur mit Geld von außen machen", erläutert Bitter. Die Chancen für den Baubeginn stünden bei "mindestens 70 Prozent".

Da sind Herbert Funke und Philipp Will schon zwei Schritte weiter: Etwa 50 Exemplare des YES! ("Young Engineers Sportscar"), der als gemeinsame Diplomarbeit startete, werden in Großenhain bei Dresden pro Jahr gebaut. Und auch wenn der 286-PS-Motor auf einen 1,8-Liter-Turbomotor von Volkswagen zurückgeht, ist der YES! fast immer ein Unikat. Sitzhöhe, Polsterung, Lenksäule und Pedalerie werden exakt auf den zukünftigen Eigner eingestellt.

Der schwerste YES! ist der Roadster. Er wiegt leer 830 Kilogramm. Schließlich hat er im Gegensatz zu seinen Brüdern, dem Clubsport und dem Cup/R, ein Stoffdach, aufsteckbare Seitenscheiben und Flügeltüren. 4,2 Sekunden vergehen beim Spurt auf Tempo 100. Nach acht weiteren Sekunden zeigt die Tachonadel 200, und Schluss ist bei 264. Das Konzept mit Mittelmotor, aber ohne elektronische Stützen wie ESP, erfordert dabei einen Lenker mit sittlicher Reife. Der Fahrer ist voll verantwortlich für das, was er tut. Und das wiederum sei ein wesentliches Kaufargument.

Bisher wurde jeder zehnte YES! in Deutschland zugelassen. Die Preise beginnen bei 64.653 Euro für den dachlosen Clubsport und 75.540 Euro für den weniger spartanischen Roadster. 42 Mitarbeiter verdienen damit ihr Geld. Und es sollen mehr werden.

So wie beim Kleinserienhersteller Wiesmann in Dülmen bei Münster: Noch bauen Friedhelm Wiesmann und sein Bruder Martin mit 40 Angestellten etwa 70 Autos im Jahr. 2007 sollen es 200 Fahrzeuge und 90 Arbeiter sein. Auch hier ist das Erfolgsrezept die Kombination aus Großserienmotoren - in diesem Fall aus BMW-Produktion - und einem in Handarbeit gebauten Auto: Lange Haube, kurzes Heck und aggressives Design haben den Roadster MF 3 zu Preisen ab 88.900 Euro erfolgreich gemacht.

Wem der 343 PS starke 3,2-Liter-Sechszylinder im MF 3 zu schwach und die Höchstgeschwindigkeit von Tempo 255 zu langsam ist, kann bei Wiesmann ab August für rund 100.000 Euro zum GT greifen. Der 4,4-Liter Achtzylinder hat zwar zehn PS weniger. Aber Hubraum ist eben durch nichts zu ersetzen, und die geschlossene Karosserie des GT tut ein Übriges für die Spitzengeschwindigkeit von 280 Kilometer pro Stunde. Auch in der Beschleunigung kauft der 1190 Kilogramm schwere GT dem MF 3 mit 4,6 Sekunden den Schneid knapp ab.

Mit seiner geduckten, breiten Form erinnert der Wiesmann GT an Wagen britischer Manufakturen wie TVR. Auf der Insel gibt es bereits Dutzende etablierter Kleinserienhersteller, während sich diese Kultur in Deutschland nur langsam verbreitet und durch Replica-Hersteller und extreme Autoveredler ergänzt wird. Woran das liegt, weiß auch Erich Bitter nicht. Aber auf die Frage, wem er empfehlen würde, ohne Erfahrung und nur mit einer Idee bei null anzufangen und ein Auto auf die Räder zu stellen, ist die Antwort klar: niemandem.

Von Christoph M. Schwarzer, gms