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Kampf gegen Crystal Meth in Bayern "Grenze des Ertragbaren"

Die Verbreitung von Crystal Meth in Deutschland steigt immer weiter - fast die Hälfte der sichergestellten Menge wurde in Bayern gefunden. Der Freistaat rüstet im Kampf gegen die Dealer auf, doch Kritiker bemängeln die Politik als verfehlt.
Von Maik Baumgärtner, Mario Born und Bastian Pauly
Drogenspürhund im bayerischen Selb: Bekämpfung von Crystal Meth

Drogenspürhund im bayerischen Selb: Bekämpfung von Crystal Meth

Foto: David Ebener/ dpa

Der Kampf gegen Crystal Meth stellt Bayern vor größere Probleme als bisher bekannt. Nach Angaben des Innenministeriums hat der Freistaat massiv aufgerüstet, um die Verbreitung der Droge einzudämmen. 670 Polizisten beschäftigen sich mittlerweile ausschließlich mit Crystal-Meth-Delikten. Seit 2008 haben die bayerischen Ermittler 44 Labore ausgehoben. Das geht aus einer Antwort des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion hervor.

In dem Papier, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, informiert das Innenministerium detailliert über Taktik, Personaleinsatz und zahlreiche länderübergreifende Kooperationen in der Bekämpfung von Crystal Meth. "Wir haben ein massives Problem, wie diese Zahlen nun eindeutig belegen", sagt Katharina Schulze, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag.

Allein in Bayern wurden laut "Drogen- und Suchtbericht" der Bundesdrogenbeauftragten im vergangenen Jahr rund 36 Kilogramm Crystal Meth sichergestellt - bundesweit waren es etwa 77 Kilogramm. Innenminister Hermann setzt im Kampf gegen Dealer und Konsumenten auf verstärkte Kontrollen und wachsenden Fahndungsdruck. 560 sogenannte Schleierfahnder sollen im Grenzraum zu Tschechien und Österreich Schmuggler durch verdachtsunabhängige Kontrollen aufspüren.

"Übersteigt nicht selten die Grenze des Ertragbaren"

Allein im fränkischen Hof arbeiten aktuell 18 Kriminalpolizisten in einer Soko Crystal zusammen. Die Stadt nahe der tschechischen Grenze gilt als Hochburg für den illegalen Handel. Auch bei der Justiz erhöht Bayern die personelle Schlagkraft. Anfang Oktober wurden die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht in Hof jeweils um eine halbe Stelle verstärkt, wie das Innenministerium mitteilte. Diese Zahlenspiele stoßen in Ermittlerkreisen allerdings auf Misstrauen. "Die kleinen Inspektionen kommen längst nicht mehr dem Tagesgeschäft hinterher. Personell und menschlich übersteigt es nicht selten die Grenze des Ertragbaren", berichtet ein leitendender Beamter aus Niederbayern.

Die Grünen im bayerischen Landtag kritisieren eine einseitige Drogenpolitik. Im Innenministerium werde Repression der Prävention vorgezogen, beklagt Innenpolitikerin Schulze. "Das Problem wird ausschließlich auf die Kommunen und die Polizei abgeschoben. Die sind damit völlig überlastet." Präventive Maßnahmen, die das "ganzheitliche Bekämpfungskonzept" des Landes ebenfalls vorsieht, bleiben den Schulen und Bezirken vorbehalten. Dafür steht demnächst allerdings weniger Geld zur Verfügung. "Im kommenden Haushalt werden die Ausgaben für Aufklärungsarbeit von 400.000 auf 180.000 Euro gekürzt", erklärt Schulze.

In den Entzugseinrichtungen wird die Zahl der Crystal-Meth-Konsumenten, die sich von der Droge lossagen wollen, derweil größer. Zwischen 2008 und 2012 hat sich die Zahl der hilfesuchenden Abhängigen laut Innenministerium von 244 auf 1014 mehr als vervierfacht. Auch die Zahl der Drogentoten ist in Bayern in den vergangenen Jahren wieder angestiegen. Bei 18 von 230 Menschen, die 2013 in Bayern ihrer Sucht zum Opfer fielen, wurde auch die Einnahme von Crystal Meth nachgewiesen. "Endlich liegen diese Zahlen auf dem Tisch", sagt Schulze. Dabei sei es längst zu spät. "Die Probleme werden vom Innenministerium lieber totgeschwiegen und verwaltet."

Die Drogenpolitik im Freistaat gehe an den Menschen vorbei, ist die Abgeordnete überzeugt. Mit der Prohibition sei noch niemand bekehrt worden. Vielerorts fehlen die Anlaufstellen für Abhängige und deren Angehörige. Dem soll nun eine neue Telefon-Hotline des Regensburger Drogenhilfe-Vereins "DrugStop" Abhilfe verschaffen. Das bayerische Gesundheitsministerium fördert das Modellprojekt bis Juli 2016 mit 120.000 Euro. Der wachsende Bedarf zeigt sich laut einer Sprecherin der zuständigen Ministerin Melanie Huml (CSU) auf der von der Caritas getragenen Online-Beratungsplattform "Mindzone", die allein in den vergangenen Monaten eine Verdoppelung der Anfragen verzeichnete.