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Ausländerpolitik der Schweizer SVP "Das ist barbarisch"

In der Schweiz wirbt die rechtskonservative SVP für eine rigorose Ausweisung krimineller Ausländer, selbst bei Bagatelldelikten. Die Initiative gilt als aussichtsreich. Tausende Bürger, darunter etliche Prominente, warnen nun vor ihr.
Delegiertenversammlung der Schweizer SVP: Ja zur Durchsetzungsinitative

Delegiertenversammlung der Schweizer SVP: Ja zur Durchsetzungsinitative

Foto: imago/ EQ Images

Man muss nicht sonderlich viel auf dem Kerbholz haben, um als Ausländer in der Schweiz künftig des Landes verwiesen zu werden. Jedenfalls dann nicht, wenn es nach der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) geht.

Dann würde etwa schon dies reichen:

  • eine Verurteilung wegen Sozialmissbrauchs, unabhängig von der Höhe der verhängten Strafe
  • eine Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung, sofern die betroffene Person zuvor etwa bereits wegen einer Geldstrafe vorbestraft war. Die SVP nennt diese Kombination von Delikten das "Prinzip Gelbe Karte" und zieht den Vergleich zum Fußball: Sei der "Spieler bereits Gelb vorbelastet", erhalte er bei bestimmten Delikten die zweite Gelbe und damit die rote Karte.
  • ein Einbruchsdelikt, bei dem die folgenden Straftatbestände erfüllt sind: Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch

So fordert es die SVP in ihrer sogenannten Durchsetzungsinitiative , über die die Bürger am 28. Februar abstimmen. Philipp Müller, Präsident der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP), die wie die übrigen Parteien die Initiative der SVP ablehnt, formulierte die möglichen Konsequenzen eines SVP-Erfolges jetzt so: Ein Ausländer, der ein Gartentürchen eintrete und auf dem Hausplatz ein Fahrrad klaue, müsste gemäß der Initiative umgehend ausgewiesen werden. Müllers klares Urteil: Die Durchsetzungsinitiative sei "ein Anschlag auf die Schweiz und ihre Rechtsordnung", sagte der 63-Jährige dem Schweizer "Blick".

Knapper Vorsprung des Ja-Lagers

Es hat eine Weile gedauert, bis sich die Gegner der SVP-Initiative lautstark zu Wort meldeten. Dies wurde unter anderem darauf zurückgeführt, dass die Budgets der Parteien nach den Nationalratswahlen im vergangenen Jahr für große Kampagnen begrenzt sind. Aber die warnenden Stimmen werden immer deutlicher. Das dürfte auch mit einer Umfrage des Instituts gfs.bern zu tun haben, wonach der Ausgang der Initiative völlig offen ist. Den Forschern zufolge würden derzeit 51 Prozent der teilnahmewilligen Bürger bestimmt oder eher für die Initiative stimmen, 42 Prozent bestimmt oder eher dagegen - zwischenzeitlich hatte das Ja-Lager sogar noch stärker vorn gelegen.

Inzwischen engagieren sich auch Tausende besorgte Bürger gegen die SVP-Pläne - darunter Prominente wie die Schriftsteller Martin Suter, Adolf Muschg, Peter Bichsel und die international bekannten Architekten Pierre de Meuron und Jacques Herzog. Sie unterzeichneten zuletzt einen "dringenden Aufruf ", in dem davor gewarnt wird, dass die SVP-Initiative den Automatismus des Landesverweises in die Verfassung schreiben wolle, obwohl er menschen- und rechtsstaatlichen Grundwerten derselben Verfassung widerspreche. "Die Durchsetzungsinitiative der SVP ist barbarisch", heißt es in dem Aufruf.

Warnung vor Zwei-Klassen-Justiz

Die SVP hatte ihre Durchsetzungsinitiative auf den Weg gebracht, weil sie früh der Überzeugung war, dass die von ihr lancierte und 2010 angenommene Ausschaffungsinitiative vom Parlament nur halbherzig umgesetzt werden sollte - auch bei dieser Initiative ging es um die Ausweisung krimineller Ausländer. Das Parlament hatte die Ausschaffungsinitiative aber mit einer Härtefallklausel versehen. Mit ihrer Hilfe sollten Richter in bestimmten Fällen von der Ausweisung absehen können.

Die Klausel zielte besonders auf Ausländer, die in der Schweiz geboren sind, aber nicht die Schweizer Bürgerrechte besitzen (sogenannte Secondos). Die SVP betrachtet diese Härtefallregelung als Verfälschung des Bürgerwillens. Kritiker warnen dagegen, dass straffällige Secondos bei einem Erfolg der Volksinitiative in das Land ihrer Vorfahren ausgewiesen würden, das sie möglicherweise kaum kennen würden. Dazu gibt es etliche rechtliche Bedenken und den Vorwurf, die SVP-Initiative verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und das Abkommen zur Personenfreizügigkeit.

Die Vorlage der rechtskonservativen Partei sei unmenschlich und breche mit den Regeln der Demokratie, hatte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga im vergangenen Dezember gesagt. Die "Neue Zürcher Zeitung" warnte vor einer "archaischen Zwei-Klassen-Justiz". Besonders mit dem Tatbestand des Sozialmissbrauchs würden "Spatzen mit Kanonen beschossen", kommentierte die Zeitung. Sozialmissbrauch setze weder Arglist noch eine Bereicherungsabsicht voraus.

Ein Ja zu der Initiative hätte laut dem Schweizer Bundesamt für Statistik eine deutliche Zunahme von Ausweisungen zur Folge. Die Statistiker rechnen dann mit rund 10.000 Ausweisungen pro Jahr. Mit dem verschärften Gesetz, das auf die Ausschaffungsinitiative der SVP zurückgeht, wäre demnach nur mit rund 4000 Ausweisungen zu rechnen.