Die Beistände brauchen Beistand

FRAUENFELD. Die Thurgauer Berufsbeistandschaften klagen über zu viele Aufträge für ihr knappes Personal. Das 2013 eingeführte System hat seine Anfangsschwierigkeiten noch nicht überwunden. Eine Interpellation fordert eine Auslegeordnung.

Thomas Wunderlin
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Max Brunner Leiter der Berufsbeistandschaft Weinfelden und SVP-Kantonsrat (Archivbild: Reto Martin)

Max Brunner Leiter der Berufsbeistandschaft Weinfelden und SVP-Kantonsrat (Archivbild: Reto Martin)

FRAUENFELD. Die Fürsorgebehörde beauftragte früher den Vormund mit der Einkommens- und Vermögensverwaltung eines Mündels. Heute ist die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) vielleicht der Meinung, der Berufsbeistand solle sich lediglich um die Miete, die Krankenkasse und die Rückerstattung der Arztkosten kümmern; die betreute Person könne die laufenden Rechnungen selber erledigen. Mit dem Beispiel veranschaulicht Hansjörg Fenner, Leiter der Arboner Sozialdienste, die Veränderung des Anfang 2013 geänderten Vormundschaftswesens. «Die Aufträge werden immer differenzierter.»

Zwischen Hammer und Amboss

Gleichzeitig hat ihre Zahl stark zugenommen, beklagt Max Brunner, Leiter der Weinfelder Berufsbeistandschaft. Der SVP-Kantonsrat und 72 Mitunterzeichner verlangen mit einer Interpellation vom Regierungsrat eine Auslegeordnung des neuen Systems. «Nach dem Start wurden die Kesb im ganzen Kanton mit Gefährdungsmeldungen eingedeckt», erklärt Brunner in der Begründung. Die Berufsbeistandschaften befinden sich nach seiner Ansicht zwischen Hammer und Amboss. Einerseits sind sie verpflichtet, die Anordnungen der Kesb durchzuführen. Andererseits zögern die Gemeinden, die Stellenetats aufzustocken. Der Grundsatz «wer zahlt, befiehlt» gelte hier nicht. Die Stellen der Berufsbeistandschaft Weinfelden sind zwar von 450 auf 550 Prozent erhöht worden. Auf 100 Stellenprozent entfallen jetzt 60 Mandate; laut Brunner sollten es nur 40 bis 45 sein. Gegen die fachliche Arbeit der Kesb hat er keine Einwände. «Die Beschlüsse sind gerechtfertigt, aber fast nicht umzusetzen.» Die Administration sei «wahnsinnig gross» geworden. Viele private Beistände, die ihren Angehörigen beistehen, seien völlig überfordert mit den Auflagen. Brunner befürchtet, bei den teuren Fremdplazierungen komme es zu einer Kostenexplosion. Die Arbeitslast steige auch, weil viele junge Leute nicht mehr heiraten würden. Der Berufsbeistand muss bei jedem unehelich geborenen Kind die Vaterschaft abklären.

Die Präsidentin der Kesb Weinfelden, Claudia Semadeni, will auf Anfrage keine Stellung nehmen. Sie verweist an Andreas Hildebrand, Präsident der Kesb Arbon, der als Sprecher der fünf Thurgauer Kesb fungiere. Er könne nicht für den ganzen Kanton sprechen, sagt Hildebrand. «In Arbon ist es nicht so schlimm.» Die vier Berufsbeistandschaften in seinem Bezirk hätten ihm bestätigt, dass sie «unseretwegen nicht mehr Massnahmen erhalten» haben. Gemäss den Leitern der sozialen Dienste seien ausserdem die Sozialausgaben wegen der Kesb nicht gestiegen.

Fenner, der Leiter der Arboner Sozialdienste, bestätigt, die Belastung sei etwa gleich geblieben. Die differenzierteren Aufträge ersparten den Beiständen Arbeit. Das halte sich etwa die Waage mit ihrer Zunahme.

Es habe auch Vorteile, wenn der Zahlende nicht befehle, gibt der Arboner Kesb-Präsident Hildebrand zu bedenken. Tatsächlich wurden im alten System Fürsorgebehörden oft kritisiert, sie würden aus Sparsamkeit notwendige Massnahmen nicht anordnen. Das neue System habe noch Anlaufschwierigkeiten, meint Hildebrand. Eventuell sei es auch noch nicht fertig revidiert. Im nächsten Schritt sollte man seiner Meinung nach einen Kostenausgleich unter den Gemeinden in Betracht ziehen.

Der Leiter der Berufsbeistandschaft Frauenfeld-Land, Andreas Geser, fühlt sich nicht überlastet. «Wir sind von Anfang an mit genügend Ressourcen ausgestattet worden.»

8 von 11 sind personell knapp

Auch die Berufsbeistandschaft Münchwilen verfügt über genügend Personal, sagt ihr Leiter, Dario Schlegel. Die meisten Beistandschaften seien aber überlastet, weiss Schlegel aus einer Umfrage. Von den 13 Thurgauer Berufsbeistandschaften haben 11 daran teilgenommen. Davon fühlen sich 5 «eher knapp» mit Personal ausgestattet und 3 «sehr knapp/zu tief».

Für die Aufsicht über die Kesb ist das Obergericht zuständig; dessen Präsident Thomas Zweidler war krankheitshalber nicht erreichbar.