Schäden, Schmerzen, Verlust von Lebens­qualität Schmerzens­geld – einfach erklärt

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Schäden, Schmerzen, Verlust von Lebens­qualität - Schmerzens­geld – einfach erklärt

Entschädigung. 2021 wurde erst­mals in Deutsch­land ein Schmerzens­geld von einer Million Euro verhängt. © Stiftung Warentest / René Reichelt

Wird Ihnen Leid zugefügt, haben Sie Anspruch auf Schmerzens­geld. Wir erklären, was hinter dem Begriff steckt und wie Sie Ihren Anspruch geltend machen.

Das sollten Sie wissen

  • Schmerzens­geld soll immaterielle Schäden ausgleichen, erlittene Schmerzen und den Verlust von Lebens­qualität entschädigen.
  • Erlittenes Leid kann – anders als materielle Güter – nicht so leicht mit einer Summe beziffert werden. Auch ist es schwer, es mit Geld aufzuwiegen. Gerichte haben bei der Bemessung daher einen großen Entscheidungs­spielraum. Sie orientieren sich meist an früheren Urteilen.
  • Üblicher­weise kommt die Haft­pflicht­versicherung des Schädigers für das Schmerzens­geld auf – von vorsätzlichen Fällen abge­sehen. So können Opfer selbst bei höheren Summen ihre volle Entschädigung bekommen.
  • Sie haben einen Anspruch auf Schmerzens­geld? Wenden Sie sich an eine Anwältin oder einen Anwalt. Ohne Rechts­beistand erhalten Sie sehr wahr­scheinlich weniger Geld, als Ihnen zusteht.

Schmerzens­geld als Ausgleich für Verletzungen

Schäden, Schmerzen, Verlust von Lebens­qualität - Schmerzens­geld – einfach erklärt

Das Bürgerliche Gesetz­buch spricht jedem, der eine „Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbst­bestimmung“ erleidet, eine Entschädigung zu – umgangs­sprach­lich bekannt als Schmerzens­geld.

Wer durch das Verschulden eines anderen zu Schaden kommt, hat neben dem Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden auch Anspruch auf Wieder­gutmachung erlittener Schmerzen und einen Ausgleich für den Verlust an Lebens­qualität.

Auch psychische Schäden zählen

Hohe Schmerzens­geldsummen werden etwa nach Verkehrs­unfällen oder ärzt­lichen Behand­lungs­fehlern gezahlt. Auch Arbeits­unfälle oder vorsätzliche Körperverletzungen können einen Anspruch auf Schmerzens­geld begründen.

Es muss nicht immer ein körperlicher Schaden sein. Auch Verletzungen der psychischen Gesundheit, etwa ein Trauma nach einem Unfall oder Mobbing am Arbeits­platz, können einen Anspruch begründen.

In der digitalen Welt spielt Schmerzens­geld besonders in den sozialen Medien eine wichtige Rolle: Bei Verletzungen Ihres Persönlich­keits­rechts oder Verstößen gegen Daten­schutz­auflagen im Internet haben Sie Anspruch auf Schmerzens­geld.

Schaden­ersatz oder Schmerzens­geld?

Die beiden Formen der Entschädigung schließen sich gegen­seitig nicht aus. Ein Unfall­opfer kann etwa für die Reparatur seines kaputten Fahr­zeugs, Kranken­haus­rechnungen oder Verdienst­ausfall entsprechenden Schaden­ersatz bean­spruchen.

Für die Wieder­gutmachung der erlittenen körperlichen und seelischen Verletzungen kann es zusätzlich Schmerzens­geld fordern.

Hohe Schmerzens­geld­beträge möglich, aber selten

Die Spanne ist groß: Je nach Verletzung sind Summen von wenigen Hundert Euro bis in den hohen sechs­stel­ligen Bereich möglich. Solche Beträge sind meist lebens­langen schweren Dauer­schäden bei noch jungen Menschen vorbehalten, wenn ihre Teil­nahme am gesell­schaftlichen Leben erheblich einge­schränkt wurde.

So wurde 2021 erst­mals in Deutsch­land ein Schmerzens­geld von einer Million Euro ausgesprochen. Ein einjähriger Junge hatte durch einen Behand­lungs­fehler im Kranken­haus einen schweren Hirn­schaden erlitten und wird nie ein selbst­ständiges Leben führen können. Dieses und weitere Urteile finden Sie in unserer Schmerzensgeldtabelle.

Schmerzens­geld: So groß ist die Spanne

Diese Summen wurden in realen Fällen der vergangenen zehn Jahre ausgesprochen. Bei der Bemessung spielen viele Faktoren eine Rolle.

Orientierung an Schmerzens­geld­tabellen

Eine auf alle Fälle gleich anwend­bare Formel, wie Schmerzens­geld zu berechnen ist, gibt es nicht. Die Summe hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen beispiels­weise die Schwere der Verletzung und etwaige Dauer­folgen, das Alter des Geschädigten, aber auch die Schwere der Schuld des Schädigers.

Wenn die Versicherung des Verursachers sehr zögerlich reguliert, kann das ebenfalls den Schmerzens­geld­anspruch erhöhen. Einige Gerichte ordnen bei Dauer­schäden monatliche Schmerzens­geldrenten an, andere berück­sichtigen diese schon in der Gesamt­summe.

Letzt­endlich ist jede Entschädigung eine Einzel­fall­entscheidung und liegt beim Richter. Diese orientieren sich meist an Urteilen in ähnlich gelagerten Fällen, die in Schmerzens­geld­tabellen gesammelt werden.

Neue Berechnungs­methoden

Wann und wie viel Schmerzens­geld gewährt wird, wird seit einigen Jahren verstärkt kritisiert. Besonders bei schweren Dauer­schäden in jungem Alter machen die üblich bemessenen Gelder oft nur wenige Euro pro Tag aus. In einigen Fällen wenden Gerichte die Methode der taggenauen Schmerzens­geldbe­messung an. Danach wird jeder einzelne Tag mit Schmerzen berück­sichtigt und die Bemessung richtet sich nach genauen Regeln.

Solch ein Fall – es geht um das Schmerzens­geld nach einem Auto­unfall – liegt dem Bundes­gerichts­hof seit über einem Jahr zur Revision vor. Welche Berechnungs­methode sich zukünftig durch­setzt, wird sich voraus­sicht­lich mit dem Urteil entscheiden.

BGH entscheidet gegen taggenaue Bemessung

Mit Urteil vom 15. Februar 2022 hat der Bundes­gerichts­hof (BGH) ein Urteil des Ober­landes­gerichts Frank­furt am Main aufgehoben, das einem Unfall­opfer 200 000 Euro Schmerzens­geld zugesprochen hatte. Das OLG hatte das Schmerzens­geld nach der taggenauen Methode berechnet, wegen der grund­sätzlichen Bedeutung des Falles jedoch die Revision zum BGH zugelassen.

Das Urteil des BGH bedeutet eine Entscheidung gegen die taggenaue Bemessung und für die traditionelle Schmerzens­geldbe­rechnung anhand von Vergleichs­tabellen und vergangenen Urteilen. „Die schema­tische Konzentration auf die Anzahl der Tage, die der Kläger auf der Normal­station eines Kranken­hauses verbracht hat und die er nach seiner Lebens­erwartung mit der dauer­haften Einschränkung voraus­sicht­lich noch wird leben müssen, lässt wesentliche Umstände des konkreten Falles außer Acht“, so die Presse­mitteilung des BGH zum Urteil (Az. VI ZR 937/20).

Auch einem Mädchen, das bei der Geburt einen schweren Hirn­schaden erlitt, wurde kein Schmerzens­geld nach der taggenauen Berechnung zugesprochen. Die Klägerin hatte in ihrer Revision gegen ein Urteil des Ober­landes­gerichts Koblenz auf diese Methode verwiesen, der BGH wies die Revision jedoch zurück und sprach sich erneut gegen die taggenaue Berechnung aus (Az. VI ZR 16/21).

Versicherung springt meist ein

Bei schweren Verletzungen mit bleibenden Folgen bekommen Opfer meist nur den vollen Ersatz, wenn die Privat- oder Kfz-Haft­pflicht­versicherung des Schädigers den Schaden begleicht. Springt die Versicherung ein, wird sie stets versuchen, Ihr Schmerzens­geld zu drücken. Nur erfahrene Rechts­anwälte können gegen­halten.

Keine Sorge, Ihre Anwalts- und Gerichts­kosten muss der Versicherer zahlen, wenn die Verantwortung des Schädigers fest­steht. Bei einer vorsätzlichen Schädigung, zum Beispiel einer Körperverletzung, zahlen Versicherer aber nicht. Helfen kann Ihnen dann Ihre eigene Privathaftpflichtversicherung, wenn sie eine Forderungs­ausfall­deckung mit Opfer­schutz enthält.

Geschichte des Schmerzens­geldes

Bereits im 16. Jahr­hundert konnten Bürgerinnen und Bürger unter Kaiser Karl V. wegen erlittener „schmertzen, kosten vnd schaden“ eine Entschädigung verlangen. Ende des 19. Jahr­hunderts sprach der damalige Reichs­gerichts­hof Geschädigten ein Schmerzens­geld wegen „mora­lischer Schäden“ zu – jedoch nur in den Gebieten links des Rheins, in denen der französische „Code civil“ galt.

Erst mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetz­buchs (BGB) im Januar 1900 wurde Schmerzens­geld, ähnlich der heutigen Fassung, gesetzlich verankert. Der Begriff selbst kommt im Gesetz nicht vor. Dort heißt es „immaterieller Schaden“. Dieser ist seit der Schaden­rechts­reform 2002 in Paragraf 253 BGB geregelt.

Anspruch ist vererbbar

Der Schmerzens­geld­anspruch eines Verstorbenen kann von dessen Erben geltend gemacht werden. Diese müssen dem Gericht glaubhaft machen, dass die oder der Verstorbene vor seinem Tod gelitten hat.

Tritt dieser etwa nur wenige Sekunden nach einem Verkehrs­unfall ein, hat der Verstorbene im Normalfall keinen Anspruch auf Schmerzens­geld. Nahe Angehörige können trotzdem Schmerzens­geld bean­spruchen, wenn sie selbst durch das Todes­ereignis nach­weislich psychische Schäden davon­getragen haben.

Besser Anwalt einschalten

Ist Ihnen die Höhe des Schmerzens­geldes nicht so wichtig, können Sie es selbst einfordern. Eventuell ist der Versicherer des Schädigers zu einer außerge­richt­lichen Schmerzens­geldzahlung bereit.

Wollen Sie dagegen alles, was Ihnen zusteht, oder haben Sie eine Rechtsschutzversicherung, sollten Sie unbe­dingt Fach­anwälte mit Erfahrung in vergleich­baren Fällen einschalten. Für Laien ist es kaum möglich, die Höhe des Schmerzens­gelds selbst zuver­lässig einzuschätzen.

Weitere Themen: Einfach erklärt

In unserer Serie „Einfach erklärt“ gibt es außerdem diese Themen:

  • Inflation: Einfach erklärt. Hohe Inflations­raten bereiten dem ein oder anderen Sorgen. Doch was ist eine Inflation eigentlich? Wie wird sie gemessen? Und was heißt das für Sparer? Wir erklären es.
  • Steuerprogression: Einfach erklärt. Spitzen­steu­ersatz, Reichen­steuer, Durch­schnitts­steu­ersatz, Steuer­progression – wer zahlt wie viel? Sie verstehen nur Bahnhof? Wir verschaffen Ihnen den Durch­blick.
  • Gesetzliche Unfallversicherung: Einfach erklärt. Alle Beschäftigten stehen auto­matisch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­versicherung. Was das für sie bedeutet und in welchen Fällen die Versicherung hilft.
  • Bitcoin: Einfach erklärt. Mit Bitcoin soll man angeblich reich werden – aber wie funk­tioniert das virtuelle Geld? Wir erklären es. Dass Sie reich werden, können wir Ihnen aber nicht versprechen.
  • Homeoffice-Pauschale: Einfach erklärt. Haben Sie während der Pandemie von Zuhause gearbeitet, aber kein eigenes Arbeits­zimmer? Wir zeigen, wie Sie Ihre Kosten mit dem Finanz­amt abrechnen.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 17.01.2019 um 10:23 Uhr
    Re: Vorschlag eines Rechts­gelehrten > Link Fehler

    Wie ärgerlich, der Verlag hat die Seite zum Buch offenbar entfernt... Ich habe jetzt einen Link zu Informationen über das Buch auf den Seiten der Rechtsanwälte gesetzt, die es gemeinsam mit Professor Schwintowski erarbeitet haben.

  • ITCS2007 am 16.01.2019 um 22:09 Uhr
    Vorschlag eines Rechts­gelehrten > Link Fehler

    Guten Tag,
    der Link ( https://shop.bundesanzeiger-verlag.de/kfz-unfall-verkehr/handbuch-schmerzensgeld/ ) vom Absatz „Vorschlag eines Rechts­gelehrten“ funktioniert nicht.
    Könnten Sie das bitten einmal überprüfen?
    Mit freundlichen Grüßen...