Oberhausen. . Ein Ehepaar aus Moers hat einen lebensmüden Mann bei Oberhausen von der Autobahn geholt – und sich dabei selbst in höchste Gefahr gebracht.

Die A 42 im Feierabendverkehr am Dienstag, 18.30 Uhr. Ingo und Gina Steinert aus Moers fahren durch Oberhausen, kurz vor der Ausfahrt Buschhausen passiert es: Ein Mann läuft auf die Bahn. Ingo Steinert reagiert, weicht nach links aus. „Mir ist das Herz in die Hose gerutscht“, sagt er. Und dass sie Glück hatten, weil links kein Wagen fuhr. „Sonst wären wir da rein gerauscht.“ Doch für die beiden beginnt das lebensgefährliche Drama gerade erst.

Geschockt hält Steinert auf den Standstreifen. Im Rückspiegel sieht der 49-Jährige, wie der Mann erneut versucht, vor ein Auto zu laufen. Auch dieser Wagen weicht aus. Gina Steinert ruft die Polizei. Er steigt aus und geht auf den Mann zu, der nun auf dem Standstreifen steht.

„Was ist los, lass uns mal reden!“

„Sie kennen mein Leben nicht.“ Damit läuft er zum Mittelstreifen der A 42 und, ja, setzt sich dort hin.

Fassungslos beobachtet Steinert, wie die Autos rechts und links an dem Mann vorbeifahren. „Sie haben einfach nicht gehalten.“ Für Ingo Steinert, Fachpfleger in der Psychiatrie, ist dies ein Schlüsselerlebnis an diesem Abend. Da sitzt ein Mensch auf der Autobahn – und es scheint niemanden zu interessieren. Als der Verkehr dann doch kurz stockt, ein Wagen schließlich vor dem Sitzenden hält, stellt sich Gina Steinert davor und bringt so auch andere Wagen zum Halten. Eine Wand aus Autos.

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Doch der Lebensmüde rennt schon zur Mittelleitplanke. Offensichtlich will er auf die andere Fahrbahn gelangen. Ingo Steinert setzt ihm nach, erwischt den Mann, ringt mit ihm. Er ruft zwei jungen Männern zu, die noch in ihrem Wagen sitzen, ihm doch zu helfen! Gemeinsam schleppen sie den Mann zum Standstreifen und halten ihn dort am Boden.

Ein Wagen ist innerhalb von Sekunden da

„Wir waren noch gar nicht auf dem Standstreifen angekommen, da fuhren die Autos schon wieder – und zwar richtig schnell.“ Der Moerser ist entsetzt. Da halten doch drei Leute einen vierten Mann direkt neben der Autobahn fest.

Schließlich kommt die Polizei. Die Beamten machen ein Foto von der Situation, legen dem Mann Handschellen an. Er wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Erst als Ingo und Gina Steinert wieder im Auto sitzen, wird ihnen bewusst, in welch gefährlicher Situation sie sich befunden haben. Polizei und ADAC warnen in der Tat: „Selbst auf dem Seitenstreifen anzuhalten, ist schon gefährlich“, sagt Peter Meintz vom Autoclub. Viele Helfer würden die Geschwindigkeit der Autos oft unterschätzen. „Ein Wagen, den sie noch gar nicht sehen können, ist innerhalb von Sekunden da.“ Aber wenn man anhält, sollte man sich hinter die Leitplanke begeben. Man könne dem Verkehr entgegenlaufen, mit den Armen fuchteln, womöglich mit einem Warndreieck winken. „Auf keinen Fall sollte man sich selbst gefährden und auf die Bahn laufen“, sagt Marcel Fiebig von der Autobahnpolizei.

Der innere Film: eine Verkehrskatastrophe

Tatsächlich lief vor Ingo Steinert innerem Auge schon zu Beginn der Aktion der Film einer Verkehrskatastrophe ab. „Ich hatte mir vorgestellt, wie ein Wagen in den anderen rauscht.“ Ob er trotzdem erneut so handeln würde? Steinert überlegt kurz und sagt dann ja.

Denn was den 49-Jährigen wirklich erschreckt hat, war die Gleichgültigkeit der Autofahrer. Und die des Mannes. „Er hat ja auch andere stark gefährdet“, kritisiert Steinert. „Wir waren schockiert, was für eine Ignoranz in unserer Gesellschaft herrscht.“