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Forderungsmanagement Zahlungsmoral

Viele junge Menschen in der Schuldenfalle

Mittelständler verschenkten im vergangenen Jahr etwa 15 Milliarden Euro, weil sie Rechnungen nicht eingetrieben haben. Die Summe entspricht laut Debitos-Index 2012 knapp 2,5 Prozent aller Forderungen des Mittelstands aus Geschäften mit deutschen Unternehmen Mittelständler verschenkten im vergangenen Jahr etwa 15 Milliarden Euro, weil sie Rechnungen nicht eingetrieben haben. Die Summe entspricht laut Debitos-Index 2012 knapp 2,5 Prozent aller Forderungen des Mittelstands aus Geschäften mit deutschen Unternehmen
Mittelständler verschenkten im vergangenen Jahr etwa 15 Milliarden Euro, weil sie Rechnungen nicht eingetrieben haben. Die Summe entspricht laut Debitos-Index 2012 knapp 2,5 Prozen...t aller Forderungen des Mittelstands aus Geschäften mit deutschen Unternehmen
Quelle: picture-alliance / www.press-pho
Inkasso sorgt dafür, dass Zahlungsausfälle die deutsche Wirtschaft nicht zu stark belasten. Von 19 Millionen außergerichtlichen Mahnungen pro Jahr werden etwa 80 Prozent zu einem Abschluss gebracht.

Der Konsum ist weiterhin eine wichtige Stütze der deutschen Konjunktur. Nach Informationen des Ifo-Geschäftsklimaindexes erreichten die Anschaffungsabsichten der Bürger in den vergangenen Monaten immer wieder Höchststände und lieferten damit erhebliche Impulse für die Wirtschaft.

Die GfK-Marktforschungsgruppe führt die anhaltende Kauflaune vor allem auf die stabile Arbeitsmarktlage, eine gute Einkommensentwicklung sowie die weiter sehr niedrigen Zinsen und eine leicht gestiegene Inflationsrate zurück, so dass die Konsumenten ihr Geld vor allem für größere Anschaffungen, darunter Immobilien, nutzen.

Doch die Kauflaune hat auch Schattenseiten. Denn nach Angaben von Wolfgang Spitz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU), wird ein Großteil der Anschaffungen über Kredite finanziert. So verzeichnet die Schufa aktuell zirka 17,4 Millionen Ratenkredite für Verbraucher, im Vergleich zu 2003 ein Anstieg um etwa die Hälfte.

Eine Zeitbombe mit Auswirkungen auf die Wirtschaft

Laut Spitz besteht die Gefahr, dass die aktuell gute Zahlungsmoral kippen könnte, wenn es bei erneuten wirtschaftlichen Turbulenzen beispielsweise durch die Wirtschafts- und Eurokrise zu einer Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt kommen sollte. Denn mit Jobverlusten würde auch die Zahl derer steigen, die Zahlungsverpflichtungen nicht oder kaum noch erfüllen könnten.

Laut Spitz „tickt hier eine Zeitbombe“, die auch erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft hätte. Denn nach der aktuellen Herbstumfrage des BDIU reicht bei vielen Unternehmen die Eigenkapitalausstattung nicht aus, um Auftragseinbrüche oder Forderungsverluste zu kompensieren. So gehen 51 Prozent der Inkassofirmen davon aus, dass zu geringes Eigenkapital dafür verantwortlich sei, wenn Unternehmen Rechnungen nicht begleichen können.

Als eine Risikogruppe bezeichnet Verbandspräsident Spitz junge Menschen, „deren Konsumwünsche nicht im Einklang mit ihren finanziellen Möglichkeiten stehen“. So führen bei den 18- bis 24-Jährigen laut Inkassounternehmen in 86 Prozent der Fälle zu hohe Konsumausgaben dazu, dass Schuldner in dieser Altersgruppe im Durchschnitt 8200 Euro an Miesen angehäuft und Schwierigkeiten beim Begleichen der Summe haben.

13 Milliarden Euro an Zahlungsausfällen

Von Zahlungsausfällen sind nach Erfahrungen der Branche vor allem Telekommunikationsunternehmen mit 90 und Online-Händler mit 84 Prozent betroffen. Hingegen stehen die über 25-Jährigen nach Einschätzung der BDIU-Herbstumfrage mit 87 Prozent vor allem bei Banken und Kreditinstituten in der Kreide, gefolgt von Energieversorgern (62), dem Telekommunikationsbereich (61), Versandhändlern (59) und Vermietern (58 Prozent).

Der Verband setzt sich deshalb dafür ein, dass das Thema Schulden beginnend mit der Schule eine größere gesellschaftliche Relevanz bekommen sollte. Immerhin belaufen sich laut Statistischem Bundesamt die Zahlungsausfälle durch Insolvenzen allein für das erste Halbjahr 2013 auf fast 13 Milliarden Euro.

Deshalb ist laut Spitz auch die Arbeit der Inkassobranche für Wirtschaft und Verbraucher unverzichtbar. „Allein die BDIU-Mitgliedsfirmen bearbeiten pro Jahr fast 19 Millionen außergerichtliche Mahnungen und führen rund fünf Milliarden Euro an Liquidität in den Wirtschaftskreislauf zurück“, so der Verbandschef.

Branche hat ein Imageproblem

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Dadurch garantiere man, dass Zahlungsausfälle die Wirtschaft nicht zu stark belasten, Insolvenzen verhindert und Arbeitsplätze gesichert werden können. Denn die Erfolgsquote der Inkasso-Branche ist hoch. Nach Zahlen der Studie „Inkassomarkt in Deutschland“ konnte von den 18,8 Millionen Fällen außergerichtlicher Mahnungen, die Inkassofirmen im Jahr 2011 bearbeiteten, mehr als 80 Prozent zum Abschluss gebracht werden. Was auch eine erhebliche Entlastung der Gerichte bedeutet.

Trotz ihrer Bedeutung hat die Branche Imageprobleme. Vor allem wegen „schwarzer Schafe“, die oft ohne Zulassung mit rüden Methoden und hohen Gebühren Rechnungen einzutreiben versuchen, leidet laut Spitz Inkasso unter einer Stigmatisierung. Dabei ergab eine Prüfung der Verbraucherzentralen, bei der vor zwei Jahren 4000 innerhalb von zwei Monaten eingegangene Beschwerden ausgewertet wurden, dass sich jede siebte auf eine nicht registrierte Firma bezog, die eigentlich keine Schulden hätte eintreiben dürfen.

Der BDIU als mitgliederstärkste Interessensvertretung der Inkasso-Wirtschaft begrüßt denn auch, dass der Bundesrat jetzt das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ verabschiedet hat. Dieses regelt auch die Arbeit von Inkassounternehmen neu und verschärft u.a. Erklärungs- und Informationspflichten, so dass Schuldner die Forderungen noch einfacher nachvollziehen können.

Mehr Klarheit für alle Betroffenen

Der BDIU will sich mit Schuldnerberatungsstellen und Verbraucherschützern für eine Umsetzung stark machen, damit für alle Beteiligten Klarheit bestehe. Bundesweit sind etwa 750 Inkassofirmen mit fast 15.000 Mitarbeitern zugelassen.

Die Bedeutung der Branche wird laut BDIU-Chef Spitz weiter zunehmen. Als Gründe nennt er den weiter rasant wachsenden Online-Handel und den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Für die Branche bedeutet das aber auch, sich auf diese Veränderungen noch stärker einzustellen. Zudem muss sie, um ihr Image weiter zu verbessern, auch die Beziehungen zu Kunden und Schuldnern neu definieren.

Nach Angaben von Erwin Falkner, geschäftsführender Gesellschafter von Euro-Inkasso, sind Inkassofälle immer teuer und ziehen in der Regel eine unfreundliche Beendigung der Kundenbeziehung nach sich. „Was die meisten Unternehmen gerne vermeiden möchten“, so Falkners Erfahrung. Während früher oft die fehlende Zahlungsmoral als Ursache des Übels genannt wurde, setze sich heute in der Branche mehr und mehr ein neues Verständnis durch.

Gläubiger oft selbst schuld an Zahlungsausfällen

Denn oft ist laut Falkner „eine Störung der Kundenbeziehung Ursache für den stockenden Liquiditätsfluss“. Seiner Meinung nach werden die Unternehmen der Branche auch künftig weiter Inkassofälle bearbeiten, zuvorderst müsse es aber darum gehen, „zum Nutzen der Kunden alles zu versuchen, um diese zu verhindern“.

Denn laut Falkner sind bis zu 25 Prozent aller Inkassofälle keine. Die Ursache für fehlende Zahlungen liege oft bei den Gläubigern selbst. Die Frustration der Kunden, die Inkasso-Schreiben erhalten, ohne dass sie sich etwas zu Schulden kommen haben lassen, sei nachvollziehbar. Für Falkner werden Firmen ihre Finanzdienstleister deshalb künftig nicht mehr danach bewerten, „wie viele Inkassofälle sie beigetrieben, sondern wie viele sie verhindert haben“.

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