Während die Motorradwirtschaft 2020 europaweit einen Zuwachs von vier Prozent verzeichnen konnte, wuchs der deutsche Markt für Motorräder über 125 ccm gar um stattliche 17 Prozent, so der Industrie-Verband Motorrad (IVM). Da mag sich manch einer ein kleines Stückchen der Freiheit, die durch Corona-Maßnahmen beschnitten werden musste, mit einem neuen Motorrad zurückgeholt haben, quasi ein Ersatz für den ausgefallenen Sommerurlaub.
Auch in der Einsteigerklasse mit 48 PS für den A2-Führerschein gibt es attraktive Maschinen. Je nach Anbieter und Modell kosten die Maschinen zwischen 5000 und 6000 Euro, überfordern den Anfänger nicht, sind aber doch allemal Motorrad genug, um auch einem „alten Hasen“, der die alte Liebe wiederentdeckt hat, viel Freude zu bereiten.
„In diesem breit gestreuten Segment kann jeder fündig werden“, sagt Michael Lenzen vom Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM). Ob vollverkleideter Sportler oder reisetauglicher Tourer, ob charmantes Retro-Bike oder geländetaugliche Enduro. Hier sei wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.
Motorräder aus Fernost
Was auch daran liegt, dass immer mehr chinesische Anbieter auf den Markt drängen. So wie zum Beispiel Voge mit den Modellen 500 R und 500 DS. „Hinter Voge steht der chinesische Loncin-Konzern, einer der größten Motorenhersteller, der auch für BMW produziert“, erläutert Lenzen.
Während die R ein typisches Naked Bike (Zweizylinder, 46,92 PS, 5400 Euro) mit modernen Elementen und Komponenten ist, habe man die DS (in der Adventure-Version für 5700 Euro) an die großen Reiseenduro-Vorbilder japanischer und deutscher Machart angelehnt.
Grundsätzlich lässt der Markenname keine Rückschlüsse auf den Standort zu. Hajo Ullrich, Motorradtrainer vom Auto Club Europa (ACE), bringt die österreichische Marke Brixton ins Spiel. Deren Bikes werden in der Alpenrepublik entworfen, aber in China produziert. Aktuelles Topmodell ist die 500 Crossfire (48 PS, 5800 Euro) im Look einer unverkleideten Maschine (Naked Bike).
Eine Maschine, die auf den angesagten Retro-Look setzt, ist die X-Ride 650 (40 PS; 6000 Euro) von Mash. Der französische Hersteller geht einen ähnlichen Weg wie Brixton: Geplant wird in der Heimat, produziert aber in China.
„Die X-Ride 650 steht fast genauso da, wie ich vor mehr als 40 Jahren die Yamaha XT 500 kennen- und lieben gelernt habe“, sagt Ullrich. Die Enduro sei geradezu die Wiedergeburt des Yamaha-Klassikers und setze auf bewährt antiquierte Technik.
Auch etablierte Hersteller bieten Einsteiger-Motorräder
Tatsächlich gibt es bisher an der Qualität bei Brixton, Mash, Voge oder Zontes, einer weiteren chinesischen Marke, kaum etwas zu bemängeln. Dennoch gibt Ullrich zu bedenken: „Keiner kann heute bereits wissen, wie sich der Vertrieb entwickeln, wie die Ersatzteilbeschaffung aussehen und wie es um die Wertbeständigkeit dieser Maschinen bestellt sein wird.“ Letztlich hänge das nicht zuletzt davon ab, ob sich Brixton und Co. am Markt etablieren können.
„Wer unsicher ist, der findet natürlich auch bei den etablierten Herstellern jede Menge hochwertiger Alternativen“, lautet Lenzens Empfehlung. „Die Honda CB 500 etwa ist ein klassisches Brot- und Butter-Motorrad für alle Zwecke, und das nicht nur für Einsteiger.“ Diese Maschine (48 PS, ab 6075 Euro) gibt es als Naked Bike, als Enduro oder auch in einer sportlichen Variante mit Verkleidung.
„Sportlichen Charakter weist auch die Kawasaki Z 400 auf, die vom Hersteller als Supernaked beworben wird, 45 PS leistet und für knapp 5600 Euro zu bekommen ist“, so der Experte. Wie die genannten Hondas setzt auch die Kawasaki auf einen Zweizylinder-Motor. Aber auch wer es reduziert mag, deshalb aber nicht weniger sportlich unterwegs sein will, wird fündig in diesem Preissegment. Etwa bei KTM.
Die 390 Duke sei ein leichter, betont sportlicher Einzylinder mit 44 PS, mit dem man wegen des geringen Gewichts auf der Landstraße so manch größere Maschine das Fürchten lehren könne, sagt Lenzen. Preis für die Duke: etwa 5450 Euro.
Viel Motorrad fürs Geld
Apropos auf das Nötigste reduziert: Das gilt auch für Royal Enfield. Die seit 1901 und damit am längsten ohne Unterbrechung produzierende, ehemals englische Motorradmarke ist heute in indischer Hand. Über Jahrzehnte baute man nur Einzylinder-Bikes bis höchstens 500 ccm.
Vor drei Jahren aber überraschte Royal Enfield mit der Interceptor 650 und der Continental GT 650. Das sind zwei technisch identische Modelle (48 PS), konstruiert nach alter englischer Parallel Twin-Lehre – also als Reihenzweizylinder.
„Einen klassischeren Namen als Royal Enfield können Sie nicht finden, und die großzügigen Toleranzen und Spaltmaße, die die Einzylinder-Modelle früher aufwiesen, sind Geschichte“, sagt Ullrich.
Mit den 650er-Modellen erfülle die Marke heute die Erwartungen an europäische Qualitätsstandards. Das sieht auch Lenzen so, der nicht nur das klassische Design, sondern gerade auch die gediegene Ausführung lobt. Preis: ab 6500 Euro.
„Alle genannten Modelle bieten viel Motorrad fürs Geld“, sagt Ullrich. „Trotzdem möchte ich auch eine Lanze brechen für gute Gebrauchte, etwa von Honda, Kawasaki oder Suzuki, die für den wirklich kleinen Geldbeutel und schon ab 1500 Euro zu bekommen sind“.
Es könne sein, dass der eine oder andere bei diesen Alltagsmotorrädern die Emotionalität vermisse. Dafür aber glänzen sie auch nach Jahren noch mit einem hohen Fertigungsstandard.
Der ACE-Motorradtrainer hält solche Angebote für ideal. So lasse sich für eine oder vielleicht zwei Saisons nahezu ohne Wertverlust ausprobieren, „ob Motorrad fahren wirklich mein Ding ist“.