WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wissenschaft
  3. Natur & Umwelt
  4. Neuseeland: Mords-Ostern im Land der größten Hasenhasser

Natur & Umwelt Neuseeland

Mords-Ostern im Land der größten Hasenhasser

Tote Hasen am Stacheldraht: Die Nager gelten in Neuseeland als Plage Tote Hasen am Stacheldraht: Die Nager gelten in Neuseeland als Plage
Tote Hasen am Stacheldraht: Die Nager gelten in Neuseeland als Plage
Quelle: pa
Nur ein toter Hase ist ein guter Hase: In Neuseeland wird jedes Jahr zur großen "Osterhasenjagd" geblasen – das Massaker weckt Begeisterung.

In diesem Jahr hat der Hase alle Pfoten voll zu tun. Nicht nur, dass er an diesem Wochenende in den christlich geprägten Ländern des Westens Ostereier ausliefern soll. Im Fernen Osten hat er im aktuellen chinesischen „Jahr des Hasen“ gar einen Vollzeitjob als Glücksbringer. Für die Neuseeländer aber ist nur ein toter Hase ein guter Hase.

Hotspot der Hasenhasser ist Otago auf der Südinsel. Zum 20. Mal wird dort in diesem Jahr das Halali zur „Great Easter Bunny Hunt“, der „Großen Osterhasenjagd“, geblasen. Das Massaker stößt dort auf große Begeisterung. „Für 24.000 Hasen war es eine Mordsostern“, jubelten im vergangenen Jahr Medien down under. Um genau zu sein: 24.216 Hasen und - als Kollateralschaden - 54 Possums kamen zu Ostern 2010 ums Leben.

„Den Rekord wollen wir in diesem Jahr übertreffen“, versichert Dave Ramsay, Organisator der Hetzjagd. Hasen sind eine Plage in Neuseeland, wie auch Ratten, Katzen, Hunde, Possums und überhaupt alle von den weißen Siedlern eingeführten Säugetiere. Vorher war Neuseeland ausschließlich die Heimat von Vögel und Reptilien. Folglich fanden Säugetiere dort keine natürlichen Feinde, dafür aber viel Futter und Beutetiere vor. Ideale Vorraussetzungen für eine ungehinderte Vermehrung.

Um 1830 wurden die Langohren nach Neuseeland gebracht. Sie sollten den Siedlern als Nahrung, aber auch zum Vergnügen dienen. Mangels Reh und Hirsch wollte man was zu jagen haben. Vor allem auf der Südinsel fanden die Hasen ideale Lebensbedingungen - und machen seitdem, was sie am besten können: fressen und sich hemmungslos vermehren. Sie sind direkte Futterkonkurrenten für die Schafe, deren Wolle und Fleisch zu den wichtigsten Exportgütern zählen. Die Schafzüchter wissen: Zehn Kaninchen fressen soviel wie ein Schaf.

Schon der US-Schriftsteller Mark Twain, den seine Weltreise 1895 auch in den Süden Neuseelands führte, berichtete über die Plage. „Die hatten den Mann, der die Kaninchen hier eingeführt hat, gefeiert und gelobt“, schrieb der Autor der Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn vor 116 Jahren, aber: „Heute würden sie ihn hängen, wenn sie in ihn zu fassen bekämen.“

An Anstrengungen, der Kaninchenplage Herr zu werden, hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt. Besonders beliebt war Gift. Ende des 19. Jahrhunderts legten Farmer mit Phosphor versetzte Getreideleckerli aus; später kamen mit Arsen vergiftete Äpfel und Karotten zum Einsatz. 1879 wurde die erste Giftgasattacke gestartet. Mit Schwefelkohlenstoff sollten die armen Tiere in ihrem Bau vergast werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im großen Stil Giftgas von Flugzeugen aus über Kaninchenland versprüht.

Die kurioseste Methode beim Hasenmord ist jedoch der Einsatz von Marmelade. Ein Hasenjäger hörte eines Nachts Geräusche neben seinem Zelt. Hasen schleckten seine leeren Marmeladendosen. Das brachte den findigen Mann auf die Idee, die Süßigkeit mit Strychnin zu versetzen. Vergeblich. Die Hasen vermehrten sich munter weiter, breiteten sich von Otago erst über die ganze Südinsel und dann auch auf die Nordinsel aus.

Tierschützer haben keine grundlegenden Einwände gegen die Hasenhatz. „Kaninchen sind in Neuseeland ein Problem. Aber wenn man sie schon töten muss, dann wenigstens auf möglichst menschliche Weise“, sagt Hans Kriek, Präsident der Tierschutzorganisation „SAFE“. Was das sein könnte, lässt er zwar offen. Die „Great Easter Bunny Hunt“ gehöre jedenfalls nicht dazu. Das sei „nichts anderes als ein Spaßtag, an dem gnadenlose Menschen Tiere abschlachten“.

Mark Twain hatte eine Idee zur „menschlichen“ Lösung der Kaninchenplage. „In England bestrafen sie Kaninchenwilderer. Sie sollten sie besser nach Neuseeland verbannen“, schrieb er in Anspielung auf den Umstand, dass England damals selbst Kleinkriminelle nach Australien deportierte. Und mit beißendem Spott fügte er hinzu: „Neuseeland würde gar für die Überfahrt aufkommen und ihnen auch noch ein Gehalt zahlen. Aber alle Regierungen sind eben mehr oder weniger kurzsichtig.“

KNA/OC

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema

Themen