Um das Hollerland wurde lange gekämpft: Bereits 1978 schlossen sich engagierte Bürger um den Naturschützer Gerold Janssen zusammen, um eine Bebauung zu verhindern. Denn vergleichbar mit der Neuen Vahr sollte im Hollerland ein riesiges Wohngebiet entstehen. Doch der Protest der Bürgerinitiative hatte Erfolg: Im Jahre 1985 wurden drei viertel des Westlichen Hollerlands als Naturschutzgebiet ausgewiesen, und seit 2004 steht es als Natura-2000-Gebiet sogar unter europaweitem Schutz.
Die Besonderheiten des Hollerlands liegen vor allem in dem artenreichen Grabensystem, das in eine extensiv genutzte Kulturlandschaft eingebettet ist. In den Gräben leben zahlreiche vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten, wie der Schlammpeitzger, ein unscheinbarer Fisch, die Grüne Mosaikjungfer, eine seltene Libellenart, aber auch die Wasserspinne, die unter Wasser eine Luftglocke als Sauerstoffvorrat anlegt – und übrigens auch dem Menschen schmerzhafte Bisse zufügen kann.
Im Wasser der Gräben drehen die Schwäne ihre Runden.
Im Spätsommer ist die Zeit der Wiesenvögel längst vorbei – Bekassine, Kiebitz oder Rotschenkel haben ihren Nachwuchs groß gezogen und das Gebiet verlassen. Nun sieht man im Hollerland vor allem Graureiher mit erstarrtem Körper auf den Boden blicken, um Beute auszumachen, und in weiter Entfernung die schneeweißen Silberreiher, die sich im Bremer Feuchtwiesenring stark ausgebreitet haben. Schwalben jagen in Mengen durch die Luft, und Mäusebussarde kreisen am Himmel.
Viele Insekten und Spienne
Wenn auch die Brutzeit der Wiesenvögel schon vorbei ist, lässt sich am Wegrand, an den Grabenufern und im Grünland ein reiches Insekten- und Spinnenleben beobachten: Großlibellen, Heuschrecken und vor allem Kreuzspinnen fallen ins Auge, die zwischen Stängeln ihre Radnetze aufgespannt haben.
Der Stadtspaziergang beginnt an der Kreuzung Am Lehester Deich mit dem Jan-Reiners-Weg. Es geht links entlang zu einer großen Tafel (1), die über das Westliche Hollerland informiert.
Zur Linken und zur Rechten des geteerten Weges, der besonders an Wochenenden von vielen Radfahrern frequentiert wird, breitet sich eine weite Grünland-Grabenlandschaft aus, die von hoher Bodenfeuchte geprägt ist. Der östliche Teil des Gebiets, die Pannlake (2), steht sogar unter Salzeinfluss. Aus dem darunter lagernden Lilienthaler Salzstock werden Salze nach oben geführt, die auch den Chemismus der Gräben beeinflussen.
Am Wegesrand breitet sich die Silberpappel aus.
Gleich zu Beginn fallen die mächtigen Pappeln (3) auf, die sich nebst einigen Eichen entlang des gesamten Weges ziehen. Am Wegrand rechts kommt in Mengen der Jungwuchs von Silberpappeln auf – die Art ist an den silbrig-behaarten Blattunterseiten leicht zu erkennen.
Im weiteren Verlauf säumt Schilf den Weg und begleitet auch die Gräben, die das Gebiet durchziehen. Im Grünland zur Linken zeigen die dichten Bestände der Flatterbinse hohe Bodenfeuchtigkeit und extensive Nutzung an. In den grünen Weiten stehen immer wieder inselartig Weiden in Form von Gebüschen.
Während der Graben rechts des Wegs kaum Wasser führt, hat sich im linken Graben und am Ufer eine artenreiche Vegetation entfaltet. Wasserampfer ragt mit großen, zungenförmigen Blättern heraus, am Grabenrand erheben sich die Stauden des Blut-Weiderichs mit rotvioletten Blüten. Im Grünland zur Rechten lässt sich ein Kleingewässer (4) erkennen, seine breiten Uferzonen markieren die hellgrünen Blätter des Wasserschwadens. Im Frühjahr sind die offenen Wasserflächen wichtige Laichbiotope für den Moorfrosch, und an den schlammigen Ufern stochern häufig Wiesenvögel mit langen Schnäbeln, wie der Rotschenkel.
Wenn Spaziergänger die Brücke mit dem Metallgeländer erreichen, erhalten sie erstmals einen Einblick in die extrem artenreichen Gräben des Hollerlands: Zur Rechten liegt hinter einem Rohrdurchlass ein großer Bestand der Krebsschere (5), die an den aloeartigen Blättern erkennbar ist. Die Krebsschere ist zugleich Eiablagepflanze für die Grüne Mosaikjungfer, einer vom Aussterben bedrohten Libellenart, die im Hollerland noch große Bestände bildet und im Gebiet bis in den Oktober hinein fliegt. Diese Libellenart mit schwarz-blau gemustertem Hinterleib ist an den rein grünen Seiten der Brust zu erkennen, die keine schwarze Zeichnung tragen. Außer der Grünen Mosaikjungfer fallen auch die rot leuchtenden Heidelibellen auf.
Im Wasser breitet sich die Krebsschere aus. Sie ist Eiablageplatz für die Grüne Mosaikjungfer.
Am Scheelenkampsfleet (6) sorgen Windpumpen im Winter und Frühjahr für hohe Wasserstände in einer Fläche, die mit niedrigen Erdwällen eingedeicht ist.
Kurz bevor der Autobahnzubringer erreicht ist, lässt sich zur Linken ein weiterer Blick in die Grabenwelt (7) tun: winzige Wasserlinsen auf der Wasseroberfläche, Froschbiss mit runden Blättern, Wasserfedern mit Fiederblättern – und auf dem Wasser bewegen sich große Wasserläufer – eine Wanzenart, die die Oberflächenspannung ausnutzt, um auf dem Wasser zu laufen. Seltenheiten des Gebiets, wie Schlammpeitzger oder Wasserspinne, lassen sich allerdings ohne Kescher kaum sehen.
Der Spaziergang führt die gleiche Strecke zurück und dabei kann der Fokus auf die Blütenwelt entlang des Weges gerichtet werden: Hier blühen auch im Spätsommer noch Kanadische Goldrute, Leimkraut und Wald-Engelwurz. Und immer wieder sieht man die Versuche von Weiden oder Pappeln, sich im Hollerland als Gehölze zu etablieren – ohne die Grünlandnutzung durch die Landwirtschaft würde aus dem Gebiet schnell ein feuchter Wald entstehen.