20.08.2013 Aufrufe

Selbstbedienungstankstelle - unirep - Humboldt-Universität zu Berlin

Selbstbedienungstankstelle - unirep - Humboldt-Universität zu Berlin

Selbstbedienungstankstelle - unirep - Humboldt-Universität zu Berlin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

OLG Köln, Beschluss vom 22. Januar 2002, NJW 2002, 1059 –<br />

<strong>Selbstbedienungstankstelle</strong>; BGH, Beschluss vom 28. Juli 2009,<br />

NStZ 2009, 694 – <strong>Selbstbedienungstankstelle</strong><br />

Sachverhalt: Anton sucht mit seinem Lieferwagen eine <strong>Selbstbedienungstankstelle</strong><br />

auf. Dort betankt er sein Fahrzeug mit Dieselkraftstoff<br />

im Wert von 82 Euro und verlässt, wie <strong>zu</strong>vor geplant, das Tankstellengelände<br />

ohne <strong>zu</strong> bezahlen. Der Kassierer der Tankstelle wird<br />

auf die Tat nachträglich dadurch aufmerksam, dass das – mit dem Einhängen<br />

der „Zapfpistole“ ausgelöste – Rotlichtzeichen auf dem Display<br />

der Kasse, mit dem die Sperrung der betreffenden Zapfsäule bis<br />

<strong>zu</strong>r Bezahlung angezeigt wird, längere Zeit aufleuchtet. Er stellt daraufhin<br />

fest, dass an der Zapfsäule ohne Bezahlung getankt worden<br />

war. Anton ist auf der Videoaufzeichnung der Überwachungskamera<br />

eindeutig <strong>zu</strong> identifizieren.<br />

Thema: § 246 StGB – „Schwarztanken“ an <strong>Selbstbedienungstankstelle</strong>n<br />

als Diebstahl oder Unterschlagung?<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Lösungsübersicht:<br />

A. Strafbarkeit wegen Diebstahls, § 242 I StGB<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Tatobjekt<br />

a) Bewegliche Sache (+)<br />

b) Fremd<br />

Problem: Eigentum des getankten Benzins<br />

- h.M.: Kaufvertrag u. Übereignung erst an der Kasse (+)<br />

- a.M.: Kaufvertrag u. Übereignung schon an Zapfsäule,<br />

aber: regelmäßig Eigentumsvorbehalt vereinbart<br />

(+)<br />

- a.M.: Gesetzlicher Eigentumserwerb durch<br />

Vermischung gemäß §§ 947 II, 948 I BGB (–)<br />

2. Tathandlung: Wegnahme: (–), da täuschungsbedingtes Einverständnis<br />

II. Ergebnis (–)<br />

B. Strafbarkeit wegen Betruges gemäß § 263 I StGB<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

Problem: Nichtwahrnehmung des Tankvorgangs (–)<br />

II. Ergebnis (–)<br />

C. Strafbarkeit wegen versuchten Betruges gem. §§ 263 I, II, 22<br />

StGB<br />

I. Vorprüfung (+)<br />

II. Tatentschluss<br />

1. Täuschung (+)<br />

2. Irrtum<br />

(+)<br />

3. Vermögensverfügung (+)<br />

4. Vermögensschaden (+)<br />

5. Bereicherungsabsicht (+)<br />

III. Unmittelbares Ansetzen (+)<br />

IV. Rechtswidrigkeit/Schuld (+)<br />

V. Ergebnis (+)<br />

D. Strafbarkeit wegen Unterschlagung, § 246 I StGB, durch das<br />

Tanken<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Fremde bewegliche Sache<br />

(+)<br />

b) Zueignung (+)<br />

c) Objektive Rechtswidrigkeit der Zueignung (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit/Schuld (+)<br />

III. Ergebnis: (+), aber Subsidiaritätsklausel<br />

E. Strafbarkeit wegen Unterschlagung, § 246 I StGB, durch das<br />

Wegfahren<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Fremde bewegliche Sache: (+), da Miteigentum trotz Vermischung<br />

b) Zueignung: Problem: erneute Zueignung<br />

- Tatbestandslösung (–)<br />

- Konkurrenzlösung (+)<br />

c) Objektive Rechtswidrigkeit der Zueignung (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit/Schuld (+)<br />

III. Ergebnis: (+), aber bloße mitbestrafte Nachtat<br />

G. Strafbarkeit nach § 265a StGB (–), da kein Leistungs-, sondern<br />

Warenautomat<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Lösungsvorschlag:<br />

A. Strafbarkeit wegen Diebstahls, § 242 I StGB<br />

Indem Anton tankte, ohne <strong>zu</strong> bezahlen, könnte er sich wegen eines<br />

Diebstahls gemäß § 242 I StGB strafbar gemacht haben.<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Tatobjekt<br />

Dies setzt <strong>zu</strong>nächst voraus, dass das Benzin ein taugliches Tatobjekt,<br />

also eine fremde bewegliche Sache ist.<br />

a) Bewegliche Sache<br />

Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand. Dabei ist gleichgültig, in<br />

welchem Aggregats<strong>zu</strong>stand sich dieser befindet. Auch Flüssigkeiten<br />

unterfallen dem Sachbegriff, soweit sie ein gesondertes, abgrenzbares<br />

Dasein aufweisen und damit eigentumsfähig sind. Das Benzin ist eine<br />

Flüssigkeit, die in einem Behältnis abgrenzbar ist und mithin eine Sache.<br />

Diese ist aufgrund ihrer Fortschaffbarkeit auch beweglich.<br />

b) Fremd<br />

Fraglich ist, ob das Benzin eine für Anton fremde Sache war. Fremd<br />

ist die Sache, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters, sondern im<br />

Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum eines anderen steht.<br />

Ursprünglich stand das Benzin im Eigentum des Tankstellenbetreibers.<br />

Anton könnte jedoch Eigentümer des Benzins geworden sein.<br />

In Betracht <strong>zu</strong> ziehen ist <strong>zu</strong>nächst eine Übereignung des Benzins an<br />

den Kunden bereits an der Zapfsäule. Dann hätte das Aufstellen der<br />

Tanksäule ein konkludentes Übereignungsangebot darstellen müssen.<br />

Eine bedingungslose Übereignung <strong>zu</strong> diesem Zeitpunkt wäre jedoch<br />

lebensfremd.<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Den Interessen des Tankstellenbetreibers entspricht vielmehr <strong>zu</strong>m einen<br />

eine Übereignung unter Eigentumsvorbehalt <strong>zu</strong>gunsten des Verkäufers<br />

bis <strong>zu</strong>r endgültigen Bezahlung des Benzins an der Kasse. Es<br />

ist nicht ersichtlich, dass hier – wie oftmals in der Praxis – der Eigentumsvorbehalt<br />

ausdrücklich durch einen Hinweis an der Zapfsäule<br />

vereinbart wurde. Werden Gegenstände jedoch nicht direkt bei Übergabe<br />

des Kaufgegenstandes bezahlt, könnte <strong>zu</strong>dem ein konkludenter<br />

Eigentumsvorbehalt vorliegen.<br />

Interessensgerecht ist <strong>zu</strong>m anderen die Annahme, dass die sachenrechtliche<br />

Übereignung erst an der Kasse stattfindet. Hier besteht insofern<br />

eine Parallele <strong>zu</strong>m Kauf in Selbstbedienungsläden.<br />

Welcher der beiden Konstruktion man folgt, kann hier jedoch offen<br />

bleiben, da eine Eigentumsübertragung bezüglich des Benzins <strong>zu</strong>m<br />

Zeitpunkt des Davonfahrens von Anton jedenfalls noch nicht stattgefunden<br />

hatte.<br />

Auch ein gesetzlicher Eigentumserwerb durch Vermischung ist ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />

Grundsätzlich entsteht durch Vermischung nur Miteigentum<br />

(§§ 947 II, 948 I BGB), das die Fremdheit des Benzins nicht ausschließen<br />

würde. Ferner ist nicht ersichtlich, dass Antons Tank noch<br />

so weit gefüllt war, dass das darin befindliche, ihm gehörende Benzin<br />

als Hauptsache i.S.v. § 947 II BGB gegenüber dem da<strong>zu</strong> getankten<br />

Benzin den Alleineigentumserwerb des Anton ausgelöst hätte.<br />

Das Benzin war mithin eine fremde, bewegliche Sache und als solche<br />

taugliches Tatobjekt.<br />

2. Tathandlung<br />

Anton müsste das Benzin weggenommen haben. Wegnahme ist der<br />

Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Gewahrsam<br />

ist dabei die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft,<br />

deren Umfang von der Verkehrsanschauung bestimmt<br />

wird.<br />

Das Benzin befand sich <strong>zu</strong>nächst in den mit den Tanksäulen verbundenen<br />

Tanks der <strong>Selbstbedienungstankstelle</strong> und wurde mithin von der<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Verkehrsanschauung dem vom generellen Sachherrschaftswillen umfassten<br />

Gewahrsamsbereich des Tankstelleninhabers <strong>zu</strong>geordnet.<br />

Durch das Einfüllen in Antons Tank ging das Benzin so in dessen tatsächlichen<br />

Herrschaftsbereich über, dass der Ausübung seiner Sachherrschaft<br />

keine wesentlichen Hindernisse mehr entgegenstanden.<br />

Ein Gewahrsamswechsel fand mithin durch das Einfüllen des Benzins<br />

in den Tank statt.<br />

Dieser ist jedoch nur dann als Gewahrsamsbruch <strong>zu</strong> qualifizieren,<br />

wenn er gegen oder <strong>zu</strong>mindest ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers<br />

geschieht. Wer Tanksäulen <strong>zu</strong>r Selbstbedienung<br />

bereitstellt, erklärt sein Einverständnis mit einer Gewahrsamsverschiebung.<br />

Dies gilt auch dann, wenn er sich sein Eigentum an dem<br />

Benzin vorbehält. Das Einverständnis ist als Realhandlung, anders als<br />

die Übereignungserklärung, welche eine Willenserklärung darstellt,<br />

auch nicht bedingbar.<br />

Dass dem Einverständnis hier möglicherweise eine Täuschung seitens<br />

des Anton vorausgeht, ist unbeachtlich, da zwar ein irrtumsbedingter,<br />

aber dennoch innerlich freier Willensentschluss <strong>zu</strong>r Gewahrsamübertragung<br />

vorliegt. Eine mögliche Beobachtung ist daher unbeachtlich,<br />

wenn sich der Kunde – wie Anton – „äußerlich neutral“ verhält.<br />

Aufgrund dieses Einverständnisses entfällt eine Wegnahme.<br />

Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt.<br />

II. Ergebnis<br />

Anton hat sich nicht wegen Diebstahls gemäß § 242 I StGB strafbar<br />

gemacht.<br />

B. Strafbarkeit wegen Betrugs gemäß § 263 I StGB<br />

Anton könnte sich aber wegen eines Betrugs gemäß § 263 I StGB<br />

strafbar gemacht haben, indem er tankte, ohne <strong>zu</strong> bezahlen.<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

Da<strong>zu</strong> müsste Anton den Kassierer getäuscht und dadurch einen Irrtum<br />

bei diesem erregt haben.<br />

Täuschung ist jede Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen,<br />

um eine Fehlvorstellung über äußere oder innere Tatsachen, also<br />

beweisbare Zustände und Ereignisse der Gegenwart oder Vergangenheit,<br />

hervor<strong>zu</strong>rufen. Dies kann ausdrücklich oder durch schlüssiges<br />

Verhalten, also konkludent, erfolgen.<br />

Ein Täter wie Anton, der wie ein normaler Kunde an einer Tanksäule<br />

auftritt und sich nach den äußeren Umständen wie ein solcher verhält,<br />

bringt durch schlüssiges Verhalten <strong>zu</strong>m Ausdruck, dass er den Kraftstoff<br />

nach Erhalt auch bezahlen werde. Allerdings bemerkte der Kassierer<br />

hier erst später, dass an der Zapfsäule getankt wurde, ohne <strong>zu</strong><br />

bezahlen. Mithin wurde Antons Tankvorgang nicht vom Kassierer<br />

wahrgenommen und somit konnte Anton nicht auf das Vorstellungsbild<br />

des Kassierers einwirken.<br />

Mithin liegt schon keine Täuschung über die innere Tatsache der Zahlungsbereitschaft<br />

des Anton vor.<br />

Mangels Täuschungshandlung ist der objektive Tatbestand nicht erfüllt.<br />

II. Ergebnis<br />

Anton hat sich mithin nicht wegen eines Betrugs gemäß § 263 I StGB<br />

strafbar gemacht.<br />

C. Strafbarkeit wegen versuchten Betrugs gemäß §§ 263 I, II, 22<br />

StGB<br />

In Betracht kommt allerdings eine Strafbarkeit Antons wegen eines<br />

versuchten Betrugs gemäß §§ 263 I, II, 22 StGB durch das Tanken<br />

ohne <strong>zu</strong> bezahlen.<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

I. Vorprüfung<br />

Ein vollendeter Betrug liegt mangels Täuschung nicht vor.<br />

Der versuchte Betrug ist gemäß §§ 12 II, 23 I, 263 II StGB strafbar.<br />

II. Tatentschluss<br />

Ferner müsste Anton mit Tatentschluss, also mit dem Willen <strong>zu</strong>r Verwirklichung<br />

des objektiven Tatbestandes in Kenntnis all seiner Merkmale<br />

gehandelt haben.<br />

1. Täuschung<br />

Anton trat nach den äußeren Umständen wie ein normaler Kunde an<br />

einer Tanksäule auf und bringt dadurch das schlüssige Verhalten <strong>zu</strong>m<br />

Ausdruck, dass er den Kraftstoff nach Erhalt auch bezahlen werde.<br />

Wer wie Anton an einer <strong>Selbstbedienungstankstelle</strong> tankt, muss regelmäßig<br />

damit rechnen, dass der Tankwart ihn beobachtet und somit<br />

auf sein Vorstellungsbild eingewirkt wird. Bei realitätsnaher Betrachtung<br />

muss unter den heutigen Verhältnissen stets mit der Möglichkeit<br />

der unmittelbaren oder durch Überwachungsanlagen vermittelten<br />

Wahrnehmung gerechnet werden. Es ist daher davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass<br />

Anton beim Vorfahren an die Tankstelle billigend in Kauf nahm, er<br />

könne jederzeit beobachtet werden und damit den Kassierer über seine<br />

Zahlungsbereitschaft täuschen.<br />

2. Irrtum<br />

Anton müsste ferner den Vorsatz gehabt haben, durch diese Täuschungshandlung<br />

einen Irrtum des Kassierers erregt oder unterhalten<br />

<strong>zu</strong> haben. Ein Irrtum ist jede unrichtige, der Realität nicht entsprechende<br />

Vorstellung über Tatsachen. Durch die Täuschungshandlung<br />

zielte Anton hier gerade auf eine Irreführung des Kassierers ab, dass<br />

es sich bei ihm um einen rechtmäßig tankenden Kunden handelt.<br />

3. Vermögungsverfügung<br />

Anton müsste auch Vorsatz bezüglich einer Vermögensverfügung,<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

also eines Handelns, Duldens oder Unterlassens, das eine Vermögensminderung<br />

unmittelbar herbeiführt, gehabt haben.<br />

Als Vermögensverfügung kommt hier bereits die irrtumsbedingte Gestattung<br />

des Einfüllens des Benzins und nicht erst die Nichtgeltendmachung<br />

des Zahlungsanspruches in Betracht. Nach Antons Vorstellung<br />

wäre bereits beim Tankvorgang eine Irreführung des Kassierers – Anton<br />

sein ein rechtmäßig tankender Kunde – erzeugt worden. In diesem<br />

Fall hätte Anton <strong>zu</strong>mindest mit bedingtem Täuschungsvorsatz dahingehend<br />

gehandelt, den Getäuschten – der als Verkaufsangestellter eine<br />

rechtliche Befugnis <strong>zu</strong>r Verfügung über das Vermögen des Tankstelleninhabers<br />

hat – <strong>zu</strong> einer in der Gestattung des Einfüllens des Benzins<br />

liegenden Vermögensverfügung <strong>zu</strong> veranlassen.<br />

4. Vermögensschaden<br />

Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der Vergleich der Vermögenslagen<br />

vor und nach der Vermögensverfügung eine nachteilige Differenz<br />

aufweist. Anton hatte nicht vor, die Vermögensverfügung unmittelbar<br />

durch ein wirtschaftliches Äquivalent in Form der Kaufpreiszahlung<br />

aus<strong>zu</strong>gleichen.<br />

5. Bereicherungsabsicht<br />

Anton kam es auch gerade darauf an, durch die Täuschung einen Vermögensvorteil<br />

in Form des getankten Benzins <strong>zu</strong> erhalten. Mithin<br />

handelte er auch in Bereicherungsabsicht. Dabei wusste er, dass er auf<br />

einen so erlangten Vermögensvorteil keinen Anspruch hatte, dieser<br />

also rechtswidrig war.<br />

Anton handelte folglich mit Tatentschluss.<br />

III. Unmittelbares Ansetzen<br />

Indem Anton sein Fahrzeug betankt hat, hat er unmittelbar im Sinne<br />

des § 22 StGB <strong>zu</strong>r Tatbestandsverwirklichung angesetzt.<br />

IV. Rechtswidrigkeit / Schuld<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

A hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.<br />

V. Ergebnis<br />

Anton hat sich somit wegen eines versuchten Betrugs gemäß §§ 263 I,<br />

II, 22 StGB strafbar gemacht.<br />

D. Strafbarkeit wegen Unterschlagung, § 246 I StGB, durch das<br />

Tanken<br />

Anton könnte sich durch das Einfüllen des Benzins wegen Unterschlagung<br />

gemäß § 246 I StGB strafbar gemacht haben.<br />

I. Tatbestandsmäßigkeit<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Fremde, bewegliche Sache<br />

Das Benzin war auch nach dem Einfüllen in den Tank – wie gezeigt –<br />

eine fremde bewegliche Sache.<br />

b) Zueignung<br />

Weiterhin müsste eine Zueignung gegeben sein. Eine solche setzt nach<br />

der sog. engen Manifestationstheorie voraus, dass der Täter eine<br />

Handlung vorgenommen hat, die seinen Zueignungswillen nach außen<br />

erkennbar dokumentiert.<br />

Durch das Tanken selbst müsste eine Zueignung erfolgt sein. Beim<br />

Tanken manifestiert Anton eindeutig seinen Willen, sich das Benzin<br />

an<strong>zu</strong>eignen und dadurch den bisherigen Eigentümer dauerhaft von der<br />

Ausübung seiner Eigentümerbefugnisse aus<strong>zu</strong>schließen, ihn also <strong>zu</strong><br />

enteignen.<br />

c) Objektive Rechtswidrigkeit der Zueignung<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Mangels eines fälligen und einredefreien Anspruchs liegt eine rechtswidrige<br />

Zueignungshandlung Antons vor.<br />

Der objektive Tatbestand ist erfüllt.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

Anton handelte vorsätzlich auch in Be<strong>zu</strong>g auf die Rechtswidrigkeit<br />

der Zueignung.<br />

Antons Handeln ist tatbestandsmäßig.<br />

III. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

Sein Handeln war auch rechtswidrig und schuldhaft.<br />

IV. Ergebnis<br />

Anton hat sich wegen Unterschlagung gemäß § 246 I StGB strafbar<br />

gemacht.<br />

Entsprechend der Subsidiaritätsklausel des § 246 I StGB tritt diese<br />

Vorschrift jedoch <strong>zu</strong>rück, wenn die Tat durch eine andere Vorschrift<br />

mit schwererer Strafe bedroht ist. Anton sich bereits wegen eines versuchten<br />

Betrugs gemäß §§ 263 I, II, 22 StGB strafbar gemacht. Auch<br />

der Strafrahmen des versuchten Betruges liegt nach Maßgabe der<br />

§§ 23 II, 49 I Nr. 2 StGB mit einer Höchststrafe von 3 Jahren und 9<br />

Monaten über dem des § 246 StGB mit einer Höchststrafe von 3 Jahren.<br />

Die Unterschlagung durch das Tanken tritt daher hinter dem (versuchten)<br />

Betrugstatbestand <strong>zu</strong>rück.<br />

E. Strafbarkeit wegen Unterschlagung, § 246 I StGB, durch das<br />

Wegfahren<br />

Anton könnte sich durch das Wegfahren von der Tankstelle erneut<br />

wegen Unterschlagung gemäß § 246 I StGB strafbar gemacht haben.<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

I. Tatbestandsmäßigkeit<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Neben dem Tanken könnte auch im Wegfahren eine erneute Zueignung<br />

gesehen werden, denn auch dadurch manifestiert Anton seinen<br />

Zueignungswillen auf eindeutige Weise.<br />

In diesem Fall stellt sich allerdings das Problem, ob eine erneute Zueignung<br />

überhaupt möglich ist – und erst auf Konkurrenzebene <strong>zu</strong>rücktritt<br />

– oder bereits tatbestandlich ausscheidet.<br />

Gegen die Möglichkeit einer erneuten Zueignung spricht nach der sog.<br />

Tatbestandslösung <strong>zu</strong>nächst der Wortlaut „Zueignung“, denn nach<br />

natürlichem Sprachverständnis kann man sich etwas, das man sich<br />

bereits <strong>zu</strong>geeignet hat, nicht nochmals <strong>zu</strong>eignen. Andererseits ist es<br />

durchaus denkbar, dass sich die Situation des Eigentümers durch die<br />

erneute Zueignung noch verschlechtert. Somit besteht aus der Perspektive<br />

des Eigentümers ein Schutzbedürfnis. Nähme man jedoch mit<br />

jeder erneuten „Zueignungshandlung“ eine erneute tatbestandliche<br />

Zueignung an und regelte man deren Verhältnis <strong>zu</strong>einander erst auf<br />

der Konkurrenzebene, so könnte man durch die beispielsweise beim<br />

Gebrauch einer Sache entstehende Kette von Zueignungshandlungen<br />

die Verjährungsregeln aushebeln: Immer wenn eine der früheren Zueignungshandlungen<br />

verjährt, könnte man auf eine zeitlich später erfolgende<br />

<strong>zu</strong>rückgreifen.<br />

Für die Möglichkeit einer erneuten Zueignung und somit für die sog.<br />

Konkurrenzlösung ist jedoch die Tatsache an<strong>zu</strong>führen, dass nach der<br />

Tatbestandslösung eine Bestrafung der Teilnehmer an späteren Zueignungshandlungen<br />

mangels geeigneter Haupttat nicht möglich wäre.<br />

Sieht man hingegen in der erneuten Zueignungshandlung eine tatbestandliche<br />

Zueignung und lässt diese (beim Täter) erst auf der Konkurrenzebene<br />

als bloße mitbestrafte Nachtat ausscheiden, so ist eine<br />

Teilnehmerstrafbarkeit möglich. Dieses Ergebnis kann auch nicht<br />

durch die in ihren Vorausset<strong>zu</strong>ngen wesentlich strengeren Anschlussdelikte<br />

der §§ 257, 259 StGB erreicht werden.<br />

Nach der hier vertretenen Konkurrenzlösung liegt mithin auch im<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer


<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Wegfahren – mangels eines fälligen und einredefreien Anspruchs –<br />

eine rechtswidrige Zueignungshandlung Antons vor.<br />

Der objektive Tatbestand ist erfüllt.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

Anton handelte vorsätzlich auch in Be<strong>zu</strong>g auf die Rechtswidrigkeit<br />

der Zueignung.<br />

Antons Handeln ist tatbestandsmäßig.<br />

III. Rechtswidrigkeit / Schuld<br />

Sein Handeln war auch rechtswidrig und schuldhaft.<br />

IV. Ergebnis<br />

Anton hat sich wegen Unterschlagung gemäß § 246 I StGB strafbar<br />

gemacht.<br />

Diese erneute Unterschlagung durch das Wegfahren tritt als Sicherungsunterschlagung<br />

als mitbestrafte Nachtat hinter der vorherigen<br />

Unterschlagung <strong>zu</strong>rück.<br />

G. Strafbarkeit nach § 265a StGB<br />

Eine Strafbarkeit Antons wegen Erschleichens von Leistungen gemäß<br />

§ 265a StGB scheidet aus, da hier ein Waren- und kein Leistungsautomat<br />

vorliegt.<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!