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<strong>altifcl«</strong><br />

Herausgegeben<br />

von <strong>der</strong><br />

Qkfellsdjaft für ttommetfdje<br />

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Stettin.<br />

Kommission bei Seon ©aunier.<br />

1897.<br />

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1897.


3nhalts-Verzeichniß.<br />

Sette<br />

Die Felbäüfle beS Großen Kurfürsten in Pommern 1675 — 1677. Von<br />

Dr. Ernst Müsebeck<br />

Jacob Von Sttzetmij, ein Pommerfdjer (Staatsmann auS dem Reformation^*<br />

1<br />

Zettalter. Von Dr. t»on Stojeutin =


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Itttrfthrfttn in sommern<br />

Dr.<br />

16fa<br />

Don


[. politische littb militärische sage nach kr Schlacht bet<br />

ifejjrbeüin. €inbntch bt& üurfürfien in Jlctklenburg,<br />

Die Schlacht bei F e hrbellin war für den Kurfürsten Friedrich Wilhelm<br />

ein entscheiden<strong>der</strong> Sieg über das schwebische Hauptkorps unter bem Generatlieutenant<br />

V. Wrangel; z^ar feine eigentliche Absicht, bem Feinbe ben Rückjug<br />

abzuschneiben unb ihn völlig zu vernichten, hatte sich nicht burchfül)ren<br />

lassen, aber boch waren bie Folgen bieser Sftiebertage für SchwebenS<br />

Stellung in Deutschlanb bebenklich. Vorher hatte sich bie Mark Branbenburg<br />

ben brüdenben Einquartierungen unb argen piünberungen eines übermüthigen<br />

unb fiegeSgewiffen FeinbeS ausgesetzt gesehen; jetzt war baS<br />

schwebischc JnvasionSheer zum größten Theil aufgerieben; gerabe weil es<br />

beS Sieges so gewiß war, mußte bie üftieberlage um so vernichtenber<br />

wirken. Haufenweife verließen bie geworbenen beutschen ©olbotcn noch<br />

lange Zeit nachher bie flüchtige Armee, um unter anbern Fahnen if)r Glück<br />

Zu versuchen. Der Znsammenhang beS Heeres würbe baburch noch mehr<br />

gelo<strong>der</strong>t als burch bie Schlacht selbst.<br />

Der ReichSfelbherr Wrangel war genöthigt, seinen ursprünglichen<br />

Plan, burch bie Vereinigung mit ben Truppen beS H ev 3ogS Johann<br />

Friebrich von Hannover, bie in ber Stärke von 13000 Mann bem EichSfelbe<br />

zu rücften, eine Verbinbung ätotfcijen bem westlichen unb nördlichen<br />

Kriegsschauplatz, zwischen bem französischen unb schwebischen Heere herbeizuführen,<br />

aufzugeben unb auf seine eigene Rettung bebacht zu fein. AuS<br />

ber strategischen Offensive sah er sich plötzlich in bie strategische Defensive<br />

jurüd gebrängt. J )<br />

l ) Ueber die Schlacht bei Fehrbeötn unb ihre Folgen Vgl. J. G. Droyfen:<br />

Geschichte ber preußischen Politik, Bd. 3, Abth- 3, 2. Aufl. Leipzig 1872, pg. 350 ff;<br />

®eyer=Karlfon: Geschichte SchwebenS, Bb. 4. Gotha 1855, pg. 608 ff.; V. Wttz=<br />

leben unb Hassel: Fehrbellin, Berlin 1875, pg. 82 ff.; Felbzug beS großen Km><br />

surften Friedrich Wilhelm gegen bie (Schweben im Jahre 1675 Vom Main bis zur<br />

mecklenburgischen Grenze in „Reue militärische Blätter" XXXH. pg. 264. -<br />

Für ben nie<strong>der</strong>schlagenden Eindruck ber Schlacht auf baS schwedische Heer find Von<br />

Bedeutung die Angaben, welche Christian V. Brandt, seit Dezember 1674 branden*<br />

burßischer Gesandter am dänischen Hofe, in seinen Relationen Vom 18. Juli und<br />

©tubien S Ji. fr L 1<br />


2 Die Feldzüge deS großen Kurfürsten in Pommern 1G75-1677.<br />

Diese für ihn so überaus günstige Gestaltung ber militärischen Lage<br />

gebachte ber Kurfürst auf baS nachdrücklichste auszunutzen. Schon gleich<br />

nachdem bie Schweben in feine Lanbe eingefallen waren, unb ber Fürst<br />

Johann Georg von Anhalt, ber Statthalter ber Mark währenb ber Ab-<br />

Wesenheit des Kurfürsten auf bem französischen KriegSschauplatze, ihn burch<br />

den Hauptmann v. Krummensee bavon benachrichtigt hatte, äußerte er ju<br />

seiner Umgebung, ihm stehe jetzt bie Erwerbung von ganz Pommern bevor,<br />

ein Gebanke, ber nach bem errungenen Siege allem Anschein nach zur Thatsache<br />

werben mußte. So stellte denn auch v. Krockow, ber kurfürstliche<br />

Gesandte am Wiener Hofe, als Ziel des Kampfes bie Vertreibung Schwedens<br />

vom deutschen Boden hin« DieS ist baS Programm ber branbenburgischen<br />

Politik in ben nächsten Jahren. Sollte ber Kampf vorher beenbet werben,<br />

so verlangte ber Kurfürst wenigstens Stettin unb bazu bie Aufhebung des<br />

Stettiner RecesseS vom 14. April 1653: alle diejenigen Orte, welche früher<br />

ZU Hinterpommern gehört hatten, Beseitigung <strong>der</strong> Theilnahme Schwedens<br />

am Kapitel zu Kammin unb an ben Licenten, schließlich baS Recht ber<br />

freien Einfahrt in bie See. Außer dieser Freiheit deS HanbelSverkehrS<br />

unb Vergrößerung beS Staatsgebietes strebte Friedrich Wilhelm noch nach<br />

einem anbern Ziel : <strong>der</strong> weiteren AuSbilbung feiner fürstlichen Machtvollkommenheit<br />

unb <strong>der</strong> Verstärkung seiner finanziellen Mittel. So bezeichnet<br />

er in einem eigenhändigen Aufsatze: ^WaS Jch wegen Meines Interesse bey<br />

dem Printzen zu suchen unb Jhm Zu recommandiren habe" als feine<br />

Entschädigungen vom Reiche, „daß alle Canonicaten in Magdeburg; Halberstadt,<br />

Minden und Camin secularisiret undt zue doumeinen gelegt werden<br />

mochten, das im nahmen beS KayserS undt des Reiches Mir zugelaßen<br />

Werde, in allen meinen Landen accissen anzulegen, daß <strong>der</strong> Johanniterorden<br />

in <strong>der</strong> Mark Brandenburg zur recumpens Mir gelassen, undt Jch bie<br />

comman<strong>der</strong>eien zur taffei einziehen, undt Ämbter barauß machen, haubtleutte<br />

anstadt ber commendoren setzen, welchen ein gewiS gehalt von<br />

500 Rthlr. gegeben werben solle, bie responsgelber aber bem orden stetz<br />

richtig gezahlet werben sollen". 1 )<br />

19. Juli über bie noch immer fortdauernden Desertionen ber schwedischen Truppen<br />

macht, im Geheimen Staatsarchiv in Berlin (künftig als G. St.citirt), u. bie Relationen<br />

deS Marquis de Vitry, deS französischen Bevollmächtigten beim schwedischen Heer,<br />

an Ludwig XIV., bie in Abschrift auS dem franz. Ministerium <strong>der</strong> auswärt. Ange=<br />

legenheiten im Kriegsarchiv deS großen Generalstabes in Berlin (künftig als K. A.<br />

citirt) liegen und zum Theil bei v. Witzleben und Hassel abgedruckt sind. — Die<br />

Darstellung bei v. probst: Feldzüge deS großen Kurfürsten in ben Jahren 1674<br />

—1679 in <strong>der</strong> Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft unb Geschichte deS KriegeS, 1839,<br />

Bb. 46 unb 47, hält sich nur an bie gedruckten Quellen unb an Buch ' S Tagebuch.<br />

— Die Datirung in ber Darstellung ist immer nach dem gregorianischen Kalen<strong>der</strong>.<br />

1 ) Vgl. L. V. Ranke:^ Zwölf Bücher preußischer GeSchichte, 2. Aufl., 2. Ge=<br />

sammtauSgabe Bb. XXV u. XXVI, pg. 317. Droysen a. a. O. erwähnt diesen<br />

Aufsatz auS ben ersten Tagen deS März 1675 nicht. Dazu Samuelis de Pufendorf


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 3<br />

Der ReichSfelbherr Wrangel war schon auf bie Kunbe Von bem<br />

Ueberfall bei Rathenow mit ben in H a oelberg stehenden Truppen in ber<br />

Stärke von ungefähr 2500 Mann nach Wittstock in ber Priegnitz nahe<br />

ber mecklenburgischen Grenze aufgebrochen unb hatte seinem Bruber die<br />

Nachricht zukommen lassen, sich ebenfalls dorthin zurückzuziehen. Am<br />

20. Juni früh morgens erfuhr er von bem Unglüd, baS biesen betroffen<br />

hatte; er überschätzte bie Nie<strong>der</strong>lage; in ber Besorgniß, baß bieser ganz<br />

abgeschnitten und womöglich gefangen sei, trat er mit seinen Truppen über<br />

Plauen und Malchin den Rüdzug nach Demmin an, wo er am folgenden<br />

Tage eintraf. Jene Furcht zeigte sich als unbegründet, denn auch Watdemar<br />

V. Wrangel war unterdessen nach Wittstod gekommen, <strong>der</strong> Kurfürst ifjm<br />

immer auf den Fersen bis eine halbe Meile vor <strong>der</strong> Stadt. Diesseits<br />

und jenseits hatten die Schweden Schanzen aufgeworfen, um ihren Rüdzug<br />

ZU sichern, so daß er die Verfolgung aufgab und erst das von Magdeburg<br />

heranrüdende Fußvolk abzuwarten beschloß. Am Nachmittag deS 1. Juli<br />

wurde ihm jedoch gemeldet, daß <strong>der</strong> Feind den Rüdzug fortsetze; die<br />

brandenburgische Avantgarde unter Generalmajor v. Götze rüdte nunmehr<br />

vor, geriet!) aber alsbald in einen Hinterhalt <strong>der</strong> schwedischen Arrieregarde<br />

jenseits <strong>der</strong> Stadt und fal) sich genöthigt, nachdem Götze selbst gefangen<br />

war, zurüdzuweichen, so daß die Schweben ungestört ihren Abmarsch fortsetzen<br />

konnten. Ueber Freienstein erreichten sie die Grenze deS HerzogthumS<br />

Medlenburg-Güftrow, das sie mit Zustimmung des H er zogs durchzogen,<br />

und schlugen die Richtung auf Demmin ein. Die schon hart mitgenommene<br />

Kavallerie deS Kurfürsten blieb bei Wittstod stehen; er gönnte ihr erst<br />

einige Ruhetage und ging nach Berlin. Unterdessen war auch daS brandenburgifche<br />

Fußvolk von Magdeburg her nachgerüdt und bis H aüe ^erg<br />

gekommen. Sftach dem Uebergange über die H a ^el vereinigte eS sich mit<br />

<strong>der</strong> Kavallerie. Das brandenburgifche H eer bestand jetzt auS ungefähr<br />

20000 Mann: 13353 Mann Jnfanterie, 7091 Reiter und 1100 Dragoner. M<br />

Ueber Perleberg, Neustadt i. Medienburg rüdte eS nach Schwaau, 24 km<br />

südlich von Rostod an <strong>der</strong> Warnow gelegen, vor. Einen Monat nach <strong>der</strong><br />

Schlacht bei F e hrbellin — schon am 27. Juli traf eS dort ein — war<br />

de rebus gestis Fri<strong>der</strong>ici Wilhelmi Magni electoris Brandenburgici<br />

commentariorum libri XIX., Lipsiae et Berolinae 1733 (künftig als Puf. citirt)<br />

üb. XII. § 66, und Urkunben unb Aktenstücke zur Geschichte beS Kurfürsten Friebrich<br />

Wilhelm von Brandenburg (U. u. A.) XIV. pg. 833 ff: Votum über bie Konferenz<br />

vom 28. Juni 1675 zwischen Hocher, Abel unb Krockow in puneto satisfactionis<br />

von Schweben.<br />

*) Ueber bie Stärke ber branb. Armee Vgl. Beilage I. Die StärkeverhältnifSe<br />

ber Artillerie konnten aktenmäßig nicht ermittelt werben. Jm Diarium Europaeum<br />

XXXII, pg. 499, finbet Sich bit Angabe, ba^ sie in Parchim t. Mecklenburg auS<br />

4 großen, 8 kleinen Stücken unb 2 FeuermörSern bestauben habe, ©ie ist jeboch<br />

bann später verstärkt worben, wie auS ben Befehlen beS Kurfürsten an Anhatt, im<br />

Zerbfter Archiv (Z. A.) befinblich, hervorgeht.<br />

1*


4 Die Felbzüfie beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

das branbenburgifche Heer trotz aller anstrengenden Märsche und Strapazen,<br />

die eS hatte durchmachen müssen, doch so weit wieber hergestellt, um den<br />

Feldzug gegen Pommern z u eröffnen. Der Kurfürst lebte <strong>der</strong> Hoffnung,<br />

noch in diesem Jahr ein gut Theil <strong>der</strong> langersehnten Provinz in feine<br />

Gewalt zu bekommen, als er plötzlich genöthigt wurde, mit feinem H eer e<br />

fast 2 Monate unthätig in den mecklenburgischen Quartieren zu liegen:<br />

eine Wirkung ber unglücklichen politischen Verhältnisse. 1 )<br />

Wenben wir unS biefen zu, so ist die Frage, welchen Einfluß die<br />

Schlacht bei F e hr&etlin zunächst auf bie beutfchen Fürsten ausgeübt hat,<br />

bie eine zu Frankreich In'nneigenbe Haltung zeigten. Baiern und Sachsen<br />

bewahrten ihre neutrale Stellung; mit Hannover wurden vergeblich Unterhandlungen<br />

über einen Anschluß an die Verbündeten gepflogen. ES gelang<br />

nur, am 21. September einen S^eutralitätsvertrag zwischen dem H er Z°9<br />

Johann Friedrich einerseits und dem König von Dänemark Christian V.,<br />

Friedrich Wilhelm und Christoph Bernd, dem Bischof von Münster, andrerseits<br />

zu Stande zu bringen. Freilich waren die Bedingungen außerordentlich<br />

günstig, für einen neutralen Fürsten fast unerhört zu nennen: Freiheit<br />

Von allen Einquartierungen, Kontributionen, Durchzügen, Schutz gegen<br />

etwaige Uebergriffe Frankreichs, Quartiere für feine Truppen in an<strong>der</strong>en<br />

Reichstheilen und Theilnahme an etwaigen Verhandtungen über Bremen-<br />

Verden. Sie stellten ihn den Verbündeten fast gleichberechtigt hin; verlieren<br />

konnte er nichts, gewinnen dagegen sehr viel. Dieser Fürst wußte nur zu<br />

gut, wie viel den Verbündeten schon an feiner bloßen Neutralität gelegen<br />

sein mußte; denn erklärte er sich für Schweden, so war eS <strong>der</strong> Sorge für<br />

Bremen-Verden völlig enthoben und konnte alle verfügbaren Kräfte in<br />

feinen deutschen Gebieten an <strong>der</strong> Ostfee operiren lassen. 2 ) Wichtiger noch<br />

für den Kurfürsten War die Haltung <strong>der</strong> verbündeten Mächte: des Kaisers<br />

und des Reiches, H 0 ^andS und vor Allem Dänemarks. 8 ) Von einem<br />

eimnütf)tgen schnellen Handeln war nicht die Rede. Kaiser und Reich<br />

verhielten sich bis zum März des JarjreS 1675 ablehnend. Jm kaiserlichen<br />

2 ) Ueber bie politische Lage und bie Politik Friedrich Wilhelms int Allgemeinen<br />

Vgl. ErbntannSbb'rffer: Deutsche Geschichte vom westfälischen Frieden HS zum<br />

Regierungsantritt Friedrichs be§ Großen, Bb. 1. Berlin 1890. pg. 648 u. 728.<br />

2 ) Ueber bie Haltung BaiernS Vgl. K. Th- ©etgel: DaS Projekt einer<br />

WittelSbachifchen HauSunion unter fchwebifchem Protektorate in „Quellen unb Ab=<br />

Handlungen zur neueren Geschichte BaiernS", München 1884, pg. 25 ff. gegen Droyfen<br />

unb Sarison; über Sachsen: Auerbach: la Diplomatie frangaise et la cour de<br />

Saxe, Paris 1887, pg. 421, ber ein vernichtenbeS Urtheil über bie bamalige sächsische<br />

Politik unb bie Person beS Kurfürsten fäßt; ebenso Böttiger=Flathe: Geschichte beS<br />

KurstaateS unb Königreiches Sachsen, 2 Aufl. Gotha 1870. Bb. 2. pg. 248 ff.<br />

Den Vertrag mit Hannover f. ^ V. Mörner: KurbranbenburgS (Staatsverträge,<br />

Berlin 1867, pg. 386 ff. unb Du Mont: Corps diplomatique VII. 2. pg. 305 ff.,<br />

bazu V. Wtfcteben u. Hassel a. a. O. pg. 64.<br />

3 ) Vgl. V. Witzleben u. Hassel a. a. D. pafftm.


Die Felbzüge be§ großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 5<br />

Reichshofrath hatten die Gegner Brandenburgs die Oberhand. Erst im<br />

März, als das schwebische Heer <strong>der</strong> Grenze Schlesiens sich näherte, zeigte<br />

sich Leopold I. zu Verhandlungen mit Friedrich Wilhelm über einen gemeinsamen<br />

Operationsplan <strong>der</strong> brandenburgischen Truppen und <strong>der</strong> in Schlesien<br />

sich allmählich sammelnden österreichischen Armee bereit; man kam überein,<br />

baß beide sich am 30. April vereinigen sollten, ein Termin, <strong>der</strong> jedoch von<br />

Oesterreich inS Weite hinausgeschoben würbe. Z^ar erließ ber Kaiser am<br />

20. Juni ein KommisfionSbefret*), in welchem er bem Kurfürsten seine<br />

Länber gegen Schweben garantirte unb von ben Stäuben eine Berathung<br />

hierüber verlangte, allein auf ein energisches Vorgehen gegen Schweben,<br />

auf eine offene Erklärung beffelben zum Reichsfeinb, wie sie ber branbenburgische<br />

Gesanbte am Reichstage, V. Jena, uub v. Krockow am Kaiserlichen<br />

Hofe for<strong>der</strong>ten, einzugehen, dazu schien ber Kaiser nicht geneigt. 2 ) Er<br />

hätte eS lieber gesehen, wenn mit Schweben ein triebe zu Staube gekommen<br />

wäre unb bie Atliirten mit ihrer ganzen Macht sich gegen Frankreich<br />

gewanbt hätten, Pläne, bie gewiß bem Kaiserlichen Jnteresse viel entsprechen<strong>der</strong><br />

uub angemessener waren, benen man aber auch eine gewisse<br />

allgemeine Berechtigung im Sinne einer einheitlichen Kriegsführung nicht<br />

absprechen barf. 9foch weniger Thatkraft legten bie Stäube an ben Tag,<br />

Weber ber obersächfische Kreis, zu bem ja Branbenburg gehörte, noch ber<br />

niebersächfischc unb westfälische zeigten sich zu ber schulbigen Hilfe bereit.<br />

Auf bem obersächsischen Kreistage in Leipzig machte sich sogar eine schwebische<br />

Partei geltenb, an bereu Spitze natürlich Sachsen stanb. 3 ) Sftach ber<br />

Schlacht bei F e hrbellin war ein kleiner Umschwung bemerkbar; bereits am<br />

29. Juni waren bie excitatoria an bie Stäube ergangen, benen am<br />

18. Juli baS „ReichS-Conclusum" unb bie „Declaration wiber bie Krön<br />

Schweben" folgten; „mandata inhibitoria" unb „avocatoria" sollten gegen<br />

Schweben ergehen, ber ober- unb niebersächsische, sowie ber westfälische Kreis<br />

angehalten werben, mit ber schulbigen Mannschaft Hilfe zu leisten. 4 ) Auch<br />

würbe ein Kaiserliches KommisfionSbekret erlassen, baß bie Krone Schweben<br />

im Fürftenratl) hinfort nicht mehr aufgerufen werben sollte. 5 ) Damit<br />

war ihr bie Zugehörigkeit zum Reich abgesprochen. Schließlich erging am<br />

7. Dezember auch ein Schreiben beS Reichstages an bie pommerschen<br />

Stänbe, in welchem sie von bem Gehorsam gegen Schweben entbunben<br />

würben; sie sollten sich ben Verbünbeten nicht wibersetzen, sonbern bereu<br />

*) Gedruckt bei Lonborp: Acta publica X. pg. 360.<br />

2<br />

) U. u. A. XIV. pg. 381: Votum Vom 8. Juni (18. Juni) betreffend<br />

©chtoeben.<br />

3<br />

) Ueber den Kreistag zu Leipzig im März Vgl. U. u. A. XIV. 823: D.<br />

Kurs. a. b. Kaiser 15./25. Februar; über den Kreistag *u Lüneburg ü. u. A. XIV.<br />

825 f.: D. Kurs. a. d. Kaiser 20./30. April. Dazu Puf. XIII. § 17.<br />

4<br />

) Londorp a. a. D. X. 360.<br />

5<br />

) Londorp a. a. D. X. 377.


6 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten itt Pommern 1675—1677.<br />

Heere von dem Lande ruhig Besitz ergreifen lassen. Dem Kurfürsten<br />

wurde <strong>der</strong> Schutz des Reiches versprochen, bis ihm Genugthuung gegeben<br />

fei; <strong>der</strong> schwedische Gesandte in Wien erhielt den Befehl, den H°f b n<br />

verlassen. Jm Reichstage sprachen sich beson<strong>der</strong>s die geistlichen Fürsten<br />

hart gegen Schweben aus. 1 ) Allein was nützten alle Schreiben und<br />

Beschlüsse, wenn ihnen die That nicht folgte? Die eine Frage, auf welche<br />

Friedrich Wilhelm ganz beson<strong>der</strong>es Gewicht legte, wurde außerdem unentschieden<br />

gelassen, die Frage, ob dieser Feinb jetzt gänzlich vom deutschen<br />

Boden verjagt werben sollte. Der Kaiser beabsichtigte, wo an einen Frieben<br />

nicht zu benken war, nach ber Unterwerfung Frankreichs selbst bie Eyekution<br />

gegen Schweben zu übernehmen, um bie Beute alsdann nach seinem Belieben<br />

Vertheilen zn können. 2 ) Die verschiedensten partikularen Jnterefsen<br />

mußten hier einan<strong>der</strong> kreuzen. Am Kaiserlichen H°f e sah man mit Beforgniß<br />

bem allzu großen Machtzuwachs BranbenburgS entgegen. Daher konnte<br />

Karl XI. auch immer wieber von Steuern Versuche machen, ben Kaiser<br />

Vom Kampfe fern ^n halten. Er schickte EfaiaS Pufenborf als Gesandten<br />

an ben DreSbener H°f mit ber Vollmacht, von ba aus einen Frieben mit<br />

Leopolb zu staube ^n bringen. Allein eine sächsische Vermittelung würbe<br />

vom Wiener Hofe abgelehnt. Am 14. Juli setzte sich enbltch ein kaiserliches<br />

HilfSkorpS in Bewegung unter bem Feldmarfchatl-Lieutenant Grafen Eob;<br />

es betrug 5300 Mann, mit bem sich noch 2500 Kursachsen vereinigen<br />

sollten; nach sehr langsamen Märschen burch Schlesien unb bie Mark h*nburch<br />

langte eS im August in Mecklenburg an. 8 )<br />

! ) Puf. XIII. § 39-41.<br />

2 ) U. u. A. XIV. 839: Kaiserliche Erklärung vom 26. Juli.<br />

3 ) Ueber baS StärkeDerhättniß beS kaiserlichen HilfSkorpS unter Eob haben<br />

wir 2 Angaben: 1. in: „beS Verwirrten Europae Continuation", Amsterdam 1680<br />

pg. 790: ffDaS Babifch Regiment 15 Fäljnt- 1419, baS Weymarifche Reg. lOFähnl-<br />

1199, baS Stratfotbi'fche Reg. 15 Fähnl. 1500, baS Metternich'Sche Regim. 10 %'dinl<br />

938, Ein Regtm. Dragonber 5 Fähnl. 518, (£hurfäcf)ß. Völrfer 2500, Böhmische<br />

Truppen 800, Würzburgifche in 3 Fähnlein 500: machen zusammen 9374 Köpffe. —<br />

2. im G.-St. als Beilage zn einem Briefe von MeinberS, ber als BeVoUmächtigter<br />

beS Kurfürsten nach Mühlhausen z u ben Verhanblungen über hk Winterquartiere<br />

geschickt war, d. d. Mühlljausen, b. Q November 75# danach forbern bie Kaiser*<br />

Itchen für folgenbe Truppen Ouartier: „EobbifcheS KorpS: Jnfanterie: Weimar<br />

10 Komp. 1200 Mann; ©trafolbo 5-1422, Bäben Hermann 5-1286, (£ln"><br />

(Sachsen 1000; Kavallerie: Metternich 10—890, Dragoner JacqueS Gerhard<br />

5-502, Shur (Sachsen 500: Summa 6800 Mann". ES fehlen in biefer letzten<br />

Angabe bie böhmischen unb toürzburßifchen Truppen in ber (Stärke von 1300 Mann,<br />

bie in (Schlesien stehen blieben, ferner ftnb statt 2500 Sachsen nur 1500 genannt.<br />

Ziehen wir biefe 2300 Mann Von jenen ab, so erhalten wir oben 7074 Mann.<br />

Betbe Angaben weichen also nur um ein geringes Von einanber ab. Von biefen<br />

6800 stießen 1500 Mann zu Anhalt, so ha^ für bie Hauptarmee nur 5300<br />

übrig blieben.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 7<br />

Um S° mehr mußte chm an einer kräftigen Unterstützung durch<br />

Holland liegen. Die Staaten hatten am 2. F e &ruar die Garantie für<br />

die branbenburgifdjen Län<strong>der</strong> übernommen, b. fj- fid) verpflichtet, falls <strong>der</strong><br />

Kurfürst in feinem Gebiete angegriffen werben sollte, ihre Streitkräfte zu<br />

feinen Gunsten z u gebrauchen. Prinz Wilhelm von Oranien hatte chm<br />

versprochen, ein staatisches Heer in die Bremen-Verdenfchen Lande ein*<br />

rüden zu lassen, allein die Regierung im Haag war nicht gesonnen, so<br />

unbedingt für Brandenburg einzutreten. Unterhandlungen <strong>der</strong> kurfürstlichen<br />

Gesandten W. W. BlaSpeil und M. RomSwincket führten zu keinem<br />

Ergebniß, so daß <strong>der</strong> Kurfürst sich zu einer persönlichen Zusammenkunft<br />

mit Oranien entschloß. Sie fand vom 2O./23. März in Eleve statt, ohne<br />

jedoch einen bestimmten Plan für die künftigen Operationen zu zeitigen.<br />

Jnfolgedessen wurden Ende März im H aa g Konferenzen zwischen den<br />

Abgesandten aller Verbündeten eröffnet. ES galt, Dänemark in die thatsächliche<br />

Aktion hineinzuziehen, dem z u diesem Z^ecf bereits 1674 Subftdien<br />

von H°öanb bewilligt waren. Differenzen z^if^en einzelnen<br />

Mächten verhin<strong>der</strong>ten auch hier einen schnellen Abschluß <strong>der</strong> Verhandlungen.<br />

Enbltch einigte man sich bahin, baß alle Verbünbeten bis zum 25. Juni<br />

Schweben ben Krieg erklären sollten. Jn ber That geschah dies auch<br />

seitens ber Staaten, aber mit betn Vorbehalt, baß ihnen ber Hanbel mit<br />

Schweben gestattet würbe, ©ie versprachen 9 Kriegsschiffe in bie Ostsee<br />

ZU senben unb außerbem an Dänemark 600 000 Gulben Subfibien zu<br />

Zahlen. Bereits am folgenben Tage erneuerten sie baS Verbot für ifjre<br />

Unterthanen, mit Kommissionen beS Kurfürsten von Branbenburg ober<br />

jemanb anberS schwebifchc Schiffe zu kapern unb in nieberlänbische Häfen<br />

ZU schleppen, ba Schweben bereit war, unter bieser Bebingung ben Hanbel<br />

mit ben üftieberlanben trotz ber Kriegserklärung ungestört fortbestehen zu<br />

lassen. *)<br />

Entscheibenb für bie Operationen auf bem nörblichen Kriegsschauplatz<br />

war eS, baß Dänemark enblich bewogen würbe, in ben Kampf einzugreifen.<br />

Lange hatte hier bie Wagschale hin unb her geschwankt, weil bie<br />

Bebeutung Dänemarks von Schweben sowohl wie von ben Verbünbeten<br />

nicht unterschätzt würbe. Enblich siegten letztere. Auch Srjristtan V. zeigte<br />

sich mit jenem H a ager Abkommen einverftanben. Trotzbem zögerte er, ben<br />

Krieg zu erklären, inbem er vorgab, baß er sich erst gegen ben Herzog Christian<br />

l ) Vgl- über bie staatische Politik außer V. Würben unb ©äffet a. a. D.<br />

pg. 17 ff. noch U. u. A. III pg. 452 ff.: Verhandlungen mit ben Staaten über<br />

bie Kriegserklärung, gegen Schweben. Oktober 1674—Juni 1675 u. pg. 458 ff.:<br />

Protokoll einer Konferenz im Haag 15. Mai. Dazu G. St. Eep. 65 num. 1<br />

unb 2: „Marinefachen, worin sich eine Reche Von Relationen BlaSpeilS u. RontS=<br />

Windeis befinben. — Von früheren Darstellungen fei erwähnt: Basnage: Annales<br />

des Provinces-Unies, A'la Haye 1726 II. 803 ff., ber unS ein treffliches Bilb<br />

bon ben äuftänben H°ßanbS giebt.


8 Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Albrecht von H°lftein-Gottorp den Rüden decken müsse, <strong>der</strong> feit 1674 mit<br />

Schweden im Bunde stand. Aber auch nachdem dieser am 10. Juli j\x<br />

einem für Dänemark günstigen Frieden gezwungen war, verstrichen noch<br />

fast 2 Monate, ehe Christian den Krieg gegen Schweden eröffnete. Der<br />

Grund bestand barin, baß er nicht als Angreifer erscheinen wollte, bevor<br />

Friedrich Wilhelm etwas Thatsächliches zur Befreiung seiner Lande gethan<br />

hätte und daß man in Dänemark den Staaten den Vortheil beS HanbelS-<br />

Verkehrs mit Schweben wäljrenb beS Krieges mißgönnte; ferner aber auch<br />

barin, baß die Flotte immer noch nicht in einen kriegsfertigen Z u stanb<br />

gefetzt unb man sich über bie Angriffspunkte unb etwaige Erwerbungen<br />

uneinig war. 1 )<br />

So kann baS Resultat aller Verhanbtungen selbst nach ber Schlacht<br />

bei F e hrbellin für Branbenburg burchauS nicht als günstig bezeichnet<br />

werben. Sloch einen Monat nachher hatten Kaiser unb ?Htiä) bem Kurfürsten<br />

keinen einzigen Mann zu Hilfe geschickt. Die wichtigsten deutschen<br />

Territorien verharrten in ihrer" Neutralität, H°Hand zeigte sich zwar bereit,<br />

mit einer Anzahl von Schiffen die dänische Flotte z u unterstützen, dafür<br />

aber bebang eS sich bie Hanbelsfrecheit von Schweben aus unb zeigte<br />

sich ebenso wie Spanien in ber Zahlung ber Subfibien säumig, so baß<br />

ber Unterhalt ber großen Streitkräfte noch mehr erschwert würbe. Dänemark<br />

zierte, mit feinem Angriff auf Schweben Ernst zu machen, unb<br />

suchte fein eigenes Uebergewicht in ^orddeutfchland durch vorsichtige<br />

politische Unterhanblung anstatt burch schnellen militärischen Angriff z u<br />

begrünben. Friebrich Wilhelm staub trotz aller Verträge einen Monat<br />

nach ber Schlacht bei Fehrbelftn bem Feinbe allein gegenüber; eS schien,<br />

als mißgönnten ihm selbst seine Verbünbeten bie gewaltigen Erfolge.<br />

DaS branbenburgifche Hauptquartier befand sich feit Ende Juli in<br />

Schwaan. Vor ber Zusammenkunft mit Oranien in Eleve hatte ber<br />

Kurfürst sich selber eine mehr abwarteube Stellung zugebacht. Die dänischen<br />

unb lüneburgifchen Truppen sollten in Schonen unb Bremen-<br />

Verben ben Hauptangriff übernehmen, „Jch aber müste mitt ber armee<br />

so starck als selbe ^n machen in Mekelenburg stehen Unbt acht aufs ber<br />

Schweben contenance haben, aufs baS Sie nicht in Rotsten unb Jübtlanbt<br />

mit Jhrer Arme'e gingen"; so schrieb er in einem Aufsatze während<br />

ber Reise von Schweinfurt nach Eleve nieber; einem Treffen in offener<br />

Felbschlacht war er abgeneigt; „Wann man aber bestenbtg barauff verharrte,<br />

baS man suchen sollte, bie Schweben zur batallie ^u bringen, So<br />

ist solches unmuglich in Pommern zu thun." Sein Vorschlag geht alsdann<br />

') Die dänischen Verhältnisse fdn'lbert unS eingehend Puf. XIII. § 42-45,<br />

ber bk Relationen Branbt'S benutzt hat; vgl. ferner Basnage a. a. D. II. pg. 598;<br />

Gebharbi: Geschichte ber Königreiche Dänemarc! und (Schweben, Halle 1770,11 pg. 2113.<br />

EarlSon a. a. O. IV. pg. 598 ff.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 9<br />

dahin, daß die dänische g-lotte sich deS Forts Walfisch bei WiSmar,<br />

welches die Einfahrt in den H a fen betlt, bemächtigen solle, um ihnen die<br />

Möglichkeit eines Entsatzes von <strong>der</strong> See her abzuschneiden, während er<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> Dänen alsdann WiSmar selbst belagern und erobern<br />

wollte. „So ist gewiS, das Sie suchen werden selbige zu entsetzen, da eS<br />

ban gewiS zur Haubtaction gelangen wirbt." Fürst Anhalt mit dem Rest<br />

<strong>der</strong> brandenburgischen Truppen und den Kaiserlichen sott sich vorläufig<br />

defensiv verhalten, bis man sieht, wohin sich die Schweden wenden; später<br />

könnten sie einen Ort in Pommern belagern, üfticht weniger als 90 000<br />

Mann kamen nach seiner Berechnung gegen Schweden $vn Verwendung,<br />

24000 Mann in Bremen-Verben, 16000 in Pommern, 32000 in<br />

Mecklenburg und 18000 in Schonen. *) Also äußerste Vorficht in ben Operationen.<br />

Der Kurfürst hielt baS schwebische Heer für einen Gegner, bem man nur<br />

unter Aufbietung aller Mittel beifommen könne. Vor Allem wiberstrebte<br />

er einer Aktion in Pommern, gab jeboch schließlich Oranien seine Z u '<br />

stimmung, allein nur ungern, benn „bie difficultäten, so ba sein", heißt<br />

eS in einem zweiten Aufsatz beS Kurfürsten, ber gleich nach ben Elever<br />

Verhanblungen von ihm niebergeschrieben ist, 2 ) „wan in Pommern bie<br />

Schweben angegriffen werben solten, bestehen hirauf, 1. baS alba nichts<br />

ZU leben sey, bavon bie Armee supsistiren kan, 2. baS eine unmuglichkeitt<br />

sey in Vor Pommern zu kummen, wan sich bie Schweben barin postiren,<br />

wegen beS morasses bey Damgartten unb TribseS, welches bis ahn<br />

Demmin gehet, 3. baS man Demmin nicht belagern ober attakiren kau,<br />

man habe ba ben paS; welches aber nicht geschehen kau, wan selber<br />

defendirt wirbt; Gallas habe mitt 40000 Man Kayferlichen Völkern<br />

solche werd nehmen wollen, bie Schweben hetten bamals nur 12 000 Man<br />

gehabt unb solches verl)inbert". Da trat jene Verzögerung unb saumselige<br />

Haltung ber verbünbeten Mächte ein, unb währenb bieser Zeit Vollzieht<br />

sich im Kurfürsten eine gewaltige Umwanblung in seinen Anschauungen<br />

über bie gegen Schweben anzuwenbenbe Strategie. Will keiner ihm helfen,<br />

so muß er sich selber helfen; eS gelingt ihm, bie Schweben aus seinen<br />

Landen zu verjagen; ein weit überlegener, von ihm hoch geschätzter Gegner<br />

hat chm weichen müssen. Die vorsichtige, jebe Möglichkeit bebenklich abwägenbe<br />

Haltung macht einem schnellen, offensiven Vorgehen Platz; er will<br />

keinen Augenblick unbenutzt vorübergehen lassen unb ben Feind in feinem<br />

sichersten Schlupfwinkel, in Pommern selbst aufsuchen, vorher jeboch noch<br />

WiSmar in feine Gewalt bringen, um eS bei einem etwaigen FriebenS*<br />

fchluß gegen Stettin austauschen zu können. Er beutet bieS Unternehmen<br />

in einem Briefe an ben Kaiser vom 22. Juli an, wenn er schreibt: „Dann<br />

*) AuS einem eigenhändigen Aufsatze beS Kurfürsten im G. St., ben er Vor<br />

ber Zusammenkunft mit Oranien Verfaßt hatte.<br />

2 ) Ebenfalls im G. St.


10 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in pommern 1675—1677.<br />

sobald! selbige (Er. K. M.Truppen) nebst, denen schweren Stücken bei mir<br />

anlangen und die dänischen und holländischen flotten sich in See präfentiren<br />

werden, will ich suchen einen o<strong>der</strong> den an<strong>der</strong>n importanten Ort<br />

wegzunehmen." *)<br />

Jn diesem Vorhaben wurde er um so mehr bestärkt, als er die<br />

Hoffnung hegte, baß gemäß dem im Haag verabredeten Kriegsplan die vereinigte<br />

holländische und dänische Flotte spätestens Ende Juli in <strong>der</strong> Oftsee erscheinen<br />

werde, um ihn bei seinem Unternehmen zu unterstützen. Trotzdem<br />

nun we<strong>der</strong> die holländische noch die dänische Flotte in Sicht kam, beharrte<br />

er doch darauf, gegen WiSmar einen Versuch ^n wagen, wenn er nur Von<br />

<strong>der</strong> dänischen Jnfanterie Unterstützung erhielt. Allein in Dänemark war<br />

man mit einer Belagerung WiSmarS durch die Brandenburger überhaupt<br />

nicht einverstanden, „1. wegen deS festen of)rtteS, 2. das sie selbigen<br />

Zur See nicht Woll beschließen kuntten, 3. so wer schon ein securs danein<br />

gekommen, 4. so ist die beste Zeit <strong>der</strong> Belagerung Vorbey." 2 ) Die<br />

dänischen Generale besorgten, daß das Lanbrjeer aufgerieben Werden könnte.<br />

Die Hauptursache jedoch, weswegen Christian V. einer Belagerung WismarS<br />

durch die Brandenburger sich wi<strong>der</strong>fetzte, war politischer Statur. Er<br />

befürchtete, daß, wenn <strong>der</strong> Kurfürst diese Festung wirklich in feine Gewalt<br />

bringe, er sie den Dänen nicht überlassen würbe. Und gerade auf WiSmar<br />

hatte <strong>der</strong> König fein Augenmerk gerichtet. 5 ) Von beiden Seiten wurde<br />

die politische und maritime Bedeutung dieser Stadt hochgeschätzt. Jn<br />

folgen<strong>der</strong> Weise spricht Brandt in seiner Relation Vom 20. Juli über<br />

die Bebeutung <strong>der</strong> Stadt: ES ist ein stattlicher Ort wegen feiner Lage<br />

und seines Handels, sehr dienlich zur Behauptung des H er Z 0 9thumS<br />

Mecklenburg, wenn bort einmal eine Vakanz entstehen möchte; jeben Augenblick<br />

könne eS <strong>der</strong> Kurfürst mit Vortheil an Dänemark überlassen; wenn<br />

eS in Pommern nicht so ganz glücklich geht, kann er mit Schweben selbst<br />

barauf gegen ein in Pommern gut gelegenes Stück Lanb hanbeln, „unbt<br />

es i^t wohl keine Frage, daß die Stadt besser bei Schweden als bet<br />

Dennemanf ist, zumal dies, wenn eS in diesem Kriege glücklich fein sollte,<br />

Viel formidabler als jemals fein wirdt."<br />

Um nun wenigstens den Fortgang <strong>der</strong> weiteren Operationen mit<br />

dem Kurfürsten zu verabreden, schickte Christian V. auf dessen Anregung<br />

hin einen feiner Generäle, Gustav Adolf Baudiß, in das brandenburgifche<br />

Hauptquartier. Am 27. Juli wurde zwischen Friedrich Wilhelm, Baudiß,<br />

Derffliuger und dem Gefjeimrathe V. d. Knefebetf eine Konferenz abgehalten.<br />

Der Kurfürst trat jetzt nicht nur für eine strategische Offensive, fon<strong>der</strong>n<br />

! ) Jm U. u. A. XIV pg. 838 f. mitgetheilt.<br />

2 ) „WaS mitt dem Kayferlichen General Koppen morgen zu reben seyn<br />

werben", eigenhändige Jnftruktion b. Kurs, für einen Offizier anfanQS August<br />

im G. St.<br />

3 ) Relationen Branbt'S vom 8./18. Juli, 17./27. Juli.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 11<br />

auch für eine taktische ein; er entwickelte feine Pläne dahin, z u gleicher<br />

Zeit Rügen, Wolltn unb Usedom durch die vereinigte Ijottftnbifdj*<br />

dänische flotte anzugreifen, zugleich die dänische und ^randenburgifche<br />

Armee zwischen Damgarten, Demmin und Anflam einrüden ^n lassen,<br />

dann daS platte Land zu verwüsten, wenn man vor dem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n<br />

festen Orte nichts ausrichten könne, und Wolgast zu Lande und zu Wasser<br />

Zu belagern. Gerade die Stellung, welche er für uneinnehmbar hielt,<br />

wurde znm Angriffspunkte ausgewählt. 1 ) Er mußte sich dem Willen<br />

Dänemarks fügen; die Unternehmung auf WtSmar war damit definitiv<br />

aufgegeben. Um ihm die Z u fuhr z u erleichtern, bot <strong>der</strong> Kurfürst Christian V.<br />

noch Warnemünde und daS Fürstentum Rügen ohne die Theile des Festlandes<br />

an, welche früher dazu gehört hatten. Trotzdem zögerte er noch<br />

immer. Am 6. August wurde dem branbenburgtschen Gesandten vom<br />

König mitgetheilt, daß die flotte nächstens auslaufen werde, doch verging<br />

noch fast ein Voller Monat, ehe eS dazu kam, in Folge <strong>der</strong> Nachlässigkeit,<br />

mit <strong>der</strong> man die Z ur üstungen zur See betrieb. Offenbar hatten die<br />

Offiziere ihre Schuldigkeit nicht gethan. ES fehlte an den nöthigen AuSrüstungSgegenftändcn<br />

<strong>der</strong> Schiffe, an Segeln, Tauen und Ankern, die erst<br />

von <strong>der</strong> holländischen Flotte mitgebracht wurden; auch an Bootsleuten unb<br />

Seeoffizieren war Mangel. Schon am 16. Juli liefen 6 holländische<br />

Kriegsschiffe im Sund ein, trotzdem verstrich Woche auf Woche, ehe die<br />

bänische Flotte in See stach- Am 24. August konnte Branbt enblich seinem<br />

Herrn melben, baß sie bie Anker gelichtet habe. 2 )<br />

Erst am 30. August begab sich Christian V. Von Kopenhagen nach<br />

Holstein; zugleich erhielten bie Regimenter Befehl, sich zum Einmarsch nach<br />

Mecklenburg bereit zu halten. Enblich am 3. September erklärte Dänemark<br />

an Schweben offiziell ben Krieg.<br />

Durch seine Stellung bei Schwaan hatte Friebrich Wilhelm bie<br />

schwebischen Besitzungen in Deutschlanb von einanber getrennt, auf ber<br />

einen Seite Pommern, auf ber anbern WtSmar unb Bremen-Verben;<br />

eine Kommunikation ztoisdjen beiben, eine etwaige Verstärkung Von hüben<br />

nach brüben würbe, wie ber Kurfürst an ben Grafen Montecuculi schrieb, 3 )<br />

burch sie unmöglich gemacht. Der rechte Flügel <strong>der</strong> branbenburgischen<br />

Armee, an ber sich bie Kaiserlichen anschloffen, reichte bis Güstrow, befsen<br />

Schloß mit einer starken Besatzung belegt würbe, um biesem Flügel als<br />

Stützpunkt zu bienen. DaS eigentliche Eentrum ber Armee nebst betn<br />

! ) Einen Extractus Protocolli dieser Konferenz finden wir int G. St., dazu<br />

jene Jnftruktion für die Unterredung mit ©ob. Puf. XIII. § 43 u. 44 irrt in <strong>der</strong><br />

Angabe, daß <strong>der</strong> Beschluß, Pommern anzugreifen, erst in Kopenhagen zu ©tande<br />

gekommen fei; er ist dort nur gebilligt.<br />

2 ) Ueber daS weitere Zögern Dänemarks Vgl. d. Relationen Brandt'S.<br />

3 ) Jm K. A. in Berlin in Eonc, d. b. ©chftman 20./30. August, ebenso<br />

U. u. A. XIV. pg. 838, d. Kurs. a. b. Kaiser, Süfeoto 12./22. Juli.


12 ^)it Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Hauptquartier befand sich in Schwaan. Dem linken Flügel kam die Aufgabe<br />

zu, als ObfervattonSforpS gegen WiSmar zu dienen. Der Zustand<br />

<strong>der</strong> branbenburgifchen Armee war recht ungünstig. Z^ar hatte <strong>der</strong> H er Z°g<br />

Gustav Adolf von Mecflenburg-Güstrow dem Kurfürsten versprochen, <strong>der</strong><br />

Armee so viel an Proviant und Unterhalt zu gewähren, als fein Land<br />

leisten könne. Dafür hatte ihm dieser Schonung seiner Lande, gute Disciplin<br />

und Baarbezarjlung <strong>der</strong> verabfolgten Lieferungen zugesagt. Allein wie bald<br />

war ein so kleines Gebiet Von einer Armee von 18000 Mann, wozu im<br />

August noch jene 5000 Kaiserliche stießen,, ausgesogen, so baß eS oftmals<br />

Zu Ermessen uno Ausschreitungen kam, und dies um so mehr, als <strong>der</strong><br />

Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg-Schwerin, <strong>der</strong> sich in Paris<br />

aufhielt, ein geheimer Parteigänger Ludwigs XIV. war. Ein Abgesandter<br />

nach dem an<strong>der</strong>n wurde von den beiden Regierungen an Friedrich Wilhelm<br />

gesandt, um Schonung für die Lande zu erbitten. 1 ) Doch woher sollte<br />

bieser den Unterhalt für sein Heer nehmen? Seine eigenen Kassen waren<br />

erschöpft, seine Lande von den Schweden so arg mitgenommen, baß er Von<br />

hier keinen Unterhalt beziehen konnte, unb die Subsibien Von Hoöanb unb<br />

Spanten blieben auS; bitttv beklagte er sich bei Oranien barüber: „Jch<br />

stehe alfjier mit nicht geringer ruinirung ber Armee, erwartenbt ber Königlichen<br />

Däfmischen Völcfer; sobalbt selbige kommen, werben Wir Unser<br />

dessein zu Vollführen suchen; Jmnittelst leide Jch allster große 9^oth, weil<br />

die subsidien nicht folgen, unbt besorge also eine rebellion, wie Jch bann<br />

schon etliche beßwegen hab rjenefen lassen, benn Von ber Lufft kau mann<br />

nicht leben. ... Die ^otfj ist fel)r groß, Credit kau Man alljter nicht<br />

machen." 2 ) Alle Klagen blieben oljne Erfolg, mit ilngebulb erwartete<br />

man bie bänischen Truppen. Unb in einer solchen Lage, wo feine eigenen<br />

Ausfichten auf Entfchäbigung für erlittene Unbill trotz feines glänzenben<br />

Sieges tu weite Ferne gerückt waren, hielt ein Mann wie H er Z°9 Ehristian<br />

Lubwig bei ihm um Satisfaktion „in ber nefje ober anberer ohrten" an; 3 )<br />

augenscheinlich trachtete er nach nichts Geringerem, als bem Befife von<br />

WiSmar. Wie mochte ber Kurfürst seinen BunbeSgenossen zürnen, wenn<br />

er sein tapferes Heer hier unthätig zum Theil in befreunbetem Lanbe liegen,<br />

es auSplünbern unb aussaugen unb babei bem sichern Ruin entgegengehen<br />

sah z u einer Zeit, wo er ben Feinb in Pommern längst hätte aufsuchen<br />

können. Von größeren Unternehmungen war hier in Medienburg nicht<br />

*) Ueber bie ©tandquartiere in Mecklenburg vgl. Tagebuch beS Herrn V. Buch<br />

(RäfyereS barüber (£. 15 u. 16 Anm. 2), unb ben Briefwechsel Fnebrich Wilhelms mit ben<br />

merflenb. Herzogen im Gr. St.: „Verlauf mit denen Herren Herzogen zu Medtlen=<br />

bürg unter wehrendem Kriege mitt ber Eljron Schweben."<br />

a ) Friebrich Wilhelm an Oranien im G. St. als Sopie, unbattrt. AuS ber<br />

Bemerkung, ber Kurs, gedenkt morgen nach Gabebusch zu reisen, ergtebt sich ber 11.<br />

September.<br />

3 ) Christian Ludwig a. Friedrich Wilhelm d. d. Paris 6./16. (September.


Die Felbzüge be§ großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 13<br />

die Rede, in täglichen kleinen Plänkeleien und Scharmützeln des linken<br />

Flügels mit den Besatzungstruppen von WtSmar suchte einer dem an<strong>der</strong>n<br />

möglichst viel Beute abzujagen, um damit für den Unterhalt <strong>der</strong> Truppen<br />

Sorge zu tragen. Von eben diesem Flügel wurde auch Warnemünde<br />

genommen. Daselbst befanden sich nur 40 Mann Besatzung zur Eintreibung<br />

des SchiffSzolleS. Mit Znrücflaffung Von 8 starken Geschützen verließen sie<br />

bei <strong>der</strong> ersten Annäherung brandenburgischer Truppen die Stadt und begaben<br />

sich nach WiSmar. Dieser Hafen konnte nunmehr <strong>der</strong> Flotte als Zufluchtsort<br />

dienen; bald darauf, am 13. September, wurde auch die Jnsel Poel<br />

Von dem Generalmajor Sifort besetzt, die an <strong>der</strong> Ostseite <strong>der</strong> WiSmar'schen<br />

Bucht gelegen, die «Kornkammer <strong>der</strong> Festung bildete. Christian V. rückte<br />

mit einem H ee r von 16—18000 Mann und 40 Geschützen unter dem<br />

Kommando deS Generals Weiher über OldeSloe nach Gadebufch vor, wo<br />

er am 14. September mit Friedrich Wilhelm zusammentraf und obigen<br />

Kriegsplan billigte, obwohl er nun gern erst WiSmar in feine Gewalt<br />

gebracht hätte. Die Beschaffenheit <strong>der</strong> dänischen Armee war gut; „le roi,"<br />

so äußert sich v. Buch, <strong>der</strong> Reisebegleiter beS Kurfürsten, „nous mena par<br />

apres voir toute sou armee qui estoit bien leste et bienque leur infanterie<br />

n'approchoit point le nostre, leur cavallerie estant asses bonne." üftach<br />

dieser Revue kehrte Friedrich Wilhelm in fein Hauptquartier zurück und<br />

am 25. September kam nach dem weiteren Vormarsch <strong>der</strong> dänischen Armee<br />

zwischen beiden Fürsten ein Vertrag zu Doberan bei Rostock zu Stande,<br />

durch den sie sich verpflichteten, fest gegen Schweden und dessen Adhärenten<br />

bis zu ihrer bei<strong>der</strong>seitigen völligen Satisfaktion zusammenzuhalten. Sie<br />

verhießen, nicht eher in einen Frieden einzuwilligen, als bis Dänemark<br />

Schonen, Blekingen uud Halland, Provinzen, die es 1658 im Frieden zu<br />

RöSkilde an Schweden hatte abtreten müssen, wie<strong>der</strong>erhalten und Schwedens<br />

Sundzollfreiheit aufgehört hat, bis an<strong>der</strong>erseits dem Kurfürsten das Herzog*<br />

thum Vorpommern nebst den von Hinterpommern abgerissenen Stücken<br />

cedirt werde. Dabei verpflichtet sich dieser, dem König von Dänemark<br />

WiSmar, Rügen und Dependentien z u überlassen; <strong>der</strong> Rüden, die Oie,<br />

Stralsund und <strong>der</strong> H°lm sollten jedoch Brandenburg zukommen. Dieser<br />

Vertrag ztoifäen beiden Staaten bezeichnete ihr entgültiges Znsammengehen<br />

bis zn dem Augenblick, wo Schweden seiner Suprematie an <strong>der</strong><br />

Ostfee und in dem nordischen Staatenfystem enthoben war. 1 )<br />

Sfjristian V. behauptete durch seine Flotte immer ein Uebergewicht<br />

über Brandenburg; im Laufe <strong>der</strong> diplomatischen Verhandlungen ist dies<br />

trefflich von ihm ausgenutzt worden; ein Stück nach dem an<strong>der</strong>n hat er<br />

dem Kurfürsten abgerungen. Zuerst sollte Dänemark nur an <strong>der</strong> Nordsee<br />

seine Entschädigungen suchen, dann wurde ihm, um die Hilfe zu beschleunigen,<br />

Warnemünde und Rügen angeboten, und endlich erhielt er WiSmar und<br />

*) Pnf. XHL § 45 u. V. Mörner a. a. O. pg. 387.


14 Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Rügen, z^ei <strong>der</strong> wichtigsten strategischen Punkte an <strong>der</strong> deutschen Ostseeküste.<br />

Die For<strong>der</strong>ungen, welche <strong>der</strong> dänische Gesandte tut Haag gleich<br />

gestellt hatte, wurden ihm schließlich auch gewährt. Notgedrungen hatte<br />

Friedrich Wilhelm Schritt für Schritt zurückweichen müssen; er füljlte sich<br />

auf dem nordischen Kriegsschauplatz nicht als Herr <strong>der</strong> politischen und<br />

militärischen Lage; nie uud nimmer hätte er sich WiSmar und Rügen<br />

abringen lassen. Militärisch war dies Zau<strong>der</strong>n Dänemarks ein großer<br />

Fehler; indem es zuviel von <strong>der</strong> Beute für sich in Anspruch nahm, zu<br />

sehr nur feine territorialen Jntereffen Vorwiegen ließ, wurde <strong>der</strong> nordische<br />

Krieg in die Länge gezogen. Schweden erhielt Zeit, in den Hauptplätzen<br />

von Pommern sich auf das beste zu verproviantiren und die Verbindung<br />

mit Hamburg aufrecht zu erhalten. l ) Diese Schuld trifft ebenso fefjr die<br />

übrigen Verbündeten. Brandenburg allein wollte sofort losschlagen, auch<br />

nur in eigenem Jnteresse, aber eS entsprach dem allgemeinen.<br />

Ende September vereinigten sich die beiden Heere mit einan<strong>der</strong>.<br />

WiSmar wurde am 4. Oktober von den Dänen unter Generalmajor<br />

Sandberg mit 5000 Mann, 3000 Reitern und Dragonern nebst 2000<br />

Mann Jnfanterie, blodirt, welche Ausfälle aus <strong>der</strong> Festung verhüten und<br />

zugleich die Verbindung mit Bremen-Verden nebst Hamburg und %übtd<br />

aufrecht erhalten sollten. *) Alle Beschwerden <strong>der</strong> schwerinschen Regierung,<br />

welche die Verpflegung dieser Truppen übernehmen mußte, fruchteten nichts.<br />

Ein Vorschlag <strong>der</strong> Verbündeten an die Stadt, die schwedische Besatzung<br />

freiwillig zu entlassen, wofür sie die ^itijtt einer freien Reichsstadt empfangen<br />

sollte, wurde Verworfen, so daß auch auf <strong>der</strong> Jnsel Poel noch ein<br />

ObservationSkorpS von 2000 Mann brandenburgifcher Truppen zurückgelassen<br />

werden mußte, um eine Verbindung <strong>der</strong> schwedischen flotte mit<br />

WiSmar zu verhin<strong>der</strong>n. Die übrigen Truppen rückten <strong>der</strong> vorpommerschen<br />

Grenze ^n. Die Dänen auf dem linken Flügel über Rostock, das am<br />

9. Oktober Von dem General ArenSborf befetzt wurde, an <strong>der</strong> ^n\U entlaug<br />

nach Damgarten, die Brandenburger auf dem rechten Fl u 9 e t über Grabow,<br />

l ) Vgl. U. u. A. XIV pg. 837: D. Kurs. a. b. Kaiser d. d. Perteberg,<br />

7' ^uü ; pg. 841: ebenso d. d. ©chwaan, 12./21. August; pg. 843: ebenso<br />

28. August<br />

7. (September 75 '<br />

2 ) Außer diesen 5000 Mann sind Vom baltischen Heer noch 3000 unter betn<br />

General Baubiß nach Bremen abbetachirt worben, Vgl. „Tageregister über beS<br />

allerburchlauchtiöften Königs unb Herrn Christian V. Königs zu Dannemarck a>r=<br />

ttmrbiöfte RegierunöSßeSchichte" Kopenhagen 1701 unter 1675 Sept. 15. Die Dänen<br />

Sinb also 8—10000 Mann stark in Pommern eingefallen. Woher DroySen a.a.O.<br />

pg. 357 die Rachricht hat, baß vom banifchen Lanbljeer bie kleinere Hälfte über<br />

hevanmarfchivt, &je größere über bie Elbe gegangen fei, ist nicht ersichtlich.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 15<br />

Stavenhagen, Jvenad nach Wildberg in Pommern, x ) wo sie am 6. Oktober<br />

anlangten, die Kaiserlichen mit 2 branbenburgtschen Regimentern im<br />

Centrum auf TribfeeS zu. 2 )<br />

*) Die Marschroute Von (Scfjwaan bis nach Wilbberg war nach Buch fofc<br />

genbe: 30. September Aufbruch von ©chwaan nach Lüffow, 1. Oktober nach<br />

Grabow, von bort am 3. früh nach Grubem>gen, über Denzin am 4. AbenbS nach<br />

(Stavenhageu, am 6 früh nach Jüenack, AbenbS nach Wilbberg.<br />

2 ) Von ben gleichzeitigen Darstellungen, hit gugtetd^ als Quellen verwanbt<br />

werben müssen, feien In'er im Zusammenhang folgenbe erwähnt: 1. Diarium Europaeum<br />

XXXII. Frankfurt a. M. 1676: 1675 Januar — 1675 (September.<br />

XXXIII., 1676: 1675 Oktober - 1676 Juni; XXXIV., 1677: 1676 Juli —<br />

1677 Februar. 2. Valckenier: DeS Verwirrten Europae Continuation II.<br />

Amfterbam 1680 u. III. 1683. — 3. Theatrum Europaeum XI. Frankfurt a. M.<br />

1682. - 4. DeS Rorbifchen KtiegeS Erster Theil, Nürnberg, L. Lofchße 1679. —<br />

5. Peter Rubolphi: Der Pontmerfche Greifs, britter Theil 1697, ungebrucft, ein<br />

Manuskript in Folio in ber Oelrichichen (Sammlung ber Bibliothek beS JoachimS=<br />

tischen Gymnasiums in Berlin unter Rr. 52. — 6. Johann MagiruS: DeS<br />

Durchlauchtigsten . . $nxn Frtebrich Wilhelmen, Marggrafen zu Branbenburg<br />

Vom Jahr 1670 biß 1680 verrichteten Unvergleichlichen Helbentljaten Kurtze Be=<br />

fchreibung, 1682, ungebruckt; baS Manuskript in ber (Sammlung ber Mns. Boruss.<br />

fol. 99 auf ber Königlichen Bibliothek in Berlin. - 7. Pufendorf (ügl. Anm. 2). -<br />

8. Basnage (vgl. @. 7 Aum. 1). — lieber bie Darstellungen ber Belagerung Von<br />

(Stettin 1677 vgl. Betlage III. 1.<br />

Die 3 querst genannten ftnb Berichterstattungen über bie jährlich sich ereig=<br />

nenben wichtigsten militärischen unb politischen Begebenheiten, bie sie ihrer Leserwelt<br />

mittheilen wollen. Die Rachrichten, bk sie bringen, setzen sich zusammen auS<br />

Zeitungen, Berichten unb Briefen, bie sie von ben üerfchtebenen Parteien empfangen<br />

haben; bazu kommen eine Reilje von Erlassen unb Patenten, Akkorden unb Vertragen,<br />

Welche sie wörtlich ober int AuSzug mittheilen; schließlich werben gleichzeitige Flug=<br />

fchriften Verwerthet uub zum Theil, befonberS im Diar. Eur., wörtlich mitgetheilt.<br />

(So kann man sie als einfach referirenbe Geschichtsschreibung betrachten. Einen<br />

ähnlichen Charakter tragen auch bie unter Rr. 4 unb 5 genannten. Die wichtigsten<br />

ftnb für unS baS Diar. Eur. unb ber pomnt. Greif; ersterer wegen feiner gleich*<br />

zeitigen Berichterstattung, letzterer burch feine chronologische Zusammenstellung ber<br />

auf bie pommerfchen Verhältnisse bezugl)abenben Ereignisse. Wesentlich anberer<br />

Ratur ist MagiruS. Er gehört in bie Reihe ber pragmatischen Geschichtsschreiber;<br />

auSbrückltch bemerkt er in ber Vorrebe: „WaS Ewre K^urfürftliche Durchläuchtigkeit<br />

in letzterem zwischen Frankreich unb HoHanbt entstanbenem . . . Krieg, preiSwürbigft<br />

Veanchtet . . ., baß tlnte ich vermittelst beygefyenber Gefchicht, ber Posterität zum<br />

nütz unb besten, benen burchläuchtigften Nachfolgern an ber K^ur zum Muster unbt<br />

amulation unb Ew. Khurfürstl. Durchl. zum immerwä^renben lob ausbreiten unbt<br />

bekanb machen." Reue Aufschlüsse auS ben ihm zugänglichen Aktenstücken giebt er<br />

unS nicht. Puf. kommt für unS erst als Quelle 2. Ranges in Betracht, weil feine<br />

Darstellung ber militärischen Begebenheiten meistens eine bloße Uebersetzung beS<br />

Theatr. Eur. ist, Basnage enblich giebt unS einen anschaulichen, auf t)k 3 ersten<br />

Quellen zurückge^enben Bericht ber pommerfchen Kämpfe.<br />

Wichtiger jeboch als alle btefe Quellen ist für unS baS Tagebuch Dietrich<br />


16 Die Felbzüge beS ßroßen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Es galt die schwedische DefenfionSstetlung an <strong>der</strong> RecEnitz, Trebel<br />

und Peene zu nehmen.<br />

Vgl. H- Kamieth: AuS dem 'itbm beS Kurbrb. Generalmajors Joachim Hennings<br />

V. Treffenfelb, Wifsensch. Beilage %u?n Proöramnt beS Luifenstädt. Gymn. zu Berlin,<br />

Ostern 1887 pg. 14 ff. Daß wir ihn in die eigentlichen OperattonSpläne und bie<br />

Bewegungen <strong>der</strong> Armee nicht eingeweiht finben, barf unS kern Wunber nehmen, ba<br />

er nicht zu ben Heerführern unb militärischen Vertrauten beS Kurfürsten jaulte.<br />

Ueber sie finben wir nur in ben Jnttektionen unb Befehlen Friebrich Wilhelms an<br />

feine Generäle Aufschluß, welche un£ als Ueberreste ber Hanblungen selbst, also als<br />

primäre Quellen ber wichtigsten Art erhalten ftnb. Von neueren Darstellungen<br />

feien erwähnt: V. Drlich: Geschichte "beS preuß. ©taateS im 17. Ja^rl). II. Berlin<br />

1838, pg. 193 ff- u. V. Probst (Vßl An;m. 1); Droyfen, Ranke, ErbmannSbörffer geben<br />

über biefe Operationen nur wenig.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 17<br />

tyormcrsd) ber tyertmttöetett nad) sommern,<br />

bt& Kurfürsten mt& seine ^luöfu^rung 1675.<br />

Während Friedrich Wilhelm mit dem GroS seiner Armee die feinbliche<br />

Position in Pommern anzugreifen beschloß, galt eS zu gleicher Zeit<br />

die eigenen Lande gegen feindliche Einfälle sicher zu stellen. Freilich von<br />

größeren Jnvasionen <strong>der</strong> Schweden sonnte nach ihrem Rückzug aus den<br />

Marken und ihrer Verfolgung durch den Kurfürsten nicht mehr die Rede<br />

sein. Um so mehr waren kleinere Streifzüge <strong>der</strong> benachbarten Garnisonen,<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Von Stettin, in die kurfürstlichen Lande zu befürchten, die<br />

dem platten Lande empfindlichen Schaden zufügten; mußten jene doch<br />

darauf bedacht fein, die Festung, so gut eS ging, z u verproviantiren, um<br />

einer eventuellen Belagerung ruhig entgegensehen zu können. Die Stellung<br />

<strong>der</strong> schwedischen Macht war eine außerordentlich günstige. Durch die Straße<br />

von Stettin über die Ober nach Damm, daS ja durch den Stetttner Receß<br />

Von 1653 ebenfalls in schwedischem Besitz war, beherrschten sie den Z u 9 a ng<br />

von Vorpommern nach Hinterpommern; eS war ihnen ein leichtes, bie<br />

nächstliegenben Aemter des branbenburgifchen Pommerns mit iljrer Reiterei<br />

Zu überziehen uub unter Kontribution zn fetzen. Der Eingang nach ber<br />

Mark staub ihnen offen burch ben Besitz ber beiben Oberpäfse Garz unb<br />

Greifenhagen unb beS festen Schlosses Löcknitz, baS überbieS noch bie Straße<br />

von Stettin nach Lübeck über Sfteubranbenburg sperrte. Die Uckermark unb<br />

bie Sfteumark würben von hier aus arg heimgesucht. Diese 3 Gebiete galt<br />

eS vor Allem ^n sichern. Zunächst erreichte er bieS burch eine angemessene<br />

Dislokation ber ihm zur Verfügung stefjenben FeftungStruppeu; bie Besatzung<br />

war an jenen bebrof)ten Orten befonberS stark. Die übrigen Theile ber<br />

Mark würben von Truppen ziemlich entblößt, weil bie Hauptarmee sie<br />

btdtt. Allein biese Maßregeln genügten noch nicht, um ben Kontributionen<br />

völlig ein Ziel zu fetzen. BefonberS bie üfteumark hat barunter gelitten;<br />

Gewaltthätigkeiten blieben nicht aus. Schon jene 1800 Mann Jnfanterie,<br />

welche ber Generalmajor V. Sommerfelb bem Kurfürsten gleich nach ber<br />

Schlacht bei Fehrbeltin zugeführt hatte, schickte er aus biefem Gruube auf<br />

Wunsch beS GeneralfelbzeugmeisterS Grafen Christoph ö. Dohna in Küstrin<br />

Satttfdje ©tubtcn 91. §. I. 2<br />

i


18 Die FelbzÜQe beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

wie<strong>der</strong> zurück. Kurz darauf befahl er Johann Georg von Anhalt, dem<br />

Statthalter <strong>der</strong> Marken, und dem Generalmajor BogtSlav V. Schwerin,<br />

<strong>der</strong> an ber Spitze <strong>der</strong> hinterpommerfchen Regierung stand, daS Aufgebot<br />

<strong>der</strong> Lanbmiliz aufzubringen und mit den zur Verfügung stehenden Truppen<br />

die Grenzen z u bewachen. Dem H er zog *>• ®roy, dem Statthalter von<br />

Preußen, würbe ber Befehl gesanbt, bie preußische Kavallerie unb die betten<br />

Dragonerregimenter H^nborf und Schlieben, welche an dem F^zuge<br />

ber Polen gegen bie Türken theilgenommen hatten, ohne Verzug nach<br />

Branbenburg unb Hinterpommern abgehen zn lassen; auch sie sollten zur<br />

Vertljeibigung unb Sicherung ber Grenzen verwanbt werben. Trotzbem<br />

nahmen in ben kommenben Flügen bie Streifzüge ber Schweben kein<br />

Enbe. Selbst als bie Branbenburger auch hier offensiv Vorgingen unb gttjet<br />

wichtige Stellungen ber Feinbe eroberten, gelang eS kühnen unb verwegenen<br />

Reiterführern immer wieber, bie Sitttt ber branbenburgischen Truppen zu<br />

burchbrechen unb Stettin von feuern zu versorgen. 1 )<br />

S^achbem also bie schwebische Hauptarmee ihre Stellung bei Wittstocf<br />

verlassen unb burch Mecklenburg hindurch sich nach Vorpommern zurückgezogen<br />

hatte, vereinigte sie sich wieber mit ben Truppen beS Felbmarschalls<br />

unb bezog bei Demmin ein wohlbefestigtes, starkes Lager. Die Peene, Trebel<br />

unb Tollenfe, welche hier zusammenfließen, sowie Sümpfe nnb Moräste,<br />

welche bie Ufer bieser Flnsse umgeben, machten eS nur an wenigen Stellen<br />

zugänglich; außerbem war eS burch 5 ober 6 Rebouten geschützt unb konnte<br />

einem etwaigen Angriff beS FeinbeS wirksam mit Artillerie- unb Jnfanteriefeuer<br />

begegnen. Allein immer stärker zeigte sich beim schwebischen Heer ber<br />

bemoralisirenbe Einfluß ber üftteberlage Von F e h r bellin. Die Desertionen<br />

bauerten fort unb mehrten sich noch beson<strong>der</strong>s unter den Deutschen, auch<br />

die Offiziere wurden davon ergriffen, eS fehlte an Geld, um irjnen ben<br />

Sold auszuzahlen und sie zufrieden zu stellen. Einzelne Banden hausten<br />

in dem eigenen Land, als wäre es Feindes Land. Die Offiziere besaßen<br />

nicht den Muth o<strong>der</strong> den Willen, diesem Unwesen zu steuern. Jetzt zeigte<br />

eS sich, wie unvorsichtig man einen Krieg auf sich geladen hatte, ohne die<br />

nöthigen Vorkehrungen für den Faß einer Nie<strong>der</strong>lage zu treffen. Trotzdem<br />

das Land so viel als möglich zum Unterhalt des Heeres betsteuerte, trotzdem<br />

von %übtd und Hamburg <strong>der</strong> Verproviantirung <strong>der</strong> festen Plätze möglichst<br />

Vorschub geleistet und sie durch schwedische Kaper in <strong>der</strong> Ostsee unterstützt<br />

wurde, herrschte doch bald Mangel, beson<strong>der</strong>s an Getreide und Salz-<br />

Magazine hatte man nicht errichtet; die schwedischen Heerführer waren sich<br />

ja chreS Sieges und ihres weiteren Vordringens in die brandenburgischen<br />

*) Ueber die VertheibigungSmaßreöeln zum Schule <strong>der</strong> Marken ößl. V. Orlich<br />

a. a. O. III. pg. 248 ff., wo bie Briefe unb Befehle b. Kurs, an Anwalt.auS bent<br />

Z. A. abgebruckt find ohne bit Beilagen, welche die Dislokation ber Truppen ent=<br />

halten; f. biefe Beilage Rr. 1, dazu die Korrespondenz b. Kurs. m. Do^na im G. St.


Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 19<br />

Lande viel zu sicher gewesen, als baß sie baran gebacht hätten. Ja man<br />

hatte sich bamit nicht begnügt, furz vorher waren noch 70000 Tonnen<br />

Getreibe aus bem schwebischen Pommern ejportirt worben. So mußte<br />

baS Heer vielfach znm RequifitionSfystem feine Z u f* U( *)t nehmen, einer<br />

Maßregel, bie bie Magazine wegen ber geringen AuSbehnung ber z u<br />

Gebote stehenben Gebiete nur in sehr unvollkommener Weise erfetzte. Von<br />

ber größten Wichtigkeit war eS, baS Heer fobalb als möglich zu reorganifiren,<br />

um es in Stanb zu fetzen, bie nächste ihm zufallenbe Aufgabe, bie Ver*<br />

theibigung beS eigenen LanbeS, erfüllen zu können. Allein baS üftächstliegenbe<br />

unb Selbstverstänbliche geschah nicht. Statt befsen tröstete man sich<br />

mit weit aussehenden Projekten, erwartete das Losschlagen deS H er Z09^ öon<br />

Hannover, um dann von feuern in brandenburgischen Gebieten Quartier<br />

Zu suchen. Die Heerführung bot ein Gegenbild zu den Verhältnissen in<br />

Schweben selbst. Der ReichSfelbherr war von vornherein gegen einen<br />

weiteren Krieg in Pommern in ber sicheren Erwartung, baß biefeS ben<br />

Feinben infolge seiner starken Festungen lange Wiberstanb leisten werbe;<br />

er beabsichtigte, bie ganze schwebische Macht gegen Dänemark zu wenben.<br />

Dieser plan war vielleicht für Schweden <strong>der</strong> bt^tt und heilsamste, allein<br />

so lange man ihn nicht durchführen konnte, mußte ber ReichSfelbherr<br />

wenigstens bafür sorgen, baß baS H eer wieber in einen leistungsfähigen<br />

Zuftanb kam. Dazu befaß ber fortwährenb Von ber Gicht geplagte, noch<br />

in feinem letzten Kriegszuge feines Feldherrnruhmes beraubte Mann nicht<br />

mehr bie erforberliche Kraft unb Energie. Wie er zu allgemeiner Verwunberung<br />

baS fltehenbc Gros ber Armee nicht in Wittstod erwartet hatte,<br />

fonbern vorausgeflohen war, so entfernte er sich jetzt vollkommen vom Heer,<br />

begab sich heimlicher Weife auf fein Gut Wrangeisburg ätmfdjen GreifSwalb<br />

unb Wolgaft unb überließ bie weitere Fürsorge für baS ihm anvertraute<br />

H e er den Feldmarschällen Otto V. KönigSmardi und Mardefelbt.<br />

Beibe weigerten sich, ben Oberbefehl anzunehmen. So herrschte allgemeine<br />

Zerfahrenheit, bis Wrangel Enbe Juli zurückkehrte. Einer suchte bem<br />

Anbern bie Schulb aufzubürben, „jeber war nur bamit beschäftigt, feine<br />

eigene Apologie zu schreiben." 1 )<br />

Das Hauptquartier des schwedischen Heeres befand sich also Anfangs<br />

Juli in Demmin; allein infolge des anhaltenden Regenwetters mußte das<br />

dortige Lager aufgegeben werben, wollte man ben Ausbruch von Krankheiten<br />

und bamit bk völlige Auflösung beS Heeres vert)inbern. Am 9. Juli wurde<br />

es nach Loitz verlegt, ebenfalls an ber Peene unweit von Demmin ström*<br />

abwärts gelegen. Hier °li e & nur baS Regiment Westermannlanb zurück<br />

unb j^tzte bie verfallenen Fortifikationen wieber in Stanb. Jm schwebifchen<br />

Hauptquartier war man ber Meinung, daß ber Kurfürst zunächst Lödnitz<br />

I'Hasfelt's an Conde, d. d. Camp de Loitz 10. Juli, Vitry's<br />

an i$S>^tg, Xl^Jd. d. Camp de Loitz 17. Juli, Eopien im K. A.<br />

2*


20 Die FelbzÜQe beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

angreifen würde, so daß sie alsdann Zeit bekämen, sich mit Hannover zu Verbinden.<br />

Allein bald sollten sie eines bessern belehrt werden. Friedrich Wilhelm<br />

richtete seinen Marsch direkt durch Mecklenburg hindurch und wartete die Ankunft<br />

des dänischen H c ereS ab, fest entschlossen, Pommern selbst anzugreifen.<br />

Von einer Verbindung mit Hannover konnte unter diesen Umständen nicht<br />

die Rede sein. So wurde noch Ende deS Monats die Hauptarmee getheilt,<br />

um die günstige Defensivstellung, welche sich Von Damgarten, <strong>der</strong> Rednitz<br />

und dann dem Laufe <strong>der</strong> Trebel folgend, über TribseeS nach Demmin und<br />

Von da längs <strong>der</strong> Peene über Loitz, Jarmen, Gutzkow, Stolpe nach Anklam<br />

Zog, zu decken. Alle diese Punkte waren wohl befestigt; schon die Beschaffenheit<br />

dieser Flüsse, die von Mooren und sumpfigen Wiesen umgeben<br />

waren, machte eS schwierig, die Schweden auS dieser vortheilhaften<br />

Stellung zu vertreiben. Die Hauptstützpunkte waren die starken Festungen<br />

Demmin und Anklam. So hatte eS Friedrich Wilhelm vor <strong>der</strong> Schlacht<br />

bei Fehrbetiin wohl mit Recht eine Unmöglichkeit genannt, nach Vorpommern<br />

hineinzukommen, wenn sich die Schweden hi er ntit einer starken Macht<br />

postirten und zur Gegenwehr fetzten. 9?och einen an<strong>der</strong>n Vortheil bot<br />

diese schwedische Stellung. Sie hielt die Verbindung zwischen Stettin und<br />

Stralfunb, den beiden Hauptplätzen des schwedischen Pommerns und gleichsam<br />

den beiden Flügeln <strong>der</strong> weit auseinan<strong>der</strong> gerissenen Stellung, aufrecht.<br />

Ende August erwartete man sicher auS Schweden eine Unterstützung Von<br />

4000 altgedienten Soldaten. Dann als diese H°ffnnng sich als<br />

trügerisch erwieS, tröstete man sich mit einer kleineren Unterstützung auS<br />

dem Bremischen in <strong>der</strong> Stärke von 2000 Mann, um jene Stellung halten<br />

ZU können; allein diesen war durch den Marsch Friedrich Wilhelms nach<br />

Mecklenburg <strong>der</strong> Weg abgeschnitten. Sollte diese Defenfivlinie von dem<br />

Feinde durchbrochen werden, so wollte man die Feldarmee auf die einzelnen<br />

Festungen vertheilen und durch Belagerungen den Krieg in die Länge<br />

Ziehen. Jn offener Fetdschlacht war die schwedische Armee, welche anfangs<br />

Juli ungefähr 10000 Mann betrug, <strong>der</strong> Verbündeten Macht nicht<br />

gewachsen, und sie mußte sich wohl hüten, eS zu einer solchen kommen zu<br />

lassen, weil bei einem unglücklichen Verlauf <strong>der</strong>selben das Schicksal<br />

Pommerns mit einem Schlage entschieden war. Die Sachlage stellt sich<br />

für Schweden noch ungünstiger, wenn man in Erwägung zieht, daß die<br />

ganze Reihe <strong>der</strong> pommerschen Festungen jetzt stark befetzt werden mußte, da<br />

an je<strong>der</strong> Stelle <strong>der</strong> Durchbruch <strong>der</strong> Verbündeten erfolgen konnte. Qitt)t<br />

man diese nöthigsten BefatzungStruppen ab, so ergiebt sich für die Truppen,<br />

welche den schwedischen Generalen z u freier Verfügung blieben, nur die<br />

Stärke Von 3000 Mann. Die Truppen waren folgen<strong>der</strong>maßen vertheilt:<br />

Jn Gutzkow kommandirte <strong>der</strong> Feldmarschall Mardefeldt, nach seiner Ankunft<br />

wie<strong>der</strong>um Wrangel selbst; von hier auS waren auch die Pässe bei Stolpe<br />

und Jarmen besetzt. 9?ach Anklam waren gleichfalls 2 Regimenter ent-


Die FelbzüQe beS großen* Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 21<br />

sendet, so daß zur Vertheidigung des Gützkower Paffes nur ein Regiment<br />

ZU Pferde, einige Geschütze und wenig Jnfanterie übrig blieb. Jn Damgarten<br />

hatte KönigSmard den Oberbefehl übernommen; unter seinem<br />

Kommando standen 2 Regimenter Kavallerie und einige Kompagnien<br />

Jnfanterie nebst Artillerie zur Besetzung <strong>der</strong> Uebergänge; Von hier aus<br />

scheint eine Abtheilung nach TribseeS detachirt zu fein. <strong>Greifswald</strong> und<br />

Wolgast waren vorläufig nur mit einer geringen Mannschaft besetzt. Jn<br />

Stralsund lag ein Regiment Fußvolk unter dem Obersten Ojenftierna;<br />

außerdem hatten Vor <strong>der</strong> Stadt noch 3 Regimenter Reiter und Dragoner<br />

in <strong>der</strong> Stärke von ungefähr 2000 Mann Quartier bezogen, welche nach<br />

Rügen überfetzen und einer Landung des Feindes daselbst vorbeugen sollten;<br />

ferner mußte die Besatzung von Stralsund darauf achten, daß nicht etwa<br />

bei Barth von <strong>der</strong> Flotte Truppen an'S Land gefetzt wurden und diese<br />

durch einen Angriff im Rücken die Passage von Damgarten eröffneten.<br />

Der Rest <strong>der</strong> Truppen, beson<strong>der</strong>s die Jnfanterie, vertheilte sich auf die<br />

Festungen Usedom, Wollin, Ue<strong>der</strong>münbe, Löcfnitz und Stetttn. Letzteres<br />

hatte offenbar im Verhältniß zu feiner Bedeutung in biefem Jahr eine<br />

durchaus nicht zureichende Besatzung.<br />

Die schwedische Stellung war gut gewählt und gesichert, es fragte<br />

sich, ob das Heer genügen würde, um den Angriff <strong>der</strong> Verbündeten abzuwehren,<br />

eine solche Stellung gehörig auszunutzen und mit Erfolg zn<br />

operiren. l )<br />

Jn Schweden selbst hatte Kart XL seine größte H°ffnnng auf die<br />

Flotte gefetzt, die weitgehendsten Pläne waren Von ihm gefaßt. Bevor sich<br />

die holländische Flotte mit <strong>der</strong> dänischen vereinigte, sollte die schwedische auslaufen<br />

und die dänische schlagen, bann im Sund o<strong>der</strong> direkt vor Kopenhagen<br />

vor Anker gehen und somit die holländische am Einlaufen in die<br />

Ostsee verhin<strong>der</strong>n. Um die Dänen zu zwingen, sich aus Deutschland zurückzuziehen,<br />

wollte er selbst nach Seeland übersetzen, wohin auch Wrangel<br />

mit <strong>der</strong> Reiterei unb einem Theil ber Jnfanterie aus Pommern sich bebegeben<br />

sollte. Z u ßleicher Z e it fyatte ber Abmiral Gabriel Ojenstierna<br />

den Auftrag erhalten, mit einem Geschwa<strong>der</strong> von Gothenburg aus die<br />

Elbe- und Wesermündung z u besetzen. Der plan deS Reichsfeldherrn<br />

wurde also voltkommen vom Könige aufgenommen. Aber eS schien, ats<br />

hätte man in Schweden über dem Schmieden von weitgehenden Plänen,<br />

<strong>der</strong>en Gelingen an so manche Bedingung geknüpft war, die nächsten Aufgaben<br />

vergessen. Vor Allem that doch dem pommerschen Heere eine dringende<br />

Hilfe noth, doch daran dachte niemand. Ohne Grund wurde jede, wenn<br />

*) Vgl. über die schwedische DefenfivstellmtQ in Vorpommern: „Ohttöefäljr=<br />

liche Beschreibung beS Vor=Pommerfchen LanbeS" im G. St. unb oben pg. 9. Ueber<br />

bie (Stimmung im schwebischen Lager geben ant besten Auskunft bie Relationen<br />

Vitry'S, ber bie Pläne Wranget'S mißbilligt.


22 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten In Pommern 1675-1677.<br />

auch nur kleine ^>ttfe für Pommern verzögert, bis bie ganze Fl°tte<br />

fertig war. Die inneren Spaltungen unb bie schlechte Finanzverwaltung<br />

ber letzten Jahrzehnte in Schweben rädjten sich bitter. Trotz ber fortwährenben<br />

Subfibien, bie es Von Frankreich erhielt, war es nicht möglich,<br />

bie Flotte schnell in einen kriegsfertigen Zustanb zu bringen. So verstrich<br />

bie kostbare Zeit, welche bie Verbünbeten ben Schweben burch ifjr Zögern<br />

gelassen hatten, fast nutzlos. Anfang September sollte bie Flotte bereit<br />

fein, in ber That konnte sie erst am 19. Oktober unter bem Kommanbo<br />

beS ReichSabmiralS Steenbod austaufen. Kaum war sie in offener Seer<br />

so würbe sie am 26. Oktober vor Gotlanb von einem heftigen Sturm<br />

befallen, ber bie Schiffe zerstreute. Ein KriegSrath entschieb sich für bie<br />

Umkehr. ES war kein anberer Ausweg möglich, Anker, Boote unb Segel<br />

waren zum größten Theil verloren, bie ganze Ausrüstung unb Bemannung<br />

hatte sich Von vornherein als mangelhaft gezeigt, so baß an einen Erfolg<br />

nicht ^n benken war. DaS bebeutete zugleich eine Vereitelung ber großen<br />

Pläne; für Pommern unb bie übrigen beutschen Provinzen war für biefeS<br />

Jahr jebe Hilfe *>on Schweben aus abgeschnitten. Wrangel mußte sehen,<br />

wie er sich aus eigenen Mitteln beS anbringenben FeinbeS erwehrte. 1 )<br />

Der Einmarsch ber verbünbeten Armeen in ber Stärke von ungefähr<br />

30000 Mann begann zu gleicher Zeit. Friebrich Wilhelm hatte schon<br />

von seinem Hauptquartier 9?eustabt i. Mecklenburg aus am 11. Juli ein<br />

Patent an bie Unterthanen beS schwebischen Pommerns gerichtet, worin er<br />

sie aufforberte, ruhig auf ihren Wohnsitzen zu bleiben, er werbe sie nicht<br />

belästigen, wenn von ihrer Seite keine Gegenwehr geschehe. Den Offizieren<br />

unb Solbaten, bie etwa zu ihm kommen würben, versprach er Dienste zu<br />

geben. Durch einen berartigen gütigen Ausgleich unb ein möglichst freunbticheS<br />

Entgegenkommen hoffte er bei ber Bevölkerung für eine branbenburgifche<br />

Besitzergreifung Propaganba zn machen. Am 7. Oktober war<br />

in Wilbberg, bem ersten pommerschen Orte, ben Friebrich Wilhelm passirte,<br />

ber ganze rechte Flügel vereinigt; sofort würbe ber Marsch fortgesetzt, ber<br />

wegen ber Engpässe unb ^>ot)Itt>ege sich z u einem sehr schwierigen gestaltete.<br />

So ließ ber Kurfürst bie Bagage mit bem größten Theil *htx<br />

Reiterei — er behielt nur 3 Regimenter bei sich —, um schneller vorwärts<br />

zu kommen, auf einem zweiten Wege vorrücken. Diese Abtheilung<br />

konnte zugleich bem Hanptkorps als Deckung gegen Demmin bienen.<br />

Bei Treptow sollte in aller Eile bie Tollense überschritten werben, allein<br />

beibe Brüden, bie über ben Fluß führten, waren vom Feinbe wohlweislich<br />

Zerstört, außerbem hatte man bie Wege burch Einschnitte für Truppen<br />

unpaffirbar gemacht. Erst am folgenben Tage konnte ber Uebergang in'S<br />

Werk gesetzt werben, nachbetn während <strong>der</strong> 9?acht die Brücken von 400<br />

Mann Jnfanterie wieber hergestellt unb bie Wege gangbar gemacht waren.<br />

*) Vgl. ©arlfon a. a. O. pg. 616 u. 620 ff.


Die Felbzüße beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 23<br />

Der Kurfürst befand sich bei <strong>der</strong> Avantgarde, die von dem Regiment<br />

Dönhoff gebildet wurde. Mit dieser rückte er gegen das feste Schloß<br />

Klempenow, einen ObfervationSpoften an <strong>der</strong> Tollenfe, dessen schwache<br />

Besatzung sich ohne Wi<strong>der</strong>stand z u leisten ergab. DaS Gros <strong>der</strong> Armee<br />

Vereinigte sich wieber mit <strong>der</strong> Reiterei und Bagage, die die Tollcnse<br />

passirten, um nun weiter nach Völschow vorzurücken, eine Meile südlich<br />

von Jarmen, wo am 10. Oktober baS Hauptquartier aufgeschlagen wurde.<br />

Es galt bie nächstliegenben Uebergänge über bie Peene z u recognoSciren.<br />

Anfangs scheint Friebrich Wilhelm ber Marschroute gemäß bie Absicht<br />

gehabt zu haben, bei Jarmen bie Peene ju überschreiten. Die Stehe ber<br />

Festung Demmin, bie RecognoScirung beS GelänbeS unb bie verhältnißmäßig<br />

starke Besatzung ber 3 F°rtS, welche auf betn jenseitigen Ufer zur<br />

Vertheibigung beS Ueberganges errichtet waren, mögen ihn bestimmt haben,<br />

seinen Plan zu änbern. Nachbetn er bie Lanbschaft nochmals aufgefor<strong>der</strong>t<br />

hatte, baß jeber bei ben Seinigen bliebe, machte er am 14. Oktober Nachmittags<br />

eine Schwenkung nach rechts unb gelangte nach Reetzow, baS<br />

ungefähr eine Meile in süblicher Richtung von Gutzkow liegt. Um sich<br />

gegen einen Ueberfatl ber Anktam'schen Besatzung im Rüden wärjrenb beS<br />

UebergangeS zu sichern, ließ er ben Generallteutenant V. Görtzke mit einer<br />

Abtheilung Kavallerie unb betn Dragonerregiment Derfflinger einen Scheinangriff<br />

auf bie Stolper Fähre machen, stromabwärts in ber Mitte zwischen<br />

Anklam unb Gutzkow gelegen. Gleichzeitig erhielt ber Oberstlieutenant<br />

V. Grumbkow ben Befehl, mit seinen Dragonern ben Paß von Jarmen<br />

anzugreifen. Damit gewann er eine Deckung gegen Demmin. Jebe bieser<br />

beiben Abtheilungen hatte 3 breipfünbige Kanonen bei sich. Die Jnfanterie<br />

unb ber Rest ber Kavallerie rückte Von Reetzow aus über Kagenow gegen<br />

bie Gützkower Fähre vor. 1 ) Morgens um 2 Uhr sollte ber Angriff beginnen.<br />

Es schien, als würbe sich ber Ueberfatl von Rathenow wieberholen.<br />

Allein ber Plan mißlang, weil bie schlechten Wege bie Ankunft<br />

beS Geschützes unb beS Trains verzögert hatten; erst um 8 Uhr langten<br />

biese an, unb gleich nach 9 Uhr begann ber Angriff gegen bie feinbliche<br />

Stellung. Ein schmaler Damm führte burch ben Morast unb bie Wiesen,<br />

welche ben Flnß auf beiben Seiten umgaben; bie Passage beS auf jener<br />

Seite gelegenen war burch Einschnitte an 5 Stellen erschwert. Die Peene,<br />

hier Von ziemlicher Tiefe, erreicht bie Breite von 100 Schritt, jenseits beS<br />

Moores zieht sich auf ber linken Seite beS FfafseS eine Hügelkette hin;<br />

*) Ueber ben Marsch bis zur Gützkoroer Fähre Vgl. Buch zu ben betreffenden<br />

Tagen und b. pomtn. ©reif pg. 125 f. Merkwürdigerweise ist nach diesem die<br />

Detachirunß jener Truppen erst nach ber Eroberung, <strong>der</strong> Fähre Vor sich gegangen,<br />

eine Thatfache, die den Verhältnissen gar nicht entspricht und auch Von keiner an<strong>der</strong>n<br />

Quelle unterstützt wird. Von Berichten auS dem surf. Lager im Z. A. ein Schreiben<br />

beS DubiSlav Christoph V. Hagen an Johann Georg, d. d Volzfcho, 30. «September,<br />

baS mit bem Bericht Buch'S übereinstimmt.


24 Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

erst dahinter, ebenfalls auf einem ^>ügesr liegt das kleine Landstädtchen<br />

Gutzkow. Eine jener Erhebungen war von den Schweben mit Batterien<br />

befetzt, die durch Kavallerie gedeckt wurden. Hart am Ufer des Fasses,<br />

wo <strong>der</strong> Swinebach sich in bie Peene ergießt, befindet sich das Fährhaus.<br />

Jn feiner Sftihe war von Wrangel eine Schanze errichtet, welche den Uebergang<br />

über den Fluß und den Damm beherrschte. Der Kurfürst war mit<br />

einem Theil feiner Truppen bis an das Ufer vorgerückt, ließ eine Batterie<br />

errichten unb ein h e ftigeS Fener auf ben Feinb eröffnen, baS von diesem<br />

in gleicher Weife erwibert würbe. Der Angriff ber branbenburgifchen<br />

Artillerie unter bem Oberst Weiler richtete sich hauptfächlich gegen baS<br />

Fährhaus, aber erst gegen Mittag erzielte er einen Erfolg, inbem eS gelang,<br />

eS burch Branbkugeln in Feuer in setzen, ein für bie weitere Vertfjeibigung<br />

beS Platzes verljängnißvolter Moment. Die Schanze war zu nahe bem<br />

Fährhaufe aufgeworfen, so baß ber Schanzgraben von bem brennenben<br />

Holzwerk überschüttet unb bie Besatzung gezwungen würbe, ihn in verlassen.<br />

Branbenburgische Jnfanterie unter ben beiben Kapitänen H uet unb Graf<br />

Theobor V. Doljna setzte auf Laufbrütfen über ben F^nft nnb warf eine<br />

Schanze auf. Z^ar ließ Mardefelbt Jnfanterie unb Artillerie gegen bie<br />

feinbliche Stellung vorrücken, allein vergebens; nach kurzem Kampfe wichen<br />

sie zurück. Fernerer Wiberstanb wäre nutzlos gewesen. Der Kurfürst<br />

konnte jeben Augenblick von drüben neue Truppen ins Gefecht führen und<br />

befand sich bti Weitem in <strong>der</strong> Uebermacht. So zogen sich bie Schweben<br />

nach Greifswalb unb Anklam zurück. Um 2 Uhr Nachmittags war ber<br />

Uebergang vollkommen frei, unb ber Kurfürst konnte jenen ^>üget, auf<br />

bem vorher bie schwedische Batterie gestanden hatte, besetzen lassen.<br />

Während befsen hatte Görtzke auch bie Stofper F ö h r e in seinen<br />

Besitz gebracht; ber Paß hü Jarmen würbe erst in ber Stacht Von ben<br />

Schweben verlassen.<br />

Schon am 17. Oktober konnte fjrtebrtcf) Wilhelm mit feinem siegreichen<br />

Heere bie Peene überschreiten unb bk schwebifche DefenfionSstellung<br />

an einem Punkte durchbrechen. Ohne große Verluste — nur 7 ober 8<br />

Mann waren tobt — hatte er sich ben Uebergang erzwungen. DaS Hauptquartier<br />

würbe in Gutzkow aufgeschlagen. 1 )<br />

2 ) Bet her Gützkotoer F&§re gilt eS die Lage <strong>der</strong> in Betracht kommenden<br />

Oertlichkeiten zu untersuchen, da bie Quellen hierin bedeutend Von einan<strong>der</strong> abweichen.<br />

DaS Theatr. Eur. XI. pg. 723, ebenso Puf. XIII. § 54 u. Basnage a. a. O. II.<br />

pg. 624 stellen die Topographie so dar, als wenn daS FäWauS und ebenso die<br />

Schanze auf dem rechten Ufer <strong>der</strong> Peene, also auf <strong>der</strong> dem Kurfürsten zugewendeten<br />

(&tite, gelegen hätten. Dagegen läßt hk Darstellung btx Buch, <strong>der</strong> ja bem Gefecht<br />

selber beigewohnt hat, ßar keinen Zweifel, daß sich sowohl HauS wie Schanze auf<br />

<strong>der</strong> linken (Seite befunden haben; eS heißt im franz. Origjnaltert zum Okt. L/11:<br />

. . „de ce lieu ici nous sommes venus reconnoistre le passage de Gutsckow,<br />

i Tennerny a fait un petit fort pres du Fehrhauss tout contre le bord de


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 25<br />

Auch Damgarten und TribseeS waren nicht mehr zu hatten, da<br />

KönigSmard befürchten mußte, von Stralsund abgeschnitten und zu einer<br />

Feldfchlacht gezwungen zu werden. Wäre eS nicht gelungen, den Feind<br />

so schnell zum Aufgeben seiner Stellung bei Gutzkow zu bewegen, so würde<br />

auch Damgarten noch lange Wi<strong>der</strong>stand geleistet haben, da <strong>der</strong> Feldmarschall<br />

entschlossen war, nur einer unbedingten Nothwendigkeit zu weichen und für<br />

Proviant und Muuition ausreichend Sorge getragen hatte. Der Verlust<br />

von Gutzkow z^ang auch ihn zum Rückzug, ja er mußte noch 4 Geschütze<br />

in den Händen <strong>der</strong> Dänen lassen. Shristian ließ die Verschanzungen<br />

schleifen, damit dem Feinde hier nicht etwa später wie<strong>der</strong> ein Stützpunkt<br />

gewährt würde. Am 19. ergab sich auch TribseeS. KönigSmard zog sich<br />

mit den beiden Besatzungen nach Stralsund zurück.<br />

Merkwürdig ist eS, daß bei diesem Einmarsch beS feinblichen Heeres<br />

die Besatzungen Von Demmin und Anklam nach keiner Seite Entsatzversuche<br />

gemacht haben. Die Kommandirenden <strong>der</strong> schwebischen Truppen trifft<br />

keine Schuld, daß eS dem Kurfürsten gelang, diese günstige Stellung, die<br />

er selbst bei einer thatkräftigen Vertheidigung für uneinnehmbar hielt,<br />

in wenigen Tagen zu durchbrechen; sie haben, so weit sie eS mit, den<br />

schwachen, ihnen zur Verfügung stehenden Truppen vermochten, ihre Pflicht<br />

gethan. Die Schuld ist hier ebenso wie bet <strong>der</strong> flotte ber Verwirrung<br />

ber schwebischen Verhältnisse überhaupt beizumessen. Wäre ben pommerschen<br />

Truppen eine Verstärkung von Schweben zugekommen, in ber Zeit, wo baS<br />

Meer ber F^tte noch offen staub, bann würbe Branbenburg nicht in<br />

so kurzer Zeit mit so geringen Verlusten biesen Erfolg errungen haben.<br />

Stralsunb würbe bem Grafen KönigSmarck anvertraut; mit Hjtn zogen<br />

4 Regimenter Jnfanterie in bie Stabt; bie Kavallerie setzte größtenteils nach<br />

Rügen über, weil ber Mangel an Futter unb Proviant auf bem Fefttanbe<br />

sich immer bemerkbarer machte. Pommern jenseits ber Peene lag schon<br />

jetzt öbe unb verwüstet ba, bie Dörfer unb Flehen waren meistens ver-<br />

la riviere, qui coule tout proche de ce coste ici," unb zum Okt. 5./15.: ....<br />

„je m'etonne pourtant bien fort que l'ennemy ne defendoit pas mieux un<br />

poste si avantageux, ayant du fort de Fefyrljauß jusques ä la montagne ou<br />

est la terre ferme, au travers d'un marais inaccessible une longue Chaussee<br />

d'onze cent pas, et large de 8 pas, coupee en 5 endroits, ayant encore<br />

l'avantage d'une grande hauteur de l'autre coste sans conter la riviere qui<br />

a pres de 100 pas de largeur, dont les bords de deux costes sont tout a fait<br />

marescageux, et en deca vers nous encore une autre Chaussee bien de 400<br />

pas." — Gleich ben zuerst genannten Duellen hat auch b. pomm. Greif pg. 126<br />

baS Fährhaus unb bie (Schanze auf bie rechte Seite verlegt. Der Jrrtljum muß<br />

hier um so mehr auffallen, als ber VerfafSer offenbar nicht auS einer jener von<br />

einanber abhängigen Duellen geschöpft hat, ba er einen weit ausführlicheren Bericht<br />

giebt. Dadurch wirb natürlich bie Darstellung beS UebergangeS unrichtig. — Gleich<br />

nach ber Eroberung bieseS PaffeS würbe auch baS feste (Schloß ©pantekow


26 Die. Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

lassen, daS Feld wurde nicht mehr bebaut, und die ProViantvorrätlje waren<br />

von den Truppen in die Festungen gebracht worden. 1 )<br />

Sftach dem Uebergange über die Peene wollte Friedrich Wilhelm auf<br />

TribseeS und Damgarten zu marfchiren, um durch diese Bewegung womöglich<br />

KönigSmard: von Stralfund abzuschneiden und zu einer Schlacht<br />

ZU zwingen. Der Kampf in Pommern wäre alsdann eine Fortsetzung ber<br />

kühnen Strategie gewesen, die <strong>der</strong> Kurfürst auf seinem SiegeSzuge von<br />

Franken bis Fehrbellin angewandt hatte. Der schleunige Rüdzug KönigSmarefs<br />

vereitelte diesen plan. Am 19. October wurde dem Kurfürsten die<br />

Melbung hiervon überbracht unb zugleich berichtet, baß bie feindliche Reiterei<br />

im Begriffe sei, nach Rügen überzusetzen; vielleicht War eS möglich, diese an<br />

dem Uebergange zu hin<strong>der</strong>n ober ihr währenb besselben eine empfinbtiche<br />

Schlappe beizubringen. Aber Eile that üftotl). Deshalb brach er sofort<br />

mit ber gesammten Kavallerie außer ben beiben Regimentern Gotha unb<br />

Frankenberg auf unb gelangte am 21. über Grimmen nach ben beiben<br />

üftachbarstäbten Franzburg unb Richtenberg. Eine Verbinbung mit ben<br />

kaiserlichen Regimentern über Zaftrow unb bie rothe Müljlc hatte sich als<br />

unmöglich herausgestellt, weil ber Jbitzbach, ein kleiner Nebenfluß ber<br />

Trebel, unpasfirbar war. Vom bänifchen Hauptquartier aus würbe ihm<br />

gemelbet, baß ber König am folgenben Tage mit bem größten Tl)eil seiner<br />

Reiterei unb 5—600 Mann Jnfanterie sich mit ihm vereinigen werbe.<br />

Der Oberstlieutenant v. Sybow unternahm schon vor Aufbruch beS ganzen<br />

Heeres mit 300 Reitern einen Streifzug gegen Stralsunb unb brachte<br />

eine Anzahl von Gefangenen ein. Von Deserteuren erfuhr man, baß KönigSmarck<br />

bie Stabt beWogen habe, bie Jnfanterie in ihre schützenben Mauern<br />

aufzunehmen, obwohl sie nicht zu mehr als 1000 Mann Besatzung verpflichtet<br />

war. Die Kavallerie bagegen hatte ben Uebergang nach Rügen<br />

schon vollzogen. Friebrtch Wilhelms Absicht, sie barau zu hin<strong>der</strong>n, war<br />

also fehlgeschlagen. Er beschloß wenigstens zu versuchen, nach ber Vereinigung<br />

mit ben Truppen Christians V. in ber Vorstabt festen F u ß Z u fassen unb<br />

bie bort befinbliche Besatzung, so weit eS anging, aufzureiben. Dieser<br />

Plan scheiterte im KriegSratf) an bem Wiberspruch ber beiben bänifchen<br />

Generale V. ArenSborf, unb man einigte sich nur barjtn, am 24. mit<br />

einigen auSerwäl)lten Truppen bis zur EontreeScarpe ber Frankenvorftäbte<br />

vorzugehen. Jn ber That brangen sie bis zur Verschanzung beS Feindes<br />

Vor, ohne von ben Kanonen ber Festung belästigt zu werben; offenbar<br />

schreckten bie Bürger bavor zurück, in ber Furcht, baß sie zu Reichsfeinben<br />

J ) Ant vollständigsten über bk Besetzung beS PaffeS Von Damgarten berichtet<br />

beS 9?orb. Krieges erster Theil pg. 262. Er irrt jedoch in ber Annahme, ba^<br />

KöniöSmarck gewichen fei, weil (Kfjrtftian am 17. einen förmlichen Sturm habe<br />

unternehmen wollen; Vgl. bagegen b. Verto. Eur. II. pg. 796, Diar. Eur. XXXIII.<br />

pg. 27 f. u. 37 f., u. b. pomm. Greifen pg. 127. — Ueber bie Einnahme beS<br />

PaffeS Von TribseeS finden sich nirgenbS genauere Berichte.


Die Felbzüße beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 27<br />

erklärt würden. Einen nachhaltigen Erfolg erzielte man nicht. Königsmard<br />

hatte aus <strong>der</strong> Stadt Jnfanteriekolonnen in die Vorstadt rücken<br />

lassen, welche die Angreifer mit Gewehrsalven begrüßten, üftach dem<br />

Rüdzug unternahmen sie eine RecognoScirung <strong>der</strong> Tribseervorstadt. Einem<br />

Angriff wi<strong>der</strong>setzte sich Derfflinger; offenbar argwöhnte er einen Hinterhalt<br />

deS Feindes und hielt ihn für zu stark, als daß es möglich gewesen wäre,<br />

einen dauernden Erfolg zu erringen. Gleich nach dem Rückmarsch <strong>der</strong><br />

Truppen in daS Lager wurde ein gemeinsamer KriegSrath abgehalten.<br />

Christian war bereit, bem Kurfürsten bei seinen weiteren Operationen ju<br />

Willen ju sein, allein seine Generale wi<strong>der</strong>sprachen dem. Sie wollten daS<br />

dänische Heer nicht weiter fremden Jntereffen dienen lassen, son<strong>der</strong>n noch<br />

in diesem Jahr ein Unternehmen beginnen, von bem Dänemark fichtbaren<br />

Nutzen und Gewinn zog. Sie beschlossen sich gegen WiSmar zu wenden,<br />

das den Vereinbarungen gemäß Christian V. zufallen sollte. So trennten<br />

sich die beiden H eer e, daS dänische marschirte nach <strong>der</strong> Brandschatzung<br />

von Barth nach Damgarten zurück, Vereinigte sich mit <strong>der</strong> Jnfanterie, bit<br />

hier stehen geblieben war, unb brach bann gegen WiSmar auf, ohne an<br />

ben Pässen bei Damgarten unb TribseeS irgenb eine Besatzung z u lassen.<br />

Den Schweben würbe somit ber Z u 9 a ng z u bem größten Theil von Mecklenburg<br />

offen gelassen unb bu Möglichkeit gegeben, Entsatzversuche nach WiSmar<br />

ZU unternehmen. Friebrich Wilhelm bagegen kehrte über Elmenhorst unb<br />

Loitz nach feinem Hauptquartier Gutzkow zurück. ES war bte Frage, wohin<br />

er sich jetzt Wenben würbe, nachbem fein Heer burch ben Abzug ber Dänen<br />

auf etwas über 20000 Mann rebucirt war. 1 )<br />

*) Queue für ben Zug nach ©tralfunb ist hauptfächlich Buch. — Droyfen<br />

a. a. D. pg. 358 f. meint, baß eS ber Kurfürst in ber That auf ein Untere<br />

nehmen gegen ©tralfunb abgesehen habe, eine Auffassung, bte sich nicht aufrecht<br />

erhalten läßt. Zunächst bemerkt Buch auSbrütflich zum Okt. 9./19v baß sie beschlossen<br />

hätten, die nach Rügen allmählich übersetzenden schwedischen Regimenter anzugreifen;<br />

bafür spricht auch die Bemerkung beS Kurs, in einem Briefe an Joh. G. im Z. A.,<br />

d. d. Gü^kotn 6./16. Oktober, baß, faES sich ber Feind zwischen GretfSwald unb<br />

©tralfunb gefetzt habe, er auf ihn losgehen unb ihn Verfolgen woEe, bis er auS<br />

bem Selbe getrieben fei. Ferner bemerkt Buch zu demselben Tage, daß sie mit <strong>der</strong><br />

ganzen Reiteret, außer 2 Regimentern, und mit aflen Dragonern, dagegen ohne<br />

Jnfanterie aufgebrochen feien, eine ZusammensteEung <strong>der</strong> Truppen, die gletchfaES<br />

auf eine fchneEe Verfolgung deS FeindeS, nicht auf eine Belagerung hindeutet;<br />

auch Christian kommt mit dem größten Theil seiner Reiteret und nur 5—600 Mann<br />

Fußvolk. — Die Aeußerung Buch'S zum 14./24.: „ . . . mais de certaines<br />

personnes que je connois pourtant fort bien, n'etoient pas bien aise, que la<br />

guerre finist en si peu de jours" bezieht sich auf die dänischen Generäle<br />

t). ArenSdorf, welche am vergangenen Tage einen Vorschlag deS Kurfürsten, sich in<br />

Besitz <strong>der</strong> Vorstadt zu fetzen, wi<strong>der</strong>sprachen. Gewiß haben hier, wie auch Droyfen<br />

annimmt, politische Rückfichten Wohl die HauptroEe gespielt; aEein daß auch auf<br />

brand, ©eite sich Stimmen befanden, welche einem solchen Anschlag wi<strong>der</strong>sprachen,<br />

zeigt die Bemerkung Buch'S zum 24.: „Darum sandte mich <strong>der</strong> General ©. Maj.


28 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Das Landheer hatte sich seiner ersten ihm in dem KriegSratfje vom<br />

27. Juli gestellten Aufgabe erledigt. Stellte sich auch ein weiteres Zusammenwirken<br />

bei<strong>der</strong> Armeen als unmöglich heraus, weil die Son<strong>der</strong>tntereffen<br />

bei<strong>der</strong> Mächte in den Vor<strong>der</strong>grund treten und die militärischen Operationen<br />

naturgemäß beherrschen mußten, so war doch mit <strong>der</strong> Durchbrechung jener<br />

Defensionslinie ein weiterer wichtiger Schritt zur Verdrängung <strong>der</strong> schwedischen<br />

Macht auS Deutschland gethan. Z ur Vollendung dieses Zieles bedurfte es<br />

gleichzeitig eines Angriffes von <strong>der</strong> See her. Gemäß jenem KrtegSplane<br />

vom 27. Juli sollte die vereinigte hofländisch-dänische Flotte an <strong>der</strong><br />

pommerfchen ^ü\tz kreuzen, um jeden SuccurS aus Schweben nach den<br />

deutschen Besitzungen zu Verhin<strong>der</strong>n, sodann Rügen, Usedom und Wollin<br />

ZU gleicher Zeit angreifen und in die Hände <strong>der</strong> Verbündeten bringen;<br />

erst dann konnte das Landheer die weitere Aufgabe lösen, einen o<strong>der</strong> den<br />

an<strong>der</strong>n wichtigen Platz, d. h- Stralsund o<strong>der</strong> Stettin, belagern. Die<br />

holländische Flotte war rechtzeitig im Sunde erschienen. Allein erst Ende<br />

September erfolgte die Vereinigung bei<strong>der</strong>, und sie erschienen sofort in <strong>der</strong><br />

pommerfchen Bucht, um die Küsten zu beobachten und eine Landung auf<br />

einer ber Jnseln zu versuchen. 14 Schiffe näherten sich durch ben Greifs*<br />

walber Bobben hindurch bem Stralfunber H a fen; sie schloffen ihn burch<br />

biese Bewegung für bie schwebifchen Schiffe unb machten eine Verbinbung<br />

zwischen Rügen unb Strctlfund unmöglich; bie übrigen Schiffe sollten<br />

unterdessen LanbungSVerfuche auf Rügen ausführen. Allein sie mißlangen.<br />

Ein conträrer Winb säuberte eine Lanbung an ber vorpommerfchen unb<br />

rügenfchen ^iifk auf JaSmunb ober Wittow. Kaum hatte sie wieber bie<br />

offene See erreicht, so trieb ein starker Dstwinb bie fjfotte um bie Spitze<br />

Rügens herum ber mecklenburgischen Küste zu. Jhre Thätigkeit hatte sich<br />

barauf beschränkt, Handelsschiffe, bie von Riga, %nbtd unb Hamburg aus<br />

ben Schweben Proviant unb Munition zuführen wollten, abzufangen unb<br />

Zu kapern. Jm Oktober würbe bie Nachricht verbreitet, baß bie feinbliche<br />

Flotte ausgelaufen fei unb lOOOO Mann LanbungStruppen nach Seelanb<br />

in führen beabsichtige. Sofort befahl ber Abmirat Abier, Kopenhagen auch<br />

von biefer Seite zu decken unb bort auf ber Rrjebe vor Anker in gehen.<br />

Ein glücklicher Z u fafl bewahrte bamit bie verbünbete Flotte vor einem<br />

ähnlichen Schicksale, wie es bie fchwebifche traf. 1 )<br />

Getrennt von biefer vereinigten bänifch-hotlänbifchen Seemacht hatte<br />

eine anbere, wenn auch nur kleine Flotifle in ben Kampf gegen Schweben<br />

eingegriffen, bie junge, eben erst infolge beS Einfalls ber Schweben in<br />

zu sagen, daß, wenn er eS für gut befände Dragoner zu senden, er einbringen wolle,<br />

aber „unser" (nicht wie Kessel „ber") General ließ zurücffagen, man könne nicht<br />

Wissen, WaS noch bort verborgen fei." Hier haben boch militärische Rücksichten ben<br />

Ausschlag gegeben.<br />

*) Vgl. Basnage a. a. O. II. pg. 626.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 29<br />

die Mark entstandene brandenburgifche ^totte. Jm Anfang beS Jahres<br />

1675 hatte <strong>der</strong> Kurfürst dem holländischen Kaufmann Benjamin Raule<br />

auS Middelburg brandenburgische KommisfionSpatente auf Kaperei gegeben;<br />

er sollte mit seinen Schiffen schwedische und französische Fahrzeuge, sowie<br />

Schiffe neutraler Mächte mit Waaren, die zur Kriegsführung nöthig waren,<br />

abfangen, wenn sie nach Frankreich o<strong>der</strong> Schweden chren Kurs richteten.<br />

Derartige Kommissionspatente wurden Ende März auch dänischen Unterthanen<br />

gegeben. Einerseits hoffte Friedrich Wilhelm damit einen Entgelt<br />

ZU üben für die Erpressungen ber Schweden in <strong>der</strong> Mark, andrerseits zu<br />

verhin<strong>der</strong>n, daß den pommerschen Truppen irgendwelche Materialien zur<br />

Kriegsführung zugesandt würden. Die schwedischen Besitzungen in Deutschland<br />

sollten Vollkommen isolirt werden. Allein dieser Kaperei wi<strong>der</strong>setzten<br />

sich England unb besonberS $otfanb. Der Kurfürst sah sich balb genöthigt<br />

sie einzustellen, ba er #oücmb3 Beihülfe wegen ber Subfidten wesentlich<br />

bedurfte. Mit bitteren Worten klagt er es feinem Gesandten BlaSpeil im<br />

Haag, daß man ihm „anstatt <strong>der</strong> ex foe<strong>der</strong>e schuldigen unb so oft unb<br />

theuer versprochenen Hilfe auf Anhalten unb Partikulariuteresse einiger<br />

Kaufleute in faveur unseres gemeinsamen FeinbeS zuwiber fei in einem<br />

Werk, wovon nicht allein ber Ruin beS geinbeS znm guten Theil<br />

bepenbire, sonbern wobei auch unsere eigene Ehre unb reputation auf baS<br />

höchste interessirt sei." 1 ) Jeber Schritt, ben er that, zeigte eS auf's<br />

beutlichste, baß er von bcnt guten Willen anberer Staaten abhängig war<br />

unb baß eS galt, dieser hemmenben Fesseln sich zn entlebigen. So schloß<br />

er im Mai mit beut Obersten V. Botsey im H aa g einen Vertrag über bie<br />

Werbung eines Regiments MarinierS in H°Hanb in <strong>der</strong> Stärke Von<br />

6 Kompagnien, zusammen 569 Mann, und am 21. Juli kamen die Verhandlungen<br />

mit Raule, <strong>der</strong> sich baS Vertrauen BlaSpetlS unb RomSwincfelS<br />

erworben hatte, zum Abschluß. Dieser verpflichtete sich, Vom 1. August an<br />

auf 3 Monate 3 Fregatten von 16, 12 unb 6 Kanonen zu stellen, wofür<br />

ihm eine Assignation auf holländische Subsibien in ber Höh e t>on lOOOO<br />

Thaler in baareS Gelb umgewanbelt würbe. Jhre Bemannung bestaub<br />

außer ben Matrosen noch auS 300 jener MarinierS. Allein in Folge<br />

ber schlechten Privatverhältnisse Raute'S — er war tief verschulbet — konnte<br />

bie Flotte erst am 18. August in See stechen. Kaum war sie ausgelaufen,<br />

so z^ang sie ein heftiger Sturm zurückzukehren; erst am 6. September<br />

verließ sie wieber ben H a fen. Unterbessen hatten BlaSpeil unb RomSwindel<br />

eS burch bestänbige Unterhanblungen mit ber Abmiralität in Amsterbam<br />

bazu gebracht, baß bem Kurfürsten von ben Staaten auf 3 Monate 3 gute<br />

seetänbische Kriegsschiffe von 40—44 Kanonen überlassen würben. Jhre<br />

Besatzung bestanb aus dem Rest jener MarinierS. Waren die Kräfte,<br />

welche Friedrich Wilhelm hiermit im Seekriege znr Verfügung hatte, auch<br />

*) Jnftruktion an BlaSpeil 21./31. Mai 75 im GK St.


30 Die Felbzüge be3 großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

nur gering, so hatte er doch wenigstens das erreicht, daß er in Fällen, wo<br />

er einer kleinen Anzahl Von Schiffen bei seinen Unternehmungen bedurfte,<br />

von <strong>der</strong> vereinigten flotte unabhängig war. — Aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach auf den Rath nnd den Vorschlag Bolfey'S ging <strong>der</strong> plan des<br />

Kurfürsten anfangs dahin, die Festung Karistabt an <strong>der</strong> Mündung <strong>der</strong><br />

Weser durch die Flotte z u überraschen und in seine Gewalt ^n bringen;<br />

er hätte dadurch dem Feinde den Flnß gesperrt. Allein bald machte sich<br />

ein Schwanken bei ihm geltend. ES mochte ihm rathsamer erscheinen, die<br />

Flotte gleich nach ber Ostsee zu bestimmen und sich ihrer zu seinen Unternehmungen<br />

gegen Pommern zu bebienen; bann wieber einige Tage später,<br />

am 28. Juli, schrieb er an BlaSpeil unb Romswinckel, baß bie Schiffe<br />

„noch zur Zeit nichts aufs baS stift Bremen noch aufs Rügen ober aufs<br />

Usebom ober Wotlin WaS tentiren möchten, weilt beSwegen mitt ben alliirten<br />

abrebe vorrjero genommen werben muß, fonbern ihren curs nach Lifflanbt<br />

unb aufs bie baranbs gelegene Schwebische Jnseln auffS ef)iste richten unb<br />

nehmen möchten." Er wollte offenbar erst abwarten, wozu sich seine Ver*<br />

bünbeten entschließen, welche Operationen sie mit ber flotte vornehmen<br />

würben. Die Vorstellungen BlaSpeilS unb Romswinckels vom 17. August,<br />

baß ber König Von Dänemark baljin trachte, Karistabt in seiner Gewalt<br />

ZU behalten unb so bie Münbungen ber beiben beutschen Hauptflüfse, bie<br />

sich in bie SWorbfee ergießen, ber Weser unb Elbe, in seinen Besitz zu<br />

fetzen, sowie baß Bolsey nur auf bie Bebingung hin auf ben Kontrakt<br />

eingegangen fei, baß er Rügen unb Bremen unter Kontribution fetze,<br />

bewogen ihn, am 24. August nochmals zu bem plane auf Karlftabt Seine<br />

Zustimmung zu geben. 2 Wochen später, am 10. October, ist jeboch bann<br />

ein völliger Umschwung bei ihm eingetreten. Sticht in ber S^orbsee, auch<br />

nicht in ben östlichen ©etoäsfern ber Ostsee, fonbern gegen bie pommerschen<br />

Küsten soll bie Flotte operireu, soll ihn bei seinen Unternehmungen auf<br />

bem Feftlanb unterstützen. „Wofern ihr nut)n gewisse nachricht habt,<br />

baß Karlftabt so woll provitiret, habt Jl)r bem Obersten de Bolsey anzubeuten,<br />

baß er sich mit feinen Fregatten nun nach ber OstSee begeben,<br />

an Eammin, Wollin, Ufebom unb berorten kreyzen solle", 1 ) so schreibt<br />

ber Kurfürst an BlaSpeil. Die Grünbe bafür finb unschwer zu erkennen.<br />

Erstlich hatte er bie Nachricht erhalten, baß Karlftabt wohl Verproviantirt<br />

unb baß bie Besatzung verstärkt sei, außerdem aber mußte er bei dem langen<br />

Ausbleiben ber verbünbeten Flotten befürchten, baß bk pommerschen Gewässer<br />

bem Feinbe frei unb offen bleiben unb ihm bie Gelegenheit geboten würbe,<br />

Pommern von feuern zu verproviantiren. Allein Bolfey erhielt bie Nachricht<br />

ZU spät. Das Unternehmen gegen Karlftabt war bereits mit großen Verlusten<br />

gescheitert. Erst Mitte November langte er mit ben 3 seelänbifchen Schiffen<br />

*) D. Kurs. a. BlaSpeil, Schwaan, 30. August, 10. Oktober 75, Original*<br />

coneept mit Zusätzen von ©omnttz im G. St.


Die FelbzitQe beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 31<br />

in Kopenhagen an, während Raule mit seiner Mannschaft wegen rückständigen<br />

Soldes in Streit geriet!) und mit seinen Schiffen nach Hollanb<br />

zurückkehren mußte. Von einem weiteren Unternehmen in <strong>der</strong> Ostsee<br />

konnte in diesem Jahre nicht mehr die ?fttbt sein.<br />

Die Flotte hatte die Operationen <strong>der</strong> Verbündeten in keiner Weise<br />

geför<strong>der</strong>t. F u r den Fortgang des FetdzngeS in Pommern war es von<br />

großer Bedeutung, daß es auch den Schweden nicht gelang, mit ihrer<br />

Flotte thätig in die Kämpfe einzugreifen. 1 )<br />

Welches war nun nach <strong>der</strong> Eroberung <strong>der</strong> schwebischen DefensionSlinie<br />

<strong>der</strong> weitere FetdzngSptan des Kurfürsten für seine Operationen<br />

in Pommern? Wie erinnerlich, hatte man in dem KriegSratrje Vom<br />

27. Juli beschlossen, nach dem Vordringen ber Verbündeten Armeen über<br />

bie Peene sich zusammen gegen eine <strong>der</strong> wichtigsten Festungen zu wenden,<br />

o<strong>der</strong> aber, wenn baS nicht möglich fei, das platte Land zu verwüsten und<br />

Wolgast zu Wasser und zu Lande zu belagern, ein Plan, ber von Christian V.<br />

gutgeheißen war. F ur Friebrich Wilhelm war baS nächstliegenbe, sich gegen<br />

Stettin zn wenben. Erstlich hatte biese Besatzung den ganzen Sommer<br />

hindurch unaufhörlich Einfälle in kurbrandenburgischeS Gebiet gemacht,<br />

und ferner konnte er hoffen, in einem eventuellen Friedensschlüsse vor <strong>der</strong><br />

Eroberung von ganz Pommern dieses am leichtesten zu erwerben. Stehen<br />

jedoch hiermit nicht die bisherigen Operationen in Wi<strong>der</strong>spruch, scheint eS<br />

nicht nach diesen, als wolle er Pommern jenseits <strong>der</strong> Peene in diesem<br />

Jahr zu seiner OperationSbafiS machen und etwa Stralsunb belagern?<br />

Durchaus nicht, es war vielmehr ein äußerst geschickt angelegter strategischer<br />

Schachzug Friebrich WilljelmS, ber sich birekt gegen Stettin wanbte. Zunächst<br />

hatte er burch bie Verfolgung ber schwebischen Armee die beiden<br />

Hauptbestandteile <strong>der</strong> feindlichen Besitzungen in Deutschland an <strong>der</strong> Ostsee<br />

und Nordsee von einan<strong>der</strong> getrennt; dies wäre nicht geschehen, wenn er<br />

sich mit fetner Armee direkt gegen Stettin gewandt hätte; vielmehr mußte<br />

er dann jeden Augenblick gewärtig sein, daß die schwedischen Besatzungen<br />

jener DefenfionSlinien und die schwedische Feldarmee fortwährend EntsetzungS*<br />

versuche gemacht und so die Belagerung aufgehalten hätten. Durch die<br />

Einnahme eben dieser Linie trennte er ferner auch die beiden Haupttheile<br />

des schwedischen Pommerns von einan<strong>der</strong>, jenseits <strong>der</strong> Peene Stralsund<br />

mit <strong>der</strong> Jnfel Rügen und <strong>der</strong> Feldarmee als Deckung, diesseits Stettin<br />

mit einer jetzt noch schwachen Besatzung, Von jener Position getrennt, wenn<br />

die Verbündeten jene Linie <strong>der</strong>artig besetzten, daß die Garnisonen Von<br />

l ) Vgl. R. ©chück: Branbenburö=PreußenS Kolontalpotitik unter betn großen<br />

Kurfürsten und seinen Rachfolgern, Berlin 1889, pg. 76 ff. u. H- ^3eter: ^)k<br />

Anfänge ber brbb. Marine; unsf. Beilage b. ©ophiengyntn. in Bertin 1877, pg. 2 ff.<br />

— Die hiev in Betracht kommenden Abschnitte, beson<strong>der</strong>s bie Pläne b. Kurs, über<br />

bie Operationen ber Flotte, find auS dem G. St. ergänzt.


32 Die Felbzüge be§ großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Anklam und Demmin in Schach gehalten würden. Jn <strong>der</strong> That hat<br />

denn auch <strong>der</strong> Kurfürst, nachdem er eine Belagerung WiSmarS aufgegeben<br />

hatte, beabsichtigt, nach Eroberung <strong>der</strong> Peenelinie sich gegen Stettin zn<br />

wenden. Jhm mußte an <strong>der</strong> Eroberung dieses für Brandenburg so<br />

wichtigen Platzes viel gelegen fein, weil er Schweden kein Aequivalent dafür<br />

bieten konnte, nachdem einmal WiSmar an Dänemark abgetreten war.<br />

Andeutungen über fein Vorhaben in gedruckten Quellen finden sich allein<br />

im Diarium Europäum. Bet den Nachrichten aus dem Monat August<br />

heißt eS, daß von Berlin 10 Schütten und ebenso viele O<strong>der</strong>kähne mit<br />

Artillerie und Munition beladen würden und die Ober abwärts fahren<br />

sollten; zu Welchem fttvtd, fei unbekannt. Ferner im Oktober, daß Johann<br />

Georg von Anhalt am 2. üftoVember den Anmarsch deS Kurfürsten erwarte,<br />

und ferner, baß die Besatzung in Stettin sich täglich einer Belagerung<br />

versehe, daß daher den ganzen Sommer hindurch schon 700 Mann an den<br />

Stadtwällen und 600 am Damm gearbeitet hätten.<br />

Völlige Gewißheit über den Plan finden wir in den Berichten und<br />

Jnstruktionen an Johann Georg und den Feldzeugmeister Grafen v. Dotjna<br />

in Küstrin. Schon vom 22. Juli an zeigt sich eine beson<strong>der</strong>e Fürsorge<br />

für die Artillerie und beson<strong>der</strong>s für die Belagerungsgeschütze; die schwersten,<br />

die überhaupt vorhanden find, sollen in Bereitschaft gehalten werden. Den<br />

Hauptstapelplatz für die Artillerie und bit dazu gehörige Munition bildet<br />

Küstrin, baS beson<strong>der</strong>s stark befestigt wird; die großen Prahme und Kähne,<br />

die für die Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Geschütze am dienlichsten waren, werden hier<br />

Zusammengebracht; die westlichen Festungen in <strong>der</strong> Mark, Magbeburg unb<br />

Spanbau, Von Artillerie entblößt. JQättc Friebrich Wilhelm sie nach<br />

Vorpommern ja ber Armee haben wollen, mit anbern Worten, hätte er<br />

bie Absicht gehabt, Stralfunb zu belagern, so wäre ber Weg von Spanbau<br />

havetaufwärtS <strong>der</strong> gegebene gewesen. Gerade daß Küstrin zum Hauptstapelplatz<br />

ersehen und damit die O<strong>der</strong> als <strong>der</strong> Weg bezeichnet wird, auf dem<br />

die Geschütze weiter fortgeschafft werden sollen, weist darauf hin, daß eS<br />

auf Stettin abgesehen war, und z^ar noch in diesem Jahre. Wozu sonst<br />

die Eile, mit welcher <strong>der</strong> Kurfürst die Aufstapelung in Küstrin betrieben<br />

ZU sehen wünscht? Am 20. September wird an Johann Georg <strong>der</strong><br />

Befehl gesandt, dafür Sorge z u tragen, daß <strong>der</strong> Felbzeugmeister bie<br />

gesammte Artillerie mit Ausnahme ber Munition in bie Schiffe bringen<br />

lasse. Alle diese Pläne sollen möglichst geheim gehalten werden. Dieser<br />

seiner Absicht gemäß ertheilte er denn auch am 31. August seinem Statthalter<br />

die Jnstruktton, Stadt und Schanze Gretfenhagen, den wichtigsten<br />

D<strong>der</strong>paß an <strong>der</strong> pommersch-brandenburgischen Grenze am rechten D<strong>der</strong>ufer,<br />

ZU attaquiren, dann einige Entreprisen wi<strong>der</strong> daS schwedische Pommern<br />

vom Haff her thun zu lassen; zu diesem Z^eck den in Küstrin, Frankfurt,<br />

Petz und Kotberg entbehrlichen Besatzungstruppen nebst den übrigen noch


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in pommern 1675—1677. 33<br />

in Brandenburg und Pommern stehenden und den fächfischen Truppen,<br />

Zusammen 3878 Mann Jnfanterie, 1800 Dragonern und 409 Reitern,<br />

also ungefähr 6000 Mann, die Ordre zugehen zu lassen, sich in Bereitschaft<br />

zu halten, damit sie auf nachfolgenden Befehl sofort marfchiren<br />

können. 9?och einmal trägt er ihm auf, den Feldzeugmeister zu veranlassen,<br />

die schwere Artillerie immer in Bereitschaft zu halten. Kurz Vorher, am<br />

23. August, hatte er ihm schon geschrieben, daß er ein gut Theil <strong>der</strong><br />

Besatzung aus Berlin, Küstrin, Spandau und Frankfurt an sich ziehen könne,<br />

„weitl Wir mitt <strong>der</strong> armee alßdann fürstehen und keine gefahr sein wirbt",<br />

eine Aeußerung, die nur dahin verstanden werben kann, baß er alSbann<br />

mit ber Hauptarmee Vor Stettin lagern unb so feine Laube becken werbe.<br />

Rur bann waren bie Besatzungen zum größten Theil entbehrlich unb<br />

sonnten als Felbtruppen verwanbt werben. Schließlich forbert er ihn am<br />

20. Oktober nochmals auf, dafür Sorge zu tragen, daß bie Greifenhagener<br />

Schanze zur rechten Zeit wohl btftyt werbe unb man sich ber Schanze,<br />

welche ztoiftfjen ber Z°Ws^anze unb Damm liegt, bemächtige, unb wenn<br />

solches geschehen, auf Damm etwas zu tentiren unb zur Eroberung biefeS<br />

Orts allen Fleiß aufzuwenben, Vorarbeiten, bie zu einer Belagerung von<br />

Stettin selbst höchst wichtig unb notfjwenbig waren. Ebenso bie Jnftruftion für<br />

den Generalmajor BogiSlav von Schwerin. Schon am 6. August war ihm<br />

bie Weifung zugegangen, auSzukunbfchaften, wie eS um Wollin \tänbtf ob<br />

man nicht etwas barauf vornehmen könne. Jhm war zunächst nur bie<br />

Aufgabe zugebacht, Einfälle ber Schweben von Stettin aus über Damm in<br />

Hinterpommern zu verhinbern. Z u bem gtvcd war ihm auch gar kein<br />

bestimmtes Korps zuertheilt worden, son<strong>der</strong>n er sah sich auf die BefatzungStruppen<br />

<strong>der</strong> hinterpommerfchen Städte, vor Allem von Kolberg, angewiesen.<br />

Durch daS fortwährende Z^öern <strong>der</strong> Flotte, <strong>der</strong> dem verabredeten plan<br />

gemäß die Aufgabe zugedacht war, sich ber Jnseln Rügen, Usebom unb<br />

Wolltn ixx gleicher Zeit z u bemächtigen, ist ber Kurfürst wohl bazu bewogen<br />

toorben, Schwerin einen Theil ber Aufgabe zuzuweisen, bie Eroberung von<br />

SBollin. Am 14. August erhielt er eine überaus günstige Antwort von<br />

biefem. Daraufhin erging am 20. September eine ausführliche Jnstruktion<br />

an ihn, bie aus Preußen kommenben Truppen an sich ^n ziehen, einen<br />

Versuch auf Wollin zu machen unb sich mit Johann Georg zu verständigen,<br />

damit nicht bie Schweben unterbessen Hiuterpommern burch Einfälle<br />

belästigten. Die branbenburgifchen Schiffe sollten bem Beginnen Schwerin'S<br />

von ber See her ihren Beistanb leisten, ein Befehl, ber allerbingS nie zur<br />

Ausführung gekommen ist.<br />

Plötzlich trat eine Aenberung in biefen Plänen ein. üftoch am<br />

16. Oftober schrieb ber Kurfürst an Anhalt, baß er ben Feinb so lange<br />

verfolgen Wolle, bis er ihn aus bem Felde getrieben habe, baß er bann<br />

fein Vorhaben, wie ihm bekannt fei, fortzusetzen gebenke. Am 27. Oktober<br />

Salüfäc (Stubieu «Ji. g. 1. 3


34 Die Felbzüge be§ großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

jedoch schreibt er ihm, baß er „nunmehr entschloffen fei, sofort auf Wolgast<br />

ZU gel)en und denselben Ort hoffentlich z u emportiren". Woher diese<br />

plötzliche Wendung in einem Entschlüsse, an dem er alle diese Monate<br />

trotz so mancher Enttäuschung, die er schon hatte erfahren müssen, festgehalten<br />

hatte? Offenbar ist <strong>der</strong> Grund zu dieser durchgreifenden Aen<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

ganzen Anlage deS FetdzugSplaneS in jenem letzten KrtegSratl) vor Stralfund<br />

ZU suchen, in dem die dänischen Heerführer beschlossen, fiel) mit ihren Truppen<br />

gegen WiSmar z u wenden. Der Kurfürst konnte und mußte nach <strong>der</strong><br />

Verabredung vom 27. Juli erwarten, baß die dänischen Truppen auch<br />

ferner in Pommern operiren würben, allein er täuschte sich. Dänemark<br />

verfolgte bie gleiche reale Jnteressenpolitik wie er selbst und wandte sich<br />

deshalb gegen WiSmar. Allein füf)lte er sich zu schwach, um eine Belagerung<br />

Stettins schon jetzt zu Wagen, um so mehr, als er <strong>der</strong> Schiffe entbehrte,<br />

die eine Verproviantirung und Entsetzung <strong>der</strong> Festung vom steinen Haff<br />

her Verhin<strong>der</strong>n konnten. Jn diesen beiden Punkten, <strong>der</strong> Trennung ber<br />

bänifchen Armee von <strong>der</strong> brandenburgischen und bem Ausbleiben ber dänische<br />

hotlänbifchen F^tte wie ber eigenen Schiffe, find bie Grüube z u suchen,<br />

weshalb Friedrich Wilhelm jetzt bie Belagerung von Stettin aufgab unb<br />

sich einem sicheren Unternehmen zuwanbte, baS ihm schon längst von einem<br />

seiner tüchtigsten Feldherren, dem Generalmajor V. Schwerin, augerathen<br />

war, <strong>der</strong> Belagerung von Wolgaft, trotzdem sowohl dieser als auch Johann<br />

Georg sich ihrer Aufgabe erledigt hatten. 1 )<br />

Schwerin war ber Auftrag geworben, sich Wotltn'S zu bemächtigen,<br />

unterstützt Von ben branbenburgifchen Fregatten, bie verhin<strong>der</strong>n sollten,<br />

baß Von Stettin ober von ilfebom her nach Wollin Verstärkungen geschickt<br />

würben. Die schwebische Besamung war schwach, sie bestand nur aus<br />

400 Mann Jnfanterie und 140 Manu Kavallerie unter dem Oberbefel)!<br />

des Oberstlieutenants V. d. Osten; nach dessen Tode im Spätsommer wurde er<br />

dem Oberstlieutenant Jfensee übertragen. Außer <strong>der</strong> Besatzung <strong>der</strong> Stadt<br />

Wollin und <strong>der</strong> Dtevenower Schanze lag diesen wenigen Mannschaften auch<br />

die Bewachung deS linken Users <strong>der</strong> Dicvenow ob, um einen Ueberfall <strong>der</strong><br />

Jnfel von Hinterpommern her zu verhüten. Der Dienst auf diesen Weit<br />

auseinan<strong>der</strong> gelegenen Posten war beschwerlich und anstrengend. Jnfolge<br />

dessen hatten die Truppen sehr gelitten und neigten zur Desertion. Der<br />

Angriff konnte also unter seljr günstigen Umständen von Schwerin unternommen<br />

werden. Am 6. Oktober meldete er feinem Herrn von Kolberg<br />

aus, daß Alles zu einem Angriff bereit fei. Die Vorwacht gegen die<br />

*) Gebrückt bet Orlich a. a. O. III, pg. 254 ff.; Ergänzungen dazu auS bem<br />

G. St. u. bem Z. A. — Daß beS Kurfürsten Hauptangrtff Schon 1675 auf Stettin<br />

gerichtet gewesen ist, bemerkt schon richtig G. A. H- Stengel: Geschichte beS preuß.<br />

Staates II, pg. 362. Auch bie Beweggründe zur Aenberung be3 Planes ftnb zum<br />

Theil richtig von ihm ersannt.


Die Felbzüge deS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 35<br />

Stettiner Besatzung nach Hinterpommern z u übernahm für diese Zeit<br />

Johann Georg. Mitte September waren endltcf) die aus Preußen<br />

kommandirten Truppen, die beiden Dragonerregimenter H°^ndorf und<br />

Schrieben und 2 Kompagnien vom Reiterregiment Eroy unter Oberst<br />

Rettelhorst eingetroffen. Jn 3 Abtheilungen marfchtrten sie über piathe,<br />

Regenwalde unb LabeS heran. Um feine Truppen so viel als möglich zu<br />

verstärken, hatte er auS den noch ausstehenden pommerschen LehnSpferben<br />

eine wenn auch schlecht bewaffnete Kompagnie Dragoner formirt unter dem<br />

Befel)l deS Kapitäns V. d. Groben, eines sehr tüchtigen Offiziers, außerdem<br />

war aus den Landmilizen noch eine Kompagnie Reiter unter v. Manteuffel<br />

gebildet. So konnte er am 6. Oktober bä Kammin ein allerdings bunt<br />

Zusammengewürfeltes Korps von circa 1900 Mann zusammenziehen. An<br />

Artillerie hatte er 4 Kanonen und 1 Mörser dorthin bringen lassen.<br />

Die Dievenow bildet Vor irjrer Mündung in die Ostsee den 6 km<br />

breiten Kamminer Bodden, so daß eS schwer war, hier einen Uebergang<br />

unb eine schnelle Landung ohne große Verluste inS Werk zu setzen. Die<br />

Kähne unb Böte, 30 an ber Zahl, die er ebenfalls bei ber Stabt hatte<br />

Zusammenbringen lassen, würben auf Wageu gelaben unb weiter oberhalb<br />

bei Latzig an ben hier nur 1 km breiten Fluß gebracht. Dorthin marschirte<br />

er auch am 10. Oktober mit seinen Truppen, um einen Uebergang zu<br />

versuchen. Nachmittags würben bie Böte in aller Stille ins Wasser gelassen<br />

unb sofort mit 400 Mann unter betn Obersten H°l)nborf bemannt. Erst<br />

als sie vom Laube abstießen, bemerkten bie gegenüberftehenben Wachtposten<br />

baS Vorhaben, eS war zu spät, von bem nahen Wollin noch ^)üfe herbeizuholen.<br />

Bis gegen Abend hatten sämmtliche Truppen den Uebergang<br />

vollendet. Der platz war gut gewählt. Schwerin stand mit seiner Ueber*<br />

macht zwischen <strong>der</strong> Stadt Wollin unb bem Oberstlieutenant Jsensee, ber<br />

sich mit 3 Kompagnien Reitern unb Dragonern in bie Stabt werfen wollte.<br />

Jn ber Sftacht rückte Schwerin selbst mit bem Regiment Schtieben gegen<br />

bie Dievenower Schanze vor, bie sich ohne Wiberftanb zu leisten ergab.<br />

Die ganze Besatzung, außer bem kommanbirenben Offizier, ber sich nach<br />

Wollin begeben bürste, würbe in branbenburgtfche Dienste gesteckt, üftachbem<br />

er ben platz burch einen Theil beS Regiments hatte besetzen lassen, rückte<br />

er mit bem anbern bis an bie Swine vor unb ließ hier eine Schanze<br />

erbauen. Nachmittags trat er ben Rückmarsch an zu bem GroS beS HeereS,<br />

das vor Wollin stanb. Ein nochmaliger Versuch Jfenfee'S, sich in bie Stabt<br />

ZU werfen, würbe von jenem zurückgewiesen. Kaum war Schwerin am<br />

Slbenb vor ber Stabt angelangt, so befahl er zu stürmen, ba die vor ber<br />

Festung befinblichen Truppen nach ber Swine znrückgebrängt waren unb<br />

er einen Angriff im Rücken nicht zu befürchten brauchte. An 3 Stellen<br />

tourbe zn gleicher Zeit znm Angriff geblasen, am Swinethor, an ber<br />

Brücke zwischen ben beiben Bollwerken unb an biesen seltst. Der Sturm


36 Die FelbzitQe deS großen Kurfürsten in ponunern 1675—1677.<br />

gelang vollkommen. Ohne vom Feinde behelligt zn werden, drangen sie<br />

bis unter die Kanonen Vor. Ein alsdann auf sie eröffnetes Feuer richtete<br />

keinen großen Schaden an. Bresche z u schlagen-, die Wälle zu besteigen<br />

und die Thore zu öffnen, war das Werk einer viertel Stunde. Der<br />

Kommandant <strong>der</strong> Festung, Oberst GrubeufelS, blieb mit 70 Mann auf<br />

dem Walle. An weiteren Wi<strong>der</strong>stand war nicht zu denken. Die Stadt<br />

wurde besetzt, an Kanonen und Munition ein beträchtlicher Vorrath gefunden.<br />

Schneller wohl, als Freund und Feind erwartet hatten, war das Unternehmen<br />

gegen Wollin gelungen. Plün<strong>der</strong>ung hin<strong>der</strong>te er so viel als möglich,<br />

um die Bewohner für das neue Regiment zu gewinnen. Jsensee war nach<br />

Usedom entkommen. Hätte Schwerin Ordre gehabt und über mel)r Truppen<br />

verfügt, so würbe er sofort über bie Swine gesetzt sein unb auch Usebom<br />

vom F e iube gesäubert haben. DaS Dragonerregiment H°^nborf unb bie<br />

beiben Kompagnien Vom Kavallerieregiment Sroy marschirten nach Stargarb<br />

zurück unb betften biese Gebiete gegen schwebische Einfälle. Schwerin begab<br />

sich nach Kolberg. Den Oberbefehl auf Woltin vertraute er bem Oberst<br />

v. Schlicben an. Außer beffen Regiment blieben noch 300 Mann Jnfanterie<br />

von bett BefatzuugStruppen aus Kolberg baselbst zurück, um bie Jnsel gegen<br />

feinbliche Angriffe Von Usebom unb Stettin her z u sichern. Swine unb<br />

Dievenow würben mit Postenketten besetzt, so baß sich jene Truppenzal)!<br />

balb als zu gering herausstellte unb bie beiben Kompagnien unter Groben<br />

uub Manteusfel, bie ursprünglich jtt Johann Georg sich hatten begeben<br />

sollen, noch bazu kommanbtrt werben mußten. Schwerin hatte bie Besetzung<br />

Von Wollin gleich als nur halbgethane Arbeit angesehen, eS jeboch nicht<br />

gewagt, mit feiner geringen Mannschaft nach Usebom überzusetzen. Schlieben<br />

Zog nach bem Abmarsch ber übrigen Truppen Kunbschaft ein, wie stark<br />

bie Sftachbarinsel besetzt sei, unb erfuhr, baß bort außer den von Wollin<br />

entkommenen Truppen beS Oberstlieutenants Jsensee nur noch 2 Kompagnien<br />

stäuben, im Ganzen 400 Mann, bit sich in bie festen Plätze, Swiner<br />

unb Peenemünber Schanze sowie Usebom zurückgezogen hätten unb alle<br />

Proviautvorrätfje baselbst zusammenbrächten. Am 16. setzte ber Oberstwachtmeifter<br />

Lange mit 250 Dragonern über bie Swine unb schon am<br />

folgenben Tage konnte er Schwerin melben, baß baS platte Lanb bt)ti^t<br />

unb es Zeit fei, bis nach Wolgast vorzubringen. Gleich barauf ergab<br />

sich auch bie Stabt Usebom. Alle schwebischen Truppen, bie sich noch auf<br />

ber Jnsel befanben, z°9 e n sich nach Wolgast unb theilweise sogar birekt<br />

bis GreifSwalb zurück. Auf bie Nachricht von biesen weiteren Erfolgen<br />

kehrte Schwerin mit bem Regiment H°fynborf nach Wollin zurück, um<br />

für bie wettere Besetzung unb Sicherung ber einzelnen punkte Sorge zu<br />

tragen. Er war mit bem allzu schnellen Vorgehen SchliebenS burchauS<br />

nicht einverstanben, weil bie Armuth ber Bewohner auf Usebom infolge<br />

beS rücksichtslosen Vorgehens ber Schweben berartig brücfenb war, ba^


Die Felbzüöe beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 37<br />

hier unmöglich eine größere Anzahl Truppen unterhalten werben konnte,<br />

ohne Magazine z u errichten. Auch verfügte er nicht über die nöthige<br />

Truppenstärke, die zur Behauptung einer so ausgedehnten Stellung nöthig<br />

war. SXiocf) bedenklicher wurde sie, weil sich Wolgast im feindlichen Besitz<br />

befand. Allein er war nicht <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> einmal in Besitz genommene<br />

Positionen leichten Kaufes wie<strong>der</strong> preisgab; es galt sie z u behaupten.<br />

Zunächst wurde ein Angriff, den jene Reiter, die sich nach Wolgast zurückgezogen<br />

hatten, unternahmen, um die Jnsel wie<strong>der</strong> zu erobern, zurückgeschlagen.<br />

Trotz <strong>der</strong> geringen Macht, welche Schwerin ihnen entgegenfetzen<br />

konnte, jaulten sie beim ersten Anblick Fersengeld und warteten einen<br />

Angriff gar nicht ab, ja ließen sogar noch Reiter und Pferde als Beute<br />

Zurück. Sie legten sich in das Schloß Wolgast, weil sie wegen beS Vormarsches<br />

<strong>der</strong> branbenburgifchen Hauptarmee Stralfund nicht mehr erreichen<br />

konnten. Um eine Landung des Feindes zu hin<strong>der</strong>n, <strong>der</strong> auf dem H a ff<br />

mit 4 Kapern txtu^tc, ließ er an beiden Ufern <strong>der</strong> Swine und am Achterwaffer<br />

Wachtposten aufstellen. Gegen Wolgast schützte er sich durch eine<br />

starke Vorwacht, welche in <strong>der</strong> Landenge lag, die daS Achterwaffer mit<br />

<strong>der</strong> Ostsee bei Eoserow bildet. Trotzdem war seine Stellung wenig<br />

sicher, so lange Wolgaft sich in <strong>der</strong> Gewalt deS Feindes befand. Jmmer<br />

wieber drängte bal)er Schwerin iu ben Kurfürsten, sich gegen biese Festung<br />

Zu wenben, ba er hoffte, alSbann von ber Hauptarmee Verstärkung zu<br />

erhalten. Hierin freilich täuschte er sich, selbst eine persönliche Rücksprache<br />

brachte ihm nicht bie gewünschte Unterstützung; dafür würbe jeboch burch<br />

die Eroberung von Wolgaft <strong>der</strong> Besitz ber beiben Jnseln gesicherter. 1 )<br />

Der letzte Angriff auf bie schwebische Stellung in Pommern in biefem<br />

Jahre geschah ö °n Johann Georg. Er hatte für feine Operationen ein<br />

KorpS von etwas mehr als 4000 Mann übrig behalten. Gemäß bem<br />

Befehle beS Kurfürsten waren biefe bei Schwebt a. O. zusammengezogen,<br />

hatten hier ben Anmarsch ber beiben sächsischen Regimenter erwartet uub<br />

ihren Marsch am 21. Oktober Ober abwärts auf Greifenhagen zu genommen.<br />

Als Johann Georg bieffeits ber Ober in baS schwebische Gebiet eingerückt<br />

*) Von ber Eroberung WolltnS haben einen ausführlichen Bericht allein b.<br />

Th. Eur. XI, pg. 223 f. und <strong>der</strong> pomni. Greif pg. 129 ff. Beiben hat offenbar<br />

ber Bericht auS dem G. St. Vorgelegen, ben sie z« T wörtlich wie<strong>der</strong>geben. Eine<br />

wichtige Ergänzung bilden die Briefe Schwerins an Joh- G. und die deS Obersten<br />

b. ©chltebeu im Z. A. — BogiSlav V. ©chro., ein Bru<strong>der</strong> deS Oberpräftdenten<br />

Otto ü. ©chtov erscheint als einer <strong>der</strong> befäln'östen und tüchtigsten Generäle deS<br />

Kurfürsten; feine meistens französisch geschriebenen, eigenhändigen Briefe geigen unS<br />

chn als einen energischen und doch einsichtsvollen, alle Eventualitäten woljl erwägenden<br />

Feldherrn. — Woher DroySen a. a. O. pg. 358 die Rachricht hat, daß ihm 6000<br />

9Kann zur Verfügung gestanden hätten, ist mir nicht bekannt. Vielleicht verwechselt<br />

er eS mit den Truppen, die sich überhaupt in Hinterpommern befanden. Obige<br />

©tarke ergiebt sich auS Beilage I.


38 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

War, zog sich <strong>der</strong> Feind sofort aus Greifenhagen nach <strong>der</strong> gegenüberliegenden<br />

Schanze bei Garz zurück. Aber auch diese Stellung wurde bald Verlassen;<br />

die Besatzung retirirte mit <strong>der</strong> Munition nach Stettin, nur die auf einer<br />

Jnsel mitten im Strom liegende Zollschanze wurde befetzt gehalten. Der<br />

Magistrat übergab die Schlüssel <strong>der</strong> Stadt dem Fürsten. Allen Bewohnern<br />

kam die Besitzergreifung sehr gelegen. Die schwedischen Truppen hatten<br />

hier übet gehaust, und man befürchtete eine allgemeine Plün<strong>der</strong>ung durch<br />

sie. Die Ritterschaft bot auS freien Stücken so viel Kontribution an, als<br />

sie z u geben vermochte. Auch hier wurde das Princip Verfolgt, das sich<br />

Friedrich Wilhelm in diesem ganzen Kriege znm Gefetz gemacht hatte,<br />

die Landbevölkerung möglichst zu schonen und dadurch gegen die Festungen<br />

und Städte, die meistens zu Schweden hielten, ein Gleichgewicht zu gewinnen.<br />

Die ganze Jnfanterie konnte infolge <strong>der</strong> vielen Brandstätten in <strong>der</strong> Stadt<br />

lagern, ebenso die Artillerie, während die Kavallerie auf die nächsten Dörfer<br />

nach Stettin und Damm zu vertheilt wurde. Sftoch am 23. Oktober ging<br />

<strong>der</strong> Generalfeldzeugmeister Graf Dohna mit nur geringer Mannschaft über<br />

die O<strong>der</strong>, um die von ben Schweden verlassene Schanze bei Garz z u<br />

besichtigen und von hier auS die Zollschanze anzugreifen. Anfangs wi<strong>der</strong>stand<br />

diese mit ihrer geringen Besatzung dem in <strong>der</strong> 9?acht unternommenen<br />

Angriff tapfer. Erst als auch Vom rechten O<strong>der</strong>ufer her neue Truppen in<br />

ben Kampf eingriffen, wurde <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand nutzlos. Die Schanze ergab<br />

sich und wurde ebenso wie die bei Garz gelegene Vollkommen bemolirt.<br />

Johann Georg wollte nunmehr Vorkehrungen zur Belagerung von<br />

Stettin treffen in ber Meinung, baß bie Hauptarmee heranrücken werbe.<br />

Allein ber Kurfürst hatte gerabe in biefer Zeit feinen Plan geänbert unb<br />

Wanbte sich gegen Wolgast. Er hoffte, daß Anhalt noch in diesem Feld-<br />

Zuge sich beS DammeS zwischen Stettin unb Alt-Damm bemächtigen werbe,<br />

ba bie in Stettin liegende Kavallerie, die den größten Theil <strong>der</strong> Besatzung<br />

ausmachte, ihn Wegen <strong>der</strong> schmalen und engen Pässe nicht belästigen könne.<br />

Allein Johann Georg fühlte sich mit seinem Korps für <strong>der</strong>artige Unternehmungen<br />

z u schwach, überdies traute er den sächsischen Regimentern<br />

nicht mehr. Verstärkung von <strong>der</strong> H au Ptarmee traf nicht ein. So unterblieb<br />

baS Unternehmen. Wenige Tage später langte ber Befel)l beS Kurfürsten<br />

im Lager an, bie Winterquartiere zu beziehen. 1 )<br />

*) Der Bericht auS dem kurbrb. Lager im Z. A. ist im Diar. Eur. XXXIII,<br />

pg. 28 ff. abgedruckt.


gelbjüge bc§ grofjen Kurfürsten in sommern 1675—1677. 39<br />

III. Mmpft nm Utolgaß. politische sage t)on<br />

1675 3U 1676.<br />

Der Kurfürst gab nach dem Abzug des dänischen HeereS natürlich<br />

jeden Versuch auf, eine <strong>der</strong> Vorstädte von Stralsund zu besetzen o<strong>der</strong> den<br />

Feind hier noch Weiter zu verfolgen. Seine strategischen Unternehmungen<br />

bekommen einen an<strong>der</strong>en Charakter. Hatte er bis jetzt versucht, durch möglichst<br />

schnelle Vorstöße die Kraft des Gegners lahm z u legen, so gewann sein<br />

Vorgehen jetzt ein weit vorsichtigeres Aussehen. Lieber gab er eine Unternehmung<br />

auf, als daß er etwas fjafarbtrte. ^tcht zum mindesten mag<br />

ihn in <strong>der</strong> Folgezeit die bedachtsame und geschickte Haltung seines HauptgegnerS,<br />

des Grafen KönigSmard, dazu bestimmt haben.<br />

Er kehrte mit seinen brandenburgischen Truppen über Elmenfjorst,<br />

Loitz, Jarmen nach Gutzkow in sein Hauptquartier zurück, wo er am<br />

26. Oktober wie<strong>der</strong> eintraf. Eine nochmalige RekognoSciruug <strong>der</strong> 3<br />

Uebergänge über die Peene bei Loitz, Jarmen und Gutzkow hatte zu dem<br />

Resultat geführt, daß letzterer <strong>der</strong> am besten gewählte sei. Sofort nach<br />

seiner Ankunft wurde mit <strong>der</strong> Befestigung begonnen, ^ach ihrer Vollendung<br />

brach er mit <strong>der</strong> ganzen Jnfanterie und Artillerie nebst 4 Reiterregimentern<br />

und dem Dragonerregiment Grumbkow gegen Wolgast auf; <strong>der</strong> ^ t <strong>der</strong><br />

Kavallerie und Dragoner wurde zur Deckung <strong>der</strong> Belagerung gegen GreifSwalb<br />

und Stralsunb verwandt. Z um ©djntz <strong>der</strong> Gützkower Fähre blieb<br />

Major Elawitz vom Regiment Fargel mit 300 Mann zurück. 9foch am<br />

Tage deS Aufbruchs, am 31. Oktober, gelangte das H ee r über Dambetf<br />

nach Zü"ffoto. Von hier aus schickte er den Oberstlieutenant Rommel<br />

mit <strong>der</strong> Avantgarde, 500 Mann Jnfanterie und 300 Reitern, voraus, um<br />

die Stadt Wolgaft zu besetzen und damit das Schloß von dieser Seite zu<br />

cerniren. Bereits am nächsten Tage konnte <strong>der</strong> Kurfürst mit dem ganzen<br />

Heer in <strong>der</strong> Stadt und den umliegenden Dörfern die Quartiere beziehen.<br />

Jene 4 Regimenter Kavallerie, die er mitgenommen hatte, sollten dazu<br />

dienen, das BelagerungSl)eer gegen Anklam zu decken.<br />

Die Stadt selbst war gar nicht befestigt, nur von einer alten Stadtmauer<br />

umgeben, dagegen befand sich das Schloß in einem trefflichen<br />

VerthetdtgungSzustand. ES lag auf einer Peeneinfel, dem sogenannten


40 DieFeldzüße des großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Schloßplatz, Von welcher nur die kleine südöstliche Ecke nicht in die Befestigung<br />

deS Schlosses hineingezogen, son<strong>der</strong>n nur durch 2 kleine Schanzen geschützt<br />

war. Die Verbindung mit <strong>der</strong> Stadt wurde durch eine Zugbrücke vermittelt.<br />

Außer dem Wall und Graben dienten dem Von sehr diesen Mauern umgebenen<br />

Schloß noch 6 Erdbaftionen und 2 feste Thürme zum Schutz. Alles, was<br />

man aus <strong>der</strong> Stadt retten wollte, hatte man hier zusammengebracht. Die<br />

Besatzung betrug 400 Mann Jnfanterie; dazu kamen noch jene 350 Retter<br />

unter dem Oberstlieutenant Ribbing, welche den vergeblichen Versuch gemacht<br />

hatten, die Brandenburger Von Usedom zu Vertreiben und die Peenemün<strong>der</strong><br />

Schanze stärker zu besetzen, und sich dann vor Schwerin mit Zurücklaffung<br />

<strong>der</strong> Pferde nach Wolgast zurückgezogen hatten. Kommandant beS Schlosses<br />

War <strong>der</strong> Major Blir..<br />

Der Besitz dieses Platzes war für beide Parteien von <strong>der</strong> größten<br />

Wichtigkeit; er schloß die Münbung ber Peene, ber bamals noch wichtigsten<br />

Verbindung beS großen unb kleinen H a ff3 mit ber Ostsee. So waren<br />

Stettin unb Anklam, wenn Wolgast in ben Besitz beS Kurfürsten kam,<br />

Vollkommen Von ber See, also nicht nur von Schweben, sonbern auch<br />

von Rügen unb Stralfunb abgeschnitten. So charakterifirt BogiSlaV<br />

V. Schwerin bte Bebeutung von Wolgast ganz jutreffenb, wenn er sagt:<br />

„il m'etonne grandement qu'Elle (Son Altesse) n'a dejia faiet prendre<br />

Wolgast; car c'est le vray Heu, qui ferme la bouchure de la Pene et<br />

serre la gorge de Stetin mesme celle d'Aiicklam". Jn richtiger<br />

Erkenntniß ber Wichtigkeit bieseS Platzes machte ihm fein' mit ben Oertlichkeiten<br />

wohl Vertrauter Feldherr fett 3 Monaten Vorstellungen, Wolgaft zu<br />

erobern, um babttrch bte übrigen Operationen zu erleichtern. 1 )<br />

Gleich nachbetn baS Heer feine Quartiere bezogen hatte, begann ber<br />

Kurfürst hinter ben Häufern ber Straßen an ber Peene entlang stromabwärts,<br />

also auf bem linken ^tüget ber AngriffSfront, von ber heutigen<br />

kleinen Brücke an, Batterien bauen zu lassen, eine Arbeit, bte um so<br />

leichter ausgeführt werben konnte, als bie Belagerer burch bte Häufer unb<br />

bie bavor befinblichen Gartenmauern gebetft würben. So richteten bie<br />

fetnblichen Geschütze mit ihren 22- unb 20pfünbigen Geschossen, ihren<br />

Branbkngetn unb Granaten wenig Schaben an. Jnnerrjalb ber 8 Tage, bie<br />

mit ben Arbeiten an ben Batterien unb Laufgräben vergingen, würben<br />

nicht mehr als 12 Mann verwunbet ober getöbtet. Selbst bie Häuser<br />

ber Stabt litten nur wenig Schaben. Am 2. November war auch baS<br />

Kaiserliche Hilf^korpS enblich Von TribfeeS herangerückt; ohne eine Besatzung<br />

Zurückzulassen ober ben Uebergang z u sichern, hatten sie ihn Verlassen.<br />

AlSbatb begannen sie auf dem rechten F^üoel zwischen ber jetzigen kleinen<br />

Brücke unb ber großen Zugbrücke ihre Arbeit, bie burch ben Mangel jeber<br />

Deckung bebeutenb erschwert würbe. Um für bie branbenburgifche Kavallerie,<br />

*) Schwerin an Anwalt d. d. Usedom, 22. Oktober 1675 im Z. A.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 41<br />

die schon sehr gelitten hatte, die Von Ribbing auf Usedom zurückgelassenen<br />

Pferde einzusaugen, schickte <strong>der</strong> Kurfürst eine Abtheilung Von 300 Rettern<br />

über die Peene, <strong>der</strong> Fang glückte. Dagegen mißlang ein Versuch auf die<br />

Peenemün<strong>der</strong> Schanze am Ausfluß <strong>der</strong> Peene in die Ostsee. Jhr Besitz<br />

war für die Schweden von großer Bedeutung, weil von den Stralsun<strong>der</strong><br />

©chiffen, die am Rüben vor Anker lagen, unbehin<strong>der</strong>t kleine Schaluppen<br />

zur Unterstützung von Wolgast in die Peene hineingesandt werden konnten.<br />

5 passirten in <strong>der</strong> That glücklich daS Feuer einer am äußersten Ende<br />

des linken Flügel aufgeworfenen Schanze, 2 davon gelangten mit ihrer<br />

Ladung zum Schlosse, während die 3 an<strong>der</strong>n weiter stromaufwärts landeten.<br />

Unterdessen ließ Bliy die 3 Bastionen <strong>der</strong> Angriffsfront <strong>der</strong> Belagerer<br />

gegenüber noch stärker befestigen. Sfteue Schießlöcher wurden gebohrt, auf<br />

den Wällen Verschanzungen und stachlichte Barrieren angebracht, Balken,<br />

Planken und Piken hinauftranSportirt, die die Schweben während beS<br />

Ansturmes unb beS ErkletternS ber Wälle auf ben Feinb rn'nabwerfeu<br />

wollten. Am Abenb beS 8. November waren alle 6 Batterien, 2 kaiserliche<br />

unb 4 branbenburgische, voltenbet, über 30 Kanonen unb Mörser hatten<br />

ihren Schlunb gegen bie Festung gerichtet, sämmtliche Laufgräben waren<br />

gezogen. Kaum graute am nächsten Tage ber Morgen, so würben bie<br />

Belagerer mit 2 Kanonenschüssen begrüßt, zum ersten Male beantworteten<br />

alle 6 Batterien zugleich biese Salve, üftach einem am Abenb vorher<br />

abgehaltenen KrtegSratl) sollte früh Morgens bie Kanonabe auf baS Schloß<br />

eröffnet werben. Diese hielt ben ganzen Vormittag über an, bie Artillerie<br />

würbe burch ein lang anbauernbeS Musketenfeuer unterstützt, so baß eine<br />

Reche ber feinblichen Geschütze überhaupt nicht zum Laben kam. Jn 3<br />

bis 4 Stunben waren bie Schießscharten zertrümmert, alle feinblichen<br />

Batterien bis auf eine zum Schweigen gebracht. Balb barauf entschieb ein<br />

unerwarteter Erfolg vollenbS zu Gunsten ber Verbünbeten. Um 11 Uhr<br />

Mittags setzten Gewehrkugeln eine Pulverkammer in Branb, ein Theil<br />

beS Schlosses flog in bie Luft unb würbe auf ein Gewölbe geworfen, in<br />

bem baS übrige Pulver lag. Wären bie Laufbrücfen, Schiffe unb Boote<br />

ber Belagerer zur Hanb gewesen, so würbe bei ber Bestürzung unb neuen<br />

Arbeit, welche bieser Vorfall im Schlosse verursachte, ein sofortiger Sturm<br />

gelungen sein. Allein erst für ben nächsten Morgen um 9 Uhr hatte ber<br />

Kurfürst ihn ansagen lassen, in 5 Kolonneu, zusammen 1728 Mann,<br />

sollte er vor sich gehen, außer bem waren noch 169 Mann auf bem äußersten<br />

Enbe beS linken Flügels gegen bie Bastion, welche ben Fluß stromabwärts<br />

beherrschte, kommanbirt Diese sollten in kleine Boote eingeschifft werben,<br />

um einen Entsatz vom Rüben her zu hinbern. Die Attaque staub unter<br />

bem Befehl beS Obersten Schöning. Doch es kam nicht so Weit. Die<br />

Löschungsarbeiten im Schloß nahmen einen großen Theil ber Besatzung in<br />

Anspruch, glühenbe Kugeln brorjten jeben Augenblick einen anberu Theil


42 Die Felbaüge beS großen KurfürSten in Ponnneru 1675-1677.<br />

in Brand zu fetzen. So zog <strong>der</strong> Kommandant es vor, einer Auffor<strong>der</strong>ung<br />

zur Unterhandlung Folge z u leisten. Hauptmann Maßmann Vom Regiment<br />

Grotf)ufen und Hauptmann Görtz vom Regiment Horn kamen in daS<br />

kurfürstliche Lager, um die Verhandlungen zu führen. Die einzelnen Punkte<br />

des Akkordes waren bald festgestellt. Allen schwedischen Sftationalvötkern,<br />

allen schwedischen Lanbsafsen und Artilleriebedtenten wurde freier Abzug<br />

mit Bagage nach Stralfund gewährt, wohin brandeuburgifche Truppen sie<br />

eSkortirten. Auch die deutschen Truppen erhielten die Erlaubniß, sich nach<br />

Stralfund ^n begeben, doch wurde ihnen freigestellt, bei dem Kurfürsten<br />

Dienste zu nehmen. Geschütze, Munition und Proviant mußten zurückgelassen<br />

werden. 18 Kanonen, 1 Mörser und 2 Feldschlangen fielen in<br />

die Hände des Eroberers, dazu 180 Centner Pulver, 1200 Piken, 400<br />

Granaten, 20 Pechkränze, 500 Musketen mit 50000 Kugeln und 11 Wispel<br />

Mehl. Mit 370 Mann Jnfanterte und 250 Reitern zog <strong>der</strong> Kommandant<br />

ab. Am Abend des TageS <strong>der</strong> Uebergabe, am 10. November, rückten<br />

2 Kompagnien vom Regiment G0I5 und 2 vom Regiment Dönhoff als<br />

brandeuburgifche Besatzung in das Schloß ein. Kommandant wurde Oberst<br />

Hallarb. Es gelaug den Brand zu löschen und so den Proviant und die<br />

Munition zu retten. Beson<strong>der</strong>s willkommen war dem Kurfürsten die<br />

Beute an Proviant, weil (30 Magazutwagen, die aus dem Mecklenburgischen<br />

kamen, Von den Schweden bei Anklant aufgefangen waren und die Unterstützung<br />

von Usedom her fel)r gering fein mußte. Um daS Schloß Vor<br />

einem Angriff <strong>der</strong> Schweden möglichst zu sichern, wurden, gleich nachdem<br />

die Besatzung eS bezogen hatte, die durch bk Belagerung entstandenen<br />

Beschädigungen wie<strong>der</strong> ausgebessert und vor <strong>der</strong> Zugbrücke noch ein Ravcltn<br />

angelegt. 1 )<br />

Dem schwedischen Kommandanten ist diese schnelle Kapitulation sehr<br />

Verdacht worden. Er wurde vor die KriegSkomiuifsion gestellt, die auS<br />

Schweden herüberfam, um die Zustände beim Heer z u untersuchen. Sie<br />

Verurteilte ihn zum Tode, dem er sich jedoch durch die F^cht auS dem<br />

Gefängnisse entzog. Die Gründe, die ifjn z u diesem schnellen Schritt<br />

] ) Bei <strong>der</strong> Belagerung Von Wolgast ist Vor Allem ber ausführliche Bericht<br />

bei Buch in Betracht zu gießen, bazu Berichte beS Kurfürsten an Johann Georg<br />

im Z. A., ber feljr eingebend ist, an bit Regierung zu Minben im K. A. und an<br />

Oranien in Copie im G. St ^k gebrückten Darstellungen unb Berichte schließen<br />

sich biefen an. — Daß bie Bebeutung Wolgaft'S Don ben Zeitgenossen wol)l geroürbigt<br />

würbe, zeigt bie ausführliche Darstellung, bie MagiruS pg. 246 f. Von ber Belagerung<br />

giebt, ber bie übrigen Operationen feljr kurz bel)anbelt. — Eine Karte Don Wolgast<br />

ftnbet sich im Theatr. Eur. XI 724, mit ber eine im K. A.r Kartenabtheilung,<br />

befinbltche übereinstimmt. Die in Martin Zeiler: Topograpkia Electoratus<br />

Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae, Frankfurt ant Wlaijn 1652, enthaltene<br />

giebt als Befestigung ber ©tabt eine mit Thürmen versehene ©tabtmauer an, bie<br />

auf ben übrigen Karten fehlt. — Für ben beabsichtigten ©turnt vgl. „Disposition<br />

ber atacke für Wolgaff im G. St.


Die Felbzüge beS ßroßen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 43<br />

veranlaßt haben, mögen vor Allem in dem Brande <strong>der</strong> Pulverkammer,<br />

<strong>der</strong> daS ganze Schloß bedrohte, und in dem Mangel an Brod gelegen<br />

haben, das durch das Feuer vollständig vernichtet war. 1 ) Allein erwägt<br />

man, daß diesem Bedürfniß durch die 11 WiSpel Mehl hätte abgeholfen<br />

werden können, ferner, daß die sehr gute und kriegstüchtige Besatzung die<br />

Brandenburger wohl hätte hin<strong>der</strong>n können, Brüden anzubringen und daß<br />

schließlich eine Ueberfahrt schwer ins Werk zu setzen war, weil den Belagerern<br />

nur 11 Schiffe zur Verfügung standen, so wird man den Kommandanten<br />

doch nicht von Uebereilung frei sprechen können. Ohne zwingende Nothwendigkeit<br />

hatte er einen für die weiteren Operationen wichtigen Platz dem<br />

Feinde überlassen.<br />

Währenb <strong>der</strong> Belagerung hatte die Kavallerie andauernd Plänkeleien<br />

mit den benachbarten Garnisonen bestehen müssen, die die Belagerung<br />

aufzuhalten suchten. KönigSmanf beabsichtigte Anfangs Wolgast zu entsetzen,<br />

aber als er hörte, daß es sich schon ergeben habe, verzichtete er auf einen<br />

Angriff; möglich, daß dieser jetzt Von Erfolg gewesen Wäre, denn daS<br />

brandenburgische Heer hatte während <strong>der</strong> Belagerung außerordentlich gelitten.<br />

Bodo V. Gladebecf, <strong>der</strong> GeneralkommtssartuS <strong>der</strong> Armee, schrieb ant<br />

14. November aus Wolgast seinem Herrn, bei <strong>der</strong> Noth, die jetzt herrsche,<br />

gehe feine kurfürstliche Reputation Verloren. Die kaiserlichen Kommissarten<br />

klagten, daß sie solche Noth noch nicht gelitten hatten, <strong>der</strong> ganze KriegSetat<br />

stehe in <strong>der</strong> größten Gefahr, eS gebe Regimenter, die über 200 Kranke<br />

hätten. Sollte <strong>der</strong> Feind mit seinen gemietheten Leuten auf diese verhungerten<br />

und kranken Milizen gehen, so könne <strong>der</strong> Erfolg nicht zweifelhaft sein;<br />

künftighin möge er mit den Generalen nicht nur für die Aktionen, son<strong>der</strong>n<br />

auch für den Unterhalt und die Konservation <strong>der</strong> Armee sorgen. 2 ) Die<br />

mangelhafte Verpflegung in Feindesland trug die Hauptschuld an diesem<br />

elenden Zustande <strong>der</strong> Armee. Dazu war schon in den letzten Tagen <strong>der</strong><br />

Belagerung daS ungesunde, nasse Herbstwetter eingetreten, abwechselnd mit<br />

hartem Frost, Welches gleichfalls auf das H ee r sehr ungünstig einwirkte.<br />

Der Kurfürst selbst wurde wieber von seinem alten Leiben, <strong>der</strong> Gicht,<br />

befallen. Johann Georg unb Schwerin konnten ber Hauptarmee keine<br />

Unterstützung senben, ba hier ber Znstanb ber Truppen womöglich ein noch<br />

schlechterer war. 3 )<br />

! ) @o in dem Bericht beS Kurs, an Anhalt.<br />

2 ) Jm G. St. eigenhändig.<br />

3 ) mit sehr bie Truppen gelitten haben, davon legt eine Verlustliste im Z. A.<br />

ein berebteS Zeugniß ab, d. d. Greifenhagen 3./13. Rovember 1875:<br />

Rame deS Regiments Stärke Verlust Procent<br />

1. Croy 280 Mann 61 Mann 22<br />

2. Doljna 501) „ 60 „ 12<br />

3. Helldorf 483 „ 53 „ 11<br />

4. Kurprinz 501 „ 87 „ 17


44 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Bis nach <strong>der</strong> Eroberung von Wolgast hatte <strong>der</strong> Kurfürst an feinem<br />

Plan festgehalten, sich sofort gegen Anklam zn wenden und dies noch im<br />

Winter zum Fall Z u bringen. Dann mußte nach feiner Berechnung im<br />

nächsten Frühjahr Stettin fallen. „Wann Gott mir Glück zu Anclam<br />

giebt, so ist Stettin ganz be)chloßen, daß kein succurs hinein kommen kann;<br />

Undt hoffe also mit Stettin auch baldt fertig zu weroen, weilen von allem<br />

mangel darin seyn soll", so schreibt er am 12. November an Dranien. 1 )<br />

Er ahnte nicht, baß mit <strong>der</strong> Eroberung von Wolgast erst ein kleiner Anfang<br />

Zu dem vierjährigeu FeftungSkriege gemacht fei, <strong>der</strong> sich von Jahr zu Jahr<br />

immer schwieriger gestaltete. Die Schweden hatten die richtige Art zur<br />

Vertheidigung deS Landes gewählt. Zunächst bewog ihn jetzt <strong>der</strong> schlechte<br />

Zustand feiner Armee, einer Belagerung AnklamS in diesem Jahre sich zu<br />

entfchtagen und die Winterquartiere aufzusuchen. Jenseits <strong>der</strong> Peene, wo<br />

das platte Land von den Schweden völlig verwüstet war, konnte er unmöglich<br />

Quartiere beziehen. So brach er nach kurzer Rast Vor Wolgast am<br />

15. November auf und gelangte schon TagS darauf nach Gutzkow, weil<br />

alle Dörfer, wo Quartiere aufgeschlagen werden sollten, Voller Kranke lagen.<br />

Sosort wurde die Brücke, die von dem Feinde zerstört war, wie<strong>der</strong>hergestellt,<br />

und am 18. begannen die Kaiserlichen als die ersten Kolonnen über die<br />

Peene und dann bei TribfeeS über die Recknitz zurückzugehen. Das<br />

Hauptquartier beS Kurfürsten befand sich seit dem 26. November in<br />

Stargard in <strong>der</strong> Uckermark. Von hier aus erging am nächsten Tage <strong>der</strong><br />

Befehl an Anhalt, nichts mel)r zu unternehmen, fon<strong>der</strong>n gleichfalls die<br />

Winterquartiere aufzusuchen.<br />

Die Frage nach den Winterquartieren war eine <strong>der</strong> wichtigsten <strong>der</strong><br />

damaligen Kriegsführung. Ein Militärstaat, wie Brandenburg eS jetzt war,<br />

konnte ein Heer von über 30000 Mann, worin allerdings die Garnisontruppen<br />

mit einbegriffen sind, unmöglich selber erhalten. ES mußte die<br />

Hilfe an<strong>der</strong>er Reichsstände in Anspruch nehmen, fei eS, daß sie den Winter<br />

über Quartiere gewährten, fei es, baß sie statt dessen Geldzuschüfse an ben<br />

Kriegsherrn gaben. Jm Winter galt es bie Lüden, bie <strong>der</strong> ^elbgug<br />

gerissen hatte, wie<strong>der</strong> auszufüllen; Von einer Reserve im eigenen Lande<br />

konnte wegen <strong>der</strong> schwachen Bevölkerung nach dem dreißigjährigen Kriege<br />

keine Rede fein. Und sicherlich beburfte bie branbenburgtsche Armee nach<br />

einem so langen Feldzuge wie dem diesjährigen mehr als je <strong>der</strong> Zuführung<br />

neuer Kräfte. So nahm denn bie Vertheilung <strong>der</strong> Winterquartiere einen<br />

Rante deS Regiments<br />

5. Garbe zu Fuß<br />

6. Maltzahn<br />

7. Degenfelb<br />

8. Hülfen<br />

Stärke<br />

1101 Mann<br />

482 „<br />

825 „<br />

313 „<br />

Verlust<br />

213 Mann<br />

58 „<br />

75 „<br />

46 „<br />

Die Entlaufenen nnb DtSmonttrten finb mitgerechnet.<br />

l ) d. d. Wolgaft, Eopie im G. St.<br />

procent<br />

19<br />

12<br />

9<br />

14


Die Fefözüge be£ großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 45<br />

förmlichen diplomatischen Feldzug in Anspruch. Zunächst war für den<br />

Rovember eine Versammlung <strong>der</strong> Abgesandten <strong>der</strong> verbündeten Mächte<br />

nach Mühll)ausen in Thüringen berufen, allein ohne Erfolg, da <strong>der</strong> Kaiser<br />

bereits vorher die südwestlichen Kreise für sich in Anspruch genommen hatte.<br />

Der brandenburgische Abgesandte, <strong>der</strong> geheime Ratl) Mein<strong>der</strong>S, wurde vom<br />

Kurfürsten abberufen, und dieser suchte durch Son<strong>der</strong>verhandlungen mit<br />

Leopold soviel als mögltch zn erreichen und ifjn durch die Drohung einzuschüchtern,<br />

daß er zur feindlichen Partei überzutreten sich gezwungen sehe,<br />

wenn ifjm nicht seine Wünsche erfüllt würden; er könne dies um so leichter,<br />

als ihm Frankreich und Schweben durch England einen großen Theil von<br />

Pommern angeboten hätten, falls er auf die Alliance mit dem Kaiser und<br />

mit Spanien verzichte. Schließlich wurden ihm Magdeburg, Hessen-Kassel,<br />

Anhalt, die fürstlich-sächsischen Gebiete außer Koburg, Eisenach und Henneberg<br />

bewilligt, dazu noch die Gebiete von Schwarzburg, Stolberg, Reuß<br />

und piauen. Ausgeschlossen waren die kurfürstlich-sächsischen Gebiete.<br />

Unmöglich konnten ihm diese Territorien von so geringer Ausdehnung<br />

genügen. Er zeigte sich sehr unzufrieden und mißgestimmt über diese<br />

Behandlung Seitens des Kaisers. Vor Allem die kurfürstlich-sächsischen<br />

Gebiete, die bis dahin zum Kriege so wenig beigetragen hatten, wollte er<br />

seinen Truppen zuwenden. Aber alle Drohungen, alle Bitten fruchteten<br />

nichts. Der Graf Adolf WrattSlav V. Sternberg, <strong>der</strong> im Januar 1676<br />

in einer beson<strong>der</strong>en Mission nach Berlin geschickt wurde, vermochte den<br />

Kurfürsten endlich, sich für dieses Jahr mit dem Erhaltenen zu begnügen. 1 )<br />

Aus diesen Gebieten galt eS, die Assignationen für einzelne Truppen*<br />

theile ju beziehen. ES ging nicht an, sie als Quartiere selbst zu benutzen,<br />

weil <strong>der</strong> Kurfürst entschlossen war, sobald wie möglich ohne Zeitverlust im<br />

folgenden Jaljre die Eampagne zu eröffnen. Er mußte daher die Quartiere<br />

so dicht wie möglich zusammenziehen. Pommern wurde in einem Halbkreis<br />

von ihnen umgeben, um Einfälle in die Marken z u verhüten. Die eine<br />

Hälfte gruppirte sich um Stettin herum in Ruppin, <strong>der</strong> Uckermark, üfteumark<br />

und in Hinterpommern, die an<strong>der</strong>e in Mecklenburg und in <strong>der</strong><br />

Priegnitz um Stralfund; sie diente zugleich dazu, einen Entsatz WiSmar'S<br />

durch KönigSmard unmöglich zu machen. Jn Mecklenburg lagen außer<br />

den brandenburgischeu Regimentern auch die kaiserlichen und. dänischen.<br />

Den Oberbefehl über die hier einquartirten Truppen führte Prinz Friedrich<br />

von Homburg, <strong>der</strong> sich seit November wie<strong>der</strong> beim Heere befand. 2 )<br />

1 ) Vgl. ü. u. A. XIV, pg. 844 Votum vom 27. September 75, die Whüer=<br />

quartiere betreffend; pg. 846 b. Kurs. a. b. Kaiser, Treptow, ben 25. Roüember 75;<br />

pg. 847 Bescheid für Srockoro, 13. Dezember 75; pg. 849 ff. Mission beS Grafen<br />

Abolf WrattSlav V. ©ternberg. Dazu MeinberS Berichte auS Mühlhausen im G. St.<br />

2 ) Die von OelSnitz mitgetheilte Quartterüfte vgl. Beilage I. Dazu Befehle<br />

b. Kurs, an Homburg in Abschrift im G. St. u. an Anhalt im Z. A.


46 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

DaS GroS <strong>der</strong> dänischen Armee war über Damgarten zurückgezogen<br />

und hatte sich am 29. Oktober vor WiSmar mit den BlokirungStruppen<br />

vereinigt. Es war ein ansehnliches Heer, das sich hier sammelte, 18000<br />

Mann, dazu eine stattliche Artillerie in <strong>der</strong> Stärke von 76 Kanonen.<br />

Allein Christian hatte sich arg getäuscht, wenn er meinte, daß eS ein leichtes<br />

fein würde, die Festung zu bezwingen. Besatzung und Bürgerschaft waren<br />

entschlossen, 'mit allen Kräften das ihnen von ihrem König anvertraute<br />

Gut z u vertheidigen, und KönigSmartf wandte allen Eifer an, diesen<br />

wichtigen Punkt den Schweden zu erhalten. Mitte Dezember war dieser<br />

Von Stralsund aus mit 3000 Reitern und 500 Dragonern nach Demmin<br />

aufgebrochen, das von den Brandenburgern ebenso wie Ankfam nicht blokirt<br />

war, ein F e hler, <strong>der</strong> sich bitter rächte, weit diese Besatzungen fortwährend<br />

Einfälle in das mecklenburgische Gebiet machten, sich immer Von feuern<br />

verprovianttrten und die kaiserlichen und brandenburgifchen Winterquartiere<br />

beunruhigten. Dieses Land wurde wie<strong>der</strong>um auf das Aergfte mitgenommen,<br />

nicht einmal die HauSgüter des H er ZogS Von Mecflenburg-Güstrow blieben<br />

verschont. Von Demmin aus wollte KönigSmarck einen Einfall in'S<br />

Mecklenburgische wagen, allein zur rechten Zeit war ihm Von den Kaiserlichen<br />

<strong>der</strong> Weg über die Peene gesperrt worden. So wandte er sich Von Demmin<br />

nach Damgarten, stellte hier den Uebergang wie<strong>der</strong> her und Versuchte zum<br />

Zweiten Male einen Entsatz. Jf)m wurde <strong>der</strong> dänische General ArenSdorf<br />

entgegengeschickt, um nach feiner Vereinigung mit 1500 brandenburgifchen<br />

Reitern unter dem Prinzen Von Homburg auf ihn einen Angriff zu wagen.<br />

Allein KönigSmarck t)iett nicht Stand, son<strong>der</strong>n zog sich über Damgarten<br />

Zurück und ließ nur daS kleine Städtchen Ribnitz gegenüber von Damgarten<br />

am Saaler Bodden besetzen, das jedoch einem Angriff ArenSdorfS und<br />

Homburg'S keinen ernsten Wi<strong>der</strong>stand leistete. Die Besatzung von 300<br />

Mann wurde gefangen genommen, die Stadt am 24. Dezember btftfyl<br />

Dieser Vormarsch H om ^urg r S hatte zugleich noch den ftxvtd, die Schweden<br />

Von einer Belagerung <strong>der</strong> Swiner Schanze und von Wolgast abzuhalten,<br />

die zu gleicher Zeit geplant war. Schon einen Tag vor <strong>der</strong> Einnahme<br />

Von Rtbuitz hatte auch WiSmar endlich kapitulirt. Die Besatzung war zu<br />

arg mitgenommen, als baß sie einem letzten Sturm erfotgreitfien Wi<strong>der</strong>stand<br />

hätte leisten können. Die Stadt erhielt jetzt eine starke, dänische<br />

Besatzung, 3 Regimenter Jnfanterie und 1 Regiment Kavallerie. Die<br />

übrigen Truppen z°9 e n nach Dänemark zurück, Christian verlegte daS<br />

Schwergewicht feines Angriffes auf Schonen. 1 )<br />

Damit find wir zum Abschluß beS FeldzugeS <strong>der</strong> Verbündeten im<br />

Jahre 1675 gelangt. Welches ist denn das Resultat dieser langen, Vom<br />

Ende Juni bis Ende Dezember sich hinziehenden Campagne in Mecklenburg<br />

*) Ueber den Entfafcüerfuch KöniöSmartf'3 vgl. J. Jungfer: Der Prinz Von<br />

Homburg, pg. 85.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 47<br />

und Pommern gewesen? ES läßt sich in 2 Sätzen zusammenfassen: Erstens<br />

war durch die Eroberung WiSmarS die Kommunikation zwischen den schwedischen<br />

Besitzungen an <strong>der</strong> Nordsee und Oftsee gehin<strong>der</strong>t, beide waren isolirt.<br />

Zweitens waren in Pommern die beiden Hauptstützpunkte <strong>der</strong> Schweden,<br />

Stettin und Stralfmtb, ebenfalls von einan<strong>der</strong> getrennt, z u Lande durch<br />

die Eroberung <strong>der</strong> Defensionslinie und die Besetzung des Hinterlandes<br />

Mecklenburg und zur See durch die Eroberung von Wolgaft, dem Hauptfchfüffel<br />

Von Stettin, nebst den beiden O<strong>der</strong>inseln Usedom und Wollin.<br />

©o hatte man in Schweden allen Grund zu <strong>der</strong> Annahme, daß sich<br />

Friedrich Wilhelm jetzt im nächsten Feldzuge direkt gegen Stettin wenden<br />

werde. Diese Vermuthung war eine ganz richtige, <strong>der</strong> große Kurfürst<br />

tr-otlte daS, was er 1675 wegen mannigfacher Umstände nicht hatte durchführen<br />

können, sofort nachholen. Seine Vorbereitungen, die Stellung <strong>der</strong><br />

Winterquartiere wiesen darauf fjin. S^ach ber Eroberung von Stettin beabsichtigte<br />

er, bem Kaiser für seinen F c ^jug am Rl)ein ben größten Theil<br />

seiner Kavallerie zu überlassen. Sternberg konnte seinem Herrn mittheilen,<br />

daß <strong>der</strong> Kurfürst Stettin in einer vierwöchentlichen Belagerung zu nehmen<br />

hoffe, beson<strong>der</strong>s, da dort große D^otl) herrsche. Den deutlichsten Hinweis<br />

auf die Pläne Friedrich Wilhelms erhalten wir aus Sternbergs Bericht<br />

vom 19. März, ^° eS heißt: „Sie benken nun alle augenbtief an bie<br />

impresa von Stettin. . . . ^ach Eroberung bieseS Platzes wolten Sie<br />

E-L K. M. alle Cavallerie unbt Dragoner zuschicken und nichts behalten<br />

als 3 Regimenter zu Pferbt unb eines Dragoner." 1 ) Die Eroberung von<br />

Stettin war also auch für bie Gesammtoperatiouen ber Verbünbeteu gegen<br />

Schweben unb Frankreich von großer Bebeutung. Die Einheit in ber<br />

SriegSfül)ruug würbe bann wieberhergeftellt, auch Frankreich mußte nach<br />

menschlichem Ermessen unterliegen, wenn eS bie vereinte Macht ber Verbünbeteu<br />

gegen sich im Felde hatte. Diesen Plan beS Kurfürsten galt eS<br />

ZU vereiteln. KönigSmarcf mußte feine ganze Kraft einsetzen, eine Belagerung<br />

Stettins hinauszuschieben. DieS Ziel konnte am besten baburch<br />

erreicht werben, Wenn eS il)tn gelang, sich wieber in ben Besitz von Wolgaft<br />

ZU setzen. Darin liegt bie Bebeutung ber nun folgenben Kämpfe um tiefe<br />

Festung, bie bie ganze erste Hälfte beS JarjreS in Anspruch nahmen.<br />

Schon im November 1675 hatte ber ReichSfetbherr Wrangel ben<br />

Befehl bekommen, zur Verantwortung vor einem Kriegsgericht nach Schweben<br />

Zurückzukehren. Am 27. November würbe ber Oberbefehl über bie pommerfche<br />

Armee formell an KönigSmard übertragen, ben er thatsächlich schon längere<br />

Zeit ausgeübt hatte. Von jeber Verantwortung vor bem Reichsfelbherrn<br />

würbe er freigesprochen, er genoß in h°^em Maße baS Vertrauen feines<br />

Königs. Eine thatkräftigere Führung machte sich wieber geltenb, bie alles<br />

daran fetzte, bie Verlorene Position wieber zu gewinnen unb ben fchwebifchen<br />

l ) U. u. A. XIV p£ 862 ff.


48 Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Waffenruhm wie<strong>der</strong> auf seilte alte H^he Z u bringen. Der bedeutsamste<br />

Punkt war Wolgast. Daher erhielt <strong>der</strong> schwedische Feldmarschall Mardefeldt<br />

den Befehl, sich gegen diese Festung ^n wenden, so wie die feindlichen Truppen<br />

baS Land zwischen <strong>der</strong> Peene und <strong>der</strong> Ostsee verlassen hätten. Z u <strong>der</strong><br />

Feldarmee wurden auch die irgendwie entbehrlichen Besatzungstruppen von<br />

Stralfund, <strong>Greifswald</strong> und Anklam hinzugezogen, so daß sie eine Stärke<br />

von 4—5000 Mann mit 20 Geschützen erreichte. Die Ausrüstung ließ<br />

allerdings manches ^n wünschen übrig, bie Bekleidung war schlecht und<br />

mangelhaft. Diese Truppen bestanden meistens aus Schweden und Schonen,<br />

das deutsche Element war nur noch wenig in <strong>der</strong> Armee vertreten. Jn<br />

<strong>der</strong> ersten Hälfte beS Dezembers setzte Mardefeldt mit dem GroS feines<br />

Korps zunächst nach Ufebom über, um hier wie<strong>der</strong> festen F u ß Z u fassen<br />

und einen Entsatz <strong>der</strong> Peenefestung von dieser Seite aus unmöglich zu<br />

machen; diese ließ er vorläufig nur blokiren. JJach neuntägiger Belagerung<br />

gelang eS ihm, die Ufcdomer und bie Swiner Schanze noch vor Ausgang<br />

des Jahres wie<strong>der</strong> zu erobern und bie Besatzung gefangen zu nehmen.<br />

Ufebom war bamit für ben Kurfürsten verloren. Die Vermuthungen Schwerins<br />

hatten sich als richtig erwiesen, unb feine Vorkehrungen bem nicht vorbeugen<br />

können. So barf bie Lage ber Schweben burchauS nicht verzweifelt genannt<br />

Werben. Marbefelbt rückte jetzt vor Wolgast; bie Stabt würbe ihm sofort<br />

überlassen. Jn aller Eile ließ er 12 Batterieen mit 36 Kanonen unb<br />

4 Böllern errichten. Auf beiben Seiten begann ein heftiges Feuer. Die<br />

branbenburgifche Artillerie schoß sehr sicher, so baß bie Schweben starke<br />

Verluste erlitten, bk noch baburch erhöht würben, baß Hallarb bie Gartenmauern<br />

unb Häufer am Ufer ber Peene hatte nieberreißen lassen. Der<br />

Feinb entbehrte also jeglicher Deckung unb wagte sich nicht mefjr aus ben<br />

Approchcn heraus. Trotzbem hatte Marbefelbt bk btftt Hoffnung, baS<br />

Schloß zu nehmen, inbem eS ihm gelang, eine Bresche in bie BefestigungSwerke<br />

zu schlagen unb bk spanischen Reiter nnb Pallisaben, bie ben verbedten<br />

Weg schützten, zu vernichten. Die Schießlöcher nach ber Angriffsfront<br />

ZU waren zum größten Theil ruinirt, so baß Hallarb nur noch mit bem<br />

Gewehr unb bem Degen in ber Faust einen Sturm abwehren konnte.<br />

Dieser mußte erfolgen, fobalb eS ben Schweben gelang, Brücken über ben<br />

Fluß zu schlagen ober mit Booten überzusetzen. Allein ber Versuch mißlang-<br />

Hallarb ließ sie bis auf Schußweite herankommen unb bann ein wirkungsvolles<br />

Gewel)rfeuer auf sie eröffnen, so baß sie wieber zurückgetrieben würben.<br />

Was bie Schweben mit eigener Macht nicht hatten erreichen können, baS<br />

schien ihnen in wenigen Tagen baS Wetter gewahren z u wollen. Ein<br />

harter Frost trat ein, ber in wenigen Tagen bie Peene mit einer birfen<br />

Eisfläche überzog. Die Brücke war geschlagen, Schloß Wolgast schien für<br />

ben Kurfürsten verloren in fein. Mit aller Bequemlichkeit konnten bie<br />

Schweben auf bem Eise il)re Sturmkolonnen entfalten, baS GlaciS ber


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 49<br />

Veste und <strong>der</strong> gedeckte Weg wurden genommen. Jn <strong>der</strong> EontreeScarpe<br />

kam eS zum Handgemenge; 2 Stunden lang währte <strong>der</strong> erbitterte Kampf;<br />

<strong>der</strong> Graben wurde mit Todten bedeckt. Ein Aufstieg zum Wall war un*<br />

möglich. Der tapfere und umsichtige Kommandant hatte gute Vorsichtsmaßregeln<br />

getroffen, die Wälle waren in <strong>der</strong> Stacht mit Wasser begossen,<br />

so daß sich eine glatte Eisdecke um sie herum legte und sie unersteigbar<br />

machte. Stach starken Verlusten mußten die Schweben den Rüdzug antreten,<br />

hinter ihnen die Besatzung und Vor ihnen <strong>der</strong> Aufstieg aus dem Graben<br />

Zum gedeckten Weg uud Glacis. Ueber 400 Mann waren den Heldentod<br />

für Schwedens Waffenrul)m gestorben, unter ihnen <strong>der</strong> Oberst Ojenstierna<br />

unb ein Sohn von Marbefelbt. Major SBIijr, <strong>der</strong> frühere schwebifche<br />

Kommanbant ber Festung, ber vor ihren Wällen seine Waffenehre hatte<br />

wieberherftellen wollen, war schwer verwunbet. Aber auch bie Branbenburger<br />

hatten eine schwere Einbuße erlitten, 1 Kapitän, 1 Fähnrich, 4 Unteroffiziere<br />

unb 16 Gemeine waren tobt, 55 verwunbet. Der Vertust wog um so<br />

schwerer, als bie Besatzung nur gering war. Trotz biefer tapferen Gegenwehr<br />

unb seiner eigenen schwer ersetzbaren Verluste staub Marbefelbt nicht<br />

Von ber Belagerung ab; er hoffte, einen günstigen Augenblick z u erlangen,<br />

baS Schloß zu nehmen. Allein zn rechter Zeit nahte ber Entsatz herbei. 1 )<br />

Sowie ber Kurfürst von ber Belagerung Wolgast'S benachrichtigt<br />

war, befahl er Homburg unb Schwerin, bie Stabt von betben Seiten her<br />

Zu entsetzen. Schwerin erhielt ben Auftrag, mit Hinzuziehung eines Theiles<br />

ber in Hinterpommern stef)enbcn Reiter unb Dragoner ben Versuch zu<br />

wagen, Usebom wieber zu gewinnen, wo ber Oberst Wangelin mit 800<br />

Mann stanb, unb bann Wolgast zu befreien. Er trug schwere Bebenken,<br />

bem Befehle seines §trrt! nachzukommen. Jn einem Aufsatze: „Mein<br />

UnterthänigsteS bebcnlen Wolgast von biefer seyte über Usebum zu entsetzen"<br />

legte er bie Grünbe bar, welche ihn beWogen, an bem Gelingen bieseS<br />

Werkes zu zweifeln. Die Swine, so führt er aus, wirb von bem Feinbe<br />

fleißig bewacht; bie einzelnen Posten stehen nahe bei einanber, so baß eS<br />

schwer ist, unbemerkt hinüberzukommen. Die Pässe bei Pubagla unb bei<br />

Eoserow sinb mit starken Befestigungen Versehen. DaS größte Hinberniß<br />

für ihn ist jeboch ber Uebergang über bie Peene. Auf ber Usebom'schen<br />

Seite gegenüber von Wolgast haben bie Schweben ebenfalls Verschanzungen<br />

erbaut, so baß sie ben Uebergang beherrschen. Gesetzt auch, baß er noch<br />

biese Schwierigkeiten überwinben werbe, so fehlt eS ihm boch an jeglichem<br />

Fahrzeug, um hinüberzukommen. Unb wie sollte bieS Unternehmen gar<br />

enben, wenn plötzlich baS Wetter umschlüge unb Thauwetter einträte? Der<br />

ganze Rückzug konnte in Frage gestellt werben. Mit leichter Mühe war eS<br />

*) Ueber bie erste Belagerung WolgasfS durch bie Schweden Vgl. b. verto.<br />

Eur. III, pg. 10 u. Di«. Eur. XXXIII, pg. 186 u. 242. D. Theatr. Eur. XI,<br />

pg. 870 ßiebt nur einen AuSzuö au£ dem letzteren.<br />

©tubtcn 91. %. I. £


50 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Ponuuern 1675-1677.<br />

Wangelin alsdann möglich, die nach einan<strong>der</strong> übersehenden Brandenburger<br />

aufzureiben. Aber, so schließt er, „trotzbeut tljue ich waS ich soll, jedoch<br />

mit <strong>der</strong> untertänigsten Bitte, baS in <strong>der</strong> ordre möchte gesetzet werden,<br />

eS lattffc wie es wolle, daß ich außer Verantwortung seyn soll." 1 )<br />

Unb eS gelang. Am 17. Januar zog er mit 2000 Mann und<br />

15 Geschützen von <strong>der</strong> Jnfel Wollin über das große unb kleine Haff Z u<br />

Eis nach beut Dorfe Eaminfe au ber Sübseite Ufcbom'S, um bttrch biefen<br />

Flankenutarsch bie längs ber Swine aufgestellten feinblichen Posten z u<br />

umgehen. Mit einer rapibeu Schnelligkeit war dieser Z U 9 ausgeführt,<br />

er sollte bic gfehibe unerwartet treffen. Allein unterwegs holte Schwerin<br />

eine Hätte fchwebifchc Abtheilung ein, bic auf betn Rückzug von ber Swine<br />

begriffen War unb Wangelin von betn $JKranttittytit ber Brandenburger<br />

Nachricht gab. Dieser wartete il)rc Ankunft nicht ab, ba er eine weit<br />

stärkere Macht bei ihnen voraussetzte, fouberu 50g sich über ba§ Eis nach<br />

Wolgaft zurück. Schwerin holte nur noch bie Arricrcgarbe auf beut 3ffuffe<br />

ein, machte bie Hälfte Riebet ober nahm sie gefangen. Darauf war eS<br />

ihm eitt leichtes, von betn Lteper Winkel aus Wolgast mit frischen Truppen<br />

unb neuen Proviantvorrätl)en 31t versehen, ja er wagte eS auf bie Kuube<br />

l)in, baß Generalmajor ©rotljuscu jenseits ber $eette jtoifdjen Wolgaft unb<br />

Laffatt mit einer 5C0ts)ci£nng fttnblicher Kavallerie ftcljc, einige SSkabronS<br />

über bie peene zu fenbett. Allein auch biefer hielt tticht Staub, sonbern<br />

Zog sich auf ©reifSwalb zurück. Schwerin begab siel) bat)cr wie<strong>der</strong> nacl)<br />

Usedom, um zu versuchen, ob er nicht bie Skilaufe au ber Swtuc wie<strong>der</strong>croberti<br />

unb bamit auf Ufeboin festen Fuß fassen sönne, plötzlich eintretendes<br />

Tljainuctter jöxmg if)it jcbodj pm SHU^itg nach Söoftitt, ba er fitf) sonst<br />

beut gfeili&e preisgegeben fa(). War and) ein cnbgÄltiger Entsatz nicht<br />

geglucft, so war es boch von großem Wcrtfye, baß £)affert einige Unterftüfcung<br />

erhalten hatte uttb ba$ Jtugenmerl be$ 5etui>e£ uou ber F c ftuug<br />

eine QtH fang auf ©chwerin abgelenkt mar. 2 )<br />

Unterbeffen i)attc aud) üDerfflinger am 18. Januar bett Befel)!<br />

bekommen, mit ber in SWedlcnburg unb ber priegttitz ftel)eubctt Reiterti<br />

unb beii Dracjoucru folpte ben kaiferlidjen Tntppeu ttttter beut Obersten<br />

v. Mettenüch uttb beu bäuifcljcn unter beut General Xrettäborf, so weit<br />

sie in 3Jteckleubttrg jnrüdjeblteben waren, tttt Sangen 5—ßOOO iOtaun,<br />

2 ) AuS beut Z. A., unbatirt unb ol;ne Unterschrift. Doch ergiebt sich ait§<br />

dem Sachverhalt und ber ErJuiiljuuno ber 2Burfcr£geit, ba$ c§ im Winter 1675/76<br />

zur Z e it ber ersten Belagenutö abtjefaßt ist.<br />

2 ) So b. ucruj. gut. IIJ, pg\ 10 f. Der Verlust ber


5bte Feibzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 51<br />

sich nach Vorpommern aufzumachen. Am 19. Januar pasfirte er die<br />

Trebel zwischen Damgarten und TribfeeS, stand am 21. in Grimmen und<br />

machte von Jjter aus einen Vorstoß nach <strong>Greifswald</strong>. Mardefeldt sah sich<br />

infolgedessen genöthigt, jede Blokadc von Wolgast aufzugeben und sich nach<br />

Gretfswald zurückzuziehen, wollte er nicht abgeschnitten und zu einer offenen<br />

Fclbschlacht genöthigt werden. Damit war baS erste größere Unternehmen<br />

Zu Lande Seitens <strong>der</strong> Schweben in diesem Jahre mißlungen. 1 )<br />

Von den mecklenburgischen Quartieren aus gebachte man in biesem<br />

Winter noch einen kühnen Streifzug nach Rügen zu unternehmen. Die<br />

Dänen lebten ber Hoffnung, bieseS wichtige Vorlanb von Stralsunb dem<br />

Feinde womöglich Währenb beS Winters ohne große Mül)e zu entreißen.<br />

Die Kälte war bem Unternehmen sehr günstig, ba bie Ostsee vollkommen<br />

Zufror. Am 31. Januar gingen bänische unb branbenburgische Truppen,<br />

eben jene, welche Wotgaft vorher entsetzt hatten, über baS Eis nach Rügen<br />

Zu, allein die Schweden waren auf <strong>der</strong>artige Besuche wol)l vorbereitet. Die<br />

Zugänge <strong>der</strong> Jnfet hatten sie wohl besetzt und die Küste aufeisen lassen,<br />

so daß eS unmöglich war, sie zu betreten. Kaum hatten sie sich auf Schußweite<br />

genähert, so wurden die Brandenburger von den ausgestellten Posten<br />

mit einem wof)lgcziclten Gewehrs euer begrüßt; unter bedeutendem Verluste<br />

mußten sie den Rückweg antreten, <strong>der</strong> sich bei längerem Verweilen sehr<br />

gefahrvoll gestaltet hätte, da bereits Thauwetter eintrat.<br />

Dagegen glückte ein Unternehmen des Obersten v. Schöning, <strong>der</strong> mit<br />

den Garnisonen von Pasewalk und Prenzlau die Festung Uedennünde nal)m<br />

und 80 Gefangene machte.<br />

Rügen wurde in diesem Frül)jal)r noch z^ei Mal <strong>der</strong> Gegenstand eines<br />

Angriffes seitens <strong>der</strong> dänischen flotte. Tromp nahm in Warnemünbe<br />

dänische Laudungstruppen an Bord und segelte am 16. April mit 8 Kriegsschiffen<br />

und einer Auzal)l Schaluppen auf Rügen zu. Auf Hibdensee faßten<br />

sie F u ß, allein bet <strong>der</strong> RecognoScirung <strong>der</strong> Jnfel zeigte sich, daß die Bewohner<br />

ihre Wertf)fachen wohlweislich nach Rügen hinüber gerettet hatten.<br />

Ein Versuch, auf Wittow zu landen, mißlang. KönigSmanf war auf <strong>der</strong><br />

Hut und wies jeden Anschlag zurück.<br />

Auf Rügen war nach <strong>der</strong> vergeblichen Belagerung von Wolgast wie<strong>der</strong><br />

die Hauptmacht deS Feindes versammelt, 4000 Mann Kavallerie uud<br />

800 Mann Jnfanterte. Punkte, die für eine Landung des Feindes beson<strong>der</strong>s<br />

günstig und bequem lagen, wurden durch Schanzen gedeckt und<br />

mit einer starken Mannschaft belegt. Die Einwohner waren aufs bt\k<br />

ausgerüstet und hielten treu zu Schweden, so daß KönigSmard von dieser<br />

Seite aus nichts zu befürchten hatte. Die dänische Flotte versuchte noch<br />

einmal einen Angriff; eS gelang Hjt auch, 4 schwedische Gallioten zu ver-<br />

*) Jnftruftton an Homburg b. 3./13. unb 8./18. Januar int G. St.; dazu b.<br />

. Eur. a. a. O.<br />

4*


52 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

nichten unb auf Rügen zu landen, allein da die Truppen niemanden Vor*<br />

fanden, fürchteten sie in einen Hinterhalt zu gerathen und zogen sich wie<strong>der</strong><br />

auf die Schiffe zurück, ohne etwas zu unternehmen. 1 )<br />

üftach <strong>der</strong> mißglückten Belagerung von Wolgast thaten bie schwedischen<br />

Befehlshaber altes, um Stettin möglichst zu sichern. Die Besatzung wurde<br />

burch 3 Schwabronen Reiter unter beut Generalmajor piantin unb<br />

500 Mann Jnfanterie unter Oberst Horn verstärkt, bie ben ganzen Winter<br />

hinburch bie branbenburgischen Grenzgebiete beunruhigten. Das beliebteste<br />

AuSfaüSthor war bie Straße über Damm nach bem branbenburgischen<br />

Pommern. Bei ber Vertheilung ber Winterquartiere hatte ber Kurfürst<br />

offenbar ben fjefjler begangen, nach Hinterpommern zu wenig Truppen zu<br />

legen; in Stargarb stauben 700 Mann unter bem Obersten V. Hülfen in<br />

Quartier, in Kolbaz nur 160, Satzig 70, Wilbenbruch 60. 2 ) Diese<br />

kleinen Garnisonen konnten unmöglich ben Ausfällen ber starken Stettiner<br />

Besatzung gewachsen sein, sie mußten meistens ben kürzeren ziehen unb froh<br />

fein, wenn es ihnen gelang selber zn entkommen. Wieberholt beklagte sich<br />

Hülsen bei Johann Georg über bie unzureichenben Mannschaften, eS erfolgte<br />

keine Abhülfe. Bis vor bie Thore von Stargarb unb tief in baS Amt Kolbaz<br />

hinein behüten bie kecken schwebischen Reiterführer ifjre piünberungSzüge<br />

aus. Von weniger Erfolg waren bie Ausfälle ber Stettinschen Besatzung<br />

nach ber Uckermark zu, ba f)ier schon bie starken Garnisonen von Prenzlau<br />

unb Pasewalk in ber Stärke von über 2000 Mann fjinreichenben Schutz<br />

gewährten. 3 )<br />

Aehnltch wie piantin, H°rn unb Wachtmeister von Stettin, beunruhigte<br />

ber bekannte Parteigänger MäusemartenS Von Demmtn aus bie umliegenbe<br />

Lanbschaft, beson<strong>der</strong>s bie Winterquartiere in Mecklenburg würben von ihm<br />

heimgesucht. Jeboch gewannen seine Streifzüge bd weitem nicht bie Bebeutung<br />

unb AuSbehnung, wie die <strong>der</strong> Stettiner, wenn sie diese auch an<br />

Kühnheit übertreffen mögen.<br />

ES gilt, diese Züge von Freunb unb Feinb ben ganzen Winter unb<br />

auch fast baS ganze Frühjahr hinburch in einen organischen Zusammenhang<br />

Zu bringen, nur so erlangen sie Leben unb Bedeutung, während sie sonst<br />

leicht als ein planloses Hin* und Herziehen <strong>der</strong> einzelnen Truppentheile<br />

erscheinen. Sie geben unS ein treffendes Bild von <strong>der</strong> damaligen Art <strong>der</strong><br />

Kriegsführung und gewinnen damit ein größeres historisches Jntereffe, als<br />

*) D. pom. Greif, pg. 142 u. 147: Zusammenstellung auS ben übrigen<br />

Quellen.<br />

2) Räch einer Beilage zu ber Orbre b. Kurs, an J. ®., d. d. Wolgaft<br />

4./14. Rovember im Z. A.<br />

3 ) AuS berfelben Beilage; unb zwar 1050 Mann Sachsen, 1000 Mann<br />

Garbe unb 300 Vom Reg. Kurprinz. 2)azu kommt noch Generalmajor Lübtke mit<br />

feinem Reiterregiment, ber von hier auS ©treifzüge gegen Stettin unternimmt, unb<br />

Mannschaften vom Reg. Dolnaa; vgj. bazu b. pomm. Greif, pg. 146.


Die Felbzüße beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 53<br />

sie Anfangs zu bieten scheinen. Die brandenburgischen Führer hofften, den<br />

Feind womöglich im Winter ju überraschen und ihm dadurch eine wichtige<br />

Position zu entreißen. Die Schweden andrerseits find entschlossen, chrem<br />

erschöpften Gegner in den Winterquartieren feine Ruhe und Erholung zu<br />

gönnen und durch Verproviantirung <strong>der</strong> wichtigsten Festungen diese in den<br />

(Stand zu setzen, etne längere Belagerung auszuhalten. Dadurch wurde <strong>der</strong><br />

Krieg in die Länge gezogen, und Schweden konnte womöglich feine deutschen<br />

Besitzungen bis zu einem allgemeinen Friedensschluß retten. 1 )<br />

Allerdings war trotz dieser einzelnen erfolgreichen Ausfälle nach -ber<br />

mißglückten Belagerung von Wolgast die Sachlage im Frühjahr 1676 nicht<br />

dazu angethan, in Schweden neuen Muth zur Vertheidigung ber deutschen<br />

Provinzen zu weden. Am 18. März wurde KönigSmard auch mit ber<br />

Civilverwaltuug Pommerns betraut, ©eine ganze Hoffnung mußte darauf<br />

beruhen, daß es Schweden gelingen werde, neue Hülfstruppen nach Pommern<br />

ZU schaffen. Die Pläne Karls XI. waren §ugleid^ auf Angriff und Vertheidigung<br />

gerichtet. Der Angriff sollte den dänischen Provinzen in Norwegen<br />

gelten, die Vertheidigung mußte sich auf 2 Punkte erstreden, auf Bremen<br />

und Pommern. DaS Mittel, diese zerstreuten Besitzungen mit einan<strong>der</strong> in<br />

Verbindung zu erhalten, war wie<strong>der</strong> die Flotte. Am 29. April ging sie<br />

unter dem Befehl Von Lorenz Kreutz, einem des Seemannsfaches durchaus<br />

unkundigen Manne, in See. Er hatte den Auftrag, Pommern mit Getreide<br />

ZU versorgen und Gotland wie<strong>der</strong> zu nehmen, das die feindliche Flotte befetzt<br />

und geplün<strong>der</strong>t hatte. Unterdessen war jedoch die Vereinigung <strong>der</strong> holländischen<br />

und dänischen Flotte vollzogen, und eS gelang ihr, die schwedische am<br />

11. Juni an <strong>der</strong> Südfpitze Von Oeland Vollkommen zu schlagen. Die<br />

schwedische Flotte hatte sich wie<strong>der</strong> als unfähig erwiesen, chre Aufgabe zu<br />

erfüllen. Der Feind war Herr <strong>der</strong> Ostsee. KönigSmarck sah jede Hülfe<br />

für Pommern abgeschnitten. Trotz dieser Mißerfolge blieb die Bevölkerung<br />

des Landes Schweden günstig gesinnt; beson<strong>der</strong>s waren es die Seestädte,<br />

an welchen KönigSmard eine kräftige Stütze hatte. Um Stralfund für die<br />

Verbündeten zu gewinnen und zugleich auch wohl, um Brandenburg nicht<br />

in den Besitz dieser wichtigen Handelsstadt gelangen zu lassen, hatte <strong>der</strong><br />

Kaiser ifjr im März angeboten, sie zur freien Reichsstadt zu machen. Allein<br />

Kart XI. wußte Gegenmaßregeln zu treffen. Er versprach, sie mit allen<br />

Freiheiten, die bisher WiSmar besessen hatte, auszurüsten; zugleich h°k er<br />

den schwedischen Qoü auf, den alle fremden Schiffe zahlen mußten. Jn<br />

Folge dieser Handelsvortheile verband sich die ftralfundifche Bürgerfchaft<br />

einhellig bis auf den letzten Mann, für Schweden zu fechten. Z^ar hatte<br />

die Stadt nicht mehr als 1000 Mann Besatzung, doch hoffte man, die<br />

Bürger so weit einzuejerciren, daß sie im Sftotrjfatl zur Vertheidigung <strong>der</strong><br />

*) Eine Zusammenstellung aller dieser ©tretfzüöc giebt b. pomm. Greif,<br />

l ff.


54 Die Felbzüge deS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Stadt verwandt werben könnten. Korn und an<strong>der</strong>e Proviantvorrätlje kamen<br />

den Festungen Von Lübeck ^u, das feine Handelsbeziehungen mit Schweden<br />

ruhig aufrecht erhielt. 1 )<br />

Unterdessen hatte KöntgSmarck im Mai noch einmal den Versuch<br />

gemacht, Wolgast zu nehmen. Die Vorbereitungen wurden auf das sorgfältigste<br />

ausgeführt, das schwedische Lager mit einer EtrcumvallationSlinte<br />

umzogen, <strong>der</strong> Engpaß, <strong>der</strong> durch die Zifaberge führt, durch eine Schanze<br />

gedeckt und damit die Straße nach den Uebergängen über, den Peenefluß<br />

gesperrt, die beiden Pässe hti TribseeS und Damgarten, bie durch bie Schuld<br />

<strong>der</strong> Kaiserlichen unb Dänen wieber in seine Gewalt gekommen waren, aufs<br />

neue befestigt, um einen Entsatz burch bie in Mecklenburg stehenden Truppen<br />

ber Verbünbeten abzuwehren. Trotz aller bieser Vorsichtsmaßregeln gelang<br />

eS beut Kommanbanten beS Schlosses, Halsarb, boch, bie schwebifche Wache<br />

ZU überrumpeln unb sich von Leitern zu verproviantiren, ein für trjn sehr<br />

glücklicher Fang, ba bie Schweben ihm kurz Vorher alles Schlachtvieh genommen<br />

hatten. Die größte Aufmerksamkeit waubte KöntgSmarck ber<br />

schwebischen Stellung auf Usebom zu. Er ließ von Rügen her 600 Mann<br />

Kavallerie, von Stralsunb 400 Mann Jnfanterie mit 10 Geschützen unb<br />

von Greifswaib 300 Mann Jnfanterie unter betn Befel)l bt^ Generalmajors<br />

Grothusen nach Usebom überfetzen. Die Besatzungen ber Pcenemünber<br />

Schanze unb ber Anktamer Fähre würben bebeuteub verstärkt, bie Befestigung<br />

auf Usebom gegenüber Von Wolgaft neu aufgebaut unb bt\ti^tf bie Pässe<br />

bei EoferoW unb bei Pubagla mit den gu einer wirksamen Vertrjeibigung<br />

nöthigen Truppen belegt. Schließlich waren auch an ber Swinc Postenketten<br />

vertheilt, bie bie Uebergänge bewachen unb einem eventuellen Entsatz-<br />

Versuche schon hier entgegentreten sollten. Den Oberbefehl auf Usebom<br />

übernahm KönigSmarck selbst; offenbar hielt er Schwerin für ben gefährlichsten<br />

Gegner.<br />

Trotzbem also bie schwebifche Stellung auf ber Jnfel ganz befonberS<br />

gesichert war, erhielt jener ben Befehl, Wolgaft von Wolltn aus zu entsetzen.<br />

Mit schwerem Herzen mag er an biz Ausführung bieseS Auftrages gegangen<br />

fein, trafen boch jene Bebenken, bie er im Januar gegen einen Entsatz<br />

Wolgaffs von bieser Seite erhoben hatte, jetzt in noch weit stärkerem<br />

Maße zu. Aber anbererseitS wußte er sehr wohl, wie viel beut Kurfürsten<br />

an ber Durchführung beS planes gelegen war. Gelang es ihm, bann<br />

konnte jener mit ber Hauptarmee sofort ohne jebe Zögerung bie Belagerung<br />

von Stettin beginnen. Außer Schwerin hatte auch noch H om ^nrg ben<br />

Befehl erhalten, mit einem kleinen, aus kaiserlichen, baltischen unb branbenburgifcheu<br />

Truppen zusammengesetzten Korps ben Versuch zu machen, über<br />

bie Trebel zu gefjen unb Wolgaft Von bieser Seite zu verproviantirjn,<br />

*) Vgl. Earlfon a. a. Ov pg. 630 u. 635 ff., bagu Peter a. a. Ov pg. 10.<br />

Ueber Lübeck U. u. A. XIV., pg. 868, d. Kurs. a. b. Kaiser b. 15. Mai.


Die Felbsüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 55<br />

o<strong>der</strong> vielleicht eine Diversion KöntgSmarck'S gegen sich ju bewirken und<br />

dadurch das Werk Schwerin'S zu erleichtern.<br />

Dieser hatte seine Truppen, ungefähr 3000 Mann stark, am 21. Mai<br />

auf dem rechten Ufer <strong>der</strong> Swinc gegenüber Von Kascburg, baS nafjc <strong>der</strong><br />

Süboftspitzc von Usedom liegt, zusammengezogen und beabsichtigte l)ier ben<br />

Fluß z u überschreiten. Allein KönigStnarcf tarn ihm zuvor, <strong>der</strong> plan<br />

Schwerin'S war verrathen tootben. Sofort zog er bet Kaseburg im Walbe ein<br />

Korps von ungefähr 1000 Mann zusammen, ließ eine in ber Swine liegende<br />

kleine Jnsct besetzen und bort eine Schanze aufwerfen. Daburch war eS<br />

beu Kurfürstlichen unmöglich gemacht, hier hiuüberzufommen. Schwerin<br />

cutschloß sich nun, einen Angriff auf bie Swittcr Schanze zu wagen unb<br />

sich bort ben Uebergang ju erzwingen. 9toch in ber Stacht vom 21. zum 22.<br />

ließ er 60 Schaluppen unb Boote an bie Müubung ber Swine bringen,<br />

ben SchiffSbirektor Raute, ber feit einigen Tagen an ber Münbung ber<br />

Swinc Vor Anker lag, von feinem Vorhaben benachrichtigen unb um feine<br />

Unterstützung bitten. Wätjrcnb beS UcbergangeS sollte jener soweit irgenb<br />

möglich mit ben Schiffen sich ber Küste von Ufebom nähern und die<br />

Swiner Schanze beschießen.<br />

KönigSmarck hatte Anfangs gemeint, Schwerin fei nach Prttter,<br />

einem ungefähr Vl2 km von <strong>der</strong> Swine entfernt am Victziger See liegenden<br />

Dorfe, zurückgegangen, um von l)tcr aus über das H a ff S u segeln und<br />

damit einem Zusammenstoß mit den Schweden überhaupt aus dem Wege<br />

zu gel)en. Von einem berartigen Vorhaben war jeboch abgesehen worben,<br />

weil bie Stettin'fchc Besatzung eine Reil)c von Schaluppen ausgerüstet hatte,<br />

bie bie Branbcnburger au einer Laubitug auf Ufebom hin<strong>der</strong>n sollten.<br />

Erst am Abend beS 22. erfuhr er obigen Plan Schwerins. Sofort<br />

marschirte ÄönigSmarcf selbst mit 300 Mann Jnfanterie unb 200 Reitern<br />

unter bem Obersten Mclltu bortl)in unb ließ zur Vorsicht bie Obersten<br />

Sacken unb Ascherson mit ber gleichen Mannschaft in Kaseburg zurück.<br />

So war eS unmöglich, ben Feind JU verfehlen. Bet Eintritt ber Dunkelheit<br />

gab Schwerin ben Bcfel)l, an einer gegen die Kanonen ber Swinescl)anze<br />

burch einen ©anbljügcl gebeerten Stelle btc Boote ins Wasser zu bringen,<br />

Während eine schwebischc Rciterpatrouille so weit als möglich zur Beobachtung<br />

beS FeinbeS in bie See l)iuauSritt. Als ber Morgen graute, hatten bie<br />

Branbenburgcr bereits über bie Hälfte beS Flusses burchschrttten unb waren<br />

nur in MuSkctcnschußweite vom Laube entfernt. Jn einer 2000 Schritt<br />

laugen Schlachtordnung nahmen bie Truppen auf einer Sanbbank Stellung,<br />

Voran bie Kavallerie. KönigSmarck hatte sich an ben an ben F* u ß angrenzenden<br />

Walb zurückgezogen, um ben Feinb über seine Stärke zu täuschen.<br />

Kaum war bie braudenburgtsche Reiterei am Ufer angelangt, so rückte bie<br />

schwebischc in 4 Abtheilungen vor, unb cS gelang KöntgSmard, mit seinem<br />

Unken f^tügel eine glückliche Attacke aus ben F c inb JU machen uub il)u zu


56 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Zersprengen. Sin Theil wurde in den Fluß zurückgetrieben, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

im Walde auseinan<strong>der</strong>gejagt. Auf diese wurde nun Von den daselbst<br />

liegenden schwedischen Musketieren ein heftiges Feuer eröffnet, während die<br />

Reiterei gegen den rechten Flüflel Vorrückte und ihn in <strong>der</strong> Flanke faßte.<br />

So gerietl) die ganze brandenburgische Kavallerie in Verwirrung und zog<br />

sich in den Flnß auf die Jnfanterie zurück. Eine weitere Verfolgung<br />

Seitens <strong>der</strong> Schweden fand nicht statt, da die Musketiere im Walde durch<br />

jenen Kampf festgehalten wurden, und KöntgSmanf es nicht wagte, angesichts<br />

einer Batterie von 12 Geschützen, die Schwerin am rechten Ufer des FlnfseS<br />

hatte errichten lassen, und <strong>der</strong> Stärke <strong>der</strong> brandenburgischen Macht mit<br />

feinen wenigen Reitern in den Flnß hineinzugehen o<strong>der</strong> ihn gar zu überschreiten.<br />

Die Einschiffung <strong>der</strong> Schwermachen Truppen vollzog sich schnell,<br />

ohne größere Einbuße. Um so größer war die in dem Kampfe im Walde<br />

erlittene. Mochten sie auch numerisch den Schweden überlegen sein, so<br />

waren diese doch durch ihre Jnfanterie im thatsächlichen Vortheil, da die<br />

Reiter von ihrer Waffe keinen Gebrauch machen konnten, fon<strong>der</strong>n einzeln<br />

aus <strong>der</strong> Feme Von den Musketieren nie<strong>der</strong>gestreckt wurden. Gefangene<br />

gab es nur wenig. Jm Ganzen betrug <strong>der</strong> branbenburgifche Verlust 300<br />

Todte und 30 Gefangene.<br />

Von ber Flotte aus hatte <strong>der</strong> Versuch Schwerin'S nicht im Geringsten<br />

unterstützt werben können; ein leichter Sübwinb erhob sich am Tage, ber<br />

es Raule unmöglich machte, in bie Swine hineinzukommen. Trotzbem<br />

gab biefer bie Hoffnung nicht auf, Wotgast Von tiefer Seite zu entsetzen.<br />

S^och am 23. Mai traf er mit Raule an ber Münbung ber Swine<br />

zusammen und schlug ihm Vor, mit gutem Winde an <strong>der</strong> Pcenemün<strong>der</strong><br />

Schanze Vorbei durch die Peene bis nach Wolgast zu segeln und neuen<br />

Proviant in baS Schloß hineinzufchaffen. Raule billigte biefen plan,<br />

allein er erwies sich als unburdjfüljrbar. Drei Schiffsleute, welche mit<br />

bem F a hrtoaffer Völlig vertraut waren, erklärten, baß sie wegen ber Enge<br />

ber Peene bort nie vorbeikommen würben. Auch gtoei anbere Pläne<br />

Schwerin'S, entweber eine Belagerung ber Swinefchanze ju unterstützen,<br />

ober aber so nahe an bie Peenemünber Schanze mit ben Schiffen heranzugehen,<br />

baß sie biefe mit ihren Geschützen über ben Haufen schießen könnten,<br />

waren wegen ber Beschaffenheit ber Schiffe unburchfürjrbar.<br />

Obwohl KönigSmard also ben Versuch Schwerin'S glänzenb zurück^<br />

geschlagen und bamit bie Pläne beS Kurfürsten burchkreuzt hatte, blieb<br />

ihm boch Wenig Hoffnung, Wolgaft wieber in seinen Besitz z u bringen.<br />

Gleich am Anfang ber Belagerung hatte er ben Versuch machen lassen,<br />

von ber Usebom'schen Seite her baS Schloß zu nehmen, allein biefer Angriff<br />

war mißlungen. Die Boote, auf welchen bie Sturmkolonnen überfetzen<br />

mußten, würben von ber Besatzung arg zerschossen, ein Tl)etl trieb an bie<br />

Schloßinsel, unb 200 Jnfaffen würben zu Gefangenen gemacht. Unter


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 57<br />

bem Belagerungsheer wütheten Krankheiten aller Art, bie durch bie schlechte<br />

Bekleidung noch vermehrt wurden. Außerdem machten sich bei einzelnen<br />

Regimentern Revolten bemerkbar, so baß KönigSmard es vorzog, in Unterhandlungen<br />

mit Haltard wegen einer Uebergabe beS Schlosses zu treten.<br />

Allein er fand in diesem einen ebenso entschlossenen wie tapferen Gegner.<br />

Lieber wollte er sich unter ben Trümmern begraben lassen, als einen ihm<br />

anvertrauten Posten übergeben. Von gleichem Muthe unb gleicher Treue<br />

gegen ihren Herrn war bie Besatzung beseelt. „Sie wollten," so antworteten<br />

die braven Leute auf seine Frage, ob sie bei ihm ausharren wollten, „bey<br />

ihm leben und sterben, sich aber nicht ergeben, darauf solle er sich verlassen.<br />

Sie wollten mit ihm hungern und essen, wann sie was hätten; wann<br />

auch das Brodt alle verzehrt Wäre, wollten sie zum Pferde-Fleisch greifen<br />

und biß zum Entsatz sich tapffer halten, daß je<strong>der</strong>mann urtheilen solte, daß<br />

an selbigem Orte redliche Teutsche Soldaten gelegen." So wurde jede<br />

freiwillige Uebergabe auf das entschiedenste zurückgewiesen.<br />

Wäre eS dem Prinzen von Homburg gelungen, mit seinen Truppen<br />

eine Diversion KönigSmarck'S zu bewirken, so daß dieser eine Belagerung<br />

hätte aufgeben müssen, so konnte <strong>der</strong> Kurfürst sich noch in diesem Jahre<br />

gegen Stettin wenden. Allein jene Truppen zeigten sich als zn schwach,<br />

und Friedrich Wilhelm sah sich genöthigt, für den kommenden Fe^zug seine<br />

Pläne zu än<strong>der</strong>n. Am 30. Mai gab er an Homburg folgende Jnstruktion:<br />

„Nachdem Wir auß gewißen bewegenden Uhrsachen dafür halten müßen, daß<br />

das Ew. Lbdn. bekandte dessein mit dem wenigen Bolde so sie bey sich<br />

haben, nicht reussiren werde, undt Wir dan <strong>der</strong> Uhrsachen halber gnädigst<br />

resolviret so woll zn Pferde alß zu F u ß aufs den 1^ negft künftigen<br />

MonahtS Juny aus ihren quartiren aufbrechen zu laßen, So haben Wir<br />

Ew. Lbdn. solches . . . hiermit notificiren wollen." Also <strong>der</strong> Kurfürst<br />

war entschlossen, persönlich noch einmal nach Vorpommern zu gehen, persönlich<br />

Wolgast mit dem ganzen Heer zu entsetzen und erst dann seine Pläne weiter<br />

ZU verfolgen. 1 )<br />

*) Ueber die zweite Belagerung Wolgast'S burch bie Schweben unb bie ver=<br />

geblichen Entfatzverfuche burch Schwerin unb Homburg vgl. Diar. Eur. XXXIII,<br />

pg. 514, 518, 526 (Bericht einer Vornehmen Generalsperson, d. d. Easseburg<br />

14./24. Mai, ber Von KönigSmarcf selber stammt), 609 unb XXXIV, pg. 31.<br />

D. Verto. Eur. III, pg. 202 enthält 2 Berichte, Von benen jeboch ber eine nur ein<br />

AUSZUQ auS bem anbern ist. — Dazu bie Jnstruktionen Friebrich Wilhelm'S an<br />

Homburg in Abschrift im G. St. d. d. 14./24. u. 20./30. Mai unb <strong>der</strong> Bericht<br />

b. Kommissars Reuljauß, d. d. an ber ©toine 13./23. Mai an b. Kurs. u. Schwerin'S<br />

an b. ©ürine 13./23. Mai an b. Kurs, im G. St. — Räch Droysen a. a. O., pg.<br />

373 Scheint eS, als sei Schwerin birekt nach jenem mißglückten VerSuche über bie<br />

©trnne gegangen unb habe Wolgaft entsetzt, während in ber That über ein Monat<br />

bazttriSchen liegt. Sein Verlust wirb also boch wofjl beträchtlicher gewesen Sein, als<br />

Droysen in ber Anm. 525 zugeben will unb obiger Angabe Kb'nißSmarcfS entsprochen


58 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Jn den diplomatischen Verhandlungen <strong>der</strong> Verbündeten unter einan<strong>der</strong><br />

und mit fremden Mächten am Ende beS Jal)reS 1675 und in <strong>der</strong> ersten<br />

Hälfte 1676 zeigt sich ein gleiches Bild wie 1675. Je<strong>der</strong> Staat verfolgte<br />

nur feine Jntereffenpolittk, ol)ne auf seine Verbündeten Rücksicht zu nehmen;<br />

bet allen machte sich baS Bestreben geltend, ja feinen <strong>der</strong> Aflttrten eine zu<br />

mächtige Stellung in Deutschland erringen ^n lassen und fremde Errungenschaften<br />

möglichst für sich auszubeuten. Von vornherein herrschte ein Wi<strong>der</strong>spruch,<br />

<strong>der</strong> nicht ^u überbrücken war. Der Kaiser, Spanten und H°siand<br />

Wollten Vor allem Frankreich feiner übermächtigen Stellung berauben,<br />

Dänemark und Brandenburg dagegen war cS vor allem darum zu thun,<br />

Schweben baS dominium maris baltici ^u entreißen, eS damit im mitteleuropäischen<br />

Staatcnfyftcin §u einer politischen üftull herabzubrürfen und<br />

selbst feine Stellung einzunehmen. Dieser so ganz verschiedene Endzweck<br />

beS Kampfes übte naturgemäß eine entscheidende Wirfung bei <strong>der</strong> immer<br />

bringenber hervortretenben Frage nach ben Entfchäbiguugen aus. Am<br />

Wiener H°f e * üa r man geneigt, womöglich Schweben Pommern znrüd-<br />

3ugeben unb bann mit aller Macht sich gegen Frankreich zu weuben. Sollte<br />

Branbenburg wirklich ganz Pommern erobern, bann trat man am kaiserlichen<br />

Hofe sogar mit betn Gebauten hervor, baß ber Kurfürst Krossen an Oesterreich<br />

abtreten müsse, Weil er bafür in Pommern entfchäbigt werbe. Ja man<br />

wagte cS, an eine Erwerbung Oesterreichs am baltischen Meer zu benken<br />

unb bantit bie Wallenstcinfche Politik wieber aufzunehmen. Der H°fratl)<br />

Hocher hatte sich ber Meinung H°^anbS angeschlossen, wonach bie Grenzen<br />

BranbeuburgS in Pommern erweitert werben, cS baun aber auch mit aller<br />

Macht an beut Kampfe gegen Frankreich theilncljutcu sollte, nachbem mit<br />

Schweben Frtebe geschloffen fei. Von einer uneingeschränkten Besitzergreifung<br />

Pommerns burch Friedrich Willjelnt war nirgends mehr die Rede. Bei<br />

diesen Staaten geigte sich deutlich das Bestreben, diesen Fürsten ja nicht<br />

ZU mächtig werden ^n lassen. Jn ähnliche Z^istigfcitett Waren Dänemark<br />

und Lüneburg wegen <strong>der</strong> Verkeilung <strong>der</strong> bremenfchen Län<strong>der</strong> gerathen.<br />

Dieses wurde vom Kaiser begünstigt, weil man hoffte, die A^erjöge dadurch<br />

ZU einer thätigen Tl)etlnal)tne am Kampfe gegen Frankreich %u% bewegen.<br />

Auch Münster und Lüneburg lagen wegen dieser Frage in ewigem Streit.<br />

Stimmt man dazu bie Zänkereien um bie Winterquartiere, bie sich ba$ ganze<br />

Jahr hinburch z°9 c n unb schließlich boch nicht ^n einem allseitig zufriebenstcllenbcn<br />

Resultat führten, so ist baS Bilb, welches wir von bem zweiten<br />

Zusammengehen ber verbünbeten Mächte gewinnen, nicht gerabc ein Zutrauen<br />

erwccfenbcS zu nennen. 1 )<br />

haben. Aue feine Versuche, über bie ©toine 31t kommen, mißlingen. @o auch<br />

V. Santtz an die Regierung in Eolberg, d. d. Woilin 13./23. Mai im St. St.<br />

') Vgl. Pufenborf XIV, § 13, § 29-31. U. u. A. III, pg. 463 ff.


^)k Felbzüße beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 59<br />

Friedrich Wilhelms Bemühungen mußten in den diplomatischen Verhandlungen<br />

dahin gehen, für Dänemark, dessen Landtier sich gegen Schweden<br />

wandte, die Unterstützung beutscher Fürsten zu gewinnen. Daher schickte er<br />

am 30. März den Generalkommifsar Bodo V. Gladebed an die «g>öfe Von<br />

Seile, Lüneburg unb Hannover. An den ersten beiden Höf cn erreichte man<br />

balb ein befriedigendes Resultat. Schon am 27. Mai wurde zwischen dem<br />

Kurfürsten und den H er 3Ögen Georg Wilhelm unb Rubolf August ein<br />

Vertrag geschlossen, wonach diese iljm zur Belagerung von Stade 2000 Mann<br />

überließen, dagegen verzichtete er auf eine Entschädigung in den bremenverdenschen<br />

Landen, wenn er sie in Pommern erhielt; außerdem versprachen<br />

sie auch, beut Kurfürsten baselbst Hülfe zu leisten, ^ach bev Eroberung<br />

von Stabe kam cS zu einem neuen Vergleich zwischen i()tten am 15. Oktober,<br />

worin auch ber Bischof von Münster eingeschlossen wurde. Die versprochene<br />

militärische £ilfe nach Pommern setzten sie auf 4000 Mann, barunter<br />

4 Kompagniccn Reiter unb Dragoner nebst beut nöthigen Geschütz fest.<br />

Jn Hannover erreichte Gtabcbccf nichts. Sowol)l feine wie beS dänischen<br />

Gesandten v. Buchwald Vorstellungen, sich den Verbündeten anzuschließen,<br />

wurden zurückgewiesen. Schwierigkeiten durfte man ihm nicht beretten, weil<br />

ZU befürchten stand, daß alsdann die dritte Partei sich bilden werde, wozu<br />

Sachsen und Batern große Neigung zeigten. Friedrich Wilhelm mußte sich<br />

für den kommenden ^elbjug mit jenen 4000 Mann begnügen. 1 )<br />

Von den auswärtigen Mächten kam für die nordischen Verhältnisse<br />

allein Polen in Betracht. Am dortigen H°f c Zeigte sich daS heftigste<br />

diplomatische Wi<strong>der</strong>spiel <strong>der</strong> Parteien. Dieser Staat befand sich in einer<br />

äußerst günstigen politischen Lage, beiden streitenden Parteien lag offenbar<br />

Viel daran, ihn für sich zu gewinnen. Am 12. Juni 1675 war zwischen<br />

Frankreich und Polen ein Vertrag geschlossen, wonach jenes sich verpflichtete,<br />

200,000 Trjlr. Subsidien an Polen zu zahlen und ihm zur Wie<strong>der</strong>gewinnung<br />

von Preußen behilflich z u fein. Dafür versprach Johann SobteSky,<br />

französische Truppenwerbungcu in Polen ju begünstigen, sie den Feinden<br />

Frankreichs jedoch nicht zuzulassen. Und einige Monate später meldete<br />

Forbin-Janfon, <strong>der</strong> französische Gesandte am Warschauer H°fr daß, wenn<br />

Polen mit <strong>der</strong> Türkei Friede geschlossen haben würde, eS sogleich in Unter*<br />

haudlungen mit Schweden träte. Eine eifrige Unterstützung fanden seine<br />

Bemühungen bei dem schwedischen Unterhändler Ltlltehöd. Jn <strong>der</strong> That<br />

erklärte <strong>der</strong> polnische Woiwode von Pommern dem Kurfürsten, er könne<br />

den preußischen Truppen, Wenn sie nach Pommern wollten, den Durchzug<br />

nicht gestatten. Diesen schwedischen und französischen Jutriguen, die<br />

beson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong> H°fgeistlichkeit Gel)ör fanden, setzte <strong>der</strong> geschickte brandenburgische<br />

Gesandte Ho^erbed ein Gegengewicht entgegen, indem cS il)m<br />

gelang, die Magnaten <strong>der</strong> Krone für seinen Herrn ju gewinnen. Sie<br />

*) V. Mörner a. a. O. pg. 388 f., Puf. XIV, § 23 it. 32.


60 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

standen auf dem Reichstage einem Kriege gegen Brandenburg ablehnend<br />

gegenüber. Dieser Gegensatz zwischen Krone und Adel trat einem energischen<br />

Vorgehen des Königs in <strong>der</strong> Verfolgung <strong>der</strong> polnischen Jnterefsen in den<br />

Weg, die offenbar in einer Kriegserklärung an Brandenburg bestanden.<br />

Trotzdem machte Frankreich Von Steuern einen Versuch. Am 10. April<br />

1676 wurde <strong>der</strong> Marquis Betrjune, <strong>der</strong> Schwager <strong>der</strong> polnischen Königin,<br />

zum außerordentlichen Gesandten ernannt. Jn seiner Jnstruktion werden<br />

auf daS deutlichste die Vortheile auseinan<strong>der</strong>gesetzt, die Polen von einem<br />

Kampfe gegen Brandenburg o<strong>der</strong> einer Unterstützung <strong>der</strong> ungarischen Rebellion<br />

unter Emmerich Tököly ziehen werbe. Allein die Verhandlungen führten<br />

ZU keinem gkl Kleinliche Zänkereien gtDifd^en <strong>der</strong> Königin und ihrer<br />

Schwester, <strong>der</strong> Marquise Bethune, bewirkten eine Verstimmung zwischen<br />

beiden Höfen« Wie bei den Verbündeten allenthalben, so traten hier am<br />

polnischen Hofe bald französische und schwedische Jnterefsen einan<strong>der</strong> entgegen,<br />

indem Frankreich mehr auf eine Unterstützung <strong>der</strong> Ungarn, Schweden<br />

mehr auf einen Einfall in Preußen drängte. Die Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> schwedischen<br />

Flotte bei Oeland endlich vernichtete jede Hoffnung auf ein thatsächliches<br />

Eingreifen Polens; nur so viel wurde erreicht, daß eS ein Heer an <strong>der</strong><br />

russischen Grenze zusammenzog, um den Zaren an einem Einfall in Lifland<br />

Zu hin<strong>der</strong>n, wozu die branbenburgifchen und dänischen Unterhändler ihn<br />

vermocht hatten. 1 )<br />

Unbekümmert unb unbesorgt um Polen konnte Friedrich Wilhelm so<br />

im Frühjahr 1676 an die weitere Ausführung feiner Pläne in Pommern<br />

gehen.<br />

l ) Puf. XIV, § 1—12 ßiebt eine eingehende Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> polnischen Ver=<br />

e. Da$u Recueil des instruetions donnes aux ambassadeurs de France IV,<br />

Pologne pg. 52 ff.


Die FelbzÜQe beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 61<br />

•<br />

IV. (Eroberung ber JDeenefeJlungeu 3Utklam unb Bemmtn<br />

ßlokabe Stettins 1676.<br />

Zwei Thatsachen deuteten, wie oben bemerkt, darauf hin, daß <strong>der</strong><br />

Kurfürst in diesem Jahre sich sofort gegen Stettin wenden würde, die Angaben<br />

in den Relationen Sternberg'S an den Kaiser unb die Lage ber<br />

Winterquartiere. 1 ) Die politische Konstellation brängte gleichfalls bazu, Acht<br />

Zu geben, baß er bie Theile Pommerns, an bereu Besitz ihm besonberS viel<br />

gelegen war, in feine Gewalt bekomme. Darum mußte feine Losung sein,<br />

Stettin, ben wichtigsten Platz in Pommern, möglichst batb ben Feinben<br />

Zu entreißen. Die Grünbe, bie ihn trotzbem zwangen, baS Heer so lange<br />

in ben Winterquartieren zu lassen, waren zunächst persönlicher üftatur, seine<br />

Krankheit, bie Gicht, plagte chn im Anfang bieseS Jahres mehr benn je<br />

unb nöthigte iljn, in Berlin zu bleiben. Dazu kamen ernste politische Erwägungen<br />

über bie Haltung Polens, bie in ben ersten 5 Monaten burchauS<br />

nicht unbebenklich schien, unb schließlich war eS bie militärische Lage, bie<br />

ihn Von einer raschen Verfolgung seiner Pläne abhielt. Einmal fürchtete<br />

er, baß ber Entsatz, ber Von Schweben nach Pommern bestimmt war, auf<br />

Rügen unb in Stralsunb lanben, sich hier mit ben übrigen Feldtruppen<br />

verbinben unb über TribseeS einen Vorstoß nach Medienburg unb Ruppin<br />

machen würbe. Sein H ee r wäre baburch in 2 Theile getheilt unb eine<br />

einheitliche Operation leicht unmöglich geworben. Allein bieser Grunb<br />

scheint mehr nebensächlicher Sftatur gewesen z u sein, benn bereits am<br />

30. Mai, also bevor bie entscheibenbe Schlacht bei Oelanb geliefert<br />

War, hatte er sich entschlossen, nicht birekt gegen Stettin zu gehen, sonbern<br />

erst Wolgast zu entsetzen. Zwischen ben beiben Jnstruktionen an H°mburg,<br />

<strong>der</strong> ersten vom 24. unb ber zweiten Vom 30. Mai, muß bie Entscheibung<br />

liegen, benn in ber ersten wirb noch vorausgesetzt, baß er mit ber Hauptarmee<br />

vor Stettin geht, währenb er in ber zweiten eS auSbrütft, baß er<br />

persönlich Wolgast entsetzen wolle. Jn biefe Zeit wirb auch jener benkwürbige<br />

Aufsatz beS Kurfürsten fallen, einerseits „Rationes, worumb man<br />

Stettin zuerst angreiffen solle" unb anbrerseitS „Rationes, worumb man<br />

*) VQI. pg. 44 f. unb 47.


62 Die FesbzÜQe beS großen Kurfürsten in Ponuuern 1675—1677.<br />

Ancflam zuerst angreiffeu solle." 1 ) Er stellt offenbar daS Resultat <strong>der</strong><br />

Verhandlungen eines KricgSratljeS bar, dessen F°fö e eben jene Jnftruftton<br />

an Homburg ist. Vier Gründe sind &, die <strong>der</strong> ffurfürsi für eine sofortige<br />

Belagerung Von Stettin anführt. Er vermuthet einen baldigen Friedensschluß;<br />

\\t Stettin alsdann nicht in feiner Gewalt, so wirb er es im Frieden<br />

unmöglich erlangen und <strong>der</strong> gange Krieg ist vergebens geführt. Alle gu<br />

einer Belagerung von Stettin nothwendigen Bedürfnisse können auf dem<br />

bequemen Wasserwege dorthin geschafft werden. Gel)t er jetzt erst vor eine<br />

an<strong>der</strong>e Festung, so läuft er Gefahr, dort einen großen Tljeil setner<br />

Jnfanterie einzubüßen, und die Belagerung von Stettin wird damit von<br />

Steuern hinausgeschoben. Schließlich glaubt er, daß die Dberfeftung nicht<br />

mit einer ausreichenden Besatzung versehen ist und die Bürgerfchaft<br />

eine unsichere Haltung geigen werde. Er geigte nicht danach, die<br />

feindlichen Grenzfeftungen eine nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n z u erobern, ohne eine<br />

bestimmte Absicht ju verfolgen, son<strong>der</strong>n wie bei seinem Gewaltmarsch von<br />

Franken bis 3fel)r6cflin, bei <strong>der</strong> Verfolgung dcS Feindes durch Mecklenburg<br />

hindurch und bei feinem Einbruch tu Pommern zeigt fiel) auch fjter ein<br />

großes, leitendes Princip, bei allen feinen strategischen Maßnahmen strebte<br />

er einem bestimmten Eudgiel gu. Die ganze Masse <strong>der</strong> ihm gu Gebote<br />

stehenden Streitkräfte vereinigte er an einer Stelle, entschlossen, den einmal<br />

gefaßten Gedanken durchzuführen. 8tt <strong>der</strong> ftxvcfi dcS gangen Kampfes<br />

galt thut Von Anfang an die Eroberung von Stettin. Jm Oktober des<br />

vorigen JaljreS hatte er notgedrungen von jenem obersten Grundsatz aller<br />

seiner Operationen abweichen und sich mit <strong>der</strong> Belagerung von Wolgast<br />

begnügen müssen; jetzt gewann die vorsichtige und aügu sichere Strategie<br />

beS KrtegSratljeS den Sieg über fein tsttytteä und doch wohtbcgriiubetcS<br />

Vorgehen. WaS hat Üjn dagu bewogen? 9iicht die Gründe, welche feine<br />

*) Folgende Gründe bewegen bie Generale )U ifjrem Vorgehen: 1. ©ottrirfct<br />

gestanden, ba§ a\jn (Stettin ©. Ctjitrf. Durchs, zum höchsten gelegen, 2. so ist geiuiS,<br />

ba§> grolle commoditeten fein allcS ntitt meniger mul)e unbt Unkosten balu'n 31t<br />

bringen, 3. für einen anbern o^vtte §n gehen ücrntcinbt mau, ba§ bie invanterie<br />

gent?Uch ruiniret Werben bürste; nun beburfte man so vieler Vclrfer batgn nicht,<br />

son<strong>der</strong>n man bie Kayferltcheu 6000 )U fufse tnS felbt bringen, so funte mau von<br />

ben Vranbenburgifrfjeu 5000 man baju geben; bamit funttc man Äncflam belagern;<br />

4. hiburch würbe bie Hauptataque aufs (Stettin nicht Verljittbert werben, son<strong>der</strong>n<br />

facilitiret, meifl man nach eroberung AncflamS bie Kaiserlichen ntitt für Stettin<br />

gebrauchen kuntte; 5. ba$ ber ot)rt nicht ntitt genügsamer manfchaft öerfeljen sey,<br />

solches (an wol;! i$o seyn; (Sie htnnen aber alzettt securs bal)inuen bringen; 6. man<br />

muß (Sich nicht Verlassen, ba§ bk Burger (Sich nicht mehren, son<strong>der</strong>n hk garnison<br />

Zur Übergabe forsiren, bevorab meitl sie noch immer frische Fel<strong>der</strong> hineinbringen<br />

htnnen; 7. baS burcl) bie cappers ber securs verhin<strong>der</strong>t merben funtte, botQti ist fel;r<br />

ZU zmetSfeln, mei 11 ber feinbt auß «Stettin sehr Vtell valjraeug aufbringen kau, welche<br />

so Wenige kappern leicht überlegen Sein kuntten; 8. man Ancklant ingenommen, So<br />

kan kein securs in Stettin kommen; 9. So merben mir alba So Dtell kleine fahrtzeug


Die Felbzügc beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 63<br />

Generale vorbrachten. Keiner hatte if)n in einem seiner Gründe zu wi<strong>der</strong>legen<br />

vermocht, son<strong>der</strong>n dieser Entschluß entsprang offenbar <strong>der</strong> Sachlage<br />

in Pommern, aus dem mißglückten Versuch Schwerin'S, Wolgast Von <strong>der</strong><br />

schwedischen Belagerung zu befreien, Uttb aus <strong>der</strong> Unmöglichfeit, es durch<br />

Homburg wenigstens zu verprovtantiren. Wolgast konnte und durfte jetzt,<br />

wo er eS einmal gewonnen und feine Wichtigkeit für die Belagerung<br />

Stettins erkannt hatte, nicht wie<strong>der</strong> in die Gewalt beS Feindes fallen.<br />

KönigSmarcf hatte durch fein Vorgehen gegen diese Vefte, obwohl ifjre<br />

Eroberung schließlich nicht gelang, einen gewaltigen Erfolg für Schweden<br />

errungen; die Belagerung Stettins war zum zweiten Mal hinausgeschoben.<br />

Trotzdem blieb die Lage Schwedens um die Mitte des JarjreS 1676<br />

bedenklich. Durch die Seeschlacht bei Oelanb war je<strong>der</strong> wettere direkte Entsatz<br />

nach pommern verhin<strong>der</strong>t, so daß Karl XL schon bett Plan entwarf, mit<br />

einem Heere. Von Esthland, Liflanb uttb Finnland her in Preußen einzufallen<br />

und eine Diversion zu machen. Z u Schwedens großem Nachtheil unterblieb<br />

diese Operation durch die Schuld seiner Heerführer in diesem Jahre. 1 )<br />

Ferner hatte die Nie<strong>der</strong>lage zur ^olge, daß Christian V. in den ersten<br />

Julitagen mit einem Heer von 16,000 Mann bei Jstadt landete. Z u gleicher<br />

Zeit fiel <strong>der</strong> Gouverneur Von Norwegen in die westlichen Provinzen deS<br />

Reiches ein; so standen Schonen, Weftergotland, Oftergotland und BohuSleljn<br />

den Feinden offen, da das schwedische H ee r am Ufer entlang zerstreut war<br />

und nirgends Wi<strong>der</strong>stand leisten konnte. Der König war von einem<br />

Schweigen <strong>der</strong> Verzweiflung ergriffen und ließ seine Generäle ol)ne jede<br />

Jnftruktion. 2 ) Ju Deutschland standen die Sachen nicht besser. Stabe,<br />

die letzte schwedische Besitzung tu Brciuen-Vcrden, wurde Von den Verbündeten<br />

belagert. KöuigSmarcE hielt in pontmern 0$x die Belagerung<br />

von Wolgaft noch aufrecht, doch nur mit großer Mühe. Gelang es doch<br />

Hallard, die auf Usedom dem Schloß gegenüber aufgeworfene Schanze zu<br />

erobern und ju zerstören. Schweden war fiel) feiner bedenklichen Lage woljl<br />

bewußt, eS suchte bafjer das, was tl)m mit kriegerischen Mitteln nicht<br />

gelungen war, auf dem Wege <strong>der</strong> Unterhandlung z u erreichen. H cr S°9<br />

bekommen, ba§> toil bamit zu Wasser bie (5tettiner nel/benst den kappern grossen<br />

abpruch tljuu röttuen; 10. (So wirbt Wolgaft burch oecupirung AncflautS alzeit<br />

fumten proviandiret, uubt ba ber fetnbt solchen orbt belagern toolte, al^eit secondiret<br />

toerben; 11. tuan auch ein Hauptsecurs auß ©chincben kommen folte, kan man<br />

alßba beut feinbe entgegen gefyen, unb ntitt bemfelben schlagen, für Stettin einiges<br />

lassen, bamtt selbe ingel)alten bleiben; 12. bie Hauptaction für Stettin kan befto<br />

besser uubt sicherer gefärbt werben; 13. so muß bei gettteit ein magasin gegen<br />

Slncflam gemacht unbt alles bal)tn gefchaft werben; 14. biefeS muß nun im tjochfteu<br />

geheim gehalten uubt barauff aufs Stettin geljen, auch alle praeparatorien ba^in<br />

gertcht tuerben."<br />

1 ) Vgl. darlfon a. a. O. pg. 639.<br />

2 ) Vgl. garffow a. a. O. pg. 641 ff.


64 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Adolf, <strong>der</strong> Onkel des Königs, ging incognito nach Linz, aber alle Bemühungen,<br />

neue Verhandlungen mit dem Kaiser anzuknüpfen, waren Vergeblich.<br />

Auch bei ben für Schweden gefährlichsten Mächten, bei Dänemark<br />

und Brandenburg, wurde ein Versuch gemacht, sie zu trennen. Unter<br />

ben Offizieren, welche daS Kriegsfeuer auf das eifrigste geschürt hatten, trat<br />

besonberS ber Oberst Wangelin hervor. Am Abenb beS 23. Juni ging er<br />

auf ber Rhebe von Jstabt an Borb <strong>der</strong> schwedischen Gatliote Maria, um<br />

einem Befehl deS Königs gemäß sich nach Stralsund zu begeben. Am nächsten<br />

Morgen wurde er auf <strong>der</strong> Höhe von JaSmund von einem <strong>der</strong> brandenburgischen<br />

Schoner, die nach dem Verunglückten Unternehmen Schwerin'S die pommerfche<br />

^n\U blokirten und frembe Schiffe kaperten, erblickt. Sie verfolgten daS<br />

Schiff, hielten es an und brachten es schließlich nach Kolberg in Gewahrsam.<br />

Zum zweiten Mal war Wangelin in Gefangenschaft gerathen. Seine Bewachung<br />

war eine strenge, um so mehr, als er an Schwerin in feinem<br />

Feldlager an <strong>der</strong> Swine den Vorschlag eines SeperatfriedenS gtüiscljen<br />

Schweben unb Branbenburg gemacht und zugleich bemerkt hatte, daß Karl XI.<br />

eS mit Dänemark versuchen müsse, wenn ber Kurfürst nicht barauf eingehen<br />

wolle. Da solche Parttkularverhanblungen, mochten sie von berufener Seite<br />

stammen ober nicht, zu ben schlimmsten Konsequenzen für bie Verbünbeten<br />

führen konnten, wurde er nach ber Festung Peiz beförbert unb in sicheren<br />

Gewahrsam gebracht. Damit war seinem gefährlichen Treiben ein schnelles<br />

Ende bereitet. Es wirb wohl immer eine offene Frage bleiben, ob Wangelin<br />

in ber That im Auftrage feines Königs ober eigenmächtig gel)anbelt hat.<br />

Aber schon daß er eS wagen durfte, überhaupt solche Verhandlungen vorzuschlagen,<br />

zeigt, wie man in Schweben bamalS über bie Fortsetzung des<br />

Krieges dachte. Der Kurfürst versäumte eS nicht, feinem Verbündeten, dem<br />

König von Dänemark, hiervon Mittheilung zu machen; offenbar hielt er die<br />

Angaben WangelinS für richtig. „Jch habe, so schreibt er ihm, <strong>der</strong> not!)<br />

erachtet, Ew. Königl. Maytt davon fofortf) part zu geben, damit dieselbe<br />

darauß ersehen mögen, daß Jch, ungeachtet alles Vortheils, so Mir bey<br />

einem particulierfrieden angetragen werden möchten, nicht einmal davon zu<br />

hören entschlossen bin." 1 )<br />

Am 26. Juni brach Friedrich Wilhelm trotz seiner Krankheit von<br />

Berlin über Fehrbellin, Freyenstein und piaue nach Liepen auf, wo er am<br />

2. Juli über die Armee, so weit sie sich bis jetzt gesammelt hatte, Revue<br />

abhielt. ES waren dies die Regimenter, die in Medienburg, in <strong>der</strong> Prtegnitz,<br />

in Ruppin und Westhavelland in Quartier gelegen hatten und die seit dem<br />

16. Juni in Parchim zusammengezogen waren, dazu die Regimenter aus<br />

Barnim und <strong>der</strong> Mittelmark und die Artillerie aus Kroffen nebst ben<br />

l ) Vgl. R. Brobe: Ein schwebischer Obrist auf ber Festung Peiz, Mark.<br />

Forschungen XX, pg. 65 ff. - Der Brief d. Kurs, an Ehrist. V. d. d. Feldlager<br />

zwischen GreifStoalb und Wolgaft, 2./12. Juli 76 im Concept im K. A.


ÜDte Selbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 65<br />

Regimentern aus Magdeburg, Barby und Z er6 ft und den 2000 Dänen,<br />

im Ganzen ungefähr 16000 Mann. Die beiden westfälischen Jnfanterieregimenter<br />

Spaen und Etler, sowie die kaiserlichen Truppen standen noch<br />

aus. Schon am folgenden Tage erließ <strong>der</strong> Kurfürst im Lager bei Grubenhagen<br />

die Ordre für den Einmarsch in Pommern. Die gesammte brandenburgische<br />

Jnfanterie und die kaiserlichen Regimenter außer den Dragonern,<br />

ferner die 2 Kompagnieen Trabanten und 600 Mann kommandirte Reiter<br />

unter Oberstlieutenant v. Koller bildeten das Eentrum; den Oberbefehl hatte<br />

<strong>der</strong> Kurfürst persönlich; von dem Gnoyener Passe aus sollte eS gegen<br />

TribseeS vorrücken. Der linke Fl u 9 e l tourbe von den 2000 Dänen unter<br />

Generalmajor V. Meerheimb gebildet und rückte über Schwaan, Lage, Dessin<br />

nach Sülze vor, von dort auS sollte er nach Pommern hinein marschiren.<br />

Den rechten ^tügel kommandirte <strong>der</strong> Prinz von H om ^nrg. Er bestand auS<br />

<strong>der</strong> gefammten Kavallerie außer jenen 600 Abkommandirten und den<br />

kaiserlichen und branbenburgischen Dragonern. Dieser ^tügel sollte über<br />

Sfteuen-Kahlben nach Dargun seinen Marsch nehmen, dann hatte er den<br />

Uebergang bei TribseeS gegen Demmin zu decken und während dessen so<br />

weit als möglich an die Trebel heranzurücken. Die Armee vertheilte sich<br />

also ungefähr in folgen<strong>der</strong> Weise: Linker fjlügel 2000, Eentrum 13000<br />

und rechter Flügel 6000 Mann. 1 )<br />

Sftoch am 6. Juli kam <strong>der</strong> Kurfürst mit <strong>der</strong> Avantgarbe deS EentrumS,<br />

1500 Mann Jnfanterie, den 600 Reitern und den Trabanten, vor den<br />

Mooren von TribseeS an, die weit und breit das Ufer <strong>der</strong> Trebel umgeben<br />

unb sich bis nach Sülze an ber Retfnitz erstrecken. Trotz beS heißen unb<br />

trockenen Wetters war an einen Uebergang über ben Sumpf unb ein Umgehen<br />

ber feinblichen Stellung nicht zu beuken. KönigSmard hatte sie im<br />

Laufe beS Winters in umsichtiger Weife verstärkt. Die Trebel macht hier<br />

einen weiten Bogen um bie Stabt, süblich von ihr führt ein Damm über<br />

baS Moor unb den Flnß, <strong>der</strong> jenseits durch eine Schanze gedeckt wurde,<br />

die Dammbergschanze. Auch hier war also ber Paß ebenso wie bei Gutzkow<br />

nicht burch eine Schanze an ber feinblichen Seite, wie eS naturgemäß ist,<br />

geschützt, sonbern bie Befestigung befanb sich auf ber bem Feinbe abgekehrten<br />

Seite, ließ also bie Möglichkeit zu, Anstalten für einen Uebergang zu treffen.<br />

Früh am Morgen beS 7. sollte er ins Werk gesetzt werben. 2 ) Um zu<br />

1 ) Ueber ben Einmarsch in Mecklenburg Vgl. Such'S Tagebuch, bazu die<br />

Jnftruktionen an Homburg, beson<strong>der</strong>s d. d. Grubenhagen 23. Juni, 3. Juli „WaS<br />

bey diesem dessein soll vorgenommen werden."<br />

2 ) Daß nicht wie<strong>der</strong> Gutzkow als UebergangSpunft gewählt wurde, darf unS<br />

kein Wun<strong>der</strong> nehmen, roeit <strong>der</strong> Kurfürst jetzt über eine roeit geringere Truppenzahl<br />

als 1675 Verfügte und sich offenbar nicht <strong>der</strong> Gefahr aussetzen wollte, zwischen den<br />

beiden Festungen Demmin und Anklam den Fluß zu überschreiten. — UebrigenS<br />

hielt auch Scharnhorft die PeenefteHung für eine schwerer zu bezwingende als die<br />

©trecke Damgarten—Demmin; Vgl. M. Lehmann: Schanchorst I, pg. 505.<br />

SaWfdje ©tubicu 91. §. I. 5


66 Die Feldzüge deS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

verhüten, daß die Brandenburger den Steinweg rechts lassend auf Brüden<br />

und Faschinen ben Fluß überschritten, waren früh Morgens von KönigSmard<br />

und Grothufen, die jenseits <strong>der</strong> Stadt mit 3000 Mann Kavallerie und<br />

700 Mann Jnfanterte Posto gefaßt hatten, noch einige EskabronS dorthin<br />

gesandt worden. Um 6 Uhr Morgens eröffnete die brandenburgifche Artillerie<br />

eine allerdings wirkungslose Kanonade auf die Schanze, obwohl sie von<br />

Jnfanteriefeuer unterstützt wurde. Daher befahl <strong>der</strong> Kurfürst 4 Stunden<br />

später, links von dem Damm, auf welchem die Schanze lag, Brüden über<br />

ben Fluß in schlagen. KönigSmard hatte also diesen Versuch richtig vorausgesehen,<br />

allein seine Absicht, durch rasch dorthin kommandirte Artillerie<br />

diese Brüden zu zerstören, schlug fehl, und schon sollte sie an ihren alten<br />

Standort abrüden, als man plötzlich merkte, daß <strong>der</strong> Oberstlieutenant Goltz<br />

mit 3—400 Mann unb einigen RegimentSgefchützen ben Fluß überschritten<br />

hatte. Sie machte noch einmal Kehrt, ein kurzer Artilleriekampf zwischen<br />

bm wenigen Geschützen entspann sich ohne beiberseitige größere Verluste,<br />

bann gab ber Feinb gegen Abenb bie Stellung auf, verließ auch balb barauf<br />

bie Dammbergfchanze unb zog sich hinter bie Stabt zurüd. Damit war<br />

ber Steinbamm für bit Branbenburger frei, KönigSmard retirirte mit<br />

seinen Truppen wieber nach Stralsunb. Jn berselben Stacht trafen auch<br />

bie beiben Regimenter Spaen unb Eller bei ber Armee ein, unb kaum<br />

War ber Morgen angebrochen, so ließ ber Kurfürst ben Uebergang in Bereitschaft<br />

setzen, währenb er zugleich ein Detachement von 100 Reitern unter<br />

bem Major Koppelow nach Grimmen VorauSfchtdte, ber Haßarb von ber<br />

nahenben Hülfe benachrichtigen sollte. Mit biefem Detachement vereinigte<br />

sich AbenbS ber Oberstlieutenant Dfterling mit 400 Reitern, um eine<br />

schwebische Abtheilung, bie, von ilsebom kommenb, sich nach GreifSwatb zurückziehen<br />

wollte, aufzuheben. Aber bieser war eS schon gelungen, vorbei zu schlüpfen,<br />

nur 11 Mann Von ben Nachzüglern fielen in ihre Hänbe. TagS barauf<br />

pasfirte baS ganze Eentrum ber Armee bie Trebel unb rückte bis Grimmen<br />

Vor, wo bie Dänen, also ber linke ^tügel, zu ihm stiegen. DaS H eer<br />

Würbe jetzt getheilt, bie eine Hälfte marschirte in ber Richtung auf Dcmmtn<br />

nach Springen z u ab unb hielt bie Besatzung jener F e ftuug auch von<br />

bieser Seite in Schach, währenb bie anbere Hälfte unter bem Befehle beS<br />

Kurfürsten an Greifswalb vorbei rüdte unb bei Wraugelsburg z^if^en<br />

Greifswalb unb Wolgast ein Felblager bezog. KönigSmard versuchte vergeblich,<br />

Diese Truppen in ihrer gebedten Stellung burch einen Uebersall zu schwächen. 1 )<br />

*) V. Orlich a. a. O. II, pg. 248 u. Droyfen a. a. D., pg. 374 geben<br />

an, ba^ ber Kurs, mit ber ganzen Kavallerie und 2000, resp. 1000 Mann Fußvolk<br />

nach Wolgast aufgebrochen fei. Beibe stützen sich auf baS Th. Eur. XI, pg. 874<br />

u. b. verw. Eur. III, pg. 204, und Buch'S Tagebuch zum 30. Juni. Jn ber<br />

That liegt ber ©achverhalt so, wie er oben angegeben ist. Der Kurfürst ist mit<br />

einem Theil beS ßentrumS gegen Wolgast aufgebrochen; so nach Buch. ^)k ©teile<br />

bafelbst zum Okt. 30 lautet im französischen Orißinaltert: . . . „nous sommes venus


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 67<br />

Um die Bevölkerung des pommerschen Landes an sich z u fesseln,<br />

verkündete Friedrich Wilhelm einen Erlaß, worin er versprach, die Bewohner<br />

in allen ihren Privilegien, in ihrem Gottesdienst und in ihrer Gewissensfreiheit<br />

zu schützen. Er wollte damit zugleich den von Schweden verbreiteten<br />

Gerüchten einen Einhalt thun, als wenn er Pommern nach <strong>der</strong> Eroberung<br />

gewaltsam zum Kalvinismus bekehren werde.<br />

Schon jetzt nach wenigen Wochen begannen sich die Magazine des<br />

Kurfürsten bedenklich zu leeren, weil das feindliche Land nichts mehr zur<br />

Unterhaltung des Heeres betsteuern konnte. Er mußte sich an seine Unterthanen<br />

wenden und im eigenen Lande Zufuhr suchen. Jn einem Erlaß<br />

vom 12. Juli versprach er allen seinen Unterthanen und auch Fremden,<br />

die Zufuhr an Mehl, Brot, Victualien, Bier, Wein, Branntwein und<br />

anbeten Getränken und S^otfjburft für die Armee liefern würden, volle<br />

Zollfreiheit in allen brandenburgifchen Zotfftätten. ES galt um jeden Preis,<br />

die Armee in einem leistungsfähigen Zustande zu erhalten, denn weit war<br />

daS Ziel, das <strong>der</strong> Kurfürst sich für diesen Feldzug gesteckt hatte. 1 )<br />

Während dieses Einmarsches <strong>der</strong> brandenburgischen H au ptarmee in<br />

Pommern war Wolgast von Schwerin glücklich mit neuem Proviant versehen<br />

worden. Dieser hatte nach jenem mißglückten Versuch im Mai an dem<br />

linken User <strong>der</strong> Divenow ein Feldlager bezogen und hielt den Gegner durch<br />

fortwährende Märsche in Allarm. Hi er an dem Einfluß <strong>der</strong> Divenow in<br />

die Ostfee ankerte jetzt auch die branbenburgtsche Flotte, die Wegen <strong>der</strong> Vor<br />

<strong>der</strong> Mündung <strong>der</strong> peene am Rudeu und an <strong>der</strong> Oie kreuzenden schwedischen<br />

Gallioten und deS gefährlichen Fahrwassers keinen Proviant nach Wolgast<br />

hatte hineinbringen können. Nachdem <strong>der</strong> Kurfürst mit Raule am 1. Juli<br />

den Vertrag bis zum 21. September verlängert hatte, erhielt dieser den<br />

camper ä Crimmen ayant les Danois avec nous, qui arrivoient vers le soir,<br />

2000 fantassins commandes et quelque Artillerie, laissant aller le reste<br />

d'Infanterie, Artillerie et bagage avec le Regiment de du Hamel Cavallerie<br />

ä Neringen." Diese Stelle ist von Beiben falsch interpretirt. Weil Buch erwähnt,<br />

ha^ nur ein Regiment Kavallerie nach Rehrincjen marschtren solle, meinen Beibe,<br />

ha^ er mit ben übrigen Kavallerieregimentern nach Grimmen aufgebrochen seir<br />

vergessen aber, ha^ bie branbenb. Kavallerie außer jenem Regiment bu Hamel unb<br />

ben Trabanten sich auf betn rechten Flügel befanb, ber ben ^a^ noch gar nicht<br />

überschritten hatte, Sonbern noch im Mecklenburgischen stanb. Ferner begießen sie<br />

„2000 fantassins" it. auf „nous", also auf bie Branbenburger, wätjrenb Buch<br />

hiermit offenbar bie Stärke ber bänifchen Truppen angeben Will. Die Truppen,<br />

mit welchen ber Kurfürst gegen Wolgaft aufbrach, können nur aus einem Theil<br />

beS SentrumS, also Jnfanterie unb ben Trabanten bestauben haben. Fraglich ist ob<br />

bie Danen an betn Zuge teilnahmen. Der Umstanb, ba^ sie an ber Belagerung<br />

t)on Anklam nicht beteiligt waren, laßt eher auf baS Gegentheil schließen, ©ie<br />

wären also von Grimmen bann zurückgekehrt unb hätten an ber Blokabe Von<br />

Dettunin teilgenommen, bie von ber branbenb. Kavallerie, betn kleineren Theil bet<br />

Jufanterie unb ben kaiserlichen Truppen ausgeführt würbe.<br />

') Beibe Erlasse finben sich im GL St.<br />

5*


68 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Auftrag, mit 3 Fregatten vor Rügen und dem Stralsun<strong>der</strong> Hafen ju<br />

freien, damit den Roftocfer Proviantschiffen für die Armee sichere F a h r t<br />

verschafft und die schwedischen Truppen auf Rügen in stetem Allarm gehalten<br />

würden, und 3 Gallioten bis an den Rüben kreuzen zu lassen. Die Fregatten<br />

mußten ihre Stellung <strong>der</strong>artig wählen, daß <strong>der</strong> Feind aus Stralsund,<br />

<strong>Greifswald</strong> o<strong>der</strong> Rügen nicht den geringsten SuccurS nach <strong>der</strong> Peenemün<strong>der</strong><br />

Schanze bringen konnte. 1 ) KönigSmard hatte, sowie ihm die weitgehenden<br />

Vorbereitungen des Kurfürsten gemeldet waren, die Belagerung von Wolgast<br />

gänzlich aufgehoben und jene Stellung hä TribfeeS eingenommen. Seinen<br />

ursprünglichen plan, sich dem Kurfürsten entgegenzustellen und ihn aufzuhalten,<br />

gab er bald auf. Ganz Usedom mit Ausnahme <strong>der</strong> Peenemün<strong>der</strong> Schanze<br />

War Von ihm geräumt, und Schwerin konnte sich daher jetzt feines alten<br />

Auftrages entledigen. Am 7. Juli versorgte er Wolgast mit neuem Proviant.<br />

200 Reiter und 200 Fußknechte von <strong>der</strong> Stettiner Besatzung, die durch<br />

das Haff hindurch in die Peene eingefahren waren, kamen 8 Stunden ju<br />

spät. Wotgast war für Brandenburg gerettet. 2 )<br />

Schwerin marschirte direkt dem Kurfürsten entgegen und traf ihn schon<br />

auf dem Marsche von Grimmen her. Jn jenes Feldlager zwischen GreifSwalb<br />

und Wolgast kam auch <strong>der</strong> tapfere Kommandant <strong>der</strong> Festung, Hallarb,<br />

unb begrüßte seinen Kurfürsten. Sftoch immer war bie freie Einfahrt in<br />

baS H a ff ben branbenburgifchen Schiffen versperrt, so lange bie Peenemünber<br />

Schanze in feinblichem Besitz war. Daher würbe in einem KriegSratl)e<br />

beschlossen, bevor man ben Fetbzug fortfetze, biese letzte Besitzung ber<br />

Schweben auf Ufebom jit nehmen, ein Vorhaben, bessen Ausführung<br />

Schwerin schon vorher Vom Kurfürsten aufgetragen war, baS biefer aber<br />

wegen ber geringen Z a h* <strong>der</strong> iljm zur Verfügung stct)enben Truppen abgelehnt<br />

hatte. Er unb iQatlavb erhielten ben Befehl, mit seinen Truppen<br />

unb einem Theil ber Besatzung von Wolgast Von jener Seite bie Schanze<br />

einzuschließen, wärjrenb ber Kurfürst mit 1000 Mann Jnfanterie unb<br />

1000 Reitern nebst bem nöthigen Geschütz sich von biefer Seite näherte<br />

unb noch am 12. bei bem Dorfe Grünschwabe Stellung nahm. Die<br />

Schanze liegt an ber Stelle, wo sich bie Peene zur Spanbowerl)äger Wiek<br />

erweitert, auf einer kleinen Halbinsel, bie sich zungenförmig in bie Peene<br />

hinetnerftretft; ben Eingang beherrschte sie mit ihren Kanonen Vollstänbig.<br />

Sie war in F°rm einer Lünette erbaut, also burch 2 au bie Facen angehängte,<br />

baS Seitengebäube bestreichenbe Linien gegen Flankenangriffe Von<br />

Ufebom uttb bem Flnffe her geschützt, im Rücken bagegen, b. h- &om<br />

Festlaube aus, wo ber Kurfürst auf einer kleinen, hinter jene Halbinsel<br />

sich erftreckenben Lanbzunge Stellung genommen hatte, offen unb ungeberft.<br />

*) Ordre an Raule, 21. Juni, 1. Juli d. d. Grubenhagen unb 2./12. Juli<br />

d. d. Feldlager zwischen GreifSwalb unb Wolgaft.<br />

2 ) Dieser versuchte ©uccurS im Verw. Europa III, pg. 204 f. erwähnt.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 69<br />

Trotzdem ließen die starken Pallisaden und Sturmpfähte eine hartnäckige<br />

Vertheidigung erwarten. Die Besatzung betrug 200 Mann, meistens<br />

deutsche Truppen, unter betn Befehl des Oberstlieutenant Brefjmer. Bereits<br />

am 14. früh Morgens hatten Schwerin und Hallard ihre Batterien vollendet<br />

und eröffneten alsbald ein wirksames Feuer auf die Schanze, so daß gegen<br />

4 Uhr Nachmittags, als auch diesseits <strong>der</strong> Bau <strong>der</strong> Batterien beendet und<br />

alles zu einer Kanonade bereit war, die feindlichen Geschütze zum größten<br />

Theil demontirt, die Munition fast gänzlich verschossen und die meisten<br />

Kanoniere kampfunfähig waren. Unmöglich konnte die Schanze länger<br />

gehalten werden, wenn erst vom Festland her daS Feuer auf sie eröffnet wurde.<br />

Die Besatzung nöthigte den Kommandanten, sofort wegen einer Kapitulation<br />

ZU verhandeln und drohte, falls er sich weigere, ihn zu verlassen und die<br />

Schanze in <strong>der</strong> Stacht zu übergeben. Ein Accord kam bald zu Stande.<br />

Die Mannschaft in <strong>der</strong> Stärke Von 140 Mann erhielt freien Abzug nach<br />

Stralsund, mußte jedoch sämmtliches Geschütz unb die Munition zurücklassen.<br />

Selbst die Vasallen des Kurfürsten waren in diesem freien Abmarsch<br />

eingeschlossen, doch wurde ihnen zur Pflicht gemacht, innerhalb 3 Wochen<br />

den Avokatorien nachzukommen unb die schwedischen Dienste zu verlassen. 1 )<br />

Damit war Usedom Völlig vom Feinde gesäubert. Erst jetzt nahm ber<br />

Kurfürst wieber bie Stellung ein, bie er am Schluß beS vorigen gelb*<br />

Zuges inne gehabt hatte unb konnte nun an bie Fortsetzung ber Campagne,<br />

an bie Belagerung von Anklam benken.<br />

Die Macht, mit ber Schweben bem Kurfürsten gegenübertrat, würbe<br />

Von ihm weit überschätzt, freilich wirb sie nicht viel geringer gewesen sein<br />

als im Vorigen Feldzuge, weit ja bie Besatzungen von Wolgast unb WiSmar<br />

freien Abzug erhielten unb {ebenfalls wieber Dienste nahmen. Außerbem hat<br />

KönigSmarck es boch im Winter versucht, bie Regimenter burch neue<br />

Werbungen in Pommern z u ergänzen. Erreichte bie schwebtsche Armee<br />

auch noch bie ansehnliche Stärke Von 9500 Mann, so konnte ihr Z u ftanb<br />

in ihrem Befehlshaber boch keineswegs bie Hoffnung erwecken, baß er bem<br />

Vorbringen beS Kurfürsten mit Erfolg Staub hatten werbe. Die Stärke<br />

ber Besatzungen war fortwährenb im Abnehmen begriffen, Mangel an<br />

Proviant unb baburch entstehenbe Krankheiten reizten ben gemeinen Sotbaten<br />

Zur Desertion. SftirgenbS war ein rechter Verlaß auf bie Truppen. 2 )<br />

*) Räch bem Tagebuch beS Herrn V. Buch unb ber „Zettung, auS bem<br />

lager vor Peenemünber Schanze", 5./15. Juli im G. St, bie Vom Th. Eur. unb<br />

öerto. Eur. benutzt ist. Buch weicht um einen Tag Von ben übrigen Quellen ab,<br />

tnbem er als Tag ber Uebergabe ben 13. nennt.<br />

2 ) Räch Droyfen a. a. O. Anm. 511 betrug nach ber Schätzung beS Kur=<br />

surften baS feinbiiche Heer im RoV. 1675 noch 18700 Mann, eine Starke, bie eS<br />

in Pommern überhaupt nicht erreicht hat; vgl. Beilage Rr. II, auch Focf: Rügensch=<br />

Pommerfche Geschichten auS 7 Jaljrhunberten, Leipzig 1872, VI, pg. 380 rechnet<br />

auf 14000 Mann.


70 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Kurz oet)or <strong>der</strong> Kurfürst zu seinem H ecre aufgebrochen war, hatte<br />

<strong>der</strong> Tod den Leiden seines alten Gegners, des Reichsfeldherrn Wrangel,<br />

am 24. Juni auf betn Schlosse Spierfer auf Rügen ein Ende bereitet.<br />

Sein plötzlicher, aßen unerwartet kommen<strong>der</strong> Tob gab ben Anlaß zu ber<br />

Annahme, baß er einem Justizmorbe zum Opfer gefallen fei. Der<br />

Stralstmber Scharfrichter habe ihn, so erzählen bie Berichte, in ber Stacht<br />

heimlicherweise nach bem Spruch beS Kriegsgerichtes, beffen Verantwortung<br />

in Schweben selbst er sich burch Vorschützung seiner Krankheit entzogen<br />

hatte, in jenem Schlosse enthaupten müssen. Jn ber That ist er eines<br />

natürlichen TobeS gestorben, unbetrauert von seinem Vaterlanbe unb feines<br />

FelbherrnruhmeS beraubt. 1 )<br />

Der Kurfürst konnte im Vergleich z u den fchwebischen Stärkeverhältnissen<br />

eine weit größere Macht ins F el[ d stellen. Ungefähr 21000<br />

Mann waren in Pommern eingerückt. Die 2000 Dänen würben im Anfang<br />

August zurückberufen, um zunächst als LanbungStruppen für einen Angriff<br />

auf Rügen verwanbt unb bann, als biefer mißglückt war, nach Schonen<br />

übergeführt zu werben. Aber auch biefe 19 000 Mann sollten nicht alle<br />

gegen Anklam Verwenbung finben. Es ist baS erste Mal, baß ber Kurfürst<br />

seine Hauptarmee nicht an einem einzigen Punkte ^n einem Gefammtangriff<br />

Vereinigte, sonbern sie an 2 Punkten in ungefähr gleicher Stärke vertheilte.<br />

Der Versuch mißglückte. Die branbenburgifche Kavallerie unb bie Kaiserlichen<br />

waren, anfangs unter bem Prinzen von H om &urg, bann unter bem H er Z°9<br />

August Von H°lftein-P(ön in Medienburg stehen geblieben unb betften ben<br />

Uebergang bei TribseeS gegen Demmin. Auch auf ber pommerfchen Seite<br />

hielt ein kleines Korps bk Festung eingeschloffen. Bei biefer Blokabe<br />

blieb cS; eine regelrechte Belagerung zn gleicher Zeit mit Anklam erwies<br />

sich als unmöglich, selbst bie Einschließung mußte am 22. Juli aufgegeben<br />

werben. Die Truppen wanbten sich nach Anklam, unb bie Einheit ber<br />

Hauptarmee war bamit wie<strong>der</strong> hergestellt. Außer ihr hatte ber Kurfürst<br />

noch ein kleineres Korps gebilbet, baS bie wichtige Aufgabe hatte, Ausfälle<br />

ber Besatzung von Stettin zu verhüten unb eine weitere Verproviantirung<br />

ber Festung zu hinbern. ES waren 4 Regimenter zu Pferbe, 3 zu F u ß nnb<br />

3 Regimenter Dragoner, im wesentlichen wohl bie Truppen, bie 1675<br />

unter Anhalt'S unb Schwerin'S Befehl stauben. Kommanbant war ber<br />

Felbzeugmeister von Dofjna. 2 )<br />

Der Kurfürst gönnte seinem H eer e nach ber Eroberung ber Peenemünber<br />

Schanze erst einen Ruhetag unb besichtigte bie Befestigung von<br />

Wolgast. Dann kehrte er nach WrangelSburg zurück unb marfchirte von<br />

hier aus gegen Anksam.<br />

x ) vgl. Fock a. a. O. pg. 379 f.<br />

2 ) Räch einem intercipirten «Schreiben V. Wulffen'S, deS Kommandanten Von<br />

(Stettin, an KönigSmartf, d. d. 17. August, und einem Schreiben d. Kurs, an ben


Die FetbzÜQe beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 71<br />

Die Befestigung <strong>der</strong> Stadt konnte z^ar keine beson<strong>der</strong>s starke, aber<br />

bei ihrer sumpfigen Lage sehr geeignete genannt werben. Sie war Von<br />

einer Ziegetmauer und einem nassen Graben umgeben, die eigentlichen BefestigungSwerke<br />

bestanden aus einem ^aupttüatle aus Erbe und einem<br />

breiten nassen Graben mit Außenwerken. Ein ßugang zu ber Festung<br />

war von brei Seiten möglich, im korben vermittelte bie Verbinbung mit<br />

bem jetzigen Sfteuvorpommern baS Peenetljor, baS zur Peenebrütfe führte.<br />

Jenseits befanb sich ein Brüdenkopf, ber ben Uebergang über ben Fluß<br />

unb gUQteidE) ben Peenebamm bedte, biefer führte als einziger Weg burch<br />

baS sumpfige Wiefengelänbe nach bem Dorfe Zielen zu. Auf ber Ostseite<br />

ber Stabt, bie hier außer burch ben Hauptwatl noch Von einem üftieberwall<br />

umgeben war, lag baS burch ein Ravelin geschützte Steinthor. Westlich<br />

führte baS Stolperthor, burch ein kleines Ravelin unb ein Hornwerk gegen<br />

Angriffe gebeckt, znr Stabt hinaus. Die BefestigungSwerke Von Anklam<br />

unb ebenso von Demmin waren von bem Gouverneur ber Festungen,<br />

Von Marbefelbt, stark vernachlässigt, so baß ein Angriff beS Kurfürsten im<br />

Vergangenen Jahre balb von Erfolg gekrönt worben wäre. Seitbem hatte<br />

ber Kommanbant, Generalmajor von Sahnitz, alle Miche znr besseren<br />

Jnstanbsetzung ber Festung aufgewanbt. Munition war nicht im Ueberfluß<br />

Vorlauben, ebenso wenig Geschütze, weil biefe aus Schweben nicht zur<br />

rechten Zeit eingetroffen waren. Dagegen hatte man für Lebensmittel<br />

reichlich gesorgt. Zunächst ließ KönigSmarck aus Stralfunb bie Festung<br />

mit Proviant für 2—3 Monate versehen, unb bann an Wulffen nach<br />

Stettin bie Orbre ergehen, ber Stabt währenb ber Belagerung ebenfalls<br />

Getreibe, Brob unb anbere Viktualien zukommen zu lassen, so lange bie<br />

Passage burch baS H a ff frei toäre. Dieser ist bem Befehl rebltch nachgekommen.<br />

Die Besatzung bestaub aus ungefähr 1500 Mann. Um bie<br />

Belagerung so Viel wie möglich zu hin<strong>der</strong>n, hatte sich KönigSmard mit<br />

500 Reitern in Greifswalb gesetzt unb schon vorher 300 nach Demmin<br />

betachirt.<br />

Die Bebeutung AnklamS bestaub barin, baß bei einer eventuellen<br />

Belagerung WolgastS biefe Beste jeberzeit von hier aus auf bem Wasserwege<br />

verproviantirt werben konnte unb baß es bie Verbinbung zwischen<br />

Stralsunb-Rügen einerseits unb Stettin anbrerseits vermittelte. Es war<br />

ja gewiß ber sicherste Weg zur weiteren Eroberung Pommerns, wenn ben<br />

Schweben biefe Verbinbung genommen unb bamit eine Entsetzung Stettins<br />

burch KönigSmari unmöglich gemacht würbe; allein es scheint boch zweifelhaft,<br />

ob eS bei ber bebenklichen allgemeinen politischen Lage gerathen war,<br />

mit ber Belagerung biefer kleinen Festung so viel Zeit zu vergeuben,<br />

Kaiser, d. d. Anklam b. 2./12. August 76 im G. St. Hier ist als Starke ber<br />

kaiserlichen Truppen 2800 Mann angegeben. V. Drlich a. a. O. II, pg. 248 giebt<br />

11000 Mann an.


72 Die Feldzüge deS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

nachdem Wolgast gefallen und ben Stettinern ber Wasserweg baburch<br />

gesperrt war. Der Kurfürst Verfiel mit ber Belagerung von Anklam<br />

offenbar in ben F e hler ber gefammten methobischen Kriegsführung beS<br />

17. JahrhunbertS, bie baln'n strebte, jeben ihrer Schritte, ben sie in ben<br />

Operationen vorwärts that, burch eine Belagerung zu bezeichnen.<br />

Das branbenburgifche Hauptquartier befanb sich fett betn 17. Juli<br />

in bem Dorfe Zielen, eine viertel Meile norbwärts von Anklam. 1 ) Auf<br />

ben Rath eines feiner Jngenieure, Holstein, war ber Kurfürst Anfangs<br />

gesonnen, hier auf bem Peenebamm ben Angriff zu beginnen, ein Vorhaben,<br />

baS burch einen Ausfall beS FeinbeS sofort vereitelt würbe. ES war augenscheinlich,<br />

baß ber Festung Von tiefer Seite nicht beizukommen fei. Die<br />

Belagerungstruppen konnten sich wegen beS sumpfigen Terrains nicht<br />

entfalten, fonbern sahen sich auf bem Stetnbamm in schmaler Front bem<br />

feinbltchen Feuer ausgesetzt. So begnügte man sich, eine Feldfchanze aufzuwerfen.<br />

Den Hauptangriff verlegte er auf baS rechte Peeneufer, stromaufwärts.<br />

Dem Dorfe Görke gegenüber würbe ein Knüppelbamm gebaut,<br />

hier sollte ber Uebergang ber Truppen ins Werk gefetzt werben. Die<br />

nächsten Tage verstrichen, ohne baß ein weiterer Fortschritt in ben BelagerungSarbeiten<br />

gemacht würbe. Der Kurfürst wollte erst ben "iRc]t seiner<br />

Truppen abwarten, ehe er eine regelrechte Belagerung begann. Am<br />

26. Juli traf benn auch ber H er Z°9 ü°n Holstein mit bem größten Theil<br />

ber Kavallerie, bem ^i ber Jnfanterie unb ben kaiserlichen Truppen Von<br />

Demmin ein. Kurz darauf langten bie Truppen, bie in Pasewalk in Quartier<br />

gelegen hatten, vor Anklam an unb bie förmliche Belageruug sonnte ihren<br />

Anfang nehmen. Jm korben ber Stabt, zutschen ben beiben Dörfern<br />

Ziethen unb Relzow, lagerten bie Kaiserlichen unb bie beiben branbenburgtfchen<br />

Jnfanterieregtmenter Spaen unb Eller. Die Verbinbung zwischen<br />

ihnen unb jenem Uebergang über bie Peene würbe burch bie Kavallerie<br />

unb Dragoner hergestellt. Sie bienten unter bem Oberbefehl beS Prinzen<br />

Von Homburg gewissermaßen als DbservationSkorpS gegen Greifswalb unb<br />

Demmin. Alle diese Quartiere waren außerdem durch eine Etrcumva(IationS<<br />

linie gegen Ueberfälle gesichert. DaS Hauptquartier des Kurfürsten und<br />

seiner Gemahlin, die ebenfalls im Felde eingetroffen war, befand sich rechts<br />

Von <strong>der</strong> Peene südwestlich von Anktam am Stolpethor, wo auch <strong>der</strong> größte<br />

Theil ber Jnfanterie ihr Lager bezogen hatte.<br />

Kaum Waren biefe vorbereiteten Maßregeln getroffen, so würben<br />

am 31. Juli bie Laufgräben an allen 3 Angriffspunkten eröffnet. Der<br />

Wiberftanb unb bie Gegenwehr ber Belagerten war befonberS am Steinthor<br />

hartnäckig. Durch einen Ausfall am 2. August suchten sie bie Arbeiten<br />

! ) „Die Belagerung ber Stabt Anklam" ist ber Gegenstanb einer sefjr ein=<br />

gehenbeu Arbeit TäßlichSbecf'S, euttin 1892 (Bali. ©tub. XLIII), auf bie hier<br />

für ben kommenben Abschnitt verwiesen fei.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 73<br />

<strong>der</strong> branbenburgischen Truppen zu hin<strong>der</strong>n, allein er wurde zurückgeschlagen<br />

und am folgenden Tage auch hier die Parallele eröffnet. Eine Woche<br />

darauf traf das schwere Belagerungsgeschütz ein, daS auf dem beschwerlichen<br />

Landwege hatte herbeigeschafft werden müssen. Die Batterien waren bereits<br />

Vorher fertig gestellt, daS Geschütz brauchte nur hinaufgebracht zu werden,<br />

und am 10. August konnte baS Bombardement beginnen. Der Schaden,<br />

den es Anfangs in <strong>der</strong> Stadt anrichtete, war verhältnißmäßig gering.<br />

Ein schwerer Verlust war eS für die Belagerer, daß <strong>der</strong> große Mörser bald<br />

Zersprang. Die durch Bomben und glühende Kugeln in <strong>der</strong> Stadt entstehenden<br />

Brände wurden schnell von den Bürgern und <strong>der</strong> Besatzung gelöscht.<br />

KömgSmartf mußte dahin trachten, die Belagerungsarbeiten wenn<br />

möglich so lange hinzuhalten, bis schlechtes, nasses Herbstwetter eintrat. Dann<br />

war die Möglichkeit vorhanden, daß <strong>der</strong> Kurfürst sich genöthigt sah, wegen<br />

beS sumpfigen Terrains die Belagerung aufzuheben. Daher beunruhigte<br />

er mit seinen Reitern von <strong>Greifswald</strong> aus das Kurbranbenburgtsche Lager<br />

durch fortwährende Streifzüge, worin chn die Demminer Besatzung eifrigst<br />

unterstützte. Dieser gelang eS, bei einem ihrer kühnen Stretfereien an<br />

beiben Seiten ber Peene bis tief nach Mecklenburg hinein vorzubringen,<br />

einen für bic Kaiserlichen bestimmten Transport abzufangen unb ber<br />

Demminer Besatzung zuzuführen. Derartige Beutezüge waren für bie<br />

Branbenburger von großem Sftachtrjeit, sie erschwerten bie Verpflegung ber<br />

Truppen aufs Aeußerste.<br />

Einem solchen Versuch, bie F°uragirung zu fyinbern, entsprang auch<br />

baS Gefecht am 17. August bei SJtcmgtn. KönigSmard hatte bie Nachricht<br />

erhalten, baß ber Feinb feit 3 Tagen keine Truppen zum F°nragiren ausgeschickt<br />

hatte. Daljer rückte er am Abenb beS 16. mit seinen 500 Reitern<br />

unb 40 beritten gemachten Musketieren gegen sie aus. Seine Stellung<br />

War in ber Mitte zwischen Greifswalb unb Anklam bei bem Dorfe Ranzin<br />

in einem von vielen kleinen H u 9 e ln coupirten Terrain gut gewählt.<br />

Homburg hatte biefe Abficht KönigSmarck'S wohl durch Deserteure in Erfahrung<br />

gebracht unb am Abenb eine Patrouille von 2—300 Reitern in<br />

ber Richtung nach Ranzin entfanbt, um ben Feinb in ein Gefecht zu verwickeln<br />

unb ihn bann vollkommen z u vernichten. Kaum brach bie Stacht<br />

herein, so folgte er mit seiner Kavallerie, einigen Dragonern unb 5 Geschützen<br />

jenen 200 Reitern nach. Bei Tagesanbruch stießen biese auf<br />

KönigSmarrf, würben jeboch nach einem heftigen Gefecht von ber Uebermacht<br />

Zurückgeworfen unb aus Ranzin hinauSgebrängt. Dabei erfuhr KönigSmarck<br />

von einem Gefangenen, baß jenseits beS Dorfes H°ntburg mit einer<br />

starken Macht stehe unb zugleich 4 Regimenter unter bem Generalmajor<br />

von Giese abkommanbtrt seien, bie ihm ben Rückzug nach GreifStoalb<br />

abfchneiben sollten. Anfangs schenkte er ben Aussagen keinen Glauben,<br />

ließ jeboch, als bie Nachricht sich bestätigte, sofort ben Rückmarsch antreten.


74 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Die brandenburgifche Kavallerie folgte und brachte dem Feinde empfindliche<br />

Verluste bei, ein Sumpfterrain vor Ranzin hin<strong>der</strong>te eine noch Wirksamere<br />

Verfolgung und seine gänzliche Aufreibung. Jedenfalls war so viel erreicht,<br />

baß KönigSmarcf von jetzt an den Fortgang <strong>der</strong> Belagerung nicht<br />

mehr aufzuhalten suchte. 1 )<br />

Nachdem die Beschießung <strong>der</strong> Stabt ein paar Tage lang aufgehört<br />

hatte, wurde sie am 19. wie<strong>der</strong> aufgenommen Die Erdarbeiten konnten<br />

eifrigst fortgesetzt werden, baS trockene Wetter begünstigte sie aufs bcftt.<br />

Verschiedene Ausfälle beS FeinbeS blieben ohne Wirfung, sowohl am<br />

Stolper- wie am Steinthor würben sie zurückgewiesen. Kritischer begann<br />

bie Lage für bie Festung zu werben, als bit Belagerer bis an ben Graben<br />

beS Vor betn H°rnwerk am Stolperthor liegenben RavelinS vorrückten, baS<br />

burch eine Breschbatterie zerstört war. AIS biefer Vom 23. an abgeleitet<br />

unb allmählich trocken gelegt war, beschloß ber Kurfürst am 26. August,<br />

einen Sturm auf baS Hornwerk selbst zu wagen, ber burch 2 Scheinangriffe<br />

am Peenebamm burch bk Kaiserlichen unb am Steinthor burch bie bafelbst<br />

stehenben branbenburgischen Regimenter unterstützt werben sollte. AIS<br />

Reserve staub baS Regiment Dönhoff hinter ben Winbmühlen am Steinthor.<br />

Den Oberbefehl über ben Hauptangriff erhielt ber Generalmajor<br />

V. Götze, bie beiben Sturmkolonnen kommanbirten bie Obersten V. Schöning<br />

unb v. Fargel. Sie betrugen zusammen 1800 Musketiere unb 40 Grenabiere,<br />

aus allen branbenburgischen Jnfanterieregimentern auSermählte Mannschaften.<br />

Nachmittags um 4 Uhr würbe znm Sturm geblasen. Der<br />

Angriff Schöning'S richtete sich gegen baS Ravelin, er sollte Von hier auS<br />

in baS Hornwerk einbringen unb biefeS nehmen. Das Terrain, auf betn bie<br />

Sturmfolonnen an bie Werke heranmarfchiren mußten, war ein ungünstiges,<br />

ohne jeglichen Schutz. Auf einer freien Lanbstraße bewegten sie bie Sturmleitern<br />

heran, so baß bie Begleitmannschaften ben Kugeln ber Festung ein<br />

willkommenes Ziel boten. Trotzbem gelang es Schöning, baS RaVelin zu<br />

nehmen unb bis unter bie Pallisaben beS H°rnwerkS vorzubringen, allein<br />

baS feinbltche Feuer war vernichtend, fast sämmtliche Mannschaften wurden<br />

getödtet o<strong>der</strong> verwundet.<br />

Einen noch geringeren Erfolg hatte bie zweite Kolonne unter Fargel<br />

Zu verzeichnen. Statt gegen bie Face ber rechten Halbbastion war sie gegen<br />

ben rechten Fanget beS H°rnwerkeS Vorgebrungen unb bort auf bie tiefste<br />

Stelle be§ Grabens gestoßen, so baß bie Faschinen zn setner Ausfüllung<br />

nicht ausreichten. Die meisten Mannschaften versanken in ben Schlamm,<br />

einige wenige, bie ben Wall erstiegen, würben vom Feinbe niebergestreeft.<br />

*) Vgl. Täglt^Sbetf a. a. O. pg. 30 ff. Schon deshalb machen bit brand.<br />

Berichte einen wahrheitsgemäßeren Eindruck, weil KönigSmard nicht mein: bie Be=<br />

lagerung zu hin<strong>der</strong>n Versuchte. Sein Verlust ist offenbar größer gewesen, als er<br />

selber zugestehen will.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 75<br />

Erneute Versuche vorzudringen mißlangen. Um 8 Uhr AbenbS mußte <strong>der</strong><br />

Kurfürst den Befehl zum Rüdzuge geben. Die Verluste <strong>der</strong> Brandenburger<br />

waren gewaltige, 28 Offiziere, 43 Unteroffiziere unb 634 Gemeine waren<br />

todt o<strong>der</strong> verwundet. Freilich hatten auch die Schweden eine bei <strong>der</strong><br />

geringen Besatzung sehr bedenkliche Einbuße erlitten. Der Versuch, in beut<br />

Hornwerk sich festzusetzen unb bie Festung im Sturm z u nehmen, war<br />

gescheitert, inbem bie Besatzung bem ungestümen Vorbringen ber Branbenburger<br />

einen nachhaltigen Wiberstanb entgegensetzte. Allem Anschein nach<br />

ist ber Sturm ein verfrühter gewesen; sein Gelingen hing nicht so sehr<br />

von ber Bravour ber Truppen, als vielmehr von bem technischen Fortgange<br />

ber BetagerungSarbeiten ab. Dagegen glückte es ben Kaiserlichen, auf bem<br />

Peenebamm sich in einer Traverse beS Feindes festzusetzen, baselbst sich zu<br />

vergraben unb biesen Posten z u behaupten, ein Erfolg, ber wohl bem<br />

Umstanbe zuzuschreiben ist, baß Sahnitz biesen Punkt ber Festung, ben er<br />

für ben sichersten hielt, allzu sehr von Truppen entblößt unb sie an jenes<br />

gefärjrbete H°mwerk gezogen hatte.<br />

Friebrich Wilhelm beobachtete ben Angriff von ber Dorotrjeenschanze<br />

auS burch eine Geschützscharte, wo er sich einem heftigen Kugelregen aussetzte.<br />

Er war nicht zu entfernen. Währenb er beim Hin- unb Hergehen<br />

gerabe von einer anberen Stelle ben Ansturm verfolgte, würbe an ber eben<br />

verlassenen Scharte ein Schreiber beS Sekretärs Fuchs töbtlich verwunbet.<br />

Sftoch in ber auf ben Sturm fotgenben Sftacht machte bie Besatzung<br />

beS HomwerkeS einen Ausfall unb verbrannte bie zurückgelassenen Sturmbörfe.<br />

Am folgenben Tage ruhten auf Ansuchen ber Branbenburger bie<br />

Waffen, um bie Tobten zu beerbigen. Trotz beS mißlungenen Versuches<br />

War ber Kurfürst entschlossen, einen zweiten zu wagen. Kaum waren bie<br />

letzten Spuren ber Sftieberlage verwischt, so begannen bie Arbeiten von<br />

feuern, bie Approchen würben verbreitert, neue Waffenplätze angelegt.<br />

Gegen Abenb bemerkten bie schwebischen Offiziere, bie vom Marienthurme<br />

herab bie Arbeiten beS FeinbeS beobachteten, baß bie branbenburgischen<br />

Truppen baS Lager Verließen unb sich aufs 9ieue bem H 01 *^<br />

werk näherten. Die Werke ber Festung würben sofort von ben Schweben<br />

besetzt, allein Sahnitz mußte einsehen, baß er trotz aller Tapferkeit ber<br />

Offiziere unb Mannschaften bie Festung nicht werbe halten können.<br />

Bei einem zweiten Sturm war eine Kapitulation unvermeiblich, ba schon<br />

Musketenkugeln nicht mehr in genügenber Menge Vorlauben waren unb<br />

bie Banbe ber militärischen Qu&jt unb Orbnung sich z u lösen anfingen.<br />

Jm Einvcrstänbniß mit ben Offizieren schlug er um 8 Uhr AbenbS<br />

ßhamabe unb schickte einen Major unb einen Hauptmann in baS Kurfürstliche<br />

Hauptquartier hinaus, für bie ber Kurfürst seinerseits ben Major<br />

V. b. Lühe unb ben Kapitän V. Löschebranb in bie Stabt sanbte. Die<br />

Arbeiten würben eingestellt unb am folgenben Tage, am 28., traf ber


76 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Generaladjutant des Kurfürsten, v. Karjlenberg, in <strong>der</strong> Festung ein, <strong>der</strong><br />

die Auffor<strong>der</strong>ung ^n einer Kapitulation überbrachte. Oberst V. H e ^debrecE<br />

und Oberstlieutenant Müller wurden mit dieser schwierigen Aufgabe betraut,<br />

während die Stadt ihrerseits den Bürgermeister Götsch, den Syndikus<br />

Quilow und den Kämmerer Steffen in das feindliche Lager hinaussandte.<br />

Sahnttz hatte den beiden Offizieren einen Von ihm verfaßten Kapitulationsentwurf<br />

mitgegeben, <strong>der</strong> allerdings Bedingungen enthielt, auf <strong>der</strong>en Erfüllung<br />

er wohl nie hoffen konnte: Auszug <strong>der</strong> gesammten Garnison nach Kriegsgebrauch<br />

mit aller Bagage, aller Munition und aßen Geschützen; sie wird<br />

von dem Kurfürsten mit sicherem Geleit bis nach Stralfunb versehen, die<br />

kranken Soldaten, die sich in <strong>der</strong> Stadt befinden, werden dort so lange<br />

verpflegt, bis sie wieber ^n ihren Regimentern kommen können. Der<br />

einzige Punkt, worin er den Offizieren in einer näheren Jnstruktion freie<br />

Hand ließ, war wegen <strong>der</strong> Stücke auf alle metallenen o<strong>der</strong> auf die Hälfte<br />

<strong>der</strong> vorhandenen zu accordiren. Daher wurde Buch in die Stadt hinetngesandt,<br />

um unter Umgehung jener Offiziere mit Sahnitz direkt zu ver*<br />

handeln. Trotz inneren Wi<strong>der</strong>strebend mußte dieser in die von brandenburgifcher<br />

Seite vorgeschlagene Kapitulation einwilligen. Der Kurfürst<br />

bestätigte sie noch an demselben Abend, Sahnitz unterzeichnete am 29.<br />

Alle schwebischen üftationalvölker erhalten danach freien Abzug nach KriegSgebrauch,<br />

sie werden Vom Kurfürsten nach Kolberg geleitet und von dort<br />

nach Schweben übergeführt, auch ben Deutschen wirb freier Abzug gestattet,<br />

jeboch bürfen sie gemäß ben Avokatorien nicht länger in fchwebifchen Diensten<br />

bleiben. Alle Geschütze uub alle Munition gehören ben Branbenburgern.<br />

Ferner ist Sahnitz verpflichtet, bie Anklamer Fä'hrfchanze, bie unter feinem<br />

Kommanbo steht, bem Kurfürsten auszuliefern unb eine bieSbezügliche Drbre<br />

an ben bortigen kommanbirenben Offizier ergehen z u lassen. Dafür Versprach<br />

Friebrich Wilhelm, bie Stabt in allen ihren Privilegien unb Frei*<br />

heiten zu schirmen. Mittags 12 Uhr ergriff er Besitz von bem Steinthor<br />

unb bem hohen Werke. AbenbS um 6 Uhr verließ bie Garnison bie Festung<br />

in ber Stärke von nur 7180 Mann. Am folgenben Tage, einem<br />

Sonntage, hielt er seinen Einzug burch baS Stolpethor. Votler Freube<br />

über ben wenn auch mit schweren Opfern errungenen Erfolg benachrichtigte<br />

er ben Dberpräfibenten V. Schwerin bavon unb befahl ihm, in allen<br />

LanbeSkirchen eine DankeSprebigt hatten unb baS Te Deum fingen zu<br />

lassen. Gouverneur biefeS wichtigen Platzes würbe Halsarb, ber bisherige<br />

Kommanbant von Wolgast. 3000 Mann hatte bem Kurfürsten bie<br />

Eroberung ber Peenefestung gekostet. Hatte sich feine in ben Rationes<br />

ausgesprochene Vermuthung, baß ihm bie Belagerung einer anberen Festung<br />

als Stettin in biefem Jahre leicht bie ganze Jnfanterie ruiniren könne,<br />

auch nicht als richtig erwiesen, so stauben biese ungeheuren Verluste boch<br />

in keinem Verhältniß zu bem, waS ber Besitz biefer Festung für ihn bebeutete.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 77<br />

Ein Nachspiel zu <strong>der</strong> Belagerung von Anklam gewährte die Uebergabe <strong>der</strong><br />

Anklamer Fährschanze. Sie ist im Peeneftrom auf einer Jnsel zwischen dem<br />

Feftlande und <strong>der</strong> Jnset Usedom gelegen, stellt in dem hier nur schmalen<br />

Strom eine bequeme Verbindung zwischen beiden her und beherrscht zugleich<br />

den Eingang zum H a ff- Gemäß dem mit Sahnitz abgeschlossenen Accorde<br />

verlangte <strong>der</strong> Kurfürst nach <strong>der</strong> Besetzung von Anktam von dem Kommandanten<br />

von Staet die Räumung dieses Platzes, eine Auffor<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong><br />

dieser hartnäckigen Wi<strong>der</strong>stand entgegenfetzte mit dem Hinweis darauf, daß<br />

die Besetzung <strong>der</strong> Schanze eine selbständige, von dem Kommandanten <strong>der</strong><br />

Festung unabhängige sei. Ein langer Briefwechsel entspann sich jttrifdjen<br />

KönigSmarck und dem Kurfürsten, ohne zu einem Resultat zu führen. Um<br />

eventuell einen Ersatz hierfür zu haben, sah sich dieser genöthigt, die auf<br />

dem Marsche nach Kolberg begriffenen schwedischen Sftationaltruppen im<br />

u<strong>der</strong>märkischen Amte Gramzow am Weitermarsch z u hin<strong>der</strong>n, nur die<br />

Offiziere entließ er gegen einen Revers nach Stralsund. Allein damit nicht<br />

genug, die kleine Besatzung <strong>der</strong> Schanze scheint unterdessen in den benachbarten<br />

Gebieten andauernd Beutezüge unternommen z u haben, und <strong>der</strong><br />

Kurfürst mußte zur Verhin<strong>der</strong>ung von Plün<strong>der</strong>ungen eine Redoute aufwerfen<br />

lassen und sie mit einer Kavalleriepatrouille belegen. Am<br />

19. September endlich gab KönigSmarck seine Einwilligung z u <strong>der</strong> freiwilligen<br />

Uebergabe <strong>der</strong> Schanze, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommandant ^olge leistete. 1 )<br />

Aber erst einen Monat später, am 19. Oktober, erhielt Sahnitz den Befehl<br />

Zum Weitermarsch nach Kolberg. Der Kurfürst wollte die Verwendung<br />

dieser Truppen in Schweden gegen die Dänen so lange wie möglich hinausschieben.<br />

Sfjriftian V. hatte nämlich gegen die Ueberführung <strong>der</strong> Besatzungstruppen<br />

<strong>der</strong> in Pommern eingenommenen Festungen sich verwahrt unb<br />

drohte, sie durch feine Flotte abfangen und nach Dänemark führen zu<br />

lassen, weil sie sich nur Vom Kurfürsteu, nicht von sämmtlichen Verbündeten<br />

die Ueberfahrt hätten garantiren lassen. Jener wi<strong>der</strong>fetzte sich einem solchen<br />

Verfahren energisch; lieber gab er nach, als daß er „die noch vom Feinde<br />

besetzten Festungen z ur desperation animire", und entließ später die<br />

Demminer Besatzung nach Stralsund. 2 )<br />

Während <strong>der</strong> Zeit, wo Friedrich Wilhelm Anklam belagerte, sollte die<br />

bänisch-hollänbische Flotte unter dem Admiral Tromp ein Unternehmen ausführen,<br />

das schon zu wie<strong>der</strong>holten Malen im Jahre 1675 bei Beginn des<br />

pommerfchen FeldzugeS und im folgenden Winter gescheitert war, sich <strong>der</strong> Jnfet<br />

Rügen bemächtigen. „ Jch zweifle nicht," so schrieb er schon am 12. Juli an<br />

*) Außer TägltchSbeck, pg. 48 vgl. noch bie Jnftruktion an Homburg Vom<br />

31. August, bie Jener nicht benutzt hat.<br />

2 ) Fr. W. a. b. bän. Gesanbten V. Buchtoalb, d. d. Ereckoro, 12. September<br />

76, Soncept im K. A., Ehr. V. an Fr. 33$., d. d. Haubtquartier Jlßberg i. HaHanb,<br />

28. September 76 u. Fr. W. an ©hr. V. unbattrt (nach ber Eroberung Von Demmin)<br />

in Sopieen im G. St.


78 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Christian, „Ew. Königs. Maj. werden nunmehr, nachdem Sie aufs Schonen<br />

festheu fuß gesetzet, <strong>der</strong>o Königl. flotte beordren, aufs Rügen toßzugehen, dann<br />

eS jetzo die bestlje zeith, so zu wünschen wehre, diese herrliche Jnful dem feinde<br />

abzunehmen und ihm also die communication aufs <strong>der</strong> see aufs einmahl<br />

Zu sperren." Auch Raule erhielt ben Befehl, mit den größeren Schiffen<br />

ZU Tromp zu stoßen unb biefe Operation nach Kräften zu unterstützen.<br />

KönigSmarrf meinte Anfangs, biefe Lanbung fei nur ein fingirteS Unternehmen,<br />

um bem Kurfürsten auf betn ^efttanbe freiere Bewegung z u<br />

verschaffen, bis er von bem Vorhaben sichere Kenntniß erhielt. Generalmajor<br />

v. Buchwalb, ber baS Kommanbo auf Rügen führte, zog alle<br />

verfügbaren Kräfte in ber Stärke von 3000 Mann zusammen. Die<br />

Bewohner ber Jnfel stauben treu z u ü)nt unb' hielten bie Küsten Wohl<br />

bejetzt, so baß Tromp bie in WiSmar an Borb genommenen LanbungStruppeu<br />

nicht aussetzen konnte. Offenbar nahmen eS bie Dänen mit ber<br />

Eroberung biefer für ben weiteren Verlauf ber Operationen in Pommern<br />

so wichtigen Jnfel zu leicht. Sie meinten, biefe kurzer Hanb ohne viele<br />

Vorbereitungen erobern zn können, währenb KöntgSmarrf alle Kraft aufwandte,<br />

um Stralfund von <strong>der</strong> Seefette her gedeckt ^n halten. 1 )<br />

Sftach diesem vergeblichen Landungsversuch auf Rügen fetzte die branbenburgifche<br />

F^tte ihre Thätigkeit, bie sie seit Anfang Juli entfaltet hatte,<br />

fort. Sie kreuzte an ber vorpommerschen &ix\Uf hielt ben Weg für Transportschiffe<br />

auS Preußeu unb aus Rostock gegen bie Stralfunbtfchen Kaper frei<br />

unb fing frembe Schiffe ab, bie nach Pommern frischen Vorrath an Proviant<br />

bringen sollten. BefonberS von Englanb aus fanb ein starker Verkehr mit<br />

ben pommerfchen Häfen statt. So entspann sich in btefen Gewässern ber<br />

Ostsee ein förmlicher Kaperkrieg, ba auch bie fchwebischen Kreuzer sich<br />

bemühten, bem Gegner burch Wegnahme ber Transportschiffe bie Verpflegung<br />

ZU erschweren. Sfachbem bann ber Kurfürst gegen Anklam sich gewenbet<br />

hatte, erhielt Raule ben Auftrag, z u gleicher Zeit bie Anklamer Fährschanze<br />

anzugreifen, bem biefer jeboch wegen ber alSbann burch Stettin gefät)rbeten<br />

Stellung ber flotte wibersprach. Er begnügte sich barauf zu achten, baß<br />

vom H a ff fyer keine Munition ober Proviant nach Stettin ober von bort<br />

nach Anklam gebracht würbe, worin Schwerin ihn eifrigst unterstützte, ber<br />

sich mit seinen Truppen zum Theil auf bie Schiffe begeben hatte. 2 )<br />

*) D. Kurs, an Ehr. V., Feldlager zwischen GreifSwalb und Wolgaft,<br />

2. Juli 76, Eoncept im K. A.; b. Kurs. a. Tromp, Feldlager vor Anklam, 25. Juli,<br />

4. August im G. St. unb ein intercipirteS (Schreiben KÖniöSmarcf S an Sahnig<br />

Wittott) 24. Juli, 3. August 76 im G. St.<br />

J ) lieber bie Thätigkeit ber branb. Flotte Vgl. b. OrbreS an Raule, d d.<br />

Feldlager vor Anklam 10./20. Juli, 15./25. Juli, 22. Juli, 1. August, 27. Juli,<br />

6. August, 31. Juli, 10. August, 2./12. August, 6./16. August, 19./29. August im<br />

G. St. — Dazu V. Orlich: Briefe auS Englanb in ben GefanbtfchaftSberichten beS<br />

Ministers Otto V. (Schwerin beS Jüngeren an ben Großen Kurfürsten Friedrich


Die Felbzüge des großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 79<br />

Sftach <strong>der</strong> Eroberung von Anklam war von <strong>der</strong> ganzen Peenetinie<br />

nur noch Demmin in schwebischem Besitz, daS die Verbindung StralsundS<br />

und Rügens mit Mecklenburg aufrecht erhielt. Der Kurfürst theilte<br />

wie<strong>der</strong>um sein H e er. Er selbst mit <strong>der</strong> kleineren Hälfte wandte sich gegen<br />

Löcknitz, während die größere Hälfte, ungefähr 10000 Mann, darunter<br />

die Kaiserlichen, unter dem Oberbefehl deS Feldzeugmeisters H er Z°g^<br />

August V. H°lftein-Plön gegen Demmin marfchirte. Diese Theilung mochte<br />

bei <strong>der</strong> günstigen Lage oer Festung gefährlich erscheinen. Der Kurfürst<br />

entschloß sich dazu in <strong>der</strong> sicheren Zuversicht, baß die versprochenen lüne<<br />

burgifchen und münsterschen Truppen in <strong>der</strong> Stärke von 4000 Mann in<br />

<strong>der</strong> zweiten Hälfte deS September eintreffen würben, um gegen Demmin<br />

verwanbt zu werben.<br />

Die Lage bieser Festung war fast eine noch günstigere zu nennen<br />

als bie von Anklam. Die Stabt liegt auf einem H u 9 e t, ber sich inselartig<br />

aus ben ^halnieberungen ber Peene, Tollenfe unb Trebel erhebt<br />

unb stieß mit ihrer Sübwestbastion birekt an die Peene, so daß <strong>der</strong> Fluß<br />

hier eine Strecke lang zugleich den FeftungSgraben bildete. Am unzugänglichsten<br />

zeigten sich die langen Norb- und Südseiten, die künstliche Befestigung<br />

war hier infolgedessen eine schwächere. Außer dem FeftungSgraben umzogen<br />

im Süden noch 2 Verbindungsgräben gtDtf(i)en Peene unb Tollenfe bie<br />

Stabt, unb im korben war sie in weitem Umkreis bis zur Peene, bie in<br />

großem Bogen bie Stadt umfließt, von sumpfigen Nie<strong>der</strong>ungen umgeben.<br />

Jenseits dieser Trjalebene, in welcher sich die 3 Flüsse vereinigen, erhebt<br />

sich eine H°tf)fläche, die in bergartigen Abhängen gegen daS Thal zu sich<br />

senkt. Jm Nordosten ist eS <strong>der</strong> Nonnen- o<strong>der</strong> Windmühlenberg, im Westen<br />

ber Zießelberg unb im Sübfübwesten <strong>der</strong> Devener Berg, die beson<strong>der</strong>s<br />

hervortreten. Jn dem gabelförmigen Bogen, den die Peene und Tollenfe<br />

mit einan<strong>der</strong> bilden, liegt das H a uS Demmin süböstlich Von ber Stabt,<br />

ebenfalls auf einer hügeligen Erhebung, früher ein burgartiger Bau, von<br />

bem jedoch bamals nur noch ein Thurm stanb. Den Verkehr mit ber<br />

Umgebung vermittelten 3 Thore, im Osten <strong>der</strong> Stadt baS alte Kursor<br />

mit ben beiben Straßen nach Anklam unb Treptow-Neubranbenburg, burch<br />

ein Ravetin geschützt. Der Uebergang ber letzteren Straße über bie Tollenfe<br />

war burch eine auf einer kleinen Jnfel liegenben Schanze gesichert. Jm<br />

üftorbwesten lag baS Holstentljor; von ihm bis zur Peene hin zog sich burch<br />

ben Sumpf ein langer Steinbamm. Die Brücke über ben Fluß becfte eine<br />

Reboute, ber „Maienkrebs". Dieser Damm trennte sich jenseits ber Peene<br />

in bie beiben Straßen nach Stralsunb unb Loitz. Schließlich im Sübwesten<br />

ber Stabt führte baS Kalbener Thor auf bie Güstrower Straße hinaus.<br />

2Biu)rfm, Berlin 1837, Brief Vom 23. Juni u. über Schweben: Oefverste Nils<br />

Djurklows (1641—1714) egenhändige lefnadsteckning. Meddelad af G. Djurklow,<br />

Historisk Tidskrift 1894, pg. 131 ff. Bilagor 1 u. 2.


80 Die Felbzüge deS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Die Befestigungen waren in den letzten Jahren noch mehr vernachlässigt<br />

als die von Anklam. Seit August 1675 war daS Westermannländische<br />

Regiment, baS hier in Garnison lag, damit beschäftigt, die<br />

zerfallenen F°rtifikationen wie<strong>der</strong> auszubessern und in einen erträglichen<br />

VertheidtgungSzustand zu bringen. Die Besatzung bestand aus ungefähr<br />

1000 Mann unter dem Kommando des tapferen Obersten v. d. Sftott), <strong>der</strong><br />

durch einen erfolgreichen Ausfall im Juli die Blokade glücklich beendet hatte.<br />

Sob, <strong>der</strong> am 11. September auf Wunsch deS Kurfürsten zum Feld-<br />

Zeugmeister beför<strong>der</strong>t wurde, eröffnete mit seinen Truppen im Südosten <strong>der</strong><br />

Stadt zwischen dem Wege nach Treptow, <strong>der</strong> Totlense und Peene die<br />

Approchen, während Holstein mit dem größten Theil <strong>der</strong> brandenburgifchen<br />

Truppen bei Devin an <strong>der</strong> Straße nach Güstrow am Deviner Berge ein<br />

Lager bezog. Ein Detachement, wohl hauptsächlich aus Reitern bestehend,<br />

mußte nach dem Worden <strong>der</strong> Stadt entsandt werden, um <strong>der</strong> Besatzung die<br />

Verbindung mit Stralfund abzuschneiden und einen Entsatz durch Königs*<br />

maxd zu verhin<strong>der</strong>n. Gleich nach ihrer Ankunft glückte es dieser Abtheilung,<br />

den Maienkrebs zu nehmen und feine ganze Besatzung nebst einigen Stücken<br />

Zu Gefangenen ^n machen, ein erfolgreicher Gewinn für die Brandenburger,<br />

da den Verproviantirungen <strong>der</strong> Festung durch KönigSmanf hierdurch ein<br />

Riegel vorgeschobeu war, wenn auch bk Beunruhigungen nicht aufhörten.<br />

Unterdessen hatte man auf den beiden an<strong>der</strong>n Seiten im Südwesten<br />

und Südosten die Sipprochen bis nahe an die BefefttgungSwerke<br />

eröffnet, so baß mit dem Bau <strong>der</strong> Batterien begonnen werben konnte.<br />

Holstein ließ gegen bie Sübwestbastion von beiben Seiten Laufgräben eröffnen,<br />

inbem er über bie Peene abseits von ber Stabt gegenüber vom<br />

Ziegelberg eine Brücke erbaute, sich auf beut Berg verschanzte unb von hier<br />

aus ostwärts gegen jene Bastion vorrückte. Die Hauptbatterie ber Kaiserlichen<br />

befanb sich bei bem Hause Demmin. Am 54. September wurde<br />

daS Feuer aus den beiden Batterien eröffnet, baS ber Feinb lebhaft erwiberte.<br />

Die Kanonabe ber Belagerer war hier mehr vom Glück begünstigt<br />

als in Anklam. Gleich am ersten Tage richtete sie in ber Stabt<br />

einen empfinblichen Schaben an, eine Feuerkugel traf bie alte Bartl)olomäuSkirche,<br />

bie sofort in Flammen aufging. Z u gleicher Zeit brach auch in ber<br />

Stabt Feuer aus unb legte sie in 2 Tagen zum größten Theil in Asche.<br />

Allein mochte bie Bürgerschaft wehklagen über ben Vevlust ihres Hab unb<br />

Gutes, S^ott) blieb unerschütterlich in feinem Vorsatze, bie Festung bis<br />

aufs äußerste feinem König zn erhalten. Eine Bitte ber Bürger an ben<br />

Herzog Von Holstein, mit bem Feuern unb Granatenwerfen aufzuhören,<br />

fruchtete nichts, ebenso wenig würbe ber anberen, wenigstens bie Frauen<br />

unb Kinber aus ber Festung herauszulassen, gewährleistet. Unaufhörlich<br />

bauerte bie Kanonabe fort. Als keine Häuser znr Einquartirung ber<br />

Mannschaft mehr vorf)anben waren, befahl S^otl), bie Keller bazu her-


3Me Felbzüge deS großen Kurfürsten in pommetn 1675-1677. 81<br />

zurichten und sich auf dem Kirchhofe z u verschanzen. Selbst wenn bie<br />

Brandenburger den Wall und bie Außenwerke erobert haben, so, äußerte<br />

er, wolle er boch bebenken, ob eS Zeit wäre, zu kapituliren. Sftoch immer<br />

waren bie lüneburgifchen unb münsterschen Truppen unter betn Generalmajor<br />

von Enbe nicht eingetroffen; als Oberst beS nieberfächfifchen Kreises<br />

hatte ber H er Z o g *>on Eelle chm befohlen, vorläufig in Mecklenburg zn<br />

bleiben, bamit es ben Dänen nicht völlig in bie Hänbe fiele. 1 ) Enblich<br />

in ben ersten Tagen beS Oktober trafen sie vor Demmin ein, erst jetzt<br />

konnte bie Festung völlig eingeschlossen werben. Sie bezogen ein Lager<br />

auf bem Sftonnenberge unb eröffneten hier die Laufgräben. Während bie<br />

Wälle ber Festung so von allen Seiten her heftig beschossen würben unb<br />

Zum Tljeil schon arg zerstört waren, unternahmen bie Belagerer in ber<br />

Stacht vom 4./5. Oktober einen Sturm auf baS Ravelin vor bem Kursor.<br />

Er gelang; trotz verzweifelter Gegenwehr mußten bie Schweben weichen<br />

unb eS ben Stürmenben überlassen. Sftoth hatte eS vorher uuterminiren<br />

lassen. Er wollte verhiubern, baß ber Feinb hier, wo ber erste Ansturm zu<br />

vermuthen war, sich festsetzte. Allein bie Mine hatte nicht ben gewünschten<br />

Erfolg. Z^ar würbe ein Theil beS Außenwerkes in bie Luft gesprengt unb<br />

300 Branbenburger barunter begraben, atiein ben anberen Theil behaupteten<br />

sie. üftachbem neue Verschanzungen an biesem günstigen Punkte angelegt<br />

waren, konnte jeberzeit ein Hauptsturm ins Werk gesetzt werben. Sfoch<br />

5 Tage hielt sich trotzbem bie Festung, bann sah ber Kommanbant sich<br />

genöthigt, bem Drängen ber Bürgerfchaft, bie eine piünberung nach gelungenem<br />

Sturm befürchtete, nachzugeben unb um einen Accorb anzuhalten.<br />

Eintretenber Mangel z^ang ihn gleichfalls zu biesem Schritt. Die Bebingungen<br />

waren bie gleichen wie bei Anktam, nur baß bie Besatzung in<br />

ber Stärke von noch 700 Mann nicht nach Schweben, sonbern nach<br />

Stralfunb eSkortirt würbe. An Geschützen waren Vorlauben 2 tjal&e<br />

Karthaunen, 2 zwölfpfünbige, 1 achtpfünbigeS unb 4 RegimentSstücfe nebst<br />

32 eisernen Geschützen. Am 13. Oktober leisteten ber Rath nnd die<br />

Bürgerschaft bie Erbrjulbigung. Kommanbant ber Festung würbe Generallieutenant<br />

v. b. Goltz. 2 )<br />

*) Buch wurde am 26. AuQust/5. (September Von bem Kurfürsten abgesandt,<br />

um jenen Truppen entgegenzugehen unb ben Befehlshaber zum schnelleren Vorrücken<br />

zu bewegen. Fast einen ganzen Monat haben biefe HilfStruppen im Mecklenburgischen<br />

gelagert; vgl. Buch'S Tagebuch vom 26. August st. v. an.<br />

2 ) Ueber ben Verlauf ber Belagerung, Von Demmin finb wir bd Weitem<br />

nicht So gut unterrichtet rote über bie von Anklam, weil unS namentlich bie Mü><br />

theilungen Buch'S fehlen. Am ausführlichsten ist bk Darstellung, bie b. „Rorb.<br />

Krieges Erster X^tii", pg. 469 ff. giebt, wo sich auch ber Accorb finbet. DieSer<br />

liecjt ben Berichten im verw. Europa III, pg. 211 f. u. im Pomm. Greif p£. 163 ff,<br />

zu Grunbe. Vgl- bazu im G. St. einige Akten, Demmin betreffenb. Eine Karte<br />

ber Festung finbet sich int K. A., mit ber eine in ber Topographie enthaltene über*<br />

»aUUcfje ©tubtett 9Z. fr I. 6


82 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Der Kurfürst war nach <strong>der</strong> Eroberung von Anklam mit dem kleineren<br />

Theil seines Heeres gegen das wichtige Löcfnitz aufgebrochen, den einzigen<br />

Besitz, den die Schweden auf brandenburgischem Boden hatten. Sowie<br />

ber Kommandant deS Schlosses merkte, baß er gesonnen sei, burch eine<br />

regelrechte Belagerung den Platz einzuschließen, hielt er sofort um einen<br />

Accord an, ber am 13. September unter benfelben Bebingungen wie mit<br />

ber Anklamer Besatzung abgeschlossen würbe.<br />

Schloß unb Paß besetzte ber Kurfürst unb rückte sofort mit seinen<br />

Truppen vor Stettin. ES war feine feste Abficht, gleich nach ber Eroberung<br />

von Anklam auch bieseS zu nehmen.<br />

Alle Vorkehrungen bazu waren getroffen. Schwerin, ber sich auf<br />

ben Schiffen befanb, brang in ben Damm'schen See vor unb versuchte<br />

zwischen Stettin unb Damm Stellung zu nehmen, womöglich bie Besatzung<br />

Von Damm zum Rückzüge nach Stettin zu bewegen unb ben in Hinterpommern<br />

stehenben Truppen bie Gelegenheit zu bieten, sich l)ier festzusetzen.<br />

Sein Vorgehen hatte ben gewünschten Erfolg. Kaum ließ er sich mit ben<br />

Fregatten im See erblicken, so hatte bie Besatzung von Damm nichts<br />

Eiligeres zu thun, als bie BefefttgungSwerke, so weit eS in ber Eile anging, zu<br />

rafiren unb sich nach Stettin zurückzuziehen, in ber Flanke vom Damm'schen<br />

See her mit einer heftigen Kanonabe betrogt. Jfjnen folgten bie branbenburgtschen<br />

Truppen unter betn Oberst v. Hülfen auf bem Fnße nach,<br />

befetzten biefen wichtigen VerbmbungSpunkt zwischen Vor- unb Hiuterpommern<br />

unb befestigten ihn nach Kräften. 1 )<br />

So war Stettin von ber See unb von Hinterpommern vollkommen<br />

abgeschnitten. Z u dieser Zeit, in ber zweiten Hälfte beS September, kam<br />

ber Kurfürst mit seinen Truppen von Löcfnitz her an. Wie sollte ihn biefe<br />

günstige Lage nicht noch mehr barjin beeinflussen, trotz ber schon vorgerückten<br />

Jahreszeit zu Versuchen, Stettin zu nehmen? Sofort wanbte er sich an<br />

einen seiner tüchtigsten Heerführer, ben H er zog August V. Holstein, um<br />

Rath- Allein befsen Befcheib lautete ungünstig. Er befürchtete, baß fein<br />

Herr ben Herbst hinburch seine Jnfanterie vor ber Festung gänzlich ruiniren<br />

würbe, ol)ue sie zu nehmen unb atSbann im nächsten Jahre unthätig bem<br />

KnegSfchaufpiel zufeljen müsse. Sftoch einmal wanbte sich Frtebrich Wilhelm<br />

an tl)u, stellte ihm alle Grünbe vor, bie chn zu biesem Vorgehen nöthigten,<br />

bie bebenkliche politische Lage, vornehmlich bie Ausficht auf einen nahen<br />

Frteben, bie Verproviantirung ber Festung währenb ber Winterszeit, bie<br />

Uneinigfett in ber Stabt unter ben Führern unb bie Hinneigung ber vor-<br />

einstimmt. Die im Theat. Eur. enthaltene Karte laßt Demntin an ber Toüenfe<br />

gelegen fein, ein Fehler, ber in ber falschen Bezeichnung ber Flußlaufe feinen Grunö l;at.<br />

*) Droyfen nennt irrtümlicherweise ben 23. September als Tag, ber Ueber*<br />

gäbe von Löcknitz; in ber That ist eS ber 3./13. September, vgl. Diar. Eur. XXXIV,<br />

pg. 170. — Ueber ©chwerin'S Z«Ö ßeßen Damm Vgl. Theat. Eur. XI, pg. 786.<br />

i


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 83<br />

nehmeren Bürger zn Brandenburg, die Unmöglichkeit, jetzt einen SuccurS<br />

hineinzubringen, und — entschloß sich zu einer Belagerung. Seine eigenen<br />

Gedanken gewannen dies Mal, und gerade zur unrechten Zeit, das Uebergewicht<br />

über den besonnenen Rath feines Heerführers. 1 )<br />

Am 21. September sandte er ein Schreiben an die Stadt, worin er<br />

sie ermahnte, durch eine opiniatre Gegenwehr sich nicht in Ver<strong>der</strong>ben und<br />

Ruin zu stürzen. Seine kurfürstliche Gnade wurde ihnen angeboten, wenn<br />

sie sich in Güte accommodiren und mit ihm vergleichen wollten. Allein<br />

schon barin hatte er sich getäuscht, wenn er meinte, daß die Bürger zum<br />

Theil zu ihm hinneigten und die Stadt eine große Belagerung nicht auf<br />

sich nehmen werde. Diese war vielmehr entschlossen, treu zu Schweden zu<br />

stehen und dem Brandenburger alle mögliche Gegenwehr zu leisten. 2 )<br />

Der Kurfürst hatte sein Hauptquartier in Krekow aufgeschlagen; <strong>der</strong><br />

Hauptangriff geschah int Worden <strong>der</strong> Festung. Hier fyatte er an <strong>der</strong> O<strong>der</strong><br />

eine IReboute aufwerfen lassen, ohne dadurch zn verhin<strong>der</strong>n, baß bte Besatzung<br />

ben Fluß hinabfuhr, bann Truppen ans Laub setzte unb sich im<br />

Rüden ber Belagerer mit neuem Proviant versorgte. Um beut entgegen*<br />

*) Concept im G. St., unbatirt. Zeitpunkt ante quem: Eroberung Von<br />

Demmin am 10. Oktober, Z e ^punkt post quem: Theilung ber Armee nach ber<br />

Eroberung Von Anklam. AbfasfunQSzeit also Mitte (September 1676. DaS (Schreiben<br />

lautet im AuSzug: „Ew. ibb. Schreiben habe ich woll erhalten, unbt barauß ersehen,<br />

baß bieSelbe nicht Rarjtten kunnten, baß ich mich für Stettin itzo argessiren folte,<br />

bevorab tneiH Jchjttetne gantze invanterie dafür ruiniren unbt cousummiren würbe;<br />

Rachbem Jch aber consi<strong>der</strong>ire erstlich, baS zu besorgen, baS ber fribe gewis biefen<br />

nrintter geschloffen werben burffte, So würbe folgen, baS bey ben tractaten Jch<br />

solchen orbt nicht erhalten würbe; Zum anbern, wan biesseS nicht zu befürchten, So<br />

ist gewiS, ha^ bie Schweben Jhr eufferfteS tljun, (Stettin, wanS Qefrohren, ntttt allem<br />

zur genüge zu Versehen, ba man biefen orbt solcher geftalbt nicht blocfiren tan, baS<br />

man nicht kuntte proviandt unbt üolcf hineinbringen, ba itzo nichts üorljanben;<br />

brobt ist J^nen im anfange geben worben, neunter wollen bie Kaufleutte unbt<br />

Bürger Jfynen kein Eorn mehr abfolgen lassen; brittenS bie Uneiniökeitt zutschen<br />

bem General Maior Wolffen, Plantin unbt Hont ist sehr groß, begleichen unter<br />

ber garnison unbt Bürgern; bie fu^rnehmbfte Bürger unbt Kaufleutte feien gut<br />

BranbenburgiS, haben auch uberauß grossen manßell ahn fischen; bie armubt, so<br />

bavon leben muß, beschweret sich uberauß sehr barüber; erkenne auch baS (Sie bet i^iger<br />

Beschaffenheit kein securs erlangen kunnen. Die Rachricht habe Jch auch, baS (Sie<br />

bie «Stücke woll, aber granatten unb feuerkugelln nicht erwahrtten wollen; fünftens<br />

bie gefangenen unb Uberleuffer berichten, baS ein Reutter alle 10 ta%t 7 1 /* tub.<br />

(SchiHing bekomme, bafur muffen Sie für (Sich unbt Jhre Pferbe leben, bte zu fuffe<br />

bekommen alletage 2 Dreier; 6. wan ein securs auß (Schweben komme, welches ich<br />

nicht hoffen WtH, unbt (Sie bie auß ben garnisonen bar zu nehmen, kuntten Sie<br />

nach ber Schiefsten gehen, ha bau bte Pollen getröftlich sich zu Jl)nen schlagen<br />

würben, wie Jch bau beßwegen gewisse nachrtcht habe, auch solches burch ben<br />

Don Krackau Kay. May. zu wissen gethan habe; halte also bafur, baS man<br />

eS in GotteS nahmen anzuerreiffen habe, .... Ew. ibb. thu bero fleiS, bamttt<br />

bieselbe mich burch Übergabe DemminS balbt erfreuen mögen. ..."<br />

2 ) Erlaß an (Stettin vom 11./21. (September im G. St.<br />

6*


84 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

zutreten, erhielt Raute am 7. Oktober den Befehl, mit 1 o<strong>der</strong> 2 Galeeren<br />

sich in den Strom zu legen und tyn in schließen. So waren am 10. Oktober<br />

aöe Zugänge von Stettin befetzt. Schon 2 Tage vorher hatte er angefangen,<br />

auf die nächsten Außenwerke <strong>der</strong> Stadt glühende Kugeln zu werfen, allein<br />

ohne jeglichen Erfolg, weil daS Feuer sofort Von den achtsamen Bürgern<br />

und Soldaten gelöscht wurde. Der Besatzung dagegen gelang eS, einen<br />

glücklichen Ausfall zu machen. Sie drang bis nach Krekow zum kurfürstlichen<br />

Lager vor, schlug die Wache in die Flucht und erbeutete eine Reche wohlmundirter<br />

Pferde. Jhr Verlust war ein sehr geringer, weit sie von <strong>der</strong><br />

Sternfchanze und <strong>der</strong> eigentlichen Festung auf das wirksamste unterstützt<br />

Wurde. Ebenso glüdte ihnen ein Streifzug nach Gretfenhageu, wo sie die<br />

brandenburgische Besatzung vertrieben und chreS Lagers und Proviants beraubten.<br />

Schon nach diesem nicht gerade verheißungsvollen Anfang sat) <strong>der</strong><br />

Kurfürst bald, daß er in diesem $ixb\i die Festung nicht mehr bezwingen<br />

werde. Ein paar Tage nach jenen erfolgreichen Ausfällen <strong>der</strong> Besatzung<br />

schrieb er an Srotfow, „daß, ob Wir z^ar bißrjero den festljen Vorsatz<br />

gehabt Stettin noch in diesem jähre mit einer formal belagerung anzugreisfen,<br />

da Wir gehoffet, eS würden die Lünenbg. und Münsterischen Trouppen<br />

etwas eher ankommen undt man alßdann auch mit Demmin zeithiger fertig<br />

geworden fein, so wolthe doch anjetzt durch späthe anlangung berührter<br />

Trouppen die saison verlauffen." Erst in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des Oktober<br />

konnte <strong>der</strong> H er Z 0 9 ö °n Holstein mit den brandeuburgifcheu Truppen —<br />

die kaiserlichen, münsterifchen und (üneburgtfchen bezogen sofort die Winterquartiere<br />

— von Demmin vor Stettin eintreffen. Die Belagerung war<br />

bereits in eine bloße Blofade umgewandelt. Eine zweite Beschießung <strong>der</strong><br />

Festung am 28. Oktober hatte wie<strong>der</strong>um keinen Erfolg. Z* D et Tage darauf<br />

befahl er Raule, die Winterquartiere aufzusuchen. Die beiden Galeeren sollten<br />

nach Wollin, er selbst nach WiSmar gehen, um dort zu überwintern, und<br />

am 2. November erging auch an die Regimenter <strong>der</strong> Befel)l zum Aufbruch.<br />

DaS eintretende schlechte Wetter ließ ein längeres Verweilen <strong>der</strong> Truppen<br />

im Felde nicht mehr zu. Der größte Theil <strong>der</strong> Jnfanterte, ein Theil <strong>der</strong><br />

Kavallerie und die Artillerie begaben sich Mitte November in die Winterquartiere,<br />

während eine Anzahl von Reiter- und Jnfanterteregimentern alle<br />

Zugänge ^n Stettin auch den Winter über befetzt hielten. Der Vertust in<br />

<strong>der</strong> Stadt war unbedeutend, dagegen hatten die Brandenburger an 2000 Mann<br />

verloren. Und keck konnte die Besatzung dem abziehenden Kurfürsten nach*<br />

rufen, warum er so eilig die Belagerung verlasse. Allein wohl mit ebenso<br />

großer Zuversicht konnte er ihr trotz <strong>der</strong> bedenklichen politischen Lage antworten,<br />

er wollte schon zeitig genug wie<strong>der</strong>kommen und sie besuchen. An<br />

demselben Tage,'wie vor 17 Jahren 1659, hatte <strong>der</strong> Feind eine Belagerung<br />

<strong>der</strong> D<strong>der</strong>festung aufgeben und abziehen müssen. DaS feit jenen Tagen in<br />

ber Stadt gefeierte Lob* unb Dankfest würbe nun ein boppelteS.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 85<br />

Am 22. November erließ ber Kurfürst Von Berlin auS ein Patent<br />

gegen Stettin, worin er allen Verkehr unb jebe Korrefponbenz mit ber<br />

blofirten Festung verbot. 1 )<br />

Kaum hatten feine Truppen baS Laub verlassen, so brach KönigSmard;<br />

von Stratfunb aus mit 1000 Reitern unb 500 Mann z u Fuß über<br />

Damgarten nach Ribnitz hervor, nahm eS ein unb ließ in Mecklenburg eine<br />

Kontribution ausschreiben. Sowie bie Kommanbanten ber Peenefestungen<br />

Kunbe hiervon erhielten, ließen sie LoofungSschüsfe abgeben unb bie in ben<br />

Festungen entbehrlichen Truppen zusammenziehen. Dieser wartete sie jeboch<br />

nicht ab, sonbern zog sich in feine Quartiere zurück.<br />

Damit hatte ber Felbzug für bieseS Jahr fein Enbe erreicht. Allein<br />

für bie branbenburgifchen Truppen, bie unter bem Befehl beS Prinzen von<br />

Homburg unb beS Generallieutenants V. Görtzke in ben sächsischen unb<br />

fränkischen Lauben bie Winterquartiere beziehen sollten, bie Kavallerieregimenter<br />

Derfflinger, Görtzke, Lübtke, H om ^urg, Frankenberg unb baS<br />

Leibregtment, bie Jnfanterieregimenter F ar gel, Götze, Schöning unb<br />

von Derfflinger 4 Kompagnien nebst bem Dragonerregiment Derfflinger,<br />

war jetzt mit nichten eine Zeit ber Ruhe unb ber Reorganisation gekommen.<br />

Schon seit September verhandelte ber branbenburgische Gesanbte V. Erodow<br />

mit bem Kaiser, um für feinen Herrn günstigere unb reichlichere Quartiere zu<br />

erlangen, atiein ohne Erfolg. So sah sich ber Kurfürst genöthigt, im November<br />

feinen Geheimen Rath Franz MeinberS mit einer außerorbentltchen Mission in<br />

biefer Angelegenheit zu betrauen. Aber auch jetzt gelangte man zu keinem<br />

befriebtgenben Resultat. Die Fe<strong>der</strong>ungen, bie er stellte, würben bei<br />

Weitem nicht erfüllt. 2 ) Jn bitteren Worten beklagte sich ber Kurfürst<br />

bei bem Kaiser über bie „guten Worte unb Contestationes", bie feine<br />

Abgeorbneten empfingen, „bavon aber kau meine Armee nicht subsistiren;<br />

Biß dato habe ich auf gewünschte Resolution gewartet, in Hoffnung, man<br />

Würbe mich mit quartiere gleich anbren versehen haben; Jch muß fast<br />

glauben unb bafür halten, baß man Mir baS Glück, so Mir Gott gegeben,<br />

mißgönne unb ben ruin Meines H a ufeS unb Kinber suche, unb Mich<br />

gantz inutil machen will, Eurer Kayferl. Mayl unb bem Reiche zu bienen."<br />

Beim Anblick beS Ruins feiner eigenen Laube, bei ber rücksichtslosen<br />

Behanblung unb ber geringen Beachtung Seitens ber Alliirten trotz feiner<br />

errungenen Erfolge mochte ber Gebanke in ihm wach werben, sich nach<br />

anberen BunbeSgenoffen umzusehen unb anbere Maßregeln zu ergreifen.<br />

„Weilen ich nun meinen Untergang für äugen sehe, bafern Jch solchen<br />

nicht bey gettctt fürkomme; So muß Jch anbere mesures nehmen unbt<br />

*) Kopie eines Schreibens auS (Stettin, d. d. 16. RoVember, auS b. Haupt=<br />

quartier Krekotu 5./15. Rovemb.; Jnftruktion an Raule, d. d. Krekoro 27. (Sept./7. Dk=<br />

tober im G. St., dazu d. Pomm. Greif, pg. 167 ff.<br />

2 ) Ueber die (Sendung von Mein<strong>der</strong>S Vgl. U. u. A. XIV, pg. 876 f.:<br />

Duartieranöeleöenheit u. Puf. XIV, § 49 ff.


86 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

auß zweyen SSb^n eines erwehlen. Jch protestire aber fitemtt für Gott,<br />

Eure Kayferl. May'l und dem Reich, baß waS ich thun werbe, auß keiner<br />

Leichtsinnigkeit o<strong>der</strong> Unbeständigkeit herrühre, fon<strong>der</strong>n einig und allein<br />

daher baß man mich gantz außer äugen gefetzet, solche oljrter assigniret,<br />

welche gantz wüste, Von an<strong>der</strong>n schon besehet und ruiniret seyn, ja auch<br />

solche, so nur einen Corporal nebst 5 Reitern aufs höchste halten können;<br />

Woher ich nicht sehe, wie ich subsistiren und gegen die zukünftige Campagne<br />

Zu agiren gantz inutel gemacht, dem feinbe meine Lanbe zum Vollkommenen<br />

Raub übergeben, eine solche Resolution zu faßen gezwungen werbe. 1 )<br />

Ein berebter Ausdruck ist biefen Gebanken verliehen in eigenhänbigcu<br />

Bemerkungen beS Kurfürsten, bie in biefer Zeit niebergefchrieben<br />

finb. Er will auf bie Atliance mit betn Kaiser unb mit Spanien Verzichten,<br />

wenn if)tn ganz sommern bis zur Peene mit Einschluß von Wotgast eingeräumt<br />

wirb, unb sich mit Frankreich unb Schweben verbünben; als<br />

Entschädigung für seinen erlittenen Schaben beansprucht er baS Fürstentum<br />

Glogau. Der Qfrtebe soll nicht früher geschlossen werben, als bis Frankreich<br />

volle SattSfaftton Vom Kaiser unb Spanten erhalten habe. Schweden<br />

wirb für bie abgetretenen Gebtete mit schleichen ober mährischen ianbcßtheilen<br />

abgefunben. Die politische Lage wäre Völlig umgestaltet, wenn<br />

diese Gebanken zur Thatsache geworben wären. Sie scheinen inbefsen<br />

bloßes Projekt ohne weitere F°l9 e n geblieben zu fein unb legen nur ein<br />

Zeugniß ab für bie Mißstimmung unb bie Unzufriebenheit bt^ Kurfürsten<br />

gegen feine Verbündeten. 2 )<br />

*) Jene ©teilen, einem Brief b. Kurs, an b. Kaiser entnommen, in Kopie<br />

im G. St. Er ist unbatirt, einen Anwalt zur Datirung gewinnen wir auS <strong>der</strong><br />

Erwähnung <strong>der</strong> Mission SftetnberS. Am 24. Dezember 1676/3. Januar 1677<br />

erhielt biefer einen ungünstigen Bescheib; auS Erregung herüber mag jener Brief<br />

geschrieben fein.<br />

2 ) Dieses bemerkenswerthe Schriftstück füllt 2 (Seiten eines BogenS auS,<br />

ist fast ganz ohne Korrekturen. Auf ber Vierten Seite beS BogenS steht zweimal NB.<br />

Zwei Sichere Anhaltspunkte zur Datirung haben wir. Ganz Bremen unb Philipps^<br />

bürg waren bereits in ben Hauben ber Verbündeten; wir haben damit einen terminus<br />

post quem gewonnen. ES ist Verfaßt nach beut 12. August 76, ber Eroberung Von<br />

©tade, dem letzten schwedischen Besitz in Bremen-Verben, unb auch nach betn<br />

18. September, betn Tage ber Eroberung Von pijtlippSburg burch bie Verbünbeten.<br />

Ein terminus ante quem läßt sich nicht feststellen. Doch ge^t man wohl nicht<br />

fehl, baS Schriftstück in baS Enbe beS JafjreS 1676 zu fetzen. RiematS tragen bie<br />

Briefe beS Kurfürsten an feine Verbünbeten einen schärferen Charakter als bamalS<br />

(Vgl. oben). Allenthalben sah er sich Vernachlässigt, dazu war feine militärische Lage<br />

am Schluß beS JaljreS 1676 burchauS nicht glänzend. Der Versuch auf (Stettin<br />

war mißglückt. AßeS bieS mochte eS ihm nahe legen, feine politische Stellung<br />

Vollkommen zu Verän<strong>der</strong>n. Eine spätere Zeit, etwa baS Enbe beS JahreS 1677,<br />

ist ausgeschlossen. Räch ber Eroberung Von Stettin würbe er nicht baran gedacht<br />

haben, mit Schweben in Verhandlungen zu treten. Vielmehr war batnalS fein<br />

Bemühen barauf gerichtet, eS gänzlich seiner beutfchen Besitzungen zu berauben.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsien in Pommern 1675—1677. 87<br />

Der Streit drehte sich um die sächsischen Län<strong>der</strong>. Johann Georg II.<br />

hatte dem Kaiser 2500 Mann Jnfanterie und Dragoner in Sold überlassen,<br />

sich dafür aber ausbedungen, daß er von aßen Winterquartieren<br />

frem<strong>der</strong> Kriegsvölker befreit sei. Trotzdem gab <strong>der</strong> Kurfürst dem Prinzen<br />

von H om ^nrg den Befehl, Quartiere in <strong>der</strong> sächsischen Herrn Län<strong>der</strong> zu<br />

beziehen. Diese Ordre mußte jedoch bald wie<strong>der</strong> zurückgezogen werden.<br />

Der Grund, <strong>der</strong> ihn zur Nachgiebigkeit bewog, war politischer Natur,<br />

Rückficht auf die Stellung Sachsens zu den Frankreich günstig gesinnten<br />

Territorien Baiern und Hannover. Dazu kam, daß er sich von feinen<br />

beiden Verbündeten H°öand und Spanien in Stich gelassen sah- Sie<br />

stanben in <strong>der</strong> Zahlung <strong>der</strong> schuldigen Subsibien weit zurück, trotz wie<strong>der</strong>holter<br />

Mahnungen RomSwinckelS im Haag trat keine Besserung ein.<br />

Nicht einmal 6000 Thaler waren zu erlangen, und er bedurfte so bringend<br />

<strong>der</strong> Unterstützung zur Equipirung <strong>der</strong> Flotte und beS H^reS. 1 ) Auch<br />

Spanien machte wenig Hoffnung auf balbige Erstattung <strong>der</strong> rüdständigen<br />

Summen. Z ur Quartiernoth gesellte sich wie<strong>der</strong>um die Gelbnoth. Die<br />

letzten Felbzüge hatten bie materiellen Kräfte beS Laubes erschöpft. Trotzbem<br />

sah er sich am 31. Januar genöthigt, ein neues Steuerebikt zu publiciren,<br />

baß Jeber nach seinem Staube unb Gewerbe eine bestimmte Kopfsteuer<br />

bezahlen sollte. 2 )<br />

MeinberS erlangte in Wien wenigstens so viel, baß bie hannoverschen<br />

Truppen aufgeforbert würben, ManSfelb, Stotberg, Anhalt, Schwarzburg<br />

unb bie Gebiete von Norbljausen, Mühlhausen unb HilbeSfjeim zu räumen,<br />

unb bem Kurfürsten gestattet würbe, vom 11. Februar 1677 an aus<br />

biesen Gebieten Assignationen zu beziehen ober sie mit Truppen zu belegen.<br />

Jm Februar würben biese Gebiete von bem hannoverschen Heere geräumt.<br />

Bis barjin sahen sich bie aus ben Marken unb aus Pommern ausgerückten<br />

Regimenter ohne ein festes Quartier. Ueberall, wo sie hinkamen, begegneten<br />

sie unverhohlenem Mißlieben und stießen sogar auf bewaffneten Wi<strong>der</strong>stand<br />

bei dem Landvolke. Während bie Truppen ber Verbünbeten oft ein halbes<br />

Jahr lang in ben Quartieren sich von ben Strapazen beS FelbzugeS<br />

erholten, konnte ben branbenburgischen Regimentern kaum bie Hälfte tiefer<br />

Zeit gegönnt werben, um sich für bie neue Kampagne, bu schwierigste beS<br />

ganzen FelbzugeS, in Bereitschaft zu setzen unb zu rüsten. Galt eS boch<br />

im kommenben Jahr, sowie es bie politischen Verhältnisse zuließen, bie<br />

ganze branbenburgische Armee vor Stettin z u sammeln, um bie so lange<br />

begehrte Festung enblich in bie Gewalt beS Kurfürsten zu bringen unb<br />

ben Kampf gegen Schweben in Deutschlanb burch einen gleichzeitigen<br />

Angriff ber Flotte auf Rügen zu beenben. 8 )<br />

*) D. Kurs, an RomSnnnckel 20. Februar/2. März 77 u. 3./13. März, d. d.<br />

Harn, dazu Puf. XV, § 10 f.<br />

2 ) Vgl- Buch zum 21. Januar 77.<br />

3 ) Vgl. die Jnftruktionen b. Kurs, an Homburg d. d. EöHn 17./27. Roüemb.,


88 Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Vergegenwärtigen wir uns baS Resultat ber ^elbjüge beS Kurfürsten<br />

in ben beiben Jahren 1675 unb 1676 an ber Hanb ber gewonnenen<br />

Thatsachen, so gilt eS festzustellen, baß eS ihm trotz aller Anstrengungen,<br />

bie er an sich selbst unb sein Lanb, an seine Heerführer unb feine Armee<br />

gestellt hatte, nicht gelungen war, sein ursprüngliches Ziel zu erreichen,<br />

bie Eroberung Von Pommern in biefen beiben Feldzügen Z u Voltenben unb<br />

bamit ben schwedischen Rivalen an ber deutschen Oftfeeküfte ^n Vernichten.<br />

Die Begrünbung hierfür liegt in folgenben Verhältnissen. Die eigenthümliche<br />

politische Konstellation ber verbünbeten Mächte mit ber Verquidung ihrer<br />

gegenseitigen partikularen Jnteressen unb bie militärische Abhängigkeit beS<br />

Kurfürsten von ben Verbünbeten, befonberS von Dänemark, hatten ihn<br />

baran gehinbert, feine ersten Erfolge berartig auszunutzen, wie er es<br />

erwartet unb erhofft hatte. Dabei gewann Schweben Z e it, fidj öon <strong>der</strong><br />

ersten üftiebertage, von Fehr&ellin, z u erholen, unb hatte baS Glück, in<br />

bem neuen Oberstkommanbirenben von Pommern, bem Grafen Otto<br />

Wilhelm V. KönigSmard, einen Feldherrn z u finben, 1 ) ber es verstaub,<br />

bie ersten glänzenben Erfolge ber Verbünbeten burch seine vorsichtige, mit<br />

kühnen Streifzügen verbunbene befenfive Haltung wieber in Frage zn<br />

stellen, mit anerkennenSWerther Beihilfe seiner Unterbefehlshaber bie von<br />

Wrangel Völlig vernachlässigten FortifikationSwerke wieber in einen vertheidigungSfäf>igen<br />

Zustand zu bringen, die geringen pommerfchen Streitkräfte,<br />

so weit es anging, trotz <strong>der</strong> ausgebliebenen Hilfe aus dem Mutterlande<br />

z u reorganifiren und mit ihnen den Angriffen <strong>der</strong> Verbündeten<br />

auf Rügen, bie Vorwacht Von Stralfunb, unter bem Beistanb ber ihm<br />

treu ergebenen Bürger ber pommerfchen Stäbte nachhaltigen Wiberftanb<br />

entgegenzusetzen. Alle biefe Thatsachen, bie sich ihm währenb beS FelbzugeS<br />

Von 1675 entgegenstellten, erwiesen sich in bem Ringen als stärker unb<br />

mächtiger als ber energische Wille beS Kurfürsten. Den Grunb zu seinen<br />

verhältntßmäßig geringen Erfolgen im Jahre 1676 barf man barin sehen,<br />

baß KönigSmard bie hohe Bebeutung Wolgast'S für Stettin erkannte unb eS<br />

wieber in fchwebifchen Besitz zu bringen suchte, ferner baß bie beiben Peenefestungen<br />

bem Kurfürsten energischen Wiberftanb leisteten unb schließlich<br />

baß die ganze Anlage des FeldzugeS Seitens beS Kurfürsten eine verfehlte<br />

war, inbem sie ber Theorie KönigSmarcfS, bie Belagerung von Stettin<br />

möglichst lange hinauszuschieben, gerabe in bie Hänbe arbeitete. Freilid}<br />

6./16. Dezember, 13./23. Dezember, d. geheimen Mtty d. d. 7./17. Februar 77,<br />

b. Kurs. d. d. Hamm 5./15. März- 2)te Reg. Frankenberg u. ^Mh werben nach<br />

<strong>der</strong> Ordre vom 22. März/l. April nach Westfalen Verlegt.<br />

*) G. Djurklow a. a. D. spricht ben Wunsch auS, daß man biefen Kampf<br />

unb KönigSmarck inSbefonbere als ben WieberherfteHer ber fchwebifchen Waffenehre<br />

Von fchtnebifcher (Seite in nähere Beleuchtung ziehen möchte. Hoffentlich wirb btefem<br />

Wunsche balb burch hk Veröffentlichung Von KönigSmarcfS Tagebuch AuSbruck<br />

gegeben, baS ein trächtiges Gegenstück zu Buch bilben bürste.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 89<br />

war auch hier die Stellung <strong>der</strong> verbündeten Mächte nicht ohne Bedeutung,<br />

in ihnen erregten die Fortschritte des Brandenburgers in Pommern<br />

Bedenken. Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Kaiser und bie weifischen Herzöge mochten ahnen,<br />

waS diese junge emporstrebenbe Macht für sie bebeute, wenn eS in kurzer<br />

Zeit ganz Pommern ihr eigen nannte. Es lag in ihrem partikularen<br />

Jntereffe teiber allzu tief begrünbet, neibisch auf ihn herabzusehen unb bie<br />

Fortschritte ber branbenburgischen Waffen möglichst wenig z u förbern.<br />

Unb nicht unrichtig beurtheilt Peter Rubolphi, ber Verfasser beS pommerschen<br />

Greifen, am Schluß *beS Jahres 1676 bie Stimmung ber beutfchen Potenz<br />

taten gegen Branbenburg, wenn er schreibt:<br />

„Dahero geschah e ^ in Teutfchlanb,<br />

baß man brach neybisch loß,<br />

schaut, unser Freunb wirb groß;<br />

eS möchten bie Progreffen<br />

uns enblich selber fressen;<br />

man muß bey Zeiten machen<br />

unb hinberung ihm schaffen.<br />

DiS lehrt bie Politique<br />

nach heutiger Practique."


Die 5elb$ü&e fce§ $to§eti Äux^ütftm xti Sßommetti Wfö—<br />

V. Belagerung unb (Eroberung tion Stettin 1677.<br />

Dank seiner umsichtigen und geschickten Maßnahmen zur Vertheidigung<br />

<strong>der</strong> pommerschen Besitzungen war eS KönigSmarck in erster Linie gelungen,<br />

Stettin und Stralsund mit Rügen den Schweden bis jetzt ^n erhalten.<br />

Jm folgenden Jahre lag die Fortsetzung dieser Strategie nicht mehr in<br />

seiner Hand. Bis auf jene Plätze und <strong>Greifswald</strong> hatten die Feinde das<br />

ganze Laub in ihren Besitz gebracht; aller Berechnung nach mußte unter<br />

diesen Verhältnissen Pommern im nächsten Feldzuge ganz verloren gehen,<br />

wenn eS wieber auf sich allein angewiesen blieb. Daher war die wichtigste<br />

Frage, ob KönigSmard eine wirksame Unterstützung von außen her erlangen<br />

werbe. Drei Wege gab eS, entwe<strong>der</strong> eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> politischen<br />

Lage zu Gunsten Schwedens, ober ein SuccurS aus Schweben burch bie<br />

Flotte, ober aber schließlich eine Diversion aus Lieflanb nach Preußen,<br />

womöglich mit Unterstützung Polens.<br />

Die Stellung ber Verbüubeten zu einanber War immer ungünstiger<br />

unb mißtrauischer geworben. Z^ ar <strong>der</strong> Kurfürst scheint jene Gebanken eines<br />

Anschlusses an Frankreich unb Schweben, woburch bie treibenbe Kraft ju<br />

einer energischen Kriegsführung von Seiten ber Verbündeten auf bie ber<br />

bisherigen Feinde getreten wäre, nicht weiter verfolgt zu haben in ber<br />

Ueberzeugung, baß Schweben feine Position an ber beutfchen Dstseeküste<br />

nicht freiwillig aufgeben werbe. Dafür neigten aber bie leitenben Staatsmänner<br />

im Haag außer bem Prinzen von Oranien sehr bal)in, mit Frankreich<br />

unb Schweben einen Separatfrieben zu schließen. Die finanziellen<br />

unb maritimen Hülfsmittel wären bamit ben übrigen Verbünbeteu, Vor<br />

allem bem Kurfürsten gänzlich entzogen worben. Seine hauptfächlichste<br />

Sorge mußte sein, biefeS zu verhüten. Frankreichs Haltuug unb ber frühe<br />

Beginn ber Operationen zwangen schließlich H°ßanb, ben Kampf wieber<br />

aufzunehmen. Damit war wenigstens ber Hauptzweck beS Kurfürsten<br />

erreicht. 1 )<br />

Seine Stellung zu den Verbünbeten blieb trotzbem unsicher unb<br />

Besorgntß erregenb. Der Kaiser sowohl wie auch bie Staaten gingen nicht<br />

auf seine hauptsächlichste Forberung ein, keinen Frieden zu schließen, bis<br />

*) Vgl. Troyfen a. a. O., pg. 386 über bie holländische Politik.


Die Felbzüge des großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 91<br />

die Schweden ganz aus Deutschland vertrieben wären. Ebenso wi<strong>der</strong>setzte<br />

sich <strong>der</strong> Kaiser einer Betehnung des Kurfürsten mit Pommern vor <strong>der</strong><br />

völligen Eroberung des Landes und ohne Zustimmung seiner Bundes*<br />

genossen. Beide Mächte hätten sich dadurch Brandenburg gegenüber völlig<br />

die Hände gebunben und einen Separatfrieden unmöglich gemacht. Er<br />

mußte also dahin trachten, die Eroberung von Pommern so schnell als<br />

möglich z u vollenden, um seinen Verbündeten mit diesem thatsächlichen<br />

Resultat entgegentreten zu können. 1 )<br />

Günstiger als* an diesen beiden Höfen tagen die Verhältnisse für ihn<br />

bei Dänemark, den tüneburgischen Herzögen und dem Bischof von Münster.<br />

Diese hatten schwer darunter in leiden, daß Spanien und Hottand die<br />

schuldigen Subsidien nicht bezahlten, und sie waren nicht gesonnen, diesen<br />

Mächten ohne Entschädigung ihre Truppen znr Verfügung zu stellen.<br />

An<strong>der</strong>erseits waren sie selbst wegen <strong>der</strong> Satisfaktion in Bremen-Verden<br />

mit einan<strong>der</strong> uneinig und suchten sich die H*tfe und BundeSgenofsenschaft<br />

Brandenburgs z u sichern.<br />

Christian V. und Friedrich Wilhelm, die durch ihre gemeinschaftlichen<br />

Jnteresfen am engsten mit einan<strong>der</strong> verbunden waren, hatten bereits am<br />

23. Dezember 1676 ein neues Bündniß mit einan<strong>der</strong> geschloffen. Jn<br />

gemeinsamen Operationen wottten sie gegen Schweben vorgehen und bei<br />

den künftigen FriebenSunterrjanblungen für einen Mann stehen. Jn den<br />

Sekretartikefn versprach <strong>der</strong> König dem Kurfürsten seine Hilfe auch gegen<br />

Polen. Beide verpflichteten sich, falls sie im Frieden ihre Eroberungen<br />

herausgeben sollten, dieser Zumutung z u wi<strong>der</strong>stehen und, wenn auch<br />

Holland einen Separatfrieden eingehe, trotzdem den Kampf fortzusetzen.<br />

Jm nächsten Feldzuge sollte <strong>der</strong> Angriff gegen die beiden Hauptstetlungen<br />

KönigSmard'S zu gleicher Zeit erfolgen. Während <strong>der</strong> Kurfürst sich gegen<br />

Stettin wandte, kam <strong>der</strong> dänischen flotte die Aufgabe zn, Rügen z u<br />

erobern und damit Stratsunb und GreifSWatd zu ifotiren.<br />

Zu einem gleich günstigen Ergebniß führten die Verhandtungen mit<br />

Münster. Am 24. April wurde ^n Sassenburg zwischen beiden Fürsten<br />

ein Defensivbündniß geschlossen, dem am 13. Mai auch Christian beitrat.<br />

Friedrich Wilhelm sicherte sich darin, im Falte daß er in Pommern keine<br />

Entschädigung erhielt, eine Satisfaktion in Bremen-Verben und die Theilung<br />

<strong>der</strong> Geschütze und Munition. 2 )<br />

Wichtiger noch atS dieses Uebereinkommen war für ihn die thatsächliche<br />

Hilfe, die er von den lüneburgischen Herzögen erlangte. 4000<br />

Mann unter dem Generalmajor V. Ende sollten sich nach dem Vertrage<br />

1 ) Vgl Droyfen a. a. O., pg. 381 f., dazu Puf. XV, § 4 u. U. u. A. XIV,<br />

pg. 885 ff.: D. Kurs. a. b. Kaiser, EöEn a. b. Spree 7./17. Juni 77 unb B-elatio<br />

conferentiae Vom 23. Juli mit Crocforo.<br />

2 ) Die 3 Verträge mitgetheilt bet v. Mörner a. a. O., pg. 391, 395, 397.


92 Die Felbzüge des großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

vom 4. Juni mit <strong>der</strong> kurfürstlichen Armee vor Stettin vereinigen. Allerdings<br />

mußte er den H er Zögen dafür versprechen, daß seine eigenen Truppen den<br />

Lüneburgern ganz Mecklenburg räumten, obwohl die Besatzungen in den<br />

eroberten pommerschen Festungen gerade aus diesen Gebieten ihren Proviant<br />

bezogen, und daß ihnen im nie<strong>der</strong>sächfischen Kreise Winterquartiere gewährt<br />

würden. 1 )<br />

Eine gleiche Sorgfalt und Aufmerksamkeit wie diesen Verhandlungen<br />

mit seinen eigenen Verbündeten mußte <strong>der</strong> Kurfürst den polnischen Dingen<br />

Zuwenden und hier den Machinationen Frankreichs und Schwedens begegnen.<br />

Dem französischen Gesandten Bethune war eS gelungen, in Polen ein Heer<br />

Von 6000 Mann zusammen zu bringen, ohne darin vom Könige als neutralem<br />

Fürsten gehin<strong>der</strong>t zu werden, und eS den Aufständischen in Ungarn zuzuführen.<br />

Vergeblich hatte man von Berlin auS dem Wiener H°fe die<br />

Gefahr gezeigt, die ihm von Polen drohe. Erst als eS zu \p(xt war, wurden<br />

jene Jntriguen am Warschauer H°f e oon ben kaiserlichen Diplomaten einer<br />

Beachtung gewürdigt. Eine Beschwerde blieb von SobieSky unberücksichtigt.<br />

Sftoch eifriger als auf die Unterstützung <strong>der</strong> protestantischen Ungarn drängte<br />

die kriegslustige Partei in Warschau auf die üftichterneuerung <strong>der</strong> Verträge<br />

mit Kurbrandenburg und auf einen Einfall in Ostpreußen. Dies wäre<br />

die wirksamste Unterstützung <strong>der</strong> schwedischen Pläne gewesen. H oöe rbecE<br />

wußte <strong>der</strong> Gefahr Vorzubeugen, indem er sich mit den polnischen Ständen<br />

Verband, die darauf drängten, daß <strong>der</strong> König daS Heer, wodurch er ihrem<br />

Einfluß sich entzog, entlasse und nicht Schweden und Frankreich z u<br />

Liebe sich und sein Land in einen unabsehbaren Krieg stürze. Alle Einpsterungen<br />

Liifierjöcf S hatten nicht den gewünschten Erfolg, am 27. Mai<br />

wurden die Verhandlungen über die Erneuerung <strong>der</strong> Verträge mit Brandenburg<br />

Zum Abschluß gebracht. Schweden konnte nicht hoffen, daß Polen aggressiv<br />

auftreten und dadurch ben Kurfürsten nöthigen werde, einen Theil seiner<br />

Armee nach Preußen z u birigiren. Von einem Succurse auS Lieftand<br />

konnte vorläufig nicht bie Rebe fein. Die schwedischen Truppen waren<br />

noch nicht einmal zusammengezogen. 2 )<br />

üftoch nach einer an<strong>der</strong>en, wenn auch min<strong>der</strong> gefährlichen Seite hin<br />

setzten Schweben unb Frankreich alle Hebel in Bewegung, um bem bebrängten<br />

Pommernlanbe Hülfe z u bringen. Schon seit Oktober beS Jahres 1676<br />

fanben in Hamburg vertrauliche Zusammenkünfte gtütfd^en Terlon, bem<br />

französischen Refibenten baselbst, unb bem Grafen Essen, augenscheinlich bem<br />

*) Vgl. Puf. XV, § 5. — Der Herzog Von Seile erklärte st* sogar bereit,<br />

noch 4000 Mann zu schiefen, wenn die 4000 Kaiserlichen, die <strong>der</strong> Kurs, in Pommern<br />

erwarte, dafür nach Dänemark zd'öen.<br />

2 ) Vgl. Puf. XV, § 12—14. — Die Verhandlungen Schwedens, Dänemarks<br />

nnb Brandenburgs in Moskau waren ergebnißloS. Vgl. Puf. XV, § 15, dazu bie<br />

soeben erschienene Arbeit Von F-HMch: Der Winterselbzug in Preußen 1678—1679.<br />

Berlin 1897, pg. 25 f.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 93<br />

Bevollmächtigten des H er ZogS Christian Ludwig V. Mecklenburg-Schwerin,<br />

statt. Man kam überein, Truppen anzuwerben, mit diesen Glüdstadt zu<br />

nehmen, dann Holstein und Jütland unter Kontribution zn setzen und dort<br />

ein beträchtliches Korps zu formtreu. Später än<strong>der</strong>te man ben Plan dahin,<br />

statt auf Glüdstadt auf WiSmar loszugehen, das für Christian Lubwig<br />

bequemer lag. So hofften sie entweber Schonen von einem feinblichen<br />

Angriff zu befreien ober aber eine Belagerung Stettins zu vert)inbern.<br />

Der bekannte Parteigänger MausemärtenS sollte sich nach Pommern begeben<br />

unb bort mit KönigSmarck Verabrebungen treffen. Weiter finb biese Pläne<br />

nicht gebieten; sowoljl Christian wie Friebrich Wilhelm erfuhren von ihnen<br />

unb trafen Anstalten bagegen. Derfflinger erhielt ben Befehl, sich mit ben<br />

bänischen, in Mecklenburg lagernben Truppen in Verbinbung zu setzen, ein<br />

wachsames Auge auf WiSmar zu haben unb jebe Korresponbenz mit betn<br />

Feinbe zu hin<strong>der</strong>n. 1 )<br />

Die einzige Hoffnung KönigSmarcf S beruhte somit auf ber Flotte,<br />

die, ebenso wie im vorigen Jahr, bie bänische vor chrer Vereinigung mit<br />

ber hollänbischen schlagen uub bann Hülfe nach Pommern bringen sollte.<br />

Den Oberbefehl erhielt wie<strong>der</strong>um ein beS Seemannsfaches unkunbiger<br />

Mann, Henrik H°rn. Die Ausrüstung ber Schiffe ging langsam vor sich.<br />

Sowohl bie Hauptflotille wie auch baS kleine Geschwaber von Gotenburg<br />

unter bem Abmiral Siöblab liefen schließlich zu spät aus. Als bieser auf<br />

ber Hoh e von Rostock angekommen war, sah er sich plötzlich von ber weit<br />

überlegenen bänischen Flotte angegriffen. Die schwebischen Schiffe wurbeu<br />

am 11. Juni gänzlich zerstreut. Erst 14 Tage barauf war bie große Flotte<br />

segetfertig, allein von den nach Pommern bestimmten Landungstruppen,<br />

Kriegsvorräthen unb Proviant war nichts zur Stelle. Selbst wenn eS ihr<br />

gelang, baS feinbliche Geschwaber zu schlagen, war sie nicht im Staube,<br />

SuccurS nach Pommern zu bringen. Die für Schweben so unglückliche<br />

Schlacht in ber Kiöger Bucht am 11. Juli besiegelte nur noch baS Unglück,<br />

baS bie Nachlässigkeit ber eigenen Beamten verschuldet hatte. Die Verbünbeten<br />

erlangten auch in biesem Jahre wieber baS Uebergewicht zur See,<br />

KönigSmard bürste auf keine Hilfe aus bem Mutterlanbe trotz aller Gegen-<br />

Versicherungen vorläufig rechnen. Friebrich Wilhelm konnte unbesorgt zur<br />

Belagerung ber Festung Alten-Stettin schreiten. 2 )<br />

Räumlich unb geschichtlich betrachtet, bestaub die alte Festung Stettin<br />

auS 2 Theilen, bie burch bie Ober von einanber getrennt finb. Links<br />

am Abhänge unb auf ber Höhe beS steilen ThalranbeS bie hügelige Altftabt<br />

in dreieckiger Form, rechts bie Laftabie auf einer Jnfel, bie von ber O<strong>der</strong>,<br />

') Rad) bem Aktenstück im G. St.: ,1677. DeS Herzogs Christian Lubroig'S<br />

p SDZecklenburg^Schtoerin .... gefährliche Correspondenz mit bem feinbe ....<br />

unbt Werbung."<br />

2 ) Ueber bie schweb. Zustänbe ÜQI. Carlson a. a. O. IV, pg. 678 ff.


94 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

<strong>der</strong> Parnttz, dem grünen Graben und dem Verbindungsgraben zwischen<br />

O<strong>der</strong> und Parnitz auf <strong>der</strong> Sftorboftfeite gebildet wird. Die stärkste Seite<br />

war offenbar die Lastadie. Dieser Stadttheil konnte nur von Hinterpommern<br />

aus durch einen schmalen Steindamm, <strong>der</strong> über die Parnitzbrücke<br />

nach Altdamm führte, bestritten werden, „und ist also durch tieffe Wiesen,<br />

Moratz und unterschiedene Arme <strong>der</strong> O<strong>der</strong> versichert, daß die Einwohner<br />

bannenhero keinen Feind groß zu fürchten haben, und alle Gegenwehr nach<br />

ber Lanbseite ohne Sorge wenben können". Diese Straße war an ben<br />

Stellen, Wo sie über bie kleine unb große Reglitz führte, burch ein BlocfhauS<br />

unb bie Z°üf^anze gesichert. Der Fürst Von Anhalt hatte sich tiefer<br />

beiben wichtigen Punkte bereits 1675 bemächtigen, baburch bie Straße<br />

sperren unb bie Festung von bieser Seite einschließen sollen, eS jeboch nicht<br />

gewagt, mit seiner geringen Truppenmacht gegen bie schwer zu nehmenbe<br />

Stellung Vorzugehen. Erst 1676 war burch bie Einnahme von Altbamm<br />

ben Stettinern wenigstens baS birekte AuSfatlStf)or nach Hinterpommern<br />

genommen, wenn ihnen auch ber Dammsche See unb bie großen Weibeflächen<br />

um ihn herum offen stauben unb ein Angriff ber Festung von<br />

bieser Seite erst nach ber Vertreibung ber Schweben auS jenen beiben<br />

Punkten unternommen werben konnte. 1 )<br />

Die Altstabt auf beut linken Oberufer hatte Gustav Abolf mit neuen<br />

FeftungSanlagen versehen lassen, neue Wälle waren erbaut unb bie trockenen<br />

Gräben tiefer gelegt. Die halben Bastionen an ber Ober, also bie sübliche<br />

unb nörbliche Ecke, wo ber Erbwall nur von mittelmäßiger H^he ist,<br />

schützten 2 wett vorgeschobene Forts, bie Sternschanze auf bem höchsten Punkte<br />

ber Umgebung, bie zugleich baS ganze Stabtfelb im Süben ber Stabt<br />

beherrschte, unb bie alte Schanze in ber heutigen Unterwiek, bie jeboch augenblicklich<br />

keine Besatzung mehr erhalten hatte unb zum größten Theil Verfallen<br />

war. LanbeinwärtS hatte man ben Wall bermaßen erl)öl)t, „baß er<br />

gleich Bergen anzufefjeu unb wol)l verwahret ist". Die Erhebungen nach<br />

bieser Seite beS FeftungSrayonS sonnten baher nicht bazu verleiten, hier<br />

einen Angriff in'S Werk zu setzen. Vier Thore führten zur Stabt hinaus.<br />

*) Jn folgen<strong>der</strong> Weife geht ber Abfluß ber einzelnen Arme ber Ober Vor sich: Bei<br />

Garz trennt sich rechts von ber Ober bie große Reglitz ab unb fließt in einer wechselnden<br />

Entfernung Von V* bis 3 /4 Meilen neben ber Ober entlang in ben Dammfchen See.<br />

Diesen Raum füllen noch jetzt Wiesen unb Brüche auS, bie von einer Reihe Von<br />

kleineren Getoaffern burchfchnitten werben. Gegenüber Von bem Dorfe Güftoto, dtvaZ<br />

weiter unterhalb, trennt sich von ber Ober bxt kleine Reglitz, bie sich gleichfalls in<br />

ben Dammfchen See ergießt. Kurz Vor unb gleich hinter ber Altstabt entfenbet sie<br />

bie Parnitz unb ben DunztQ ebenbortl)in. Parnitz unb Ober finb noch zweimal mit<br />

einan<strong>der</strong> üerbunben, burch ben grünen Graben unb jenen VerbinbungSgraben an<br />

ber Rorboftfeite ber Laftabie, wo ber Dungig sich Von ber Ober trennt. — Der<br />

Beschreibung ber Stabt liegt eine Karte im K. A. Kartenabtheilung zu Grunbe,<br />

mit ber eine im Verwirrten Europa enthaltene übereinstimmt. Vgl. bazu b. pomm.<br />

Greif, pg. 180 u. b. pomm. KriegSpoftillon, pg. 43.


Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 95<br />

An <strong>der</strong> Südspitze hart an <strong>der</strong> O<strong>der</strong> tag baS £eügetfttl)or und diesem entsprechend<br />

an <strong>der</strong> üftorbfeite daS Frauenthor, zn beiden Seiten <strong>der</strong> landeinwärts<br />

gelegenen Spitze das Mühleuthor nach Nordwesten mit den Wegen<br />

nach Pölitz und den Mühlen z u und daS Paffau'fche o<strong>der</strong> neue Tl)or<br />

nach Südwesten mit den beiden Straßen nach Berlin und Pasewalk. Jene<br />

beiden halben Edbastionen an <strong>der</strong> O<strong>der</strong> waren außerdem durch zahlreiche<br />

Außenwerke zwischen GlaciS und Hauptwatl wohl geschützt, so daß Friedrichs<br />

des Großen Bezeichnung von Stettin als „bicoque", eine leicht zu nehmende<br />

Festung, offenbar unzutreffend ist. 1 ) Auf <strong>der</strong> üftorbecke lag hart an <strong>der</strong><br />

O<strong>der</strong> zwischen <strong>der</strong> GlaciSkrönung und dem Graben die Schanze „baS<br />

Brettspiel", die Lastadie neben jenem halben Bollwerk war auf dem<br />

Rie<strong>der</strong>wall von 2 Schanzen gedeckt. Weit mehr hatte man noch die<br />

©üdfront geschüfet. Vor <strong>der</strong> halben Bastion am Wasser erhob sich eine<br />

Lunette, „die Wassernuß"; mit <strong>der</strong> nächsten Bastion war sie durch eine<br />

unten von <strong>der</strong> O<strong>der</strong> hinauf sich erstreckende lange Kurtine verbunden,<br />

vor <strong>der</strong> sich ein sehr breiter Graben herzog. Jn dem Bereiche dieses<br />

Grabens hatte man ein starkes Raveltn, „die grüne Schanze", erbaut,<br />

und in <strong>der</strong> Kurtine selbst wehrte nach <strong>der</strong> Eroberung dieses AußenwerkeS<br />

eine Schanze, „<strong>der</strong> Knapfäse" genannt, den sofortigen Grabenübergang<br />

zum ^ieberwatl. Jnnerrjatb des gedeckten Weges lag noch eine<br />

kleinere Verschanzuug, „Kikk in die Köcke". Diese starke Sicherung <strong>der</strong><br />

Südseite <strong>der</strong> Festung War ganz natürlich, weil ja je<strong>der</strong> Angriff auf sie<br />

Von hier auS befürchtet werden mußte. Den Verkehr mit <strong>der</strong> Lastadie<br />

vermittelten 2 Brücken, die lange Brücke als <strong>der</strong> H a uptverkel)rSWeg und<br />

nördlich davon nahe am Fraueuthor die Baumbrücfe. 2 )<br />

Die Festung war mit einer Besatzung von nur 2300 Mann versehen,<br />

3 Regimenter inländischer und 2 geworbener Jnfanterie, den<br />

©malän<strong>der</strong>n, Schonen und Jemptelän<strong>der</strong>n nebst den Regimentern beS<br />

Kommandanten unb beS Obersten Krämer. Die schwebischen Truppen<br />

hielten bie Stabt, bie beutschen bie Lastabie befetzt. Z u biefen 5 Jnfanterieregimentern,<br />

bie bei ber letzten Musterung zusammen 1900 Mann betragen<br />

hatten, kamen noch 400 Mann Kavallerie, bie jeboch zum Tljeil unberitten<br />

waren unb bann zum Werfen von Granaten unb Bomben verwanbt<br />

würben. Außer tiefer im Verhältniß zur AuSbehnung ber Festung nur<br />

schwachen Besatzung hatte man noch 11 Kompagnien ber Bürgerschaft<br />

gebilbet, bie bie Stärke Von circa 1800 Mann erreicht haben mögen.<br />

Die Wälle würben bestänbig von 6 Kompagnien befetzt gehalten, benen<br />

*) Ju feinen „Memoires" Oeuvres Tome I, pg. 78; bie Befestigung ber<br />

©tabt nennt er eine schlechte: „les fortificationes de Stettin consistaient dans<br />

les boulevards de terre, entoures d'une fosse et defendus par une mauvaise<br />

contreescarpe; quelques redoutes etaient ses seuls ouvrages exterieurs.<br />

2 ) Die Lage dieser Außenroerfe ist am besten ersichtlich auS den Karten, welche<br />

ber „Kursen doch roarljafften Beschreibung" beigegeben find.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

immer 2 Refervekompagnien z u r Verfügung standen. Die Bürgerfchaft<br />

beteiligte sich aufs eifrigste an <strong>der</strong> Vertheidigung und war einmüthig entschlossen,<br />

in Anbetracht <strong>der</strong> von Schweden erlangten HanbelSvortl)eile und<br />

in <strong>der</strong> Furcht, von dem Kurfürsten in <strong>der</strong> Religion vergewaltigt zu werden,<br />

treu zu Schweden zu halten. Kommandant <strong>der</strong> Festung war <strong>der</strong> tapfere<br />

und energische Generallieutenaut V. Wulffen. 1 )<br />

Schon während deS Winters und Frühjahrs traf man in <strong>der</strong> Stadt<br />

alle Vorkehrungen für eine lange Belagerung. Sftach <strong>der</strong> Blokade von 1676<br />

hatte sich ein bedenklicher Mangel an Proviant eingestellt, und die Besatzung<br />

mußte versuchen, diesem durch Beutezüge abzuhelfen, wenn sie nicht genöthigt<br />

fein wollte, im Sommer in kurzer Zeit zu kapituliren. Die benachbarten<br />

brandenburgischen Garnisonen wurden fortwährend beunruhigt. Bis nach<br />

Garz und Gollnow dehnten die Schweden il)re kühnen Streifzüge aus und<br />

kehrten oft mit reicher Beute heim. Wie hier die Schweden, so waren in<br />

Vorpommern vor Stralsund und Greifswalb die Brandenburger unter dem<br />

tapferen Reiterführer HennigS V. Treffenfetd und dem Kommandanten von<br />

Anklam du Hantel bü biesen Plänkeleien mehr vom Glücke begünstigt.<br />

Ein Anschlag KönigSmarcf S auf Anklam würbe von Haltarb abgewiesen.<br />

Jn gleicher Weife setzte sich ber Kampf auf bem Wasser fort, wo bie Kaper<br />

feinbliche Proviantfchiffe zu nehmen unb bem Gegner baburch empfinblichen<br />

Schaben zuzufügen suchten. Die Dörfer unb Flehen waren im ganzen<br />

Umkreis ber Stadt verwüstet und verbrannt. DaS Stadtfeld hatte man<br />

Zettig genug bestellt, um noch das Getreide vor Beginn <strong>der</strong> Belagerung<br />

einzuernten. Am Einfluß beS Dunzig in ben Dammfchen See ließ Wulffen<br />

ein kleines F°rt erbauen unb hielt sich baburch bie Einfahrt in ben See<br />

unb die Fischerei bafelbst frei. So konnte er wohl, unb mit ihm bie Bevölkerung,<br />

h°ffen, einem Ansturm Wiberstanb zu leisten, bis entweber<br />

KömgSmanf die Stadt entfetzte ober ber sicher erwartete SuccurS aus<br />

Liefland herannahte und den Kurfürsten z^ang, die Belagerung aufzuheben.<br />

Schrieb doch noch jener am 19. März dem Bürgermeister und Rath, er<br />

habe auS Schonen Nachricht, „daß sie durch einen mächtigen SuccurS an<br />

Volck und aller behörigen SWottburft die Stadt itt solchen Stand ju setzen<br />

gedencken, daß sie gegen jeden feindlichen Angriff gesichert und selbst fähig<br />

fei, dem Feinde zu schaden". 2 )<br />

*) Ebendaselbst auch bie ©tärkeangabe ber Besatzung. — Räch Vauban:<br />

Instructions pour la defense war diese eine Viel zu schwache. Die eigentliche Festung<br />

zählte nach ber Karte im K. A. 6 Bastionen, bazu ein betachirteS Ravelin. Für<br />

eine Festung von <strong>der</strong>artigem Umfang Verlangte Vauban 3750 Mann Jnfanterie,<br />

600 Reiter unb 60 Kanonen. Letztere scheinen in Stettin in weit größerer Za^l<br />

Vorlauben gewesen zu fein. Außerbem kommen noch bie Besatzungen ber Laftabie,<br />

ber ©ternfchanze, beS BlotfljaufeS unb ber Zoüfchanze in Abzug. Vgl. M. JähnS,<br />

Geschichte ber KriegSwiffenfchaften II. München unb Leipzig 1890.<br />

2 ) Diese ©tretfzüge am eingehendsten behanbelt int Vertu. Eur. III, pg. 415 ff.,


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—16?7. 9?<br />

Friedrich Wilhelm hatte zu dieser Belagerung, dem wichtigsten und<br />

zugleich schwierigsten Unternehmen deS ganzen Fanges gegen Schweden,<br />

alles auf das sorgfältigste vorbereitet. DaS ganze Land mußte dazu beisteuern.<br />

AuS den westlich gelegenen Festungen, beson<strong>der</strong>s Lippstadt, Minden,<br />

Magdeburg und Spandau schaffte man zunächst die Geschütze, das Pulver<br />

unb die Belagerungswerkzeuge nach Berlin, um sie von hier aus dann auf<br />

dem Wasserwege die Spree hinauf durch den neuen Graben oberabwärtS<br />

nach Küftrin zu tranSportiren, das wie<strong>der</strong>um als Stapelplatz des ganzen<br />

Belagerungsparkes auSerfehen war. 9^ach einer genauen Spezifikation vom<br />

28. Dezember 1676 find im ganzen bis dahin 150 Stücke, 24 Feuermörser,<br />

6 Haubitzen, 150000 Stütfkugefn, 6000 Granaten zu ben Mörsern und<br />

Haubitzen, 3000 zu den Stücfen, 4000 Hanbgranaten, 6000 Brandkugeln,<br />

464 Corpora, 10368 ©entner Pulver, 1000 Eentner Blei und 1500 Eentner<br />

Lunte in jene Festung gebracht worben; unter jenen brei 60-, z^ei 48*,<br />

vier 40- ^unb vierzig 24pfünbige, von tiefen schoß einer 300 unb brei<br />

200 Pfunb. Zur Bebienung bieser für jene Z e it außerordentlich starken<br />

Artillerie gehörten 300 Büchsenmeister, 300 Hanblanger, 24 Minirer<br />

unb 40 Feuerwerker. Die Beschaffung ber Materialien nahm sehr viel<br />

Zeit in Anspruch. DaS Musketenpulver, baS Blei unb bie Lunte mußten<br />

aus ben einzelnen Festungen nach Küftrin gebracht werben, ja von bem<br />

Musketenpulver steuerte H°llanb nach jener Spezifikation über bie Hälfte,<br />

nämlich 6980 Eentner, bei. Den Oberbefehl über bie Artillerie führte ber<br />

Oberstlieutenant Weiler, Ehef beS JngenieurWesenS war ber Generat*<br />

quarttermeisterlieutenant Blesenborf. Jn ber zweiten Woche beS Mai fing<br />

man an, alles in bie Schiffe unb Kähne zu verlaben unb sie nach Schwebt<br />

ZU führen, bamit man es von hier aus jeben Augenblick, sowie bie politischen<br />

Verhältnisse geregelt waren, in kurzer Zeit weiter bie Ober hinab gegen<br />

Stettin tranSportiren könne. 1 )<br />

u. im pomm. Greifen, pg. 172 ff., Vgl. a\xd) V. Kessel: HennigeS von Treffenfetb<br />

unb feine Zeit, pg. 83 f. — Der Brief in Abschrift in Mns. bor. fol. 181 d. d.<br />

©tratfunb.<br />

*) Diese „Specification aller ©tücke, Feuer^MörfelS u. f. w., ©o aufs<br />

©. Shurf. Durchl. önäbtgften Befehl mit zu selbe unb Belagerung genommen<br />

Werben sollen", d. d. Berlin 18./28. Dezember 76, beftnbet sich im Z. A., Vgl. bazu<br />

V. Kessel a. a. O., pg. 94, V. Ortich a. a. D. II, pg. 255, K. W. V. ©chöning:<br />

DeS GeneralfelbzeugmeisterS HanS Abam V. ©chöning Leben unb Kriegslisten,<br />

Bertin 1837, pg. 28 unb berf.: Hiftorifch=bioörapln'fche Rachrtchten zur Geschichte<br />

ber brb.=preuß. Artillerie, Bertin 1844, pg. 37. ©chöning meint, baß mit ben Vor=<br />

bereitungen zu Viel Zeit Verstrichen fei, allein Vergessen wir nicht bei einem solchen<br />

Urtheil bie Anstrengungen, welchen bie branbenburg. Armee feit 1672 mit kurzen<br />

Unterbrechungen ausgesetzt gewesen war, bie fortbauernbe Getbnoth beS Kurfürsten<br />

unb bie Unzulänglichkeit beS eigenen VorratheS in Betracht zu stehen. Gefetzt auch<br />

schließlich, bie Vorbereitungen waren eher Vollenbet ßewefen, so würbe ber Kurfürst<br />

boch nicht früher (Stettin angegriffen haben. Richt Von ben militärischen Ereignissen,<br />

als vielmehr von ber allgemeinen politischen Lage war bieS Unternehmen abhängig.<br />

©tubien Stf. fr I- ?


98 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Schon während des ganzen Winters war die Festung im weiten<br />

Umkreis von den brandenburgischen Regimentern blokirt worden. Trotzdem<br />

gelang eS vielen Bewohnern von Stettin, über die Randow nach Vorpommern<br />

sich zu retiriren und ihr H a & und Gut in Sicherheit zu bringen. Auch<br />

versuchte Wulffen, so gut eS anging, sich <strong>der</strong> armen Bevölkerung zn ent*<br />

ledigen. Der Kurfürst sah sich deshalb genöthigt, durch ein Edikt den<br />

Kommandanten <strong>der</strong> pommerfchen Städte und Festungen anzubefehlen, sie<br />

nicht durchzulassen, son<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong> zurückzuschicken. Jene weiten Streifzüge<br />

<strong>der</strong> Schweden, beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> nach Gollnow, wo sie den größten Theil <strong>der</strong><br />

Besatzung nie<strong>der</strong>machten und die ganze Stadt ausplün<strong>der</strong>ten, veranlaßte<br />

ihn jedoch schon im April, Derfflinger in befehlen, die Truppen, die in<br />

den Marken und in Pommern in Quartier lagen, in einem engeren Gürtel<br />

um Stettin zusammenzuziehen. Jm Mai erhielten auch die unter dem<br />

Prinzen von H om ^ ur 9 in den fränkischen und thüringischen Gebieten<br />

stehenden Truppen die Ordre, sich zum Marsche bereit zu halten, die Zeit<br />

nahe heran, wo die Armee z u Felde gießen müsse. Am 23. Mai,<br />

also bevor die polnischen Verhältnisse geregelt waren, ging <strong>der</strong> Befehl an<br />

den Prinzen, baß er am 20. Juni mit seinen Truppen bet Magdeburg<br />

über die Elbe gehen, von hier sich nach Mecklenburg unb bie Uckermark<br />

wenden und in Malchin baS Hauptqartier beziehen solle. Der Kurfürst<br />

mußte biese Stellung mit Rüdsicht barauf wählen, baß ein SuccurS aus<br />

Schweben nach Pommern käme unb KönigSmanf baburch so verstärkt werbe,<br />

baß er auf bie von ben Branbenburgern befetzten vorpommerschen Plätze<br />

einen Angriff wagen konnte. Durch jene Linie von Mecklenburg burch<br />

bie Uckermark nach Stettin stellte er eine Verbinbung zwischen ben pommerfchen<br />

Festungen unb ben Marken her unb war im Staube, einem broljenben<br />

schwebifchen Vormärsche an jebem Punkte entgegenzutreten. S^och war nicht<br />

einmal hxt Nachricht von ber Schlacht in ber Kiöger Bucht in Berlin<br />

angelangt, so räumten schon bie branbenburgischen Regimenter, bie im<br />

Mecklenburgischen stauben, ben nachrüdenben Lüneburgern ihre Quartiere,<br />

unb Homburg bekam Orbre, sich nach Vorpommern zu wenben, bei TribfeeS<br />

überzugehen, an Stralfunb unb Rügen vorbei feinen Marsch zn nehmen<br />

unb alle Früchte, bie jene Besatzungen abernten möchten, z u vernichten.<br />

Von ba aus sollte er seinen Marsch über Anklam unb üfteuwarp nach<br />

Stettin zu nehmen. 1 )<br />

— Ueber ben Ankauf von Pulver in Holland Vgl. noch einen Brief b. Kurs, an<br />

Fargel in Eonc. im G. St., d. d. @Mn 30. Mai/9. Juni 77. Ueber bie geringe<br />

Zahl ber Artilleristen V. ©chroetter: Die brb.^preuß. HeereSverfaffuna, pg. 151 f.,<br />

über bie Kosten HMch a. a. O., pg. 26.<br />

l ) Jenes Ebikt im G. St., d. d. 27. Februar st. v. — Ueber ben Anmarsch<br />

Homburg'S Vßl. bie Jnftruktionen an ihn, d. d. &Un a. b. Spree 2./12. Ttai,<br />

13. Mai, 14. Mai: Specification ber route, so bie Regimenter, welche über bie<br />

Elbe stehen, halten sollen, 19. Juni, ©chtuebt 24. Juni, Lager vor Stettin l./ll. Juli,


Die Fetbzüge be§ großen Kurfürsten in potnmern 1675-1677. 99<br />

Auch bie Flotte hatte ihre Operationen wie<strong>der</strong> aufgenommen, bereits<br />

am 13. Januar hatte <strong>der</strong> Kurfürst seinen Vertrag mit Raule erneuert, ber<br />

diesen verpflichtete, 6 Kriegsschiffe mit „Mannschaft, vivres, Ammunition,<br />

Monatsgel<strong>der</strong>n und was sonst dazu gehöret" auf 4 nach einan<strong>der</strong> folgende<br />

Monate zn versehen. Sowie daS Waffer offen ist, mußte er sich segelfertig<br />

halten und so lange in <strong>der</strong> Ostfee kreuzen, bis er selbst vor Stettin<br />

erschien, damit nichts von Stralfund, <strong>Greifswald</strong> ober Rügen dorthin<br />

gebracht werde. Später sollten 4 von jenen Schiffen auf den Dammfchen<br />

See und von dort sich gleichfalls vor Stettin begeben; 2 Fregatten dagegen<br />

segelten nach piliau, um hier die ostpreußischen Rekruten und Proviant<br />

an Bord zu nehmen unb zum Heere zu führen. 1 )<br />

Damit waren alle Vorkehrungen getroffen. Polen blieb vorläufig<br />

ruhig, ein SuccurS aus Schweben erwies sich als unmöglich, bie Regimenter<br />

lagerten alle in ben nächstliegenben Lanbfchaften unb Aemtern nahe zu*<br />

sammen unb setzten KönigSmard außer Staube, Hülfe nach Stettin hineinzubringen,<br />

unb bie Fahrzeuge verschlossen ben schwebischen Schiffen ben<br />

Weg burch bie Münbungen ber Ober nach Stettin.<br />

Voller Zuversicht konnte ber Kurfürst am 30. Juni, nachbetn am<br />

Mittwoch vor Pfingsten in allen seinen Lanben ein Büß- unb Bettag<br />

abgehalten war, mit seiner Gemahlin, bem ganzen Hofstaate unb ben<br />

beiben Jnfanterieregimentern Kurfürst unb Kurfürstin von Bertin aufbrechen<br />

unb sich in bie Mitte seines tapferen H eer eS begeben. Ueber Biesenthat,<br />

Shorin unb Schwebt gelangte er am 4. Juli nach Garz, wo baS Dragonerregiment<br />

Derfflinger unb baS Regiment zu Fnß Derfflinger zu ihm stieß, unb<br />

Wo auch zu gleicher Zeit bie Schiffe mit ber Artillerie ankamen. Sftachbem hier<br />

eine Revue über bie versammelten Truppen abgehalten war, rückte baS Heer<br />

bis nach bem von ben Schweben gänzlich eingeäscherten Dorfe Kotbitzow,<br />

l s /4 Meilen fübwestlich von Stettin an ber Heerstraße nach Berlin gelegen,<br />

vor, hielt bort einen Ruhetag unb erwartete ben Generalmajor v. Giese mit<br />

seinen Regimentern. Eine kühne Partei unter bem Oberstwachtmeister<br />

V. b. Recke streifte schon bis unter bie Wälle ber Festung unb nahm baS<br />

vor ben Thoren weibenbe Vieh hinweg. Auch erfuhr man, baß ber Feinb<br />

jene Schanze, bie er am Dammfchen See aufgeworfen hatte, bereits aufgegeben<br />

unb unter steter Verfolgung ber branbenburgischen Schiffe sich bis<br />

Zur Stabt zurückgezogen habe. Früh Morgens am 7. Juli erfolgte ber<br />

Aufbruch, voran ber Kurfürst mit ber Avantgarbe, bie aus 1000 Reitern<br />

unb 6 Geschützen bestanb. Sftach ber Vereinigung mit Giefe taugte er<br />

2./12. Juti, 8./18. Juli. Räch jener Specifikation sinb eS folgende Regimenter:<br />

Kavallerie: Leibreg., Derfflinger, Heffen-HomburQ; Jnfanterte: Götze, Fargel, ©chöning;<br />

Dragoner: Derfflinger.<br />

*) Kontrakt mit Raule, d. d. @Mn 3./13. Januar 77 in ©onc. im G. St.<br />

unb bie Orbre vom 8./18. Juli.<br />

7*


100 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Mittags bei Güstow an, wo vorläufig ein Lager bezogen und in <strong>der</strong><br />

des Dorfes zur größeren Sicherheit eine Felbfchanze aufgeworfen wurde/<br />

Bevor man die Feindseligkeiten gegen die Stadt eröffnete, wandte sich ber<br />

Kurfürst in einem Briefe an die Bürger und versuchte auf friedlichem<br />

Wege durch Versprechungen und Zusicherung seiner Gnade sie zu bewegen,<br />

ihm die Festung z u überliefern. Er zeigte ihnen, wie Schweben durch ben<br />

Einfall in baS Gebiet eines ReichSgenoffen feines Rechtes auf Pommern,<br />

baS es nur fiduciario iure vom Reiche besitze, verlustig gegangen unb zum<br />

RetchSfeinb erklärt fei. Würben sie für Schweben fechten, so sei baS kein<br />

Zeichen ber Treue, fonbern ber Verachtung beS Kaisers unb beS Reiches.<br />

„Sie sotten bey allem recht, gerechtigkeit, Privilegien, immunitäten, religion,<br />

commercien unb güthern nicht allein geschützet, fonbern auch mehr unbt<br />

Vortheilhafter privilegia unb advantagen Jhnen verliehen, auch ber garnison<br />

ein gar honorabler accord zugeftanben werben." Der Brief erhielt von<br />

ben Stettinern eine gar klare unb beutliche Antwort, inbem bie zunächst<br />

stehenben Regimenter mit Kanonenschüssen begrüßt würben. Die Bürger<br />

waren entschlossen, alle Unbill einer harten Belagerung auf sich zu nehmen.?)<br />

RekognoScirungen Von hüben unb brüben führten bereits zu kleinen Schar*<br />

mützeln zwischen ber Avantgarbe unb ber Vorwacht auf ber Sternfchanze,<br />

ohne baß beiberfeits ein ernstlicher Angriff gewagt würbe. Der Kurfürst<br />

erwartete erst ben Anmarsch ber übrigen Regimenter, ehe er zur eigentlichen<br />

Belagerung schritt.<br />

Um ben Lauf ber Ober zu beherrschen unb bie Ankunft ber branbenburgischen<br />

Schiffe mit ber Artillerie zu sichern, würbe etwas unterhalb von<br />

Güstow gleich hinter beut Ausfluß ber kleinen Reglife hart am Ufer eine<br />

Reboute angelegt unb über ben Strom von ben bazu kommanbirten Jnfanterieregimentern<br />

BomSborf, Dönhoff unb Schöning eine Brücke gebaut. Die<br />

Stelle war befonberS günstig zu bem Unternehmen, weil hier in ber Mitte<br />

beS Stromes eine kleine Jnsel liegt, bie burch ein Blockhaus gesichert würbe.<br />

Gleich barauf begannen sich bie Regimenter ber Festung zu nähern. DaS<br />

Hauptquartier würbe am 14. auf bie Höhen von PommerenSborf verlegt,<br />

bie über bie Stabt unb ben Fluß eine gute Ueberficht gewährten. Damit<br />

war ber ^mxtt erreicht, von bem aus ber Kurfürst bie ganze Belagerung<br />

auf bieser Seite geleitet hat. 2 )<br />

Schon in Güstow war ber Beschluß in ihm gereift, Stettin gleich-<br />

Zeitig auch vom rechten Oberufer her anzugreifen. Er sah ein, baß eine<br />

*) Seinem Jnljalt nach wie<strong>der</strong>gegeben im potnm. Greifen, pg. 182 f.<br />

MagiruS, pg. 274 f., Puf. XV, § 18. — Merkwürdigerweise in <strong>der</strong> Spezialliteratur<br />

(VQI. Beilage Rr. III) nicht erwähnt.<br />

2 ) Auen Berichten über den Anmarsch deS Kurfürsten liegt offenbar die<br />

gedruckte Relation aus dem kurbrand. Hauptquartier Vor Stettin Vom 29. Juni/9. Juli<br />

SU Grunde; dazu Buch bei den betreffenden Tagen. — Vgl. über die © i l<br />

Uteratur pr Belagerung Von Stettin Beilage Rr. III.


Die Felbzüge des großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 101<br />

Belagerung vergeblich sein würde, so lange <strong>der</strong> Feind diese wichtige Straße,<br />

durch die er immer den Verkehr mit dem Dammschen See aufrecht erhielt,<br />

beherrschte. Weber 1659 bei <strong>der</strong> vergeblichen Belagerung unter dem<br />

kaiserlichen General de SoucheS, noch im vergangenen Feldzuge hatte man<br />

hier einen Angriff ins Werk gefetzt. Der Generalmajor V. Schwerin erhielt<br />

deshalb den Auftrag, sich einen Weg durch die Brüche zu bahnen und jene<br />

beiden Schanzen auf <strong>der</strong> Straße nach Damm, das BtodfljauS und die Zoll*<br />

schanze, in feine Gewalt zu bringen. Es war ein schwieriges Unternehmen.<br />

Mit 3000 Mannschaften aus jenen Regimentern, die den Brüdenbau<br />

vollendet hatten, und dem Regiment Fargel, suchte er durch den Morast<br />

und das Gestrüpp hindurchzubrechen. Erst nachdem fast 5000 Baumstämme,<br />

Stangen und Bretter und etliche 1000 Faschinen hineingebracht waren,<br />

gewann er einen festen Untergrund, auf dem die Truppen sich langsam<br />

vorwärts bewegen konnten. Stundenlang mußten bie Arbeiten oft im<br />

Wasser vorgenommen werden, ehe man einen Schritt weiter kam. Schützen<br />

und Jäger, die mit den Oertlichkeiten genau vertraut waren, zeigten ihm<br />

eine Stelle in ber kleinen Reglitz, wo früher eine Brücke hinübergeführt<br />

hatte. Die noch im Wasser stehenben Pfähle würben benutzt und auf ihnen<br />

aus Faschinen und Bäumen ein neuer Uebergang hergestellt. Am 15.<br />

konnte er den Flnß überschreiten und in ber folgenben Stacht auf betn<br />

Damm zwischen dem Blockhaus und ber Zotlfchanze F u ß fassen, nachbetn<br />

er einen fast eine Meile langen Weg unter solchen Mühen hatte zurück*<br />

legen müssen. Merkwürbigerweise war ber Wasserweg, bie kleine Reglitz<br />

entlang bis in die Sftähe des Dammes, auf dem die Geschütze nachher in<br />

<strong>der</strong> That herangeschafft find, dies Mal von dem Kurfürsten vermieden<br />

worden. Die Straße zwischen jenen beiden FeftungSanlagen ist ungefähr<br />

l U Meile lang, jedoch so schmal, daß ihn nur so viel Mannschaften zur<br />

Zeit betreten konnten, als zur Anlage einer Feldfchanze und zu <strong>der</strong>en Deckung<br />

unbedingt nöthig waren, während die übrigen Truppen alle zu beiden Seiten<br />

des Dammes in dem Gebüsch auf den Fasdjinen stehen bleiben mußten.<br />

Schwerin hatte vollkommen freie Hand vom Kurfürsten darin bekommen,<br />

auf welche Weife er <strong>der</strong> feindlichen Position sich bemächtigen woüe, ob durch<br />

einen förmlichen Angriff o<strong>der</strong> durch eine Ueberrumpelung. Er wählte das<br />

Erstere, weil die Besatzung <strong>der</strong> Zollschanze zum Theil durch die Altdammer<br />

Besatzung verhin<strong>der</strong>t wurde, thätig in den Kampf einzugreifen, und weil<br />

er selbst über eine hinreichende Truppenmacht verfügte.<br />

Jn <strong>der</strong> F e stnng herrschte große Verwirrung über diesen ganz un *<br />

erwarteten Angriff, v. d. üftotl), <strong>der</strong> frühere Kommandant von Demmin,<br />

wurde deshalb mit 400 Mann nach <strong>der</strong> Z°ttfä)anze kommandirt, damit<br />

<strong>der</strong> Feind sich nicht an diesem wichtigen Punkte festfetze. Auf einem wetten<br />

Umwege über den Dammschen See und durch die große Reglitz gelangte<br />

er dorthin, überfiel in <strong>der</strong> Frühe des 17. Juli plötzlich die Vorwache,


102 Die Felbjüße beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

machte sie nie<strong>der</strong> und drang bis auf den Damm vor, wo er die Brandenburger<br />

bet <strong>der</strong> Arbeit an <strong>der</strong> Verschalung überraschte. Oberstlieutenant<br />

Kotwig, <strong>der</strong> baS Kommando daselbst führte, sammelte seine Leute, warf<br />

den andringenden Feind, Von bem schon 5 Mann ben Wall erstiegen<br />

hatten, wieber zurück unb hielt ihn so lange auf, bis Schwerin mit ber<br />

Hauptmacht aus bem Bruche hervorbrach unb ben Feinb in ber Flanke<br />

faßte. Sftott) mußte ben Rückmarsch antreten, es gelang ihm nur, eine<br />

Kanone zu erbeuten. Sein Z^ed, bie Arbeiten zu vernichten unb Schwerin<br />

Zum Aufgeben bieser Stellung zu bewegen, war nicht erreicht.<br />

Sobalb bieser bie Schanze fertiggestellt hatte, ließ er 8 Stücke, z^ei<br />

8-, z^ei 6-, gtüet 4-pfünbige Kanonen unb 2 Haubitzen, hineinbringen unb<br />

baS Blockhaus beschießen. Um 3 Uhr Nachmittags faßte eS F eu er, bie<br />

Branbenburger setzten sogleich zum Sturm an unb eS gelang, baS H a uS<br />

ju nehmen unb bamtt bem Feinde ben Uebercjang über bie kleine Reftli^<br />

ZU sperren. Außer einer Reihe von Gefangenen fiel ihnen auch ber Vorrath<br />

an Munition in bie Hänbe. Ein Theil ber Besatzung zog sich nach ber<br />

(Btabt jitvixd. Wolf) mußte befürd)ten, baß (Bd)Wetin fiä) \e%t anäj gegen<br />

bie Zollschanze wenben unb ihm womöglich ben Weg burch bie große Reglitz<br />

nach Stettin abfchneiben würbe. Deshalb setzte er am 18. baS Zollhaus,<br />

bie Schanze unb bie lange Brücke, bie über ben Fluß führte, in Branb<br />

unb zog sich nach ber Stabt zurück, nachbem auch eine kleine Schanze<br />

am Ausfluß ber großen Reglitz in ben Dammfchen See vernichtet war. Ein<br />

Ausfall, ben bie Besatzung noch einmal zu Schiffe machte, würbe zurückgewiesen.<br />

Damit hatte ber Kurfürst einen sicheren Zugang aus Hinterpommern<br />

bis bicht vor Stettin gewonnen. Auch bie Lastabie sah jetzt einem ernstlichen<br />

Angriff entgegen; zur rechten Qtit hatte 9?oth ihre verfallenen Festungswerke<br />

wieberhergestettt. Schwerin rückte längs beS Dammes vor, schützte<br />

sich durch Einschnitte und kleine Verschanzungen Vor den feindlichen<br />

Geschützen unb erreichte in wenigen Tagen baS Ravelin vor ber Parnitzbrücke,<br />

als er am 3. August ben Befehl erhielt, „mit einigen Trouppen<br />

hinüberzukommen unb benn alle Werde bisseitS zur Perfection bringen<br />

Zu helffen". Mit bem Kommanbo würbe anstatt bessert ber Oberst<br />

v. Schönüuj betraut. Au^er seinem Regiment blieb itoä) baS<br />

bort. Die Beschießung ber Lastabie konnte ihren Anfang nehmen. 1 )<br />

*) Ueber baS (Schwerin's dje Unternehmen berichten unS: Schreiben aus betn<br />

Felblager von Stettin 6./16. Juli, Relation über die Eroberung ber ZoHfchanze<br />

8./18. Juli unb E^tract ©chreibenS auS bem kurbranbenb. Feldlager Vor Stettin<br />

8./18. Juli im G. St. Diese liegen allen übrigen Berichten zu Grunbe, Vgl. bazu<br />

Buch'S Tagebuch. V. Kefsel'S Behauptung baSelbft pg. 3, ba^ Buch an bem Unter*<br />

nehmen Beseitigt qetoefen fei, entspricht nidjt bet $BkUid)fcit. Bötjmet, pg. 37<br />

(t>gl Beifaae 9?r. III) irrt mit feiner SSeftauptung, ba$ (£d>toevin bie Säjanse<br />

„gegen ben Damm" fyabe aufwerfen lassen, ba^ 9?otlj ihn vertrieben unb bxt Geschütze<br />

Vernagelt hätte. Jene 3 Berichte, sowie auch Buch, 2 von einanber unabhängige


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 103<br />

Der Angriff auf fate Altstadt hatte sich noch verzögert, offenbar<br />

wollte <strong>der</strong> Kurfürst erst bie Ankunft ber Lüneburger unb baS Gelingen<br />

beS Schwermachen Unternehmens abwarten. Sein Hauptquartier befanb<br />

sich, wie bemerkt, in PommerenSborf. Auf 2 Punkten sollte ber Vorstoß<br />

gegen bie Festungswerke erfolgen, eben vom Kurfürstlichen Lager aus gegen<br />

bie Sübede, baS ^>cilgeifttf)orr unb von betn späteren tüneburgischen Lager<br />

auS gegen bie Sftorbede, baS Frauenthor, wohin vorläufig 4000 Mann<br />

unter betn Oberbefehl beS H er Z 0 9^ *>°n Holstein kommanbirt waren. Beibe<br />

Lager Verbanb eine SircumvallationSlinie mit einanber, an bereu wichtigsten<br />

Punkten gegenüber betn Paffau'schen unb zu beiben Seiten beS MüfjtentrjoreS<br />

man zur größeren Sicherheit ber Verbinbung Rebouten errichtet<br />

hatte. Eine KontravatlationSlime gegen Ausfälle ber Besatzung ist nicht<br />

gezogen worben. Am 4. August enblich würben im Süben bie Trancheen<br />

eröffnet, woran täglich 3 Regimenter Jnfanterie arbeiteten, bie Sternschanze<br />

nach leichtem Kampfe besetzt, an bereu Flanken man noch 2 Feld*<br />

schanzen auf warf. 1 ) Gleichzeitig begann Raule auch auf bem Wasser ben<br />

Angriff. Die branbenburgischen Fregatten wanbten sich gegen bie Stettiner<br />

Schiffe, bie ben Strom mit 2 Reihen Pallisaben verpfählt hatten, schlugen<br />

sie nach einem z^eistünbigen Gefechte zurück unb verfolgten sie bis an ben<br />

Baum ber Stabt. Die Pfähle würben wieber ausgerissen unb bamit bie<br />

Passage frei gemacht. Freilich gelang eS bem Feinde hier balb, feine<br />

Verlorene Stellung wieberzugewinnen. Am 6. August machte er bei<br />

anbrechenbem Tage mit 8 Schuten unb einigen großen Kähnen, bie mit<br />

viertel unb halben Karthaunen armirt waren, einen Ausfall auf bie Vorwacht<br />

Raule'S im Dunzig. Sie betäub nur aus 3 von ben kleinsten unb<br />

teichtesten Schiffen, ba bie größeren wegen ber auch bort eingetriebenen<br />

Pfähle nicht weiter vorbringen konnten. Trotzbetn wehrten sie sich 4<br />

Stunben hindurch, bis baS kleinste Schiff in Branb geschossen würbe.<br />

Diesen Verlust machte Holstein gleich barauf wett, inbetn er über bie Ober<br />

fetzen unb am Ausfluß beS Dunzig eine Reboute aufwerfen ließ, von ber<br />

er sowohl bie Festungswerke als auch ben Strom bestreichen konnte.<br />

Schon über eine Woche vorher waren bie Lüneburger unb bie<br />

Münsteraner in ber Stärke von 6 Regimentern, zusammen 4000 Mann,<br />

Duellen, stehen bem entgegen. Der Damm war erst burchschnitten worben unb<br />

bann hatte man offenbar nach beiben Seiten hin einen WaE als Deckung auf=<br />

geworfen. Woher Böhmer bie pg. 37 f. angeführten Verse hat, ist mir nicht<br />

bekannt; in ben Vortiegenben Erzählungen ftnben sie sich nicht. Dieser Angriff<br />

©chWertn'S ist in ber „Beschreibung" merkwürdigerweise nicht erwähnt.<br />

*) Räch ber „Beschreibung", pg. 44 waren bie branbenb. Jnfanterieregtmenter<br />

folgen<strong>der</strong>maßen vertheilt: An ber ©übecke Kurfürst, Kurfürstin, Kurprinz, DerffÜnger,<br />

Doljna, Dönhoff, BotnSborf, Gottz; an ber Rorbecke Holstein unb an ber Laftabie<br />

6chb'nhtQ unb Farget. — Auch hier fütb Dieselben Regimenter genannt wie in ber<br />

Beilage Rr. III.


104 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

vor Stettin unter dem Befehl beS Generalmajors v. Ende angekommen.<br />

Sie wanbten sich gegen baS Sftorbenbe ber Festung, schlugen von bem<br />

Frauenthor bis zum Mühlenthor hin ihre Quartiere auf unb fetzten' bie<br />

alte Schanze wieber in VertheibigungSzustanb. Den Oberbefehl über biefeS<br />

nörbliche Lager führte ber H er Z°9 öon Holstein. Die Stärke aller vor<br />

ben Thoren Von Stettin Versammelten Streitkräfte wirb sich auf circa<br />

22000 Mann belaufen haben. Die Umschließung war beenbet. An biesen<br />

3 Punkten, ber Lastabie, bem Zeitgeist- unb bem Frauenthor konnte nunmehr<br />

ber förmliche Angriff beginnen. 1 )<br />

Die ersten Arbeiten znr Annäherung an bie Festungswerke würben<br />

in weiter Entfernung von ihnen angefangen. Sehr behutsam unb vorsichtig,<br />

aber boch verhältnißmäßig schnell gingen sie Vor sich. Jm ßtcfjad<br />

näherten sich bie Laufgräben ben Angriffspunkten unb würben bis unten<br />

an bie Ober heruntergeführt. Balb war man nur noch in Musketenschußweite<br />

von einanber entfernt, unb bereits am 10. August hatte man<br />

bie erste Batterie Von 3 Kanonen an ber Sübetfe beenbet, wäljrenb noch<br />

2 anbere von 4 unb 6 Geschützen ber Vollenbung harrten. Am Graben<br />

ber alten Befestigungswerke würbe nahe am Ranbe ber Ober zur besseren<br />

Deckung ber Arbeiten eine Schanze aufgeworfen unb biefe mit ben Laufgräbeu<br />

auf ber H^e burch eine Approche verbunben, bamit jene nicht<br />

einem feinblichen Ausfall preisgegeben fei. Von hier aus rückten bie<br />

Branbenburger gegen jene Lunette am Wasser, „bie Wassernuß", vor, bie<br />

baS Heifgeiftthor becfte. Auch bie Lüneburger auf ber üftorbede begannen<br />

ben Angriff gegen bie ganze Front von IVa Bastionen unten vom Waffer<br />

an unb waren Anfangs sogar weiter mit ihren Trancheen vorgerückt als<br />

bie Branbenburger. Geschossen würbe wärjrenb biefer Annäherungsarbeiten<br />

gar nicht. Auch ber Kurfürst befolgte basselbe Princip wie Vauban, baß<br />

er bie gegen bie Festung aufgestellten Geschütze nicht früher ins Feuer<br />

brachte, als bis alle Batterien in Bereitschaft waren uub so alle Werke<br />

auf einmal Von ben Geschossen überschüttet würben. Jn einem Zeitraum<br />

von 10 Tagen hatte man bie erste Angriffsfront an allen 3 Punkten<br />

fertig gestellt, unb am 14. August konnte baS Feuer aus 5 Batterien,<br />

2 im Süben, 2 im korben unb 1 im Osten eröffnet unb bie Granaten<br />

unb Bomben hineingefchleubert werben, „unb zwar in solcher Menge und<br />

so häuffig, daß öfters in einer Stund über achtzeljen mal mit Stücken<br />

*) Ertract Schreibens auS bem kurf. Lager 27. Juli/6. August. D. pomm.<br />

Greif geht in ber Benutzung beS Datums irre, indem er statt beS st. n. ben st. v.<br />

fetzt. — Die Lüneburger kamen bereits am 23. Juli an; eS waren bk Regimenter<br />

Enbe, Mellin, Jäger, Mallort, Wrebe unb ©chack. — Ueber bie (Stärke ber Truppen<br />

vgl. Beilage -Kr. I. Kaiserliche Truppen haben an ber Belagerung nicht tfyiU<br />

genommen, ba Sob sich mit feinem KorpS nach Ungarn wenben mußte. — Die<br />

branb. ©chiffe, bie in biefer Qdt auf bem Datnmfchen


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 105<br />

hinein geschossen worben, barburch so ein grausames Donnern unb Krachen<br />

entstauben, als ob Himmel unb Erbe in einanber fallen wolten". Selbst<br />

vom Feinbe würbe bie Tüchtigkeit unb Stärke ber branbenburgischen<br />

Artillerie gerühmt, „ba bau schwerlich eine Belagerung wirb seyn erhöret<br />

worben, bey welcher sich eine solch schöne Artollerie befunben". 1 ) Unter<br />

betn Schutze bieseS BombarbementS, baS auf bie Festungswerke wegen ber<br />

Entfernung noch ohne größere Wirkung blieb, rückten bie Branbenburger<br />

im Süben näher an bie Stabt, besetzten ben Mühlenberg, ber baS Gelänbe<br />

vor ber grünen Schanze beherrschte, Vergruben sich unb legten noch 3 kleine<br />

Batterien an. Trotz eines Ausfalls aus jenem Ravelin gelang es ben<br />

Schweben nicht, sie aus biefer günstigen Position z u verjagen. Jhre<br />

Wichtigkeit würbe vom Kurfürsten sofort erkannt, unb eS würbe ber<br />

Befehl gegeben, hier die Hauptbatterie mit 30 Geschützen zu errichten unb<br />

eine starke Reboute anzulegen.<br />

Der Feinb bewahrte eine vorsichtige Haltung. Das Feuer würbe<br />

wenig erwibert, ben Mannschaften bie Weisung gegeben, nicht aus ber<br />

EontreeScarpe vorzugehen. Jebe Gelegenheit, bem Feinbe einen Vortheil<br />

ZU gewähren, vermieb ber vorsichtige Wulffen auf baS Sorgfältigste. Ein<br />

schwerer Verlust war eS für bie Besatzung, baß gleich am Anfang ber<br />

Belagerung ber Oberst V. b. üftotrj töbtlich Verwunbet würbe. Von vorn*<br />

herein hatte bie hauptsächlich gegen bie Stabt gerichtete Kanonabe auS<br />

150 Geschützen hier großen Schaben angerichtet, ber in ben folgenben<br />

Tagen immer mehr an AuSbehnung gewann unb viele Bewohner töbtete.<br />

Am 16. August traf eine glüljenbe Kugel von ber Sternschanze aus bie<br />

Marienkirche oben im Thurm unb entfachte baS Hgoltfoitt. Der Winb<br />

trieb bie Flammen weit hinaus, ber brennenbe Thurm fiel unglücklicherweise<br />

auf baS Dach unb fegte bie ganze Kirche in Branb, bem auch bie<br />

umstehenben Hänser zum Opfer fielen. Voll BebauernS hierüber schickte<br />

ber Kurfürst einen Offizier mit einem Trompeter in bie Stabt, um zu<br />

verkünben, baß eS wiber seinen Willen geschehen sei, unb zugleich, baß er<br />

ihr einen guten Accorb bewilligen werbe, wenn sie sich ergäbe. Seine<br />

Truppen seien noch aüe frisch, bie Hälfte ber Artillerie befinbe sich noch<br />

auf ben Schiffen. Allein bie Abgesanbten würben gar nicht in bie Stabt<br />

hineingelassen, Die Wache am Thor gab ihnen bie mannhafte Antwort,<br />

von ihnen sei nur eine tapfere Gegenwehr zu erhoffen. Jn ber fotgenben<br />

Sftacht würbe auch bie außerhalb ber Hauptwerke tiegenbe St. Peterskirche<br />

zum großen Theil ein Raub ber Flammen. Den Branb, ber zu gleicher<br />

Zeit in ber Jakobikirche ausbrach, löschte bie Besatzung gleichzeitig. Am<br />

Tage barauf würbe sie wieber getroffen unb nun zum Theil in Asche<br />

gelegt. Drei Kirchen mit Vielen herumsterjenben Gebäuben waren vernichtet,<br />

über 150 Bürger hatten bereits ben Tob gefunben. Der Kurfürst<br />

*) Kurtze doch toaljrfjaffte Beschreibung zum 4./14. August,


106 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

hoffte, baß sie an<strong>der</strong>en Sinnes geworden feien und in eine Uebergabe<br />

willigen würben. Jedoch alle Bedingungen wiesen sie zurück, „könnten<br />

sie ihrem Könige nicht die Häuser unb Kirchen überliefern, so wollten sie<br />

ihm doch die WäUe unb Mauern befenbiren". Ein trotziger Muth beseelte<br />

sie. Lilliehöd fanb mit feinen Aufreizungen einen guten Boden. „Viel<br />

schlimmer, ja baS aüerfchlimmste," so schrieb er ihnen, „ist baS, WaS bebten<br />

bezwungenen unb wo sie sich ergeben folten, bevorstehet, nehmlich eine<br />

gewaltige Beherrschung ber Gewissen, bann auch baS unversöhnliche Wütten<br />

wiber bie Stettiner." Alle Verheißungen unb Versprechungen waren bem<br />

gegenüber unfruchtbar unb vergeblich. Ade Verluste in ber Stabt hatten<br />

ben Wiberstanb ber Belagerten nur noch verzweifelter gemacht, an freiwillige<br />

Uebergabe war nicht zu benken. 1 )<br />

So sah sich ber Kurfürst genöthigt, auch ben Rest beS BelagerungSparkeS<br />

aus ben Schiffen bringen zu lassen. Die großen Mörser, Karthaunen<br />

unb Haubitzen waren bisher noch nicht auSgelaben, weil ber Kurfürst ber<br />

Hoffnung gelebt hatte, baß eS ihm boch noch gelingen werbe, bie Stabt<br />

Zur Uebergabe zn bewegen. Die bei Güstow über bie Ober gebaute Brücke<br />

würbe abgerissen und an ihrer Stelle bei PommerenSdorf gegenüber ber<br />

Kirche eine neue geschlagen. So gewann man ein bequemes Transport*<br />

mittet für bie auf bem Lanbwege schwer vorwärts zu bewegenben Geschütze.<br />

Die Batterie auf bem Mühlenberge verstärkte ber Kurfürst so weit, baß<br />

sie 40 Kanonen fassen konnte. Der Angriff von biesem gewaltigen Werke,<br />

„begleichen in Belagerungen bisher noch nicht gesehen", richtete sich gegen<br />

bie grüne Schanze, beren man zunächst H er r werben mußte, um bann bie<br />

eigentliche Umwaüung ber Festung anzugreifen. Mit ber Bekämpfung ber<br />

feinblichen Front übernahm jene Batterie nebst ber Sternschanze zugleich<br />

bie Deckung ber eigenen Linie. 2 )<br />

Wulffen hatte bis jetzt nur passiven Wiberstanb geleistet unb bie<br />

Belagerer wenig in ihren Arbeiten gestört. So lange er hoffen konnte,<br />

baß KönigSmard entweber versuchen werbe, bie Stabt rechtzeitig zu entsetzen,<br />

ober eine schwebifche Armee von Lieflanb aus SuccurS bringen könnte,<br />

mußte er barauf bebacht fein, bie Besatzung in ber Stabt nicht allzusehr<br />

in schwächen. Er war aisbann im Staube, selbst zu gleicher Qtit aus ber<br />

Festung offensiv vorzugehen unb so ben Feinb von beiben Seiten, in ber<br />

Front unb im Rüden, zn fassen. Allein biese H°ff nun 9 fätoanb immer<br />

mehr. KönigSmard hatte versprochen, bis zum 25. August ber Stabt zu<br />

*) Außer ber Relation Vom 30. Juti/9. August über ben Kampf auf bem<br />

findet sich im G. St. kein Bericht über biese erste Kanonade, Vgl. daher<br />

Pomm. Waffenklang, pg. 9 ff. und „Beschreibung", pg- 44 f. nebst Buch. Der<br />

Brief Lilliehöcf S an ben Rath, unbatirt, jedenfalls nach bem 18. Juli, im Gr. St.<br />

Betlage 9?r. HI. 4.<br />

2 ) Vgl. Pomm. Greif, pg. 189.


Die Feibzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 107<br />

Hilfe zu kommen. Tag um Tag verstrich, ohne baß sie herannahte. Eine<br />

Woche vorher war noch <strong>der</strong> Schiffer Paget Pust, <strong>der</strong> während <strong>der</strong> ganzen<br />

Belagerung in kühnem Wagemuthe den Verkehr zutschen Stralsund und<br />

Stettin Vermittelte, von dort zurückgekehrt und machte den Stettinern<br />

Hoffnung, daß bieser die Festung mit 20000 Mann entsetzen wolle. 1 )<br />

An ihre Erfüllung glaubte von <strong>der</strong> Besatzung wohl niemand, sie zielte nur<br />

barauf hin, ber Bürgerfchaft neuen Muth einzuflößen. Unter ben Bewohnern<br />

war eS besonberS ber Kaufmann Wichenrjagen, ber feine Mitbürger zur<br />

eifrigen Vertheibigung ermunterte in ber Furcht, baß er bei einer Uebergabe<br />

ber Stabt für einen großen Vorschuß an Getreibe, ben er an bie Besatzung<br />

geliefert hatte, keine Bezahlung erlangen werbe. Jn ber That war ja<br />

auch ein Entsatz burch KönigSm&rd nicht mehr möglich, nachdem jene<br />

beiden Seeschlachten eine Verbindung zwischen dem Muttertanbe unb Deutschtanb<br />

vernichtet hatten. Dafür aber gewannen bie Verhältnisse am polnischen<br />

Hofe jetzt für Schweben in ber That eine Wenbung zum Besseren. Z^is^en<br />

Kart XI. unb SobieSky war ein Bündniß zn Stande gekommen, in bem<br />

bieser sich verpflichtete, Schweben eine ansehnliche Mannschaft zu überlassen,<br />

sie mit ben finnlänbischen unb lieflänbischen Truppen zu vereinigen unb<br />

bamit in bie preußischen Laube eine Diversion zu machen. Die finnischen<br />

Truppen, so schrieb Kart XI. an KönigSmard, feien bereits am 25. August<br />

wn Wtborg aufgebrochen, baS Kommanbo habe er bem Felbmarschall<br />

Horn anvertraut. Am 26. August marschirten bie ersten Truppen in ber<br />

Stärke von 2000 Mann an Dorpat vorbei. 2 )<br />

Allein Wulffen konnte auf diese doch immerhin noch zweifelhafte<br />

Hoffnung nicht länger bauen. Die Feinde rückten täglich näher an die<br />

Festungswerke heran; von den Lüneburgern wurde eine Brücke über die<br />

O<strong>der</strong> geschlagen und am Dunzig eine Schanze aufgeworfen, so daß nun<br />

alte Zugänge zur Festung gesperrt waren, und sie brauchten nur noch den<br />

letzten Grund vor <strong>der</strong> EontreeScarpe zu überschreiten. Die vereinzelten<br />

Sappenteten konnten aus ben weiter zurücttiegenben Laufgräben unb ben<br />

aus bem Lager herbeieitenben Truppen nicht mehr allzu schneit unterstützt<br />

werben unb boten somit Ausfällen aus ber Festung ein willkommenes Ziel.<br />

Man bürste tiefe Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, bie Arbeiten beS<br />

Gegners zu hemmen unb zu vernichten, unb mußte eine Verbinbung ber<br />

Spitzen mit einanber zu verhinbern suchen. Angriff unb Vertheibigung<br />

würben für beibe Theile Vertustreicher unb erbitterter, sobatb sie sich mit ben<br />

Büchsenkugetn erreichen konnten unb zu ber Kanonabe ber Sftahkampf sich gefeilte.<br />

*) Buch zum 15. August am Rande seines Manuskriptes: „le jour etait<br />

le <strong>der</strong>nier et ainsi le temps expire que le Comte de Königsmarc avait precrit<br />

ä ceux de Stetin pour les venir secourir." Relation Vom 10./20. August im G. St.<br />

a ) Ertract Schreibens Karls XI. an KöntQSmarcf, Lager bet Aby 10./20. Aug. 77<br />

u. (Schreiben auS Riga vom 16./26. u. 20./30. August 77 an ben Kaufmann<br />

Heinrich Duntfer in ©tralsunb im G. St,


108 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Schon am 19. unternahm <strong>der</strong> Oberst UlSpar gegen die Südseite<br />

von <strong>der</strong> grünen Sdjanze aus einen kräftigen Ausfall mit 600 Mann<br />

Jnfanterie, <strong>der</strong> jedoch von den Leibregimentern des Kurfürsten und <strong>der</strong><br />

Kurfürstin, die sich in ben Laufgraben auf Wache befanden, zurückgewiesen<br />

wurde. Dieser Mißerfolg entmutigte sie nicht, bereits 4 Tage später<br />

machte die Besatzung, von <strong>der</strong> Bürgerfchaft eifrigst unterstützt, nach beiben<br />

Seiten hin neue AuSfäUe. Jm Süden wurde er wie<strong>der</strong>um siegreich ab*<br />

geschlagen, dagegen vertrieben die feindlichen Reiter auf <strong>der</strong> lüneburgifchen<br />

Seite bie Wache, bie von ber branbenburgifchen Kavallerie gestellt war,<br />

jagten bie Truppen, bie bie Spitze ber Approchen befetzt hielten, au£*<br />

einanber, brangen bis in ben Kessel vor unb brachten ihnen empfinbliche<br />

Verluste bei. Am 26. August trat ein furzer Waffenstillstanb ein, um bie<br />

Gefallenen zn begraben; gleich barauf nahmen bie Feindseligkeiten von<br />

Steuern ihren Anfang. 1 )<br />

BranbenburgischerfeitS traf man in ber letzten Hälfte beS August aöe<br />

Anstalten für eine Kanonabe in größtem Umfange. Außer auf bem Müljl*<br />

berge errichteten sie auch in ber Sternfchanze, bie mit ben übrigen Werfen<br />

burch Trancheen verbunben war, noch eine umfangreiche Batterie, bie man<br />

mit ben großen Mörsern armirte. Die übrigen Batterien waren gleichfalls<br />

auf erhöhten Punkten gebaut, obwohl man burch bie Anwenbung einer<br />

so großen Gefchützmaffe im Stanbe gewesen wäre, bie Brustwehr von ben<br />

Festungswerken herab zn schießen. Erst am 7. September hatte bie<br />

Artillerie in allen Punkten Stellung genommen. DaS anbauernbe Regen*<br />

weiter war ben Arbeiten ungünstig gewesen. Jm lüneburgifchen Lager stanb<br />

baS Wasser in ben Schanzgräben so hoch, baß es ben Leuten bis an bie<br />

Kniee reichte unb nicht einmal burch bie Faschinen eine Besserung herbeigeführt<br />

würbe. Die Arbeiter mußten sich auf bie Brustwehr setzen, um<br />

nicht in ben Schlamm ^n versinken, unb würben hier mit leichter Mühe<br />

Von ben feinblichen Geschossen erreicht. 2 ) 110 Kanonen jeglichen Kalibers<br />

unb 20 Feuermörfer sollten von allen 3 Angriffspunkten ihre Schlünbe<br />

gegen bie Festung Wenben, so baß, „wenn biefe Orgel recht wirb angestimmt<br />

sein, eS eine artige Mufic abgeben börste". Die Wirkung ber Kanonabe<br />

war eine fürchterliche. Bis 10 Meilen im Umkreise hörte man ben Donner<br />

ber Geschütze, bie Schießlöcher unb Festungswerke würben arg bemolirt,<br />

fein Haus in ber Stabt blieb ohne ein Zeilen unb bot einen fixeren<br />

Aufenthaltsort. Die meisten Bürger verweilten auf bem Walle, bie Kanonen<br />

baselbst waren von bem überlegenen Feuer znm Schweigen gebracht. 3 )<br />

*) Diese beiden Ausfälle bei Such aufgezeichnet.<br />

2 ) D. Herzog v. Holstein an Fr. W. 19./29. August im G. St. nach einem<br />

Bericht Ende'S.<br />

3 ) Vgl. Buch zum 24., 28., 29., 30. August st. v. Dazu Pomm. Waffenklang,<br />

pg. 11 f. ^)k (Schil<strong>der</strong>ung in ber „Beschreibung", pg. 46 f., unb sich baran<br />

schließend bie im pomm. Greif, pg. 190, zu Gunsten ber Branbenburger.


Die Fetbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. 109<br />

Jmmer mehr näherten sich die feindlichen Laufgräben ber EontreeScarpe.<br />

Trotzdem wurde aus dem lüneburgischen Hauptquartier geschrieben, „mit<br />

dieser Belagerung sähe eS noch weitläufftig auß, und daferne die Schweden<br />

sich zum Accord nicht Verstehen, werden sie per force nicht leicht rjerauß<br />

ZU bringen sein". 1 ) Und von einem Accord war keine Rede, hatte doch<br />

KönigSmarc! dem Rathe die Nachricht zukommen lassen, ein Eypreßbote von<br />

Stockholm her habe die Nachricht gebracht, baß Generalmajor Graf Sarlson<br />

nach Liefland den Generalen die bestimmte Obre gebracht habe, „mit ber<br />

Armee burch Er)urlanbt nach Preußen unb Hinterpommern zu gehen, unbt<br />

würbe ber Oberst RappinSky in Pofjlen mit 4 bis 5000 Reutern, so er<br />

vor gelt in Pol)len bekommen würbe, bazu stoßen, würbe also eine Armee<br />

von 12000 Mann zusammengebracht werben". Die tapfere Bürgerschaft<br />

ermahnte er auch fernerhin zur Stanbhaftigkeit; „sie sollen sich treu erweisen<br />

unbt sich nicht etwann unbesonnener Weise betn Churfürsten, ber ohne bem<br />

ihr sonberbarjrer Feinb ist, in bie Hänbe liefern".<br />

Bei biesen günstigen Nachrichten aus Lieflanb entschloß sich KönigSmartf,<br />

gleichfalls trotz ber ausgebliebenen Unterstützung etwas vorzunehmen,<br />

„baS zum soulagement gereichen wirb". 2 )<br />

Der Kurfürst befürchtete längst ein solches Unternehmen von Stralsunb<br />

her. Schon am 17. August befahl er seinem SchiffSkommanbeur, EorneliS<br />

ElaeS Van Beveren, 2 Schiffe nach bem Haff Z u fliesen unb bem Kapitän<br />

anzubefehlen, „zwischen ber Anklam'schen gäljr unb bem Lebbin'fchen Berg<br />

fleißig zu kreuzen unb Acht zu geben, ob ber Feinb etwas auf bie Swine<br />

ober Usebom tentiren wolle, auch zu biesem Z^eck mit bem Obersten<br />

Küfsow auf Usebom fleißig zu correspondiren", unb am 3. September<br />

vermeinte er sichere Nachricht zu haben, baß KönigSmard: Willens sei,<br />

Unterstützung nach Stettin hineinzubringen. 3 )<br />

ES war eine kritisch gespannte Lage, in bie sich bie beiben Gegner<br />

in ben ersten Septembertagen verfetzt sahen. Wulffen schien bie Möglichkeit<br />

nahe gerückt, baß eS gelingen werbe, Stettin zur rechten Zeit ^n entsetzen.<br />

Dem Kurfürsten schien eS noch einmal verwehrt werben zu sollen, baS<br />

Ziel aller feiner breijährigen Operationen zu erreichen. Es kam barauf<br />

an, KönigSmarck in seiner Stellung zu fesseln unb vorläufig biesen Entsatz<br />

ZU verhinbern. DieS war nur möglich burch eine Lanbung ber Danen<br />

auf Rügen. Bekanntlich hatten auch bie beiben Mächte ihren Kriegsplan<br />

bahin entwickelt, baß Christian zu gleicher Zeit, wo Friebrich Wilhelm<br />

Stettin belagerte, sich Rügens bemächtigen solle. Beibe hofften bann<br />

*) DieS Schreiben in ber „Beschreibung", pg. 46 mitgetheilt.<br />

2 ) E#ract ©chreibenS beS Grafen KöniöSmartk an ben Magistrat zu (Stettin<br />

auS GreifStoatb 25. August unb an Wulffen d. e. d. im G. St.<br />

3 ) Fr. W. an Raute, d. d. (Stettin 7./17. August unb 24. AuQust/3. (Sept.<br />

im G. St.


110 DteFeldzüge be§ großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

gemeinsam in diesem Feldzuge noch gegen Stralsunb unb Greifswatb zu<br />

gehen und diese zu bezwingen. Aber erst Anfang September waren die<br />

Vorbereitungen zu jener Expedition vollendet, unb eS gelang in <strong>der</strong> That<br />

am 17. September, auf <strong>der</strong> Jnsel festen F u ß Z u fassen, ohne Wi<strong>der</strong>stand<br />

Zu finden. 1 ) KönigSmanfS Projekt war damit gescheitert; er mußte bebacht<br />

sein, nicht auch Stralfund in die feinblichen Hänbe gerathen zu lassen.<br />

Von feuern sah Wulffen sich auf sich selbst unb ben guten SSJillen ber<br />

Bürgerschaft angewiesen.<br />

Mit jenem Bombarbement am 7. September war bie eigentliche<br />

Kanonabe auf bie Festung eröffnet worben, baS nun wochenlang anhielt.<br />

Die feinblichen Geschütze verstummten gänzlich vor bem überlegenen Feuer,<br />

bie Bomben unb Granaten richteten in ber Stabt großen Schaben an.<br />

Freilich war bie Bürgerschaft auf ihrer Hut. Sowie Feuer in ber Stabt<br />

entstaub, würbe eS sofort gelöscht unb seine weitere Verbreitung gefjinbert.<br />

Am wirksamsten war bie Beschießung ber Stabt von ber Sübseite auS,<br />

weil hier auf ber großen Batterie bie Kanonen schwersten Kalibers sowie<br />

bie großen Mörser, von benen freilich ber eine balb zersprang, Aufstellung<br />

gefunben hatten. Der Kurfürst erwartete, baß biese Kanonabe bie Garnison<br />

unb Bürgerschaft nachgiebig machen werbe, schrieb er boch an ben H er Z°9<br />

Von Lothringen: „comme mes ouvrages sont fort avancees, j'espere en<br />

venir bientot ä bont Dieu aidant." 2 ) Allein Beibe beharrten in ihrem<br />

Wiberftanb. Er verfolgte ben Angriff meistens von ber Sternfchanze aus,<br />

auf die sich das Feuer aus den Rohren <strong>der</strong> Festung concentrirte. Unter<br />

bem Schutze jenes starken Artilleriefeuers rückten bie Belagerer immer<br />

näher znr Glaciskrönung heran, befonberS auf ber lüneburgischen Seite.<br />

Die Gegner kamen sich bereits so nahe, baß sie sich nicht nur reben hören,<br />

„fon<strong>der</strong>n auch auS <strong>der</strong> Stadt warme Semmel in die brandenburgischen<br />

Werke und biese bagegen Tabak, Eitronen unb anbere Sachen ben Stettinern<br />

zuwerfen konnten. Solche ^>5fttd^feit verwechselten sie balb mit harten<br />

Schlägen, vielen Ausfällen unb gefährlichen Minen." 3 )<br />

Wulffen hatte wäfjrenb biefer Kanonabe sich nicht barauf beschränkt,<br />

sie ixx erwibern, so weit er vermochte, fonbern auch nach allen Seiten<br />

burch kleinere Ausfalle ben Fortschritt ber Belagerungsarbeiten zu h emm en<br />

gesucht. Allein er lief Gefahr, hierbei seine besten Mannschaften zu verlieren,<br />

ohne einen erheblichen Erfolg zu erzielen. Er mußte sich entschließen, mit<br />

größeren Truppenmasfen einen Angriff zu wagen. 6 Schwabronen z u<br />

Pferbe unb 3 Bataillone gu F u & versammelten sich am 16. September<br />

') Vgl Fock a. a. O., pg. 382 ff.<br />

2 ) d. d. Au camp devant Stettin le 7./17. Sept. 1677, Eonc. im K. A.<br />

3 ) ©o ber pomm. Greif, pg. 196. — Vgl. noch im Allgemeinen Schreiben<br />

eineS Offiziers Vom 4./14. September int Diar. Eur. XXXVI, pg. 227 unb<br />

(Schreiben auS bem lüneburg. Lager Vom 4./14. September, pg. 228.


eS großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677. Hl<br />

bei fjeHem Tage am Frauenthor und warfen sich mit Voller Wucht auf<br />

die Wache in den Laufgräben unter dem Befehl beS Prinzen Friedrich<br />

von H°lftein, Obersten eines Dragonerregiments. Der Anprall war so<br />

gewaltig, baß die branbenburgische Kavallerie anfangs geworfen würbe, bis<br />

ber Kampf allmählich zum Stitlstanb kam unb ber Feinb sich in bie<br />

SontreeScarpe zurückzog. Beibe Theile hatten empfinbliche Verluste zu verzeichnen.<br />

Die Vor bem Thore sich befinbenben Bürger jagten bic Solbaten<br />

ZU wieberholten Malen von feuern gegen ben Feinb, vergebens, sie würben<br />

immer wieber zurückgeschlagen unb mußten schließlich, als ihnen das Thor<br />

verschloffen würbe, über ben Wall in bie Stabt zurücfflüchten, ohne baS<br />

Ziel, bie Vernichtung ber feinblichen Laufgräben, z u erreichen. 1 ) Die<br />

Bürgerschaft nahm an ben kleineren Ausfällen eifrigen Antheil unb spornte<br />

bie Miliz mit ihrer eigenen Thatkraft an, ja sie scheint in biesen Tagen<br />

daS eigentlich treibende Element zu einem offensiveren Vorgehen in <strong>der</strong><br />

Vertheidigung gewesen z u sein, so daß daS Lob, das Litlierjöcf ihnen fortdauernd<br />

spendete, sicher zum Theil gerechtfertigt, wenn auch gewiß darin<br />

übertrieben war, baß ihre Macht eS dahin gebracht habe, baß ber Feinb<br />

bie Belagerung nun nicht mehr aus Hoffnung, bie Stabt zn erlangen,<br />

fonbern aus bloßer Furcht beS großen Schimpfes verzögere. Er tröstete sie<br />

bamit, baß nun ihre Tapferkeit belohnt würbe, bie in Lieflanb aufgebrachte<br />

unb eben zum Marsch fertige Armee sei einer jeben Macht überlegen. Die<br />

Garnison war bereits zu einer Uebergabe geneigt, fanb jeboch heftigen<br />

Wiberstanb bei ber Bürgerschaft, bie diesen SuccurS sicher erwartete. Ganz<br />

anberS freilich lautete baS Schreiben Karls XI. an KönigSmarck; vorläufig<br />

war eine Diversion unmöglich gemacht burch bie Belagerung von<br />

Malmoe unb burch ben plötzlichen Tob beS FefdmarfchatlS Versen. Er<br />

versicherte chn jeboch, baß sie trotzbem versuchen würben, „mit bieser<br />

Diversion kräftiglich burchzudringen, maßen unsere Truppen zu dem Zwecke<br />

schon längst in Bereitschaft stehen". 2 )<br />

*) Buch a. a. O. scheint die Zahl oer AuSfallenben, bie er auf 1000 angjebt,<br />

toeit überschätzt zu haben. D. Diar. obsid., pg. 19 nennt nur 400 SRann.<br />

2 ) Buch zum 6./16. September berichtet, baß ein Gefangener gefaßt habe, bk<br />

Bürger zwängen bie Besatzung mit Gewalt, AuSfaüe zu machen; hiermit überein=<br />

ftimmenb bie „Beschreibung", pg. 48. — SiHidjöd an Bürgermeister unb Rath P<br />

(Stettin, d. d. Danztg 4./14. September 77 in Mns. bor. fol. 181 in Abschrift, unb<br />

Ertract ©chreibenS Karls XL an KönigSmard auS bem Lager Von Vortoebinge bei<br />

LanbSkron 8./18. September 77. Jn einem Schreiben auS bem lüneb. Lager vom<br />

10./20. September im Diar. Eur. XXXVI, pg. 230, in ber „Beschreibung" aba><br />

brückt, finbet sich die Bemerkung, bie ©tettiner hätten ihren Kommanbanten beS<br />

Arrestes roieber entlassen, unb ihm fein voriges Kommanbo roteber aufgetragen,<br />

„nachbetn er Vorfyero einen Eyb gethan, Von keiner Übergabe zu gebenden, unb sich<br />

biß in ben Tob %w befenbiren". Jn keiner anberen Quelle finbet sich auch nur eine<br />

leise Anbeutunö über eine Arreftiruna, Wulffen'S roegen feiner Retgung zur Kapitulation,<br />

Vielmehr rühmen alle fein entschlossenes Vorgehen. Jene Bemerkung scheint baljer<br />


112 Die Fetbzüge be3 großen Kurfürsten in Pommern 1675-1677.<br />

Jm kurfürstlichen Lager schwand die H°ffnung auf eine schnelle<br />

Eroberung ber Festung immer mehr. Wulffen hatte bie richtige Art ber<br />

Vertheidigung gewählt, bie eS ihm ermöglichte, sie bis zu einem Entsätze<br />

Zu halten, wenn er nicht allzu lange ausblieb. Die Verluste, bie bie<br />

Belagerer im Laufe bieser Monate schon erlitten hatten, mehrten sich täglich.<br />

Jm holsteinischen sowie im kurfürstlichen Lager waren fast alle Offiziere<br />

erkrankt; baS nasse Wetter hatte äußerst ungünstig auf bie Truppen eingewirkt.<br />

Die täglichen Ausfälle ber Besatzungen kosteten auch ben Belagerern<br />

Viel Blut. Am 18. September würbe ber Prinz Phittyp ®rnst V. Holstein,<br />

ein Sfteffe ber Kurfürstin unb Kapitain im Leibregiment beS Kurfürsten,<br />

von einer Kanonenkugel, als er sich zu weit vorwagte, töbtlich verwunbet.<br />

Bei bieser Lage war eS benn ein nicht zu unterfchätzenber Vortheil, baß<br />

gerade in jenen Wochen KönigSmarcf an einem Entsatz <strong>der</strong> Festung durch<br />

bie Eroberung Rügens von ben Dänen abgehalten würbe. 1 )<br />

Am 22. September AbenbS kamen ber bänische General-Abmiral<br />

EorneliuS Tromp, ber bänische Gesanbte v. Buchwalb unb Christoph v. Branbt<br />

im kurfürstlichen Lager an mit ber Melbung von jenem errungenen Siege.<br />

Zugteich baten sie ben Fürsten, baß er sie von feuern mit Kavallerie unterstütze.<br />

Trotz seiner eigenen, burchauS nicht günstigen Lage willfahrte er ihrer Bitte<br />

unb schickte ben Generalmajor von Giese mit betn Reiterregiment Hülfen<br />

unb einigen Kompagnien Dragonern ab, bie zunächst bie Peenemünber<br />

Schanze besetzen unb bann nach Rügen übersetzen sollten. Die Offiziere<br />

in ben Laufgräben verkünbigten freubigst ben Belagerten jene Nachricht<br />

unb stellten ihnen bie Unmöglichkeit eines lieflänbifchen SuccurfeS bar,<br />

aber selbst biese Botschaft vermochte nicht, sie zum Nachgeben zu bewegen.<br />

„ES wäre ihnen gleich, was an anberen Orten vorgehe, sie müßten boch thun,<br />

was ihnen als ehrlichen Solbaten zustänbe". 2 )<br />

Sowie bie Laufgräben sich ber SontreeScarpe ber Festung näherten,<br />

wurde bie anbauernbe Kanonabe von einer anberen Art bt^ BelagerungSkriegeS<br />

unterstützt, bie balb immer mehr zur hauptsächlichsten F°rm beS<br />

Angriffs unb ber Vertfjeibigung sich gestaltete, bem Minenkrieg. Freilich<br />

haben bie branbenburgischen Jngenieure wenig Erfahrung hierin gezeigt;<br />

nicht dem Sachverhalt zu entsprechen, ist boch auch ber ganze Vorgang schon an unb<br />

für sich ein unwahrscheinlicher.<br />

*) Offenbar falsch ist bie Bemerkung ebendaselbst unb in ber „Beschreibung",<br />

pg. 49: „Die Brandenburgsche metben, ba^ eS mit ihrem Schaben bis In'eher noch<br />

ziemlich dahergegangen, indem sie bei bieser gantzen Belagerung ettoan 120 Bleffirte,<br />

aber wenig Tote bekommen." Vgl- dazu Buch 6./16. September unb Ejtract<br />

Schreibens KönigSmarcFS an Wulffen, d. d. 3./13. September im G. St. Freilich<br />

bie Rachricht, ba$, roenn baS Regenwetter noch 10 Tage anhalte, Fr. W. entschlossen<br />

fei, bie Belagerung zu quittiren, um baburch bem voUftänbigen Ruin seiner Armee<br />

vorzubeugen, ist übertrieben, wohl um neuen Muth zu machen.<br />

2 ) D. pomm. Greif, pg. 192 f.


Die Fetbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 113<br />

die meisten Minen verfehlten ihr Qid, entwe<strong>der</strong> waren sie nicht richtig<br />

dirigirt, o<strong>der</strong> aber sie eyplodirten statt unter ben Werken nach hinten zn<br />

und richteten oft großen Schaben unter ben Belagerern an, so baß ihre<br />

Wirkung vor Stettin eine sehr unzuverlässige war. Sftur einige wenige<br />

haben einem Angriff ber Truppen wesentlich vorgearbeitet. Auch bie<br />

Belagerten bebtenten sich ihrer in hohem Maße unb suchten bie feinblichen<br />

Minen burch Gegenminen unwirksam zu machen unb mit ihnen bem Angriff<br />

entgegenzuwirken. Diesen Umstänben ist eS wohl zuzuschreiben, baß bie<br />

Belagerung von jetzt an einen sehr langsamen Fortgang nimmt.<br />

Jm Osten ber Stabt hatte Schöning bie branbenburgischen Laufs<br />

graben bis vor bie Schanze geführt, bie bie Parnitzbrücke, ben Zugang zur<br />

Lastabie, sicherte. Am 23. September unternahm er einen Angriff auf<br />

bie Schanze selbst, mit bem Degen in ber Faust brang er siegreich vor,<br />

eroberte sie unb jwang bie Besatzung zum Weichen. Eine weitere Verfolgung<br />

erwies sich jeboch als unmöglich. Kaum hatten bie letzten bie<br />

Brücke verlassen, so würbe sie in Branb gesteift unb von ben Werken ber<br />

Lastabie auf bie anbringenben branbenburgischen Regimenter ein starkes<br />

Feuer eröffnet. Jmmerrjin war so viel erreicht, baß Schöning mit seiner<br />

Artillerie jetzt ben ganzen Stabttfjeil beherrschte. 1 )<br />

Der eigentliche Minenkrieg nahm vor bem Frauenthor seinen Anfang,<br />

wo bie Arbeiten am weitesten vorgerückt waren, so baß ber Kurfürst bem<br />

Herzog V. Holstein befahl, in ber Stacht vom 22./23. bie EontreeScarpe<br />

anzugreifen. Der Generalmajor V. Enbe versprach ihm feine kräftige Unterstützung,<br />

unb er beschloß ben Versuch z u wagen. 20 Grenabiere unb<br />

300 Musketiere sollten in 2 Abtheilungen bie erste Sturmkolonne bitten,<br />

500 Mann blieben in ben Laufgräben stehen unb waren bereit, jeben<br />

Augenblick bie Attaque zu unterstützen. AIS Reserve würben 600 Mann<br />

aus bem Lager kommanbirt, bie hinter ber großen Batterie Stellung nahmen.<br />

Der Sturm unterblieb. Vielleicht erhielt Holstein burch einen Deserteur bie<br />

Nachricht, baß bie Stettiner hier vor bem Frauenthor in allernächster Zeit<br />

eine Mine sprengen lassen wollten unb befürchtete, baß bieS zu gleicher<br />

Zeit mit seinem Ansturm geschehen unb seine ganze Mannschaft vernichten<br />

könnte. Jn ber That hatte Wulffen hier eine Gegenmine legen lassen.<br />

Sowie biefe eyplobirte, sollte zugleich ein stärkerer Ausfall ber Besatzung<br />

erfolgen. 200 Mann unter bem Befehl beS Majors Qabd brachen aus<br />

bem Frauenthor hervor unb vernichteten bie Arbeiten in ben nächstgelegenen<br />

Approchen beS FeinbeS. Allein bie Mine versagte, bie Lüneburger konnten<br />

sich sammeln unb bie Gegner wieber zum Thor hineinjagen. Der Angriff<br />

war glücklich zurückgeschlagen, ja ein paar Tage barauf gelang eS bem<br />

Obersten Neubauer, ber im lüneburgifchen Lager baS JngenieurkorpS leitete,<br />

*) Räch dem Pomm. Waffenklang, pg. 12, am 12/22., nach ber Beschreibung<br />

ant 15./25. (September, obiges Datum nach einem Bericht im G. St.<br />

»attiföe etubien R. ft. L 8


114 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

sich zwischen dem Abhänge <strong>der</strong> GlaciSkrönuug und <strong>der</strong> SontreeScarpe im<br />

gedeckten Wege in einem Logement festzusetzen und eine Sappengallerie zu<br />

erbauen. Den Belagerten war eS nicht möglich, den vorbringenden Feind<br />

mit den Handgranaten wieber zurückzutreiben. Ein Versuch bagegen, ber<br />

EontreeScarpe selbst an biefem Punkte sich zu bemächtigen, mißlang in Folge<br />

beS heftigen Feuers, baS bie Besatzung vom H a nptwall unb Sftieberwall<br />

aus eröffnete. 1 )<br />

Vor bem Heilgeistthor waren bie Belagerungsarbeiten in betn letzten<br />

Drittel beS September nur tangsam vorgerückt. Die branbenburgischen<br />

Mineure würben burch bie Gegenminen beS FeinbeS bereits jetzt vielfach<br />

gestört unb gehinbert. Ein herber Verlust war eS für ben Kurfürsten, als<br />

am 2. Oktober ben Generalquartiermeisterlieutenant Blefenborf, ben Leiter<br />

beS JngenieurwefenS, eine feinbliche Kugel baljtnraffte. Z utt ää)st richtete<br />

sich bie Arbeit gegen bie EontreeScarpe ber halben Bastion, um biefe ju<br />

sprengen unb Von hier aus über eine halbmonbförmige Lunette, bie Wassernuß,<br />

bie jenem Werke sich vortagerte, in bieseS selbst einzubringen. Ungebulbig<br />

wartete ber Kurfürst auf bie Beenbigung beS Baues biefer Mine, ber in<br />

Folge einer vollftänbigen Zerstörung burch bie Belagerer eine unliebsame<br />

Verzögerung erfahren hatte, unb war schon entschlossen, ohne sie einen<br />

Sturm zu wagen, als sie enblich am 5. Oktober so weit vollenbet war, baß<br />

sie zur Explosion gebracht werben konnte. Die Herstellung war zur rechten<br />

Zeit erfolgt, benn bie Schweben stauben eben im Begriff, mit 450 Mann<br />

einen Ausfall zu machen, unb hatten schon zum Tljeil in ber EontreeScarpe<br />

Stellung genommen, als plötzlich jene Mine gesprengt wurde und eine<br />

große Zahl <strong>der</strong> Besatzung unter ihren Trümmern begrub. Jn <strong>der</strong> Bresche,<br />

die sie schlug, konnten wohl 70 Mann bis in den Graben vordringen,<br />

allein sie fanden den Feind darauf vorbereitet, und eS bedurfte noch <strong>der</strong><br />

Anlage einer zweiten Mine, die in 2 Tagen fertig war, um bie Pallisaden<br />

noch weiter auseinan<strong>der</strong> zu sprengen. Dann wurde biefer Punkt angegriffen<br />

unb in kurzer Zeit ohne großen Verlust besetzt. Ein wichtiger Posten ber<br />

feinblichen Stellung, ber immer nur mit viel Blut erkauft würbe, war<br />

glücklich erreicht, bie EontreeScarpe hier ganz öon den Branbenburgern<br />

btftyl Die Granaten unb Bomben konnten nun mit viel größerer Sicherheit<br />

auf ben gegenüberliegenben Wall hinübergeworfen werben. DaS nächste<br />

war, jetzt in ben Besitz beS kleinen Grabens vor ber Lunette zu gelangen<br />

unb sich biefer zu bemächtigen. Jn ber That bewirkte eine Mine am 14.,<br />

baß sie in einer größeren Oeffnung bis zum Grabenranb vorbrangen.<br />

Eine Z u [^)nttung erwies sich jeboch als undurchführbar. Die Besatzung<br />

ber Wassernuß hatte hinter ben Pallisaben beS Walles eine gebeckte Stellung<br />

*) Holstein an Fr. W. 12./22. September im G. St. Pomm. Waffenklang,<br />

pg. 13, legt ben Ausfall auf ben 14./24., ebenso ausführlicher b. Pomm. Greif,<br />

pg. 197. Vgl. dazu Buch zum 21. ©eptember/1. Oktober u. 22. ©eptember/2. Oktober.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 115<br />

eingenommen und überschüttete die von dem Zuwerfen beS Grabens in<br />

Anspruch genommenen Leute mit Handgranaten, \o daß sie sich genöthigt<br />

sahen, den Posten wie<strong>der</strong> aufzugeben. Beim zweiten Male glückte <strong>der</strong> Versuch.<br />

Der Kurfürst ließ alle noch vorhandenen Fasanen an dieser Stelle znsammentragen,<br />

2 Gallerien an dem Grabenrand anbringen, die im gedeckten<br />

Wege durch einen Laufgraben mit einan<strong>der</strong> zur besseren Vertheidigung verbunden<br />

waren, und so den Graben allmählich Überbrüden. Am Abend<br />

deS 22. Oktober mußten die Schweden das Außenwerk verlassen und sich<br />

jenseits des Grabens in die eigentlichen Hauptwerke zurückziehen. 1 ) Der<br />

Kurfürst war sehr erfreut über diesen Fortschritt, er hoffte nun bald eine<br />

Wendung <strong>der</strong> Dinge zu sehen. „Mit dieser Belagerung hoffe ich z u ®°tt<br />

nun bald zum ende zu geraden, weil ich die Contrescharp und die dreuge<br />

Grast (trockenen Graben) schon inne habe, auch den kleinen Graben für<br />

den Palissaden schon zn füllen anfange, auch etliche Gebindt von <strong>der</strong><br />

©alterte schon darinnen fertig £)abe. Jch hoffe heute o<strong>der</strong> morgen die<br />

minirers in den halben Bollwerk anzusetzen, alsdann werde ich aufs den<br />

wall des halben Bollwerks poste faßen; hatte dafür Sie alSdan capituliren<br />

werden". Seine Hoffnung sollte ihn bitter täuschen. 2 ) Der Kampf um<br />

den Uebergang über den Graben entspann sich von feuern. Tagelang<br />

mußteu die Belagerer an <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong> Brücke arbeiten. Die Vertheidiger<br />

hatten sich hinter die Pallisaden jenseits des Grabens wie<strong>der</strong> in<br />

einem Logement festgesetzt. Die Balken zur Brüde erwiesen sich wegen<br />

<strong>der</strong> Breite deS Grabens als zu kurz, die Gallerien konnten bei dem hartnäckigen<br />

Wi<strong>der</strong>stände nicht an die EScarpe herangebracht werben. Erst am<br />

29. Oktober Nachmittags war Alles zur Attaque <strong>der</strong> halben Bastion fertig.<br />

Friedrich Wilhelm selbst eilte dorthin, er beabsichtigte dem Angriff persönlich<br />

beizuwohnen. Die Brücke wurde übergeworfen, die Pallisaden auf <strong>der</strong><br />

Seite deS Sftie<strong>der</strong>watleS abgeschlagen und auf <strong>der</strong> Berme <strong>der</strong> Face <strong>der</strong><br />

Bastion Stellung genommen. Der Feind leistete nur noch geringen<br />

Wi<strong>der</strong>stand, außer daß er vom üttieberwatl <strong>der</strong> grünen Schanze aus ver*<br />

suchte, mit Steinen und Granaten den Uebergang zn verhin<strong>der</strong>n. Drei<br />

Kompagnien Stettiner Bürger, die hier postirt waren, wurden erst nach<br />

langem Zureden bewogen, die schon nie<strong>der</strong>gelegten Gewehre wieber ju<br />

ergreifen unb sich zu vertheibigen. Bis zur Hälfte konnten bie Branbenburger<br />

ben SfteberwaU beS halben Bollwerks ersteigen unb sich hier in<br />

einem Einschnitt verschanzen. Aber bie Stellung zeigte sich balb als<br />

unhaltbar. Oben Vom Walle herabgerollte Bomben unb Steine nöthigten<br />

am 31. Oktober bie branbenburgischen Mineure, ben Posten i\x verlassen,<br />

*) Vgl Buch a. a. O. Sowohl <strong>der</strong> Pomm. Waffenklang als auch bk<br />

Beschreibung verkennen die Wichtigkeit dieser eingenommenen Stellung, dazu Pomm.<br />

©reif, pg. 200.<br />

2 ) Fr. W. an Dranien im G. St., nach ben angeführten Thatsachen battrt.<br />

8*


116 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

nur in <strong>der</strong> Sftacht war eS möglich, die Arbeiten an <strong>der</strong> daselbst gelegten<br />

Mine fortzusetzen. Endlich am 3. November schien sie so weit zu sein,<br />

daß ein Sturm angesagt werden konnte. Sowie die Mine ejplodirt war,<br />

sollten die Mannschaften in <strong>der</strong> Bresche Stellung nehmen und den Sturm<br />

auf den Sföeberwall wagen. Allein die Sprengung <strong>der</strong> Mine erfolgte ohne<br />

jegliche Wirkung, trotzdem wurde zweimal ein Ansturm versucht, aber jedesmal<br />

abgewiesen. Eine gleichzeitige Attaque auf die grüne Schanze, <strong>der</strong><br />

gleichfalls die ergebnißlofe Explosion einer Mine voranging, endete ebenso<br />

mit einer Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> Belagerer. 1 )<br />

Auf ber Südseite hatten sich bie Stettiner wäfjrenb beS Oktobers<br />

bamit begnügt, betn Vorbringen beS Kurfürsten baburch Einhalt zu thun,<br />

baß sie bie Sturmverfuche zurückschlugen unb mit ben Gegenminen bie<br />

Zerstörung ber Festungswerke zn verln'nbern suchten. Auf ber Sftorbecfe<br />

bagegen machte sich ein weit offensiveres Vorgehen bemerkbar. Jhre Vorstöße<br />

zielten offenbar barauf l)in, bie Lüneburger zum Aufbruch zu bewegen,<br />

bei benen sich schon eine bebenkliche Mißstimmung über bie lange Dauer ber<br />

Belagerung geltenb machte, unb baburch womöglich ben Feinb auf bieser<br />

Seite so zu schwächen, baß er hier keinen weiteren birekten Angriff auf bie<br />

Festung wagte. H°lftein ; S Hauptangriff wanbte sich gegen bie Spitze ber<br />

ersten ganzen Bastion, bie sogenannte „scharfe Ecke". Die Pallifaben, bie<br />

bie Stettiner in ber EontreeScarpe errichtet hatten, würben mit Bomben<br />

beworfen, H 0 ^ Faschinen, Tfjeer unb Pechkränze vor chnen angehäuft unb<br />

bann angezünbet. Er staub mit ausgewählten Mannschaften bereit zum<br />

Sturm, allein bie Pallifaben fingen kein Feuer, unb ber Angriff mußte<br />

unterbleiben. Jn ben letzten Septembertagen war eS Holstein enblich<br />

gelungen, feine Mine, bie er hier gelegt hatte, so weit zu förbern, baß er<br />

sie am 1. Oktober sprengen lassen konnte. Die EontreeScarpe sammt ben<br />

Pallifaben würbe Vollkommen vernichtet unb bie Besatzung unter ben Trümmern<br />

begraben. Die Lüneburger stürmten hinüber, konnten sich jeboch<br />

infolge beS hartnäckigen WiberstanbeS ber Stettiner nicht festsetzen, erst ein<br />

paar Tage barauf würbe ber Anfang zum Abstieg in ben Graben gemacht.<br />

An jeber Seite brachte man ein Logement, jebeS zu 60 Mann, an, bie<br />

bazu btenten, bie Arbeit am Grabenübergang zu vertheibigen. 2 Geschütze<br />

würben auf ber EontreeScarpe gleichfalls zum Schutze aufgepflanzt. Z u<br />

gleicher Zeit, wo er ben Graben überschritt, gingen auch bie Mineure vor,<br />

um eine Zerstörung ber Anlagen burch bie feinblichen Minen zu verhinbern<br />

unb 2 Verschanzungen, bie im Graben vor ber Spitze ber einen Flanke<br />

ber Bastion angelegt Waren, z u vernichten. Dies gelang, unb bie Lüne-<br />

•) Vgl. Buch a. a. O. Parteiisch für ben Kurfürsten zeigt sich bie Beschreibung,<br />

inbem sie ben mißlungenen ©türm vom 3. Rovember gar nicht erwähnt. Vgl. auch<br />

noch Kurze boch wahrhafte Beschreibung zum 29. Oktober, 3. Roüember, danach<br />

i\t ber Sturm mit 600 Mann unternommen.


Die Felbgüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 117<br />

burger nahmen nun im Graben einen sicheren Posten ein. 3 Ausfälle in<br />

<strong>der</strong> Stacht vom 12. zum 13. vermochten nicht sie zu Verjagen. So oft sie<br />

zurückgetrieben wurden, kehrten sie um und nahmen die eben aufgegebene<br />

Stellung wie<strong>der</strong> ein. Auch eine feindliche Mine hatte keinen besseren<br />

Erfolg, ^och einmal versuchte Wulffen am 19. September, durch einen<br />

Ausfall die Lüneburger zu vertreiben und wieber in die feindliche Position<br />

vorzubringen. Ueber 600 Mann Sotbaten unb Bürger unter bem Beseht<br />

beS Obersten Jcheteritz unb ber Majore Zabel unb Putberg stürmten gegen<br />

bie Stellung vor unb warfen fatc lüneburgischen Truppen, bie keine gute<br />

Wache hielten. Die Jnfanterie verließ ihre Posten unb Offiziere unb zog<br />

sich auf baS Lager zurück, so baß bie Stettiner sich ber Approchen bemächtigen<br />

unb sie zerstören, 4 Regimentsstücke erbeuten unb eine Reihe von Gefangenen<br />

mit sich sichren konnten. Außer tiefen verloren bie Lüneburger über 150 Tobte,<br />

barunter ben Obersten Jäger, fast alle Offiziere waren verwunbet. Der<br />

Anschlag wäre noch besser geglückt, wenn bie auSfalsenben Truppen ein<br />

Felbzeichen mit sich geführt hätten. Sie zerstreuten sich zn sehr in ben<br />

feinblichen Werken unb ließen einen SuccurS, ben Holstein aus bem Lager<br />

in bie Laufgräben schickte, ruhig paffiren, ba sie sich nicht zur rechten Zeit<br />

wieber sammeln konnten. Dieser zog sich ben lebhaften Unwillen beS Kur*<br />

surften zu, baß von seiner Seite so wenig geschähe. Die Schulb lag wohl<br />

weniger an ihm als an bem Umstanbe, baß er nicht über bie hinreichenbe<br />

Anzahl von Truppen z u einem energischen Vorgehen verfügte. Daher<br />

konnte bie Besatzung auch immer wieber ben Versuch machen, gerabe gegen<br />

biese Quartiere auszufallen unb bie Arbeiten zu zerstören.<br />

Vier Monate lag ber Kurfürst jetzt vor ber Festung; alle nur erbenklichen<br />

Vorbereitungen hatte er zu ihrer Eroberung in großem Umfange<br />

getroffen unb bereits einen beträchtlichen Theil seiner Truppen vor ihr ein*<br />

gebüßt, ohne ihren Wiberstanb zu brechen. AllerbingS würben jetzt unter<br />

ber Garnison unb ben Vermögenben Bürgern Stimmen laut, bie nach<br />

Uebergabe unter günstigen Bebingungen verlangten. Ueberläufer metbeten,<br />

baß bereits 1100 Bewohner ber Stabt getobtet feien, unb noch immer<br />

würben Tag unb Sftacht Granaten, Bomben unb Schlagkugetn hineingeworfen.<br />

Die Bürgerschaft war zusammengekommen, um zu berathen, wie man am<br />

besten einen Accorb erlangen könne. Allein Oberst Jsensee vor Altem nebst<br />

Wutffen unb piantin wußten einen Beschluß zu vereiteln. Von feuern ver^<br />

banben sie sich eiblich, „bey einanber zu leben unb zu sterben, auch Von<br />

feinem Accorb zu hören". Unruhen in einzelnen Bürgerkompagnien würben<br />

niebergeschtagen. Jnnerhatb ber Stabt baute man Abschnitte, zog BertheibigungStinien<br />

hinter ber Hauptumwallung unb brachte Geschütze vom<br />

Wall in bie Straßen, „batnit wir uns annoch befenbiren können, wann<br />

gleich ber Wall an ben Feinb übergangen". KönigSmartf wußte sie immer<br />

wieber von feuern zur weiteren Vertrjeibigung beS Platzes anzufeuern unb


118 Die Felbgüge be§ großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

sie auf den lieftändischen SuccurS und auf feine eigene Unterstützung zu<br />

vertrösten, <strong>der</strong> erlittene Schaden sollte ihnen Vom Könige nach dem Kriege<br />

wie<strong>der</strong>erstattet werben. Die Prediger <strong>der</strong> Stadt warnten vor einer Uebergabe<br />

und for<strong>der</strong>ten zur Standljaftigkeit auf, „daß die Stadt noch nicht in<br />

bie Hände ifjreS grimmigen Ealvinifchen F^ndeS gerate". Die-Lebensmittel<br />

waren in <strong>der</strong> Stadt noch immer in hinreichen<strong>der</strong> Menge vorhanden.<br />

Für die ärmere Bevölkerung fing man in <strong>der</strong> O<strong>der</strong> Fifdje genug; an<strong>der</strong>en<br />

Proviant erhielten sie durch Zufuhren über den Dammfchen See aus des<br />

Kurfürsten eigenen Gebieten Von Gollnow her. Erst jetzt erfuhr man im<br />

brandenburgischen Lager hiervon. Schwerin, <strong>der</strong> sich in Hinterpommern<br />

befand, wurde sofort beauftragt, die Ufer des SeeS bewachen zu lassen und<br />

den Stettinern biefe günstige Verproviantirung ^u sperren, üfteuen Muth<br />

gab ihnen ber am 3. November abgeschlagene Sturm, „hoffen also ferner<br />

ZU triumphiren, wann ber Feinb eine nochmalige Attaque thun werbe". 1 )<br />

Enbe Oktober war ein plötzlicher Wetterumschlag eingetreten. Sin<br />

starker Frost stellte sidj ein, ben Schöning benutzen wollte, über bie Parnitz<br />

Zu kommen unb auf <strong>der</strong> Saftabte Posten ^u fassen. Allein bie Stettiner<br />

waren auf ihrer ÜQut, unb ber Anschlag würbe zurückgewiesen. Weitere<br />

Versuche sinb auf ber Ostfeite nicht gemacht worben. Schöning konnte seinen<br />

Plan, sich ber Lastabie zu bemächtigen, bann über bie betten Brüden nach<br />

ber Stabt vorzubringen unb so unerwartet sich in ihren Besitz zu setzen,<br />

nicht ausführen, weil es ihm an <strong>der</strong> nöthigen Truppenzahl mangelte. 2 )<br />

Ebenso wenig glückte auf <strong>der</strong> tüneburgischen Seite ein Sturm gegen<br />

bie halbe Ecfbastion am Wasser. Wie erwähnt, hatte ber Herzog V. Holstein<br />

sich in ben Besitz einer bavor gelegenen Reboute gefetzt, Von hier auS ben<br />

Abstieg in ben Graben bewerkstelligt unb sich bort verschanzt. 2 Sappen,<br />

von bencn sich bie eine gerabe gegen bie Spitze ber Bastion wanbte, würben<br />

burch ben Graben gelegt. Die Mineure wanbten sich mit ihrer Arbeit<br />

gegen ben Wall, um In' e r womöglich eine Bresche zu schlagen. Jn ber<br />

That gelang eS, bie Ecke ber Bastion unb bie barauf befinbliche Besatzung<br />

*) Diese Schreiben auS ber Stadt mitgetheilt im Pomm. Waffenklang, pg. 16 f.<br />

— ^)k Zahl <strong>der</strong> Getb'bteten giebt auch Buch zum 16./26. Oktober auf 1100 an.<br />

Die ©teile ist Von V. Kessel, wonach 12000 geblieben wären, falsch gelesen. SS<br />

heißt ausdrücklich im Originaltert: „Fön disoit, qu'il y avoit plus d'onze (nicht<br />

douze) cent (sie!) hommes tues pendant le siege." Jn ber Beschreibung ist<br />

außerdem ein Bericht auS ©tralfund mitgetheilt, wonach <strong>der</strong> Kurfürst einige<br />

Deputirte in bie ©labt geschickt und den Belagerten feine Gnade angeboten hätte,<br />

unb ihnen gezeigt, baß sie ihren Ruin Vor Augen sähen unb kein ©uccurS zu hoffen<br />

wäre. Die ©tettiner hätten erwi<strong>der</strong>t, sie wollten sich dieS Jahr noch halten, sollte<br />

bann kein ©uccurS erfolgt fein, so würben sie sich ergeben unb hoffen, baß er ihnen<br />

bie jetzt angebotene Gnabe nicht versage.<br />

2 ) Vom „SRorb. Kriege Anbren Theil" erwähnt, 1679, pg. 171. Von i&m<br />

hat eS b. pomm, Greif, pg. 202 entlehnt. Vgl. noch bazu Buch zum 14./24. Rov,


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 119<br />

in die Luft zu sprengen und gleich darauf, nachdem ein Sturm abgeschlagen<br />

war, in <strong>der</strong> Flanke an <strong>der</strong> Ober eine neue Bresche zu legen. Holstein<br />

versuchte nochmals einen Sturm. Man gelangte auf den Watt <strong>der</strong> an <strong>der</strong><br />

Spitze gelegenen Verschanzung, des „Koggen-PoftenS", ohne sich jedoch<br />

behaupten zu können. Ein dritter Versuch hatte keinen besseren Erfolg. Das<br />

Korps an <strong>der</strong> Vordecke hatte im Laufe <strong>der</strong> Belagerung z u große Verluste<br />

erlitten. Holstein standen nur noch 2000 kampffähige Leute zur Verfügung.<br />

Wulffen hatte feinen Z^eck erreicht, von einem stärkeren offensiven Vorgehen<br />

mußte hier abgesehen werben. Man begnügte sich, Ausfallen ber<br />

Besatzung vorzubeugen. 1 )<br />

Die Entfcheibung mußte auf ber Sübfeite ber Stabt fallen, unb ber<br />

Kurfürst hoffte, ber Stabt jetzt balb Meister zu sein. 2 ) Freilich in ben<br />

nächsten Wochen nach jenem mißglückten Sturm am 3. November machten<br />

bie Belagerungsarbeiten keine weiteren Fortschritte. Die nächsten Minen<br />

hatten keinen Erfolg, so baß man sich barauf beschränkte, in ben betten<br />

Stellungen Vor ber grünen Schanze unb ber halben Bastion sich auSzubefjnen.<br />

Die Mörser waren auf bie Wassernuß geschafft unb warfen<br />

ihre Geschosse gegen bie Pallisaben beS Hauptwalles. Kein Schuß war<br />

vergebens. Die Garnison hatte stark abgenommen, so baß selbst Kranke bie<br />

Posten beziehen mußten. Alte Offiziere von ber Jnfanterie waren tobt ober<br />

blessirt, von ber Reiterei nur noch wenige, bie ben Dienst Völlig zu versehen<br />

im Stanbe waren. 3 ) Was bafjer ein gewaltsamer Sturm nicht hatte<br />

bewirken können, baS mußte Wulffen ben Belagerern schließlich freiwillig<br />

einräumen. Schon am 26. November z°9 ftdj die Besatzung aus ber<br />

grünen Schanze bis auf ben Wall zurück unb in ber barauf folgenben<br />

Sftacht würben alle Außenwerke zwischen ber halben Bastton unb ber grünen<br />

Schanze verlassen. Mangel an Mannschaften hat ben Kommanbanten zu<br />

biesem Schritt gezwungen. Die Branbenburger rückten sofort nach, besetzten<br />

baS Ravetin unb stanben somit hier unmittelbar vor ber Kurtine, b. hbem<br />

innersten Theile beS Walles. Gleichzeitig verließ ber Feinb bie Werke<br />

in ber Bastion vor bem Frauenthor, ben „Koggen-Posten", in ber Furcht,<br />

baß er unterminirt sei, stellte jeboch seine Vorwachen so geschielt auf, baß<br />

sich bie nachfolgenben Lüneburger nicht in einer baselbst geschlagenen, breiten<br />

Bresche festsetzen konnten, unb zog sich nach innen in eine Verschanzung, ben<br />

„HoreS-Weinberg" zurück. Holstein rückte nach unb erbaute in ben beiben<br />

Facen ein Logement, um hier eine Batterie gegen baS Thor zn errichten<br />

unb bie Geschütze beS FeinbeS zu bemotiren. Sin Sturm jeboch, ben er<br />

*) Am ausführlichsten bet Buch; Vgl. dazu Beschreibung nebst ber Karte baselbst.<br />

2 ) Fr."W. a.b. Oberpräsibenten V. Schwerin, d. d. Stettin 5./15. Rovember<br />

Soncept im K. A.<br />

3 ) Pomm. Waffenktang, pg. 18 f. u. b. Beschreibung, pg. 56 f. nach Berichten<br />

Von Deserteuren.


120 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

nach Sprengung einer Mine am 7. Dezember wagte, würbe zurückgeworfen.<br />

ES war ber letzte offensive Vorstoß gegen bie for<strong>der</strong>te ber Festung. 1 )<br />

Jn jenen Tagen, wo die Garnison alle Außenwerke geräumt hatte,<br />

traf im kurfürstlichen Lager eine Verstärkung ein. Friebrich Wilhelm hatte<br />

Christian V. gebeten, ihm baS Jnfanterieregimeut Lehnborf zur Hilfe nach<br />

Stettin zu schicken. Dieser leistete ber Bitte Gewähr unter ber Bebingung,<br />

baß eS am 11. Dezember wieber zur See nach Kopenhagen geschickt, ber<br />

Abgang erfetzt, baS Regiment in kompletem Z u ftanb zurücfgeliefert unb so<br />

lange eS Dienste thue, unterhalten werbe. Am 26. November langte eS<br />

vor ber Festung an, eine willkommene Hilfe für ben Kurfürsten. $otfttin<br />

bat ihn um Unterstützung. Die wolfenbüttetfchen Regimenter waren so schwach,<br />

baß sie sich bei ber Wadje nicht mehr ablösen konnten. Die strenge Kälte<br />

bauerte lange an, bie Schilbwachen erfroren auf ben Posten, bie Solbaten<br />

gruben sich in ben Schnee ein, um sich ber Kalte ju erwehren, unb bie<br />

MineurS richteten wegen ber hart gefrorenen Erbe nur wenig aus. 7000<br />

Mann, so wirb im Pom. Waffenklang nach ber Erzählung eines Passagiers<br />

berichtet, barunter 500 Lüneburger, sollen bie Belagerer bereits verloren<br />

haben. „Unb wenn sie solch Vol(f zeitlich gewagt hätten, würben sie schon<br />

lang Meister von erwähnter Stabt seyn, ba sich anjetzo baSjenige Volck, so<br />

man Vorhin erspar)ren wollen, vertauffe, ober aber verhungern unb sterben".<br />

Vergebens hatten ihn seine Generale zu bewegen gesucht, bie Stabt im<br />

Sturm zu nehmen; mit bem Opfer von 1000 Mann wollten sie in 2 Tagen<br />

bie Festung bezwingen. Der Kurfürst war nicht auf biese Vorschläge eingegangen.<br />

Jener mißglückte Sturm vor Anklam mochte ihn bestimmen, ben<br />

sichersten Weg zu gehen unb erst, wenn ein Mißlingen unmöglich war,<br />

ben Sturm zu wagen. 2 ) Von feuern begannen bie Arbeiten gegen bie<br />

feinbtiche, schon so geschwächte Position.<br />

Am 4. Dezember waren bie Batterien in ber Bresche ber EontreeScarptf<br />

gegen baS halbe Bollwerk fertig, unb sofort begann bie Kanonabe. Die<br />

Pallisaben, Abschnitte unb Blockhäuser ber Belagerten lagen balb in<br />

Trümmern, unb ber Sturm auf ben Sftie<strong>der</strong>wall vor bem ^>eilgeifttf|or<br />

konnte in ber Stacht ins Werk gefetzt werben. Anfangs fetzten sich bie<br />

Branbenburger nach leichtem Wiberstanbe fest, bann versuchten bie Stettiner<br />

jeboch in breimaligem Anlauf sie wieber hinauSzufchlagen. Aber bie<br />

Belagerer behaupteten ihren Posten, schickten Mineure voran, bie sofort<br />

*) Bericht auS b. kurf. Lager, dazu Buch 16./26. RoVember, 20. /30. Roöember,<br />

„Kurtze boch warchaffte Beschreibung" unb „beS Rorbtfchen Krieges an<strong>der</strong>er Theil"<br />

7. Dezember, ber allein ben mißglückten Sturm Holstein'S erwähnt. — Den Betben<br />

von einanber unabhängigen Berichten, ber Relation auS bem kurf. Lager unb Buch,<br />

bk bezeugen, baß bie grüne Schanze freiwillig öon ben Schweben Verlassen fei, steht<br />

bie Erzählung im pomm. Greifen, pg. 204 f. gegenüber, bk Von einem breifachen<br />

©turnt unb Von einer tapferen Vertheibigung am 15./25. weiß.<br />

2 ) Vgl. Pomm. Waffenklang, pg. 22 f.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

ihre Arbeit begannen und den Wall untergruben. Jn <strong>der</strong> That glückte<br />

die Sprengung zweier Minen, und am 14. Dezember faßten die Brandenburger,<br />

nachdem <strong>der</strong> erste Versuch abgeschlagen war, auf dem Walle festen<br />

Fuß und verschanzten sich. 2 Tage darauf gelangten auch die Arbeiten<br />

vor <strong>der</strong> Kurtine zum Abschluß, indem die an ihrem Fuß liegende, breifach<br />

verpallisadirte Redoute, <strong>der</strong> Knopkäse, endlich genommen wurde. Die<br />

Mineure konnten mit ihrer Arbeit nun direkt unter <strong>der</strong> Kurtine ansetzen.<br />

Schon in <strong>der</strong> Üftacht vorher hatte man in ihrer Sftälje 2 LogementS erbaut,<br />

doch war es den Betagerten noch einmal gelungen, den Gegner zu vertreiben,<br />

bis man dann am Tage die Petarde befestigte und, ohne einen<br />

Mann zu verlieren, den Posten besetzte. Am 18. schon konnte die daselbst<br />

gelegte Mine zur Eyptosion gebracht werben. Anfangs schien eS, als hätte<br />

sie nicht bie gewünschte Wirkung gehabt, und so versäumte man eS, bie<br />

Steile zu besetzen. AIS sich nach einer RocognoScirung herausstellte, baß<br />

sie ein Loch geschlagen habe, in dem sich über 300 Mann Jnfanterie aufstellen<br />

konnten, war eS zu spät, ben Sturm zu wagen. Aber boch rückte<br />

ber Augenblick immer näher heran, wo bie Festung fallen mußte. Stimmen,<br />

bie wegen beS arg mitgenommenen Heeres zum Aufbruch mahnten, verhallten<br />

ungehört bei bem Kurfürsten. Jhm war bie Armee nicht Z^eck,<br />

sonbern nur Mittel zum Qwtd, baS sich bem Wohle beS Staates unterorbnen<br />

mußte. „Er wolle bie Stabt nicht eher Verlassen, ehe er sie erobert,<br />

unb solle er sich auch bavor begraben lassen". Mit biesen Worten wies<br />

er baS Ansinnen seiner Generäle zurück. 1 ) Er befahl, unter ber Kurtine<br />

noch zwei Minen zu graben, nach bereu Sprengung hier Posten zu fassen<br />

unb bann in ber Stabtmauer Bresche zu schießen, um burch einen Sturm<br />

ber langwierigen Belagerung ein Enbe zu machen. Am 20. Dezember<br />

erfolgte ihre Explosion, „so bergestalt ihren effect gethan, baß auch bie<br />

Graben Vor ben Wällen gleich bem platten ober flachen Laube gelegen, ja<br />

beybe Partheyen so nahe auf ben Wällen aneinanber gekommen finb, baß<br />

sie einanber baß Gewehr auß ben Hänben gerissen, unb nunmehr an Ehurfürstl.<br />

Seiten nichts mehr übrig, als einen General-Sturm Vorzunehmen". 2 )<br />

Da enblich begann ber Kommanbant Unterhaltungen anzuknüpfen.<br />

Schon feit Monaten machte sich ein Mangel an Truppen fühlbar. Die<br />

Ausfälle würben seltener, bie BefestigungSwerke konnten nicht mehr genügenb<br />

mit Besatzungen versehen unb mußten deshalb zum Theil Verlassen werben.<br />

Am 6. Dezember hielt Wulffen mit ben Offizieren einen KriegSratlj, ber,<br />

so gut eS anging, bem Mangel abzuhelfen suchte. ES würbe beschlossen,<br />

in ben Straßen bie Trommel zu rühren unb zur Verstärkung ber Besatzung<br />

Volk anzuwerben unter ber Bebingung, baß sie nicht länger im Dienste<br />

1 ) Pomm. Greif, pg. 207.<br />

2 ) Auch h^er Buch am ausführlichsten; vgl. ba$u bie Darstellung in <strong>der</strong><br />

Vefchreibung, pg. 57 ff,


122 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

verbleiben sollten, als die Belagerung dauerte. 1 ) Trotzdem hatte er kurz<br />

vorher eine Auffor<strong>der</strong>ung des Generalmajors V. Ende, feines früheren<br />

Waffengenossen, eS nicht zum Aeußersten kommen zu lassen, schroff abgelehnt,<br />

2 ) war ihm doch noch in <strong>der</strong> ersten Hälfte des Novembers von<br />

KönigSmarck die Nachricht zugekommen, daß im kurfürstlichen Preußen<br />

bereits <strong>der</strong> Anfang zur Ruptur Seitens Polens gemacht fei und daß man<br />

guerft an eine Befreiung Stettins denken werde. Er selbst verhieß gleichfalls<br />

noch einen Vormarsch zu wagen. Bürgermeister und Rath, die AlterSteute<br />

<strong>der</strong> Kaufmannschaft und <strong>der</strong> Hanptgewerbe wurden von <strong>der</strong> baldigen<br />

Ankunft <strong>der</strong> Hilfe in Kenntniß gesetzt und mit dem Hinblick auf sie zur<br />

Standhaftigkeit aufgefor<strong>der</strong>t. 0 ) Doch Woche auf Woche Verging, ohne daß<br />

ein Entsatz nahte. Bürgermeister und Rath baten bringend um die so<br />

lange versprochene Unterstützung, erfolge sie nicht, fei eine Uebergabe <strong>der</strong><br />

Festung unabwendbar. 4 ) Mitte Dezember lauteten die Nachrichten über<br />

bie Truppenbewegungen im Osten wie<strong>der</strong> bedenklich. Der Kurfürst ertheilte<br />

den Reiterregimentern Eller, Spaen unb Lübtke, sowie ben Jnfanterieregimentern<br />

Eanbat unb Jung-Holstein ben Befehl, von Minben, RavenSberg,<br />

Eleve unb Halberstadt heranzumarfchiren, sich mit dem Reiterregiment<br />

Derfflinger vor Stettin ^n vereinigen unb bie neumärkische unb hinter*<br />

pominersche Grenze zu schützen. Auch im branbeuburgifchen Lager glaubte<br />

man also offenbar an einen Einbruch in bie östlichen Gebiete. Ein paar<br />

Tage später erwiesen sich bie Meldungen als übertrieben unb falsch. „Jch<br />

bekomme solche Nachricht," schreibt BogiSlav V. Schwerin, „baß ber polnische<br />

Lärm nichts auf sich habe, fonbern bloß ein spargement sei Wohl gar Von<br />

Bewohnern aus benen kurfürftl. Lauben, bie vielleicht meinen, baburch bie<br />

Belagerung ^n heben. 5 )<br />

Jn ber Stabt würbe ber Wunsch von Tag zu Tag größer, mit bem<br />

Kurfürsten einen Accorb abzuschließen. Der Oberst Jsensee, ber bie wiberstrebenben<br />

Bürger immer am meisten beschwichtigt unb allen Einfluß aufgewanbt<br />

hatte, sie zur weiteren Gegenwehr zu ermuntern, war töbtlich<br />

verwunbet, ein lieflänbifcher SuccurS würbe nicht mehr Vor bem Frühjahr<br />

erwartet, ber Vorrats) an Pulver neigte sich bem Enbe zu. Die Belagerer<br />

*) Diar. Obs., pg. 41.<br />

2 ) V. Enbe an Wulffen 16./26. RoVember nebst Antwort Vom 17./27. in Abschrift<br />

in Mns. bor. fol. 181.<br />

3 ) KönigSmarck an Bürgermeister und Rath, ©tralfunb 2./12. Dezember,<br />

ebenso an Wulffen und bie Altersleute ber Kaufmannschaft unb ber 9 Hauptgewerbe<br />

im G. St, von ersterem Abschrift in Mns. bor. fol. 181.<br />

4 ) d. d. 12./22. Rovember 77 im G. St.<br />

5 ) Schreiben auS Bütoro an Fr. W. 26. Rovember/6. Dezember, (Statt<br />

©targarb an Fr. W. 2./12. Dezember im G. St. — AuS biefem Grunbe, nicht wie<br />

in ben gleichzeitigen Berichten angeführt wirb, um Vor Stettin VerWanbt zu werben,<br />

erging ber Befehl zum Marsch an jene Regimenter am 2./12. Dezember im G. St.,<br />

©chtcerin'S Brief, d. d. ©targarb 10./20. Dezember im G. St.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 123<br />

standen an 2 Punkten, Vor dem ^>citgetfttf)or und vor dem Frauenthor,<br />

auf dem Walle und waren im Begriff, daselbst Batterien zu errichten und<br />

Bresche in die Stadtmauern zu schießen, ein sicherer Vorbote des Sturmes.<br />

Die Erwägungen hierüber mußten in Wulffen den Gedanken an eine<br />

ehrenvolle Kapitulation wach werden lassen. Er ließ die vornehmsten<br />

Bürger in sich kommen und eröffnete ihnen seine Meinung, die ihre volle<br />

Zustimmung fand. Einen willkommenen Anknüpfungspunkt bot ihm jener<br />

Brief Ende'S, <strong>der</strong> ihn bat, ihm Vertrautich zu eröffnen, ob er dafür halte,<br />

daß „honorables conditions für die hiesige SoldateSque und Bürgerschaft<br />

in erlangen seyn möchten". „Obwohl", so fährt er fort in einem zweiten<br />

Briefe, „atlrjier <strong>der</strong> letzte Agon Gottlob nicht vorhanden, son<strong>der</strong>n zu längerer<br />

männlicher Gegenwehr we<strong>der</strong> Muth noch Mittet ermangeln, so kommen<br />

doch etliche Umstände für, die uns ^n an<strong>der</strong>n Gebanken bewegen." Er<br />

ersuchte ihn, in seinem tarnen den Kurfürsten zu benachrichtigen, daß er<br />

entschlossen fei, sich auf eine Kapitulation einzulassen. „Jch zweifle nicht,<br />

M. H°tf)9- -&err Bru<strong>der</strong> werbe mit solchem Anbringen, woburch er biejenige<br />

Jungfer, bie sich so lange bewahret, in bie Arme eines burchl. Anwerbers<br />

offeriren kann, so wenig unangenehm fein, ats Jhr Erjurf. Durch!, selbst<br />

Dero höchsten Generosität nach uns nicht verbenden können, baß wir<br />

atlf)ier unserer Pflichten zufolge Alles gethan, was bie Ehrbare Welt von<br />

rechtschaffenen Leuten erforbert." 1 )<br />

Jm Hauptquartier unb in ben Lagern ber Lüneburger unb Branbenburger<br />

herrschte große Freube über biesen Entschluß, ber bem beschwerlichen<br />

Kampfe balb ein Enbe machen sollte. Der Kurfürst ging sofort auf baS<br />

Anerbieten ein, unb noch an bemfelben Tage, am 23. Dezember, konnte<br />

v. Enbe ben tapferen Kommanbanten hiervon in Kenntniß setzen.<br />

Ein Briefwechsel zwischen Wutffen unb bem Kurfürsten führte bie<br />

Denomination ber beiberseitigen Geiseln unb Kommisfarien Seitens ber<br />

Schweben unb ber Stabt herbei. Als schwebische Geiseln gingen in baS<br />

kurfürstliche Lager ber Major Bubtberg unb ber Kapitän be BescheS, vom<br />

Kurfürsten würben ber Major V. b. Lülje unb Kapitän Krusemard in bie<br />

Stabt hineingeschidt. Sowie bie Auswechselung ber Geiseln unb bie<br />

Ankunft ber Kommissarien, Generat-Major piantin, Oberst Uchteritz unb<br />

KriegSrath AlbinuS nebst bem Sekretär Hoffen *>on ber Garnison unb<br />

Bürgermeister Schwellengrebel, SynbikuS Dr. EorSwanbt, Kämmerer<br />

Freiberg nebst bem Sekretär ^)ttbebranbt von ber Bürgerschaft, unter<br />

sicherem Geleit im branbenburgischen Hauptquartier angekommen waren,<br />

begann am 25. ein zweitägiger Waffenstiltstanb, „alle H°ftitität unb Arbeit<br />

von beiben Seiten sollte cessiren, boch baß babei alles Uebergurfen unb<br />

*) v. Wulffen an V. Enbe 12./22. u. 13./23. Dezember im G. St. — Hier<br />

befinden sich Sämmtliche über die Kapitulation handelnden Briefe, die sofort im<br />

Druck veröffentlicht und von den meisten Darstellungen gleichfalls abgedruckt find.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Gespräch Von beyden Seiten vermyden bleiben". Vom Kurfürsten wurden<br />

keine Kommissarien ernannt, son<strong>der</strong>n er beauftragte jene, in <strong>der</strong> Audienz<br />

die Accordbebingungen ihm schriftlich zu übergeben und sich von ihm selbst<br />

die Antwort zu holen. Die Abgesandten <strong>der</strong> Stadt überreichten dem Kursurften<br />

eine „aller Untertänigste Supplikation von Burgermeister und<br />

Rath'wie auch gemeiner Burgerschaft <strong>der</strong> Stadt Alten Stettin". „Jhrer<br />

Pflicht gemäß hätten sie treu zu dem König von Schweden gehatten, da<br />

bie Hilfe ausgeblieben sei, so könnten sie nicht an<strong>der</strong>s befinden, als baß sie<br />

ber necessität unb Von Gott bestimmter Aenberung sich submittiren, mit<br />

ber Bitte, sie gnäbigst unter seine Regierung aufzunehmen." 1 )<br />

Friebrich Wilhelm unterschrieb schon am Nachmittag beS 26. Dezember<br />

bie Bebingungen, am folgenben Tage Morgens um 9 Uhr fanbte Wulffen<br />

ben unterzeichneten Vertrag betn Kurfürsten zu. Die schwebischen National-<br />

Völker ziehen „mit fliegenben F a h n en unb Estanbarten, ktingenbem Spiel,<br />

Vollem Gewehr, Sack unb Pack" aus unb werben nach Lieflanb ober über<br />

Kolberg nach Schweben convoyirt. Die beutschen Truppen jeboch, Offiziere<br />

unb Gemeine, müssen zufolge ber Avokatorien bie schwebischen Dienste<br />

verlassen. Sollte nicht alle Bagage mitgenommen werben können, so barf<br />

sie im Frühjahr bei offenem Wasser abgeholt werben. Die Beschäbigten<br />

unb Kranken bleiben bis znr Genesung in Stettin unb werben verpflegt.<br />

Alle Stücke, Munition unb Proviant muß bem Kurfürsten überliefert<br />

werben, boch erhält Wulffen bie Erlaubniß, sich 2 Stücke auszusuchen unb<br />

mitzunehmen. Jn RetigionSsachen versprach ber Kurfürst keine Veräuberungen<br />

zu treffen, alle ?üti)U unb Privilegien einzelner Stifter sowie<br />

ber ganzen Stabt zu schirmen. Gleich nach Vollziehung beS AccorbeS wirb<br />

ihm baS Paffau'sche Thor sammt bem baran gelegenen Bollwerk, bem<br />

KönigS-Bollwerk, ebenso ber Posten auf ber Parnitzbrürfe auf ber Lastabie<br />

eingeräumt. 2 ) Jene Punkte besetzten sofort am Nachmittage bieseS TageS<br />

16 Kompagnien Jnfanterie, je 4 von ben Regimentern Kurfürst, Kurfürstin,<br />

Derfflinger unb Dofjna, im Ganzen 2000 Mann unter bem Kommanbo<br />

ber betben Obersten V. Schtabrenborf unb V. Borstel, ben Kommanbeuren<br />

ber beiben ersten Regimenter. 10 Kompagnien blieben in ber Stabt,<br />

währenb 6 nach ber Lastabie abrückten. Am 1. Januar 1678 zog bie<br />

tapfere Besatzung aus, nur bie Deutschen mußten zurückbleiben. Durd)<br />

bie in Reih und Glieb aufgestellten Branbenburger rückten sie nach ber<br />

Lastabie ab, unter 21 Fahnen unb 1 Stanbarte 270 Mann zu F u ß unb<br />

*) V. Wulffen an Fr. W. 14./24. Dezember nebst undatirter Antwort, dazu<br />

Buch zum 15./25. Dezember.<br />

2 ) Accord Puncta, Welche zwischen ©r. Ehurfürftl. Durchlauchtigkeit %\x<br />

Brandenburg etc. und bem General-Lieutenant als Dber=Eonttnanbanten ber


Die Felbzüge deS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 125<br />

9 Reiter mit den beiden ihnen überlassenen halben Karthaunen. General-<br />

Iteutenant Wulffen bekam die Erlaubniß, nach Stralsund zu gehen und<br />

dem Grafen KönigSmarck Bericht abzustatten. 100 Stücke, 12 F a hnen<br />

und 1 Standarte von den vollständig aufgeriebenen Kompagnien fielen in<br />

die Hände deS Siegers. 1 )<br />

Bis IM dem Tage deS feierlichen Einzuges, dem 6. Januar, war die<br />

Bürgerschaft damit beschäftigt, die ärgsten Spuren <strong>der</strong> Belagerung zu Verwischen.<br />

„ES befand sich die Stadt in jämmerlichem Zustande, denn keine<br />

Gasse war, da man ungehin<strong>der</strong>t gehen kunte, weil halbe und gantze Giebel<br />

durch daS abscheuliche schiesfen in dieselbe gestürzt lagen. So war auch<br />

fast nicht ein H au 6 in <strong>der</strong> gantzen Stadt, daS nicht zu Grund verdorben<br />

war. Kaum 10 o<strong>der</strong> 20 Stuben waren in allen Häufern brauchbar, alles<br />

hatten die Granaten zerschmettert, vorauß war so vieler Kirchen und Gotteshäuser<br />

gäntzlicher Ruin kläglich anzusehen, und sahe Alles einer Verwüstung<br />

ähnlicher als einer bewohnten Stadt." 2 )<br />

Am Morgen des EinzugStageS nahm die ganze Bürgerfchaft in<br />

3 Kompagnien auf dem Schloßplatz, dem Kohlmarkt und dem Roßmarkt<br />

in guter Ordnung unter Gewehr Aufstellung. Mit großem militärischem<br />

Prunk kam <strong>der</strong> Zug zum Passau'schen Thor heran, wo <strong>der</strong> Kurfürst vom<br />

Ratlje empfangen und ihm die Schlüssel <strong>der</strong> Stadt übergeben wurden,<br />

üftach <strong>der</strong> HntdigungSprebigt in <strong>der</strong> Kirche verlas <strong>der</strong> Oberpräsident<br />

V. Schwerin den HnldigungSeid, <strong>der</strong> von den Bürgern unter dem Rufe:<br />

„Lange lebe das Shnr-Hauß Brandenburg!" nachgesprochen wurde. AuS<br />

allen Kanonen <strong>der</strong> Stadt und von den Batterien im Lager ertönten Salven.<br />

Bis zum Abend verweilte <strong>der</strong> Kurfürst auf dem Schlosse, dann kehrte er<br />

in daS Lager zurück und schon am folgenden Tage erfolgte <strong>der</strong> Aufbruch<br />

nach Berlin, wo er am 10. Januar mit seinem ganzen Hofstaate anlangte<br />

und seinen feierlichen Einzug hielt. 3 )<br />

Mit dem Kurfürsten waren auch seine Regimenter von Stettin aufgebrochen.<br />

Der größte Theil von ihnen marfchtrte durch die Marken<br />

hindurch nach den den Brandenburgern angewiesenen Quartieren. 4 ) Ein<br />

1 ) „DeS nordischen Krieges an<strong>der</strong>er Theil", pg. 191. Danach haben die Schweben<br />

an Offizieren Verloren 2 Obersten, 1 Oberstlieutenant, 4 MajorS, 40 Eapttäne und<br />

fast ebenso Viele Fähnriche.<br />

2 ) Vgl Beschreibung, pg. 63 u. b. pontm. Greif, pg. 218 f.<br />

3 ) Die Einzugsfeierlichkeiten am eingehendsten in <strong>der</strong> Beschreibung.<br />

4 ) VQI. U. U. A. XIV, pg. 876 ff. QuartieranseleQenhett 1676/78 u. Puf. XIV,<br />

§ 20. Danach erhielt er folgende Gebiete: Magdeburg, Mecklenburg, Anhalt, baS<br />

gegen Zahlung Von 60000 Thalern Von allen weiteren Kriegslasten befreit fein<br />

sollte, ESSen, Verben, Dortmunb, Lüneburg, Eltern, Oueblinburg, Herforb, Schroarzbürg,<br />

ManSfelb, ©tolberg, Vogtlanb. Die


126 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Theil, nämlich die Regimenter Kurfürst, du Hantel, H°mburg und Printz<br />

zu Pferde, Dönhoff und BomSdorf zu F u ß und'die Dragonerregimenter<br />

Schlieben unb Holstein brachen nach einer inxitn Rast in den Aemtern<br />

Sfteu-Stettin, Lauenburg und Bütow nach Ostpreußen auf unter dem<br />

Kommando beS Prinzen von H°mburg, um hier einem Einfall <strong>der</strong> Polen<br />

und Schweden, den man noch immer befürchtete, entgegenzutreten. Die<br />

Regimenter wurden in den an <strong>der</strong> Grenze gelegenen Städten Tilsit, Jnsterburg,<br />

Ragnit und Goldack in Garnison gelegt, „so baß sie sicher und ohne<br />

son<strong>der</strong>bahre Beschwerde deS Landes stehen unb auf den Nothfall gefchwinbe<br />

Zusammengezogen werben können". Die LanbeSmiliz, bie man gleichfalls<br />

aufgeboten hatte, würbe zu einer starken Kompagnie formirt. 1 ) Allein noch<br />

einmal ging bie Gefahr vorüber. Die fchwebifchen Truppen, bie an ber tieftänbifchen<br />

Grenze gestanden unb vor beren Einfall man sich gefürchtet<br />

hatte, zogen sich zurück, so baß keine weitere Gefahr zu befürchten war.<br />

Die Regimenter würben weiter auSeinanber quartirt, um sich besser rekrutiren<br />

Zu können unb bie Bevölkerung weniger zu bebrüden. Die Miliz erhielt<br />

ben Befehl, Wieberum auSeinanberzugehen. 2 ) Damit hatte bie Eampagne<br />

von 1677 ihr Enbe erreicht.<br />

Außer ben Truppen, bie gleich in bie Stabt eingezogen waren, erhielt<br />

Stettin noch baS Schöning'sche Regiment als Besatzung. Kommanbant<br />

ber Festung würbe Oberst V. Borstel, Artillerieoffizier vom platz ber bisherige<br />

Stüdhauptmann z u Wesel, Steutner, ber 1678 auch zum Oberingenieur<br />

ber vorpommerfchen Festungen ernannt würbe. Generalmajor<br />

v. Schwerin erhielt baS Gouvernement über alle vorpommerfchen Festungen,<br />

Felbmarschall V. Derfflinger würbe zum Obergouverneur von Pommern<br />

ernannt unb beut H er Z°9 °°n Holstein bie Jnfel itsebom, ober Wenn biefe<br />

Zu ben Domänen gelegt werben sollte, 12000 Thaler verliehen. 3 )<br />

Die tauge Belagerung hatte auf bie Stabt eine verl)eerenbe Wirkung<br />

ausgeübt. Der Wohlstand ber Bürger lag banieber. Der Kurfürst gewährte<br />

ihnen 10 Jahre lang freie f^ifdEjerei auf ber Ober unb in bem<br />

Haff, verpflichtete sie jeboch zugleich, auS biefen reichen Einkünften bie<br />

Kirchen, bie im Laufe ber Belagerung vernichtet waren, wieber aufzubauen.<br />

Die Jakobikirche versprach er aus eigenen Mitteln wieber herzurichten.<br />

2443 Bürger sollen im Laufe ber Belagerung gefallen fein. Obwohl die<br />

Stadt anfangs reichen Vorrath an Proviant gehabt hatte und alle SicherljeitSmaßregetn<br />

für dessen Zufuhr getroffen waren, machte sich zuletzt boch eine<br />

bebenkttche Theuerung geltenb. Der Preis ber Lebensmittel stieg htbtnknb<br />

1 ) DrbreS an Homburg, d. d. (Stettin 23. Dezember 77/2. Januar 78,<br />

20./30. Januar u. 15./25. Februar 78 in Abschrift im G. St. - Vgl. F- fiirfdj<br />

a. a. O., pg. 30 f.<br />

2 ) Ordre an Homburg, d. d. SMn 4./14. März ebendaselbst.<br />

3 ) Vgl. Beschreibung 64 ff. u. K. W. v. Schöning: Historisch = biogr. 9?ach=<br />

richten, pg. 99.


Die Felbzüge be§ großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 127<br />

und machte die Bürgerfchaft einem Accord geneigter, <strong>der</strong> endlich die Belagerung<br />

beendete und Stettin in die Hände deS Kurfürsten lieferte. 1 )<br />

Aber auch chm hatte die Einnahme dieser Beste gewaltige Opfer gekostet,<br />

fast die Hälfte deS Belagerungsheeres, an lOOOO Mann, sollen todt o<strong>der</strong><br />

doch kampfunfähig gewesen sein; beson<strong>der</strong>s die Kavallerie hatte stark gelitten.<br />

Jm gordischen Kriege" wird berichtet, daß 30000 Granaten, 24 000 Hand*<br />

granaten und 150000 Stüekkugeln nebst 8991 Eentner groben Pulvers<br />

in die Stadt hineingeschossen seien. Die tägliche Kanonade kostete im<br />

September an 6000 Thater. 2 ) Allein <strong>der</strong> fttvtd war erreicht. Voller<br />

Freude theilte Friedrich Wilhelm am 27. Dezember seinen Räthen in Berlin<br />

die Nachricht von <strong>der</strong> Kapitulation Stettins mit und befahl, daß in allen<br />

seinen Landen ein Dankfeft abgehalten werben solle. Buch wurde sofort<br />

an den Kaiser abgesandt, um ihm von dem errungenen Erfolge Mittheilung<br />

ZU machen. Die Kunde von feinem Ruhm erschallte in aller Welt. Tartarische<br />

Gesandte waren nach Stettin gekommen und hatten ihm Hülfe angeboten.<br />

Zahlreiche Glückwünsche von beutschen Fürsten und Städten sowie auswärtigen<br />

Fürsten liefen in Berlin ein. 8 ) Seine Unterthanen begrüßten chn<br />

mit „schönen poetischen Gedichten und Lie<strong>der</strong>n". Jn alten Distichen wollte<br />

man schon die Eroberung <strong>der</strong> Festung in diesem Jahr vorausgesehen haben.<br />

Der Kurfürst ließ eine Reche von Denkmünzen zur Erinnerung prägen. 4 )<br />

Welches waren denn nun die Gründe, weshalb sich die Eroberung<br />

Stettins so lange hinausschob? — Friedrich <strong>der</strong> Große urtheilt in seinen<br />

Memoiren folgen<strong>der</strong>maßen über die Kämpfe um Stettin: „selon la methode,<br />

dont on se sert pour assieger les places ä present, cette bicoque aurait<br />

ete incapable de faire une longue resistance; alors les troupes de<br />

1'Electeur accoutumees aux guerres de campagne n'avaient point l'esperience<br />

des sieges; elles etaient excellentes pour les coups de main,<br />

mais elles menaient peu de gros canons, peu de mortiers avec elles,<br />

et elles manquaient surtout d'habiles ingenieurs." 5 )<br />

Friedrich Wilhelm hat sich bei <strong>der</strong> Belagerung von Stettin fast aus*<br />

schließlich <strong>der</strong> alten methodischen Kriegsführung bedient. Slur darin, daß<br />

er erst alle Batterien aufstellen und dann das Feuer auf alle Werke gleich-<br />

*) Pomm. KrieöSpofttHon, pg. 53 u. Böhmer a. a. D., pg. 68, K. W.<br />

ö. ©chöntnQ: Hiftor.=biogr. Rachrichten.<br />

2 ) Rorbifcher Krieg andrer Theil, pg. 190, Beschreibung, pg. 49.<br />

3 ) Ueber die tartarische Gesandtschaft Vßl. Buch zum 9./19.. Dezember. —<br />

Folgende Glückwunschschreiben befinden sich im Gr. St.: Von den ©tauben <strong>der</strong> ein=<br />

zelnen LanbeStljeile, ber Universität Frankfurt, bem Kaiser Leopolb, Ferbinanb<br />

Maria von Baiern, Johann Friedrich von Hannover, Günther von Hotstein-Aucjusten=<br />

bürg, Peter Philipp Von Bamberg, Wilhelm Christoph Von Hefsen-BinQenheun,<br />

Gart von Hefsen=Kasset, Philipp Von ber Pfalz, Adolf Von Holstein=ptön, Johann<br />

©eorg von Sachsen, Sart von England unb Carl von Spanien.<br />

4 ) Vgl. Beilage Rr. III.<br />

5 ) Oeuvres de Fre<strong>der</strong>ic le Grand Tome I, pg. 78 f.


128 DieFelbzüge be£ großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Zeitig eröffnen ließ, schloß er sich an den zeitgenössischen Meister in <strong>der</strong><br />

Belagerungskunst Vauban an. Z ltr Annäherung an die Festung und zu<br />

ihrer Umschließung bediente er sich <strong>der</strong> einfachen Laufgräben und Trancheen.<br />

Die eigentlichen Parallelen, die, seit <strong>der</strong> Belagerung von Maastricht 1673<br />

Von jenem für sich zum Princip erhoben, in dreifachem Gürtel um bie<br />

Festung sich herumlegten, hat <strong>der</strong> Kurfürst vor Stettin nicht angewendet.<br />

Statt <strong>der</strong> Von Vauban in jenen Linien aufgeworfenen LogementS für<br />

Jnfanterie und Kavallerie mußte er erst weittäuftige, geschlossene Redouten<br />

und Batterieen errichten, bevor daS Bombardement beginnen konnte. Mit<br />

aller Vorficht und Behutsamkeit wurden die Vorrichtungen getroffen. F u r<br />

Belagerungen hatte er jetzt vollkommen Vauban'S Grundsatz sich zu eigen<br />

gemacht: „la precipitation dans les sieges ne häte jamais la prise des<br />

places, la recule souvent et ensanglante toujours la scene". 1 ) Die<br />

Zusammensetzung deS brandenburgischen H eer eS war für einen langen<br />

Belagerungskrieg die denkbar ungünstigste. Die Kavallerie behauptete im<br />

Verhältniß zur Jnfanterie daS Uebergewicht im Heere, ein für rasche offensive<br />

Vorstöße nicht zu unterschätzen<strong>der</strong> Vortheil, <strong>der</strong> jedoch bei langen Belagerungen<br />

hemmend einwirken mußte. Die Reitertruppen wurden nur zur Abwehr<br />

feindlicher Angriffe von außen her und zur Deckung <strong>der</strong> Belagerungsarbeiten,<br />

nicht zu diesen selbst verwendet. Jf)re kostspielige Unterhaltung erschwerte<br />

die an sich schon mühsame Verproviantirung beS Heeres noch mehr. Es<br />

gebrach an ausgebildeten Genie- und Jngenieurtruppen und Offizieren zur<br />

Leitung <strong>der</strong> Belagerungsarbeiten, so daß bie rasche Bezwingung einer Festung<br />

mehr auf einen glücklichen Z u fatl, als auf Berechnung beruhte, und baß,<br />

sobald <strong>der</strong> Gegner tapfere Gegenwehr leistete unb selbst offensiv mit Ausfällen<br />

unb Eontreminen vorging, bie Einnahme sich verzögerte, wenn nicht<br />

gar zur Unmöglichkeit würbe. Diese beiben Grünbe finb eS, bie bie Vertheidigung<br />

Stettins so sehr begünstigten. Jn bem Punkte irrt jeboch<br />

Friebrich ber Große offenbar, wenn er meint, baß auch die Artillerie ben<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen nicht Genüge geleistet habe. Wol)l vor keiner anbereu<br />

Festung ist in jener Zeit eine so gewaltige Gefchützmafse angewenbet worben,<br />

unb bie schnelle Kapitulation von Stralsunb im folgenben Jahr nach einem<br />

12 1 /2stünbigenBombarbement legt ein glänzenbeS Zeugniß für bie Tüchtigkeit<br />

ber branbenburgifchen Artillerie ab. Jn ein um so helleres Licht tritt dieser<br />

Thatfache gegenüber bie fachkunbige Leitung ber Vertheibigung burch SBulffen,<br />

bie zähe AuSbauer unb alle Welt in Bewunberung verfetzenbe Tapferkeit<br />

ber Garnison uub ber Bürger von Stettin.<br />

Drei Jahre hinburch hatte KönigSmard unter geschickter Benutzung<br />

*) Vgl. auch Ranke a. a. O., pg. 323. — Ungerechtfertigt erscheint baS<br />

Urtheil beS Freiherrn DubiSlaV Gneomar V. Ratzmer in feinen Memoiren, pg. 31,<br />

herausgegeben Von Eufenia Gräfin Baüestrem: „Jch will nur dabei bemerken, ba^<br />

sie nicht am besten geführt würbe und beS^alb bis in den späten Winter dauerte."


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 129<br />

<strong>der</strong> strategisch wichtigen Punkte Pommerns den Vertheidigungskampf gegen<br />

den Kurfürsten und seine Bundesgenossen geführt, mit <strong>der</strong> strategischen<br />

Defensive eine Reihe von taktischen Vorstößen verbunden und eS verstanden,<br />

jeden ihm gebotenen Vortheil auszunutzen. Sftoch einmal gelang ihm solche<br />

taktische Offensive. Durch die Sorglosigkeit und die kecke Siegeszuversicht<br />

des dänischen Dberkommandirenden auf Rügen, des Generalmajors V. Rumohr,<br />

sowie die Verzögerung, welche die Absendung <strong>der</strong> brandenburgischen Hülfstruppen<br />

nach <strong>der</strong> Eroberung von Stettin erlitt, ging jene Jnsel am 18. Januar<br />

für die Verbündeten Verloren. S^och einmal waren umfangreiche Zurüstungen<br />

ZU einem neuen Feldzuge seitens des Kurfürsten erfor<strong>der</strong>lich. Erst im November<br />

des folgenden Jahres hatte man die Eroberung Pommerns endgültig vollendet.<br />

Die Diversion an Preußen kam zu spät, <strong>der</strong> Kurfürst konnte sich ifjr persönlich<br />

entgegensetzen und feine Lande in einem kurzen Winterfeldzuge Von dem<br />

Feinde befreien. Freilich seine Hoffnung, nun endlich die Län<strong>der</strong> des alten<br />

Greifenstammes mit seinen Marken zu vereinen, sollte nicht in Erfüllung<br />

gehen. Wie<strong>der</strong>um zeigten sich die Verhältnisse und Jdeen mächtiger als<br />

fein Wille uud die iljm zu Gebote stehenden Kräfte. Er mußte dem energischen<br />

Drohen Frankreichs im Frieden z u St. Germain nachgeben und auf<br />

Pommern verzichten. Erst seinem Enkel war eS vorbehalten, den Schweden<br />

wenigstens den wichtigsten Stützpunkt ihrer Macht, Stettin mit dem Gebiete<br />

bis zur Peene, unter günstigeren politischen Verhältnissen zn entreißen.<br />

•<br />

fealttföe Shtbten tt. fr U 9


130 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

e 11 a g e tu<br />

L Bfärftt ttv BranöniButJQifdjm 'Eriegsmadjl in htm<br />

Folgende Angaben über die Stärke und Zusammensetzung des brandenburgischen<br />

HeereS im pommerschen Feldzuge 1675 lassen sich zusammenstellen:<br />

1. Winterquartierliste <strong>der</strong> brandenburgisch-preußifchen Armee 1675 bis<br />

1676 im Königsberger Archiv, mitgetheilt von V. d. OelSnitz: Geschichte<br />

des Königlich Preußischen Ersten Jnfanterie-RegimentS, Berlin 1855,<br />

pg. 146 f. Danach gehörten zur Armee:<br />

Jnfanterie.<br />

Generalstab in Ruppin.<br />

Garde in ^eubrandenburg.<br />

Derfflinger in 3 er ^s^-<br />

Graf Dohna in Pafewalk.<br />

Herzog von Holstein in Magdeburg.<br />

Goltz in ^eustadt-EberSWald.e.<br />

Götze in Ruppin.<br />

Graf Döhnrjoff in und um Lenzen.<br />

Fargel in Friedland.<br />

Schöning in Prenzlau.<br />

Kavallerie.<br />

Leibregiment in ^eubrandenburg.<br />

Churprinz in <strong>der</strong> ^eumark.<br />

Derfflinger in Havelberg u. WttSnad<br />

Fürst v. Anhalt in Neustadt u. Grabow.<br />

Görtzke in Perleberg.<br />

Lüdtke in Prenzlau.<br />

Prinz in Wusterhausen und Kyritz.<br />

BrudSdorf in <strong>der</strong> S^eumark.<br />

Eroy o<strong>der</strong> Hülfen in <strong>der</strong> Stteumark.<br />

Frankenberg in Parchim.<br />

Herzog Sachsen-Gottja in Barby.<br />

Hennig in Malchow.<br />

Dragoner.<br />

Derfflinger in Wittstod. Grumbkow in Parchim.<br />

Husaren in Malchin. Artillerie in Krofsen und Sternberg.<br />

Trabanten in Wriezen, Fnrstenwalbe, Teltow, KottbuS, BeeSkow.<br />

Alle diese Regimenter außer dem Reiterregiment „Prinz" finden sich<br />

auch in dem „Versuch und AuSzug einer Geschichte <strong>der</strong> El)urfürstlich<br />

brandcnburgifchen und nachherigen Königlich Preußischen Armee" von dem<br />

Herzog August Wilhelm von Braunfchweig-Bevere, mitgetheilt in den<br />

Märkischen Forschungen XIX, pg. 14 f. (Jnf.-Reg. Götze-BomSdorf<br />

und Kav.-Reg. Brucfsdorf-du Hamel nach v. Mülverstedt: Die brandenburgische<br />

Kriegsmacht unter dem Großen Kurfürsten, pg. 219 und 128.)


Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 131<br />

Obige Liste giebt nur die Znsammensetzung <strong>der</strong> brandenburgischen<br />

Hauptarmee ohne Stärkeangaben, genauere Nachrichten finden wir über<br />

den Bestand <strong>der</strong> kleineren Korps und <strong>der</strong> Garnisontruppen, nämlich<br />

2. Beilage zu einer Jnstruktion deS Kurfürsten an Johann Georg,<br />

d. d. Perleberg 28. Juni/8. Juli 75 (Jnstruktion gedruckt bei Orlich<br />

a. a. O., Bd. III S«r. 314) im Z. A.:<br />

„Truppen, welche anitzo in <strong>der</strong> Ef)ur- und Mark Brandenburg unbt<br />

Hinterpommern fein sollen:<br />

Infanterie Dragoner Cavallerie<br />

Garde 1200<br />

Landt Regiment 1200<br />

Dona 1400<br />

Francffurth 200<br />

Helldorf 500<br />

Spandow 400<br />

^ßeitz 300<br />

Oberberg 100<br />

Solberg 1000 100<br />

Obr. Mörner 100<br />

Summa<br />

Da von könten<br />

Jn Bertin<br />

Eüstrin<br />

LandtSberg<br />

Driesen<br />

Frankfurt!)<br />

Eroßen<br />

Spandow<br />

^ßeitz<br />

O<strong>der</strong>berg<br />

Rathenow<br />

Havelberg<br />

Fehr Betiin<br />

Eremmen<br />

Ouranienburg<br />

Liebenwalde Neustadt<br />

undt Steinförde<br />

Solberg<br />

6300<br />

bleiben<br />

1200<br />

800<br />

200<br />

200<br />

200<br />

50<br />

300<br />

300<br />

100<br />

100<br />

50<br />

50<br />

50<br />

50<br />

300<br />

800<br />

100 100<br />

undt verleget werden<br />

100<br />

Summa 4750 100<br />

Die hier fehlenden Truppen, beson<strong>der</strong>s die Garde, find mit Anhalts<br />

Truppen vereinigt worden (vgl. 3).<br />

9*


132 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

3. „Beilage zn <strong>der</strong> Jnstruktion beS Kurfürsten an Johann Georg,<br />

d.d. Schwaan 21./31. August 75 (Jnstruktion abgedruckt bei Drlich a. a. O.<br />

III, JRr. 330) im Z. A.:<br />

Cavallene Dragoner<br />

1. Compagn. Mörner 109 Schächsische 500<br />

2. Compagn. Croy 200 Auß Preußen 1200<br />

1. Compagn. Pommern 100 Auß Pommern 100<br />

409 . 1800<br />

Infanterie<br />

Leibregiment 1200<br />

Ehur-Printz 200<br />

Sächsische 1000<br />

Eüstrin 478<br />

Solbergk 300<br />

Peitz 100<br />

Helborf 500<br />

Franckfurth 100<br />

3878<br />

Davon erhielt Schwerin zu feinem Unternehmen:<br />

Cavallerie Dragoner Infanterie<br />

2. Comp. Croy 200 #oljnborf 600 AuS Kolberg 300<br />

1. Comp. Pommern 100 Schlieben 600<br />

Aus Pommern 100<br />

300 1300 300<br />

Das Heer Johann Georg'S betrug also:<br />

109 500 3578.<br />

4. $ftach <strong>der</strong> Braunschweig-Bevernfchen Lifte betrug die Gesammtftärke<br />

des branbenburgifchen Heeres, soweit es 1675 gegen Schweben agirt hat,<br />

20000 Mann Jnfanterie, 8700 Mann Kavaüerie, 2400 Dragoner. Um<br />

bie Stärke ber Hanptarmee zu bekommen, müssen von biefen folgenbe<br />

Truppen abgezogen werben, bie bort miteinbegriffen finb:<br />

a) Garnifonkompagnieen la Eave unb Jnfanterie Kavallerie Dragoner<br />

bu pieffis in Preußen u. Magbeburg 1200<br />

b) Bolfey auf ben Schiffen 569<br />

c) Jn Westfalen bie beiben Jnf.- unb<br />

Kav.-Regimenter Spaen unb Euer 2000 1200<br />

d) Anhaltfche unb Schwertnsche Truppen<br />

ohne bie Sachsen 2878 409 1300<br />

6647 1609 1300.<br />

Ziehen wir biese Summe von ber obigen ab, so ergiebt sich als<br />

Bestanb ber Hauptarmee: 13353 Mann Jnfanterie, 7091 Mann Kavallerie,<br />

1100 Dragoner.


Die gelbzüge des großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 133<br />

Diese Berechnung gilt natürlich nicht ohne jegliche Einschränkung.<br />

®S ist fraglich, ob die Regimenter thatsächlich immer in <strong>der</strong> vollen Etatsstärke<br />

vorhanden gewesen sind, wie Bevern sie angiebt. Aber daß sie einigermaßen<br />

annähernd die Stärke deS brandenburgifchen Heeres wiebergiebt, zeigt sich<br />

daraus, daß sie sich ungefähr mit den Angaben im Diar. Eur. XXXII,<br />

Rachrichten aus dem Juni 1675, wo 22000 Mann, und im Verw. Eur. II,<br />

pg. 783, it)o 18000 Mann für die Hauptarmee angegeben werden, deckt.<br />

Für das Jahr 1676 ergiebt sich ungefähr die gleiche Stärke. Z^ar<br />

find die beiden Jnfanterieregimenter Spaen und Eller aus Westfalen zu<br />

<strong>der</strong> Hauptarmee hingezogen worden, zn <strong>der</strong> später auch noch einzelne<br />

Theile deS früheren Anfjatfschen KorpS stießen. Allein bringt man die<br />

Verluste in Anschlag, die <strong>der</strong> Kurfürst 1675 im Winter erlitten hat, so<br />

darf man jene Verstärkung nicht zu h°tf) anschlagen.<br />

Ueber die Znsammensetzung deS Heeres bei <strong>der</strong> Belagerung von Stettin<br />

liegen 2 Angaben vor:<br />

1. Eine Lifte in ber „Beschreibung <strong>der</strong> Stadt und Festung Alten?<br />

Stettin", pg. 63, die Von dem „Gordischen Kriege andrer Theil" und dem<br />

Pommcrschen Greifen, sowie von Probst und Orlich übernommen ist:<br />

„Die Regimenter, so in dieser Belagerung vor ber Stadt gestanden,<br />

sowohl den vornehmstenDfficirern, kan ber Leser auß folgenber Liste vernehmen" :<br />

Cavallerie.<br />

Die Ehurfürstliche Trabanten commandiret Obrist- Lieutenant Wilcfstoff,<br />

DaS Shnrfürstl. Leib-Regiment Grafs Promnitz als General-Major,<br />

Das El)ur-Priutzische Obrist-Lieutenant Strauß,<br />

DaS Dörfflingische Obrist-Lieutenant Sibow,<br />

DaS Hambsche [Hamburgsche] Obrist-Lieutenant Biticwitz,<br />

DaS Görtzische Obrist-Lieutenant Talio,<br />

DaS Prentzische Obrist-Lieutenant Printz,<br />

DaS Treffenfelbische Obrister Treffenfelb,<br />

DaS Hamelsche Obrister Hamel.<br />

Infanterie.<br />

Die Garde commandirte Obrist Schlabbernborff,<br />

Der Ehurfürstin Regiment Obrist Börstet,<br />

DeS £rjur-Printzen Regiment Dbrist-Lieutenant Loben,<br />

DeS Felb^MarschalS DörpngS Regiment Obrist Marwitz,<br />

DeS Graffen von Donau Regiment Dbrist-Lieutenant Barfuß,<br />

DeS Fürsten von Vollstem, Fetb-ZeugmeisterS Regiment, Obrist Golitz,<br />

DaS Goltzifche Regiment Obrist Kleist,<br />

DaS Valgelsche [Fargel!] Regiment Obrist Westrahm,<br />

Das Bomstorffische Regiment Obrist Bomstorff,<br />

DaS Dänhoffische Regiment Dbrist Dänrjoff,<br />

Das Schöningsche Regiment Obrist Schöning.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Dragoner.<br />

Das Dörfflingtsche Regiment Obrist-Lieutenant Äberschwein,<br />

DaS Holsteinische Regiment Fürst von ^oüftetn,<br />

DaS Görtzifche Regiment Obrist-Lieutenant Lange,<br />

DaS Schliebtfche Regiment Obrist-Lieutenant Schlieben,<br />

Das Grumkoische Regiment Obrist Grumkow.<br />

2. Eine Liste, die von dieser stark abweicht, mitgetheilt bei v. Mülverstedt<br />

a. a. O., pg. 26, Anm. 3.<br />

Ein Vergleich bei<strong>der</strong> mit dem Jagebuch beS Herrn v. Buch, wo eine<br />

Reihe von Regimentern genannt ist, läßt die erste als zuverlässiger erscheinen.<br />

Alle Regimenter, die sich bei Buch finden, sind auch in jener Liste angeführt,<br />

während 4 Regimenter, die Buch verzeichnet hat, bei <strong>der</strong> 2. Liste fehlen,<br />

nämlich die Jnfanterieregimenter Kurfürsttn, BomSdorf-Götze, Dorjna und<br />

das Dragonerregiment Holstein.<br />

üftach <strong>der</strong> Liste bei V. Mülverstedt a. a. O. betrug die branbenburgifche<br />

Macht vor Stettin 16226 Mann. Weitere Angaben über ihre Stärke<br />

finden sich nicht. ES Will fast scheinen, als Wäre biefe Zal)l im Vergleich ^n<br />

den Vorigen Feldzügen und zu dem „General Estat vom 28. December 1678"<br />

im Z. Av abgedruckt bei v. Mülverstebt a. a. O., pg. 795 ff., zu klein,<br />

ba bie Vorbereitungen zu biefem Fetbzuge boch so außerorbentlich umfangreiche<br />

waren.<br />

Ueber bie Stärke ber schwebifchen Kriegsmacht im Jahre 1675 finbet<br />

sich im G. St. in betn Aktenstück: „Wegen ber Schwebifchen ausgelaufenen<br />

Kriegsflotte 1675", schwebifcher KriegSestat im Juni 1675, folgenbe Angabe,<br />

bie bet H- *>• GanSauge: „Veranlassung unb Geschichte beS Krieges in<br />

ber Mark Branbenburg im Jahre 1675", pg. 95 ff., abgebructt unb hier<br />

in ben in Betracht kommenben Theilen wiebergegeben ist.<br />

Die gefammte fchwebische Armee beträgt:<br />

Jnfanterie Kavallerie Dragoner<br />

1. Jnlänbifche: 33600 13 600<br />

2. Geworbene: 6050 4200 2400<br />

Summa 39 650 17 800 2400.<br />

Davon befinben sich bei ber Armee in Deutfchlanb unter beS<br />

Feldherrn Wränget Befet)l:<br />

Jnfanterie Kavallerie Dragoner<br />

1. Jntändische: 7 375 2400<br />

2. Geworbene: 5450 2500 2000<br />

Summa 12 825 4900 2000.<br />

DaS schwedische Heer in Deutfchlanb setzte sich also zur Hälfte, zn<br />

5O°/o, aus Geworbenen, b. h- hauptsächlich Deutschen, zusammen. Am


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 135<br />

wenigsten war die Jnfanterie, mit 42 °/o, betheiligt. Die Kavallerie zählte<br />

schon über die Hälfte, 51°/o, Angeworbene, und unter den Dragonern<br />

befanden sich keine Jnlänbtschen. Auch dieser Moment darf wohl bei <strong>der</strong><br />

ausgedehnten Desertion nach <strong>der</strong> Schlacht bei ^et)rbetttn mit in Betracht<br />

gezogen werden.<br />

Für das schwedische Heer in Deutschland ergiebt sich somit ein Be*<br />

stand von 19725 Mann.<br />

Die Regimenter, welche sich nach dieser Liste in Deutschland befunden<br />

haben, find folgende:<br />

Jnländifche Jnfanterie:<br />

1. Upländische Graf Gustav Kavel 8 Comp. 1000 Mann<br />

2. Ostgotische Kameke 8 „ 878 „<br />

3. Westgotische Mala 8 „ 1200 „<br />

4. Smaländische Grobcnrjetm 625 „<br />

5. ^orbgotischc Gustav Horn 750 „<br />

6. Wermeländische Christof Horn 500 „<br />

7. Südcrmannländischc Kuuity 750 „<br />

8. Wermeländische Sftotf) 878<br />

9. Jempteländische piantin 800<br />

7381 Mann.<br />

10. Oberst Grothusen<br />

11. Feldmarschall Wränget<br />

12. Bischof von Eutin<br />

13. Fürst von H a H<br />

14. KönigSmard<br />

15. Generalmajor Delwig<br />

16. Graf Stur Ofenstirn<br />

Geworbene Jnfanterie:<br />

1000 Mann<br />

1000 „<br />

1000 „<br />

500 „<br />

600 „<br />

750 „<br />

600 „<br />

5450 Mann.<br />

Jnlänbische Kavallerie:<br />

1. Ostgotischc Adam Wachtmeister 8 ä 100 800 Mann<br />

2. Schonische Major 4 a 100 400 „<br />

3. Finnische und Liepndische 8 ä 150 1200 „<br />

2400 Mann.<br />

Geworbene Kavallerie.<br />

4. DeS Feldherrn Garde Douglas 2 ä 100 200 Mann<br />

5. Bischof von Eutin 10 ä 100 1000 „<br />

6. Generalmajor 3 ä 100 300 „<br />

7. Graf V. Wittenberg 6 ä 100 600 „<br />

8. Kroytzdorf 2 200 „<br />

9. Oberst Bünau 3 200 „<br />

2500 Mann.


136 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

Geworbene Dragoner:<br />

1. Bischof V. Eutin 8 h 100 800 Mann<br />

2. Generalmajor Wulff 4 h 100 400 „<br />

3. Oberst SBangelin 8 ä 100 800<br />

2000 Mann.<br />

Davon kommen auf pommerfche Festungen als Besatzungen:<br />

Stettin 2000 Mann Anklam 100 Mann<br />

Damm 400 „ Spanrfow 100 „<br />

<strong>Greifswald</strong> 600 „ Uerfermünbe 100 „<br />

Stralfunb 1200 „ Woffin 100 „<br />

^eufährfchanze 100 „ Demmin 600<br />

Wolgast 300 „ WiSmar 2000<br />

4600 Mann Summa 7600 Mann.<br />

Für Bremen-Verden werden als Besatzungen 3750 Mann gerechnet,<br />

von diesen war jedoch schon Vor <strong>der</strong> Schlacht bei F e fyrbellin ein Detachement<br />

von circa 1400 Mann durch Mecklenburg nach Pommern gesandt worden,<br />

so daß für Bremen-Verden nur 2350 Mann blieben. Jn Pommern<br />

standen also 17375 Mann.<br />

Mit einer Armee von ungefähr 14000 Mann war Wrangel in<br />

Brandenburg eingefallen. Eine starke Besatzung brauchte er nicht zurütfzulafseu,<br />

weil Pommern durch fein H eer gedeckt war. Die schwedischen<br />

Verluste in Brandenburg stellen sich mit den Desertionen auf ungefähr<br />

7000 Mann (Rathenow 700, fje^rbeffin 2400, Desertionen 4000), so<br />

daß 7000 zurmfkerjrten, eine Berechnung, die mit WrangeFS eigener Angabe<br />

Vom 2./12 Juli stimmt. Rechnet man dazu die zurückgelassenen BesatzungStruppen,<br />

so ergiebt sich für daS schwedische Heer im Anfang Juli 1675<br />

die Stärke von circa 10500 Mann. Mit dieser geringen Macht mußte<br />

er dem Angriffe deS Kurfürsten begegnen und alle Festungen und Pässe<br />

besetzen. Verstärkungen sind ihm nicht zugeführt worden, er sah sich allein<br />

auf die Hilfskräfte Pommerns und feine Erfatzmannfchaftcn angewiesen.<br />

Wit obiger Liste stimmt in dem Endresultat eine bei V. Witzteben<br />

und Hassel a. a. O., Beilagen, pg. 9* f. abgedruckte überein, wenn sie auch<br />

in den Angaben <strong>der</strong> Regimenter zum Theil verschieden sind.


Die Feübzüge des großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 137<br />

III. totUTjf* für «*s


138 Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

während die Beschreibung zu Guusten <strong>der</strong> Brandenburger gefärbt erscheint.<br />

Andrerseits werben wir durch sie eingehend über den zweiten Theil <strong>der</strong><br />

Belagerung, den Uebergang von <strong>der</strong> EontreeScarpe in den Graben und die<br />

Besetzung <strong>der</strong> Außenwerke berichtet.<br />

SchWedischerseitS besitzen wir gleichfalls gtoet alsbald veröffentlichte<br />

Darstellungen:<br />

1. „Kurtze doch umfasste Beschreibung Alles dessen, Was Zeit<br />

währen<strong>der</strong> 6 Monatlichen Belagerung <strong>der</strong> Stadt Alten Stettin, Jn selbiger<br />

Festung Vorgelauffen, auch wie alle F°rtifikationS-Wercke und Abschnitte<br />

angeleget gewesen. Alles nach dem richtigen Verlauf von Tage zu Tage<br />

auffgezeichnet, von einem Dber-Offtcirer <strong>der</strong> darein gewesenen Guarnison.<br />

J. C. Z. Dantzig."<br />

2. „Diarium Obsidionis Stetinensis Ober Summarischer Bericht<br />

alles dessen, was in ber von Seiner Ehurfurstl. Durchl. vou Brandenburg<br />

Vom Junio bis im Dezember des verwichenen 1677 ften Jat)rS belagerten<br />

unb eroberten Stabt Alten Stettin sich von Tag zn Tag begeben unb<br />

Zugetragen. Von einem geborenen Stettiner Zeittoäfjren<strong>der</strong> Belagerung<br />

auffgesetzet 1778 (woljl 1678!).<br />

Schon ber Umstanb, daß bie „Kurtze Beschreibung" Von einem Offizier<br />

herrührt, ber bei ber Belagerung selbst, unb z^ar vorzugsweise an ber<br />

üftorDede bei ben Kämpfen gegen bie Lüneburger, welche mit besonberer<br />

Ausführlichkeit gefchilbert werben, betheiligt gewesen ist, macht uns tiefe<br />

Darstellung besonberS wertvoll. Keine anbere ist so klar unb gedrungen,<br />

mit solcher Sachkenntniß unb Hervorhebung ber entscheibenben Begebenheiten<br />

geschrieben als biefe.<br />

Einen ganz anberen Charakter trägt bie zweite fchwebifche Darstellung.<br />

Sie ist offenbar baS Tagebuch eines Stettiner Bürgers unb giebt einen<br />

Bericht über bie täglichen Vorgänge in <strong>der</strong> Stadt, bie Ausfälle, Sprengung<br />

ber Minen unb Eontreminen unb bie wichtigsten TobeSfälle in ber Stabt.<br />

Für bie Kenntniß ber Fortschritte ber Belagerer, ja ber planmäßigen<br />

Vertheidigung burch Wulffen ist sie ohne Bebeutung.<br />

Diese vier Darstellungen sinb in ben großen Sammelwerken benutzt<br />

worben. Die Relationen auS betn kurbranbenburgifchen Hauptquartier finb<br />

meistens wörtlich angeführt. Von selbstänbiger Bebeutung für ben Feldzug<br />

von 1677 ist nur baS Diar. Eur. XXXVI, 1678, welches eine Reihe<br />

von Relationen aus betn lüneburgischen Lager giebt, bie uns sonst nicht<br />

bekannt finb, unb daneben <strong>der</strong> Pommersche Greif, <strong>der</strong> sich durch feine<br />

Zusammenstellende und ausführliche Darstellung auszeichnet.<br />

Dieben diesen bildet natürlich das Tagebuch des Herrn V. Buch eine<br />

werthvolle Ergänzung für die Vorgänge im brandenburgischen Lager. Gerade<br />

so wie über die Belagerung von Anklam berichtet er auch über die von<br />

Stettin sehr eingehend. Pufendorf XV § 18 kommt nicht in Betracht.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 139<br />

@r giebt meistens nur eine einfache Uebersetzung deS Theatr. Eur.; ebensowenig<br />

Magirus und Seyler: Leben und Thaten Friedrich Wilhelm beS<br />

Großen Kurfürsten, pg. 140 ff.<br />

An neueren Arbeiten find zwei vorhanden:<br />

1. Die Belagerungen Stettins feit dem Anfange des zwölften Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />

Stettin 1832, anonym [Böhmer], pg. 33 ff.: Belagerung Stettins<br />

1677. Anfangs sehr ausführlich, verliert diese Darstellung an Werth,<br />

sobald sie über den Kampf um die Werke <strong>der</strong> Festung selbst berichtet. Jhre<br />

Quellen bilden obige Darftellungen, an die sie sich oft wörtlich anschließt.<br />

We<strong>der</strong> Buch noch die Akten find von iljr berücksichtigt.<br />

2. V. Probst a. a. O., 1839, Band 47, pg. 201 ff., ber sich vollkommen<br />

auf Buch stützt.<br />

2. Lieber unb Denkmünzen.<br />

Ein großer Theil ber auf bie Eroberung von Stettin gebichteten<br />

Lieber ist gesammelt in: „Schöne Poetische Gebichte unb Lieber, Aufs<br />

Sr. Churfürstlichen Durchlauchtigkeit zu Branbenburg Frieberich Wilhelm,<br />

ben Grossen unb Glüdfeligen genanbt Krieges-Sieges-unb Helben-Thaten ....<br />

Gesammlet unb verläget von Rupert Völcfern, Buchrjänbler in Berlin" *<br />

nämlich folgenbe:<br />

1. Ein Gespräch zwischen Elector, Jnimicus [Schwebe], Populus<br />

[Branbenburger] unb Jehova, aus Bibelstellen beS alten Testaments zusammengestellt.<br />

2. „Triumph^Geschüt Auß welchem Aufs pinbuS-Wällen Freuben-<br />

Salve gegeben würbe, Als ber Durchlauchtigste, Großmächtigste Fürst unb<br />

Herr, H- Fri<strong>der</strong>ich Wilhelm, Marggraff zu Branbenburg .... Die berühmte<br />

unb veste Stabt Stettin mit rjötfjftem Preyß eroberte; Auß unterthänigster<br />

Pflicht überreichet Von Fri<strong>der</strong>ich Mabeweiß, Philos. M. von<br />

ArnSWalbe auß ber üfteumarck" mit betn Distichon:<br />

Anne BogesLal CasVs praesagllt ensls<br />

FatVM SeDIno? en! experlentla habes. 1677.<br />

SJZoch ein anbereS Chronodistichon fatale sei hier hinzugefügt, baS<br />

sich im Pommerifchen Waffenklang, pg. 25, finbet:<br />

DefVnCtls patrlbVs Borealls, habebls habenas:<br />

qVas taMen erlpllt postea Brenno aVIs. 1677.<br />

3. „Untertänigste Freuben-Bezeugung, AIS ber Durchlauchtigste<br />

Churf. Fürst unb Herr z u Branbenburg bie veste Stabt Stettin 9?ach<br />

mühsamer Belagerung burch göttliche ^>ülffe mit Accorb gewonnen hatte,<br />

Auß schulbigster Devotion unb Treue an ben Tag gegeben Von einem<br />

Churfl. Sfteumärdischen Cüstrinischen Unterthan unb Diener."<br />

4. „Triumph^Lieb, Welches Sr. Ehurfürstl. Durchl. zu Branbenburg<br />

ZU Ehren gemacht, nach glücklicher Eroberung ber vornehmen Haupt-Vestung<br />

unb Ansee-Stabt alten Stettin in Pommern, 1677.


Die Felbzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677.<br />

5. „SiegeS-Palmett, Welche dem Durchlauchtigsten und Großmächtigsten<br />

Fürsten und Herrn, Herrn Friberich Wilhelm, Marg Grafen zu Brandenburg<br />

.... Sftach glücklicher Eroberung <strong>der</strong> berühmten Stadt und Vestung<br />

Stettin, Jn dem deßwegen zn Frankfurt an <strong>der</strong> O<strong>der</strong> den 1. Jan. des<br />

1678 [tcn Jahres angeordneten Dank- und Freuden-Feste, bey <strong>der</strong> Von einer<br />

Löbl. Universität daselbst gehaltenen Glüi-Wunsch-Rede unter einer angestellten<br />

Muftc untherthänigst vorgetragen Die sämptliche daselbst Studirende Sttebft<br />

einem Gedichte: Die unvermeidliche Palmen."<br />

6. „Summarische Sieges- und freudenreiche Beyde Einzüge, Welche<br />

<strong>der</strong> Durchlauchste Großmächtigste Fürst und Herr, Herr Friedrich Wilhelm ....<br />

gehalten; Jn Untertänigster Schuldigkeit, durch einfältige Reimen vorgestellet<br />

Von Eunrab Schloßhauern, Sonsten Schtottheüber genennet, gewesenen<br />

Shurfl. Brandenb. Auditeur."<br />

Dazu kommen noch<br />

7. „Unverwesliche Palmen von Gustav Casimir Gahrling Von <strong>der</strong><br />

Mühlen, M. D. @l»urfürftf. Brandenburgifcher H


Die Feldzüge beS großen Kurfürsten in Pommern 1675—1677. 141<br />

1. „Berlinische Relation, WaS beym Sieg- und Freubenreichen<br />

Einzug Sr. EIjurfL Durchl. in Dero Refidentz-Städte ... Am 31. Decembr.<br />

. . . paSfiret und von Raritäten zu sehen gewesen 1678".<br />

2. „Erklärung <strong>der</strong> Hieroglyphischen Sinn-Bil<strong>der</strong>, Welche in unterthänigsten<br />

Ehren und Glüdwünschung <strong>der</strong> Durchlauchtigsten, Gnädigsten<br />

Herrfchaft, als Dieselbe von Stettin Siegreich mit Freuden deS Vaterlandes<br />

umgekehret und am 31. Decembr. des verlauffenen 1677. Jal)reS Jn Dero<br />

Churfüstl. Refidentz Triumphtrend eingezogen, Jn einem Kupffer-Drurf<br />

herausgegeben Und . . . ins Teutsche übersetzet Von Johanne Bödiker,<br />

P. Grymn. Col. Rectore. Colin a. d. Spree, Drucks Georg Schultze,<br />

Cfjurf. Brand. Buchdrucker 1678". Darin find enthalten 38 Bil<strong>der</strong>, die<br />

an den Ehrenpforten, welche die Stadt errichtet hatte, angebracht waren.<br />

Jedes dieser Bil<strong>der</strong> war mit einem Distichon versehen.<br />

4. Kritischer EjcurS.<br />

An die Belagerung von Stettin knüpft eine noch jetzt weit verbreitete<br />

Erzählung an, wonach die Stettiner auf dem Marienthurm das Bild eines<br />

Schnei<strong>der</strong>s angebracht haben sollen, um den Feldmarschall Derfftinger zu<br />

verhöhnen. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese als wahrscheinlich<br />

in das Gebiet <strong>der</strong> Sage gehörig, denn in keiner <strong>der</strong> angegebenen Quellen<br />

findet sich auch nur eine Erwähnung davon. Erst in einer Arbeit auS<br />

dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t von Wutstrack: „Nachtrag zu <strong>der</strong> kurzen historisch*<br />

geograprjisch'statistischen Beschreibung deS königlich-preußischen Herzogtums<br />

Vor- und Hinter-Pommern, Stettin 1795" findet sich folgende Bemerkung:<br />

„Die Stadt litt z^ar in dieser Belagerung überaus viel, die Einwohner<br />

Zogen es sich aber durch ihren Muthwillen größtenteils selbst in. Der<br />

Kurfürst war in ihren Augen so verächtlich, daß, wenn sie den Knall <strong>der</strong><br />

Bomben und Kanonen hörten, sie im Spott sagten: „Hört, wo be Kohförst<br />

knappt!" Weil <strong>der</strong> Generat-Feldmarschall V. Derfflinger bekanntermaßen<br />

ein Schneiberburfche gewesen war, so hingen sie am Marienthurm ein<br />

Bild auS, worauf ein Schnei<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Scheere und Elle gemalt bar."<br />

Seine Quelle hat er uns nicht genannt. Schon Böhmer verwirft deshalb<br />

bie Erzählung, währenb sie einige Jahre später von Probst wieber aufgenommen<br />

ist.<br />

Einen gewissen Anknüpfungspunkt finben wir in ben gleichzeitigen<br />

Darstellungen in betn Bericht über btn Branb ber Kirchen, wo bie Hartnäckigkeit<br />

unb ber Trotz ber Stettiner besonberS hervorgehoben wirb. An<br />

biefe Thatsache hat vielleicht eine münbliche Ueberlieferung angeknüpft unb<br />

sich so zu jener Sage rjerauSgebilbet.


acofi üon<br />

auf Puttritt unb $onti*rh wx gaffatt txbftfltn,<br />

ein ^ommerf4)0t gtaabutann aus beut fefonuations^ritalter.<br />

Von<br />

Dr. tjon IJfojsnfin,<br />

Stettin.


I. 3tyetm^0 Jugenb<br />

unb polilisriir (Ll)iitigkftt bis )\ix ßcfittiluntj als Äanjler.<br />

(1510-1547.)<br />

Zu den bedeutendsten Staatsmännern des alten herzoglichen Pommerns<br />

gehört unstreitig Jacob von Zi^ eit) ife/ welcher seinem Vaterlande uuter den<br />

schwierigsten Verhältnissen drei Jahrzehnte lang mit beson<strong>der</strong>er Umficht<br />

und aufopfern<strong>der</strong> Treue gedient hat. Aber nicht bloß durch seinen Einfluß<br />

auf die Politik und Geschichte deS Landes, fon<strong>der</strong>n mehr noch durch fein<br />

eigenthümliches Schicksal unb LebenSenbe erscheint die Gestalt dieses vielbefeindeten<br />

Mannes von beson<strong>der</strong>em Jnterefse. ES ist sehr ^n verwun<strong>der</strong>n,<br />

baß nur wenige unb zerstreute Nachrichten über seine Thätigkeit bekannt<br />

geworben finb, letztere auch kaum nach Verbienst gewürbigt ist, trotzbem<br />

er sich in ben in überreichlicher Menge vorhanbenen Akten seiner Zeit<br />

selbst ein bleibenbeS Denkmal errichtet hat. 1 )<br />

Zitzewitz würbe etwa 1507 als ber britte unb jüngste Sohn JaSparS<br />

von Zifeewitz uub ber Pelagina Von Münchow aus bem Haufe üftaffow 2 )<br />

zu Muttrin im östlichsten Hinterpommern, bem alten Stammgute feiner<br />

Linie, geboren. Bereits mit 15 Jahren würbe ber aufgeweckte Knabe in<br />

Begleitung eines PräceptorS auf Universitäten geschickt. Die fjervorragenbe<br />

Stellung feines Vaters, eines Rathes H er ä°9 BogiSlaVS X., unb bessert<br />

großer Reichthum boten ihm bie Mittel unb Wege, fiebenzehn Jahre lang<br />

1 ) Gedruckte ältere Rachrichten finden sich in Saftrow'S Selbstbiographie Von<br />

e, in Joachim von Wedel'S Hausbuch unb in Friebeborn'S Chronik von Stettin.<br />

DaS Aktenmaterial umfaßt fast alle Titel beS ©tettirter unb Wolgafter Archivs im<br />

Kgl StaatS=Archiv in


146 Jacob von Zitzewitz.<br />

ZU studiren 1 ) und fremde Län<strong>der</strong> z u bereifen. An welchen $od)fd)ulen<br />

Zitzewitz weilte, ist uns nicht bekannt; nach Elzow hat er außer solchen<br />

in Deutschland auch die in Frankreich und in Jtalien besucht und daburch<br />

den Grund z u feiner Menschenkenutniß, seiner hervorragenben Bilbung<br />

unb seinen weitverzweigten Verbinbungen mit Fürsten unb berühmten Zeitgenossen<br />

gelegt. Einige Zeit hielt sich Zife e * ü M* auch in Wittenberg auf, 2 )<br />

hörte bort bie religiösen Vorträge beS großen Reformators an unb nahm eine<br />

tiefe, herzliche Frömmigkeit in sich auf, welche später ben Grunbzug seines<br />

ganzen Wesens bilbete unb ihn bie schweren SchüffalSfchläge in Gebulb<br />

unb ergebener Fassung ertragen ließ.<br />

Etwa 1530 starb fein Vater, ofyne baß ihn dieses Ereigniß an die<br />

Heimath fesselte; erst gegen die Wende des JaljreS 1539 kehrte er als<br />

gereifter Mann in dieselbe zurück und trat zunächst als hinterpommerfcher<br />

Vasall in die Dienste H er ä°9 Barnims XI. von Stettin, wenige Monate<br />

päter aber bleibend in bie H er Z°9 Wttpp'S !• öon Wolgaft. Z lt Hanse<br />

fanb Zifeetoife die inneren Verhältnisse beS Laubes gewaltig veränbert vor.<br />

Wärjrenb seiner Abwesenheit waren nach jahrzehntelanger, glücklicher unb<br />

frieblicher Regierung unter H er Z°9 BogiSlav'S X. mächtiger H st nb in Folge<br />

ber burch bie Reformation hervorgerufenen Zerrüttung aller kirchlichen<br />

Verhältnisse unheilvolle Zeiten über baS bisher so blül)enbe Pommern<br />

hereingebrochen. Verschlimmernb hatte noch bie, wenn auch unter Wahrung<br />

beS GrunbfatzeS ber Staatseinheit, 1532 versuchsweise, 1541 cnbgültig<br />

erfolgte Theilung beS LanbeS zwischen H er Z°9 Barnim XL unb feinem<br />

Bruberfol)n Philipp I. gewirkt. Letzterem, einem noch jungen, aber vielgereisten<br />

Ijochstrebenben Herrn, ber sowohl an Gesinnung, Sitte unb Thatkraft,<br />

wie auch an Jtüelltgenz unb weitem Blick seinen Oheim weit überragte,<br />

war im Erbvergleiche Vorpommern mit ber Refibenz Wolgaft zugefallen.<br />

Zwar hatte Philipp mit ebensoviel Klugheit als eisernem Willen unb<br />

rücksichtsloser Strenge, Von seinem Oheim Barnim unterstützt, ben Wtberstanb<br />

unb bie Unbotmäßigkeit ber Stäbte unb Ritterschaft ^n brechen, bie<br />

Reformation in seinem Laube burch Aufhebung ber Klöster, Einziehung<br />

ber Klostcrgüter, Visitation ber Kirchen burchzusetzen unb feine fürstliche<br />

Gewalt erheblich zu stärken gewußt. - Wohl hatte Philipp ferner Pommerns<br />

Ansehen nach Außen wesentlich gehoben, inbem er, als Vertreter beS<br />

gefammten LanbeS, nicht allein bem Schmalkalbifchen Bunbe beigetreten<br />

war, fonbern auch nach seiner Verheiratfjung mit Maria, beS Kurfürsten<br />

3 ) Zitzewitz'S „Vorletzter Bebenckzettel" von 1553 und fein Schreiben an<br />

Herzog Philipp d- d. üftuttrin Freitag nach Ascensionis Dominj (28. Mai) 1557.<br />

Wolg. Arch. Tit. 32. Rr. 74.<br />

2 ) Die Wittenberger Universitätsmatrikel nennt 1530: „Jacobus Czitzewitz<br />

Stolpensis". Jöcher'S Angabe, ba^ Zitzewitz 1530 zu Wittenberg bk Würbe eineS<br />

DoktorS erhalten habe, erscheint unwahrscheinlich; überzeugend ist auch nicht, ba^<br />

er im Verzeichniß ber Gönner GrumbachS 1564 D r. genannt wirb. Ortloff II. 149.


Jacob von 3tfeettrifc.<br />

Johann Friedrich von Sachsen Tochter, 1537 persönlich dem Tage zu<br />

Schmalkalden, 1541 mit stattlichem Gefolge dem Reichstage zu RegenSburg<br />

beigewohnt und außer <strong>der</strong> Belehnung mit <strong>der</strong> Gesammthand mehrere werth*<br />

volle Privilegien vom Kaiser erwirkt hatte. Aber trotz atledem waren die<br />

inneren Verhältnisse Pommerns in kirchlichen und weltlichen Dingen immer<br />

noch in hohem Grade verworren, Streit und Ha<strong>der</strong> herrschte aller Orten,<br />

heillos war <strong>der</strong> öffentliche Z u ftand in Rügen. Dazu drohte dem Lande<br />

ernste Bedrängniß durch Dänemark, welches gewaltsam die pommerschen<br />

Güter des Klosters Reinfeld in Holstein und das Kloster Hiddenfee<br />

an sich zu reißen suchte. 1 )<br />

Unter solchen Auspicien begann Zi^ewitz seine Laufbahn am H°fe<br />

Herzog Philipp'S, welchem damals in Ulrich von Schwerin, Balthasar<br />

Vom Wölbe, SttctaS von Klcmptzen, Heinrich von Tormann und An<strong>der</strong>en<br />

wohlerprobte, thatkräftige Räthe znr Seite standen. Mit großer Freude<br />

wurde <strong>der</strong> vielgereiste und durch ererbten Besitz wohlhabende Mann in<br />

Wolgast empfangen und bereits im Qtxhft 1540 vom H er zoge mit <strong>der</strong><br />

Beilegung <strong>der</strong> verwickelten Streitigkeiten zwischen Philipp und <strong>der</strong> Stadt<br />

Stratsunb, welche bis zur Bestätigung ihrer sämmtlichen Privilegien die<br />

Huldigung verweigerte, betraut. 2 ) Außerdem scheint Zifeewitz damals zeitweilig<br />

den auf dem Reichstage weilenden Kanzler Dr. Baltzer vom Wolde<br />

vertreten zu haben. 3 ) Jm nächsten Jahre wohnte er selbst als Gesandter<br />

Pommerns dem Reichstage in RegenSburg bei 4 ) und wurde in Anerkennung<br />

feiner bisherigen Dienste durch Ertheilung einer Pfründe ausgezeichnet. 5 )<br />

1543 begegnen wir ^ii^etDt^ abermals, begleitet von Dr. Philipp<br />

Jacob Oeßler, als Bevollmächtigten <strong>der</strong> Pommern-Herzoge zu Nürnberg,<br />

wo kurz hintereinan<strong>der</strong> jtoei Reichstage abgehalten wurden. 6 ) Jn einer<br />

umfangreichen Jnftruktton war beiden Gesandten ihr Verhalten gegenüber<br />

den einzelnen Propositionen in Betreff des Justiz- und MünzwefenS, <strong>der</strong><br />

ReichSanfchläge und Steuern, <strong>der</strong> Kriegs-Handlung gegen die Türken und<br />

<strong>der</strong> streitigen Angelegenheiten <strong>der</strong> H e rz°9 e mit dem Bischöfe von Eammin<br />

*) Bart^olb IV 2 . ©. 231 biS 309.<br />

2 ) Gutachten Zitzetmtz'S „die boschuerunge Szo M. g. h- gegen die Vom Sunde<br />

ManbageS nach Martini anzeigen lassen" 1540. Bofylen'fche Sammlung unnummerirt<br />

(„©tralfunb").<br />

3 ) @o ist bte Jnftruktton Michel KüfSowen „Der LehnSuchung halben ahn bie<br />

key. 2Rt. mitöeßeben Jn bk Rieberlanbe anno 1540", d. d. Wolgaft 23. Mai Von<br />

Zifcetoifc verfaßt. A. a. O.<br />

4 ) ©tctt. Arch. P. I. Tit. 2. Rr. 6 b enthält mehrere umfangreiche, ben<br />

RegenSburcjer ReichSabfdn'eb betreffenbe (Schriftstücke Von Z^etottz'S ©anb.<br />

5 ) DäljnerfS Sammlung, ©uppl. Bb. I. 313. Wahrscheinlich war eS bie<br />

Vifarie ad altarem S. Laurentii im ßamminer Dom, bie nach Kiempin, Beiträge<br />

©. 334, im 16. Jahrh- Jacob Cziczeuicz befaß.<br />

6 ) Jansen IU. 469. 498.<br />

10*


148 Jacob von<br />

auf das Genaueste vorgeschrieben, ihnen auch beson<strong>der</strong>s ans H e rz gelegt,<br />

des Kaisers Hülfe gegen das gewaltthätige Vorgehen des dänischen Königs<br />

in erbitten. 1 ) Eindringlich ward Z%witz und Oeßler eingeschärft, ja den<br />

rechten, ihren Herren zukommenden Sitz auf dem Reichstage einzunehmen<br />

uud sich bieferfjalb mit Württemberg, Hessen und Baden auseinan<strong>der</strong>zusetzen<br />

und zu vergleichen. 2 ) Als im Frühjahr 1543 <strong>der</strong> zweite Reichstag, ohne<br />

nennenswerte Resultate gezeitigt ober Pommern die gegen Christian III.<br />

von Dänemark erbetene Hülfe gebracht zu haben, geschloffen wurde, reisten<br />

Zitzewitz und Oeßler nach Speyer, um dort auf Grund heimischer Anweisungen<br />

mit den an<strong>der</strong>en Bundesverwandten, insbeson<strong>der</strong>e den Gesandten<br />

des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, scharf gegen die parteiische<br />

Führung <strong>der</strong> Prozesse und Erkenntnisse deS ReichSkammergertchtS gegen die<br />

BunbeSmttgtie<strong>der</strong> Stellung z u nehmen und Verwahrung einzulegen. 3 )<br />

Jndeß ward Z%witz sehr bald von den H er ZO9en die Rückkehr nach Nürnberg<br />

anbefohlen, wo sich inzwischen die Mitglie<strong>der</strong> des Schmatkafbtfchen<br />

Bundes zu einer Berathung versammelt hatten. Jn beredter Weife trug<br />

er dort die schon auf den früheren Bundestagen, doch stets vergeblich<br />

erhobenen Klagen feiner Herren gegen den Dänenkönig vor und erbat zum<br />

letzten Male die Jntervention und Hülfe <strong>der</strong> Einigungsverwandten. Als<br />

aber auch dieses Mal alle Klagen und Bitten fruchtlos blieben, protestirte<br />

Zitzewitz in einer langen wohlbegründeten Rede gegen daS taue Verhalten<br />

<strong>der</strong> BuudeSfürsten, beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Sachsens und Jessens, welche feine<br />

Herren trotz <strong>der</strong>en bisherigen BundeStreue in iljrer Sftotl) im Stich gelassen<br />

und mit leeren Redensarten vertröstet, dadurch aber ganz Pommern in<br />

große Bebrängniß und Gefahr gebracht hätten und verkündete den Austritt<br />

des letzteren mit den feierlichen Worten: „Derselben J. F- ©• auch hinfur<strong>der</strong><br />

die bürden <strong>der</strong> Einigung zu tragen nicht schuldig o<strong>der</strong> WilleuS fein vnd<br />

nachdem J. F- ©• aus vnerfjorten Vrfachen die Einigung guuerfaffen<br />

genottrengt fein worden, werden J. F- ®- vngezweyuelt aller künftiger<br />

daraus herflieffen<strong>der</strong> Trennung vnd vnrichttgkeit gegen Gott . . . entschuldigt<br />

sein". 4 ) Leiber ließ sich Zifeewitz durch inständiges Drängen etlicher Stände<br />

bewegen, wenn auch mit ausdrücklicher Bewilligung H e rz°9 WliW% den<br />

1 ) lieber den (Streit mit König Christian III. wegen <strong>der</strong> Reinfelbifchen unb<br />

Rofchilb'fchen Güter Bar^old IV 2 . @. 304.<br />

2 ) Unbatirte Vollmacht für %\\*,zft\\s und Oeßler Stert. Arch. P. I. Tit. 2.<br />

Rr. 7. fol. 56-72. Vgl. Balt. ©tub. XLII ©. 65 u. f.<br />

3 ) Schreiben Kurfürst Johann Friedrich'S von Sachsen d. d. TorQani<br />

29. Januar 1543 unb Vollmacht <strong>der</strong> Herzoge Barnim und Philipp für ZiÖ^uife<br />

und Oeßler (Btät Arch. P. I. STtt. 2. hinten in Rr. 7. fol. 18—22 u. f. Dort<br />

findet sich auch Weiteres über die Verhandlungen deS Bundes wegen dessen Ein*<br />

schreiten gegen daS R. K. G.<br />

*) Jacob Sitzeuitzen Proteftation, den EintgunöSverwandten Ständen über*<br />

reicht zu Rürnberg den 25. April 1543. Qktt Arch. P. L Tit. 2. Rr. 20. fol.<br />

110—114. — Seckendorf, Histor. Luther, pg. 417. Bar^old IV 2 . @. 312.


Jacob Von Z^etoitz. 149<br />

weiteren Vcrfjanbluugen des Bundes als einfacher Znhörcr beizuwohnen.<br />

Durch ein MißVerständniß o<strong>der</strong> absichtliches Versehen ward später sein<br />

^ame unter den Abschied gesetzt, welchen die verbündeten Stände vor ihrem<br />

Auseinan<strong>der</strong>gehen beschlossen 1 ) und dadurch in <strong>der</strong> Folge sowohl ihm selbst<br />

als auch seinen Fürsten gar arge Unannehmlichkeiten bereitet. Gleich nach<br />

seiner Rückkehr von Nürnberg wurde Z^e^ ntit <strong>der</strong> Erledigung des<br />

langwierigen, Vorpommern aufs Aeußerste schädigenden Streites mit König<br />

Christian III. betraut und eS gelang ihm nach längeren Verhandlungen,<br />

den Z^ift durch den Vertrag von Kiel am 4. September im Wesentlichen<br />

ZU Pommerns Gunsten beizulegen. 2 ) Wenige Monate darauf aber wurde<br />

baS Sand in einen neuen sehr bedrohlichen inneren Handel verwickelt, in<br />

welchem Z^ewitz ohne sein Znthnn eine keineswegs angenehme Rolle zu<br />

spielen gezwungen war.<br />

Am 27. Januar 1544 war plötzlich <strong>der</strong> katholische Bischof EraSmuS<br />

von Eammin, welcher durch fein feindseliges Verhalten den LanbeSfürsten<br />

oft schwere Sorgen bereitet hatte, gestorben unb baburch baS Bistrjum<br />

erlebigt. Jn ber Srbvereinigung war für ben Fall <strong>der</strong> Uneinigkeit beiber<br />

Fürsten bei einer Neubesetzung beS Bischofsfitzes baS Ernennungsrecht<br />

bem Loose vorbehalten, unb bieseS hatte zu Gunsten beS Stettiner Herrn entschieben.<br />

Letzterer nominirte barauf ben in Wittenberg stubirenben Grafen<br />

Lubwig von Eberstein, welchem jeboch Herzog Philipp, angeblich wegen allzu<br />

großer Jugenb, seine Stimme versagte. Thatsächlich tag aber bem Letzteren<br />

ebenso wie seinem Of)eim nur baran, eine ihm besonberS nahe sterjenbe<br />

Person auf beu Bischofssitz zu erheben, um sich einen möglichst wettgehenben<br />

Einfluß im BiSthum zu sichern. Die Folge war eine häßliche Zwietracht<br />

beiber bisfjer stets einigen Fürsten, unb ber erbitterte Streit erregte balb<br />

bte ernste Sorge ber Stäube unb bte gerechte Befürchtung ber Theologen<br />

von Wittenberg für bte gesammte junge Kirche. Luther, Bugenhagen,<br />

Melanchthon u. a. schloffen sich Philippe Urtheil an unb riethen ben Herzogen,<br />

von feuern um baS Ernennungsrecht zu losen. Dem wibersetzte sich aber<br />

ber Wolgaster Fürst, inbem er seines Oheims tiltfyt bieSmal für erloschen<br />

erklärte unb nominirte 1544 Jacob von Z^ewitz zum Bischöfe von Eammin,<br />

waS chm bie lebhafteste Billigung Bugenhagen'S eintrug, Herzog Barnim<br />

aber zu heftigem Wiberspruch veranlaßte. 3 )<br />

*) DieS erhellt auS den (Schreiben Kurs. Johann Friedrichs Von Sachsen<br />

d. d. Torgaro Sonntag Inuocauit (22. Februar) 1545, ber $iäfyt <strong>der</strong> hessischen,<br />

Sächsischen unb anberer ReichSstanbe d. d. WurmbS ©onntagS Inuocauit 1545 an<br />

Zitzewitz, sowie auS bessert eignen Briefen. Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 5. fol. 34—39.<br />

Bartholb IV 2 . ©. 312. Anmerk. 2.<br />

2 ) Schreiben Barnims XI. an Herzog Philipp d. d. Stettin ©onnabenbS<br />

nach Michaelis (6. Oktober) 1543. ©tett. Arch. P. I. Tit. 17. Rr. la., Sowie Tit. 2.<br />

SRr. 15. fol. 12—16. Bartholb IV 2 .


150 Jacob von<br />

Zitzewitz machte die Auszeichnung und zugedachte Ehre geringe Freude,<br />

denn er mußte nun den ganzen Groll <strong>der</strong> Gegenpartei entgelten und war<br />

den verletzendsten Angriffen und Verunglimpfungen H er äog Barnim'S ausgesetzt,<br />

welcher ihn öffentlich <strong>der</strong> Felonie und groben Gewaltthätigkeit gegen<br />

feinen Lehnsherrn beschuldigte und mit Repressalien bedrohte. 1 ) Diese<br />

Verläum<strong>der</strong>ischen Anklagen trafen ihn um so härter, als er sich cjänzlich<br />

unschuldig tou^k. Mit großer Entschiedenheit hatte er H er ä o g Philipp'S<br />

Eröffnung, ihn zum Bischofsamt Vorzuschlagen, zurückgewiesen und sich<br />

lebhaft dagegen verwahrt, als dies dennoch geschah- Selbst vor <strong>der</strong> Uebernahme<br />

einer Administration deS Stiftes, welche er auf vieles Bitten anzunehmen<br />

sich Verpflichtet hatte, grauete ihm je länger je mehr. F a ft z^e* J a h r e zog<br />

sich <strong>der</strong> Streit in die Länge. Lebhaft traten Philipp, <strong>der</strong> Kurfürst von<br />

Sachsen und an<strong>der</strong>e einflußreiche Personen für Zife eit) ife ^ n ^ welcher sich<br />

endlich selbst in einer sehr geharnischten Erklärung rechtfertigte und H er zog<br />

Barnim bat, ihm eine öffentliche Vertheidigung gegen die erhobenen Anklagen<br />

auf dem Landtage in erlauben.<br />

Jnzwischen nahm Herzog PhiltyP trotz Zitzewitz'S inständiger Bitten<br />

Abstand, dessen Ernennung aufzugeben, bevor demselben nicht völlige Genugthuung<br />

geschehen sei, damit nicht Jemand glauben möge, daß an den von<br />

Barnim erhobenen Vorwürfen doch etwas Wahres fei, was feinem Rathe<br />

schimpflich geachtet werbe und bekannte offen, daß dessen Sftomination „on<br />

all fein wissen vnd mit großem seinem vnwillen" erfolgt wäre. 2 )<br />

Erst die große drohende Gefahr und die Sorge vor einer Einmischung<br />

deS Kaisers, an den sich die Stiftsstände bereits gewendet hatten, brachte<br />

1545 eine Einigung <strong>der</strong> H er Zoge und, nachdem Bugenhagen die Annahme<br />

<strong>der</strong> Bischofswürde abgelehnt hatte, die Ernennung von Barnim'S evangelischem<br />

Kanzler, Bartholomäus Swaue, zum ersten lutherischen Bischöfe in Pommern<br />

Luther., p. 511. Aeltere Univers. Matr. Von GreifSWalb ed. Fvteblaenber I. 207.<br />

Bartholb IV 2 . @. 315. Bugenhagen'S Brief an Herzog Philipp d. d. Wittenberß<br />

30. Dezember 1544. Balt. ©tub. XXXVIII. ©. 314 und WOIQ. Arch. Tit. 39.<br />

Rr. 5. fol. 1-58.<br />

*) Die Anklagen Herzoo Baraim'S in feinen Schreiben d. d. Stettin ©ambftagS<br />

nach Quasimodogeniti (26. April) und auf <strong>der</strong> Schweine ÜftontagS nach TrinitatiS<br />

(9. Juni) 1544. Wolß. Arch. Tit. 39. Rr. 5. fol. 8. 9. 14. 15. 39 V —44.<br />

2 ) Schreiben Herzog pin'lipp'S an Kurfürst Johann Friedrich d. d. Wolgaft<br />

14. Februar 1545 und beS Letzteren Antwort d. d. Torgau 7. März 1545. (£tdt<br />

Arch. P. I. Tit. 27. Rr. 1. fol. 113. 123. Ferner die Berichte deS Eammtner<br />

Kapitels d. d. Eammyn MitwekenS nha RatiuitatiS JoljanniS Baptifte (25. Juni) 1544,<br />

ferner Eberhard V. b. Tann'S, FranciScuS Burcfyart'S, Rudolf Schetnken'S u. a.<br />

fürftl. und freier Reichsstädte Botschafter am Reichtage d. d. WurmbS SontagS<br />

Inuocauit (22. Febr.) 1545, ClauS Damnos, Jochim Parfow'S, Webige Blanckenbura/S<br />

it. a. m. d. d. ©orlin Dominica Exaudj (25. Mai) 1544, sowie endlich beS Kurfürsten<br />

Johann Friebrich'S d. d. Toronto 22. Februar 1545, sämmtlich an Z^etoitz gerichtet.<br />

Wolg. Arch. Tit. 39. SBr. 5.


Jacob Von Zißewttz. 151<br />

in Stande. 1 ) Z^ewitz aber bewies auf dem Landtage zu Wollin glänzend<br />

feine Unschuld an allen ihm vom Stettiner Herrn zur Last gelegten Vergehen<br />

2 ) und wurde von H er 3og Philipp zum Zeilen beson<strong>der</strong>en Vertrauens,<br />

Zur Taufe des dritten SoljneS, des späteren Herzogs Bogislav XIIIV neben<br />

an<strong>der</strong>en vertrauten Räthen herangezogen. 3 )<br />

Bereits im Oktober 1544 war Zitzewitz mit umfassenden Jnstruktionen<br />

als alleiniger Bevollmächtigter bei<strong>der</strong> Fürsten zum Reichstage nach WormS<br />

entsendet, ihm vom Herzoge Philipp Gewalt gegeben, „das ehr vff die Kreishandelunge<br />

vnd Vorgleichung <strong>der</strong> anschlage dem Reich anlobe und schwere"<br />

und von Barnim den Stettiner Räthen und ben Stiftsständen anbefohlen<br />

worden, Zi£ ert) i£ laufend über die Anschläge im BiSthum Sammin ^n<br />

berichten, ^icht gering war die Arbeit, die diesem in WormS oblag, wie<br />

aus seinen fleißigen Berichten von dort hervorgeht. Jm Frühjahr 1545<br />

erschien seine Anwesenheit daheim dringend nöthig. So wurden denn, da<br />

Herzog Barnim sich trotz aller Bitten Philipp'S nicht zur Abfendung eines<br />

Stettinifchen RatrjeS entschließen wollte, Vom Wolgaster H er Z°9 am 9. Februar<br />

Moritz von Damitz, Hauptmaun auf Uetf ermunde, und Dr. Philipp (Melanchthon)<br />

nach WormS entsendet, damit sie dort Z^ eit) ife ersetzen sollten. 4 )<br />

Dieser aber wurde gleich nach seiner Rückkehr, welche etwa Mitte<br />

März erfolgte, mit einer neuen politischen Mission betraut, indem ihn<br />

Herzog Philipp, welcher gemeinsam mit Herzog Johann von Holstein vom<br />

Kaiser mit <strong>der</strong> Schlichtung <strong>der</strong> zwischen dem Meister deS Deutschordens<br />

in Livland und <strong>der</strong> Stadt Riga entstandenen Streitigkeiten beauftragt war,<br />

als seinen Vertreter nach Lübeck entsandte, wo sich die Abgeordneten <strong>der</strong><br />

Kaiserlichen Kommissarien und <strong>der</strong> streitenden Parteien zu einer Berathuug<br />

zusammenfanden. Dort weilte Z^ewitz bis Anfang Juni und versuchte<br />

vergeblich, zwischen dem OrdenSmeister Hermann von Brüggeney und dem<br />

Bürgermeister von Riga, Eonrad Theuerkauff, einen Vergleich herbeizuführen. 5 )<br />

Auch die weiteren Verhandlungen, welche er Von Wolgast aus leitete, weil<br />

er wegen seiner Unabkömmlichkeit am herzoglichen H°f e nach Hause zurück-<br />

*) Bartholb IV 2 . @. 318.<br />

2 ) „DeS Eantzler Jacob ©itzeuitzen Verantwortung zu WoHin" Wolg. Arch.<br />

Tit. 39. Rr. 5. fol. 1-58.<br />

3 ) Joachim V. Webel'S Hausbuch ed. Bohlen ©. 141.<br />

4 ) Stett. Arch. P. I. Tit. 2. Rr. 12. fol. 19. Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 5.<br />

Ferner bte umfangreichen Berichte Z^ermtz'S über ben Gang unb bk Beschlüsse beS<br />

Reichstages, sowie beS Kreistages zu Zerbft d. d. WormS 29. unb 15. Oktober,<br />

22. RoVember, 17. unb 30. Dezember unb bie neue Jnftruktion Herzog Phtltpp'S<br />

für ihn d. d. Wolgast 19. Rovember, sowie bit Briefe Philipp'S an Barnim unb<br />

Zitzewitz, ber letzte Vom 9. Februar 1545. Bohlen'sche Sammlung Rr. 798.<br />

5 ) Zifceroitz'S Schreiben d. d. Lübeck DornftagS nach Exaudj (21. Mai) 1545.<br />

Wolg. Arch. Tit. 18. Rr. 3. fol. 99-104, sowie feine Concepte vom Juni unb<br />

Juli fol. 104. 110. 111. Außer Zitzen^ waren noch bie Holsteinischen Rätlje<br />

Falcf unb Duntstorp beleQtrt.


152 Jacob Von Zi<br />

gerufen und in Lübeck durch Achim von Moltzan und Johann Von Usedom<br />

erfetzt worden war, zogen sich mehrere Jahre hin, blieben aber erfolglos. 1 )<br />

So war jchon in verhältnißmäßig kurzer Zeit die Gewandtheit<br />

Zitzewitz'S in schwierigen politischen Händeln erprobt und sein üftame weit<br />

über Pommerns Grenzen hinaus im Reiche bekannt geworben. Am<br />

Wolgaster Hof pflegte man ihn bereits damals nicht an<strong>der</strong>s als „Salomo"<br />

ZU nennen, und alle wichtigen Dinge wurden ihm zur Erledigung zugeschoben.<br />

Es lag deshalb H er Z°9 WliW öicl daran, ihn für längere Zeit an<br />

sich zu fesseln, zumal schwere Wolken am politischen Horizont für Pommern<br />

heraufzuziehen begannen.<br />

üftach längeren Verhandlungen ernannte ihn <strong>der</strong> F ur st am 21. September<br />

1546, auf Zifeewitz'S bestimmtes Ersuchen zunächst nur auf sechs<br />

Jahre, zum Kanzler des H e rZ°9thnmS Wolgast und ließ chm gleichzeitig<br />

für feine bisherigen sechsjährigen Dienste 1000 Gulden auszahlen, welche<br />

allerdings zum größten Theil für die auf den Vielen Reisen aus seinen<br />

eigenen Mitteln gemachten Aufwendungen baraufgingen.<br />

DaS Einkommen des Kanzlers war damals nicht übermäßig tjoä).<br />

Jn seiner Bestallung wurden Zifeewitz 150 Gulden jährlicher Besoldung,<br />

die üblichen Kanzleigefätle, Gestellung von vier reisigen Pferben mit freiem<br />

Stall und Fütterung, Sommer- und Winterkleidung, auch für die Diener,<br />

sowie freie Wohnung zugesichert. Ferner ward iljm für 1550 die Zahlung<br />

von 500 Gulden, nach Ablauf setner verpflichteten Dienstzeit die gleiche<br />

Summe versprochen, sowie das Angefälle auf des seligen Dietloff V. Koller<br />

Güter zum Vorwerk vor Lasfan, bereu wegen ber H er 3°9 ä ur Zeit noch<br />

mit ElauS unb Balthasar V. Koller bei beut Reichskammergericht in Prozeß<br />

schwebte. Außerbem hatte sich Zi£ elü 'fe ausbedungen, baß il)m zweimal<br />

jährlich ein Urlaub Von je vier bis fünf Wochen bewilligt werbe, bamit<br />

er nach feinen in Hinterpommern gelegenen Gütern reifen könne/ ferner,<br />

baß er mit Beschickung langwärjrenbcr Reichstage in Rücksicht auf bie<br />

Geschäfte beS Kanzleramtes möglichst Verschont würbe unb baß endlich<br />

Herzog Philipp ihn niemals um Rath angehen wolle, wenn es sich um<br />

Streitigkeiten jttnfdjen biefem unb H er zog Barnim hanbele, es fei benn,<br />

baß ber Letztere als beS Kanzlers Lehnsherr hierzu bie Einwilligung ertheile. 8 )<br />

! ) Z^tzewitz'S Concepte, d. d. Freitags nach Eajbij (3. Sept.) und ©ambftagS<br />

nach Michaelis (2. Oktob.) 1546, a. a. O. fol. 148. 150. 259.<br />

2 ) Bestallung d. d. Wolgast am Tage Mattem Apostoli (21. Sept.) 1546.<br />

Wolg, Arch. Tit. 32. 3?r. 74.


Jacob Von 3ifeetm(j.<br />

II. 3fye«ri^0 Mtklamkeit als<br />

(1546-1557.)<br />

Um die Wende des Jal)reS 1545 hatte sich Pommerns gefammte<br />

Lage einigermaßen gebessert. Der Streit mit Dänemark war beigelegt; die<br />

Wahl SuaVe'S zum Bischöfe hatte die Fürsten miteinan<strong>der</strong> versöhnt und<br />

den religiösen Ha<strong>der</strong> gemil<strong>der</strong>t, die allmählich zur Durchführung gelangenden<br />

Beschlüsse des Landtages zu Treptow hatten die inneren Verhältnisse des<br />

Landes geklärt und die Universität Gretfswalb, welcher Zifeewitz ein<br />

beson<strong>der</strong>er Gönner war, 1 ) hatte sich beträchtlich gehoben. Die Beziehungen<br />

<strong>der</strong> Herzoge, beson<strong>der</strong>s Philipp'S, zum Kaiser waren leidlich gute, die zum<br />

Schmalkalbifcheu Bunde anscheinend Völlig gelöst. ES schien, als ob<br />

Pommern wie<strong>der</strong> besseren Zeiten entgegen ging. Dem machten die Vorgänge<br />

im Reiche, insbeson<strong>der</strong>e die Folgen des am 20. März 1546 auseinan<strong>der</strong>gesprengten<br />

Religionsgespräches von Regensburg ein jähes Ende. 2 )<br />

Auch Pommern ward von dem Umschwünge, <strong>der</strong> weltgeschichtlichen Ereignisse<br />

erfaßt und die mühsam erbaute Ordnung von gänzlichem Sturze bedroht.<br />

AIS sich die Gesandten <strong>der</strong> protestantischen Stände Von RegenSburg<br />

entfernten, kehrten mit den kurfächsischen Abgesandten auch die pommerfchen<br />

Räthe Moritz Von Damitz und J. p. Oeßler am 20. Juni in dte Heimath<br />

Zurück. Der Reichstag war zerrissen, <strong>der</strong> Kaiser überrascht. Jm Juli<br />

stand <strong>der</strong> Schmalkaldische Bund waffengerüstet da, am 20. Juli erfolgte<br />

des Kaisers Achtfpruch über Johann Friedrich von Sachsen und Philipp<br />

von H e ff en -<br />

Obgleich nun die Herzoge von Pommern sich thatsächlich durch<br />

Zitzewitz'S Erklärung zn Nürnberg 1543 vom Schmalkaldischen Bunde<br />

losgesagt hatten, stand, wenn auch irrtümlich, dennoch chr Spante unter<br />

dessen damaligem Abschiede, auch hatten die Fürsten später gelegentlich den<br />

BuudeSfchutz in Anspruch genommen und wurden deshalb noch immer Von<br />

den Einigungsverwandten als zugehörig betrachtet. Als nun Damitz und<br />

Oeßler aus RegenSburg zurückkamen, auch bald darauf <strong>der</strong> Bund um<br />

3<br />

) Aeltere UntVerf.-Matr. d. Untoerf. GreifSroalb Von Frieblaenber I. p. 207.<br />

240. 243. 302.<br />

2<br />

) Eöelhaaf, Deut. Gesch. im Zeitalter b. Reform. II. 453 u. f.


154 Jacob Von Zitzewitz.<br />

Pommerns Hülfe nachsuchte, entstand im Lande eine große Unruhe. We<strong>der</strong><br />

die Fürsten noch die untereinan<strong>der</strong> uneinigen Stände, welche zudem den<br />

Klagen ihrer geängsteten H err en gleichgültig gegenüberstanden iinb den<br />

ergangenen Kaiserlichen Mandaten geringe ^olge leisteten, konnten trotz<br />

mehrfach abgehaltener Landtage zu einem bestimmten Entschluß gelangen.<br />

Man wollte parteilos erscheinen und for<strong>der</strong>te deshalb nicht allein den Austritt<br />

<strong>der</strong> pommerschen Unterthanen aus dem Dienste des Schmalkalbischen<br />

Bundes, son<strong>der</strong>n hielt auch gleichzeitig die bereits vom Kaiser in Bestallung<br />

genommenen 200 Mann von dessen Fahnen zurück. Unterdessen aber war<br />

<strong>der</strong> Letztere ohne Schlacht auS anfänglicher Bedrängniß siegreich hervorgegangen.<br />

Jm November hatte sich das Bundesheer aufgelöst und Südbeutschland<br />

aufgegeben. Kaiserliche Truppen erschienen in Kurfachsen, und<br />

<strong>der</strong> Krieg drohte sich auf die baltischen Küstenlän<strong>der</strong> zu wälzen. Heim^d) sandte<br />

jetzt Herzog Philipp feinem geächteten Schwager Kurfürst Johann Friedrich<br />

300 Reiter zu Hülfe- Die rückständigen Türkensteuern wurden einbehalten<br />

und zur Rüstung sowie Befestigung des eigenen Landes verwendet. 1 )<br />

Jnzwifchen war Pommern bereits in eine recht bedenkliche Lage<br />

gerathen, da <strong>der</strong> Kaiser kein H e hl aus seinem Unwillen über dessen H er Z09 e<br />

machte. Am 3l. Januar 1547 fand zu Stettin eine Berathung statt,<br />

welcher die angesehensten Räthe bei<strong>der</strong> Höfe, Rüdiger von Mafsow, Joachim<br />

von Moltzan, Matzke von Borde, Reimar Von Wölbe, Damitz, Schwerin,<br />

Dr. Falcfe und Zifeewitz unter betn Vorfitze ber beiben Fürsten unb beS<br />

Bischofs beiwohnten. Zifeewitz, welcher bett Gang ber Verhanblungen leitete,<br />

rietl) tu einer ebenso Dringlichen als ausführlichen %izbt, man möge betn<br />

Kaiser burch Pfalzgraf Friebrich ober Wulf von Anhalt mittheilen lassen,<br />

Wie sich bie §er§oge itt bie Einigung begeben unb längst wieber auS<br />

bersefbett auSgefchieben, baß sie sich ferner betn BunbcSconcil ferngehalten<br />

unb an befsen Beschlüssen gänzlich unbeteiligt seien, auch im vorstef)enben<br />

Kriege nicht gegen beS Kaisers Manbate verstoßen hätten. Gleichzeitig<br />

aber müsse Kurfürst Jotjann Friebrich benachrichtigt werben, baß bie<br />

pommerschen Fürsten ohne Bewilligung ber Lattbschaft keine Hülfe leisten<br />

ober sich sonst in etwas einlassen könnten. Da bie Ursache beS Krieges<br />

nicht ganz klar erscheine, fei eS nöthig, sich burch Abgefanbte zu vergewissern,<br />

ob er ber Religion halber begonnen wäre. Sei bieS ber Fall, so würbe<br />

bie Entfchulbigung beim Kurfürsten am besten burch H er ä°9 Barnim vorgebracht,<br />

weil Letzterer sich verpflichtet hätte, ungeachtet ber bänischen Vorgänge,<br />

sich immer „gewißlich" zu erzeigen.<br />

Zitzewitz'S Rath schloffen sich zunächst Klcmptzcn unb Schwerin, fobann<br />

bie Fürsten unb anbere Räche an. 2 ) Sftoch elje berfelbe jeboch zur AuS-<br />

1 ) Bart^olb IV 2 . @. 320 u. f. ©paljn, VerfassungS* unb Wirthschafte<br />

gefchichte PomtuernS, S. 49 u. f.<br />

2 ) Protokoll <strong>der</strong> Berathung d. d. Stettin, Montags nach Conuersionis Paitlj


Jacob Von I 55<br />

führung gelangte, hatte die bisherige, zweideutige und unentschlossene Politik,<br />

die gewinnen wollte, ohne etwas eingesetzt zu haben, ihre Früchte getragen;<br />

<strong>der</strong> erzürnte Kaiser, durch seine Späher über die Vorgänge in Pommern<br />

genau berichtet, gab am 3. Februar zu Ulm sieben harte Klagepunkte gegen<br />

die H er zoge heraus und drohte mit Vergeltung. 1 )<br />

Eine angstvolle Aufgeregtheit ergriff nun baS gefammte Land. Mit<br />

fieberhaftem Eifer ward geworben, wurden die Städte befestigt, ja, H er äog<br />

Philipp verlegte seine Residenz von Wolgast in daS stark befestigte, von<br />

Waffen starrende <strong>Greifswald</strong>.<br />

Jn dieser schweren Zeit hatte Zi£ ert) i| fein verantwortungsvolles<br />

neues Amt angetreten. Die Fäden <strong>der</strong> Politik Pommerns liefen in seiner<br />

Hand zusammen und die Leitung sowohl <strong>der</strong> inneren und äußeren höchst<br />

verwickelten Verhältnisse des GefammtfjerzogthumS, als auch die vielfach<br />

nöthigen Reisen an die 9?achbarhöfe von Kursachsen und Kurbrandenburg<br />

nahmen feine Kräfte aufs äußerste in Anspruch. So groß war die Arbeitslast<br />

zu Ende des JarjreS 1546 und zu Beginn des nächstfolgenden, daß<br />

Zitzewitz kaum <strong>der</strong> allernöthigsten Nachtruhe pflegen konnte! Nichts kann<br />

die damalige Lage und des Kanzlers Thätigkeit packen<strong>der</strong> und besser kennzeichnen,<br />

als die Schil<strong>der</strong>ung des Chronisten Sastrow, welcher, gerade<br />

damals in Zifeewitz'S Kanzlei eingetreten, diesen jahrelang als vertrauter<br />

Schreiber auf den späteren politischen Reisen im Reiche begleitete:<br />

„Dan, da nach Trennunge deS Schmalkalbischen BuntS in VortragStraetation<br />

von <strong>der</strong> Kays. Maytt. dem Shurfurften von Sachsen vndt<br />

Landtgrauen zu H e ffen, solche schwere conditiones furgeschlagen, daS ohne<br />

Furcht gehandelt, also auf das Vorjrjar den Keyserl. Rustzug in jfjren<br />

Landen haben wurden, waS sollich ein Ronnenbt, Retteubt, Farent vnnd<br />

Rattschlarjent, Z u sammenschickung <strong>der</strong> ?Hätt gen Stettin, zischen beiden<br />

meinen g. h- H er tzog Barnim vnnd H er feog Philippssen, vnb bem Churfürsten<br />

zu Branbcnburg, z^uschen meinem G. H- H er feog Phiftpffen vnbt<br />

bem Ehurfursten zu Sachffen <strong>der</strong> lag den gantzen Winter zu Altenburg<br />

gar kleinS lautenS. Jn bem allen, wie in ber gantzen Hanbelung, vnnb<br />

in allen befchickungen wurt Jacob Sifeeuitz, ber Eantzler, gebraucht; bau<br />

er auf vielen Reichs- vnnb Kreistagen gewesen, ein gelarter, berebter, ansehenlicher,<br />

schöner, auch hohemutiger arbeitsamer Mann, ber einem Fürsten<br />

beibe mit Rate, auch im fürstlichen Geprenge woll bienen konte; er wolte<br />

eS fein vnnb war es auch; er moste eS alles, was im üftamen beiber Herren<br />

zuuorfertigen, stellen vnnb was er stellete, geschah mit follichem ausgearbeitetem<br />

FletS, baS Sftiemants sich vnterstunbt, etwas baran zu corrigiren,<br />

fonbern, wen etwas beratschlaget wurt, vnnb er fragte, wer sich baruber<br />

(31. Januar). Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 9. Vergl. aud) über Zitzewit^S Eingreifen<br />

Bohlen'fche Sammlung Rr. 53.<br />

!) Bartholb IV 2 . ©. 327. Spähn ©. 49.


Jacob Von Z^etoitz.<br />

setzen vund aufs Papir bringen folte, sagten die Consiliarij, son<strong>der</strong>n<br />

Dr. vom Wolde, das sott Salomon thun (bau so nennetcn sie jme), mit<br />

dem moste ich allenthalben reiten vnnd fahren, bis weilen Watyt vnnd<br />

Tag; find woll gegen Abendt aus dem Berlin gefaren, vnb den an<strong>der</strong>n<br />

Tag auf den Nachmittag so zeitig zu Stettin kommen, das er noch den Tag<br />

referirn konte; bin manche Sftacht mit jme gesessen, das, was den Tag im<br />

Rate gelesen, verfigelt vnnd hinweg geschickt wurt." 1 )<br />

Trotz beS Waffenerfolges, welchen Kurfürst Johann Friedrich am<br />

2. März M Rochlife über deS Kaisers Feldherrn, Markgraf Albrecht AlcibiabeS,<br />

errungen hatte, war bie Gefahr brennenb geworben. Auf Rath ber Stänbe,<br />

benen bie H er zoge bie Ungrünblichkeit ber Kaiserlichen Beschutbigungen<br />

angezeigt hatten, war beschlossen worben, gegen beS Kaisers Ungnabe bei<br />

Freunden Rath z u for<strong>der</strong>n, sich beim Kurfürsten <strong>der</strong> Hülfe toegen z u<br />

entschuldigen und ben Sieger mit Sühnegefuchen anzugehen. 2 ) Z u biesem<br />

Behufe waren Dr. J. Falcfe, Kanzler ^n Stettin, unb Jacob von Puttkamer,<br />

Hauptmann baselbst, von H er ä°9 Barnim, Moritz von Damitz unb<br />

Heinrich von Tormann nebst beS Wolgaster Kanzlers gewandtem Schreiber<br />

Sastrow Von H er i°9 WliW an ben in Böhmen weilenden Kaiser abgeordnet<br />

worben unb am 10. März Von Stettin abgereist. 3 ) Aber ehe<br />

biefelbeu, unentschlossen unb aus Furcht vor betn Z°rne beS Monarchen<br />

lange Umwege machenb, das in Böhmen vermuthete Kaiserliche Lager<br />

erreichten, war dieser längst von dort aufgebrochen, hatte bie Schlacht Von<br />

Müf)lberg (24. April) gewonnen unb vor Wittenberg ein Felbtager bezogen,<br />

Wovon die Kunbe bie Pommerfchen Gefanbten erst am 26. April in Leitmerttz<br />

erreichte. 4 ) Deshalb hatten bie hochbesorgten Fürsten bereits Anfangs Mai<br />

eine neue Gefanbschaft, bestehend aus bem Wolgasttfchen Kanzler Zi^ewitz,<br />

Joachim von ber Schulenburg unb Henning von Dewitz, mit einem umfangreichen<br />

„Denkzettel" uub Crebttiven an btn Kaiser und dessen Räthe, sowie<br />

bie übrigen Reichsfürsten in baS Feldlager vor Wittenberg entfenbet. 5 )<br />

*) ©aftroto II. 7. u. f. Bezeichnend ist, ba^ Z^tzewitz feine Arbeit regelmäßig<br />

MorgenS um 4 Uhr zu beginnen pflegte!<br />

2 ) LandtagSVerhanblungen zu Stettin, Montags, Dienstags :c. nach Reminiscere<br />

(7., 8. März) 1547. Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 9. Anscheinend war Zitzewitz auf<br />

Reifen abwesend und wohnte denselben nicht bei, da we<strong>der</strong> fein Rame erwähnt<br />

wirb, noch Concepte Von feiner Hand bti ben Akten find. — Barthold IV 3 . ©. 328.<br />

3 ) Jhre Jnftruktion d. d. Stettin Mittwochs nach Judica (30. März), ©tett.<br />

Arch. P. I. Tit. 2. Rr. 17. Dieselbe ist 64 Seiten stark.<br />

4 ) Mit harten Worten rügte bieS Verhalten ber Bischof von ArraS: ^)\t<br />

ersten Gefanbten hätten in Böhmen banfettirt, \tatt vor bem Kaiser zu erscheinen<br />

unb „muffen eS fyetloß leutte fein". Schreiben Herzog Philipp'S d. d. Elbena<br />

Freitags nach Cantate (13. Mai) an Z^eroitz, ©chulenburg unb Dewitz. Bohlen'f<br />

Sammlung unnummerirt.<br />

5 ) Jnftruktion Herzog pijtltpp'S für Zifeewitz d. d. Wolgast am Tage Ascensionis<br />

Doniinj (19. Mai) a. a. O. Rr. 16.


Jacob Von Zi<br />

Wie gefährlich Zi& eU) ik dieser Auftrag erschien, erhellt daraus, daß er sich<br />

von den H er ä°9en Barnim und Philipp vor seiner Abreise einen ReverS<br />

ausstellen ließ, in welchem sich diese verpflichteten, ifm für einen unglücklichen<br />

Ausfall <strong>der</strong> Sendung nicht verantwortlich zu machen und, wenn er in o<strong>der</strong><br />

außerhalb Landes nie<strong>der</strong>gelegt ober gefangen würde, ihn zu befreien, ihm<br />

für allen Schaden zu stehen und seiner für die angewendete große Mühe<br />

mit einer Verehrung zu gedenken. Für den Fall aber, daß er unterwegs<br />

mit Tode abginge, versprachen die Herren, selbst die Vormundschaft für beS<br />

Kanzlers Geschwister und <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> zu übernehmen und fürstlich für<br />

dieselben zu sorgen. 1 )<br />

Zunächst wandte sich Zifee^ife nach Berlin und suchte von dort auS<br />

durch Vermittelung des Kurfürsten Joachim für sich und feine Mitgesandten<br />

Geleitsbriefe zu erwirken, 2 ) reiste aber Weiter, als er das Vergebliche seiner<br />

Mühe einsah, und von Wolgast mit <strong>der</strong> Begründung, daß er wol)t auch<br />

ohne Geleitsbriefe die jedem Gesandten zukommende Sicherheit genießen<br />

würde, zu schnellerem Vorgehen aufgefor<strong>der</strong>t wurde. Gleichzeitig ward itjm<br />

befohlen, nicht auf „die an<strong>der</strong>en von Torgaw" — Dr. Fattfe und seine<br />

Genossen — z u warten, welche am 18. Mai Von Schildau aus versucht<br />

hatten, mit il)in zusammenzutreffen, aber die Sache aufgaben und unverrichteter<br />

Diuge nach Hause zurückkehrten, als ihnen <strong>der</strong> kaiserliche Vicekanzler<br />

Dr. Seid einen äußerst ungünstigen Bescheid ertheilt hatte. 8 ) Auch<br />

Saftrow, welcher sich vou ihnen am meisten bemüht und mancher schweren<br />

Gefahr ausgesetzt hatte, eilte dorthin, erstattete in Stettin Bericht, ward<br />

aber sogleich mit neuen Verhaltungsmaßregeln an Zifeewife zurückgeschickt,<br />

welchen er etwa am 4. Juni zu Treuenbrietzen vorfand. Jn den von<br />

Saftrow überbrachten Jnstruktionen wurden <strong>der</strong> Kanzler und Matzke V. Borde,<br />

welcher inzwischen von H er ä°g Barnim Zifeewitz zugesellt worden war, 4 )<br />

*) ©eine Schwestern waren verheiratet an Georg von ©tojentin auf RumbSke<br />

und Pavel von Weiher, beide waren Wittwen und hatten Kin<strong>der</strong>, ©tett. Arch.<br />

Dep. LehnS=Arch. Tit. IX. ©ect. 238. Rr. 1. fol. 119 v - u. f.<br />

2 ) Joachim V. b. ©chulenburg ht$ah sich im Geleit beS branbenburgtfchen<br />

Marschalls Abam V. Trott zu Kurfürst Joachim inS Feldlager nach Brietzen, während<br />

Zitzettrifc unb Dewitz in Berlin wirkten, ©chreiben Herzog Philippe Vom 14. Mai,<br />

Bericht Zitzetoitz'S an Herzog Philipp ©ambftag nach bem ©onntage Cantate<br />

(22. Mai), ©chreiben Kurfürst Joachim'S an Zitzewitz d. d. Wittenberg Dienstags<br />

nach Exaudj (24. Mai) unb Briefwechsel ZitzeWitz'S mit ©chulenburg. Boljlen'fche<br />

Samml. unnnmmerirt.<br />

3 ) Erst burch einen Brief Herzog Philipp'S erfuhr Zitzewitz am 23. Mai zu<br />

Treueubrietzen, baß Falcke so spät int Kaiserlichen Lager eingetroffen unb eine<br />

ungünstige Antwort von ArraS erhalten; er bat d. d. ©ambftagS nach Ascensionis<br />

Dominj (21. Mai) Dr. Marquarb um genauen Wortlaut beS ertheilten BefcheibeS.<br />

Boljlen'fche (Sammlung unnummerirt. — ©chreiben Falcfe'S an Zitzenritz d. d.<br />

©chilbau 18. Mai. P. I. Tit. 2. Rr. 16. - Bartholb IV 2 . ©. 329. ©aftrow II. 17.<br />

*) ©aftroro II. 23. Jnftruktion für Zitzewttz unb Borcke im Fetblager Vor


158 Jacob Von<br />

angewiesen, daß sie sich, sofern ihnen „vf Jr suchen vorgleitung ausdrücklich<br />

nicht abgeschlagen wurde, Jnn daS Kayfcrliche Feldtlager Verfugen" und<br />

bei König Ferdinand und Kurfürst Joachim fleißig um Vermittelung beim<br />

Kaiser fotficitiren sollten, damit sie beim Letzteren Gehör erlangten und an<br />

<strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Jnstruktionen „so die vor dieser Zeit abgefertigten Räthe<br />

mit Jnen gebrauchen", „baS furwenden, werben Vnd ausrichten, das vnS<br />

(d. h- den Fürsten) vnfern landen vnd leuthen . . . nutz christlich ehrlich<br />

recht vnb vnuorwerfflich ist"; auch sollten sie <strong>der</strong> Fürsten guten Willen<br />

rühmen, „damit darüber gewaltsam vnd thatlich furnhemen (gegen vnS vnfer<br />

lanbt vnd teutlje) furtzuhemen vormitten pliebe".<br />

Aber auch dem „Salomo" Pommerns gelang es trotz aller angewendeten<br />

Miche nicht, Geleitsbriefe zu erwirken o<strong>der</strong> sonst etwas zn<br />

erreichen. Deshalb befahl H er ZO9 Barnim, vielleicht durch den mündlichen<br />

Bericht des ebenso gewandten und eifrigen, als anch ehrgeizigen Sastrow<br />

beeinflußt, unter bem 8. Juni Zifeewifc nnd Borcfe, (chleuuigst heimzukehren,<br />

weil er weiteres Sotltcttiren für zwecklos und mel)r nachtheilig und<br />

schädlich als för<strong>der</strong>lich halte, bagegen Sastrow unb Joachim AlvenSleben,<br />

biesen als beS» Ersteren SekretariuS, zurückzulassen, bamit jener fleißigen<br />

Bericht über bie Vorgänge im Kaiserlichen Lager erstatte. 1 ) Ehe inbeß<br />

ber übereilte Befehl Zi&ewitz erreichte, war bieser unter recht gefährlichen<br />

Abenteuern mit spanischen Solbaten unb Marobeuren von Bitterfelb aus<br />

nach Hatte gezogen, wohin ber Kaiser sein Lager verlegt hatte. 2 ) Dort<br />

trafen ber Kanzler unb Borcke auf Henning von Dewitz unb Joachim von<br />

ber Schulenburg, welche ihnen auS Stettin ein Manbat beiber ^>ergoge<br />

überbrachten, in welchem Barnims einseitige Anorbnung, bie weber bie<br />

Billigung H er äog Philipp'S noch ber Stänbe gefunben hatte, wiberrufen<br />

würbe. Die Fürsten hatten nämlich aus Zifeewitz'S unb Borcfe'S Berichte<br />

aus Kremmen unb Berlin sofort iljre Rätlje sowie vertraute Personen auS<br />

ber Lanbfchaft zufammeuberufen unb berathen, sobann bie ganze Angelegenheit<br />

bem Lanbtage ^n Uecfermünbe vorgetragen. Endlich hatte man in Pommern<br />

den Stand <strong>der</strong> Sache erkannt und eingesehen, daß eS nicht an <strong>der</strong><br />

Unthätigkeit <strong>der</strong> Gesandten, fon<strong>der</strong>n an dem Willen des Kaisers lag, ber eine<br />

Versöhnung mit bm Herzogen zur Zeit nicht wollte. Trofcbem war es von<br />

ben Stäuben boch für zweckmäßiger erachtet worben, baß Zi&ewitz unb<br />

Borcfe nach wie Vor bem Kaiserlichen Feldlager nahe bleiben sollten. AuS<br />

ber Jnstruktion an Säübt erhellt bieS beutlich: „Dan ob wol bie munbt-<br />

Wittenberg d. d. 28. Mai.


Jacob von Zitzewitz. 159<br />

liche antworten, so Z a ftrow erlangt, das ansehen haben, baS darauf ferner<br />

zu Sollicitiren vnd antzuregen vnfruchtbar fein muge, So befinden wir<br />

gleichwol, das solliche Antwort, Jn nahmen key: Matt: ober auch sonst<br />

schriftlichen zu geben mit vleiS geweigert vnd entschuldigt wirbt, welches<br />

vnS dan allerley nachdenken geberet, vnb vnS besorgen muffen: ba wir<br />

ZU Sollicitiren vnb vnser vnschulbt an tagk zu geben: ober zum wenigsten<br />

einen vorljorStagk z u erlangen vnterlaffen würben, baS wir zu erster<br />

boquemigkeit unb key: Matt: gelegenheit auf anstiefften vnb anreitzen vuser<br />

abgunftigen vnuorschulbt auch vnuorwarnt beschweret werben mochten, Jn<br />

sonberheit, ba ^iemanbtS kegenwerttg fein fotte, ber auf ben abzug vnb<br />

aufbrechend aller ober eins theils beS kriegsvolcks, ober sonst ein gelegenheit,<br />

vnser notburfft zu forbern vnb für zu wenben acht hette vnb außzurichten<br />

gefchiefet vnb gefaffet wehre. Weil aber ihr z^o follichen fachen mit notdurfftigem<br />

Bericht vnd beuetjt abgefertiget vnb burch Secretarieu ober<br />

anbere SolticitatoreS nicht genugsam ausgerichtet werden<br />

mag", werben im Söeitcxen Sifectüife unb SBotcte ati§etrn^en, §ut %fyi &u<br />

geben, wann unb wohin baS Kriegsvolk abziehe unb eiligst barüber zu<br />

berichten. Ferner sollten sie versuchen, wenn irgenb möglich vom Bischöfe<br />

von ArraS ober Dr. Marquarb eine schriftliche Antwort zu erhalten, sowie bei<br />

Alba unb anberen beim Kaiser bcsonberS angesehenen Personen fleißig sollicitiren,<br />

ba$ bie Herzoge fcfyvifttid) $um 9leid)$tage qelaben würben. Sind) würbe ifjnen<br />

etnbringlich eingeschärft, wenn nicht im, so boch stets bei bem Kaiserlichen<br />

Lager zu bleiben, falsche Berichte über ihre Fürsten zu verhinbern unb in<br />

Allem auf <strong>der</strong> «jper^oge, gemeiner Landschaft unb be$ Qan%en 3}atevtanbe§<br />

Wohlfahrt und Gedeihen, nach ihrer „©efdjtebenfjett" bedacht zu fein. 1 )<br />

Thatsächlich blieb in ber weiteren F°fge auch Zifcetoitz nnb Borde<br />

md)t§ anbetet übrig, al§ in geun^et ©tit^etnutuj bem Sai^etücfyen $u$e<br />

ZU folgen unb, wo es bie Gelegenheit bot, zu versuchen, burch Vermittelung<br />

ber anberen Fürsten unb bereu Gefanbten sowie bie Räthe beS Kaisers<br />

biefen für Pommern günstiger zu stimmen, bie Entfchulbigungen ihrer<br />

Herzoge anzubringen unb bieselben vor weiteren falschen Anfchulbigungen<br />

Zu schützen. Sastrow hatte Zife eu3 % bamit einer Weifung aus Stettin<br />

nachkommenb, in beS Kaisers nächste Umgebung geschickt, bamit er bort<br />

horche unb Stimmung mache, was berfelbe auch ebenso eifrig als gewanbt<br />

ausführte. 2 )<br />

Am 20. Juni brach ber Kaiser von H a ße auf unb rückte burch<br />

Thüringen unb Franken, an verfchiebenen Orten größere Rast haltend,<br />

nach Augsburg. Dorthin war zum 1. September ber Reichstag, zu bem<br />

übrigens bie pommerfchen H e rZ 0 9 e nicht gelaben waren, ausgeschrieben.<br />

*) Ercbttive Detnitz'S unb Schulenburg'S d. d. Ue<strong>der</strong>münbe Freitags nach<br />

TrinitatiS (10. Juni), auch ©astrow 11. 23.<br />

2 ) Bartholb IV 2 .


160 Jacob von<br />

Während nun Sastrow immer im Kaiserlichen Heere, ja fast um die<br />

Person KarPS V. selbst weilte, folgten Z^ewitz und feine Secretarien dem<br />

gewaltigen Zuge in weiterer Entfernung. ES war für die ohne Geleit<br />

reifenden Pommern eine böse, gefährliche F a h r t, denn gar übet und<br />

gewaltthätig hausten die spanische Soldateska und die in Schaaren zurückbleibenden<br />

Marodeure. Mord, Brand, Diebstahl und Nothzucht bezeichneten<br />

den Weg, den baS Kaiserliche H eer genommen, und eS ist schau<strong>der</strong>haft,<br />

waS Sastrow kaltblütig darüber berichtet. Nichts vermochte dem zu steuern,<br />

obgleich <strong>der</strong> Kaiser „aüe Abent, da er sein Zelt aufschlug, auch einen<br />

Galgen richten, sie auch tapfer anbinden ließ". Wohl mochte deshalb<br />

Zttzewitz aufathmen, als er endlich das schützende Augsburg erreichte, wo<br />

Sastrow, fast gleichzeitig mit dem Kaiser ankommend, für chn und die<br />

an<strong>der</strong>en pommerfchen Gesandten in einer Herberge am Weinmarkt dicht<br />

neben beS Kaisers Palast Quartier belegt hatte.<br />

Wie auf <strong>der</strong> ganzen Reise hatte deS Wolgastischen Kanzlers rühriger<br />

Schreiber auch sofort nach dem Einzüge in Augsburg, eingedenk feiner<br />

Anweisung, beim Bischöfe von ArraS, Granvetla, dem Vtcekanzter Dr. Selb<br />

und Dr. Marquarb versucht, für feine Fürsten ober beren Gefanbte<br />

Kaiserliches Geleit ^n erlangen, war auch gnäbig unb hoffnungsvoll bebeutet<br />

worben. Da traf ber Spion Lazarus von Schwenbi in Augsburg ein unb<br />

als kurz barauf Sastrow abermals ben Kaiserlichen Räthen mit seinen<br />

Bitten anlag, bekam er „neben stracken Sehen, abschlägige Antwurtt mit<br />

harten stauren Vorhin vngewonlichen Wortten (Bannus decemetur contra<br />

prineipes tuos)" zu hören. 1 )<br />

Es lag klar 3U Tage: man Wollte kaiferltcherfetts Pommern strafbar<br />

finben, um Gelb zu erpressen unb anbere Stäube einzuschüchtern. Ohne offene<br />

ehrliche Freunbe hatten Pommerns Fürsten nicht wenige versteckte Feinbe;<br />

bie für sie günstige Lage benutzenb, erhoben bie entfetzten Aebte unb Kleriker<br />

laute Klage unb broljten mit Rückforberung ber geistlichen Güter. So<br />

häuften sich, bem Kaiser willkommen, immer meljr weltliche unb kirchliche<br />

Klagepuukte gegen unsere H er Z09 e - 2 )<br />

9bch auf ber Reife nach Augsburg war übrigens Zifeewitz ein ganzes<br />

Felleisen voll Jnstruktionen, Erebitiven unb zahlreicher anberer Dokumente,<br />

welche zur Entlastung von ben Kaiserlichen Anklagen bienen sollten,<br />

gegangen: zunächst eine Vollmacht, batirt vom 9. Juli, für Zife elr)<br />

Persou, neben ben Kurfürsten, Fürsten unb anberen ReichSstänben die<br />

Proportionen beS Kaisers mit anzuhören, mitzuberathen sowie auf bem<br />

Reichstage bk ben Herzogen gebührenbe Session ein- uub anzunehmen,<br />

ba, wie es in ber llrkunbe naiv heißt, „vielleicht kurtze ber Zeit, auch ferne<br />

halben beS Weges", tiefen keine Labung zugegangen fei, sie aber als<br />

J ) Sastrow II. 23 bis 35 u. f.<br />

2 ) Bartf;o(b IV 2 . @. 330.


Jacob Von Zitzewttz.<br />

gehorsame Fürsten trotzdem nicht ausbleiben wollten; 1 ) ferner ein Erebitiv<br />

an den Kaiser, in dem dieser gebeten wurde, Zttzetottz /sauf bießmal nicht<br />

weniger alß ber H er ä°9 e eigene Person stadt vnd glauben zu geben", sowie<br />

gleiche Beglaubigungen an die Kurfürsten von Köln, Moritz von Sachsen,<br />

die Herzoge von Baiern, an ArraS, Granvetta u. a. m., 2 ) endlich zwei weitläufige<br />

Jnftruktionen, beide, was für bk Folge bemerkenswerth ist, nur<br />

für Zitze Witz all ein bestimmt. Jn <strong>der</strong> einen ward er angewiesen, alles<br />

daran zu setzen, daß Kurfürst Friedrich von ber Pfalz, <strong>der</strong> gleichzeitig burch<br />

ein beson<strong>der</strong>es Handschreiben von Zi&ewitz'S Mission benachrichtigt wurde,<br />

sich persönlich ober burch eine Botschaft beim Kaiser für bie H e rz o 8e &er*<br />

wenbe, 3 ) in ber anberen warb ihm aufgegeben, an ber Hanb ber überkommenben<br />

Dokumente schriftlich bie Unfchulb ber Pommerschen Fürsten<br />

sowohl in Betreff ber Kaiserlichen Klagepunkte, als auch ber Wilbenbruch'fchen<br />

unb Zachan'schen Sache, 4 ) in ber bie Herzoge übrigens Restitution einräumen<br />

wollten, zu beweisen. Gleichzeitig würbe Zi& eit) i& mitgetheilt, baß Joachim<br />

von PobewilS, SftcotauS von Puttkamer, Moritz von Damitz, Joachim von<br />

ber Schulenburg unb Heinrich von Tormann ihm zur Unterstützung beigeorbnet<br />

seien.<br />

Thatsächlich trafen biese, mit ähnlichen Jnstruktionen unb Pässen<br />

versehen, 5 ) fast gleichzeitig mit bem Kanzler Anfangs September in Augsburg<br />

ein. Ohne Zögern begaben sich alle an ihr schwieriges Werk, aber vergeblich<br />

war ihre ganze Mühe unb Klugheit. Denn nachbetn sie in fast allen Punkten<br />

bie Unfchulb ihrer Fürsten an ben tiefen zur Last gelegten Vergehen aufs<br />

klarste bewiesen hatten, steiften sich bie kaiserlichen Räthe schließlich auf baS<br />

Schmähfchreiben, welches bie BunbeSVerwandten, denen bie Pommernfürsten<br />

kaiserlicherfeitS zugezählt würben, 1546 an Karl V. gerichtet hatten. 6 ) Es<br />

ist barum nicht verwunberlich, wenn baheim bie Fürsten in großer Angst<br />

unb Sorge saßen und <strong>der</strong> Befürchtung Raum gaben, baß sie iljreS „Seins<br />

vnb fürstlichen Standes im Reich entsetzet" werden könnten. 7 )<br />

Jndefsen besuchten bie Gefanbten unentwegt auch ferner unb z^ar<br />

immer zu zweien bie zu Augsburg anwefenben geistlichen unb weltlichen<br />

Kurfürsten unb Fürsten ober bereu Räthe, um bie Fürsprache berfelben<br />

beim Kaiser zu erwirken, ernteten statt bessert aber meist bloß Spott unb<br />

Hohn. Sftur Zifeewitz sotlicitirte getreulich für sich allein, wozu er sich<br />

mit $ltfyt verpflichtet fühlte, weil er besonbere, nur für seine Person lautenbe<br />

») d. d. Stettin FreitagS nach Jacobi (29. Juli). P. I. Tit. 2. Rr. 15. fol. 278.<br />

2 ) d. d. (Stettin Donnerstags nach Jacobi a. a. O. fol 245.<br />

3 ) A. st. O. fol. 280. 281.<br />

4 ) Barthold IV 2 . ©. 319.<br />

5 ) P. I. Tit. 2. Rr. 15. fol. 283. 295 u. f.<br />

6 ) ©aftroto über die Thätigkeit ber Gesandten sehr eingehend II. zpl) Stert. Arch. P. I Tit. 2. Rr. 15. fol. 12—16.<br />

«Stubtcn *R. $. i. 11


162 Jacob von<br />

Jnstruftionen erhalten hatte und auch in <strong>der</strong> ^otge weiter erhielt. 1 ) Jn<br />

seiner klugen, wohlbedachten Art, die sein ganzes Wesen kennzeichnet, trug<br />

er den Reichsfürsten sein Anliegen so eingehend und gründlich vor und<br />

wie<strong>der</strong>holte dasselbe mit solcher Regelmäßigkeit, baß eS diesen schließlich<br />

äußerst lästig und unbequem wurde. 2 ) Zifeewitz fyatte sehr Wohl die Unmöglichkeit<br />

erkannt, mit Vernunftgründen bei den Kaiserlichen Räthen etwas<br />

durchzusetzen o<strong>der</strong> bei dem geringen Willen <strong>der</strong> in Betracht kommenden<br />

Fürsten <strong>der</strong>en Vermittelung beim Kaiser zu erlangen. Vielleicht hoffte er<br />

durch Ermüdung dieser Herren <strong>der</strong> Erfüllung seines Auftrages näher zu<br />

kommen, eingedenk des Sprichwortes, daß auch <strong>der</strong> Tropfen den Stein<br />

höl)le. Hierfür spricht übrigens auch <strong>der</strong> Umstand, daß <strong>der</strong> Kanzler sich<br />

gleichzeitig die Schwächen <strong>der</strong> Kaiserlichen Räthe, die ihm als welterfahrenem<br />

Manne wohl bekannt waren, zu Sftutze machte, indem er zu dem bewährten<br />

Mittel <strong>der</strong> „Verehrung" griff: Nam causae perduntur, quae paupertate<br />

reguntur, sagt SastroW sehr bezeichnend.<br />

Zifeewitz bewirkte also, daß Dr. Marquardt'S Wunsch erfüllt und<br />

demselben „ein geschicktes kleines Rößlein" „mit Rüstung darauf, die sich<br />

geburte", nebst drei Portngalesern „verehrt" wurde, ließ auch sonst Dukaten<br />

„springen", wagte sich aber nicht daran, Granvella selbst auf diese Weise<br />

ZU gewinnen, obwohl nach Sastrow „des hohen Bedenkens Subtilicheit vnd<br />

Sorge nicht von noten gewesen" und Z^e^ tM v Kleinodien auch noch<br />

so viel! ohne Gefahr vnd gueten Willen . . anich worden". 3 )<br />

UebrigenS war die Arbeitslast, welche dem Kanzler in Augsburg zu<br />

bewältigen oblag, recht erheblich. Hatte er sich TagS über bei den Kaiserlichen<br />

Räthen, den Reichsfürsten und <strong>der</strong>en Legaten müde sollicitirt, so mußte<br />

er Abends und SftachtS die Berichte an feine Landesherren abfassen. DieS<br />

erhellt am besten daraus, daß weitaus die Mehrzaljl <strong>der</strong>selben, welche oft<br />

einen fel)r beträchtlichen Umfang einnehmen und sich auf baS eingehendste<br />

über die Vorgänge auf dem Reichstage und die Thätigkeit <strong>der</strong> Gesandten<br />

auslassen, Von seiner eigenen Hand nie<strong>der</strong>geschrieben find. 4 ) Dabei war<br />

Zifeewitz'S Stellung als des ältesten und angesehensten <strong>der</strong> Pommerfchen<br />

Gesandten nicht eben leicht. Denn so bunt und toll eS in Augsburg, wo<br />

sich die Mehrzahl <strong>der</strong> Fürsten, Grafen, Bischöfe und Herren des Reiches<br />

mit zahllosem Gefolge, auch sonstige berühmte Personen aus allen Län<strong>der</strong>n<br />

*) So wurden durch Vorerwähntes Schreiben sämmtliche Gesandte mit<br />

Ausnahme Zitzcinitz'S heitngerufen und nur diesem allein weitere Befehle ertheilt.<br />

Jn Folge beS frühen und ^efttöen WinterS blieben aber die anberen Räthe noch<br />

länger in Augsburg. Vergl. auch Sastrow n. 97.<br />

2 ) Sehr braftifch unb ausführlich Qefdn'lbert Von Saftroro II. 63. 64.<br />

3 ) Sastrow II. 6ß u. f.<br />

4 ) Die Zahl ber Berichte beträgt im Ganzen wohl ein ijalbeS Hunbert, oft<br />

Zehn unb mehr Foüofeiten stark. Stett. Arch. P. I. Tit. 2. Rr. 14. 15. 16 u. f.,<br />

ferner Boljlen'sche Sammlung Rr. 54.


Jacob Von Zi<br />

<strong>der</strong> Welt eingefunden hatten, um jeneZeit zuging, mußten doch die pommerschen<br />

Abgeordneten still in ihrer Herberge liegen und jede Festlichkeit strenge<br />

meiden, weil <strong>der</strong> Kaiser mit ihren Herzogen unauSgesöhnt war und sie noch<br />

immer geleitloS und nur stillschweigend geduldet in Augsburg weilten. Dies<br />

erschien aber manchem <strong>der</strong> Räthe unerträglich, und es machte Qtyetvty keine<br />

geringe Mühe, dieselben davon zurückzuhalten, daß sie sich nicht in den<br />

Strudel <strong>der</strong> Vergnügungen stürzten, waS bei ihrer Unkenntnis <strong>der</strong> Personen<br />

und Verhältnisse <strong>der</strong> Gesandtschaft die größte Gefahr bringen und <strong>der</strong>en<br />

ganze Mission in Frage stellen konnte. 1 )<br />

Einen schönen, menschlichen Zug Z^ewitz'S, welcher wesentlich zur<br />

Kennzeichnung feines ErjarakterS beiträgt und deshalb hier wohl erwähnt<br />

werben darf, hat uns Sastrow aus den Augsburgischen Tagen aufbewahrt.<br />

Danach brachte <strong>der</strong> kaiserliche Trabant Simon von piaten, ein geborener<br />

Pommer, in bie Herberge feiner LaudSleute einen vom Kaiser beson<strong>der</strong>s<br />

geschätzten, aber bürgerlichen Leibtrabanten mit, welcher den pommerschen<br />

Gesandten wegen seines liebenswürdigen Wesens sehr gefiel. AIS sie ihn<br />

deshalb beson<strong>der</strong>s auszeichneten, wurde piaten eifersüchtig unb bemerkte<br />

höhnisch, eS sei schade, daß jener nicht ein geborener Edelmann wäre. Dies<br />

erregte ben Unwillen ber Anwesenben, „sonberlich ber Eantzler Zifeeuitz ber<br />

^tbt ein sonterlichen Mißfallen trug". Wie selten bamalS aber eine berartige<br />

Anschauung war, beweist Sastrow'S Bemerkung, baß bie nobiles<br />

Pomeranici Weißheit, Vernunft unb Verstaub meist ber Geburt zuschrieben. 2 )<br />

ES würbe zu weit führen, hier auf bie Einzelheiten beS Augsburger<br />

Reichstages unb bie Thätigkeit Zitzewhys unb seiner Genossen währenb ber<br />

nächsten Monate näher einzugehen; ihre ganze Mühe unb Geschicklichkeit<br />

war bis zu Enbe beS Jahres 1547 ohne Erfolg geblieben, weSljalb ihnen<br />

Spottes halber von britter Hanb boshafte Pasquille zugestellt würben. 3 )<br />

Vielmehr hatte sich bie Lage noch weiter zu Ungunsten ber pommerschen<br />

Fürsten verschärft, nachbetn einige StiftSstänbe beS BiSthumS Eammin,<br />

unzufrieben über bie Einsetzung beS beweibten Bischofs Bartholomäus unb<br />

beffen Bestrebungen, ben LanbeSrjerren bie Bahn zur unmittelbaren Herrschaft<br />

im BiSthum zu ebnen, gerabe jetzt wieber bie Ansprüche auf Reichsunmittelbarkeit<br />

erhoben unb bamit sowohl beim Kaiser wie beffen Umgebung<br />

leichten Eingang gefunben hatten. Dieser ließ am 5. Januar 1548 ein<br />

äußerst scharfes Manbat an bie Herzoge, ben Bischof unb bie StiftSstänbe<br />

ergehen, in welchem ber 1545 zwischen ben beiben Ersteren zu EöSlin geschlossene<br />

Vertrag, weil gegen bie Satzungen, Recht unb Orbnung beS<br />

*) ©aftrow über baS Abenteuer beS Moritz von Damttz II. 96.<br />

2 ) ©aftrow II. S. 94. Völlig unerklärlich ist eS, rote ©pa^n ©. 71 zu beut<br />

Urtheil gelangt: „Jacob Z^e^ fand eS unerträglich, eines Bürgerlichen Talente<br />

rühmen zu hören", wobei er sich selbst auf ©astroto II. 95. beruft.<br />

5 ) ©astroh) II. 68 biS 80. Dieselben finb in lateinischer ©prache, in Poesie<br />

unb Prosa verfaßt.<br />

11*


164 ^acob Von<br />

Reiches aufgerichtet, für nichtig erklärt und Kapitel und ©ttftsstänben<br />

deS BiSthumS Eammtn anbefohlen wurde, den H er ä°9 en und dem „vermeinten<br />

Bischöfe" den Gehorsam aufzukündigen, dem Kaiser selbst zu hulbigen<br />

und sich bis zur Erwählung eines rechten kanonischen Oberhauptes aller<br />

Stiftsangelegenheiten zu enthalten.<br />

Dies war aber selbst den stark eingeschüchterten Pommernfürsten zu<br />

viel, da eS bie ganzen reformatorischen Errungenschaften <strong>der</strong> letzten Jahre<br />

in Frage stellte. Jn <strong>der</strong> Pfingstwoche 1548 ließen sie Z^ewitz und Tormann<br />

gemessene VerhattungSbefehle znr Wahrung ihrer fürstlichen Gerechtsame<br />

Zugeljen, apelürten und provocirten gleichzeitig mit Kapitel und Stiftsständen<br />

gegen das kaiserliche Mandat an baS Reichskammergericht unb veranlaßten<br />

bie Letzteren, welche ihnen in ber Majorität wohlgeneigt waren, einen ber<br />

ihrigen, ben Domherrn unb Stiftskanzler, auch fürstlichen Rath un d alten<br />

Stubienfreunb beS Bischofs von ArraS, Martin von Weiher auf Leba, nach<br />

Augsburg zu entfenben, bamit berselbe bort bie stiftische Sache nachbrürftichst<br />

im lanbeSherrlichen Jntereffe vertrete. 1 ) So gelang es benn mit gewaltigen<br />

Anstrengungen am 3. Juni 1548, also wenige Tage Vor betn Schlüsse<br />

beS Reichstages, bessert Hauptprobukt baS berühmte Jnterim bilbete, ben<br />

vereinten Anstrengungen Zi£ elt) ifc% Sftormann'S uub Weiljer'S, bie Bebingungen<br />

auSzufinben unb festzustellen, unter benen sich ber Kaiser mit ben<br />

Herzogen von Pommern auszusöhnen bereit erklärte: Zahlung von 150000<br />

Golbgulben als Buße wegen Pommerns Antheilnahme am Schmalkalbifchen<br />

Bunbe unb Annahme atier Beschlüsse beS Reichstages, inSbefonbere beS<br />

JnterimS. 2 ) Mitte Juui würbe ber Reichstag geschloffen, unb wäljrenb Sastrow,<br />

Tormann unb Weiher bem Kaiser Weiter über Aachen nach Brüssel folgten, 3 )<br />

kehrte Z^wi^ in die Heimath zurück. Dort fcmb er zunächst nicht bie nach<br />

so langer Abwesenheit wohl Verbiente Ruhe. Gleich nach seiner Ankunft<br />

hatten bie H er ä°9 e einen gemeinsamen Lanbtag nach Stettin einberufen,<br />

in welchem er als Vertreter ber Fürsten btn Vorfitz führte, üftachbem ber<br />

Wolgaster Kanzler eingehenb über bie Vorgänge auf bem Reichstage berichtet<br />

hatte, trug er ber Lanbfchaft bie vom Kaiser gestellten Sühnebebingungen<br />

vor unb tljat fein Möglichstes, um bie Stänbe zur Annahme berselben zu<br />

bewegen. DieS stieß aber bei ben Letzteren auf ungeahnte Schwierigkeiten.<br />

Erregte bie H^h e deS Sühnegelbes Bebenken, so erschien ben Stänben die<br />

Annahme des JnterimS schier unmöglich, weil beinahe das ganze Laub<br />

und insbeson<strong>der</strong>e bie Geistlichkeit bemselben einhellig wiberstrebte. Jnbeß<br />

gelang eS nach langwierigen Verkantungen hauptsächlich burch<br />

*) Bereits d. d. Eorlin und Eammin 2. Dezember 1547 waren Z^ewitz unb<br />

feine Mitgefandten born Bischof Bartholomäus und ^apitd zu ftifttfchen Seöott*<br />

mächtigten auf bem Reichstage ernannt worden. Boljlen'fche Sammlung unnummerirt.<br />

2 ) Bartholb IV. 2 - ©. 330. 331, ©paljn ©. 50 u. f. ©aftrom II. 570 u. f-<br />

©tett. Arch. P. I. Tit. 2. Rr. 15. 16. an Verfch. Ort.<br />

3 ) ©aftrow II. 641.


Jacob Von ZtÖetottz. 165<br />

eindringliche Beredsamkeit, den Beschluß durchzusetzen, daß dem Kaiser<br />

einstweilen die vorläufige Annahme <strong>der</strong> gestellten Bedingungen durch<br />

eine Gesandtschaft verkündigt werden sollte. Hi er Z u wurden bie beiden<br />

Kanzler Jacob Von Z^e^i^ und Dr. Falcfe, die beiden Marschälle Rüdiger<br />

von Mafsow und HanS von Bonow, sowie Dr. Baltzer vom Wolde und<br />

Johann von Usedom auSersehen, welchen von den Fürsten und <strong>der</strong> Landschaft<br />

beson<strong>der</strong>s ans H er 8 gelegt wurde, auf eine Herabmin<strong>der</strong>ung des<br />

Strafgeldes beim Kaiser hinzuwirken. Die Abreise <strong>der</strong> Gesandtschaft sollte<br />

am 29. September vom Kloster Stolpe auS stattfinden. 1 )<br />

Während die Vorgenannten thatsächlich an diesem Termin Pommern<br />

verließen und sich nach Brüssel an den Kaiserlichen H°f begaben, warb<br />

Zitzewitz zunächst mit StauS von Puttkamer nach Marrin gesendet, wo bie<br />

Kapitularen unb StiftSstänbe gleichfalls einen Lanbtag abhielten, um über<br />

ihre Stellungnahme gegen ben Kaiser unb ihre Landesherren zu berathen.<br />

Den gemeinsamen Bemühungen bei<strong>der</strong> herzoglicher Abgeordneten, welche<br />

ber zu biefem Behuf Von Brüssel zurückgekehrte Weiher kräftig unterstützte,<br />

glückte eS, auch hier einen für bie Fürsten günstigen Abschieb, sowie bie<br />

Absenbung Wecher'S an ben Kaiser im Jnteresfe beiber Herzoge burchzusetzen. 2 )<br />

Demnächst begab sich Zifeewitz, bem Beschlusse beS Stettiner Lanb*<br />

tageS zu Fo*9 e , zum Kreistag ber obersächsischen Stäube, um im tarnen<br />

seiner LanbeSljerren bie KreiSstänbe zu bewegen, für biese bei Karl V.<br />

Fürbitte einzulegen unb eine Linberung ber unerschwinglich hohen Buße<br />

herbeizuführen.<br />

Dann erst fanb ber Kanzler Gelegenheit, sich vor Antritt ber weiten,<br />

gefährlichen Reise nach Brüssel um seine eigenen, lange vernachlässigten<br />

Angelegenheiten zu kümmern. Auf wenige Tage besuchte er bie väterliche<br />

Scholle unb seine alte Mutter zu Muttrin, weniger um bort ber Muße<br />

zu pflegen, als vielmehr um beffernb in bie üble Verwaltung seiner Güter<br />

einzugreifen. UebrigenS war ihm bazu nur kurze Zeit beschieben, benn<br />

schon balb nach seiner Ankunft traf sein soeben aus Brüssel zurückgekehrter<br />

Schreiber mit fürstlichen Aufträgen bei ihm ein. Er fanb baS HauS voll<br />

von Nachbarn Zite c toife% welche zum größten Theil ben Rath beS berühmten<br />

Mannes begehrten. Z e h n Tage war Sastrow bt\\tn gern gesehener Gast,<br />

bem zu Ehren Gesellschaften unb Jagben, beren Vorzüge Sastrow hoch z u<br />

rühmen weiß, veranstaltet würben. 3 ) Jn ben letzten Tagen beS November<br />

reisten Beibe nach Stettin zurück, von wo sich Sastrow, welcher zum<br />

*) Die Beschlüsse beS am 16. (September geschlossenen LanbtageS Wotg. Arch.<br />

Tit. 39. Rr. 8. Die ReisebiSpofttionen für bie Gesandtschaft, die Jnformation für<br />

den noch am Kaifert. Hofe weilenden Rormann, sowie die Verschiedenen Jnstrukttonen,<br />

Pässe und Ereditive hat Zitzewitz Versaßt. Ebenda Rr. 8.<br />

2 ) Auch Battzer V. Wotde reifte nicht gleich nach Brüssel, fon<strong>der</strong>n ging zuvor<br />

als Gesandter nach Polen. Wola, Arch. Tit. 39. Rr. 8,<br />

3 ) ©affcoto II. 598 u. f.


Jacob von Zi<br />

Solftcitator am Kammergericht ernannt worden war, nach Speyer,<br />

aber über Bafel, wo er den berühmten Geographen Sebastian Münster<br />

besuchte, an den Kaiserlichen H°f nach Brüssel begab. 1 )<br />

Unterdessen dauerte daheim <strong>der</strong> Streit <strong>der</strong> Stänbe über bie Annahme<br />

beS JnterimS, worauf ber Kaiser ben Hauptwerth legte, weiter fort unb<br />

erregte bie Gemüther aufs heftigste. Anfangs Januar würbe auf einer<br />

Berathung unter H cr 3°9 WltW'S Vorsitz z u Wolgast beschlossen, baß<br />

Magister Drseler sich zu Melanchtljon begeben unb bessen Urtheil über baS<br />

Jnterim einholen unb am 30. Januar Johann Knipstro, bie Magister<br />

Freber sowie DionifiuS ^n Stolpe zusammenkommen unb unter Zifeewhys,<br />

Klemptzen'S unb Tormann'S Vorsitz berathen sollten, „wie solch Jnterim<br />

mit Gott vnb Ehren in tiefen lanben vnb kirchen vnuorweißlich mochte<br />

angenommen vnb fort ins werck gebracht werben". 2 )<br />

Anscheinenb kehrte Zifeewitz erst kurz Vor biesem Termin aus Brüssel<br />

Zurück, 3 ) wo er sich mit ben anberen pommerschen Gefanbten in ^olge ber<br />

heimathlichen Znstänbe in übelster Lage befanb. Unbestimmte, wibersprechenbe<br />

Anweisungen gingen ihnen von Stettin unb Wolgast zu unb zwangen sie,<br />

baS Aussöhnungsgeschäft mit FristungSgefuchen, eingelegten Fürbitten unb<br />

ungewissen Erbietungen bebenklich in bie Länge zu ziehen. Dies erzürnte<br />

schließlich ben Kaiser so, baß Granvella unb ber Bischof von ArraS nicht<br />

mehr wagten, ihm bie Gegenvorschläge ber Herzoge von Pommern zu unterbreiten.<br />

DaS ganze Verföhnungswerk schien in Frage gestellt.<br />

Da hielt eS Z^ewife für gerathen, schleunigst nach Haufe zurückzukehren,<br />

um bort persönlich bie Angelegenheit mit größtem Stachbruck z u<br />

betreiben. Kurz öor Eröffnung beS LanbtageS, welcher zu Anfang Februar<br />

nach Stettin berufen war, wohnte er ben Verhanblungen ber Theologen ^n<br />

Stolpe bei, welche in F°l9 e <strong>der</strong> Halsstarrigkeit Freber'S unb seiner Genossen<br />

kein brauchbares Ergebniß z u Stanbe brachten/) Aber beS Wolgaster<br />

1 ) Zifeewitz versprach Münster für seine EoSmographte Rachrichten über<br />

Pommern und ließ ihm gleich nach seiner Heimkunft ein großes $lftenfaScikel<br />

historisch-geographischer Rachrichten zus^en, welche Münster jedoch nicht mehr öer=<br />

werthen konnte, ba sich sein Werk bereits im Druck befanb. Hierauf beacht wohl<br />

auch bie irrige Anficht, bie Zitzewitz zum Verfasser beS Abschnittes über Pommern<br />

in Münster'S großem Werk macht, in bessert tut Anhange gebrücktem Carmen heroieum<br />

beS Wolgasttfchen Kanzlers Bilbung unb Berebfamkeit mit warmen Worten gerühmt<br />

Wirb. — Münster'S (Schreiben d. d. Basileae Mercurij post Reminiscere (20. März)<br />

1549 Saftrow II. 612. — Kantzow ed. Böhmer ©. 87.<br />

2 ) Die Berathung fanb statt Freitag n. Octav. Trium Regum (18. Januar)<br />

1549 zu Wolgaft. Wolg, Arch. Tit. 39. Rr. 9.<br />

3 ) Weber über ben Tag ber Abreise Zitzewifc'S noch über ben feiner Rückkunft<br />

Von Brüssel ftnben sich genaue Rachrichten.<br />

4 ) Saftroro n. 641. — Berckmann, ©tralfunbifche Chronik S. 113. 114. -<br />

Bartholb IV 2 . ©. 337 bis 339. - Johannes Fre<strong>der</strong>us I. 40 u. f., auch Wola, Ar*.<br />

JSt 39. Rr. 9,


Jacob Von Zitzewttz. 167<br />

Kanzlers dringlicher Bericht über den Zorn des Kaisers und dessen Drohungen,<br />

die H er zoge wegen hartnäckigen Ungehorsams in perfon Vor Gericht zn<br />

laden, öffnete den auf dem Landtage versammelten Fürsten und Stäuben<br />

die Augen, machte ihnen die ganze Größe <strong>der</strong> Gefahr klar und brachte die<br />

Einigung jutDege; sämmtliche For<strong>der</strong>ungen Karl'S V. wurden bedingungslos<br />

angenommen, auch legte in <strong>der</strong> Folge Bischof Bartholomäus freiwillig fein<br />

Amt nie<strong>der</strong>. Durch Vermittelung des PotenkönigS und des Erzbischofs<br />

von Köln, sowie die fortgesetzte Mühe <strong>der</strong> pommerschen Gesandten und <strong>der</strong>en<br />

wohlberede Dukaten kam endlich die langersehnte Aussöhnung mit dem Kaiser<br />

durch Abschluß <strong>der</strong> bezüglichen Urkunde am 29. April 1549 zu Stande. 1 )<br />

Nachdem Z^ewitz zu Stettin die Annahme ber Kaiserlichen Sühnebedingungen<br />

durch den Landtag gesichert hatte, wurde er Eube März nach<br />

Prenzlau entsendet, um bort mit etlichen Räthen deS Kurfürsten Von<br />

Brandenburg über bie zwischen Pommern uub bessen Sftachbarstaate schwebenbeu<br />

Grenz- unb ZoHftreitigkeiten zu verl)anbeln. 2 ) Von ba begab er sich in<br />

Begleitung eines SecretariuS nach Jüterbogk, nahm au ben Sitzungen ber<br />

KreiSstänbe als Bevollmächtigter beiber H er zoge theil uub reifte nach Schluß<br />

berselbeu nach WormS, wo er in gleicher Eigenschaft bie Fürsten auf bem Reichstage<br />

vertrat. Erst im Sommer kehrte er wieber nach Pommern zurück!.<br />

Durch bie Aussöhnung mit bem Kaiser waren z^ar Fürsten unb<br />

Laub von langer brücfenber Angst befreit, aber bamit keineswegs bie innere<br />

Ruhe wieberhergestellt. Vielmehr erhoben sich jetzt über bie Aufbringung<br />

ber Strafgelber recht unerquickliche Z^ift^etten §lr)tfd)en ben Stäuben,<br />

von benen jeber in selbstsüchtigster Weise bem anberen Theile bie Hauptlast<br />

zuzuschieben suchte. UebrigenS machte baS Sühnegelb nur ben geringsten<br />

Theil ber Summe aus, welche Pommern ber Streit mit bem Kaiser gekostet<br />

hatte, aber gerabe bessen Erlegung brängte am meisten. 3 ) Die Aufgabe,<br />

1 ) Abschied beS ©tettiner Landtages d. d. am Abend Valentini (13. Febr.)<br />

1549. Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 9, auch P. I. ©tett. Arch. Tit. 2. Rr. 20. ad 22.<br />

Wegen Abschlusses ber AuSsöhnmtQSurkunbe VergX Bartljolb rV> ©. 340. Anm. 1.<br />

2 ) Auf ber Zusammenkunft ber Räthe zu Stettin Dienstags nach Reminiscere<br />

(19. März) würbe u. a. beschlossen, baß SecretariuS Schacht Zifeetnitz Donnerstags nach<br />

Lätare (4. April) mit 2 Pferden, 2 Kleppern zum Reiten unb 1 Wägelchen in Prenztau<br />

abholen unb nach Jüterbogk bringen sollte. Die Prenzlauer Konferenz betraf baS streitige<br />

Städtchen Freienroalbe, die Plackerei unb Morbbrenner baselbst, bie streitigen Dörfer<br />

©techoto unb Hagen, sowie bie streitigen Zölle. Auf Judica (7. April) sollte Zitzewitz<br />

in Jüterbogk sein unb von bort „zu ber Moberation" gegen WormS ziehen. Wolg.<br />

Arch. Tit. 39. Rr. 9.<br />

3 ) Die ganze Summe betrug 200000 Golbgulben unb war entftanben burch<br />

bie außerordentlichen Kosten, welche bie Gesanbtschaften in Augsburg unb Brüssel,<br />

sotoie bie BestedntnßSQelber Verschlungen hatten. Die eigentliche Buße war auf<br />

90000 Gulben unb 20000 Gulben ©portein an bie Kaiser!. Kanzlei, zahlbar in<br />

ätoet Raten binnen Jahresfrist, ermäßigt. (Stät Arch. P. I. Tit. 2. Rr. 22 u. f.<br />

auch Wolß. Are*). Tit. 39. Rr. 9 u. f.


168 Jacob Von Zi<br />

die Hälfte <strong>der</strong> 90000 Gulden für den Wolgaster Antheil zusammenzubringen,<br />

fiel dem dortigen Kanzler ^n. Außerdem verlangte nunmehr auch die innere<br />

Verwaltung, welche in golge <strong>der</strong> äußeren Wirren längere Zeit gänzlich<br />

barnie<strong>der</strong> gelegen hatte, ihr Recht, umsomehr, als die jüngsten ReichSabschiebe<br />

von Speyer unb WormS hierzu betreffs ber Münzfrage unb anberer Dinge<br />

ben Anstoß gegeben hatten. So fanb Zifeewitz daheim eine aufregenbe unb<br />

anstrengenbe Arbeit vor.<br />

Am 17. Juni traten bie Rathe beiber Höfe in Uecfermünde zu einer<br />

längeren Berathung zusammen. 1 ) Das Ergebniß berfelben war ber Beschluß,<br />

bie Lanbstänbe unb ben Bischof zum Juli nach Jasenitz einzuberufen unb<br />

benselben baS von Zifeewitz entworfene Programm vorzulegen. Als sich am<br />

3. Juli ber Lanbtag bafelbst versammelte, würbe bementfprechenb zunächst<br />

vom Wolgastifchen Kanzler unb feinen ehemaligen Mitgefanbten eingehenb<br />

über ihre Erlebnisse unb Erfolge in Augsburg unb Brüssel berichtet unb<br />

fobann über bie Aufbringung bes Strafgelbes unb ber Steuern, über bie<br />

Bestätigung ber ritterschaftlichen Privilegien, bie Schlichtung ber Händel<br />

zwischen ben Herzogen unb ben Stänben, bie Grenzhandel mit Branbenburg<br />

unb vieles anbere verhandelt.*)<br />

Es würbe zu weit führen, hier auf bk Streitigkeiten ber Stäube<br />

über bie jebem berfelben zukommenbe Höhe des Beitrages näher einzugehen.<br />

JebenfallS gelang es Zifeewitz'S Einfluß unb beharrlicher Ausbauer, 3 ) mit<br />

Unterstützung ber Loitze, schon bis zum 23. August beSfelben JarireS aus<br />

bem Wolgaster Herzogthum 45000 Gulben zusammenzubringen, welche er<br />

mit einer sorgfältig ausgearbeiteten Vorschrift burch Joachim Schwellengrebel<br />

über Leipzig nach Nürnberg fanbte; bort aber wollte üftiemanb baS Gelb<br />

in Empfang nehmen, so baß eS beim Rathe bepontrt werben mußte. 4 )<br />

Dies verursachte bem Kanzler in ber Folge weitläufige Verhanblungen mit<br />

bem RetchSpfennigmeister Wolf Hauer, bie sich bis 1552 hinzogen, z u<br />

Welcher Z e it <strong>der</strong> ganze auf Wolgast entfallende Antheil bezahlt war. 5 )<br />

*) Dieselbe fand statt MontagS nach TrinitatiS (17. Juni); eS nahmen an tfjr<br />

Theil Rübiger von Masfow, Dr. Falrfe, Baltzer V. Wölbe, ben Vorsitz führte Zitzen^.<br />

Wolg. Ar*. Tit. 39. Rr. 9.<br />

2 )


Jacob Von Z^eroitz. 169<br />

Gleich nach Beendigung des Jafenitzer Landtages war Zifeewitz abermals<br />

mit beson<strong>der</strong>en Missionen nach Berlin, Wittenberg und Leipzig entsendet<br />

worden, von wo er nach Rücksprache mit den Räthen <strong>der</strong> Kurfürsten von<br />

Brandenburg und Sachsen die pommerfchen Gesandten auf dem Kreistage<br />

in Jüterbogk, Dr. Schwallenberg und Johann von Usedom, eingehend über<br />

ihr Verhalten zu den einzelnen Propositionen und ihre Stellungnahme zu<br />

<strong>der</strong> den Kreisständen vom Kaiser befohlenen Eyekution gegen Magbeburg<br />

unterrichtete. 1 )<br />

9?ach <strong>der</strong> Rückkehr nach Wolgast nahmen neben Fragen <strong>der</strong> inneren Ver*<br />

waltung des Landes hauptfächlich die Verhandlungen mit Mecklenburg und<br />

Braunschweig behufs Verlängerung <strong>der</strong> alten Bündnisse, mit Polen wegen<br />

Renovation des Lehnbriefes über Lauenburg und BütoW, mit dem Kurfürsten<br />

von Söln wegen <strong>der</strong> Angelegenheiten des Klosters S^euen-Eamp, welche<br />

letzteren sehr Verwickelt waren, große Vorficht erheischten und deshalb Zifeewitz<br />

allein zur Erledigung überwiesen waren, des Kanzlers Thätigkeit in Anspruch. 2 )<br />

Den Abschluß beS Jal)reS 1549 bildete eine Zusammenkunft <strong>der</strong><br />

Räthe bei<strong>der</strong> Herzogtümer zu Eammin, welcher neben Zifeewitz, Ulrich<br />

Von Schwerin, Matzke von Borxfe und <strong>der</strong> alte Bischof beiwohnten; vor<br />

an<strong>der</strong>em traten bort bie Berathungen über bie Verbesserung ber Polizei*<br />

unb Münzverwattung unb bie Publikation beS mit Mecklenburg unb<br />

Branbenburg gemeinsam abgefaßten LanbfriebenSgesetzeS nach betn Von<br />

Zitzewitz aufgestellten Programm wesentlich in ben Vorbergrunb. 3 )<br />

Bei Beginn beS Jahres 1550 machte ber zwischen ben Stäbten unb<br />

bet Ritterschaft roegen des Sorn^ä)iftenS aufgebrochene Streit ben Raubessurften,<br />

welche von beiben Seiten bestürmt würben, viel zu schaffen. Während<br />

sich Barnim ben Stäbten geneigt zeigte uub ber Ritterschaft bie Ausfuhr<br />

beS KorneS zu verbieten gewillt schien, 4 ) erklärte es H er zog W*iW auf<br />

Zitzewitz'S Rath kurzweg für eine ungerechte Beschwerung ber Gesammtheit,<br />

wenn sich bie Stäbte unterstünben, „zu) Jberer Zeit JreS gefallenS bie<br />

schiffart zuuorbieten Vnb zu öffnen", ba In'erburch bie Preise künstlich in<br />

bie Höh e getrieben, auch bie Nachbarstaaten zur Vornahme von Repressalien<br />

Greiner meldete, entstanden unbequeme Weiterungen. Stett. Arch. P. I. Tit» 2.<br />

ad 22. fol. 307 u. f., auch Rr. 15 u. f., ferner Wola, Arch. Tit. 39. Rr. 9.<br />

!<br />

) Zifcetoitz'S Schreiben an Herzog Philipp d. d. Leipzig Dinrftag nach<br />

Assumpt. Mariae (20. August) unb 8 Tage später d. d. Wittenberg an Dr.<br />

©chroallenberö unb Usedom in Jüterboßk. ©tett. Arch. P. I. Tit. 4. Rr. 11 Verb,<br />

mit Rr. 6 u. 7.<br />

2<br />

) A. a. D., auch WOIQ. Ar*. Tit. 39. Rr. 9. 10. ©chtrrmacher, Johann<br />

Albrecht I. Von Mecklenburg, t ©. 82 u. f.<br />

3<br />

) Abschied d. d. ©ambstagS nach Elisabeth (23. Robember) ist Von Zitzewitz<br />

Verfaßt. A. a. O. Rr. 9. 10.<br />

4<br />

) Schreiben Barnim'S an Philipp d. d. Colbatz 15. Februar 1550. A. a. O.<br />

Rr. 10. - @pahn ©. 164 u. f.


170 Jacob von Zitzewitz.<br />

veranlaßt werden könnten. 1 ) Hierüber sowohl wie zur Berathung <strong>der</strong> bereits<br />

zu Eammin besprochenen Angelegenheiten fanden zu Ostern in Stettin, im<br />

Juli zu Sfteuenkamp und im Oktober zu Pasewalk 2 ) erneute Zusammenkünfte<br />

<strong>der</strong> vornehmsten Räthe bei<strong>der</strong> Höfe statt. Auf allen leitete Zifeetoife & en<br />

Gang <strong>der</strong> Verhandlung auf Grund vorher von ihm aufgestellter, mit<br />

Schwerin, Klemptzen und Wölbe sorgfältig durchdachter und vom H er ä°9 e<br />

gebilligter Entwürfe. Ende März wurde <strong>der</strong> Kanzler auf Bitten H er ä°9<br />

Johann Albrecht'S von Mecklenburg eiligst nach Schwerin entsendet, um dort<br />

gemeinsam mit Markgraf HanS von Küstrin den zwischen Johann Albrecht und<br />

feinen Brü<strong>der</strong>n entbrannten Streit zu schlichten, waS beiden Vermittlern durch<br />

ben am 3. April zwischen den Herzogen Johann Albrecht, Ulrich, Georg<br />

und Heinrich von Mecklenburg aufgerichteten Erbvertrag auch glücklich gelang. 8 )<br />

Der nächste Landtag, welcher gegen Ende Dezember in Stettin abgehalten<br />

wurde und zeitlich ungefähr mit dem Abtragen <strong>der</strong> letzten Summen<br />

beS Kaiserlichen SühnegeldeS zusammenfiel, fand Pommerns äußere Beziehungen,<br />

insbesonbere zum Kaiser, wieber worjtgeorbnet, ba bie H e rz o 9 e ,<br />

burch bie gemachten Erfahrungen gewitzigt, fortab parteilos den wirren<br />

Dingen im Reiche zuschauten. 4 )<br />

ES ist deshalb begreiflich, wenn nunmehr bei ben Berathungen baS<br />

Hauptaugenmerk vor Allem auf bie Klärung ber inneren LanbeSVerrjättniffe<br />

unb bie Verbesserung ber Verwaltung gerichtet würbe, was Zifeewitz mit<br />

ausführlicher Begrünbung für baS wichtigste unb erstrebenswerteste Ziel<br />

erklärte. Auch legte er gleichzeitig ben Lanbstänbcn bie vorbem von ben<br />

Räthen gefaßten Beschlüsse zur Begutachtung vor. Dieselben betrafen Aufbringung<br />

ber Fräulein- unb Reichssteuern, Besetzung ber Dbereinnehmerstetlen,<br />

Bestellung des VorratfjeS unb KammerfchatzeS, bie Exekution gegen<br />

Magbcburg, sowie „Gericht, Recht vnd guetePolizey", Viehfeuchengefetze u. a. m.<br />

Zifeewitz bat, auf <strong>der</strong> vorgeschlagenen Grundlage ^n berathen ober besseres<br />

an bereu Statt zu fetzen, aber bie unerquicklichen Streitigkeiten ber Fürsten<br />

mit ben Stäuben wegen ber vorenthaltenen Bestätigung ber Privilegien,<br />

sowie ber Staube untereinanber wegen ber H ö h e <strong>der</strong> geforberten Steuern<br />

unb mancherlei anbere Umstänbe ließen zunächst kein fruchtbares Ergebniß<br />

ZU Staube kommen. 5 )<br />

1 ) Soncept eines Briefes Von Philipp an Barnim von Zitzehnfc'S Hanb<br />

d. d. Wolgaft Montags nach Invoeavit (24. Februar) 1550. Rr. 10. Die Wolgafter<br />

(Städte hatten übriges ein Solches unbilliges Verlangen gar nicht gestellt.<br />

2 ) Die (Stettiner Zusammenkunft fand Donnerstags bis Sonnabends in<br />

Ostern, die Vorberathung MontagS zuvor in Wolgaft statt; zu Reuenkamp tagten<br />

sämmtliche Wolgastifche Räthe unter Philipp'S Vorsitz (Sonntag am Tage Margarethen.<br />

Die Versammlung zu Paferoalk am Tage Gatli war bk größte; baS Programm<br />

war fefjr umfangreich. Wolß. Arch. Tit. 39. Rr. 9. 10.<br />

3 ) (Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht Von Mecklenburg I. 41. II. 3 u. f.<br />

4 ) Bartholb IV 2 .


Jacob von Z%nritz.<br />

Um jene Zeit Verlor Zi|ewitz seinen getreuen Schreiber und langjährigen<br />

Reisebegleiter Sastrow, dem er fast freundschaftlich nahe staub.<br />

Derselbe war in Folge lügenhafter und verläumberischer Berichte deS Stettinischen<br />

RatrjeS Dr. Auetor Schwallenberg bei H er Z°9 Barnim in Ungnade gefallen<br />

und kündigte deshalb, wiewohl ihm des „hoffteuffets Geschmeiß in Warheit<br />

schmerzlich z u herzen" ging, kurzentschlofsen seine Stellung als Sollicitator<br />

am Kammergericht, gleichzeitig Zil CU) i£ unter Darlegung <strong>der</strong> Gründe hiervon<br />

Mittheilung machend. Am 16. September 1550 erhielt er von Stettin<br />

aus feine Entlassung und vom Wolgaster Kanzler einen langen herzlich<br />

gehaltenen Brief, in welchem Letzterer scharf über die Wirthschaft am Stettiner<br />

Hofe urtheilt, in dem er bemerkt, „baS sie (S. F- ®- ^ätrje) aber nachleffig<br />

vnb vnfleiffig mit den Sachen vmbgehen, hab jch warlich zu mehrmalen<br />

jnen mit groben Worten gesagt vnb wird auch von vielen, so nicht gelärt<br />

sind, woll Verstanden, etc. sed de bis alias". Jm Weiteren versprach er<br />

Sastrow feine Verwendung bei den Fürsten und sprach die Bitte auS, daß<br />

dieser wieber als SecretariuS zu ihm in die Kanzlei zurückkehre. Die warme<br />

Theilnahme feines alten Gönners that beut Verbienten Manne zwar wohl,<br />

hielt chn aber nicht von ber Durchführung beS einmal gefaßten Entschlusses<br />

ab. So rief ihm denn Zifeewitz beim Abschiebe Weihnachten 1550 in<br />

Wolgast bie wohlgemeinten Worte zu: „baS bem Binden nur ein DruS<br />

werben müsse, ber fein Glück vnb ^>etü nicht hatt abwarten können". 1 )<br />

Jm H er zen aber mochte ber Kanzler Sastrow ob seiner klugen Voraussicht<br />

wohl loben unb beneiben. Auch er hatte mancherlei böse Erfahrungen<br />

gemacht, bie ihm ben Hofbieust arg vergällten. Zunächst war feine Gesunbheit<br />

in Folge ber Vielen, weiten Reifen, welche er trotz ber auSbrücklichen, gegentheiligen<br />

Abmachung hatte unternehmen müssen, sowie ber übergroßen<br />

Arbeitslast feines Amtes stark angegriffen; auch würben ihm vom H er Z09 e<br />

trotz bringlicher Bitten selbst bie geringsten berechtigten F°rberungen nicht<br />

bewilligt. 2 ) Dabei litt er schwer unter ber Mißgunst ber ihm zum Theil<br />

wenig freunblich gesinnten Räthe unb ber ausgesprochenen Abneigung beS<br />

eingeborenen Abels, welcher in ihm, bem Hinterpommern, einen fremben<br />

Einbringung erblickte. Daheim in Muttrin brängten Z%wife'S Brüber<br />

auf enbliche Erbtheilung, weit bie Güter, ohne Herrn unb feste Aufficht,<br />

keinem recht zustänbig, litten unb im Werth unb Erträgniß bebenklich zurückgingen.<br />

Sonach war eS bem Kanzler nicht zu Verbenken, wenn er ernstlich<br />

mit bem Gebanken umging, nach Ablauf ber verpflichteten Zeit auS bem<br />

Dienste beS Wolgaster H°f e ^ Z u scheiben. Bei feiner reblichen Gesinnung<br />

fühlte er sich aber gebrungen, hiervon feinem Herrn rechtzeitig Mittheilung<br />

Der Abschied, MontagS nach Thomae (22. Dezember), ist Von ihm Verfaßt. Rr. 11.13.<br />

epaint ©. 116 u. f. Dähnert'S Samml. ©uppl. I.<br />

l ) ©aftrow II. 654 u. f. 669.<br />

For<strong>der</strong>ungen Vom Jahre 1549 Wotg. Arch. Tit. 32. Rr. 74.


172 Jacob Von Zi<br />

l\x machen, damit dieser sich bei Z e *ten nach einem Nachfolger umsehen<br />

konnte. Er eröffnete deshalb gleich bei Beginn des Jal)reS 1551 H er Zog<br />

Philipp fein Anliegen und bat, ihn nach Ablauf seiner Dienstzeit „Ostern<br />

negst in 2 Jahren" z u entlassen, sein Gesuch bamit begründend, daß eS<br />

ihm bisher trotz aller Mühen nicht gelungen fei, im Wolga'stifchen ein Gut<br />

ZU erwerben und zu Hanse seine Brü<strong>der</strong>, auf einer Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

beständen, so baß er vor Ostern sein väterliches Erbe entwe<strong>der</strong> „ab ober<br />

zufchlahen vnnb aufs Martini |: aufs ben Vl)at des Zuschlags :| "mit ber<br />

Bezalung gefaßt vnb geschickt fein müeße". Gleichzeitig wies er barauf<br />

hin, baß bie Abgelegenheit seiner Güter seinem Vortheil ebenso schäblich<br />

sei wie ben Jnteressen beS herzoglichen Dienstes. 1 )<br />

w<br />

Dies traf H er zog WltyP gänzlich unerwartet; er beauftragte sogleich<br />

Ulrich von Schwerin, Dr. Baltzer vom Wölbe unb üftictaS von Klemptzen,<br />

alles aufzubieten, um Zifeewitz im Kanzleramt zu erstatten, mit ber Begrünbung,<br />

eS fei „Vngewis ob bie geschirfligkeit vnb fleiS so r)ir befunben<br />

bort (b h- &ei einem anberen) Vorhauben fein mochte". 2 ) Nunmehr würbe<br />

diesem bie schleunigste Rückerstattung feiner Auslagen für bie auf ben weiten<br />

Reisen im fürstlichen Dienste verenbeten Pferbe, beS von ihm beut jungen<br />

Herrn bei beffen Auszüge nach Preußen geliehenen Vorschusses, sowie ber<br />

Kosten für baS HauS versprochen, baS er sich in F°l9 e beS ihm auf bem<br />

Lanbtage zn Stettin Von Schwerin unb Ktemptzen gegebenen BefchcibeS:<br />

„er mochte selbst zur notturfft baS heuSlein bawen vnb zurichten, Stein,<br />

Kalif H°lfe ön b Kost solten il)m gereichet werben" aus eigenen Mitteln<br />

erbaut hatte. Gleichzeitig lagen bie Rätlje bem Kanzler, welcher sich bamalS<br />

in Stettin aufhielt, hart mit Bitten an, mußten aber am"28. Februar bem<br />

Herzoge melben, baß Zife enj ife unbeugsam auf feinem Entschluß beharre<br />

unb bafür fchwerwiegenbe Grünbe vorgebracht habe, über welche sie jeboch<br />

bem Fürsten lieber münblich berichten wollten. 3 ) Dies mochte Philipp<br />

inbeß nicht abwarten; er antwortete ben Räthen aus Uecfermünbe, wo er<br />

Hof hielt, umgerjenb, sie möchten nochmals in Zifeewife bringen unb alles<br />

baranfetzen, um beufelben zum weiteren Verbleib in Wolgast ^u veranlassen.<br />

Beweglich sagt ber H er Z°9 : " ön b ob wir .... entlich vermerken, baS<br />

gemelts vnferS EantzlerS gelegenheit nit fein wil nach auSgange voriger<br />

bestallunge, vnS lenger in bem Santzler Ampt zu bienen, So finb vnS boch<br />

bie angetzogeuen gantz hochbefchwerlichen vrfachen, baS gewissen, auch ehr<br />

leib vnb gubt betangent, noch zur Zeit verborgen, kunnen vnS auch nit<br />

ehrinnern, was Somit gemeinet, ben wir vnS Ja frey vnb sicher wissen,<br />

baS wir ber Dinge je nit getan noch jemanbts ber vnfern jemals wissentlich<br />

! ) UnbatirteS Schreiben Vom Januar 1551.<br />

2 ) Schreiben Herzog Philipp'S an Zitzewitz unb die Räthe d. d. 25. Januar<br />

unb an letztere d. d. Vdfermunde ©onntagS Oculi (1. März).<br />

3 ) Berichte ber Rätlje an ben Herzog d. d. Stettin SambftagS nach Eeminiscere<br />

(28. Februar) unb Donnerstags nach Oculi (5. März).


Jacob Von Zitzewitz. 173<br />

Zu thun aufferlegt, darob man sich mit pillichkeit, so höchlich zu beschweren,<br />

wolt eS auch noch zur Zeit fönen vnS Gobt <strong>der</strong> Almechtig vnser Vernunft<br />

lest, vor vnser perfon, vngern in sie nhemen, vnb <strong>der</strong> dinge zu vnberstefjen,<br />

darmidt wir VnS beide Jegen Godt vnd die menschen, so gröblich vergriffen<br />

vnb dardurch nit alleine vnS son<strong>der</strong>n auch anbere beschweren folen, Versehen<br />

vnS auch gentzlich Vnb hoffen, Jr vnb anbere vnsere Rethe, so Von jugent<br />

bis in biese vnser alter mit vnS vmbgegangen, werben es bej vnS nit<br />

gespuret haben, Sunbern baS vielmehr vnser gemuetrj Je Vnb alwegen<br />

dahin gestanden Vnd noch ist, daS wir in allen pilligen vnb vernunfftigen<br />

fachen gerne gefoiget, wollen baSfelbe, mit Enbtlicher Vorleihunge, jegen<br />

vnfere getrewen Rethe auch nit anberS vermerket werben, fonbern wo wir<br />

Je vorhin aus jugent gefeit haben, baS wir baSfelbige zu enbern vnb einer<br />

besseren meinung zusetzen, geneigt fein". Bei ihm habe es, wie ber Kanzler<br />

selbst wisse, „nit gestanbeu, baS ehr in ber verflossenen Zeit nit zu einem<br />

nobtburfftigen fitz hat kommen mugen". 1 )<br />

Allen weiteren Bitten ber Räthe gegenüber blieb inbefsen Zifeewitz<br />

fest. Seines Amtes Last sei unerträglich groß, Ausficht auf Erwerbung<br />

eines Gutes im Wolgastischen habe er nicht, bannn wolle er nicht baS il)m<br />

von Gott unb seinen Voreltern geschenkte Erbe fürs Ungewisse in bie<br />

Schanze schlagen. 9 )<br />

Diese Antwort ließen sich bie Räthe, als sie nach wochenlangen<br />

Bemühungen bereu Erfolglosigkeit einsahen, vom Kanzler schriftlich geben<br />

unb sanbten sie oljne weitere Erklärung an ben darüber tief bekümmerten<br />

Herzog nach UecEermünbe. AIS Letzterer nun mit einer Antwort zögerte,<br />

bat Zi^ ett) ife die Räthe kurz öor Michaelis dringlich um endgültige Entfcheibung<br />

unb knüpfte baran gleichzeitig bie Bitte, baß ihm für ben Fall,<br />

baß bem H er zoge Köticr'S Güter nicht zugesprochen würben, als Ersatz für<br />

bie im herzoglichen Dienste erlittenen Nachtheile eine angemessene Entschäbigung<br />

gewährt würbe, „bau on baS", fügte er h^n, „hätte Jch meiner lieb<br />

vnb guete vorgeblich zu wehe gethan". 8 )<br />

Kurz beschieb ber Herzog, <strong>der</strong> Kanzler möge erst feine verpflichtete<br />

Zeit abdienen, daS Weitere werbe sich bann schon finden; er hoffte, baß<br />

sich inzwischen bie Sache nach seinem Wunsche regeln lassen werbe. 4 )<br />

Unterbefsen hatte baS Jahr 1551 in Fo*9 e <strong>der</strong> unverschämten Anmaßung<br />

5 ) beS an Suave'S Stelle zum Bischof gewählten, vom Kaiser unb<br />

*) (Schreiben beS HerzoßS an bie Räthe vom 8. März-<br />

2 ) Zitzetouys erste Antwort zu Stettin am Freitag nach Reminiscere<br />

(27. Februar) gegeben, ©eine spateren, meist unbattrten Schreiben unb Antworten<br />

in biefer Angelegenheit haben fast wörtlich denselben Jnhalt.<br />

3 ) UnbatirteS Schreiben Zitzeroitz'S.<br />

4 ) UnbatirteS (Schreiben Herzog Phiüpp'S an Zitzewitz.<br />

5 ) Verßl. barüber, sowie über ben Tag von Eammin 1551 ©astrow II. 675 bis<br />

677 unb Sartholb IV.2- ©. 348 u. f.


174 Jacob von Z<br />

Pabst bestätigten Martin von Weiher gegen die Herzoge ernste Verwickelungen<br />

herbeigeführt, welche langwierige Verhandlungen und endlich die Anberaumung<br />

eineS TageS in Cammin nöthig machten. Erstere führte ber Wolgafter<br />

Kanzler, auf dem letzteren erschien <strong>der</strong>selbe mit Ulrich von Schwerin als<br />

Herzog Philipp'S Vertreter. Mit großem Nachdruck vertheidigten beide Männer<br />

die "Sicäjtt ifrreS H err n gegen die bischöflichen For<strong>der</strong>ungen und.brachten<br />

schließlich einen Vergleich zu Gunsten <strong>der</strong> Landesfürsten zu Stande. Außerdem<br />

machten Z%witz die Verhandlungen mit Moritz von Sachsen, welcher<br />

Pommern, glücklicherweise vergeblich, in seine Verschwörung gegen Karl V.<br />

hereinzuziehen versuchte, sowie bte Anfor<strong>der</strong>ungen beS Kaisers an bie H^zoge<br />

Barnim unb Philipp, sich mit an ber Ejekution gegen Magbebürg zu betheiligen,<br />

welchem ber Kanzler burch klug ersonnene Vorwänbe vorsichtig<br />

auS bem Wege zu geljen wußte, sowie manche anbere wichtigen Vorgänge<br />

im Reiche viel Sorge unb ließen barüber seine eigenen Angelegenheiten<br />

bis auf Weiteres gänzlich in ben Hintergrunb treten. 1 )<br />

So kam baS Jahr 1552 heran, welches im Frühling burch Moritz'S<br />

von Sachsen Sieg über ben Kaiser eine gänzliche Veränberung aller Verhältnisse<br />

im Reiche herbeiführte unb KarPS V. Macht für immer brach;<br />

wieber warb zu bem nach Pafsau einberufeuen Fürstentage als Vertreter<br />

ber Pommerschen H er Z°9 e / nnb z^ar bieSmal allein, Jacob von Z^e^l<br />

abgefanbt. 2 ) Wäfjreub noch vor wenigen Jahren tiefer selbe Mann bei<br />

bem Kaiser bemüthig um Gnabe für feinen LanbeSfjetm flehen mußte, war<br />

eS il)m nun befchieben, im tarnen Karl'S V. mit ben kriegfürjrenben Fürsten,<br />

Kurfürst Moritz von Sachsen, Pfalzgraf Otto Heinrich, H cr Z°9 Johann<br />

Von Mecklenburg unb Lanbgraf Wilhelm von Reffen, zu unterhanbeln, um<br />

Frtebe unb Versöhnung herbeizuführen.<br />

Am 6. Juli würbe Z^ewitz im Auftrage König Ferdinands von<br />

ber Kurmainztschen Kanzlei mit Freiherrn Philipp von Winnenberg und<br />

Betchelstein, Johann von Dienheimb, bem bairischen Kanzler Sebastian üftothofft,<br />

sowie etlichen kaiserlichen Räthen in baS zu Frankfurt a. M. befinbliche<br />

Felblager obbenannter „Kriegesfürsten" abgeorbnet, bamit sie bahin wirkten,<br />

baß Letztere bis zum Eingänge ber Kaiserlichen Resolution ben Sßaffenstillstand<br />

hielten. Wie ähnlich Zifeewitz'S Mission <strong>der</strong> vom Jahre 1547<br />

in Augsburg war, erhellt daraus, baß ben Gefanbten nachbrüdtich eingeschärft<br />

würbe, sich burch anfänglich abschlägige Antwort nicht schrecken in lassen,<br />

bem Kurfürsten Moritz mit Bitten unablässig anzuliegen unb wenn „auch<br />

hochgebachte KriegeSfursten ben anstaubt nicht halten, auch sich ferner beS<br />

Vertrages halben mit ber Kaiß: Maytt: nit einloßen wolten", doch allenthalben<br />

bem Lager


Jacob Von Zitzewifc. 175<br />

gemeines friedenS" :c. dienlich fei, zn beför<strong>der</strong>n und darüber nach Paffau<br />

ZU berichten. 1 )<br />

Glücklicherweise gelang es den Bitten <strong>der</strong> vorerwähnten Gesandten<br />

im Verein mit des Kaisers allerdings unfreiwilliger Nachgiebigkeit, 2 ) am<br />

2. August den Abschluß <strong>der</strong> langwierigen Verhandlungen und den Vollzug<br />

des Vertrages zu Stande zu bringen, welcher dem evangelischen Glauben<br />

eine ansehnliche Kräftigung und die Anerkennung seiner Daseinsberechtigung<br />

brachte. Wohl mag Z^ewitz bei bem järjen Wechsel <strong>der</strong> Dinge wun<strong>der</strong>bar<br />

Zu Muthe gewesen fein und ein berechtigtes Gefühl des Stolzes feine Brust<br />

geschwellt haben, daß eS ihm befchieden war, bei einem <strong>der</strong> wichtigsten<br />

historischen Akte feines Jahrhun<strong>der</strong>ts mitzuwirken.<br />

Bereits im September 1552 traf er wie<strong>der</strong> in Wolgast ein, wo er<br />

Hof und Kanzlei leer fand, da H er Sog Philipp abwesend, die Räthe nach<br />

Berlin gesendet waren. Jnbeffen ereilte ihn ber Befehl, gemeinsam mit<br />

JaSpar von Krakcwitz als Vertreter ber pommerfchen Fürsten den Bischof<br />

Martin in sein Eamminer Amt einzuführen. 3 )<br />

Zifeewitz machte sich sofort aus den Weg, erhielt jeboch bereits in<br />

Wollin ben Gegenbefehl, baß bie Einführung bis auf Weiteres aufgeschoben<br />

fei. Er kehrte nun nach Wolgast zurück, wo feine Thätigkeit burch bie<br />

Verhanblungen mit bem Könige von Polen wegen ber Wartheschifffahrt,<br />

mit Markgraf Johann Von Küstrin wegen ber Z 0u 7treitigkeiten, burch bie<br />

Berichterstattung ber politischen Ereignisse im Reiche an H er 3O9 Barnim<br />

unb burch bie Zusammenstellung ber von Philipp'S abligeu Spähern, jungen<br />

pommerfchen Ebelleuten, aus Ungarn, Böhmen u. f. w. eingel)enben Kunb*<br />

fchaften über bie bortigen Zuftänbe stark in Anspruch genommen würbe.<br />

Später reiste er nach Stettin unb erstattete H er Z°9 Barnim persönlich<br />

eingehenben Bericht über seine Erlebnisse in Paffau unb bie beseitige<br />

politische Lage. 4 )<br />

Außerbem würbe Zifeewitz von Herzog WliW ntit Schlichtung ber<br />

zwischen ben Fürsten unb ben stäbtischen Körperschaften von Greifswalb<br />

und Stralfund schwebenden RechtSftreitigkeiten beauftragt unb in verfchiebenen<br />

langwierigen tanbeSherrlichen Lehnsprozessen gegen angesehene unb einflußreiche<br />

Ebelleute, Roioff unb Köne, bie Gebrüber von Owstin zu Quilow<br />

unb Bünßow, Lutke von Moltzan zu Sarow unb JaSpar von Krakewitz i\x<br />

1 ) „Vorzeignüß etc. Actum Paffow Mittwochen ben 6. Juli 1552" a. a. O.<br />

— Ant 16. Juli reiften \)k Gesandten erst ab, am 24. trafen sie im Lager ein.<br />

Eßelhaaf II. 370, Jansen HI. 672.<br />

2 ) Zitzeroitz'S Bericht an bie Herzoge d. d. ©onntagS nach TrinitatiS (9. Juni)<br />

Tit. 2. Rr. 28 unb ad Rr. 28. fol. 41.<br />

3 ) Zitzetoitz'S Bericht an Herzog Barnim d. d. Wollin am Tage Nativitatis<br />

Mariae (8. (September) 1552.


176 Jacob von<br />

Divitz, zum Beisitzer dcS LehnSrichterS Dr. Battzer'S Vom Wölbe ernannt. 1 )<br />

Dadurch, daß <strong>der</strong> Kanzler in allen Fällen die ^tä^k des H er ZogS mit<br />

äußerstem Nachdruck vertrat, vermehrte er die bereits nicht geringe Feindschaft<br />

des eingesessenen Adels gegen feine Person. Hi er Z u trug außerdem<br />

<strong>der</strong> kräftige Schutz, welchen Zifeewitz den unterdrückten Bauern gegen die<br />

Willkür <strong>der</strong> fürstlichen Beamten angedeiljen ließ, nicht wenig bei, indem<br />

er die Abfetzung solcher Leuteschin<strong>der</strong>, wie des Wolgaster Hauptmanns<br />

Joachim Dechow, trotz dessen beson<strong>der</strong>er Beliebtheit beim ^erjoge durchzusetzen<br />

wußte. 2 )<br />

So verfloß denn auch dieses Jahr für den Kanzler ohne jede Ruhepause<br />

in aufreiben<strong>der</strong> und anstrengen<strong>der</strong> Arbeit. Bereits im Oktober 1552<br />

war feine Dienstverpflichtung abgelaufen, ohne baß er entlassen o<strong>der</strong> für<br />

die großen, im fürstlichen Dienste erlittenen Verluste entschädigt worden<br />

war. Er erneuerte deshalb ^n Beginn beS JaljreS 1553 fein Gesuch und<br />

legte in demselben baS Hauptgewicht barauf, baß bie Last beS Kanzleramtes<br />

so gewaltig sei, baß er sie nicht mehr ertragen könne: weber wolle<br />

er sich ferner mit Dingen belaben lassen, bie er nicht verstehe ober wegen<br />

Ueberbürbung mit Geschäften nicht ausführen könne, um sich nicht wissentlich<br />

in ewigen Spott, Schaben unb Schimpf zu fetzen, noch gebächte er baS<br />

Von seinen Eltern Ererbte in bie Schanze zu schlagen unb ein VagabunbuS<br />

Zu werben. Jn seiner gewohnten Bescheibenheit bemerkt er babet, baß ber<br />

Herzog übrigens für baS ihm Gebotene leicht sehr viel nützlichere Diener<br />

bekommen könnte. 3 )<br />

Auf vieles Drängen unb Bitten ber Räthe erklärte sich Zi£ eitn fc<br />

enblich bereit, unentgeltlich bis Ostern 1553 im Kanzleramt auszuharren,<br />

bann bafselbe seinem Nachfolger in Orbnung unb Richtigkeit zu übergeben<br />

unb auch ferner, nur nicht als Kanzler, betn Fürsten weiter zu bienen.<br />

Gleichzeitig unterbreitete er feine bieSbezüglichen Bebingungen, verwehrte<br />

sich jeboch auSbrütflich bagegen, biefelben S. F- ®« aufbrängen ^n wollen,<br />

inbem er bemerkte, baß er sie nur bem Befehl beS Herzogs zu ^otge aufgezeichnet<br />

habe. 4 )<br />

Hiermit war aber Letzterem keineswegs gebient; Philipp verlangte<br />

vielmehr, baß Zifee^ife noch weitere sechs Jahre im Kanzleramt verharre,<br />

wofür er ihm sämmtliche Bebingungen ^n bewilligen versprach.*) Den<br />

unablässigen Bitten bt^ Fürsten unb feiner Räthe vermochte ber gutherzige<br />

*) Bohlen'fdje Samml. Rr. 156. - J. (S. Dähnert'S Pomm. Bibl. V.<br />

279. 330. - Saftrow in. 27 bis 31. 65. 83. 101 bis 111. - Geschickte be3<br />

Geschlechts v. Bohlen II. 84, u. f. w.<br />

2 ) ©affcoto HI. 73 u. f.<br />

3 ) UnbatirteS Gesuch (Vermuthlich Vom Januar 1553) Wolg. Arch. Tit. 32.<br />

3fr. 74. 4) „Des EantzlerS Vorletzter Bebenckzertel."<br />

5 ) „M. g. h- erclerunge. Actum Dienstags nach Reminiscere (28. Febr.) 1553."


Jacob Von Zitzewitz.<br />

Mann auf die Dauer nicht zu wi<strong>der</strong>stehen; er ließ sich schließlich, wenn<br />

auch mit großem Wi<strong>der</strong>willen, zur Nachgiebigkeit bewegen, üftun aber<br />

versuchte man, dem Kanzler von seinen sehr bescheidenen For<strong>der</strong>ungen etwas<br />

abzustreichen, und als bieS an seinem Wi<strong>der</strong>spruch scheiterte, ihn durch Hinzögern<br />

<strong>der</strong> Entscheidung zu ermüden. 1 ) DaS war aber selbst <strong>der</strong> Langmuth<br />

Zitzewitz'S zu Viel zugemutet; nachdrücklich verlangte er endgültigen Befcheib<br />

und bestand darauf, daß er feruer mit Beschicken von Reichstagen und<br />

weiten Reisen verschont, baß EraSmuS Hufen auf Ostern baS Siegel übergeben<br />

unb biefer „mit annehmung vnb Eypebition ber fupplication" belaben<br />

werde, <strong>der</strong>selbe auch zukünftig, waS „in gemeinen AmptS vnb anberen fachen,<br />

was geschloffen, vorfertige, registrere vnb baS Memorial (befsen führe), ßo<br />

Jber Zeit zu Ejpebiren" wäre. Auch verlangte Zifeewitz, bezeichnenb für<br />

bie bamaligen Verhältnisse, auSbrüdlich bie Zusicherung, baß ber H er Z 0 9<br />

Hof unb Regiment wieber in Drbnung bringe „vnb ein Jeber seiner vorpflichteten<br />

Emter warte vnb waS von S. F- ®- <strong>der</strong>nwegen geschloffen,<br />

anäj Exequeret werde" und daß man ihm Jemand zur Seite setze, dem<br />

er S. F- ®- Händel und Gelegenheit lehre, damit <strong>der</strong>selbe später daS<br />

Amt übernehmen könnte. 2 )<br />

Auf einer letzten Berathung, die am 28. April unter H er Z°9 W^W^<br />

Vorfitz Baltzer vom Wolde, Heinrich von Tormann und Michel von Küfsow<br />

abhielten, wurden Zifeewitz sämmtliche For<strong>der</strong>ungen bewilligt und er am<br />

nächsten Tage auf weitere 5V2 Jahre zum Kanzler des Herzogtums<br />

Pommern-Wolgast bestellt. 3 )<br />

DeS Letzteren Bedingungen für feine weiteren Dienste bieten insofern<br />

ein gewisses Jntereffe, als sich aus denselben ergiebt, welche Ansprüche<br />

bamalS ein hoher Hofbeamter zu stellen pflegte. Z u nt Verstänbniß berselben<br />

muß jeboch erwähnt werben, baß sich ber Kanzler kurz Zuvor mit Fräulein<br />

Barbara von Blandenburg aus Petershagen verheiratet hatte, weshalb ihm<br />

fein Deputat von 1546 nicht mehr genügen konnte. Sein baareS Einkommen<br />

blieb unveränbert, außerbem aber würbe ihm zur Führung beS<br />

Haushaltes bie Lieferung von 1 Ochsen, 5 feisten Schweinen, 12 Hammeln,<br />

x /4 Wilbfchwein, b U Butter, 1 Last Roggen, 4 Faß #ofbier, 7 Drömt Malz,<br />

1 Dreiling Lanbwein, V* Tonne inlänbischer Salzhäringe, 2 Jhrt H a f er ,<br />

1 Jhrt Gerste, 6 Scheffel Buchweizen, 2 Scheffel Erbsen, l U Schypenkäse,<br />

50 Gulben für Gewürz, frisches Fleisch, Kälber, Lämmer, Gänse,<br />

*) „Der Reihe Vnberbemch bobencken", „Abermals Von Raten aufs M. g. hbebenden<br />

bebacht ©ambftagS in Ostern" (1. April), Wolbe'S unb anbercr Rathe<br />

(Schreiben, enblich „M. g. lj. hat itzo getüidtget vnb aufs beS SantzlerS iungjien<br />

Vorschlag sich nachfolgenber Gestalt er <strong>der</strong> et am Freitag nach Jubilate" (28. April).<br />

2 ) Zitzetriitz'S letztes Bebenken unb feine befonbere Erklärung Freitags nach<br />

Jubilate, sowie fein Brief d. d. Eörlin FvettagS nach Quasimodogeniti (14. April).<br />

3 ) Zifcetmtz'S Beftaüunö d. d. Wotgast ©omtabenbS nach Jubilate.<br />

©tubicn 91, fr t 12


178 Jacob von Zi<br />

Eier, frische Butter, Salz, frische, gesalzene und trockene Fif^e, ßicf^tc und<br />

an<strong>der</strong>e Notrjdurft, sowie 30 Gulden für Holj unb Kohlen auf das Jahr<br />

Zugebilligt. x<br />

Für feine geleisteten und zukünftigen Dienste, sowie als Ersatz für<br />

das, was er im fürstlichen Dienst bisher Von dem Seinen zugesetzt hatte,<br />

wurden dem Kanzler Holz, Wiesen unb Kirchenlehen in Pinnow, das ganze<br />

Dorf Pulow sowie <strong>der</strong> Ertrag von einem H°f e Z u Papenborf zur Gefammthanb<br />

mit seinen Brübern verliehen, 2100 Gulben zum Ankauf beS<br />

Klemptzenschen Antheils am Gute Klitzkenborf versprochen unb ber<br />

Kauf ber Güter Bünßow unb Owstin, von benen baS letztereren berzeitigen<br />

Besitzern Rolof unb Kone von Dwstin ^n Quilow auf ben 24. Juni gekünbigt<br />

werben sollte, freigestellt. Für ben Fall, baß baS Z^ewitz 1546<br />

verschriebene unb von ihm bereits stark belieferte Vorwerk vor Lassan, 1 ) um<br />

welches H er zog Phi^W immer noch mit Detlof bon Köfter'S Erben processirte,<br />

dem Fürsten vom Reichskammergericht abgesprochen werben würbe, warb<br />

dem Kanzler eine entsprechende Vergütung zugesichert. Dafür nahm <strong>der</strong>selbe<br />

übrigens auch die Verpflichtung auf sich, zeitlebens dem Herzoge, wenn auch<br />

nicht als Kanzler, so doch als Hauptmann ober als Rath tflon HanS aus"<br />

zu bienen unb seinen Wohnsitz bleibenb im Wolgaster Herzogthum zu nehmen.<br />

Vorweg mag hier bemerkt werben, baß zwar Zifeewitz auf mehrfaches<br />

Bitten §tt>ei Jahre später einen rechten Lehnbrief über Pulow, Klitzkenborf,<br />

Papenborf, Owstin unb ben Pinnowischen Antheil erhielt, 2 ) baß aber Weber<br />

er noch seine Nachkommen diese Herrlichkeiten jemals thatsächlich alle besessen<br />

haben, weil ber Neid ber Räthe unb bie Mißgunst beS Wolgastifchen Abels<br />

dies mit vereinten Kräften ^n hintertreiben wußten. Es scheint fast, als<br />

wenn Z^e^ W <strong>der</strong> Unsicherheit ber fürstlichen Versprechungen einiger*<br />

maßen bewußt war, denn er einigte sich bei ber balb hierauf mit seinen<br />

Brübern erfolgenden Erbthetlung bahin, baß er ben Hauptantheil an ben<br />

Muttrinfchen Gütern behielt unb jenen baS baare Gelb überließ. 3 )<br />

Kaum war ber Kanzler enbgültig an ben H°f flefeffelt, so würbe er,<br />

ben eben getroffenen Abmachungen entgegen, in einer neuen Senbung in<br />

baS Reich verwenbet. Neben anberen ReichSfürften war auch H er Z°9 W*iW<br />

von Kaiser Karl V. z u m Unterhändler in ben verwickelten Streitigkeiten<br />

zwischen Markgraf Albrecht AlcibiabeS von Branbenburg, ben Bischöfen<br />

*) Herzoglicher EonfenS über 300 Gulden, bie Zitzewitz Detloff KöüVS<br />

Witttne geliehen, d. d. Wolgaft Mittwoch nach Puriticationis (3. Februar) 1552.<br />

Stett. Arch. HanbS^r. H. 11. fol. 17. 18. Auf Pinnow unb Klitzkenborf lieh er auS<br />

eigenen Mitteln ben Klemptzen'fchen Erben 2000 fl. A. a. O. fol. 106. 107.<br />

2 ) d. d. Zum Kamp ahm (Sonntage nach Dionysii (13. Oktober) 1555.<br />

Hanbfchr. II. 6. fol. 37 V - u. f.<br />

3 ) ConfenS über ben Erbvertrag d. d. Reuen=Eamp Dienstags nach Luciae<br />

(19. Dezember) 1553. Hanbfchr. II. 11. fol. 124. Die Erbverträge selbst ©targ.<br />

Hofßericht, V. Zitzewitz Rr. 126. fol. 108 u. f. unb Dep. L. A. Tit. 9. @ect. 238. 9fr. 1.


Jacob Von Zitzettritz.<br />

Wigand von Bamberg, Melchior von Würzburg und Herzog Heinrich Von Braunfchweig<br />

ernannt und zur Schlichtung des Zwistes, welcher eine sehr bedrohliche<br />

Form angenommen hatte, neben den vorgenannten Parteien auf den 15. Mai<br />

Zu einem Tage nach Frankfurt a. M. geladen worden. H er ä°9 W^W<br />

Zog aber vor, statt seiner Zifeewitz mit beson<strong>der</strong>en Vollmachten dorthin abzuschicken.<br />

1 ) Letzterer war insofern hierfür auch die geeigneteste Persönlichkeit,<br />

weil sein Bru<strong>der</strong> Joachim als KriegSobrister deS Markgrafen Albrecht AlcibiadeS<br />

dessen Feste piassenburg befehligte und nebst Wilhelm von Grumbach einer<br />

<strong>der</strong> hervorragendsten und bekanntesten Parteigänger dieses Fürsten war. 2 )<br />

Somit war ber pommersche Kanzler, welcher persönlich Grumbach ebenfalls<br />

wohl gewogen war, 3 ) nicht ohne einen gewissen Einfluß auf den Gang <strong>der</strong><br />

Verhandlungen- Diese zogen sich bis tief in den Juni hinein und blieben<br />

ohne jeden Erfolg. Trübe bemerkt Zifeewitz, welcher fleißig nach Haufe<br />

berichtete, daß „sich die fachen nitt an<strong>der</strong>s ansehen als das Deutschland zu<br />

boden gehen vnd sich selbst in grunbt vorterben wirdt". Sin Unwohlsein<br />

verhin<strong>der</strong>te ihn, sich mit ber Son<strong>der</strong>gesandtschaft <strong>der</strong> Reichsfürsten, welche<br />

von den in Frankfurt anwesenden kaiserlichen Kommifsarien gewählt worden<br />

war, nach dem Lager <strong>der</strong> kriegführenden Parteien zn begeben, aber er<br />

versprach, gelegentlich seiner Heimreise „vnd im durchtzierjen waS zum<br />

Frieden dienlich vnd menschlich vnd mugtich zu beför<strong>der</strong>n". Mit eindringlichem<br />

Ernst empfahl er seinen Landesherren, sich vorzusehen, damit<br />

Pommern „vor vnpilliger gewaldt vnd zunötigung" geschützt sei, denn das<br />

verflossene Jahr habe gelehrt, wie ganz geschwinde und unversehentlich die<br />

„vberfahrungen vnd vberzieljungen" gingen. 4 )<br />

Auf dem Rüdwege berührte <strong>der</strong> Kanzler Anfangs Juli Jüterbogk<br />

und ertheilte den auf dem Kreistage daselbst anwesenden pommerfchen<br />

Rächen ausführliche Vorschriften über ihr Verhalten; 5 ) in <strong>der</strong> Mitte beS<br />

Monats traf er wieber in Wolgast ein.<br />

Wärjrenb im H er Z e n DeutschtanbS bie Grumbachischen Hänbet fortgesetzt<br />

schwere Unruhen unb Blutvergießen erzeugten, MoScowiter, Franzofen<br />

*) DaS Kaiserliche Mandat d. d. Brüssel 9. April 1553 und Zifcewitz'S<br />

Vollmacht, Erebitiv u. f. w. Stett. Arch. P. I. Tit. 4. Rr. 2. 3. fol. 32 u. f.<br />

2 ) Drtloff, Grumbachifche Händel. Voigt, Markgraf Albrecht AtcibtabeS unb<br />

Hortleber an vielen Stellen.<br />

3 ) ©o führt ihn Grumbach in betn Verzeichniß „guter ehrlicher Leute ^n<br />

feinem beiftanbe", welche er 1564 in baS Von ihm projektirte Abelsparlament gewählt<br />

wissen Wollte, namentlich auf. Drtloff II. 149. — Berichte Zitzewitz'S an Herzog<br />

Philipp über feinen Briefwechsel mit Grumbach d. d. Rüßenwalbe 6. September 1557.<br />

Bohlen'fche ©amml. Rr. 156.<br />

4 ) ZitzeWitz'S sehr ausführlicher Bericht an Herzog Philipp d. d. Frankfurt<br />

13. Juni 1553. Tit. 4. Rr. 2. 3. fol. 38 u. f. VeraL auch Zitzewitz'S Briefwechsel<br />

mit Herzog HanS Albrecht, ©chirrmacher I. 239. H 212.<br />

6 ) A. a. O. Rr. 3, auch 5. fol. 31 u. f. betr. Jnftruktton ber Mfyt zum<br />

Kreistage nach gerbst d. d. Montag nach Lätare (13. März).<br />

12*


180 Jacob von Z<br />

und Türken die ReichSgreuzen bedrohten, befand sich Pommern, sowohl in<br />

Folge seiner Abgelegenheit als auch wegen seiner guten Beziehungen znm<br />

Kaiser und ben Nachbarstaaten, in wohlthätiger Ruhe, welche ihm die<br />

Gelegenheit bot, enblich befsernbe Sganb an seine arg V erlotterten^ inneren<br />

Verhältnisse zu legen. Bereits bie letzten ReichSabfchiebe hatten auf eine<br />

Reform ber Polizei-, Münz- unb Reichswefjr-Drbnung burch bie einzelnen<br />

Reichsstänbe hingewirkt, weil trotz aller Mühen unb Anstrengungen eine<br />

einheitliche Regelung bieser Fragen burch ben Reichstag nicht erreicht werben<br />

konnte, bieS vielmehr ber Fürsorge ber einzelnen Staaten ütg^rlaffen bleiben<br />

mußte. 1 )<br />

Neben ben zuvor bezeichneten wichtigsten Verwaltungszweigen beburften<br />

in Pommern auch bie fürstliche HauS- unb H°ftaltung, bie Wirthschaft<br />

ber Rentämter unb bie kirchlichen Dinge einer grünblichen Besserung ober<br />

gänzlichen Umgestaltung. Die GreifSwalber Universität war in einen<br />

erbarmungSwürbtgen Z u ftanb herabgesunken, unb bie Finanznöthe beS LanbeS<br />

hatten ben Gipfel erreicht, weil bie Steuerschraube in chrer beseitigen<br />

Verfassung ben Dienst versagte.<br />

Bereits im November 1549 war auf ber Versammlung ber Räthe<br />

beiber Höfe zu Eammin auf Zifeewitz'S Anregung, unter lebhafter Zustimmung<br />

von Matzke von Borcke, Ulrich von Schwerin unb Joachim Lauwe, sowie<br />

ber anwesenben Lanbräthe unb Mitglieber ber Stänbe, fett langer Zeit<br />

baS erste Mal, einer Berathung ber Reform von Polizei- unb Münzorbnung<br />

näher getreten unb beschlossen worben, bie Vorarbeiten einem sofort<br />

gewählten Ausschuß von 16 Personen zu übertragen. 2 ) Schon ein Jahr<br />

später unterbreitete Zifeewitz, welcher an bie Spitze besfelben gestellt war,<br />

auf ber vorberatrjeuen Grunblage betn Stettiner Lanbtage eine Reilje<br />

bestimmter Vorschläge; 3 ) bann geboten bk vorher geschitberten Vorgänge<br />

im Reich einen längeren Stillstanb, weil ber Kanzler, bie treibenbe Kraft<br />

in ben Reformbestrebungen, burch seine auswärtigen Missionen vollkommen<br />

in Beschlag genommen war unb ber inneren LanbeSverwaltung nicht bie<br />

entsprechenbe Aufmerksamkeit wibmen konnte. Erst als baS Jahr 1554<br />

auch tfjm für einige Zeit eine verhältnißmäßig größere Ruhe gewährte,<br />

vermochte er feine ganze Arbeitskraft ber geplanten Umgestaltung von<br />

Neuem zuzuwenben. 4 )<br />

*) Berichte über die ReichSabfchiebe t>on WormS, ©peyer u. f. w. Wolß.<br />

Ar*. Tit. 39. Rr. 9. 10. 13.<br />

2 ) Vergl. ©. 169. Anm. 3.<br />

3 ) Dieselben umfaßten bereits außer ber Münzorbnung „Gericht, $leü)t unb<br />

gute Polizei", (Steuersragen, VteljfeuchenSchutz. Am Tage Conversionis Pauli<br />

(25. Januar) sollte ber Ausschuß zu gemeinsamer Berathung in JaSenitz zusammen*<br />

treten. A. a. O. Rr. 13.<br />

*) Von Zifeewitz'S erstaunlicher Rührigkeit legen bie Akten beS Wolg. Arch.<br />

Tit. 39. lauteS Zeugniß ab.


Jacob Von ZitzeWtfe. 181<br />

Die Verhältnisse, unter welchen Z^ewitz seine innerpolitische Thätigkeit<br />

entfaltete, waren äußerst schwierig und ungünstig, weil <strong>der</strong> Landesherr,<br />

durch die voraufgegangenen bösen Jahre, sowie durch schwere Krankheit<br />

früh gealtert und innerlich gebrochen, sich wenig um die Regierungsgeschäfte<br />

kümmerte, dieselbe vielmehr ganz <strong>der</strong> Willkür seiner Räthe und Beamten<br />

überließ, welchen zum Theil dieser Schlendrian gerade gelegen kam. Letzteren<br />

waren deS Kanzlers Reformbestrebungen unbequem und wi<strong>der</strong>wärtig, weil<br />

sie dadurch nicht allein zur strengsten Erfüllung ihrer Pflicht veranlaßt,<br />

son<strong>der</strong>n auch mit erheblichen Mehrarbeiten belastet wurden.<br />

Schlimmer noch als in Wolgast sah eS übrigens in Stettin aus,<br />

wo H er 3°g Barnim Alles gehen ließ, wie es gehen wollte und keine über<br />

die Allgemeinheit hinausragende Kraft bessernd einzugreifen vermochte. 1 )<br />

Weil aber fast sämmtliche Gesetzesentwürfe gemeinschaftlich von beiden<br />

Regierungen aufgesetzt, berathen, beschlossen und eingeführt z u werden<br />

pflegten, wozu seit 1540 häufig Zusammenkünfte <strong>der</strong> Räthe bei<strong>der</strong> Orte<br />

abgehalten wurden, äußerte sich die Rückwirkung deS Stettinischen Regiments<br />

für die Wolgasttsche Regierung als drücken<strong>der</strong> H emm f^ u h. 2 )<br />

Mit ebenso großem Eifer als Ausdauer wagte sich Zi£ eu) ife an das<br />

schwere Reformwerk und trat mit einem klaren Programm hervor, welches<br />

bis in die kleinsten Einzelheiten ausgearbeitet war und selbst die nebensächlichsten<br />

Dinge berücksichtigte. 3 ) Unablässig mahnte er auf allen Landtagen,<br />

den Zusammenkünften <strong>der</strong> Räthe und wo sich sonst die Gelegenheit<br />

darbot, auf ernste Besserung und Abstellung <strong>der</strong> erkannten Uebelstände<br />

bedacht zu sein. Wenn er trotzdem während seiner kurzen, nur bis 1559<br />

währenden Amtszeit wesentliche Erfolge nicht erzielt hat, so ist eS doch<br />

immerhin fein Verdienst, den Anstoß zur Besserung <strong>der</strong> Verhältnisse gegeben<br />

und verhütet zu haben, daß Pommerns Verwaltung nicht in völligen<br />

Marasmus versank.<br />

Beson<strong>der</strong>s ancrkennenSWerth finb feine Bemühungen, die Lage <strong>der</strong><br />

armen Klaffen und <strong>der</strong> geplagten Bauern zu milbern und zu verbessern,<br />

was einen hervorstechenden Z U 9 feiner Politik ausmachte, ihm aber auch<br />

eine verschärfte Feindseligkeit beS Adels eintrug. F a ft von Anfang an<br />

hegte Zifeewitz gegründete Zweifel, feine wohlgemeinten Vorschläge verwirklicht<br />

ZU sehen, weil er bei Fürst und Volk nur Wi<strong>der</strong>streben begegnete, welches<br />

seinen Ursprung in Eigennutz, Liebe zum Althergebrachten sowie in Mangel<br />

an Verständniß und gutem Willen gründete. Wohl nur aus Pflichtgefühl<br />

1 ) Abgesehen von ZitzetoüVS sonstigen vielfältigen Beschwerden vergl. Anlage 4.<br />

«Sastrow II. 631. 657. Spähn ©. 71 u. f.<br />

2 ) Aktenstück über Zusammenkünfte <strong>der</strong> Rathe ©tett. Arch. P. I. Tit. 53.<br />

9fc. 9 u. f. und Wolg. Ar*. Tit. 39. Sßr. 9 u. f.<br />

3 ) DieS erhellt auS feinen 3 Hauptgutachten vom Januar 1556 (Anlage 1),<br />

born Februar ober März desselben JafyreS (Anlage 2) unb beS unbatirten vom<br />

Jahre 1557 (Anlage 3).


182 Jacob Von<br />

strebte er befsen ungeachtet bis zum Enbe seiner Kanzlerzeit banach, baS<br />

begonnene Werk so gut als möglich durchzuführen.<br />

Von unheilvollstem Einfluß auf bie Politik beS LanbeS war baS tiefgehenbe<br />

Zerwürfniß, welches feit Jahrzehnten Fürst unb Volk spaltete unb<br />

baburch hervorgerufen war, baß bie H er Z°9e seit BogiSfqv X. Tobe fitf)<br />

geweigert hatten, ben Stänben ihre alten Privilegien zu erneuern unb ju<br />

bestätigen. DieS reizte jene IM fortgesetztem Wiberstreben gegen bie fürstliche<br />

Gewalt unb bewog Ritterschaft unb Stäbte, ben Herren ihre Macht burch<br />

Knauferei ober SWchtbewilligung ber Steuern unb nöthigen Gelber oft schwer<br />

fühlbar zu machen. Auf bie Dauer war ein solcher Znftanb, welcher jebeS<br />

Vertrauen unb jebe Hoffnung auf gemeinsame unb ersprießliche Arbeit im<br />

Keime erstickte, unhaltbar: Dieses Gebrechen z u beseitigen, ohne babei<br />

sowohl den Rechten ber Fürsten als ber Stäube zu nahe zu treten, hielt<br />

Zifeewitz für feine oberste Pflicht unb, wo eS bie Gelegenheit irgenb barbot,<br />

suchte er versörjnenb unb vermittelnb zu wirken. 1 ) Demnächst aber glaubte<br />

er, in ber völligen Jnbolenz beS LanbeSrjerrn unb ber In'erburch eingerissenen<br />

Räthewirthschaft bie Quelle aller Unorbnung zu erkennen, unb gab sich<br />

reblich Mühe, betn Uebel zu steuern. Ohne Unterlaß bat unb ermahnte er<br />

ben H er Z 0 9r <strong>der</strong> von Gott verliehenen Fürstenpflicht eingeben!, selbst baS<br />

Regiment zu führen unb wies mit mannhafter Offenheit barauf hin, wie<br />

stark bereits baS fürstliche Ansehen im Laube geringert sei, weil bie Räthe<br />

bei allem Handeln weit mehr ben eigenen Vortheil als ben ihres Herrn<br />

ober ber Gesammtheit im Auge zu haben pflegten. 2 )<br />

Thatsächlich hatte bie burch eigene Schwäche verfchulbete Ohnmacht<br />

beiber Pommernfürsten zu ber üblen Lage beS Staates wesentlich beigetragen.<br />

Die Reichssteuern, inSbefonbere bie Türkensteuern, verschlangen von Jahr<br />

ZU Jahr größere Summen, nicht minber ber Herzogliche Haushalt in<br />

Folge ber Erziehuug ber heranwachfenben fürstlich wolgastifchen Kinberschaar.<br />

Die Stäube bewilligten z^ar nach langen Verhanblungen unb<br />

Vielem Gejänk auf ben Lanbtagen bie notljwenbigsten Mittel, aber wenn<br />

biefelben entrichtet werben sollten, kam nur wenig ein. 3 ) Z au <strong>der</strong>nb unb<br />

unter Protest zahlte bie Ritterschaft ihren Antheil, wäfjrenb bie Stäbte,<br />

auf ber Herzoge Energielosigkeit bauenb, benfelben glattweg unb tnit bürren<br />

Worten Verweigerten unb auch sonst bie lanbeSrjerrlichen Redjte mißachteten<br />

ober hinweg zu bisputiren suchten. 4 ) Vom Reich befsen nicht geachtet auf<br />

J<br />

) Vergl. Anl. 3 „Einnistung Vnd was dem Anhengig/ „Konfirmation ber<br />

priuilegien".<br />

2<br />

) Vergt. Anl. 1 Punkt 9.<br />

3<br />

) Zikettntz'S und ber Obereinnehmer Berichte im Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 9u. f.<br />

(Spähn a. verfch. Ort.<br />

4<br />

) „Burgemeifter vnb Retlje aller fkbt beyber E. F- G. Lanbe" verweigern<br />

d. d. Anklam 21. Januar 1551 bie Zahlung ber auf betn Lanbtage bewilligten<br />

©teuern, sowie ben Besuch beS Donnerstags nach Lätare (12. März) unb auf


Jacob von Z^ewitz. 183<br />

rechtzeitige Ablieferung <strong>der</strong> Steuerbeiträge gedrängt gerieten die Fürsten<br />

oft in eine verzweifelte Lage. Nirgends tritt die % Zerklüftung des Landes<br />

und <strong>der</strong> Egoismus <strong>der</strong> einzelnen Stände, sowie die Schwäche <strong>der</strong> Herrfcher<br />

schärfer hervor, als in <strong>der</strong> Steuerfrage. Dies erpreßte Z^ewitz, welcher<br />

bie Gefahr des immer bedenklicher anwachsenden Geldmangels und des<br />

Fehlens jedes festen Geldvorrates im Staatssäckel für die Zeit <strong>der</strong> Sftotf)<br />

in seinem Vollen Umfange erkannte, manche bittere Klage. 1 ) Um Abhilfe<br />

ZU schaffen und Klarheit in die verworrenen FinanzVerhättnisfe zu bringen,<br />

arbeitete er auf eine scharfe Trennung ztoif^en den Gel<strong>der</strong>n des Staates<br />

und <strong>der</strong> fürstlichen Kammer hin, verlangte, baß bie Bebürfnisse beS<br />

herzoglichen H°f e ^ nnb HanSrjalteS in Zukunft ausschließlich von ben<br />

Einnahmen ber Aemter bestritten würben, unb empfahl, um bieS zu<br />

ermöglichen, strenge, regelmäßige Kontrole ber Rentmeister, Prüfung ber<br />

AmtSregifter, alljährliche RechenschaftSablegung, sorgsamste Verwaltung ber<br />

Aemter unb Kammergüter, sowie sparsame unb geregelte H°^altung. 2 )<br />

Für bie Aufbringung ber Reichssteuern unb ber Mittel zu beS LanbeS<br />

Bebarf machte ber Kanzler hingegen bie Stäube verantwortlich, bat ben<br />

Herzog einbringlich um straffes Regiment beim Einziehen ber bewilligten<br />

Gelber unb drang mit allem Nachbrud auf Anwenbung von Z^angSmaßregeln,<br />

wenn bie Stäbte ferner aus gröblichem Eigennutz, ernsten<br />

Vermafjnungen trotzenb, zum Nachtheil ber Gesammtheit bie Zahlung trjreS<br />

Steuerantheiles verweigern sollten. 3 ) AnbrerfettS warnte er vor übereilter<br />

unb gewaltsamer Einführung von Neuerungen, so ber 1556 ben Fürsten<br />

vom Kaiser verliehenen Accisegerechttgkett, einer F°l9 c beS stäbtischen Trotzes,<br />

um nicht zwecklos bie bereits bestehenben Zähigkeiten z u vermehren; er<br />

hielt eS für besser, klüglich eine pafsenbe Gelegenheit abzuwarten unb baS<br />

bezügliche Manbat, weniger auffällig, gelegentlich mit anberen Gesetzesvorlagen<br />

auf bem Lanbtage z u publiciren. 4 ) Als später bie Accise<br />

St. Laurentius (10. August) nach Stettin unb Wolgasi anbefohlenen TageS.<br />

Unverschämter noch schreiben dieselben ben Fürsten d. d. GreifSwatb 3. April 1551<br />

unb d. d. Mittwoch nach bem Sonntage Trinitatis (3. Juni) 1556. Wolg. Arch.<br />

Tit. 39. Rr. 13. 14. Zitzewitz'S Verhandlung mit den (BtMtn Rr. 11 u. f.<br />

*) Anl. 3.<br />

2 ) Anl. 1. Punkt 8. 9. — Auch in seiner Proposition zutu ©tettiner Landtag<br />

©onntagS nach Luciae (14. Dezember) 1550 gelegentlich ber Aufbringung ber<br />

Fräuteiusteuer hätt Zitzewitz stark auf bie Trennung ber Gelber. A. a. D. Rr. 13.<br />

3 ) Zitzewitz tag bie Führung ber Verwaltungen mit ben unbotmäßigen<br />

©täbten auch für ben ©tettiner Ort ob. Er schlug allmählich einen Sehr<br />

energischen Ton an, bebeutete ihnen, ba^ sie unnachfichttich „z ur pitlichkeit" gebracht<br />

werben würben, baß bie ©teuern nicht in ber Fürsten „Gewalt", Sonbern in ben<br />

ber bazu Von ben ©tänben Verorbneten gelange. Eoncept d. d. Wotgaft ©ambftagS<br />

nach Viti (20. Juni) 1556. Rr. 14. Vergt. auch Ant. 3. ©pahn ©. 140. 141.<br />

4 ) DaS von ©pahn ©. 142. 143 erwähnte, bie Einführung ber Acctfe<br />

betreffenbe unbatirte Gutachten „eines hohen Beamten" ist Von Zitzewitz Verfaßt.


Jacob Von Zi<br />

thatsächlich in Kraft trat, wünschte er <strong>der</strong>en Erträgnisse als eisernen Bestand<br />

im Landkasten gesammelt und für den Fall <strong>der</strong> Stftoth aufbewahrt zu wissen.<br />

Letzterem wandte <strong>der</strong> Kanzler eine beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit zu, trieb<br />

die Obereinnehmer z u strenger Handhabung ihrer Pflicht und hielt, um<br />

bei etwaigen Vorkommnissen gesichert zu sein, stets einen Theil <strong>der</strong> durch<br />

die Reichssteuern einkommenden Gel<strong>der</strong> so lange als möglich im Lande<br />

fest, zu welchem Ende er durch allerlei kluge Vorwänbe die Abführung<br />

ber Türkensteuern hinauszuzögern tvn^k. 1 )<br />

Die am meisten bedrückten Geschöpfe, auf welche damals Städte<br />

und Ritterschaft gleichmäßig alle Bürden abzuwälzen* Verstanben, waren<br />

unstreitig die kleinen Leute in ben Stäbten unb bie Bauern. F ur sie<br />

hatte, wie schon vorbem bemerkt würbe, Zife etr) i£ jeberzeit' ein warmes Herz<br />

unb that Alles, was in seinen Kräften stanb, um ihr hartes LooS zu<br />

erleichtern. Ohne Unterlaß prebigte er Fürst unb Stäuben, von weiterer<br />

Belastung ber armen Unterthanen abzustehen, weil bieselben bereits bis an<br />

bie Grenze ber Möglichkeit ausgesogen feien, unb forberte im Jnterefse<br />

weiser Staatswirthschaft unb ber Gerechtigkeit eine gleichmäßige Vertheilung<br />

ber Lasten auf alle Klassen ber Bevölkerung ohne Rücksicht auf bie bisherige<br />

Gewohnheit unb Gesetze, wenn nicht anberS, burch Erwirkung kaiserlicher<br />

Manbate. Diese Theilnahme am Geschicke ber Armen entsprang nicht bloS<br />

beut Sftütztichkeitsprinzip, sonbern war wahr unb aufrichtig, unb eS gelang<br />

ihm thatsächlich bei verschiebenen Gelegenheiten, eine Herabminberung beS<br />

auf bie Bauern entfallenden Steuerantheils, in beson<strong>der</strong>s schwerer Zeit<br />

sogar Befristung o<strong>der</strong> gänzliche Befreiung hiervon durchzusetzen.*)<br />

üfteben <strong>der</strong> üblen Verwaltung unb betn Eigennutz ber Stäube trug<br />

auch bie in ganz Deutfchlanb eingerissene Münzverfchlechterung sehr erheblich<br />

zur Verschärfung ber Gelbnoth in Pommern bei. Jn Massen brangen<br />

bafelbst minberwerthige Prägungen ber ^achbarlänber ein, wäfjrenb gleichzeitig<br />

baS vorhanbene gute Gelb ausgeführt unb bem Staatsschatz entzogen<br />

würbe. Dies kam besonberS bei Erhebung ber Steuern zum AuSbruct.<br />

Vergeblich waren alle Klagen auf Reichs- unb Kreistagen. An eine<br />

*) Vergl. Ant 3.<br />

3 ) Bereits im ©tettiner LanbtagSabfchiebe d. d. 14. September 1548 fetzte<br />

unter ben eigenhänbig verfaßten Abschied: „Not. verba ban obS nicht ane<br />

ba^ bk arme Bauerßman burch biefelbe form nicht wetniß befchuert werbe, Sjo<br />

würbe boch ein Jber man für bie ßeinen gebencken, bertnassen baS sie burch getnelt<br />

form ber anlag nicht verbrätst werben". Rr. 11. — 1549 setzte er in Eantmin eine<br />

Befristung ber Bauern bis zu besserer Zeit burch, wofür Prälaten unb Ritterschaft<br />

statt eine 4 fache nur eine 2 fache (Steuer entrichten bürsten (Rr. 9) unb 1566, als<br />

MißwachS unb große Teuerung herrschte, erreichte er, ba^ ben Bauern ihr Steuerantheil<br />

ßanz erlassen unb bie Armen in ber Stabt nur gering belastet würben;<br />

bie entfprechenbe Summe warb bem Lanbkaften entnommen. Protokoll Von Ettfftebt<br />

in Rr. 22. — Vergl. ferner Anl. 3,


Jacob Von Zitzewttz. 185<br />

Abstellung deS schwer empfundenen UebelstandeS von Reichswegen war vorerst<br />

nicht zn denken, da die Fürsten deS südwestlichen Deutschlands ben<br />

Kaiserlichen Mandaten nicht Folge leisteten und unentwegt weiter gering*<br />

WertrjigeS Geld ausmünzten.<br />

Um nicht Schließlich aller guten Münze entblößt zu werben, mußte<br />

man auf irgend welche Abhülfe bebacht fein. Zife elr) i£ ^ar sich bewußt,<br />

baß fein Vaterlanb allein nichts auszurichten vermochte, fonbern ausschließlich<br />

auf gemeinsames Hanbein mit ben Nachbarstaaten angewiesen war. Da<br />

sich letztere in ber Angelegenheit zum Theil unschlüssig verhielten, erachtete<br />

eS ber Kanzler für angezeigt, baß Pommern bie Führung übernehme. Qn<br />

bem Behufe würben auf feinen Vorschlag aus bem ManSfelbischen münzverstänbige<br />

Leute verschrieben unb unter bereu Beistanb burch Matzke<br />

von Borde, Ulrich von Schwerin unb anbere hervorragende Personen in<br />

langen Berathungen unter Zitze^ife^ Vorfitz ein ausführliches Gutachten<br />

aufgestellt, wie bem Schaben am besten z u steuern sei. 1 ) Auf Grunb<br />

befselben nahm ber Wolgaster Kanzler bann mit ben Höfen von Kursachsen,<br />

Branbenburg, Mecklenburg unb Braunschwetg Fühlung zu einem gemeinsamen,<br />

entschlossenen Vorgehen ohne weitere Rücksicht auf ben unerträglich langsam<br />

arbeitenden Reichstag, wobei er bie lebhafteste Unterstützung Von Kurfürst<br />

Joachim von Branbenburg erfuhr. 2 ) Jm gleichen Sinne ließ er von ben<br />

pommerschen Räthen, gelegentlich ber Kreis* unb Valvationstage auf bie<br />

ober- unb nieberfächfischen Stänbe einwirken unb wies bie Stettinischen<br />

unb Wolgastischen Gesanbten auf ben Reichstagen an, energisch auf eine<br />

enbliche Verschiebung einer ReichSmünzorbnung zu brängen. Um biefelben<br />

in ben Staub zn fetzen, jeberzeit brauchbare Vorschläge unterbreiten unb<br />

förbernb in ben Gang ber Verhanblungen eingreifen zu können, mußten<br />

sich bie Vertreter Pommerns auf bem Reichstage Vor ihrer Abreise grünblich<br />

über bie verwickelten Mißverhältnisse unterrichten unb erhielten Von<br />

Zitzewitz laufenb sehr ausführlich gehaltene Jnstruktionen. 3 ) Jn Pommern<br />

selbst ließ bieser, so gut eS bei ber geringen Exekutive eben anging, auf<br />

peinliche Einhaltung ber erlassenen herzoglichen Münzmanbate halten. 4 )<br />

Wie h°ch man cttfcetoife'S Erfahrungen unb Kenntnisse gerabe in<br />

dieser Angelegenheit schätzte, lehrt ber Umstanb, baß chm später bie<br />

1 ) ©chon auf bem Eamtntner Tage 1549 empfahl Zitzetottz, LeonharbBanberltn,<br />

9Mnzt>ertoalter in EiSleben, nach Pommern zu Verschreiben.<br />

2 ) Schreiben Herzog Philipp'S an Barnim d. d. Wolgaft Sambftag nach<br />

bem ©untage Cantate (9. Mai) 1556. ©ehr ausführliches Eoncept über die mit<br />

ben Rachbarstaaten in ber Münzfrage burch Zitzewitz gepflogenen Verhanblungen. Rr.14.<br />

3 ) Vergl. Anl. 2. Punkt 10 unb Anl. 4. Punkt 7. Ferner: „Abrebe Etlicher<br />

Punkte zwischen M. g. h- hertzoge barnim unb pln'iipfen . . . Retljen aufs bem<br />

Lanbtage ztr> Stettin auf Judica (4. April) gehalten Ao. 1557". 9h\ 14 u. a. V. anb. O.<br />

4 ) Unter bem Referat ber Wotgaster Räthe, melcheS Zttzeroitz'S Gutachten<br />

t)om Januar 1556 vorgestellt ist.


186 Jacob Von<br />

Verwaltung <strong>der</strong> pommerschen Gefammtmünze, sowie die Ausarbeitung <strong>der</strong><br />

einschlägigen Gesetzesbestimmungen übertragen wurden. 1 )<br />

Nebenbei richtete <strong>der</strong> Kanzler fein Augenmerk auch auf bie H e &nng<br />

beS allgemeinen Wohlstandes, indem er auf die Kräftigung des Handels<br />

und die Unterstützung auswärtiger gewerblicher Unternehmungen, welche<br />

für Pommern nutzbringend werden konnten, bebacht war. Z u diesem Qtoz&t<br />

ließ er eS sich angelegen fein, die Verhanblangen mit Polen unb Branbenburg<br />

wegen de* Flußschifffahrt auf Ober unb Wartrje, sowie mit Markgraf<br />

Johann Von Küstrin wegen ber KornauSfuhr unb Zollerhebung einem<br />

günstigen Abschluß zuzuführen 2 ) unb lenkte bie Aufmerksamkeit ber Stänbe<br />

auf bie Grünbung ber Salzgefellfchaft zu Stteufalz, suchte wohl auch in<br />

Pommern selbst neue Salzquellen auSfinbig zu machen. 3 ) Die Landwirthschaft<br />

suchte er burch gesetzliche Bestimmungen gegen bie aus ber<br />

Mark unb ber Grafschaft Vierraben eingeschleppten Viehseuchen zu schützen<br />

unb burch bie Einführung eblerer Viehracen zu verbessern. 4 )<br />

Hanb in H a nb mit ben Bemühungen um Regelung ber Finanzverwaltung<br />

unb Hebung von Haubet unb Wanbel ging baS Bestreben, bie<br />

kirchlichen Verhältnisse Pommerns in eine feste Orbnung zu bringen unb<br />

ben vielen Schaben berfelben burch eine Neugestaltung ber veralteten Vorschriften<br />

abzuhelfen. Schon balb nach bem Tage von Treptow (1535)<br />

.hatte sich, wie bieS in ben gesammten übrigen Staaten beS Reiches mehr<br />

ober weniger ber Fall war, ber Mangel jeglicher KirchenbiSciplin fühlbar<br />

gemacht. Das Bebürfniß nach einer zeitgemäßen Kirchenorbnung war von<br />

Jaf)r zu Jahr gestiegen, bis nach ber Bestätigung beS Paffauer Vertrages<br />

burch ben AugSburger Reichsabschied von 1555 baS Geschrei nach einer<br />

solchen im Laube allgemein würbe, weil nicht allein bie kirchliche Disciplin<br />

arg barnieberlag, sonbern auch sonst so große Verwirrung unb Unklarheit<br />

in ber neuen Kirche herrschte, baß bereu Bestaub schließlich baburch gerabezu<br />

gefährdet erschien. Unausgesetzt brängten beShalb bie Stänbe auf Abhülfe,<br />

fanben Berathungen unb Versammlungen ber Theologen, nicht bloS<br />

*) Vergl. später.<br />

2 ) Die Führung <strong>der</strong>selben lag bis 1558 ausschließlich Z^ewitz ob. Zahlreich<br />

find dessen bcjügl. Eoncepte, Berichte unb Gutachten im Wolg. Arch. Tit. 39 unb<br />

Stett. Arch. Tit. 53. P. I. Rr. 12 u. f., beson<strong>der</strong>s „wegen ber newen Vorhabenben<br />

fchiffahrt halben in <strong>der</strong> Wlaxd Vnb zw Breßlaw" unb „wegen beS Süftriner<br />

auch dieser Schiffahrt Vnb grabenS wegen" in Tit. 39. Rr. 14.<br />

3 ) d. d. Wolgast 10. Mai 1556 empfiehlt er bie Verfchreibung eineS<br />

Sachverständigen, ber auf @alz bohre, ba bie Erschließung neuer ©alztoerke für ben<br />

Wartljerjanbet unb bie ZöHe höchst einträglich fei. Rr. 14.<br />

4 ) Gesetz gegen reubtge ©chmeerschafe d. d. Uckermünbe 1. März 1557.<br />

Dieser Punkt stanb Von 1550 bis 1559 auf jeber LanbtagSberathunö. Rr. 14. -<br />

1566 suchte Z^tzewitz in großem Maßstabe Schafe unb Rinbvieh zu Zudjtztoetfett<br />

auS Dänemark zu itnporttren. Zitzewi^S Schreiben an ben Kanzler Frieß d. d.<br />

Vorwerk vor Laffan 23. April 1566. (&ktl Arch. P. I. Tit. 16. Rr. 1. a, Vol, l


Jacob Von Zitzeroitz. 187<br />

Pommerns, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Nachbarstaaten und im Reiche, statt und<br />

wurden Melanchthon und an<strong>der</strong>e hervorragende Theologen um ihren<br />

Rath angegangen.<br />

Hier für sein Vaterland eine Wandlung zum Besseren herbeizuführen,<br />

erschien gerade Z^ewitz die berufenste Persönlichkeit, weil er für einen<br />

Laien eine erstaunliche und gründliche Kenntniß in theologischen Dingen<br />

befaß. DieS geht nicht allein aus den von ihm bis in die kleinsten Einzelheiten<br />

ausgearbeiteten, sehr ausführlichen Anweisungen hervor, welche er<br />

den pommerschen Gesandten auf den Reichstagen und Eolloquien über das<br />

von ihnen in Religionsfragen zu beobachtende Verhalten ertheilte, 1 ) son<strong>der</strong>n<br />

auch aus seinem schriftlichen und persönlichen Verkehr mit Melanchthon<br />

und den protestantischen Fürsten, sowie seinem ganzen Auftreten in den<br />

religiösen Streitfragen <strong>der</strong> damaligen Zeit- 2 ) ®ieS war auch wohl <strong>der</strong><br />

Grund, weshalb ihn H er Z°g Philipp an seiner Statt znm Vorsitzenden<br />

<strong>der</strong> Generalsynode berief, welche Vom 6. bis 13. Februar 1556 in Greifswalb<br />

tagte und über Johannes Fre<strong>der</strong>, Superintendenten von Rügen, Knipstrow'S<br />

heftigsten Gegner, richten sollte, weil <strong>der</strong>selbe dem ^ergoge die kirchliche<br />

Gewalt über Rügen dadurch entfremdet hatte, daß er sich die Drdination<br />

von Kopenhagen geholt hatte. 8 ) Außer Saltzer Vom Wolde und EraSmuS<br />

Hufen waren dazu dem Kanzler eine große Anzahl <strong>der</strong> berühmtesten<br />

GotteSgelehrten des Stettinischen und Wolgastischen OrteS als Richter<br />

unterstellt worden. Mit fester Hand leitete er die Sitzungen und zeichnete<br />

sich neben seinem Freunde Dr. MageriuS, welchen er von seiner Studien-<br />

Zeit in <strong>der</strong> Sorbonne zu Paris her kannte und damals zum Uebertritt zur<br />

evangelischen Lehre bewegt hatte, durch viele gelehrte Reden aus. 4 ) Sftach<br />

achttägigen Verhandlungen endete die Synode mit <strong>der</strong> Verurteilung<br />

Fre<strong>der</strong>'S zu AmtSentfetzung und Verbannung.<br />

Fast um dieselbe Zeit legte Z^ewitz seinem Landesherrn, nach langen<br />

Vorberathuugen mit Melanchthon, dem Kurfürsten und den Herzögen von<br />

Sachsen, sowie den Räthen <strong>der</strong> Anhaltischen und Mecklenburgischen Fürsten 5 )<br />

einen wohl zum größten Theil aus eigenster Kraft verfaßten Entwurf über<br />

die Schaffung eines geistlichen Konsistoriums vor, welcher mehrere Jahre<br />

später fast unverän<strong>der</strong>t von den Fürsten und <strong>der</strong> Landschaft angenommen<br />

*) Vergl. Anl. 1. 2. 3, ferner die Jnstruktionen für die pommerfchen Gesandten<br />

zum Reichstage in RegenSburg und zum Eofloquium in WortnS, beibe etwa um<br />

Cantate 1556 Verfaßt. Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 14.<br />

2 ) Brief MetanchüWS an Zt^ewitz d. d. 14. März 1557. Corp. Ref. IX.<br />

©. 119 u. f., sowie Zifcewttz'S zahlreiche Schreiben und Berichte W. A. Rr. 14 u. f.<br />

3 ) Bartl)olb IV 2 . ©. 356. 357.<br />

4 ) Johannes Fre<strong>der</strong>us, Eine kirchenhistor. Monogr., ©tralsunb 1837. II.<br />

©. 27 u. f. bringt eine Sehr ausführliche Beschreibung ber Synobe.<br />

5 ) Eoncept Zitzewit^S zu einem Schreiben an Herzog Barnim d. d. Wolgast<br />

©ambstaöS nach bem Suntage Cantate (9. Mai) 1556. Wola, Arch. Tit. 39. Rr. 14.


188 Jacob Von<br />

wurde und damit die kirchliche Frage in zufriedenstellen<strong>der</strong> Weise löste. 1 )<br />

Die Znfammenfetzuug <strong>der</strong> von Zife ett) ife vorgeschlagenen Kirchenbehörde<br />

besteht in ihren wesentlichen Grunbzügen noch heute. AuA die kirchlichen<br />

Eeremonien, sowie die BesoldungSVerhältnifse <strong>der</strong> Geistlichkeit wurden nach<br />

des Kanzlers Vorschlägen geordnet und bie auf dem Landtage von 1556<br />

genehmigte VifitationS-Drbnung für Schule und Kirche (formula Visitationis)<br />

straff gehandhabt. 2 )<br />

Um bie schlimmen Vermögensverhältnisse <strong>der</strong> Greifswatber Universität<br />

etwas zu heben, ohne babei ben schon aufs Aeußerste in Anspruch genommenen<br />

Staats- unb Kammersäcfel weiter zu belasten, gab ber Kanzler ben auch<br />

Zum Theil befolgten Rath, zunächst baS gefammte Besitztum unb Einkommen<br />

ber H°tf)|tf)ute genau festzustellen, basselbe gegebenenfalls burch lleberwcisung<br />

eines Antheiles ber reichen Gützkower Pfarre zu verbessern, bie bisherige<br />

schlechte Art ber Verwaltung neu zu gestalten unb enblich ben Stettiner<br />

Ort mit zum Unterhalt ber LanbeSuniverfität heranzuziehen. 8 )<br />

Die mühevollste Arbeit hat Zifeewitz unstreitig bie Reform beS Justizunb<br />

Polizeiwesens verursacht. Bereits 1549 war ihm nebst Bischof Suave,<br />

Schwerin, Borde unb anberen angesehenen Männern bie Revision unb<br />

Neubearbeitung ber gänzlich veralteten unb unbrauchbaren Polizei- unb<br />

Gerichtsordnung übertragen worben. Schon bamals hatte er bie Schwierigkeit<br />

biefcS Werkes voll erkannt, wie aus ben einleitenben Worten feiner<br />

Eamminer ?Hcbc hervorgeht: „Ob woll menschlicher weiß in bieser vorkerter<br />

Welth weinig fjoffnung, baS eine rechtschaffene bestenbige Policey vnb<br />

Regiment muge vorfaßt vnb erhalten werben, Szo JS bennoch bebacht,<br />

baS vnfere g. f. . . . schulbig baS Jrlje barin zu tl)un". 4 ) Wenige Jahre<br />

banach würbe Zife eU) i£ allein bie Abfassung ber neuen Gesetzesentwürfe<br />

übertragen, doch vermochte er nicht, bem 1556 zusammengerufenen Lanbtage<br />

ein fertiges Werk vorzulegen, weil bie auf irjm rufjenbc Arbeitslast<br />

gar zu groß war, bie Stäbte allen fürstlichen Ermahnungen unb Manbaten<br />

Zum Trotz mit Einsenbung ihrer stäbtifchen Sonberrechte zögerten unb<br />

enblich H er zog Barnims Räthe nicht ben Zeitpunkt inne hielten, zu welchem<br />

ber Austausch ber von beiben fürstlichen H^fen getroffenen Entwürfe verabrebet<br />

worben war. 5 )<br />

') Anl. 2 Punkt 6.<br />

a<br />

) „Formula visitationis beliebet, angenommen bewilliget." A. a. O. Rr. 11.<br />

Praeparatoria zur Ueckermünbifchen Zusammenkunft d. d. Vckermünbe<br />

1. März 1557. Rr. 14.<br />

3<br />

) Anl. 2. Punkt 5. 7.<br />

4<br />

) Veral @. 15. 23.<br />

5<br />

) Sehr zu Unrecht macht Spähn, Welcher bedauerlicherweise baS ©t. Arch. Tit. 94.<br />

ungleich mehr als baS Wolg. Arch. Tit. 39 Verwerthet zu haben scheint, auf @. 123<br />

Zitzewi$ für baS verspätete Zustandekommen beS PoltzeigeSetzeS Verantwortlich<br />

unb Völlig ungerechtfertigt ist ber Vorwurf Von Z^etvitz'S „gemüthlicher Nachlässigkeit".


Jacob Von Zitzewitz. 189<br />

mehrfache und angelegentliche Bitten, die Arbeit einem<br />

An<strong>der</strong>en zu überweifen, blieben unberücksichtigt, so lange er im Kanzleramt<br />

war; lebhaft verwahrte er sich deshalb gegen die F o] t9 e n, welche die notfj^<br />

gedrungene Verschleppung mit sich bringen mußte. Vergeblich war auch sein<br />

dringlicher Rath, ntit <strong>der</strong> Publikation <strong>der</strong> wichtigsten und bereits genehmigten<br />

GefetzeStheile zu beginnen, wenn auch <strong>der</strong> ganze Entwurf noch nicht beendet<br />

fei. 1 ) Fast fiebenzehn Jahre lang hat sich <strong>der</strong> Kanzler bei seiner aufreibenden<br />

Thätigkeit mit <strong>der</strong> Erfüllung <strong>der</strong> ihm überwiefenen Aufgabe<br />

herumgequält, bis die Vorlageu, von ihm fast vollendet, 1569 unter<br />

üftormann'S tarnen genehmigt und Veröffentlicht wurden. 2 )<br />

Um <strong>der</strong> Verkehrssicherheit, welche durch die in Deutschland geführten<br />

Kriege, das Anwerben und Entlassen von Landsknechten und das Herumstreifen<br />

von Marodeuren und Vagabunden äußerst gefährdet erschien, einigermaßen<br />

aufzuhelfen, ging <strong>der</strong> Kanzler in Ausführung <strong>der</strong> bezüglichen ReichSabfchiede<br />

den Landstreichern, dem losen Gesindel, den garbenden Knechten<br />

und Einspennigen mit scharfen Erlassen zu Leibe, führte in den Städten<br />

eine bis dahin nicht gekannte scharfe Thorkontrole ein, veranlaßte die<br />

Abschaffung <strong>der</strong> Pilkrüge und mahnte den H er zog, dem Lande mit gutem<br />

Beispiele voranzugehen und seinen H°f zunächst von leichtfertigen Leuten<br />

ZU reinigen. 8 )<br />

Den geringsten Erfolg hatte Z^^ife &ei feinen Bestrebungen, die<br />

Wehrverfassung beS LanbeS besser zu gestalten, obgleich er die größten<br />

Anstrengungen gemacht und diesen Punkt als den wesentlichsten in allen<br />

feinen Gutachten hinzustellen pflegte. Jn F°*9 e feiner vielen Reisen im<br />

Reiche war ihm die Unzulänglichkeit <strong>der</strong> pommerfchen Wehrordnung nicht<br />

entgangen; er sah voraus, daß die Wirren in Deutschland und die Kriege<br />

<strong>der</strong> Sftachbarreiche fein Vaterland gegen dessen Willen und ganz unverhofft<br />

in chre Kreise ziehen und dann nur ein starkes kriegsbereites Aufgebot das<br />

Land retten konnte, daß es ohne ein solches aber zum ohnmächtigen Spielbali<br />

An<strong>der</strong>er werden mußte.<br />

Vergeblich verhallten jedoch feine Mahnungen und Vorschläge, welche<br />

hauptsächlich an ber unbegreiflichen Gleichgültigkeit und EinsichtStosigkeit<br />

Eine solche dürfte überhaupt aktenmäßtg Zitzewitz in keinem einzigen Punkte<br />

nachzuweisen fein. Die ©chulb an ber Hinzööerung ber Poltzei^Vorlage trifft außer<br />

Herzog Barnim fast ausschließlich die Städte und die Kurzsichtigkeit Philipp'S,<br />

welcher den überlasteten Kanzler Von <strong>der</strong> ihm gestellten Aufgabe trotz aller Bitten<br />

nicht entband. Veröl Ant 1. 2. Punkt 3, 4. Punkt 11.<br />

*) Vergl. Anl. 4. Punkt 11.<br />

2 ) 1560 hatte Zitzewitz die Vorlaöe fast vollendet, boch fanb ber große AuS*<br />

fchuß nicht Zeit, biefelbe zu prüfen. Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 18. fol. 49 u. f.<br />

Ueber ben weiteren Verzuö und Rormann'S Eingreifen a. a. O. Rr. 11.<br />

3 ) Veröl. Anl. 1. „Pilkrüöe" waren verrufene kleine Dorffrüge ober ftäbtifche<br />

äßtrthfchaften, in denen die Vaöabunden Unterschlupf fanden.


190 Jacob von Zi<br />

ber betben Fürsten scheiterten. Wiewohl ber Kanzler balb einsah, baß in<br />

bieser Richtung jebeS weitere Bemühen, auch baS instänbigste Bitten,<br />

fruchtlos bleiben würbe, hat er boch uuermüblich zum Besseren j\i wirken<br />

gesucht. 1 ) Seine Rathschläge lassen übrigens erkennen, baß er im Kriegswesen<br />

wohlbewanbert war, unb eS ist unzweifelhaft, baß beren Befolgung<br />

Pommern Vor bem Elenb unb Jammer ber folgenben Jahre bewahrt<br />

haben würbe. Dieselben erstreckten sich nicht auf bie eigentliche Werjrorbnung<br />

allein, sonbern betrafen auch bie Anschaffung unb Jnstanbhaltung<br />

beS gefammten Artillerie- unb Zeugmaterials, Jnstanbfetzung ber FeftungSunb<br />

Zeughausbauten, Befestigung ber Pässe, rechtzeitige Verproviantirung,<br />

Ernennung ber Dfficiere unb bergleichen mehr; sie finb sehr ausführlich<br />

gehatten unb eingehenb begrünbet. ,<br />

Ueber feine Thätigkeit auf ben Hauptgebieten ber LanbeSVerWaltung<br />

vernachlässigte Zife ert) i£ nicht bie Erlebigung geringerer Dinge, wie bie<br />

Beantwortung ber beim Fürsten einlaufenben Supplikationen, bie Publikation<br />

von Gesetzen, bie Anstellung ber Beamten, bie Abnahme ber Rechenschaft<br />

von ben Aemtern, bie Bearbeitung ber Abelssachen, bie Funktion als<br />

oberster herzoglicher Richter u. f. w., sonbern ließ hierin vielmehr gleichfalls<br />

bie größte Sorgfalt unb Genauigkeit obwalten, obgleich es verwunberlich<br />

ist, um waS für Dinge sich ber Kanzler mitunter kümmern mußte. 2 )<br />

Jft im Vorstehenben beS letzteren Wirken auf bem Gebiet ber inneren<br />

Politik wäfjrenb ber Jahre 1550 bis 1557 näher geschilbert worben, so<br />

mag bezüglich seiner Leistungen auf bem ber äußeren nur kurz erwähnt werben,<br />

baß ihm währenb bieser Zeit auch bie Leitung ber gefammten äußeren<br />

Politik oblag, Welche in Folge <strong>der</strong> vielen Kreis-, ValvationS- unb Tf)eologenverfammluugen,<br />

ber Reichstage unb Veichanblung mit Branbenburg und<br />

Polen, sowie mit Markgraf Hans von Küstrin äußerst komplicirt war und<br />

ein hohes Maaß Von Arbeitskraft erheischte, weil bie wenigen Räthe fast<br />

immer in Gefanbschaften auswärts weilten. Schwere Sorgen verursachten<br />

gegen Enbe beS JarjreS 1556 ben pommerfchen Fürsten befonberS bie<br />

Verhältnisse im Stift Eammin unb bie Wirren in Livlanb.<br />

Den bereits früher erwähnten Z^istigkeiten zwischen bem Orben unb<br />

ber Stabt Riga war 1556 ein Krieg ztoifdjen bem bortigen Erzbischof<br />

Markgraf Wilhelm von Branbenburg, sowie befsen Eoabjutor H er Z°9<br />

Christoph Von Medienburg, welche beibe unter bem Schutze beS Königs<br />

von Polen unb beS H er äogS von Preußen stanben, unb bem Herrenmeister<br />

beS OrbenS, Heinrich von Galen, gefolgt, welcher sehr bebrof)liche Formen<br />

angenommen hatte unb nicht allein Pommerns Hanbel unb Schifffahrt in<br />

feine Kreise zu ziehen brol)te, sonbern noch wesentlich größere Gefahren für<br />

baS Lanb in sich barg, infofern sich bk kriegfüljrenben Parteien im Reiche<br />

1 ) Vergl. Anl. 1. 2. 3. 4.<br />

2 ) Vergl. Anl. 2, Disposition.


Jacob Von Zitze Witz. 191<br />

nach Hülfe umgethan hatten und verschiedene Fürsten mit großen Truppenkörpern<br />

den Durchzug durch die pommerschen Lande begehrten, auch daselbst<br />

Knechte zu werben versuchten. Man verkannte dort die Gefahr keinen<br />

Augenblick, die H er Z 0 9e erklärten sich auf Z^ewi^S und <strong>der</strong> Stände Bitten<br />

ZU Anklam für neutrat, bereit den Frieden zu vermitteln und suchten hierzu<br />

die Unterstützung von Kaiser und Reich nach. Zifeetoitz aber warb mit<br />

Erledigung des Handels beauftragt.<br />

Dieser hielt eS für das Wichtigste, alles zu thun, um so schnell als<br />

möglich eine Versöhnung <strong>der</strong> Streitenden herbeizuführen. Z u diesem Behuf<br />

veranlaßte er im Juli die schleunigste Absenbung etlicher pommerscher Räthe<br />

mit ausführlich gehaltenen Sendschreiben und eingehenden Verhaltungsmaßregeln<br />

an Erzbischof, Kapitel und Stift in Riga, den Meister und<br />

Orden in Livland, den Bischof von Dorpat, die Herzoge von Preußen und<br />

Mecklenburg, sowie den König von Polen. Auf Zitzewitz'S dringliche Bitte<br />

wurden die Gesandten durch Vermittelung §crjog Albrechts von Preußen<br />

und <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong> Michel und Simon Loytz z u Danzig in großer Eile<br />

mittelst Wagen bis nach Königsberg beför<strong>der</strong>t. 1 ) Während die Räthe<br />

ihrer Mission nachkamen, drang daheim <strong>der</strong> Kanzler in die beiden Fürsten,<br />

eine Verständigung mit Brandenburg und Mecklenburg herbeizuführen, den<br />

Dammgartener Paß zu befestigen und mit Bewaffneten zu besetzen, auch<br />

fleißig an den Grenzen streifen zu lassen. Um die Herren zu energischem<br />

Vorgehen zu bewegen, klärte er sie über die Größe <strong>der</strong> Gefahr auf und<br />

bedeutete ihnen, daß mehr als 30000 Mann an den verschiedenen LandeSgrenzen<br />

waffenbereit und des Angriffs gewärtig feien. 2 ) Anfang August<br />

reifte er nach Stettin, um mit H er ä 0 9 Barnim, dessen Land weit mehr<br />

als <strong>der</strong> Wolgaster Ort gefährdet erschien, zu berathen und auf gute Rüstung<br />

und Einhaltung <strong>der</strong> getroffenen Abreden hinzuwirken. Unverhofft ereilte<br />

ihn daselbst eine Meldung seines Landesherrn, welcher inzwischen auf<br />

Wolde'S und Schwerin'S Rath H e rz°9 HanS Albrecht Von Mecklenburg<br />

bereits die Erlaubniß zu rottenweisem Durchmarsch seiner Truppen nach<br />

Preußen gestattet hatte, da man — ein schmachvolles Geständniß <strong>der</strong><br />

eigenen Ohnmacht wie des SftichtaufraffenwoltenS — denselben doch nicht<br />

habe hin<strong>der</strong>n können. Gleichzeitig erbat <strong>der</strong> Fürst von Z^ewitz heitere<br />

*) Erebitive für Andreas Btumenthal, MattheuS Bone und Johann Wutffen<br />

d. d. (Stettin MontagS am Tage Margarethen (13. Juli) 1556. Wolg. Arch.<br />

Tit. 18. Rr. 8. toi. 19. Am 7. Juli mahnt Zitzewitz in einem beson<strong>der</strong>en Schreiben<br />

ben Meister unb Drben in Livlanb, sowie ben Erzbischof Von Riga zum Frieben.<br />

fol. 20. Die Jnstruktion ber Gefanbten fol. 26 bis 36. DaS Schreiben an Herzog<br />

Albrecht unb bie Loytze fol. 21 u. f. Räch Warschau würbe Abrian Borcke<br />

entfenbet.<br />

2 ) Bericht ZitzetouVS d. d. 20. Juli. Er bemerkt zum (Schluß: „gehet aber<br />

biß bittet t)or sich, \%Q ttrirbt ein Viel beschtnerltcheS ßetnifte her nachfolgen tmb roirbt<br />

SDteckelnborch tmb Pommern baburch eine böse spiH angerichtet".


192 Jacob Von Zitzewitz.<br />

Verhaltungsmaßregeln. 1 ) Diese Botschaft traf den Kanzler unerwartet.<br />

Jn einem ausführlichen Gutachten machte er dem H er zoge kein H e hl daraus,<br />

daß er dessen Entschluß mißbilligte, und erklärte eS für unbedingt geboten,<br />

das weitere Anwerben von Söldnern in Pommern und das Anfatnnteln<br />

<strong>der</strong>selben in Gollnow zu verhin<strong>der</strong>n, die Rittmeister im Lande festzuhalten,<br />

in Mecklenburg nochmals um Verfchouung mit Truppendurchmärfchen ju<br />

bitten, wenn dies aber ohne Erfolg bleibe, den Lauf <strong>der</strong> Knechte über<br />

Stargard durch die Neutnark abzuleiten und die bereits in Stettin, Damm<br />

unb Greifenhagen befindlichen Mannschaften durch starkes Aufgebot und<br />

Streifen zum Abzüge zu zwingen. Dies fei um so nothwendiger, als beS<br />

Herzogs Erlaubniß z u den Truppenburchmärfchen gegen bie jüngst den<br />

Stäuben zn Anktam gegebene Versicherung verstoße unb bie Neutralität<br />

sowie bie Kaiserlichen LanbfriebenSmanbatc burch bie Dulbung weiteren<br />

AnwerbenS verletzt würben. Eingehenb fetzte er betn Fürsten alle Eventualitäten<br />

auSeinanber, welche eintreten könnten, wenn ben Völkern ber Durchmarsch<br />

gestattet ober versagt würbe, zählte bie kriegführenben Fürsten, bie<br />

Namen ihrer Heerführer unb bie Z a hl if)rer Fähnlein auf, fchilberte bie<br />

beseitige Lage im Reiche unb kam zu betn Schlüsse, „daS man bie fchulbige<br />

tljorheit nunmher wie vast alle Lanbt im Reich burchauS gethan, auch<br />

bezalen solle". Für alle Fälle verlangte Z^ewitz theilweife Einmusterung<br />

beS Aufgebots, Bilbung starker Streiffolonnen, um bie Unterthanen gegen<br />

bie Gewaltthätigkeiten ber fremben Sölbner zu schützen unb Vorkehrung<br />

von Maßregeln, um ben Rücklauf ber Knechte burch Pommern möglichst<br />

in verhin<strong>der</strong>n. 2 ) Außerdem kehrte er Anfang August wie<strong>der</strong> nach Wolgaft<br />

Zurück unb veranlaßte, daß <strong>der</strong> Wolgastische Fürst unter Hinweis auf feine<br />

neutrale Stellung als FriedenSVermittter dem H er ä 0 9 e Johann Wilhelm<br />

Von Sachsen den erbetenen Durchzug mit 100 Pferden und 1 Fähnlein<br />

Knechten nach Preußen verweigerte. 3 )<br />

Wenn nun auch <strong>der</strong> Durchmarsch <strong>der</strong> mecklenburgischen Völker durch<br />

des Kanzlers rasches und thatkräftiges Eingreifen einstweilen vereitelt wurde,<br />

war Pommerns Lage doch recht bedenklich. Jn einem neuen, Anfang<br />

September dem Fürsten überreichten Gutachten wies Zi^ewitz darauf hin,<br />

daß eS für das Land gleich schlimm fei, ob in Livland Friede geschloffen<br />

7 ) Schreiben Herzog Philipp'S an Zitzewifc d. d. Wolgaft Sonnabends am<br />

Tage Assumptionis Mariae (15. August) a. a. O. Rr. 9.<br />

2 ) Ausführliches Gutachten d. d. &ttttm 15. August 1556, durch Eilboten<br />

an Herzog Philipp bestellt. Rr. 8. Jn einem an<strong>der</strong>en undatirten Memorandum<br />

bespricht <strong>der</strong> Kanzler bie Beschaffung von Gelbvorrath, Werbung in bei<strong>der</strong> Herren<br />

Län<strong>der</strong>, Schickung Von Gesandten nach Warschau u. f. w. Ferner fein Concept<br />

eines Berichtes an Barnim betreffs Wie<strong>der</strong>kunft <strong>der</strong> Gesandten d. d. Wolgaft<br />

©ambftagS nach Michaelis (3. Oktober) fol. 43. 44.<br />

3 ) Eoncept cttfcettntz'S an „die jungen Herrn zw Sachsen zw Weimar" d. d.<br />

Wolßaft Dienstags nach Bartholömaej (25. August) fol. 45.


Jacob Von Zißeroitz. 193<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Krieg fortgeführt werde, da in jedem Fall eine Ueberfluthung mit<br />

fremden Truppen in Ausficht stünde. Dieselbe könnte ganz unverhofft<br />

eintreten und womöglich von gtx»ei Seiten stattfinden, wenn sich die aus<br />

Preußen abziehenden H e ereSl)aufen mit den in Medienburg lagernden in<br />

Pommern zu vereinigen bestrebten, „vnd stehen alszo bisse lande Jn <strong>der</strong><br />

fhare darin sie Jn vielen Jharen nit gestanden noch gewesen findt".<br />

Zitzewitz'S Rath z ur Abwendung <strong>der</strong> richtig erkannten Gefahr zeugt von<br />

ebenso großer Klugheit als diplomatischem Geschick. Er empfahl, dem<br />

pommerschen Gesandten am H°f e des H er zog3 ö °n Preußen einen kriegserfahrenen<br />

und angesehenen Mann an |bie Seite zu stellen. Dieser sollte<br />

bei <strong>der</strong> Entlassung <strong>der</strong> dortigen Knechte darüber wachen, daß keine Zusammenrottung<br />

<strong>der</strong> Abziehenden stattfände, darauf bebacht fein, wie er „durch<br />

linbere vnvermertfte mittet vnb wege" baS Kriegsvolk zerstreuen könnte,<br />

bevor eS bie Grenze erreichte, ober aber, falls ihm bieS nicht möglich wäre,<br />

burch persönlichen Einfluß und Lift „baS kriegSVolck burch geringe vnkosten,<br />

one geffjar, Jn geheimen vnb vnvermerkt, worrjer eS käme", trennen.<br />

Würben trotzbem unb wiber Erwarten Knechte über Falkenberg nach Pyritz<br />

einbringen, so müßte AlleS aufgeboten werben, um bieselben zu zerstreuen,<br />

bevor sie bort Haufen bilben könnten, nötigenfalls müßte man Gewalt<br />

anwenben unb „leutte vnter sie stecken, bie sie sonsten mit gewantlichen<br />

friegS practiken Jn anfange Von, einanber bringen mochten". Auf alle<br />

Fälle sei eS geboten, burch gute Kunbschafter bie Bewegung sämmtlicher<br />

Truppenkörper unb ihrer Befehlshaber in Preußen, Medienburg, Braunschweig,<br />

Münster unb ttixbtd unausgesetzt scharf beobachten zu lassen, eine<br />

Verstänbigung mit Polen unb mit bem H er zoge von Preußen herbeizuführen,<br />

für genügenbe Ansammlung von Proviant an ben Heerstraßen zu sorgen,<br />

ben Anwohnern z u befehlen, baß sie ben abzieljenben Sölbnern gegen<br />

Entgelb üftarjrung gewährten unb biesetben unbeleibigt ließen, bie armen<br />

Bauern unb Unterthanen aber burch starkes Aufgebot vor jeber Vergewaltigung<br />

zu schützen. ES fei angebracht, baß von ben getroffenen Maßregeln<br />

ben preußischen Heereshaufen vor ihrer Enlafsung Kenntniß gegeben<br />

werbe. 1 )<br />

Jnzwischen nahmen bie FriebenSverhanbtungen ihren F°rtgang unb<br />

verrjinberten ben Ausbruch weiterer Feinbseligkeiten. 2 ) Gleichzeitig befolgte<br />

man auch ferner auf Zitzewitz'S Rath bie Politik ber Vorficht unb Neutralität<br />

ohne freilich trotz ber großen brofjenben Gefahr auch nur im geringsten<br />

*) „Räumliches Bebenden" d. d. Wolgast September 1556. (22 Foltoseiten).<br />

Dasselbe giebt ein sehr klares Bild von Pommerns damaliger %aQt. Auch bieSmal<br />

ist ber Kanzler beson<strong>der</strong>s auf baS Wohl „ber armen Pauern Vnb Vntertljanen" unb<br />

„ber armen leutte" bebacht, baß sie „Jemmerltch nit vorberbt" werben.<br />

2 ) Berichte Herzog Philippe an Markgraf Albrecht d. d. Wolgast 14. Febr.<br />

1557 unb an Barnim d. d. 2. März unb Dienstags nach Reminiscere (16. März)<br />

1557. A. a. D. Rr. 8.<br />

etubicu ft. 3- I. 13


194 Jacob von<br />

bessernde Hand an die gänzlich unzulängliche Wehrvcrfaffung zn legen. 1 )<br />

Durch Vermittelung deS Kaisers kam am 5. September 1557 zu PoSzwelS<br />

<strong>der</strong> Friede zu Stande, welcher Pommern aus seiner gefärjrticheu Lage erlöste. 2 )<br />

Sfticht min<strong>der</strong> beschwerlich gestalteten sich für die Herzoge Barnim und<br />

Philipp die fortgefetzten Reibereien mit dem ehrgeizigen Bischof Martin<br />

und den Eamminer Stiftsständen. 3 ) Letztere hatten die H°ff nun 9 au f<br />

Erlangung <strong>der</strong> ReichSunmittetbarkeit noch immer nicht aufgegeben, wenn<br />

sie sich auch nach dem Znsammenbruch <strong>der</strong> Macht Kart'S V. eines friedlicheren<br />

und unterwürfigeren Wesens gegen die Landesfürsten befleißigten. Diesen<br />

erschien indessen daS Stift noch keineswegs fest gesichert. 4 ) Da starb am<br />

8. Juni 1556 Bischof Martin; nach vielen Anstrengungen und Mühen<br />

bestätigte <strong>der</strong> Kaiser den pommerfchen Herzogen, welch* nun mit allen Kräften<br />

danach strebten, den bischöflichen Stur)! mit einem Mitgtiebe UjreS HaufeS<br />

Zu besetzen, das Patronatsrecht über das Bisthum. Z ur Vermittelung<br />

mit Kapitel und StiftSstänben wurde sowohl von Philipp wie auch Von<br />

Barnim Z%toi£ berufen. DieS war keine leichte Aufgabe, da Von den<br />

Verschiedensten Seiten im entgegengesetzten Sinne im Stift eifrig gewirkt<br />

wurde. Sftach taugwierigen Verhandlungen gelang eS jedoch dem Kanzler,<br />

den ertheilten Auftrag im ganzen Umfange durchzuführen. Am 29. August<br />

1556 wurde deS Wolgaster Herrn ältester Sohn, Prinz Johann Friedrich,<br />

Von Kapitel und Ständen zum Bischof von Eammin poftulirt und, weit<br />

<strong>der</strong>selbe noch min<strong>der</strong>jährig war, an feiner Statt Heinrich von Tormann<br />

Zum Stiftsstatthalter eingefetzt. 5 ) Die Erziehung deS vorgenannten Prinzen<br />

und seiner jüngeren Brü<strong>der</strong> machte übrigens Zifee^ife ^tete Sorge, da dieselbe<br />

bisher in hohem Grade vernachlässigt worden war. Der Kanzler drängte<br />

') ZitzeWitz'S „Praeparatoria" zur Ueckermünbtfchen Zusammenkunft <strong>der</strong><br />

Räthe vom 1. März 1557: „Jn gueter Verfassung fitzen. Von biffem puncte Jft<br />

oft viele geratfchlaget tmb geschloffen, baS Wenigste aber JnS wergk gerichtet Vnb<br />

wirbt nochmalen also gehen". Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 14.<br />

2 ) Zitzewtfe'S Concept über den Woümarschen Receß unb Bericht ber Gesanbten<br />

in Livlanb Mittwoch nach Laurentii (11. August) 1557. Tit. 18. Rr. 9. ©chirrmacher,<br />

Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg, I. 287 u. f.<br />

3 ) Hiervon zeugen bk Verhanblungen betber Höfe unb ber Lanbtage in Tit. 39.<br />

Auch ©aftrow a. Verfch. Ort.<br />

4 ) Zitzewitz'S Begleitbericht ^n Rormann'S Relation über ben ReichSabschieb<br />

an Herzog Philipp d. d. Muttrin DornstagS nach Sabrina (28. Rovember) 1555<br />

unb Rormann'S Bericht an Zitzetmtz d. d. Eammin Sonntags nach Martini<br />

(17. Rovember) Tit. 39. Rr. 14.<br />

5 ) ZitzeWitz'S unbatirter ausführlicher Bericht über feine Thätigkeit zur Waljl<br />

Johann FriebrichS, Vermuthlich Vom Dezember 1556 u. fein Entwurf „Jn beS ©tifteS<br />

fachen" d. d. Vckermunbe 5. März 1557 a. a. O. — Herzoß Philipp'S (Schreiben<br />

an hu Watty d. d. Wolgaft Circumcisionis Dominj (1. Januar), sowie Balfcer<br />

Von Wotbe'S an Eickftebt d. d. Gartz 9. März 1557. Tit. 32. Rr. 74. - Acceffion 213<br />

(rothe II). — Die ©tatthalterftelle war erst Zitzewitz angeboten, aber Von tl>m<br />

ausgeschlagen njorben. Vergl. ©. 199 u. f.


Jacob von Ztßerottz. 195<br />

unablässig, wenigstens den ältesten <strong>der</strong> jungen Herren baldigst auf Universität<br />

zu senden. Er setzte sich dieserljalb schriftlich und mündlich, indem er<br />

Eirfstedt an ihn absandte, mit Philipp Melanchthon in Verbindung und<br />

unterbreitete im Herbst 1556 H er zog Wltyp einen Entwurf, in welchem<br />

<strong>der</strong> Studiengang Johann Friedrich'S, dessen Begleitung und Lebensweife<br />

auf <strong>der</strong> Hochschule ^n Wittenberg bis ins kleinste vorgezeichnet war. Hauptsächlich<br />

aber bat Zifeewitz den H er äog, den Prinzen bald fortzufenben:<br />

„Je vbeler desselben studijS vnd moribuS geraten vnb geljolffen, darumb<br />

vnd auß Vielen warhafftigen vrfachen die Vor Augen vnd vorhanden finbt,<br />

nutz vnd uoetwendig, das f. f. g. gegen Michaelis noch weghkommen".<br />

Seiner Bitte wurde willfahrt und er bald darauf von seinem Landesherrn<br />

gebeten, auch wegen des Studienganges <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Prinzen seinen Ratl)<br />

zu ertheilen uud Vorschläge zu machen. Jn kürzester Frist kam <strong>der</strong> Kanzler<br />

dem durch ein Gutachten nach, welches an Gründlichkeit und Ausführlichkeit<br />

noch das Vorige übertraf, ist doch in demselben sogar die Anzahl <strong>der</strong> mitzunehmenden<br />

Hemden, Betten, Butterbüchsen, Bratfortfen u. bergt, m.<br />

genau verzeichnet, ferner auf bie Küchenzettel <strong>der</strong> Festessen, welche die jungen<br />

Fürsten bei ihrem Einzug in bie ^oi)\ä}nk zu geben verpflichtet waren,<br />

und auf die Tischordnung hierbei Bedacht genommen. Wie<strong>der</strong> aber schloß<br />

Zitzetoitz sein Memorandum mit den Worten: „vnb will E. F- ®- meiner<br />

Pflicht nach . . . erinnert haben, bieselbe wolle ben fachen Jn rechter Zeit<br />

nachbenden vnb wie mit vielem anberen gefchicht, nit aufs bie lange bank<br />

fchauben, ober aufs erinnern ber RI)ete stellen, bau Jch Jn warljeitt mich<br />

besorge, baS solche auffchube vnb vorzügliche Hanbetungen vnb baS alles<br />

aufs anbere leutte bie binge geschoben werben mochten, E. F- ®- enbtlich<br />

allerley vngelcgenheiten bringen." 1 )<br />

Um biefe Zeit war bereits beS Kanzlers verpflichtete Amtszeit abgelaufen.<br />

Aus ber vorgegangenen Schifberung läßt sich ermessen, wie<br />

groß bie Arbeitslast war, bie auf seinen Schultern ruhte; sie war so<br />

gewaltig, baß er ferner bie Geschäfte nicht mehr grünblich erlebigen konnte<br />

unb binnen kürzester Frist seine Gefunbrjeit aufreiben mußte. Sehr richtig<br />

bemerkt Spähn in seiner pommerschen VerfassungS- unb Wirtschaftsgeschichte:<br />

„Der Kanzler war ber geplagteste Beamte in allen politischen Angelegenheiten.<br />

Sein Amt umfaßte bie Summe aller Geschäfte. Unter Hinzuziehung<br />

beS HofmarfchallS, H°fmeisterS unb LanbrentmeisterS sollte er bie Rechenschaftsberichte<br />

unb Gerichtsfitzungen vorbereiten, bie Einlaufe unb Referate<br />

über bie einzelnen Sitzungen vertheilen und bie Parteien befcheiben, wofür<br />

ihm selten mcf)r als vier bis fünf Stunben Zeit gegönnt würben; ben<br />

Sitzungen selbst sollte er in Vertretung beS H er Z°9^ präfibiren. Die Aus-<br />

»} Bohlen'fche (Sammlung SRr. 117. Dieses Aktenstück giebt über den Gang<br />

unb bie Art ber Erziehung ber Prinzen, auf welche beS Kanzlers Einfluß Von<br />

größter Bebeutung war, bis zu Herzog Phtüpp'S Tobe genaueste Auskunft.<br />

13*


196 Jacob von<br />

fertigung, Registrirung und Expedition <strong>der</strong> Antworten und Urtheile hatte<br />

er ju überwachen und die Räthe bet <strong>der</strong> Arbeit und vom Trunke ju halten.<br />

Vorzüglich sollte er die ganzen politischen Geschäfte rechtzeitig erlebigen,<br />

wichtigere Gesandschaften möglichst selbst übernehmen und die Verhandlungen<br />

mit ben Ständen führen." Dazu kam <strong>der</strong> Uebelstanb, baß ber<br />

Herjog keine feste Residenz ty*% son<strong>der</strong>n im Lande umherjog, waS den<br />

Geschäftsgang erschwerte und die Arbeit wesentlich erhöhte. Die dem Kanzler<br />

jur Seite stehenden Hiff^räfte waren außerordentlich gering, da er höchstens<br />

über ztoei bis vier Sekretäre verfügte, welche noch daju gleich den Räthen<br />

die meiste Zeit in Aufträgen außer Landes weilten. Vergeblich erbat<br />

Zitzewitz oft und inständigst die Abstellung dieses Mangels, indem er dem<br />

Herzoge berichtete, „das sich die fjendel fjeuffen vnd mannichfaltig vorfallen<br />

vnd wetnig hnlffe, dieselben %tv ejpebiren, vorhanden" und darauf hinwies,<br />

daß dadurch viel „verfeumnuß, schaden vnd nachteil entstehen" könnte.<br />

Schließlich sah er sich gezwungen, dem Fürsten > offen ju erklären, daß er<br />

unter den obwaltenden Umständen jede Verantwortung ablehnen müsse für<br />

Fehler, welche aus nicht ordnungsmäßiger o<strong>der</strong> nicht rechtzeitiger Erledigung<br />

<strong>der</strong> Sachen Verflössen, 1 ) dies um so mehr, als ihm auch noch Dinge zugeschoben<br />

würden, welche gar nicht feines Amtes wären.<br />

Abgesehen hiervon wurde ihm feine Stellung aber noch durch an<strong>der</strong>e<br />

Umstände unerträglich gemacht. Durch feine scharfe Stellungnahme in <strong>der</strong><br />

inneren Politik und Verwaltung z u Gunsten <strong>der</strong> ärmeren Bevölkerung<br />

und <strong>der</strong> Bauern, wie deS GefammtwohleS, ohne Rückficht darauf, ob dadurch<br />

unberechtigte Fe<strong>der</strong>ungen einzelner Stände beeinträchtigt wurden, durch<br />

feine unermüdliche Thätigkeit und uneigennützige Pflichttreue, endlich durch<br />

feine Strenge gegen die herzoglichen Räthe und Beamten, die Saftrow<br />

nicht mit Unrecht „faule Patres" nannte, 2 ) hatte Z^ewitz sich den ganzen<br />

Groll <strong>der</strong> H°fräthe zugezogen und in einen schroffen Gegensatz zu dem<br />

einflußreichen Wolgaster Adel gefetzt, welcher mehr auf seine persönlichen<br />

Vortheile als die des Staates bedacht war. Auch die Belchnungen mit<br />

Besitzungen seiner Angehörigen konnte <strong>der</strong> letztere dem Kanzler nicht verseihen.<br />

So war eS denn die natürliche F°l9 e , baß sich die verdrossenen<br />

Räthe mit den dem Kanzler abgünstig gesinnten Geschlechtern <strong>der</strong> Koller,<br />

Dwstin, Maltzan, Krackewitz u. a. m. zu vereinter Thätigkeit gegen den<br />

mißliebigen Berather il)reS Fürsten Verbanden.<br />

Lei<strong>der</strong> fand Z^ewitz bei dem Herzoge nicht die gebührende rückhaltlose<br />

Stütze. Durch Krankheit und manchen Mißerfolg verbittert und vergrämt,<br />

2 ) Zitzewitz'S Bericht an Herzog Philipp & d- Wolgaft DornftagS nach<br />

Jo^anniS (25. Juni) 1556. Tit. 32 Rr. 74. ©eine Klage über Ueberbürbung<br />

und Verwahrung gegen daraus entstehende Folgen wie<strong>der</strong>holen sich fast in jedem<br />

Bericht. Vergl. Anlagen.<br />

2 ) ©aftrow II. 619. ©pahn ©. 71 u. f.


Jacob Von Z^roitz. 197<br />

war auch diesem Zifeewitz'S Offenheit, mit welcher er ihn unablässig zur<br />

Erfüllung seiner H en: fcherpflichten anzuspornen suchte, oft recht unbequem.<br />

Wohl erkannte Philipp den Werth und Nutzen beS treuen Dieners und<br />

ließ ihn trotz aller Anfeindungen nicht fallen, aber ein beson<strong>der</strong>es persönliches<br />

Wohlwollen scheint er für benselben kaum gehegt $u haben. Hierfür sprechen<br />

besonberS bie kühle Berjanblung, welche er ihm auf feine vielfachen berechtigten<br />

Klagen ju Theil werben ließ unb bie kurz angebunbene Verweigerung leicht<br />

erfüllbarer, von Zifeewitz im bienstlichen Jnteresse gestellter Gesuche. 1 )<br />

Verschärft warb bie Lage für biesen burch einen Prozeß, welchen bie<br />

Gebrüber Roioff unb Kone von Owstin ju Duilow unb Büntzow wegen<br />

beS Gutes Vitense gegen ihn angestrengt hatten. 2 ) Letzteres, ein V. Horn'fches<br />

Lehen, war mit EonfenS beS Eamminer DomprobsteS, bem es unterstanb/)<br />

von HanS Owstin erkauft unb nach seinem Tobe an seine vorgenannten<br />

Vettern vererbt worden. Diese hatten versäumt, rechtzeitig ihrer Lehnspflicht<br />

bei bem beseitigen Probst, Graf Lubwig von Eberftein, nachzukommen,<br />

weshalb berselbe Vitense für eröffnet erklärte unb eS Zifeewitz verlieh,<br />

welchem er nahe befreunbet unb wegen vielfacher ^>ilfe in seinen Gelbnöthen<br />

stark verpflichtet war. Hiergegen protestirten bie Owstin unb strengten<br />

einen Prozeß an, welcher fast zwanzig Jahre anbauerte, weite Kreise beS<br />

Wolgastischen Abels in Mitleibenschaft zog unb Zifeewitz in ber Folge ben<br />

bittersten H a ß seines Günstlings Valentin Von Eidstebt'S unb Ulrich von<br />

Schwerin'S gebar. 4 )<br />

Jn welcher Weife bereits um jene Zeit gegen ben geplagten Kanzler<br />

von feinen Gegnern gearbeitet würbe, erhellt am besten aus bem vorerwähnten<br />

Schreiben, welches Zitewitz im Dezember 1556 an feinen Fürsten richtete.<br />

Bitter klagt er barin, baß man ihm „teglich Je (and Je mefjer mit<br />

feischlichen vorunglimpffen one vnterlaß nachtrachte" unb baß bieS sogar<br />

von Leuten geschehe, ju benen er fichs „billig tut folte zuuorfefjen haben".<br />

Mit herzbeweglichen Worten bat er ben Fürsten, ben Verläumbungen seiner<br />

Feinbe keinen Glauben zu schenken, „ba Je baruon JchteS an ihn" gelange,<br />

fonbern „zu bobenden, worfjer folichs herfleußt". S. F- ®- möchten ihm<br />

auch ferner Glauben schenken unb ungehört „sich ju keinem vorbacht ober<br />

1 ) ©o würben feine Bitten um Ueberlaffung ber Schreiber anberer Rathe<br />

auf kurze Zeit zur Erlebigung besonberS wichtiger Sachen, um Urlaub u. a. vom<br />

Herzog oljne Begrünbung, meist kurzer Hanb zurückgewiesen. Wola,. Arch. Tit. 32<br />

5Rr. 74. 2) Diese prozefftrten bereits gegen ben Herzog wegen ber Verleihung beS<br />

Gutes Dtofttn an Zitzeroitz, Vergl. ©. 178. Saftroro III. 76. Auf fein Anrecht<br />

auf Droftin hatte Zitzennfc Von Ulrich Von Schwerin 400 fl. entliehen. Hanbfchr. II.<br />

Rr. 11. fol. lll v -<br />

3 ) Vitense, Kr. GreifStoalb, gehörte ber Probftei bereits 1321. Kiempin,<br />

Dipl. Beitr. ©. 360.<br />

4 ) ©aftroto III. 66 u. f.


198 Jacob Von<br />

mißtrauwen bewegen lassen". Wenn aber ber H er äog bennoch jemals ein<br />

solches gegen ihn fassen sollte, so möchte er ihn nid)t gleich in Ungnabe<br />

fallen, fonbern ihm burch bie Räthe bavon vermelben lassen. Dann Wollte<br />

er sich schon rechtfertigen „vnb vormittelst gobtlicher hülfe bermasfen baran<br />

Vorhalten, baS S. F- ®- darahn gefallen tragen sollen". Unb bei einer<br />

anberen Gelegenheit, wo er bem Fürsten feine große Ueberbürbung bargelegt<br />

hatte, bemerkte er: „bau alles zugleich außjuwarten vnb aufs mich 31t laben,<br />

bamit thue Jch nit merjer, alß baS Jch meine tljorheit vnb vnvermugen<br />

an ben tag gebe, ben vorbacht auch, bamit Jch beschutbigt werbe, baS Jch<br />

alles alleine außrichten vnb Jn allen ortten wartten will vnb boch baS<br />

geringste vnb weinigste bazw thue ober eypebire, sunber viele barum schreibe,<br />

barburch bestetige vnb größer mache". 1 )<br />

Den H a ß deS Wolgaster Abels charakterifirt am besten bie länger<br />

als ein Jahrzehnt immer unb vielfach wieberkeljrenbe uub am schärfsten<br />

betonte Klage Qi&toty'ä, baß eS ihm unmöglich falle, im Wolgaster Ort<br />

ein Gut zu erwerben, ba „baS gluck vnb bie leutte Jn ben allem wiberstrebet",<br />

baß er auch feine H°ffnung habe, bieS je zu erreichen, weil er<br />

empfinbe, „baS man ahn allen orten, wor haken anfchlahn sintert vnb<br />

bennoch bieselben gueter, bo (ihm) nit gegurit, anbern, auch woll außerhalb<br />

(beS) Geschlechts, vorkaufft vnb zugestellt" würben. 2 ) So verlangten z« B.<br />

bie Nachkommen beS seligen NtclaS Von Klemptzen, welcher ebenfalls in<br />

Folge feiner treuen Dienste am H°f e Philippe gänzlich verarmt war, für<br />

baS Gut Klitzkenborf 3000 Gulben, obgleich biefeS kaum bie Hälfte werth War.<br />

Gcrabezu bejammernSWerth hatten sich Zifeewitz'S wirthfchaftliche Verhältnisse<br />

inzwischen gestaltet, so baß er mit Redjt befürchten bürste,<br />

Klemptzen'S Vorerwähntes Schicksal zu theilen. Es ist heute schier unverstänblich,<br />

waS bamals einem hohen Beamten in Pommern zugemutet<br />

würbe, welcher bie ungettige Eigenschaft befaß, Pflichttreue über Eigennutz<br />

ZU stellen. Schon bei feiner zweiten Bestallung 1552 hatte ber Kanzler<br />

barauf hingewiesen, welche Nachtheile ihm burch seine ersten sechs Dienstjahre<br />

erwachsen waren unb sich nur wiberwillig zur Weiterführung beS<br />

Amtes brängen lassen, nachbetn ihm ber H er äog Ersatz für bie bisherigen<br />

Verluste unb Belohnung für seine künftigen Dienste zugesichert hatte.<br />

AIS aber mit bem Enbe beS Jahres 1556 Zifcewitz'S verpflichtete Amtszeit<br />

bem Enbe nahte, war ihm von allen Versprechungen so gut tvk nichts<br />

erfüllt worben. Keines ber verliehenen Güter war thatsächlich in feinen<br />

Besitz gelangt; um Owstin unb Lafsan prozefsirte ber H er ä°9 noch immer<br />

*) Veröl Anl. 2. Punkt 3 „bissen Hoff belangend*".<br />

2 ) (Schreiben Z^etuitz'S an den Herzog d. d. Wolgaft DornftagS nach JoljanniS<br />

(25. Juni) 1556. — Mit $itd)t lag Zitzetoitz am Besitz eines Le^nguteS, weil er<br />

ohne ein solches ein armer, je<strong>der</strong> Willkür preisgegebener Mann war; eben deshalb<br />

aber arbeitete ber Wolgafter Abel feinem ©treben entgegen.


Jacob Von Zitzetoitz. 199<br />

mit den Owftin und Koller vor dem Reichskammergericht, von dem<br />

in absehbarer Zeit eine Entscheidung anscheinend nicht zu erwarten stand,<br />

und für Klitzkendorf verlangten die Besitzer eine absichtlich übertriebene<br />

Summe, mithin behielt <strong>der</strong> Fürst die nur für diesen Z^eck ausgeworfenen<br />

2000 Gulden klüglich zurück. Ferner blieb <strong>der</strong>selbe, mit <strong>der</strong> Z a ^nng <strong>der</strong><br />

cuSbedungenen Geldsummen im Rückstände und <strong>der</strong> Ersatz <strong>der</strong> für die im<br />

fürstlichen Dienste bis 1552 gemachten Auslagen war z^ar seiner Zeit<br />

angeordnet, aber thatsächlich bis 1556 noch nicht erfolgt. Bei den Kosten,<br />

welche daS fortwährende Umt)erreisen verursachte, mußte <strong>der</strong> Kanzler eben*<br />

falls vielfach aus eigenen Mitteln zusetzen, ohne daß ihm dafür eine Rü<strong>der</strong>stattung<br />

zu Theil geworden wäre. Auch war ihm bereits feit Jahren<br />

kein Urlaub auf feine Güter bewilligt worden, obgleich er sich dies auSdrüdlich<br />

bei seiner ersten und zweiten Anstellung ausbedungen hatte. Jn<br />

Folge dessen war <strong>der</strong> Ertrag seiner Erbgüter stetig und erheblich zurückgegangen<br />

uub hatte allein für die Jahre 1555 und 1556 nachweislich<br />

einen Schaden von 2000 Gulden verursacht. 1 )<br />

Unter solchen Umständen war eS dem Kanzler wahrlich nicht zu<br />

verdenken, wenn er nunmehr ernstlich darauf bedacht war, nach Ablauf<br />

feiner Dienstzeit, selbst mit Verlust aller ihm verschriebenen Angefälle aus<br />

dem Dienste Herzog Philipp'S in scheiden, um die Verwaltung feiner hinterpommerschen<br />

Lehen zu übernehmen und wenigstens diese sich und seiner<br />

Familie z u erhalten. Mit <strong>der</strong> Begründung, daß <strong>der</strong> H°fdienst ihn und<br />

die Seinen erbloS und zu Bettlern mache, for<strong>der</strong>te er vom Fürsten schleunigste<br />

Entlassung aus seinem Amte, begegnete aber mit feiner Bitte kühler Verweigerung.<br />

Kurz verwies ihn <strong>der</strong> H er zog, daß eS feine beschworene Pflicht<br />

sei, zeitlebens im Wolgafter Ort und Dienst, wenn auch nicht als Kanzler,<br />

so doch als Hauptmann o<strong>der</strong> Rath öon H au S aus zu bleiben. 2 )<br />

Auf Zifeewitz'S weiteres Drängen verfiel <strong>der</strong> Herzog auf einen Mittelweg,<br />

indem er dem Kanzler, als dieser im Dezember 1556 gerade auf<br />

dem Kreistage in Lüneburg weilte, die erledigte Statthalterstelle im Stift<br />

Eammin anbieten ließ. 3 ) ^ach längerem Besinnen und mehrfacher Mahnung<br />

um Bescheid sandte dieser daraufhin dem Fürsten einen äußerst umfangreichen<br />

Bericht, in welchem er, <strong>der</strong> gewiegte Kenner <strong>der</strong> argen Verhältnisse<br />

im BiSthum, das anscheinend lockende Amt ausschlug o<strong>der</strong> doch nur gegen<br />

die Verbürgte Bewilligung von elf scharf präcisirten Bedingungen annehmen<br />

ZU können erklärte. Dieselben fanden aber deshalb keineswegs den Beifall<br />

des Herzogs, weil Zifeewitz sich ausdrücklich vorbehielt, als Stiftsstatthalter<br />

in den mannigfachen Streitigkeiten <strong>der</strong> Fürsten mit den StiftSstänben<br />

*) (Schreiben Zifeewitz'S an ben Herzog d. d. Muttrin Freitag nach Ascensionis<br />

Domini (28. Mai) 1557 a. a. O.<br />

2 ) Entscheidung Philippe d. d. WoiQaft am Dsterabenb (17. April) 1557.<br />

3 ) Vergl. ©. 194. Anm. 5.


200 Jacob von<br />

einerseits, sowie an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> LanbeSrjerrn untereinan<strong>der</strong>, ol)tte Rücksicht<br />

auf die Wünsche <strong>der</strong> Letzteren, nur nach Eid und Pflicht und auf Grund<br />

<strong>der</strong> Erbverträge zu entscheiden. So gerechtfertigt auch des Kanzlers For<strong>der</strong>ung,<br />

welche von seiner Rechtfchaffenheit und Gewissenhaftigkeit sowie Von klugem<br />

Vorbedacht Z eu gniß ablegt, war, so durchkreuzte er doch gerade dadurch<br />

die Absicht beS Landesherrn, sich in dem treuen Diener eine willfährige<br />

Person und einen beson<strong>der</strong>en Einfluß auf das Stift ^n sichern. Z^e*^<br />

diesbezüglicher Bericht ist übrigens das Musterguts einer klaren Schil<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> damaligen höchst verwirrten Zustände im BiSthum Eammin und für<br />

die Geschichte desselben von beträchtlichem Werth; hier näher auf das<br />

voluminö)e Schriftstück einzugehen, würde zu weit führen. 1 )<br />

Jn demselben erneuerte <strong>der</strong> Kanzler gleichzeitig seine inständigen<br />

Bitten um Entlassung aus dem herzoglichen Dienst unter Wie<strong>der</strong>holung<br />

feiner früheren Klagen und bemerkt dabei, daß viele gute 2mk in und<br />

außerhalb Landes feine Verdienste anerkennten und möchten dieselben gleich<br />

Von etlichen Leuten — dies ging auf feine Feinds und bei<strong>der</strong> — verachtet<br />

werden, That und Werke bezeugten, daß er Alles, was er wohl z u feinem<br />

Vortheil hätte an sich bringen können, ^n S. F- ®- besten gewendet und<br />

behandelt, darüber daS Seine vernachlässigt und mit vielen Sachen und<br />

Händeln, Schleiffen und Reifen über und wie<strong>der</strong> die in seinen Bestallungen<br />

ihm bescheidnen Vertröstungen, unbeschwert und gutwillig, sich <strong>der</strong>maßen<br />

habe beladen, überhäufen und gebrauchen lassen, daß Gott <strong>der</strong> Allmächtige<br />

wisse, waS er noch zur Zeit feines fangen und schweren Dienstes, Auf-<br />

Wendens unb Verfäumniß genossen habe, dessen er sich auf fein Alter o<strong>der</strong><br />

fein Weib unb feine Ktnber nach seinem Absterben zu erfreuen haben möchten.<br />

Auf erneute Mahnung Zifeewitz'S erwog H er Z°9 WliW, bezeichnend<br />

für feinen Charakter und fein Verhältniß zum Kanzler, mit den Räthen,<br />

wie man ben Letzteren ^n weiterem Verbleiben im Wolgastifchen Dienste<br />

zwingen könne, falls er auf feinem Willen beharre, unb befragte ben auf<br />

bem Kreistage in Z er &ft befinbltchen Dr. vom Wölbe, ob es in diesem<br />

Falle angebracht fei, bem Kanzler „alles fgo jm nicht alleyn ber vergangenen,<br />

fonbern kunfftigen Dienste halben zugewanbt" folgen zu lassen, üftoch ehe<br />

jeboch ber Rath Wolbe'S, welcher von jeber schroffen Entfcheibung bringlich<br />

abrteth unb zur Güte mahnte, ben H er ä°9 erreichte, hatte biefer bereits<br />

Zitzewitz mitgetheilt, baß von einer gänzlichen Entlassung in beffen Heimath<br />

nicht bie Rebe fein könne, weil er seiner Bestallung nach gar kein Redjt<br />

Zu biefer Forberung habe unb sowohl F ur ft wie Lanb an feinem „beywohnen<br />

nicht wenig gelegen" fei. 2 )<br />

J ) Vergl Anl. 5.<br />

3 ) DeS Herzogs Schreiben an Wölbe d. d. Wolgast ©ambstagS nach Misericordias<br />

Domini (8. Mai), dessen Antwort d. d. Brandenburg Freitags nach Jubilate<br />

(14. Mai) unb deS Herzogs Entscheid d. d. Wolgaft Sonnabends nach Cantate<br />

(22. Mai) 1557. Tit. 32. 9?r. 74.


Jacob Von Z^tzerottz. 201<br />

Sftun riß aber dem taugmütfjigen Manne die Geduld. Jn einem<br />

umfangreichen und in ungewohnt scharfem Tone gehaltenen Schreiben<br />

bebeutete er dem herzoglichen Rathskollegium, daß er sich wohl mit Recht<br />

nach seinen langen, treuen und uneigennützigen Diensten einer gnädigeren<br />

Antwort hätte getrösten dürfen. Bitter find seine eingehend begründeten<br />

Vorwürfe, die darin gipfeln, daß die Summe seines Schadens erheblich<br />

größer sei als die Summe alles dessen, was ihm vom Fürsten während<br />

fetner ganzen Amtszeit zugewendet worden, so daß er dadurch fast an den<br />

Bettelstab gekommen fei und eS besser gewesen wäre, wenn er fein lebelang<br />

nicht studirt, noch seinem Leib und Leben, auch Güte so wehe gethan hätte,<br />

als es in feines gnädigen H er rn Diensten geschehen wäre. Wie<strong>der</strong>hott<br />

wies er darauf hin, daß ihm seit Jahren kein Urlaub bewilligt, auch daS<br />

ausdrückliche Verfprecheu, ihn mit weiten Reisen zu verschonen, nimmer<br />

gehalten worden: „DaS Jch das auch alle meiner vngelegenheit vngeachtet<br />

vmmer vor vnb vor habe fort vnd die meinen offt in großem elende vnd<br />

trübfal vorlassen mueffen, darüber beide, meine, auch meines weibeS mutter vor<br />

Jrer Zeit den todt genommen Jch auch das Meine nicht gewarten können".<br />

Die Verpflichtung, das Hauptmannsamt zu Wolgast annehmen o<strong>der</strong> im<br />

Wolgaster Lande, auch ohne Amt, als Rath D °n HanS aus bleiben und<br />

wohnen ^n müssen, erkannte Z^^ife nicht an, nicht bloß deshalb, weil<br />

man ihm keine Versprechung gehalten und er noch immer ohne jedes<br />

Anwesen sei, sonbern auch, weil btc Worte in seiner Bestallung, auf welche<br />

man sich berufe, bamalS ganz anberS gebeutet worben, als eS jetzt bem<br />

Herzoge beliebe, wo er burch Spitzfinbigkeit unb Wortklauberei gezwungen<br />

werben solle, „ju feiner vngelegenheit mit schaben, fchimpff vnb nachtl)eil<br />

ju dienen". 1 ) Bevor er sich aber ganz i nm SBctttcr machen lasse, wolle<br />

er daS, was ihm „vorschrieben S. F- ®- lieber abtretten vnd die gentzliche<br />

abläge feiner gethanen Dienste |: barmit er auch beffalS in gnaben abkommen<br />

muge :| z^ S. F- ®- *>nb etor (b. h- ber Räthe) ermeffung ganz stellen".<br />

Zum Schluß verwahrte sich ber Kanzler lebhaft gegen zwei Auslassungen<br />

feines Herrn, welche ben treuen Mann ersichtlich tief verletzt hatten. Der<br />

Fürst hatte nämlich in seiner Entfcheibung bemerkt, baß er Z^ewitz keinesfalls<br />

soviel zugeweubet haben würbe, wenn sich biefer nicht als Diener auf<br />

Lebenszeit verpflichtet hätte, unb auch darauf hingewiesen, daß eine Entlassung<br />

schon deshalb nicht angängig fei, weil <strong>der</strong>selbe um zu viel Staatsgeheimnisse<br />

wisse. Sfticht mit Unrecht las ber Kanzler in biefen sehr gesuchten Vorwänben<br />

ben Vorwurf ber Unbankbarkeit unb beS herzoglichen Mißtrauens.<br />

Jn fast übertriebener Befcheibenljeit erwiberte er barauf, baß er für zehn<br />

Jahre nicht mehr als 2000 Gulben erlangt habe, wäljrenb boch Vielen<br />

Anberen, welche mit weniger schwerem Amte belaben, auch nicht soviel<br />

*) Z^ewitz beutete „Rath Von HauS auS" auf Muttrin, fein Erbl)auS und<br />

©tammlehen, ba er ja im Wolgastifchen keine „Wohnung", b. h- Leljen befaß.


202 Jacob Von Zi<br />

Reisen, Unkosten und Arbeit gehabt hätten, in kurzer Zeit ungleich mehr<br />

zugewendet worden sei. UebrigenS gte^e er dies keineswegs mit Bebacht<br />

an, weil es bei S. g. H-, auch bei einem jeden Herrn überhaupt stünde, was<br />

J. F- ®- einem vor dem An<strong>der</strong>en juwenben ober wie sie eines Jeden<br />

Dienste, Aufwenden unb Versäumnisse achten wollten; nur beShalb gebenke<br />

er beffen, weil S. G. H- des Eingangs erwähne, baß er ein MehrereS,<br />

als er etwa selbst hätte forbern bürfen, bekommen hätte. Die jwette Ausführung<br />

feines Herrn wies Zi£ elI % unter Bejugnahme auf gleiche Vorgänge<br />

mit Jost von Dewitz unb Battzer vom Wölbe, welchen <strong>der</strong> H er Sog bei<br />

ihrem Abgange berartigeS nicht zugetraut hatte, mit ben Worten jurmf:<br />

ffben beS Jenigen halben, was mir von Geheumnuffen vortrauet worben,<br />

barin will Jch mich wills Gott meines geschuorenen eibeS wissen zuuorhalten,<br />

wan Jch gleich Jn ber turdey ober tartarey were". Am Schlüsse seines<br />

Schreibens versicherte Z^ewitz betn Herzoge, baß er nie mehr erstrebt noch<br />

erbeten habe, als ju seiner unb seiner Familie Unterhalt nöthig gewesen sei,<br />

baß er bis jum Tobe, feiner Pflicht unb Schulbigkeit nach, von Muttrin<br />

aus bem H e rz°9 e ein treuer Diener unb Rath fein wolle unb schloß mit<br />

ben jtoar wenig hoffnungsvollen, aber feinen tief religiösen Sinn scharf<br />

kennzeichneten Worten: „Jm vljal! aber ber Almechtige eS Ja bermaffen<br />

Vorfehen rjette, baS Jch nu Jn vniuerfiteten vnb fchueren rjoffbiensten vast<br />

yyjiiij Jhaer mit großer muhe, arbeit vnb vnkosten .... also meine<br />

Jugent vnb b^tt Zeit, solte zugebracht haben, vnb beS allen mich nit zu<br />

erfrouen funber fzampt ben Meinen meher zw bekümmern haben soll, Szo<br />

mueß Jch solches dem lieben Gott befehelen, ber tjngezueiffelt mich nicht<br />

verlassen wirbt, funber Jn anbere wege erhalten, vnb will beßfallS auf<br />

M. g. h • • • • Wolgefallen .... was S. F- ®« öormeint baS mir<br />

Vorgemclten wegen einer ober ben anbern, enbtlich vnb schließlich erHeren<br />

.... aufrieben fein". 1 )<br />

Trotz biefer beuttichen Antwort ließ H er ä°9 *?3E)tttpp nichts befto<br />

weniger bie nächsten Monate unausgesetzt weiter burch feine Räthe auf<br />

Zitzewitz einbringen, balb mit Versprechungen, balb mit Drohungen, ohne<br />

benfelbcn inbeffen in seinem Entschluß wankenb ju machen. Dieser erklärte<br />

vielmehr nochmals auSbrmflich, gegen bie Erlaubniß ber Dienstentlassung<br />

auf alle seine bisherigen Vertreibungen verzichten ^n wollen, inbem er<br />

wahrhaft prophetisch bemerkte, baß ihm ber H°fdienst fein Leben verkürze,<br />

ihn auch in großes Unglück unb enbtichen Verberb führen werbe. 2 )<br />

Jnzwifchen verweilte ber Kanzler in Muttrin, welches er mit ben<br />

üftebengütern TOppoglenfe, Kottow u. a. enbtich von feinen Brübern gegen<br />

Zahlung einer größeren Summe übernommen hatte, unb erbaute sich bort<br />

*) Schreiben Vom 28. Mai. Tit. 32. Rr. 74.<br />

2 ) (Schreiben vom 12. August.


Jacob von Sifcetoifc. 203<br />

ein neues festes Schloß. 1 ) Mit Hinweis darauf, baß feit vorigem Michaelis<br />

feine Dienstzeit bereits abgelaufen fei und er hiervon lange vorher Mittheilung<br />

gemacht habe, verweigerte er ben Besuch beS Tages zu Prenzlau, erklärte<br />

auch nicht eher nach Wolgast zurückzukehren, als bis er feine so lange Vernachlässigten<br />

Geschäfte grünblich geregelt unb ben HanSbau zu Muttrin<br />

Volienbet habe. Dann aber müsse er erst zn seinem Lehnsherrn H er Zog<br />

Barnim nach Stettin reifen, um sich mit biefem in einer Angelegenheit<br />

ZU besprechen, welche feine Ehre unb Glimpf beträfen. Thatsächlich führte<br />

Zifeewitz auch seinen Entschluß auS. H er Z°9 Barnim erwies sich ihm beson<strong>der</strong>s<br />

gnäbig unb verlieh if)m jurn Zeilen fetner Gunst bie Anwartschaft auf<br />

baS Schulzengericht zu Stettin, welches bis barjin Lutke unb Peter v. Wuffow<br />

erblich inne hatten. 2 )<br />

Mitte August kehrte ber Kanzler wieber an ben Wolgaster Hof zurück.<br />

Dort gelang eS bem persönlichen Einfluß beS H er ä°8^ nnb wohl auch ber<br />

Zuspräche beS Zttzetoitz eng befreundeten Dr. Baltzer'S vom Wölbe, if)n<br />

bennoch z u weiterem-Verbleib zu bewegen. Am 13. unb 14. August fanben<br />

im Wolgaster Schlosse lange Berathungen unter beS H er Z09^ Vorsitz statt,<br />

in welchen Z%witz als Grunbbebingung Sicherstellung feiner sämmtlichen<br />

Forberungeu beanspruchte. Am 15. erhielt er sobann seine letzte Bestallung,<br />

wonach er Zeit seines Lebens H e rä°9 Wtyty nnb bessert Nachkommen<br />

Zu Wolgast als ein Lehnsmann, Rath unb fonsten Verwanbt sein unb<br />

bleiben, auch ohne Urlaub baS H er Z°9thnm nicht verlassen wolle. Das<br />

Kanzleramt trat er Michaelis an Valentin Von Eufstebt ab unb erhielt<br />

bafür auf halbjährige gegenseitige Künbigung baS Amt Wolgast unter ben<br />

üblichen Bebinguugcn. Außerbem versprach ber H er 3O9, den Werth beS<br />

Vorwerkes vor Laffan in zwei Terminen mit viertaufenb Gulben zu erlegen,<br />

bamit sich Zi&ewitz für biefeS Gelb, wenn vorberegteS Lehen bem Fürsten<br />

vom Kammergericht abgesprochen würbe, ein anbereS Gut kaufen könne.<br />

Ebenso würbe ihm bie Annahme von Geschenken unb Pensionen auswärtiger<br />

Fürsten ausnahmsweise gestattet, unter ber Voraussetzung, baß er bavon<br />

vorher bem LanbeSherrn Mittheilung machen würbe. 3 ) Mit allen Kräften<br />

verwenbete sich ber H er ä°9 jetzt sowohl bei ben Koller wie bei bem<br />

Kammergericht bafür, baß ber Streit wegen beS Vorwerkes auSgetrageu<br />

würbe unb belehnte, ba ihm gerabe bamals bie Entrichtung ber Viertaufenb<br />

Gulben schwer fiel, Zifee^ auf beffen Bitte bafür mit z^ei Bauernhöfen<br />

unb brei Katen nebst sechs Landhufen in Pentin unb ließ ihn am<br />

*) Schreiben Zitzewitz'S Vom 5. August. Die Ruinen desselben, insbeson<strong>der</strong>e<br />

bie KeHergetoölbe, find heute noch Vorfanden.<br />

2 ) Zitzetoifc'S Schreiben d. d. Eolberg aljm Abenbt Johannis Baptiste<br />

(23. Juni). — Die Verleihung beS Herzogs Barnim erfolgte d. d. RugenWolbe<br />

28. Juli 1558.


204 Jacob Von<br />

20. September feierlich durch EraSmuS H u sen in den Besitz des Gutes<br />

einweisen. 1 ) Dabei stellte eS <strong>der</strong> Fürst Zife en) ife frei, letzteres gegen das<br />

Vorwerk Vor Laffan umzutauschen, sobald ihm dasselbe zugesprochen werden<br />

würde.<br />

HI. $i%ttoi% f s ^Ijäfigfteif als Haff* bon laus aus<br />

Bis jur (Ernennung jum Hauptmann bon Stettin unö<br />

oßerjlen Batfj Het^og lofjann ITrieöridj's, fotoie feine<br />

Beteiligung Beim EBfdjluß öes $tettinet?<br />

(1557-1570.)<br />

Sftach langem Ringen war Qtyttvty'ä sehnlichster Wunsch endlich erfüllt.<br />

Seine rüdständigen Geldfor<strong>der</strong>ungen waren eingelöst, ein schönes Gut fein<br />

eigen geworben und die Last <strong>der</strong> Geschäfte sowie die drückende Verantwortung<br />

Von chm genommen. Gerade, als er feine Amtshauptmannschaft antrat,<br />

brannte daS Jahrhun<strong>der</strong>te alte Wolgaster H er 3ogSfchloß infolge <strong>der</strong> Unvorsichtigkeit<br />

eines Brauknechtes bis auf die Fundamente nie<strong>der</strong>. 2 ) Jtjm lag<br />

eS ob, den Neubau auszuführen, die Beschaffung <strong>der</strong> Badsteine, beS<br />

Kupfers, Kalkes u. f. w, auch geeignete Maurer und Handwerker zu besorgen.<br />

So war er bie nächste Zeit als Bauleiter, als Lanbwirth unb Rechenmeister<br />

in bem arg verlotterten Amte Wolgast thätig. 3 ) Freilich konnte er<br />

sich biefer Beschäftigung nicht ungestört hingeben, ba er in allen wichtigen<br />

Regierungsangelegenheiten nach wie vor zu Rathe gezogen unb gelegentlich<br />

auch zu ben Zusammenkünften ber Räthe beiber Fürstentümer unb ju<br />

ben Lanbtagen entfenbet würbe. JnSbefonbere blieb eS ihm, Graf Eberstein<br />

unb bem StiftSftatthalter Henning vom Wölbe überlassen, auch ferner bie<br />

Unterl)anblungen mit ben Fürsten uub Stäuben behufs Ausgleichs ber<br />

zwischen biefen wegen üftichtbestätigung ber Privilegien schwebenben Streitig*<br />

keiten fortzuführen. Bereits 1556 hatten biefelben auf bem Stettiner<br />

Lanbtage bie Angelegenheit öffentlich mit ben Stänben besprochen unb<br />

seitbem mehrfach ben Parteien Vergleichsentwürfe vorgelegt, auch einen<br />

*) Schreiben Herzog Philipp'S an ElauS und Balfcer Koller d. d. Wolgast<br />

at)tn Abend Bartliolomäi (23. August) 1557. — Die Belebung fand statt d. d.<br />

Eamp 9. Juli 1558, bk Einweisung warb anbefohlen d. d. Mützelburg 16. Septbr.,<br />

über beren Vollzug berichtet Hufen am 20. September. — Wegen beS UeberemkommenS<br />

betreffs Annahme Von Pentin anstatt 4000 fl. Zifeewitz'S unbatirteS Schreiben, tooljl<br />

Vom Juli 1557.<br />

2 ) Bohten'fche Samml. Rr. 156.<br />

3 ) Zitzewitz's Berichte d. d. Wolgaft 13. 17. September u. f. 1558, worin<br />

er genaue Angaben über Bau, Arferwirthfchaft, Jnventuraufnahme u. f. w. macht.<br />

WolQ. Arch. Tit. 32. Rr. 74.


Jacob von 3ifcettrife. 205<br />

ausgedehnten Briefwechsel mit den H er ä 0 9en und dem Ausschuß gepflogen,<br />

ohne indeß zu einem Ziele zu gelangen, da bis jetzt ihre Vorschläge theils<br />

am Bedenken <strong>der</strong> Landesherren, theils aus an<strong>der</strong>en Ursachen, gescheitert<br />

waren. 1 ) Auch nahmen die langwierigen Verhandlungen, welche Z^ewitz<br />

im Auftrage H er zog Philippe wegen <strong>der</strong> streitigen Bollreuffen und <strong>der</strong><br />

Verstrickung Berndt SchlassenS mit <strong>der</strong> Stadt Stralfund sichren mußte,<br />

feine Zeit sehr in Anspruch. Pfingsten 1558 reiste er in Begleitung<br />

Joachim V. Mottzan'S, JaSpar V. Krakewitz'S und Valentin V. Eicfstedt'S<br />

mit umfangreichen Jnstruktionen dorthin ab, ohne daß eS ihm und seinen<br />

Mitunterhändlern in mehrmonatlicher Thätigkeit gelingen wollte, den<br />

Zwist beizulegen o<strong>der</strong> die stolze Stadt jur Nachgiebigkeit ju bewegen. 2 )<br />

Ferner diente er dem Herzoge als Vermittler des Schriftwechsels mit<br />

Wilhelm v. Grumbach und bet den Verhandlungen, welche die Verheiratung<br />

<strong>der</strong> Prinzessinnen nöthig machten. 3 )<br />

Als Kaiser Ferdinand zu Anfang des Jahres 1559 die pommerfchen<br />

Fürsten znm Reichstage nach Augsburg erfor<strong>der</strong>te, damit sie ihre Lehen<br />

von ihm empfingen, schickten dieselben Eickstedt, Antonius von Zife eiü %<br />

den Grafen Eberstein und Jacob von 3^ cix> rfe als ihre Bevollmächtigten<br />

dorthin ab. 4 ) Während die beiden ersteren schon <strong>der</strong> Eröffnung beS Reichstages<br />

beiwohnten und für ihre Landesherren den LerjnSeid schwuren, trafen<br />

Eberftein und Jacob von Z%witz erst gegen Ende des Monats über<br />

Leipzig in Augsburg ein. Jhnen war beson<strong>der</strong>s aufgetragen, eine Lin<strong>der</strong>ung<br />

ber empfindlich drückenden Türkensteuer herbeizuführen und zu Gunsten<br />

deS armen, vom Kriege zerfleischten LivlandS gegen die moskowitische<br />

Tyrannei bei Kaiser und Reich ju wirken. Jn dem zur Berathung biefer<br />

Sache eigens gebildeten ReichSauSschuß überreichte Zife eil) ife dem Eoabjutor<br />

von Riga, H er ä°9 H a nS Albrecht von Mecklenburg, ein umfangreiches<br />

*) 1556 Donnerstags nach Lätare (19. März) überreichte auf bem Lanb=<br />

tage zu Stettin bie Ritterschaft ben Unterhänblern ihre Beschwerben. 1557 über=<br />

gaben Zttzettritz unb Wölbe zu Stettin FreitagS nach Judica (9. April) ben<br />

Herzogen ein Verzeichniß ber Privilegien unb erhielten darauf Resolution. 1558<br />

1. Dezember überreicht Zitzewitz bem Lanbtage einen neuen Entwurf über bie Jungfrauen=<br />

unb Felbklöfter^Orbnung. Borjlen'fche Sammlung -Rr. 111.<br />

2 ) ©aftrow II. 91 u. f. ^k Jnftruktion, bie sehr ausführlichen Verhanblung><br />

Protokolle unb Berichte Zitzewitz'S an ben Herzog d. d. ©tralfunb 2., 5. unb 19. Juli 1558<br />

Boljlen'fche ©ammlung unnummerirt unter „©tralsunb".<br />

3 ) ©o fungirte er auch im Rovember 1558 als LehnSrichter im Moltzan'fchen<br />

Prozeß, Wohnte 1558 bem Treptower Tage bei, würbe zur Otto Von WebePfchen<br />

Hanblung entfenbet u. f. w. — Bezüglich seines Schriftwechsels mit Grumbach<br />

verßl. Zitzetüitz'S Bericht an Herzog Philipp d. d. Rugenwolbe 6. September.<br />

Bohl. ©amml. Rr. 156.<br />

4 ) Beschlossen zu Wotßaft 23. Oftober 1558 unb zu Reuen^Eamp die<br />

Circumcisionis domini (1. Januar) 1559. ©tett. Arch. P. I. Tit. 2. Vol. 1.<br />

9ft. 38 Verb, mit Tit. 18.


206 Jacob von Zt<br />

„Bedenken in <strong>der</strong> Liffenbischen Sache" und woljnte den weiteren Beratfjungeu<br />

deS Ausschusses als Vertreter Pommerns bei. Jn feinem ausführlichen<br />

Gutachten kommt Zi*i e toifc ä u dem Schlüsse, baß nur Einigkeit <strong>der</strong> Livlän<strong>der</strong><br />

untereinan<strong>der</strong>, völlige Sfteugeburt des verrotteten Ordens, Zusammengehen<br />

des Reiches mit Preußen, Polen und Dänemark nach vorher genau vereinbartem<br />

plane dem gequälten Lande ju helfen vermöchten; denn „Liffland><br />

Vnd <strong>der</strong>selben . . . Srtz V. stifften durch daS Reich allein fruchtbarlich nit<br />

kan o<strong>der</strong> mag Jn dieser l)oh e n noedt get)olffen, Viele weiniger kunfftiger<br />

Zeitt daruor beschützet vnd erhalten werden vnb waS disfatis die stende<br />

alle o<strong>der</strong> eins teils anwenden, damit thuen sie nichts als das sie sich<br />

erfchcpfen, des Reichs vnmacht ahn den ortten zurjelffen ahn den tagk geben<br />

Vnd den feindt Jn seinem vorhaben beherzigt inachen, vmmer weiter . . .<br />

fortzufaren". 1 )<br />

Zifeewitz'S Anwesenheit in Augsburg währte mehrere Monate, so daß<br />

er erst im Sommer nach Wolgast zurückkehrte. Er benutzte übrigens die<br />

Gelegenheit, um burch persönlichen Einfluß am Reichskammergericht ju<br />

Speyer eine endgültige Entscheidung wegen ber Kötler'schen Güter herbeizuführen,<br />

welche benn auch batb zu Gunsten beS H er 5°9^ erfolgte. Kurz<br />

nach seiner Rückkunft überwies ihm ber Fürst baS Vorwerk vor Laffan, ju<br />

welchem auch bie Güter Papenborf unb Pulow gehörten, als erbliches Lehen<br />

jur Gesammthanb mit seinen Brübern unb nahm bafür Pentin wieber<br />

jurücf. 2 ) Jnzwischen war wärjrenb Zifeewitz'S Abwesenheit ber Neubau<br />

beS Schlosses burch EraSmuS H u f en rüstig geförbert worben. S^och im<br />

Laufe beS Jat)reS warb berselbe soweit vollenbet, baß ber Hauptmann jur<br />

Einbeckuug unb inneren Einrichtung schreiten konnte, woju er mit vielen<br />

Unkosten unb Mühen von auswärts Hanbwerker verschreiben mußte. 3 )<br />

Jnbeß war aber seine Sust am Wotgaster Amt erlahmt; eS lag it)m baran,<br />

baS in schwerer Arbeit erworbene neue Anwesen, welches sich in wenig<br />

gutem Z u ftanbe befand, durch eigene Bewirtschaftung ju för<strong>der</strong>n und in<br />

die n^e zn bringen. Auch waren bie beseitigen RegierungSverhältniffe<br />

nicht bagu angethan, ihm Freube z u machen; offen schrieb er Eiesstebt in<br />

Betreff verfchiebener Vorgänge, baß eS „zerstücfte, unbestenbige hanblungen<br />

! ) „Jacob Eitzewttzen bobentfen Jn den Lislenbifchen fachen Ao 59". Wolg.<br />

Arch. Tit. 18. 9h. 15. fol. 16 u. f. ^it Vertraulichen Berathungen beS ReichsauSfchusfeS<br />

fanden im Mai statt.


Jacob von 3ifeetm6. 207<br />

sinbt, <strong>der</strong>o Jch fcißanhero nit gewonen bin t>nb . . . soll mich . . . bisse<br />

Regierung vnd an<strong>der</strong>es, die sun<strong>der</strong>lichen h er ren dienste leith machen!"<br />

Welcher Schlendrian in <strong>der</strong> Verwaltung wie<strong>der</strong> eingerissen war, erhellt<br />

aus feiner Bitte in demselben Briefe, Eidstebt möge einen Gefangenen des<br />

Wolgaster Amtes bald verhören lassen, „damit ehr dem Wolgastischen<br />

Brauche nach, nit Ein Jahr sitzen pleibt". So kündigte er denn im<br />

Dezember 1559 die Hauptmannschaft und bat, ihn Ostern 1560 aus<br />

<strong>der</strong>selben zu entlassen. 1 )<br />

Qn Beginn dieses JarjreS war nach Stettin ein gemeinsamer Landtag<br />

bei<strong>der</strong> Herzogtümer einberufen, auf welchem eine Anzahl hochwichtiger<br />

Dinge, insbeson<strong>der</strong>e die endliche Beilegung des Zwistes z^rif^en den Fürsten<br />

und Ständen <strong>der</strong> Privilegien wegen, zur Erledigung standen. Dem<br />

Gebrauche nach traten vorher bie Räche bei<strong>der</strong> Höfe zusammen, um bie<br />

bezüglichen Vorlagen burchzuberatrjen unb bereu Wortlaut festzustellen.<br />

Hierzu würbe von Herzog Philipp Zifeewitz abgeordnet; Mitte Dezember<br />

reiste <strong>der</strong>selbe nach Stettin ab. Dort fand er wun<strong>der</strong>liche Zustände vor.<br />

Die Räthe stellten sich garnicht o<strong>der</strong> unpünktlich ein, insbeson<strong>der</strong>e blieb<br />

<strong>der</strong> Stiftsstatthalter, sein Mitunterhändler in <strong>der</strong> Privilegienfache, ohne<br />

welchen eine Berathung unmöglich war, unter haltlosen Vorwänden fort,<br />

weil er bie bevorstehenden heftigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen scheute. Ungehalten<br />

berichtete Zife eiX) ife an Eidstebt, eS sähe mit ber Stettiner Regierung zur<br />

Zeit etwas seltsam aus, ohne H e rz°9 Barnims persönliches Drängen<br />

würbe überhaupt nichts zu Staube gebracht werben. Die Vermittlerrolle,<br />

welche ihm nunmehr allein zugeschoben war, erwies sich als eine ebenso<br />

heikle, wie unbankbare Aufgabe. DieS unb bie Wilbheit ber Verhandlungen<br />

erhellt deutlich aus seinem Bericht an den Wolgastifchen Kanzler: „Dan<br />

Jch vormerke szouiel, baS wir alle fampt ahn keinem ortte baue! vorbieuen<br />

vnd man auch fein (nämlich Henning Vom WoldeS) Vnb vnfere abfjanbetung<br />

allenthalben nicht gebende guet fein zulassen. Wan auch <strong>der</strong> fachen bereits<br />

vor meiner ankunfft nicht gewehret worden, Mochte es feltzam gnug ergangen<br />

fein, doch JS eS got lob biß bafjero vorplieben vnb wirb baS enbe vielleicht<br />

besser werben, Wiewotl wir eins theils woll eins gleit vnb pantzerS<br />

beborfften, das mugen wir von Gott erbitten vnb wo ehr (ber Stiftsstatthalter)<br />

herkumpt magk ehr auch eins mitbringen z^ <strong>der</strong> vorsterjenben<br />

hanbelung ber Amptleute". Die Aufforberung seines LanbeSherrn, z u<br />

Anfang Januar ben Tag in Prenzlau zu besuchen, lehnte Z^ewitz mit<br />

ber näher begrünbeten Entschuldigung ab, baß er „aus biffer Eseleien"<br />

ohne Schaben für seinen Ort nicht abkommen könnte und fügte den Stoß*<br />

seufzer hinzu: „Wolte Got Jch were fampt ben Meinen nur von Jnen<br />

*) Zifeewitz'S (Schreiben an Eicfstebt d. d. (Stettin 12. unb 19. Dezember 1559.<br />

2BO1Q. Arch. Tit. 32. Rr. 74.


208 Jacob Von Zi<br />

Sie muegenS ban vieler an<strong>der</strong>n machen, das eS guet werbe." 1 ) Lange<br />

Zogen sich die Verhandlungen auf dem <strong>der</strong> Vorberathung am 29. Januar<br />

folgenden Landtage hin, z u welchem von Wolgast zu Zifeewitz'S Unterstützung<br />

noch Valentin von Eickstedt und Jürgen von Usedom entsendet worden<br />

waren. Erst am 10. Februar wurde <strong>der</strong>selbe geschlossen; sein Hauptergebniß<br />

war die seit Herzog BogiSlav X. unterbliebene Bestätigung <strong>der</strong> alten<br />

Privilegien von Prälaten, Herren, Ritterschaft und Städten durch fcie<br />

Herzoge Barnim und Philipp nach dem von Eberstein, Wölbe und Z^ewitz<br />

entworfenen Vertrage, waS endlich eine Aussöhnung <strong>der</strong> Fürsten mit ihren<br />

Ständen znr F°l9 e fyatte, aber auch gleichzeitig die Macht beS Abels auf<br />

ungeahnte Weife kräftigte unb hob. 2 )<br />

Als Zifeewitz von Stettin nach Wolgast zurückkehrte, fanb er seinen<br />

Herrn tobtkrank vor; wenige Tage später, am 14. Februar, erlag H er Z°9<br />

Philipp seinen langen qualvollen Leiben. Z um ersten Male trat ber<br />

Umschwung ber Verhältnisse hier schroff in Erscheinung. Der treueste<br />

unb klügste Diener beS sterbenben Herrschers würbe ängstlich von biefem<br />

fern gehalten unb mußte trauernb abseits stehen, als letzterer im Sterbe-<br />

Zimmer, von Aleyanber von Eicfftebt, ben beiben Küffow'S unb H u fen<br />

umgeben, Valentin von Eirfstebt sein Testament biktirte. Sftachbem bieS<br />

vollenbet war, überbrachte ber Kanzler baS Dokument ber Gemahlin beS<br />

Sterbenben, in bereu Gegenwart es Zifeewitz unterzeichnete. Dann kefjrte<br />

Eidstedt wie<strong>der</strong> allein zum Fürsten zurück, ber balb barnach seinen Geist<br />

aushauchte. Vier Tage später fanb bie feierliche Beisetzung beS Verblichenen<br />

statt, bessert Sarg Ulrich Von Schwerin, Jafpar von Krakewitz, Dr. Baltzer<br />

vom Wölbe, Jacob von Zifeewitz unb etliche anbere befonberS angesehene<br />

Ebelleute zur Gruft trugen. 3 )<br />

Von nun ab würbe Z'feewitz völlig zur Seite geschoben, weil in<br />

Wolgaft feine Gegner zur alleinigen unb unbeschränkten Herrfchaft gelangten.<br />

Gleich nach beS Herzogs Tobe würbe bie Herzogin-Wittwe von bem RattjSkollegtum,<br />

welches auf feine bestimmte Person schließen mochte, um Einsetzung<br />

eines Regenten bis zur Münbigkeit ber jungen Prinzen gebeten. Aus<br />

freiem Willen wählte biefelbe hierzu ben bisherigen H°fmarfchall Ulrich<br />

*) Berichte Zifcewitz'S an Stckstebt über bie Vorverhandlungen vom 12., 19.,<br />

29., 30. Dezember u. f. a. o. O.<br />

2 ) Beschlüsse beS Landtages Wolg, Arch. Tit. 39. Rr. 11. 18. fol. 32. -<br />

Däljuert'S Samml. I. Rr. 3. 4. 7. KreyftQ, Diplomatarium II. 317. — lieber die<br />

Folgen beS Landtages Bartholb IV 2 . ©. 360 bis 364. Spähn @. 133 u. f. Ueber<br />

ben Gang ber Verhandlungen in <strong>der</strong> PrimlegtenSache, bie Jnstruktion Eickstebt'S<br />

und Ufebom'S d. d. Wolgaft 13. Januar 1560 Boljlen'fche ©amml. 5Rr. 111.<br />

3 ) Die genaue (Schil<strong>der</strong>ung ber Vorgänge bei dem Tobe Herzog pin'Iipp'S<br />

(Zktt Arch. P. I Tit. 50. Rr. 4. — Schwerin wofntte ben letzten Stunden Herzog<br />

Philipp'S, vermuthlich weil er selbst krank war, nicht bei. — Ueber beS Herzogs<br />

Beerdigung Vergl Bohlen, Personalien und Leichenproceffionen, ©. 1 bis 38.


Jacob Von Zifeewitz. 209<br />

Von Schwerin, welchem <strong>der</strong> Titel eines Großhofmeisters Verliehen und in<br />

Eickstedt, den beiden Küfsow'S, Wolde, H u f etl , ä^olfean und fünf an<strong>der</strong>en<br />

Personen aus <strong>der</strong> Ritterschaft ein ständiger RegentfchaftSratfj zur Seite<br />

gefetzt wurde. 1 ) We<strong>der</strong> bei deu Vorausgehenden Verhandlungen noch in<br />

<strong>der</strong> umfangreichen Urkunde, in welcher die H er ä°9in und ihre unmündigen<br />

©ö()ne den fürstlichen Vormün<strong>der</strong>n, H er ä 0 9 Barnim von Stettin, H er zo9<br />

Johann Friedrich dem Mittleren von Sachsen und Fürst Wulf von Anhalt,<br />

unter dem 18. März üon <strong>der</strong> Bestallung <strong>der</strong> Regierung Kenntniß gaben,<br />

wurde Zifeewitz'S mit irgend einem Worte gedacht.<br />

Dies erregte jedoch den lebhaftesten Unwillen <strong>der</strong> vorgenannten Fürsten,<br />

und kennzeichnend für die Wahl <strong>der</strong> Personen find ifjre bezüglichen Antworten.<br />

Herzog Barnim spendete zwar Schwerin als einem sonst braven Manne<br />

alles Lob, meinte aber, <strong>der</strong>selbe sei ziemlich betagten Alters, auch am Leibe<br />

nicht sehr stark und Von Vermögen und „in Reichs vnd gerichtlichen<br />

handlungcn nicht erfaren vnd mit feinen eigenen fachen vnd<br />

Ijaußhaltung nicht weinig bemuhet". Deshalb halte er es nicht<br />

allein für rathsam, fon<strong>der</strong>n für unbedingt nötfjig, „das gedachtem Ulrich<br />

Schwerin JhemandtS <strong>der</strong> in Rechten gerichts handlungen, auch in <strong>der</strong><br />

regierunge hoff und rjaußhaltung gelebet, zugeordnet, aufs das, wen Jhr<br />

einer (d. l). die Prinzen) mit letbeS fchwachrjeitt beladen, nicht zu h°f e<br />

weret . . . dennoch die fachen durch den an<strong>der</strong>n mochten ejpebiret vnd<br />

vorrichtet demgleichen auch Jn Reichs vnb gerichtshandeln, nachbarlichen<br />

Jrrungen vnd sonst Jn allem an<strong>der</strong>n so furfallen möcht, . . . vnb wenn<br />

Jhre Lieb den <strong>der</strong> meinung auch weren, wußten wir keinen tuglicheren,<br />

alß den Hauptmann aufs Wolgast Jacob Z^itzen zuzuordnen", da <strong>der</strong>selbe<br />

in allen Regierungssachen genau befcheid wisse, auch in vielen Jahren<br />

wohl erprobt sei „vnd son<strong>der</strong>lich auch vnsern fruntlichen lieben<br />

Jungen Vettern für anberen zu <strong>der</strong> erziehung vnd den Studien<br />

rathlich sein kann". 2 ) Drastisch war H er zog Johann Friedrichs von<br />

Sachsen Antwort; wohl mit beson<strong>der</strong>em Bezug auf Eicfstedt, Zifeewitz 7 S<br />

ehemaligeu SekretariuS und Günstling, schrieb <strong>der</strong> Fürst: „DieweitI eS sich<br />

oft begiebt vnd z^tregt, baS Junge vnerfahrene leuttfje, die da erst aus<br />

<strong>der</strong> schulen hersagen, sich vn<strong>der</strong>steen, althe geübte vnd erfarnhe Leuth<br />

wegk zu fchupssen vnd sich an Jre stat vnb son<strong>der</strong>lich ann bie höchste<br />

Aempter zu bringen, will bie notturfft erforbern, berselben furnemen nit<br />

rhaum noch stat zu geben". Jm Weiteren bemerkt er, baß er nur einen<br />

*) lieber bie Wahl unb Eonftitution <strong>der</strong> Regentschaft: Wolg. Arch. Tit. 39.<br />

9ir. 19. — Die Meldung herüber an bie fürstlichen Vormün<strong>der</strong> d. d. Wolgaft<br />

18. März. Xit Bestätigung durch die Stände erfolgte zu Wolgast am 9. Juni,<br />

©tett. Arch. P. I. Tit. 50. SRr. 4.<br />

2 ) Herzog Barnims Schreiben an die Prinzen d. d. Stettin 9. April 1560<br />

a. a. O.<br />

©tubten 91. fr i. 14


210 Jacob Von Zi<br />

kenne, <strong>der</strong> sich zum Regenten und auch zum Erzieher <strong>der</strong> Prinzen eigene,<br />

nämlich ifjreS Herrn Vaters alten Kanzler und Rath $acob DOn Zitzetoitz.<br />

Diesem allein müßten Sämmtliche Beamten, <strong>der</strong> Kanzler mit eingeschlossen,<br />

unterstellt werben, damit sie in alle dem, was er Von wegen unb mit<br />

Bewilligung <strong>der</strong> jungen gnädigen Herren befehle, ohne Weiteres gehorsam<br />

wären. UebrigenS gelangte dieses Schreiben auf Zifeewitz'S inständige Bitte<br />

niemals in die Hände <strong>der</strong> Prinzen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Regentschaft. 1 ) F ur ft Wulf<br />

Von Anhalt endlich verweigerte kurzweg die Annahme <strong>der</strong> Vormundschaft.<br />

Die fürstliche Charakteristik bei<strong>der</strong>, nun znr mehrjährigen Herrschaft<br />

über Wolgast berufener Männer trifft thatsächlich den Nagel auf den Kopf.<br />

Eüfstedt, für sein rjorjeS Amt verhältnißmäßig jung und unerfahren,<br />

war Vor kaum mehr als zehn Jahren noch eine so geringe mißachtete<br />

Persönlichkeit, daß die Schreiber <strong>der</strong> Wolgastifchen Kanzlei ihm nicht gestatten<br />

wollten, an ihrem Tische mitzuefsen. Zifeewitz'S Protektion und Bemühungen,<br />

welcher den nur mäßig begabten Jüngling in die VerwaltungSgefchäfte<br />

einführte, ihn bann stubiren unb reisen ließ, später seine Beförberung zum<br />

Rentmetster burchsetzte unb ihn enblich zu seinem Nachfolger im Kanzleramt<br />

vorschlug, verbankte Eidstebt allein ben Erfolg feiner Laufbahn. 2 )<br />

Schwerin hingegen, z^ar außerhalb Pommerns Grenzen gänzlich<br />

unbekannt, war seit Jahrzehnten unstreitig bie angesehenste Persönlichkeit<br />

im Herzogtum Wolgaft unb ber Führer ber bortigen Ritterschaft. Er<br />

war ein alter, lebenserfahrener Mann von praktischem Blick unb unbeugsamer,<br />

rücksichtsloser Entschlossenheit, fcrupelloS in ber Durchführung feiner<br />

Pläne. Leiber würben aber biese für einen Staatsmann beS bamaligen<br />

Pommerns unschätzbaren Vorzüge baburch wesentlich beeinträchtigt, baß<br />

feine Jugenberziehung vernachlässigt, fein Gesichtskreis beschränkt war<br />

unb ihm jegliche AuSbttbung in RegierungSgefchäften mangelte. Jm<br />

Gegensatz zn Z^ewitz, welcher aus übergroßer Gewissenhaftigkeit allzu<br />

ängstlich vermieb, eigene Vortheile zn erstreben unb ben Rechten irgenb<br />

eines StanbeS ober einer Person z u nahe zu treten, wußte Schwerin<br />

überall seinen eigenen Nutzen, oft sehr nachbrüdlich, zn wahren und<br />

den <strong>der</strong> Ritterschaft allem an<strong>der</strong>en, in feinen politischen Bestrebungen<br />

sogar dem Gefammtwoht beS ganzen Staatswefens, vorzusetzen. 3 ) Erst<br />

*) Dasselbe ist ohne Ort* unb Zeitangabe unb trägt auf ber Rückfeite Von<br />

Hand den Vermerk: „weil tnirS Vom Graffen vertrautet worden, fyaht<br />

Jch erbeten, baffelbige nit zuuor anbtworten, noch beS zu ßebencken Vnb Jft mir<br />

folgenbts aufs mein bitten gegeben". A. a. O. — d. d. Mittwochs nach<br />

Quasimodogeniti (24. April) 1560 lehnte ber Herzog unter Verschiedenen Vorwänben<br />

bie Annahme ber angebotenen Vormundschaft ab. Bofylen'fche Samml. Rr. 117.118.<br />

2 ) ©aftrow II. 5. 6.<br />

3 ) Schwerin hatte nicht ftubirt, konnte auch kein lateinisch, ©aftrow III. 677.<br />

DaS Schreiben fiel ihm ungemein Sauer, wie auS ben in unglaublicher Orthographie,<br />

kaum lesbar hingekritzelten Briefen, Von benen nur verhältnißmäßig wenige bei ben


Jacob von Zitzetottz. 211<br />

nach Eingang des Schreibens von H er zog Barnim ward die Wotgaster<br />

Regierung darauf bedacht, Zife elt) ife in die Regentschaft zu wählen und<br />

Schwerin beizuordnen. 1 ) Mag nun denselben auch das Völlige Uebergehen<br />

feiner Person einigermaßen gekränkt und geschmerzt haben, so war er dennoch<br />

ersichtlich froh, fld) endlich mit guter Gelegenheit gänzlich Vom H°fdienste<br />

Zurückziehen zn können. Trotz inständiger Bitten <strong>der</strong> Räthe und scharfer<br />

Befehle <strong>der</strong> jugendlichen Fürsten, hinter welche sich erstere steckten, bestand er<br />

auf feiner Entlassung, zog auch am 1. Juli 1560 vom Amte ab und verweigerte<br />

kurzweg die Annahme <strong>der</strong> dargebotenen Ratf)Sstelte in <strong>der</strong> Regentschaft.<br />

Bei H er zog Barnim fanden jetzt die Klagen seiner unmündigen Neffen<br />

über Zitzewi^S Wi<strong>der</strong>setzlichkeit keinen Anklang mehr, im Gegentheil riet!)<br />

<strong>der</strong> alte Fürst zur Nachgiebigkeit gegen den treueu Diener ihres Vaters,<br />

<strong>der</strong> wohl schon ehehafte Gründe zu seinem Handeln haben müsse, und<br />

erklärte, daß er nichts fände, wodurch <strong>der</strong>selbe gegen seine verpflichtete<br />

Bestallung verstoße. 2 ) Daraufhin wurde Z^ewitz am 18. August von<br />

feiner Eigenschaft als Amtshauptmann und H°frath entbunden, mit <strong>der</strong><br />

Verwarnung, ohne Urlaub das Wolgaster Land nicht zu verlassen und<br />

als Lanbratt) und Lehnsmann je<strong>der</strong>zeit des Rufes gewärtig zu fein. 3 ) Jn<br />

dieser Eigenschaft versuchte man ihn bann allerbingS weiblich auszunutzen.<br />

So würbe er im Herbst befselben JahreS als Vertreter ber jungen Prinzen<br />

Zum Stettiner Lanbtage entfenbet unb bort mit allerhanb Aufträgeu überhäuft.<br />

Es warb ihm zunächst auferlegt, an ber Hanb des jüngst erlassenen<br />

ReichSmünzmanbatS bis zum Dezember eine pommerfche Münzorbnung<br />

Zu verfassen, bamit noch vor Estomihi auf bem alten Eolbatzischen AbtSl)ofe<br />

ZU Stettin eine Münze errichtet unb Gelb geprägt werben könnte, wobei<br />

er gleichzeitig auf brei Jahre znm Verwalter ber Münze ernannt unb<br />

Akten find, erhellt. WOIQ. Arch. Tit. 39 unb Tit. 11. ©tett. Arch. P. I. Tit. 73.<br />

Rr. 33u. a. anb. O. Größere Berichte ober Gutachten finb Von ihm überhaupt<br />

nicht vorhanben. — Auf welche Weife er auf feinen persönlichen Rutzen bebacht war,<br />

bafür bietet ber Vorgang, wie er als Großhofmeifter bie Rothlage ber jungen Herzoge<br />

auszunutzen wußte, um bie gewünschte AngefäHSüerfchreibunö auf bie Linbftebtfchen<br />

©üter zu erzwingen, ein braftifcheS Beispiel. Wolg. Arch. Tit. 39. Verßl. auch<br />

Anl. 6. Ueber bie Art, rote (Schwerin ReöierungSbefchlüffe praktisch burchführte, vergl.<br />

©tavenhagen, Geschichte ber ©tabt Anklam, ©. 254. § 8, über feine Eigen*<br />

tnächtigkeit Wolß. Arch. Tit. 39. Rr. 24. (Klage ber ©tabt Anklam von Ostern<br />

1563 2c.) — ©paljn'S Urtheil ©. 147 kann beS^alb nicht beigepflichtet Werben.<br />

*) UnbabirteS ReQterunöSproQramm Eickftebt'S, vermuthlich Vom April ober<br />

2JJat 1560. P. I. Tit. 50. Rr. 4.<br />

2 ) Zitzetoitz'S Gesuch um Entlassung an Herzog Barnim d. d. Wolgast<br />

15. Juni, Bericht ber Wolgaster Prinzen an benfelben d. d. 24. Juli unb dessen<br />

Brief an feine Reffen d. d. ©tettin 22. Juni unb Eolbatz 31. Juli. WOIQ. Arch.<br />

Tit. 32. Rr. 74.<br />

3 ) d. d. Wolgast 18. August. - Auf biesen klugen AuSWeg hatte ber alte<br />

Herzog, feine Reffen Verwiesen.<br />

14*


212 Jacob Von ZitzeWttz.<br />

ihm hierin als Betrath <strong>der</strong> Stiftsstatthalter Heinrich von Tormann und<br />

Dr. Gentzkow zur Seite gestellt wurden. Ferner sollte er mit diesen den<br />

1559 auf <strong>der</strong> Greifswal<strong>der</strong> Synode vorgelegten Entwurf einer neuen<br />

Kirchenorbnung revibiren, welcher, in wesentlichen Punkten von den Theologen<br />

abgeän<strong>der</strong>t, nicht den Beifall deS Ausschusses gefunden hatte. Endlich überwies<br />

man Zifeewitz die nochmalige Prüfung und Durchficht <strong>der</strong> von ihm<br />

bereits 1556 mundirten Polizeiorbnung und <strong>der</strong> ebenfalls von ihm vollendeten<br />

Gerichtsordnung, welche wegen Mangel an Z e it bisher noch nicht vom<br />

großen Ausschuß burchberatljen worden waren, damit beide bis zum nächsten<br />

Landtage von den Kanzlern geprüft und den Ständen znr Annahme vorgelegt<br />

werden könnten. Außerdem ward er zum Visitator deS Amtes<br />

Rügenwalde ernannt. 1 )<br />

Anscheinend hat sich Zifeewitz mit <strong>der</strong> Erledigung <strong>der</strong> üjm wi<strong>der</strong><br />

seinen Willen aufgezwungenen Gesetzesarbeiten nicht übereilt, son<strong>der</strong>n die<br />

nächsten Jahre, etwa bis 1563, in verhältnißmäßig beschaulicher Ruhe auf<br />

feinem Gute zum Vorwerk verlebt. Er zog sich von allen StaatSgefchäften<br />

Zurück, besuchte, obgleich stets von neuem dazu geladen, we<strong>der</strong> die Sitzungen<br />

<strong>der</strong> Regentschaft noch die Zusammenkünfte <strong>der</strong> Räthe ober die Landtage und<br />

lehnte beharrlich alle zugedachten auswärtigen politischen Missionen unter<br />

den verschiedensten Vorwänben ab. Selbst wenn er von ben jungen Herren<br />

jeweils um Rath angegangen wurde, ton^tt er dem geschickt auszuweichen;<br />

so antwortete er den Fürsten, als ihn dieselben im August 1561 ersuchten,<br />

ihnen fein „wotmeintich Ratljlich bobenden fchrifftlich zu eröffnen", ob eS<br />

gerathener fei, beut Kanzler gelegentlich Willfahrung <strong>der</strong> gebetenen Anticipation<br />

bie Ablage mit Gütern ober Gelbe zu thun, baß ihm barüber eine<br />

Entfchetbung zur Zeit unmöglich falle unb begrünbete bteS mit ben Worten:<br />

„Szo kau Jch boch in Jtziger eins Teils E. F- ®- Jugenb Vnb vororbenter<br />

Regierung bey mir nicht erachten, wie mir gebueren ober anstehen wolte,<br />

anberen benen baS Ampt ber Regierung obliegt, f)tr Jn vorzugreiffen". 2 )<br />

UebrigenS Werben bie bamaligen Wolgafttfchen Machthaber, beren politische<br />

Ansichten von benen Z^ewitz'S so sehr abwichen, biefem über feine Zurück*<br />

gezogenhett wohl auch kaum ernstlich gezürnt haben.<br />

Eine Aenberung trat erst gegen Enbe beS JaljreS 1563 ein,<br />

als sich die politische Lage Pommerns wesentlich ^n beffen Ungunsten ver-<br />

*) LanbtagSabschieb d. d. Stettin 15. (September. Wolg. Arch. Tit. 39 Rr. 11.<br />

18. fol. 42. 43v. 46. 43. Z^ewitz'S Ernennung zum Vtfttator ©tett. Arch. P. I.<br />

Tit. 73. 5Rr. 5.<br />

2 ) Zitzeroitz'S Schreiben an bie jungen Herzoge d. d. Vorwerk Vor Laffan<br />

19. August 1561. Bofjlenfche Sammlung Rr. 163. - Von Mitte 1560 biS 1563<br />

fehlt Zitzewife'S Ramen fast bei allen ReöierungSangelegenhetten. ©eit feinem<br />

Aböang batirt im Wolgastifchen baS Eniporblül;en beS AbelSreajmentS unb ber<br />

Verschärfte Druck auf die Bauern durch Schwerins Einfluß, ©pahtt ©. 132. 144,<br />

insbeson<strong>der</strong>e 147.


Jacob Von Z^eroitz.<br />

än<strong>der</strong>t hatte. Das seit Jahren in Livlanb nur mühsam unterdrückte KriegSfeuer<br />

war feit 1560 hell aufgelo<strong>der</strong>t, hatte allmählich auch Dänemark,<br />

Schweden und Polen in feine Kreise gezogen und drohte Pommern, dessen<br />

maritime Lage eS für sämmtliche Parteien zu einem Werthvollen Bundesgenossen<br />

machte, in ernste Ungelegenheiten zn verwickeln, insofern dasselbe<br />

im Fall einer Parteinahme dem Groll deS mächtigen Gegners ausgesetzt war. 1 )<br />

Ebenso ließ die innere Lage viel zu wünschen übrig; keiner <strong>der</strong> großen<br />

Gesetzesentwürfe war vollendet, die Stettiner Regierung litt unter dem<br />

unentschlossenen, unsicheren Regtment deS alten H er ZogS Barnim, und in<br />

Wolgast war die Ritterschaft zur Herrschaft gelangt und nur auf den<br />

Ausbau ihrer 1560 neu gestärkten Privilegien und die völlige Knebelung<br />

<strong>der</strong> Bauern bebacht. AIS mit Beginn des Jahres 1563 die Gesandten<br />

Polens, Dänemarks und Schwedens erschienen, um sich ^n dem bevorstehenden<br />

großen Kriege um die BundeSgenofsenschaft Pommerns zu bewerben und<br />

die Lage immer bedenklicher ward, so daß die geringste Unvorsichtigkeit baS<br />

ganze Land in unabsehbares Unglück stürzen konnte, hielt eS die Wolgaster<br />

Regentschaft doch für angebracht, sich den Rath deS erfahrensten heimischen<br />

Staatsmannes zu sichern. Ohne Z ö 9 ern trat Zifee^ife i e £t, da es das<br />

Wohl des Vaterlandes erheischte, aus seiner Ruhe heraus. Z um ersten<br />

Male wohnte er wie<strong>der</strong> im Juli 1563 dem Tage von Pasewalk bei, wo<br />

die hervorragendsten H o f- und Lanbrätfje bei<strong>der</strong> Herzogtümer zusammentraten,<br />

um über die von Pommern zukünftig z u befolgende auswärtige<br />

Politik und die Autwort zu beschließen, Welche König Erich XL von Schweden<br />

auf die durch seinen Gesandten Lazarus Möller gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

ZU ertheilen sei. Dort drang schließlich sein Vorschlag durch, <strong>der</strong> darin<br />

gipfelte, daß strengste Neutralität gewahrt werden müsse, eine FriedenS-<br />

Vermittelung <strong>der</strong> streitenden Parteien durch Herzog Bantim rathsam<br />

erscheine und jede bindende Erklärung nach wie vor hinauszuschieben sei,<br />

unter Hinweis auf die Min<strong>der</strong>jährigkeit <strong>der</strong> Wolgaster Prinzen, Welche<br />

ohne Einwilliguug ihrer Vormün<strong>der</strong>, deS Regierungsausschusses und die<br />

Erlaubniß <strong>der</strong> Landschaft nichts bewilligen dürften.<br />

Schon <strong>der</strong> nächste Monat brachte ein Ereigniß, welches bie früheren<br />

Mahnungen und Rathschläge beS alten Kanzlers zur Verbesserung ber<br />

Wehrverfasfung, Jnstanbhaltung deS Kriegsmaterials und Befestigung <strong>der</strong><br />

Pässe aufs Glänzendste rechtfertigen sollte. Seit deS letzteren Ausscheiden<br />

aus dem Kanzleramt war jede ernstere Erinnerung baran gänzlich verstummt.<br />

% ) Bartholb IV 2 . ©. 368 u. f. - Blümcke, Pommern während beS nordischen<br />

siebenjährigen Krieges, Balt. Stub.XL. und XLI. Jn dieser Vortrefflichen Abhandlung<br />

ftnb bie nächsten Jahre ber äußeren Politik unb Geschichte PommernS erfchb'pfenb<br />

gefchübert unb Z^tzewitz'S Thätigkeit so eingeljenb geroürbigt, baß bieselbe im Rach=<br />

folgenben für biesen Zettabschnitt nur kurz gestreift werben wirb, inbem betreffs ber<br />

Einzelheiten auf Blümcke verwiesen fei, bem hier gefolgt ist. Von Quellen ftnb<br />

nur diejenigen citirt, welche Blümcke nicht erwähnt hat.


214 Jacob von<br />

Erst als im August 1563 H er 3°9 ® Xi $ <strong>der</strong> Jüngere von Braunfchweig<br />

mit einem wohlausgerüsteten Heere von 12000 Mann sich den Grenzen<br />

Pommerns näherte und den Durchzug durch dasselbe nach Polen begehrte,<br />

warb die vollkommene Ohnmacht und gänzliche Weljrlosigkeit des Landes<br />

Allen mit Angst und Entsetzen offenbar.<br />

. ES galt dieser Gefahr, so gut eS unter ben obwaltenden Umstanden<br />

noch möglich war, zn steuern. Z u diesem Behuf wurden am 11. August<br />

Zitzewitz, Schwerin, Moltzan, Wolde und SBakenitz zn einer Berathung<br />

nach Wolgast befchieden. Da bei <strong>der</strong> Unentfchlossenheit beS Stettiner<br />

Fürsten ein Wiberstanb gegen Erich'S Heer Völlig unmöglich erschien, würbe<br />

beschlossen, ben Durchmarsch unter gewissen Bebingungen ^n erlauben, aber<br />

gleichzeitig, wenigstens in Wotgast, nach allen Kräften zu rüsten unb nachzuholen,<br />

waS in ber Eile irgenb möglich war. Auf Zifeewife'S Rath toarb<br />

es ferner für angebracht erachtet, beim Kurfürsten von Sachsen bie Aus*<br />

fchreibung eines Kreistages unb bie Bewilligung von Hülfe durch bie<br />

Kreisverwanbten nachzusuchen unb ben kursächfischen Rath £> r - Erakow,<br />

welcher ber FriebenSVerhanblungen wegen noch in Rostock weilte, um seine<br />

Vermittelung hü H er zog Erich in bitten. Letzterer hatte inbefsen bereits,<br />

ber ertheilten Erlaubniß zu Folße, das pommersche Gebiet betreten. Zifeewitz<br />

unb Schwerin würben baraufhin nach Stettin gefenbet, um bem Schauplatz<br />

ber Begebenheiten näher zu fein, ihren LanbeSherren nach Wolgast berichten<br />

unb Verhaltungsmaßregeln angeben in können. Währenb nun ber fürstliche<br />

Abenteurer seinen Durchzug burch Pommern vollführte, würben Z^ewitz,<br />

Eidstebt unb Wakenitz z u H m von Kurfürst August von Sachsen nach<br />

Jüterbogk berufenen Kreistage geschickt, wo btefetben lebhaft für Pommerns<br />

Jntereffe eintraten unb auch Von ben Kreisstänben Hülfe zugesagt erhielten.<br />

Jnzwifchen war jeboch H cr Z°9 ® r i^) öon dem wohlgerüsteten Danztg blutig<br />

zurückgewiesen unb machte Anstalten, auf bemfelben Wege, wie er gekommen,<br />

mit feinem in F°l9 e nicht gezahlten SolbeS meuternben, biSciplinlofen<br />

HeereSf)aufen zurückzukehren. Schon hatte H er zog Barnim ben abermaligen<br />

Durchzug burch feine Laube gestattet, als ber jugenbliche H er 3°9 Johann<br />

Friebrich, welcher, bie Schmach empftnbenb, nichts bavon wissen wollte,<br />

Zifeewitz unb Schwerin, bie eben vom Jüterbogker Kreistage zurückgekehrt<br />

waren, an H er Z o g Erich aborbnete unb benfelben energisch aufforbern ließ,<br />

ben Weiteren Marsch auf Pafewalk zu unterlassen, ba ihm sonst mit Waffengewalt<br />

entgegengetreten würbe. ^>tergu war man im Wolgastifchen bieSmal<br />

auch in ber That Vorbereitet. So nahm Erich feinen Weg nach ber<br />

Mark, wo sich fein Kriegsvolk in kurzer Frist nach aßen Richtungen von<br />

selbst zerstreute.<br />

Von biefer Zeit an nahm Zife etT) i^ lieber mehr am politischen Leben<br />

theil, ba ihn ber balb münbige, älteste Sohn beS verstorbenen $tx$OQ§<br />

Philipp, Prinz Johann Friebrich, z u feinem vertrauten Rathgeber erkoren


Jacob Von Z^etoitz. 215<br />

hatte unb fast in sämmtlichen Regierungsangelegenheiten um seinen Rath<br />

anging.<br />

Auf dem im Dezember 1563 zu Stettin abgehaltenen Landtage, dessen<br />

Verhanblungen <strong>der</strong> junge Fürst persönlich leitete, empfahl Z^ewi^ ntit<br />

vielem Nachdruck ben balbigen Abschluß beS ErbvertrageS mit Brandenburg<br />

und die Erfüllung aller Verpflichtungen gegen Kurfürst Joachim, an dessen<br />

Gunst aus mancherlei Gründen viel gelegen war, sowie gegen den Kaiser,<br />

ohne Weiterungen zu machen, ließ sich auch über die Verhältnisse zwischen<br />

Schweden, Dänemark und Polen aus und gab wertvolle Rathschläge in<br />

betreff <strong>der</strong> Friedensvermittelungen gtt)tfd£)en den streitenden Parteien. 1 )<br />

Gleichzeitig ward er von Fürsten und Ständen ersucht, gemeinsam mit<br />

Heinrich von Tormann z u des Vaterlandes Bestem bis Trinitatis 1564<br />

die Polizeiordnung fertigzustellen, auch neben Graf Eberstein, Schwerin,<br />

Eidstedt und Henning vom Wolde in die Kommisston gewählt, welche<br />

Mitte März in Wollin über die Gerichts* und MünzgesetzeSentwürfe,<br />

sowie im Juni in Jasenitz über die Neuregelung <strong>der</strong> Jungfrauenklöster<br />

berathen sollte. 2 ) Dadurch wurde er veranlaßt, sich auch wie<strong>der</strong> häufiger<br />

an den Zusammenkünften <strong>der</strong> Räthe und den Sitzungen des Ausschusses<br />

ZU betheiligen. Ganz beson<strong>der</strong>s aber tritt Zi^ eiI) ife'^ Thätigkeit bei den<br />

Verhandlungen hervor, welche sich Pommerns Fürsten zur Herbeiführung<br />

beS Friedens z^if^en den nordischen Mächten Von 1564 bis 1570,<br />

unbekümmert um vielfache Mißerfolge, angelegen fein ließen; dies gebot<br />

denselben freilich ihr eigenster Vortheil, weil die Schädigung, welche <strong>der</strong><br />

Krieg den pommerschen Küstenstädten, insbeson<strong>der</strong>e Stralsund und Rügen,<br />

sowie dem Handel des ganzen Landes gufügte, ganz außerordentlich groß<br />

war und die Gefahr drohte, bei dem besten Willen die Neutralität nicht<br />

ganz gleichmäßig handhaben zn können, wodurch ebenso bedenkliche als<br />

beschwerliche Repressalien herbeigeführt werden mußten. Bereits im Frühjahr<br />

1565 hatte eine pommersche Gesandschaft, bestehend aus dem Rügenfchen<br />

Landvogt von piaten und dem Stettinischen Rath Schulze, in Kopenhagen<br />

und Stockholm z u vermitteln gesucht, aber in F°l9 c deS ablehnenden<br />

Bescheides König Erich'S nicht das Geringste erreicht, WeSfjalb die Absendung<br />

Z%witz'S und Andreas von Borcke'S zur Anknüpfung neuer Friedens*<br />

Verhandlungen mit Dänemark und Schweden von H er Z°9 Barnim und <strong>der</strong><br />

Wolgaster Regierung beschlossen wurde. Ende April schickte ^t^etx)t^ auf<br />

Wunsch <strong>der</strong> Fürsten ein hierauf bezügliches Gutachten nach Wolgast, in<br />

welchem er einen weiten und richtigen Blick, sowie ein klares Verständniß<br />

für daS Nothwendige bekundete und ausführliche, eingehend begründete<br />

Vorschläge machte, auf welche Weise am ehesten ein endgültiger Friede zu<br />

*) Zifcenjifc'S 'Mtht vom Stettiner Landtage vom 23. Dezember 1563 in<br />

(Sickstebt'S Protokoll. Wolg, Arch. Tit. 39. Rr. 11.<br />

2 ) Beschlüsse beS Landtages bet Daljnert, ©amml. I. Rr. 5.


216 Jacob von Qx<br />

erreichen, wie in <strong>der</strong> Friedensverhandlung * die einzelnen Streitpunkte zu<br />

behandeln, wie die Gebrechen <strong>der</strong> pommerschen Unterthanen zur Sprache<br />

ju bringen feien u. a. m., wonach auch im Wesentlichen später bei dem<br />

Friedensschluß zu Stettin verfahren worden ist. 1 )<br />

Außer ihrer eigentlichen und wichtigsten Aufgabe wurde Zife en) i|<br />

und Borde in mehreren Nebeninstruktionen noch eine ganze Reche an<strong>der</strong>er<br />

Geschäfte zugewiesen und ihnen insbeson<strong>der</strong>e anS SQtx^ gelegt, König<br />

Friedrich II. zur Aufhebung <strong>der</strong> Von ihm angeordneten Schließung des<br />

Sundes, welche für den pommerschen Seehandet höchst ver<strong>der</strong>blich war,<br />

zu bewegen. Etwa den 10. Mai reisten die Gesandten nach Warnemünde<br />

ab, wo sie lange Von widrigen Winden festgehalten wurden. DieS hatte<br />

infofern einen ungewollten Vortheil, als es dadurch möglich wurde,<br />

Zitzewitz die zu seinem Auftrage nöthigen Akten sowie die Jnstruktioneu<br />

Zu übersenden, was trotz feines ausdrücklichen Befehls in Folge <strong>der</strong> grenzenlosen<br />

Nachlässigkeit <strong>der</strong> Stettinifchen Kanzlei verabsäumt worden war.<br />

Erst am 18. Mai langten die erwünschten Schriftstücke in sehr mangelhaftem<br />

Zustande und nur zum Theil an, so daß Zi&ewitz von vornherein"<br />

jedes Vertrauen zu einem Erfolg feiner Sendung verlor und erklärte, daß<br />

unter solchen Aufptcten „weinig frucht o<strong>der</strong> freude bei <strong>der</strong> handelung gto<br />

vermuthen" fei. UebrigenS benutzte er feine Zeit in Warnemünde in<br />

fleißigen und eingehenden Berichten an den Statthalter in Kopenhagen,<br />

Magnus von Güldenstem, sowie an H er zog Johann Friedrich über den<br />

Stand beS Martenfchen, Dobberanfchen und Reutfclbtfchen Güterl)andels<br />

und über ben ihm bekannt geworbenen Plan H er 3°9 H a nS Albrecht'S Von<br />

Mecklenburg, Volk anzuwerben unb über Pommern marfchiren zu lassen,<br />

welche Warnung später für feine LanbeSrjerren von größtem Nutzen würbe. 2 )<br />

Etwa Snbe Mai kamen Zifeewitz unb Borde in Kopenhagen an,<br />

würben am 24. Mai Vom Könige empfangen, erhielten bereits am 5. Juni<br />

bessert Autwort auf ihre Werbung, welche im Allgemeinen günstig lautete<br />

unb den weiteren Fortgang <strong>der</strong> Verhandlungen vom Verhalten SchwebenS<br />

abhängig machte, unb empfingen am 5. Juni ihre Pässe unb Geleitsbriefe<br />

für bic Reife nach Schweben. Mit geringer H°ffnung auf Erfolg reisten<br />

beibe Gefanbten ab, nachbetn Zifeewitz barjeim vergeblich feine Abberufung<br />

*) Hierüber sowie über die Erlebnisse Zitzewii^S und Bortfe'S in Dänemark<br />

unb (Schweden berichtet Slümtfe sehr ausführlich Bd. XL.


Jacob Von Z^ewitz. 217<br />

und Ersetzung durch einen an<strong>der</strong>en Rath erbeten hatte. Am 24. Juni<br />

erreichten sie Stockholm, trugen unter Hinweis auf die dänischen Erklärungen<br />

König Erich ihre Werbung vor, wurden aber von diesem „ziemlich hart<br />

angefahren", weil demselben zur Zeit wenig am Zustandekommen eines<br />

Friedens gelegen, er auch über die kurz jnvor Seitens <strong>der</strong> pommerfchen<br />

Herzoge erfolgte Sequestration etlicher dänischer Schiffe, welche sich vor<br />

<strong>der</strong> schwedischen F^tte in den GreifSwal<strong>der</strong> Bodden geflüchtet hatten,<br />

ungehalten war. Alle Vorstellungen <strong>der</strong> pommerfchen Gesandten blieben<br />

fruchtlos, trotzdem aber vermochten sie keine endgültige schriftliche Antwort<br />

ZU erhalten. Vielmehr begann nach <strong>der</strong> Abreife beS Schwedenkönigs von<br />

Stockholm mit Beiden ein seltsames Spiel, indem man sie von Ort zu<br />

Ort lockte und zu längerem Aufenthalt in üftyköping z^ang. Nochmals<br />

versuchte Zifee^ öon hier aus durch einen Bericht, in welchem er Pommerns<br />

Verhalten in <strong>der</strong> Schiffssequestration ausführlich klarlegte, den König um?<br />

Zustimmen und bat diesen, an<strong>der</strong>e Vorschläge zu weiterer Verhandlung zu<br />

machen, doch ohne hierdurch etwas zu erreichen. Erst am 22. Juli erhielten<br />

die Gesandten Erich'S schriftlichen Bescheid, welcher ihnen jede H°ffnung<br />

benehmen mußte und weiteres Warten zwecklos erscheinen ließ. Ohne<br />

Rücksicht auf die Bitten deS Kanzlers Gyllenstjerna und Jöran Gera'S,<br />

noch länger ^n verharren, reisten nun Beide ab und trafen über Ealmar<br />

am 15. August spät Abends wie<strong>der</strong> in Kopenhagen ein, wo sie König<br />

Friedrich II. den Mißerfolg ihrer Bemühungen in Schweden und König<br />

Erich'S unannehmbare Bedingungen mittheilten. Vor seiner Abreife auS<br />

<strong>der</strong> dänischen Hauptstadt referirte Zifeewitz noch in einem sehr ausführlichen<br />

Schreiben dem Schwedenkönige über Friedrich II. Stellung zu den fchwedifcherfeits<br />

gemachten Vorschlägen und suchte dabei gleichzeitig die zwischen Erich<br />

und seinen Landesherren entstandenen Jrrtrjümer und Mißhelligketten nach<br />

Möglichkeit zu berichtigen und klarzustellen. 1 )<br />

Anfang September kehrte er mit Borcfe wie<strong>der</strong> nach Stettin zurück,<br />

wo beide am 14. September den Herzogen Barnim und BogiSlav in<br />

Gegenwart <strong>der</strong> vornehmsten Räthe Bericht erstatteten uud feststellten, daß<br />

daS mit so vielen H°ffnungen und Kosten unternommene Friedenswerk<br />

endgültig gescheitert fei.<br />

Dessen ungeachtet ließ eS sich Zi&ewitz angelegen fein, auch ferner<br />

mit dem ihm nahestehenden dänischen Kanzler Frieß weiter zu verhandeln;<br />

so unterbreitete er diesem im Oktober 1565 „ein vngeferlich bebenden<br />

etzlicher VortragkS Mittel Szo vorzuschlagen fein mochten". Auf Grund<br />

<strong>der</strong>selben kam zu Beginn des Jahres 1566 zwischen Pommern und Dänemark<br />

die Abschließung eines Vertrages zu Stande, nach welchem ein unter<br />

Kurfürst August Von Sachsen stehendes Schiedsgericht künftighin über die<br />

*) Zitzewi^'S Berichte d. d. Kopenhagen 18. und 27. Auöust. (&tüt Arch.<br />

P. I. Tit. 17. Rr. 1.


218 Jacob von Zifeewitz.<br />

Abstellung aller dänischen, pommerfchen und polnischen Beschwerden, die<br />

freie Sunbfchifffahrt u. a. m. entscheiden sollte. 1 )<br />

Jn F°lfl e feiner angestrengten Thätigkeit in <strong>der</strong> äußeren Politik<br />

fiel eS Zifeefrifc unmöglich, sich auch an <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> inneren<br />

Gesetzgebung in <strong>der</strong> erwünschten Weife zu betheiligen, weshalb auf feine<br />

Bitte Heinrich von Tormann den Abschluß ber fast vollendeten Poltzeiorbnung<br />

übernommen hatte; freilich bürste hierzu seine Erbitterung über<br />

bie absichtliche Nachlässigkeit ber Stäbte, welche noch immer mit ber Einfenbung<br />

ihrer Sonberrechte im Rückstände geblieben waren, um baburch<br />

bie gänzliche Voftenbung beS Entwurfs ^n vereiteln, nicht wenig beigetragen<br />

haben. 2 ) Gelegentlich freS LanbtageS zu Treptow würbe Zitzewitz im Januar<br />

1566 trotzbem mit einer neuen, nicht minber unerquicklichen Aufgabe bebacht,<br />

inbem er Von ben Stäuben in bie Kommission erwählt würbe, welche jur<br />

Aufbringung des bereits 1563 für ben Faß <strong>der</strong> Sftotf) bewilligten Gelb*<br />

Vorraths zu sorgen berufen war. 3 )<br />

Mit bem Jahre 1566 beginnt wohl ber interessanteste Abschnitt in<br />

betn bewegten unb arbeitsreichen Leben beS ehemaligen Wolgaster Kanzlers.<br />

Ohne jebeS Amt hielt er als einfacher Grunbherr gewöhnlich auf feinem<br />

mühsam erworbenen Gut zum Vorwerk vor Laffan HauS und war bestrebt<br />

dasselbe burch musterhafte Orbnung unb Bewirtschaftung in bie H ö h e<br />

ZU bringen. Er baute massive Häufer, errichtete Schäfereien, ließ Raceviel)<br />

aus Dänemark kommen unb bekümmerte sich persönlich um Saat und<br />

Ernte. Aber in seiner Eigenschaft als Landrath unb Vertrauter H er 3og<br />

Johann Friedrich'S befand er sich in ununterbrochenem Schriftwechsel mit<br />

ben Höfen Von Sachsen, Dänemark, Medienburg uub Branbenburg, empfing<br />

bie Berichte ber pommerfchen Räthe schriftlich unb münblich unb warb,<br />

stets über ben Gang ber europäischen Politik aufs Genaueste unterrichtet,<br />

in allen wichtigen StaatStjänbeln um fein Gutachten unb gelegentliches<br />

Eingreifen ersucht. Fast keine Sitzung beS Ausschusses, keine Zusammenkunft<br />

ber Räthe fanb mehr ohne fein Beisein statt, unb auf ben Lanbtagen<br />

würbe er jumeist von ben Stäuben z u m Sprecher ber Lanbfchaft gewählt.<br />

So war Zifeewitz, ohne eigentliches Amt im Hintergrunbe ftefjenb, bennoch<br />

bie eigentliche Seele ber gefammten bamaligen pommerfchen Staatsleitung.<br />

Zeitlich fällt ber Anfang biefer Periobe ungefähr mit bem Enbe ber<br />

Regentschaft zusammen.<br />

*) A. a. O. Dort findet sich auch eine beträchtliche Anzahl Berichte, Vorschläge<br />

unb Gutachten Z^ewitz'S in Bezug auf bie FriebenSoerhandlungen, welche Blümtfe<br />

nicht beson<strong>der</strong>s erwähnt hat.<br />

2 ) Zitzewitz'S Bericht an Herzog Johann Friebrich d. d. Vorwerk Vor Laffan<br />

30. Dezember 1565. Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 11.<br />

3 ) LanbtagSabfchieb d. d. Treptow 10. Januar 1566 a. a. O. Gebr. bet<br />

Däfynert, Sammlungen I. @. 491 u. f.


Jacob von 8ifcetmfc. 219<br />

Seit dem unglücklichen Ausgang <strong>der</strong> Friedensverhandlungen hatte<br />

sich in F°lße <strong>der</strong> Wendung <strong>der</strong> Kaiserlichen Politik die allgemeine Lage<br />

sehr zu Pommerns Ungunsten gestaltet. Unter dem Einflüsse des Kurfürsten<br />

August von Sachsen und Lübecks hatte sich <strong>der</strong> Kaiser offen auf Seite<br />

Dänemarks gestellt und allen ReichSstänben bei schwerer Strafe jede<br />

Unterstützung Schwedens verboten. Dies war für die pommerschen Herzoge<br />

ein schwerer Schlag, da ihnen dadurch die Einhaltung <strong>der</strong> bisher geübten<br />

Neutralität jur Unmöglichkeit gemacht wurde, infofern eine Nichtbeachtung<br />

des Kaiserlichen Mandates mit Verlust des LefjnS bedroht war, dessen<br />

strenge Befolgung aber die rücksichtsloseste Rache <strong>der</strong> Schweden über baS<br />

Land heraufbeschwören mußte. Vergeblich suchten bie Stettinifchen und<br />

Wolgastischen Gesandten auf dem Reichstage eine Lin<strong>der</strong>ung des Befehls<br />

herbeizuführen; selbst die persönlichen Bitten H er ä°9 Johann Friedrich'S,<br />

welcher als angesehener uud hochgeehrter Gast am H°f e Kaiser May'S<br />

weilte, blieben ohne Erfolg. So ward denn zu Stettin beschlossen, Zife ettn '£<br />

mit dessen Einwilligung nach Augsburg z u entsenden, damit auch er sein<br />

Heil versuche und gleichzeitig eine Herabminberung <strong>der</strong> daS Land empfindlich<br />

drückenden Türkensteuern durchsetze. Eine schwere Erkrankung verhin<strong>der</strong>te<br />

diesen aber, dem Auftrage nachzukommen. 1 ) AIS er so weit gesundet war,<br />

daß er sich jur Abreise anschickte, war <strong>der</strong> Reichstag bereits geschloffen<br />

und bie Abgeorbneten in bie Heintath zurückgekehrt. Sofort würben bie<br />

Räche beiber Orte nach Uecfermünbe, bemnächst auch ber RegierungSauSschuß<br />

zu einer Sitzung zusammenberufen, um über bie Ausschreibung<br />

eines LanbtageS unb bie auf bemfelben zu besprechenden Dinge zu berathen;<br />

beiben Versammlungen vermochte Zifeewitz wieber beizuwohnen. 2 ) Auf bem<br />

darauf im September zu Treptow abgehaltenen Landtage vertrat er als<br />

Sprecher ber Stäube mit schätzenswerter Unparteilichkeit gleichmäßig bie<br />

Redjte ber Fürsten unb ber Lanbschaft, setzte bie enbgültige Erlebigung<br />

<strong>der</strong> Kirchen- unb GerichtSorbnung, sowie bie Ausführung ber Augsburger<br />

Reichstagsbeschlüsse bei ben Stänbeu burch unb nahm sich in alter Weife<br />

<strong>der</strong> Bauern unb beS armen Volkes in ben Stäbten an, inbem er ihnen<br />

bei Entrichtung ber fälligen Steuern wesentliche Erleichterungen verschaffte. 3 )<br />

Außerbem berichtete er über ben Staub ber von ihm wäljrenb beS<br />

verflossenen JarjreS mit König Friebrich II. unb beffen Kanzler gepflogenen<br />

Verhandlungen. Daraus giug hervor, baß Zifeewitz bei beiben ein besonberes<br />

Ansehen unb Vertrauen genoß unb sie mit Wissen unb Willen seiner<br />

*) Zifcetmtz'S Bericht an Frieß d. d. Wolgast 19. April 1566. ©tett. Arch.<br />

P. I. Tit. 17. Rr. la. Vol. 3.<br />

2 ) Wola, Ard). Tit. 39. Rr. 22.<br />

3 ) LandtagSverhandlnngen und Protokolle Von Etrfftebt a. a. O. Zißewitz<br />

Sprach ben 26. 27. ©ept. Vgl. auch ©. 184. Antn. 2. — Dahnert'S ©amml. I. @. 498.<br />

- ©chöttgen, AlteS unb ReueS Pommerlanb ©. 678 u. f. - Bartljolb IV 2 . ©. 373.


220 Jacob von<br />

Landesherren ohne Unterlaß über die Vorgänge im Reiche und in Schweden<br />

in Kenntniß gefetzt hatte, wobei er gleichzeitig in geschickter und diplomatischer<br />

Weife die Jnteressen Pommerns wahrzunehmen verstand. Um gegen jeden<br />

Verrat!) iljreS vertraulichen Schriftverkehrs gesichert zu sein, hatte er dem<br />

dänischen Kanzler den Gebrauch einer Ehiffrefchrift empfohlen. 1 ) Sein<br />

erst letzthin im August gemachter Vorschlag, zunächst die Schließung eines<br />

längeren Waffenstillstandes herbeizuführen und sodann in erneute Unterhandlungen<br />

durch Vermittelung pommerfcher Räthe einzutreten, war von<br />

keinem Erfolge gekrönt. 2 ) Deshalb hielt er eS, von <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />

Zwerflofigkeit weiterer Schritte überzeugt, auch durch die Grumbachifchen<br />

Händel, welche die Aufmerksamkeit Pommerns mehr und mehr auf die<br />

Vorgänge im Reiche lenkten, beunruhigt, für angezeigt, weitere VcrmittelungSverfuche<br />

für bie nächste Qnt einzustellen.<br />

Am Schlüsse deS Jahres wurde Zifeewitz gemeinsam mit Dr. Baltzer<br />

V. Wolde, Graf Eberstein und Dr. Otto von Herzog Barnim b. Ä. berufen,<br />

einen zwischen letzterem unb ben Stäbten Stettin unb Stargarb etlicher<br />

Privilegien wegen ausgebrochenen Streit auszutragen unb rechtskräftig zu<br />

entscheiden, was viele mühseligen Verhandlungen unb Tagefahrten im<br />

Gefolge hatte. 3 )<br />

Etwa um biefelbe Zeit war H er äog Johann Friebrich münbig und<br />

am 18. November in Wien persönlich Vom Kaiser belehnt worden. Gleich<br />

nach feiner Rückkehr in die |)eimatl) begannen bie Vorberathungen <strong>der</strong><br />

Söhne H er zog Philipp'S und <strong>der</strong> Regentschaft mit H er zo9 Barnim in<br />

Stettin bet)ujS Regelung <strong>der</strong> künftigen Wolgaster Regierung, wobei bie<br />

jungen Fürsten sehr balb mit ihrem alten Oheim in MeinungSbifferenzen<br />

gerieten. Z u r Schlichtung berfelben würbe Zifeetoitz im Februar von<br />

Herzog Johann Friebrich aus beut Vorwerk vor Lasfan herbeigerufen unb<br />

um seine Ansicht befragt. Er wn^k sich jedoch ber heiklen Mission zn<br />

entziehen unb fein Ausbleiben geschickt zu entfchulbigen: „Sunberlich auch<br />

angesehen, baS Jch in bie anzaü ber vororbenten Regierung nicht begriffen<br />

vnb als ein vnwirbiger rath ün b Lehnmann Jn ber fache, barumb bie<br />

regierung Vornehmlich mochte erforbert fein, Meine Einfalt zn Stettin,<br />

auch Vckermüube, eröffnet vnb allein aufs Ratiftcation ber vororbenten<br />

Regierunge stehet, ob sie auch M. g. $. Herzogs Barnims erklerung vnb<br />

*) Schreiben Friedrich II. an Zitzewitz d. d. Kopenhagen 19. Februar 1566,<br />

ferner Zifeewitz'S Berichte an Frieß d. d. Wolgaft 19. April, Vorwerk Vor Laffan<br />

23. April und 19. August unb an den König d. d. Vorwerk Vor Laffan 19. August<br />

etdt Arch. P. I. Tit. 17. 5Rr. la. Vol. 2.<br />

2 ) Zitzetuitz'S unbatirte, Vor dem Landtage, boch nach dem 19. August verfaßte<br />

unb nach Kopenhagen gesandte „Vngeferliche erinnerung zw fernerem nachbentfen,<br />

worauff bie Instruktion gto richten". A. a. O.<br />

3 ) Zitzewitz'S Berufung d. d. Wolgaft 29. Dezember 1566. Wolg. Ar*.<br />

Tit. 39. Rr. 22.


Jacob von Z<br />

an<strong>der</strong>er wolmeinung, <strong>der</strong> fachen gelegenheit nach, auch fpattung zu Vermeiden,<br />

wollen gefallen lassen, o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>es entschließen, barbet Jch doch nit<br />

nutze, auch dartzw nicht gehöre". 1 ) Die nächste Zeit brachte ihm viel<br />

Unnche. Jm Mai mußte er in Stettin den Ausschußsitzungen zur erneuten<br />

Beschlußfassung ber Münz- und Polizeiordnung beiwohnen, demnächst in<br />

Treptow und Klempenow mit den Hauptteuten und Rentmeistern über<br />

eheste Erlegung <strong>der</strong> Türkensteuern berathen und dann wegen <strong>der</strong>selben<br />

Angelegenheit nach Stettin zurückkehren, um mit den dortigen Räthen<br />

dieferhalb gemeinsame Anordnungen zu treffen. 2 ) Kaum wie<strong>der</strong> im Vorwerk<br />

angelangt, wurde er nebst Schwerin, Wolde und An<strong>der</strong>en beauftragt, die<br />

zwischen Stralsund und <strong>der</strong> Herrschaft neuerdings ausgebrochenen Z^iftigkeiten<br />

beizulegen. 8 ) üftach feiner Rückkehr von dort wurde er zur Huldigung<br />

<strong>der</strong> Prälaten, Städte und Ritterschaft herangezogen, wobei er gemeinsam<br />

mit den Herren von PutbuS, Schwerin, Wolde, Schulenburg und Etckftedt<br />

die Ehrendienste bei den jungen Herzogen versehen mußte. 4 ) Jm August<br />

reifte er auf Barnim'S Anregung nach Grimmtz, um mit dem Kurfürsten<br />

Von Brandenburg wegen <strong>der</strong> zahlreichen Grenz- und Zollstrettigkeiten zwischen<br />

Pommern und Brandenburg zu verhandeln und die Formalitäten wegen<br />

deS Vollzuges und Austausches des SucceffionSvertrageS festzustellen. Diese<br />

Gelegenheit benutzte Z^wi^, um mit dem Vertrauten deS Kurfürsten<br />

Joachim, Jürgen von Blancfenburg, die Abfassung einer neuen Erb-<br />

Verbrü<strong>der</strong>ung zwischen dem brandenburgifchen und pommerfchen Fürstenl)aufe<br />

ZU besprechen, durch welche dem letzteren daS Anfallsrecht auf die Mark<br />

bei dem Erlöschen deS HohenzollerngefchlechtS gesichert werden sollte, nachdem<br />

er dieferhalb fowol)l mit Blanckenburg wie mit dem Kurprinzen Johann<br />

Georg bereits längere Zeit schriftlich verhandelt und bei diesen ein so<br />

freundliches Entgegenkommen gefunden hatte, daß ein glücklicher Ausgang<br />

ber Sache für Pommern fast sicher zu erwarten stand. 5 )<br />

Jm Oktober endlich wurde Zifeetoitz auch die Leitung <strong>der</strong> Verhandlungen<br />

mit Markgraf H a nS von Küstrin übertragen, welcher gerade<br />

damals zu einem Hauptfchlage gegen Pommerns Handel ausholte, indem<br />

1 ) Zitzewitz'S Schreiben an Herzog Johann Friedrich d. d. Vorwerk vor Lasfan<br />

28. Januar 1567. Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 22.<br />

2 ) Zitzehntz Bericht an Etckstebt d. d. Vorwerk 10. Mai. A. a. O.<br />

3 ) Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 23. Sohten'sche Sammlung, unnummerirt und<br />

a. anb. Orten.<br />

4 ) Wolg, Arch. Tit. 39. Rr. 23.<br />

5 ) Zifceüritz'S zahlreiche Berichte an den Herzog Johann Friedrich, sowie sein<br />

SrtefWechsel mit Graf Eberstein und Georg Von Blanckenbura, wegen Abschlusses<br />

beS ReciprocitatS^ErbüertrageS zwischen Pommern unb Branbenbura, Stett. Arch-<br />

P. I. Tit. 7. Rr. 16, auch Rr. 3 unb 7, sowie Bohlen'fche ©amml. Rr. 156. Die<br />

ersten Dokumente in bieser Sache stnb Zitzewitz'S Berichte an Herzog Johann Friebrich<br />

d. d. 5. unb 15. August, sowie Blanckenburß'S (Schreiben an Zitzeroitz d. d. Golbbecf<br />

1. August 1567.


222 Jacob von Ztfcewttz.<br />

er nicht allein alle von dort kommenden Waaren mit hohen Zöllen belegte,<br />

Son<strong>der</strong>n auch eine Verlegung <strong>der</strong> alten, von Danzig nach Leipzig führenden<br />

Handelsstraße über Posen, Frankfurt, Küftrin und Wittenberg plante unb<br />

alle Mittel an die Verwirklichung dieses Zieles fefete. 1 ) Die mit alle dem<br />

verbundene Arbeitslast unb daS viele Umherreifen machten es bem alten<br />

Kanjlcr gänzlich unmöglich, sich ferner um feine eigenen Angelegenheiten<br />

und um die Verwaltung feines ausgedehnten Besitzes zu kümmern, was<br />

ihm schwere Sotgen bereitete, weil er Sftiemand hatte, <strong>der</strong> sich baheim<br />

feiner Angelegenheiten annehmen konnte.<br />

Am 2. Oktober gab ihm H er Z°9 Johann Friebrich einen Beweis<br />

beson<strong>der</strong>en Vertrauens, indem er ihn und Ulrich von Schwerin um Rath<br />

und Entscheidung betreffs Regelung <strong>der</strong> zukünftigen Regierungsform im<br />

Wolgaster H er Z°9thnm ersuchte. Bereits einen Tag später überreichte<br />

Zitzewitz feinem Herrn ein ausführliches Gutachten, wie feines ErachtenS<br />

die Theilung <strong>der</strong> Herrfchaft unter den Prinzen am besten geschähe; er<br />

schlug vor, daß nur z^ei <strong>der</strong> fürstlichen Brü<strong>der</strong> die Z u 9 e l <strong>der</strong> Regierung<br />

ergreifen und versuchsweise z^ei Jahre gemeinsam herrschen möchten. Mit<br />

warmen Worten mahnte er, die Angelegenheit in Einigkeit unb brü<strong>der</strong>licher<br />

Liebe ^n erledigen und ihrem alten Oheim Barnim Gehör zn schenken,<br />

welcher allem reiflich und zu <strong>der</strong> Fürsten Bestem nachgedacht habe. 2 )<br />

Zi&ewitz'S Vorschläge fanden die ungeteilte Anerkennung H er 5og Johann<br />

Friedrich'S, um so mehr, als dieselben vom Stettiner Herrn völlig gebilligt<br />

Wurden. Wenige Wochen später, im November, wurde die Angelegenheit<br />

auf dem Landtage von Uecfermünde endgültig geregelt. Der Reihe nach<br />

ergriffen Tormann, Karsten von Manteuffel, Ulrich von Schwerin, Jacob<br />

von Zi£ ert % fotx>te die Abgesandten H er zog Barnims, Dr. Otto, Graf<br />

Eberftein unb Antonius von Z^ewitz, das Wort. Jn mehrfachen längeren<br />

und wohlbegründeten Reden entwickelte auch <strong>der</strong> ehemalige Wolgaster<br />

Kanzler seine Vorschläge und drang mit denselben durch, weil H er ZO9<br />

Johann Friedrich unb die Stettiner Räthe ihm lebhaft zustimmten. So<br />

ward denn beschlossen, daß bis zum Jahre 1570 die H er äoge Johann<br />

Friedrich und Bogislav die Regierung übernehmen, die Hofhaltung genauer<br />

bestimmen unb sich Ulrich von Schwerin ober, wenn dieser nicht wolle,<br />

Zifeewitz als Rathgeber zugesellen sollten. Die meisten <strong>der</strong> bisherigen<br />

Wolgaster Hofräthe blieben im Dienste <strong>der</strong> neuen Herrscher. Bereits Ende<br />

Oktober hatte Eitfstedt im fürstlichen Auftrage mit ihnen unterhandelt unb<br />

Eingreifen in dieser Angelegenheit fand nach dem Klagefchreiben<br />

<strong>der</strong> Ritterschaft d. d. Wolgaft 30. September statt Wolg, Arch. Tit. 39. SRr. 23.<br />

— VeraL Spähn ©. 158 u. f.<br />

2 ) Schreiben Herzog Johann Friedrichs an Z^ettntz unb Schwerin d. d.<br />

Wolgaft 2. Oktober, Zttzewitz'S Gegenbericht d. d. Vorwerk VorLaffan 3. Oktober,<br />

fein zur Vorlage auf bem Landtage bestimmtes Gutachten d. d. 27. Oktober. Wolg.<br />

Ar*. Tit. 39. Rr. 23.


Jacob Von Zitzetnttz. 223<br />

ihnen itjre Bedingungen abgehört. Bald nach dem Schluß des Landtages<br />

erhielten sie die neuen Bestallungen. Auch Zi&ewitz hatte sich bereit erklärt,<br />

<strong>der</strong> neuen Regierung als H°frath o<strong>der</strong> in einem an<strong>der</strong>en Amte zu dienen,<br />

wenn man ihn mit Rüdsicht auf sein Alter mit ausländischen Reisen<br />

verschonen, wegen <strong>der</strong> Entlegenheit seiner rjinterpommerfchen Güter öfter<br />

beurlauben, für feine mehrfachen kostspieligen Reisen nach Stralfund<br />

entschädigen und ihm endlich die seit 1560 rückständige Besoldung auS-<br />

Zahlen wolle. Er hatte noch die Bitte angefügt, ihm nach Ablauf einer<br />

länger als zweijährigen Dienstzeit eine beson<strong>der</strong>e größere Ablage zu gewähren.<br />

Diese For<strong>der</strong>ungen wurden ihm bewilligt und er an Stelle seines jüngst<br />

verstorbenen Freundes Dr. Battzer'S vom Wölbe znm Hauptmann von<br />

Ue<strong>der</strong>münbe ernannt; gleichzeitig aber ward ihm die „Direction <strong>der</strong> vertrauten<br />

Händel" und die Abfassung einer neuen H°fordnung übertragen. 1 )<br />

Auf dem Landtage würbe übrigens auch über die Maßregeln berathen,<br />

welche gegen die gefährlichen Pläne des Markgrafen HanS von Küstrin zu<br />

ergreifen seien. Auf Zitzewitz'S unb <strong>der</strong> Stettiner Räthe Hinweis erkannte<br />

man engsten Anschluß an Polen als bestes Mittet unb trat bemzufolge<br />

mit König August SigiSmunb in nähere Unterhandtungen.<br />

So schloß baS Jahr 1567 für baS Herzogtum Wolgast in fruchtbarer<br />

Weise ab. Wenn jwar sich auch in Pommerns äußerer gefährdeten<br />

Lage nichts geänbert hatte, gestatteten boch bie inneren Verhältnisse beS<br />

Wolgaster OrteS für bie Zäunst eine günstigere Aussicht. Ein frischer<br />

Hauch, ein muthigeS Emporstreben zeigte sich in ber gesammten Staats*<br />

Verwaltung beS vorpommerfchen Fürstentums, fett ber hochgebilbete unb<br />

ehrgeizige H cr zog Johann Friebrich mit kräftiger Hand bie Zügel <strong>der</strong><br />

Regierung ergriffen hatte unb bie wichtigsten, längst vom Laube sehnlichst<br />

erwarteten Gesetzesvorlagen theils publizirt, theils soweit geförbert waren,<br />

baß sie ihrer Verschiebung burch bie Stäube harrten. Mehr unb mehr<br />

trat unter ber Herrfchaft beS jugenblichen Regenten ber Einfluß Zi&eföife'S<br />

hervor, welcher bie anbern Räthe, inSbefonbere Schwerin unb Eicfftebt,<br />

balb völlig in ben Schatten stellte. Selbst bei unwesentlichen Dingen<br />

begehrte H e rz°9 Johann Friebrich, welcher bei ber Regierung allein in<br />

Frage kam, ba sein Bruber BogiSlav sich gänzlich inbifferent verhielt, nicht<br />

allein ben Rath feines alten, erfahrenen Dieners z u hören, son<strong>der</strong>n<br />

befolgte benfetben auch. Durch baS viele Umherziehen im Laube,<br />

welches biefer Fürst gleich seinen Vorfahren liebte, entspann sich zwischen<br />

') Protokoll EickftebfS ber auf beut Landtage gehaltenen Reben, Verhandlung<br />

mit ben Beamten unb <strong>der</strong>en Bestallung a. a. D. Ueber hk Schulden ber Fürsten<br />

nach gehaltener Erbtheiluna, und bie rückständigen Gehälter ebenda 9?r. 26. Betreffs<br />

Zttzeuntz'S Ernennung Vergl. später feine Bestattung d. d. Stettin 4. April 1569.<br />

— LanbtagSabfchieb und Erbvergletch gedruckt bei Dähnert, Samml. I. ©. 251 u. f.<br />

- Barthotb IV 2 . @. 273. - ©tctt. Ar*. P. I. Tit. 49. Rr. 19. Vol. 2.


224 Jacob von<br />

ihm und Zifeeftife ein äußerst lebhafter Schriftverkehr. Wie früher den<br />

Vater, so ermunterte Zifeewitz jetzt bei je<strong>der</strong> sich darbietenden Gelegenheit<br />

den Sohn ^n strengster Erfüllung feines fürstlichen Amtes, wenn <strong>der</strong>selbe<br />

darin nachlassen wollte, dämpfte allzu großen Eifer, rietl) von voreiligen<br />

Entschlüssen ab, half mit diplomatischer Gewandtheit aus schwierigen Lagen<br />

unb mahnte vor allem zu brü<strong>der</strong>licher Liebe und Eintracht, wenn <strong>der</strong><br />

engherzige und, geizige H er Z°9 ® rn ft Ludwig, wie in <strong>der</strong> fjolgegeit öfter<br />

geschah, ö °n Schwerin dazu angestachelt, feinem emporstrebenden Bru<strong>der</strong><br />

allerhand Schwierigkeiten in den Weg legte. ES ist darum wesentlich<br />

Zifeewitz'S Verdienst, daß im Laufe <strong>der</strong> nächsten Jahre mehrfach <strong>der</strong> Ausbruch<br />

heller Feindschaft zwischen den fürstlichen Brü<strong>der</strong>n vermieden ward,<br />

Wie eS ebenfalls hauptfächlich seiner Besonnenheit zu danken ist, daß sich<br />

H er Z°g Johann Friedrich in den ersten, schweren Jahren feiner Regierung<br />

durch kluges und maßvolles Wesen auszeichnete. 1 )<br />

Sfteben Zifeewitz erscheint als wichtigster unb einflußreichster Rathgeber<br />

beS Fürsten Graf Lubwig von Eberstein, welcher als Pommerns stäubiger<br />

Gefanbter und Bevollmächtigter im Reiche meist am Hofe deS Kaisers ober<br />

in DreSben weilte, Wo bamals unter Kurfürst August bie Fäden ber<br />

Kaiserlichen Politik zusammenliefen. Enge Frennbfchaft verbanb Zife etl) ife<br />

unb Eberstein, so grundverschieden sie auch geartet waren. DieS zeitigte<br />

einen regen Briefwechsel, welcher spürst unb Laub zum Segen gebiet);<br />

jeberzeit benachrichtigte Eberstein feinen Wolgaster Freunb auf baS ausführlichste<br />

über bie jeweilige Politik unb bie Pläne beS Kaisers sowie bie<br />

Vorgänge im ^fltiä)tf während anbererfeits Zifeewitz ben Grafen über ben<br />

Stand <strong>der</strong> Dinge in Pommern unb Branbenburg, sowie in ben norbifchen<br />

Läubern und Polen unterrichtete. So arbeiteten Beide H a nb in Hand<br />

unb waren in ber Lage, \Ut^ rechtzeitig zum Nutzen i()rer Landesherren<br />

die nöt()igen Vorkehrungen ^n treffen. 2 ) Der Verkehr uud die Verhaudlungen<br />

mit dem. polnischen Hofe blieben dem trefflichen unb hochbegabten Henning<br />

vom Wölbe, AnbreaS von Borcke, bem Stettinischen Kanzler Dr. Otto<br />

unb Eitfstebt überlassen, wenn z^ar auch hierin Zi£ e * ü i&^ nnb Eberstein'S<br />

*) Abgesehen Von ben zahllosen, in ben verschiedenen Akten, beson<strong>der</strong>s<br />

Wolg. Arch. Tit. 10. SWr. 11. Tit. 39. Rr. 23 unb ©tett. Arch. P. I. Tit. 53.<br />

Rr. 24, zerstreuten Briefen Zitzewitz'S an Jotjann Friedrich erbringen hierfür ben<br />

besten Beweis Zifcetoitz'S gesammelte streng vertrauliche Schreiben unb Berichte in<br />

Bohlen'S Sammlung Rr. 156, welche meist den Vermerk „eigenhändig" ober „Von<br />

©. F. G. allein zu erbrechen" tragen.<br />

2 ) Ueber Zitzetoifc'S, Graf Eberstein'S und Herzog Johann Friedrichs ©d&rift*<br />

Wechsel vgl beson<strong>der</strong>s St. Arch. P. L Tit. 7. 9?r. 16. W. Arch. Tit. 10. 9?r. 11.<br />

Bo^len'fche (Sammlung Rr. 130. 156. 163. Charakteristisch ist bie (Stelle auS beS<br />

Herzogs Brief d. d. Gutzkow 11. März 1569 an Eberstein und Ziöewitz:<br />

sinnend, Euch hinferner nit aöetne bisse Vortrauwliche (womit bie Abbikatton<br />

Barium b. Ä. gemeint ist; vergl. später), funber aöe anbeten fachen, feo zw wolstanbe<br />

beS vatterlanbeS Vnb gemeiner wolfart gereichen, im besten vaÜet befohlen feien lassen".


Jacob von Zitzewifc. 225<br />

Rath nicht min<strong>der</strong> gehört wurde und den Ausschlag gab. Einen Beweis<br />

für des alten Kanzlers große Gewissenhaftigkeit erbringt <strong>der</strong> Umstand, daß<br />

Zttzewitz auch die vertraulichsten politischen Briefe beS Grafen, <strong>der</strong>en<br />

• Kenntniß dieser aus bestimmten Gründen mitunter noch dem Fürsten vorenthalten<br />

wissen wollte, dennoch seinem Landesherrn überantwortete, wenn<br />

er auch in solchen Fällen die Bitte daran knüpfte, daß S. F- ®. tfd»<br />

gegen den Grafen nicht vermerken lassen wollte, daß er weiter gegangen,<br />

als S. G. Befehl gelautet. 1 ) Aber gerade dies mag, von An<strong>der</strong>em abgesehen,<br />

nicht wenig zur Stärkung beS außerordentlichen Vertrauens und <strong>der</strong> Werts)*<br />

schätzung beigetragen haben, welche H er zog Johann Friedrich je länger je<br />

mehr Z^ewitz angedeihen ließ, dem nunmehr durch feine Ernennung zum<br />

„Direktor <strong>der</strong> vertrauten Händel" auch officiell die Gesammtleitung <strong>der</strong><br />

Wolgaster inneren uub äußeren Staatsverwaltung übertragen worden war.<br />

.Daß dies geschah, hat zum glücklichen Ausgange <strong>der</strong> hochbedeutfamen<br />

Ereignisse, welche sich im Laufe <strong>der</strong> nächsten Jahre zusammendrängten,<br />

nicht wenig beigetragen. Vielseitig und weit verzweigt war während dieses<br />

Zeitraumes Zifeewitz'S Thätigkeit, welche im einzelnen und ausführlicher<br />

l\x verfolgen hier unmöglich ist. Jedenfalls erheischte dieselbe eine geradezu<br />

fieberhafte Arbeitskraft und Anstrengung, weil alle Last und Verantwortung<br />

für die gleichzeitig mit den brandenburgischen Fürsten, den Königen von<br />

Polen und Dänemark und die von den Herzogen untereinan<strong>der</strong> geführten<br />

Verhandlungen fast auf ihm allein ruhten.<br />

Jm Februar 1568 wurde in Wolgast <strong>der</strong> erste Landtag unter dem<br />

neuen Regiment abgehalten. Wichtige GefetzeSvorlagen, insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Bestätigung <strong>der</strong> ständischen Privilegien durch die jungen Fürsten kamen<br />

auf demselben zur Verabschiedung. Hatte Zifeewitz erst für die herzogliche<br />

Regierung die Vorbereitungen znm Landtage treffen müssen, so ward er<br />

auf demselben wie<strong>der</strong>um von ben Ständen gewählt, um <strong>der</strong>en Antwort<br />

auf die vom Kauzler vorgetragene fürstliche Eypofition wegen ber jüngst<br />

geregelten Regierungsform, ber H°K Gerichts* unb Kirchenorbnung, bie<br />

Bitten ber Ritterschaft u. a. m. zu ertheilen. Außerbem warb er von ben<br />

Stänben an Baltzer vom Wolbe'S Stelle zum Obereinnehmer am Lanbkasten<br />

erwählt. 2 ) Jm weiteren Verlaufe bieseS Jahres finben wir Zifeewitz mehrfach<br />

mit politischen Missionen in Berlin. So würbe er nebst Graf Eberstein<br />

unb Schwerin im Juni mit umfangreichen Jnstruktionen dorthin entfenbet,<br />

*) (So z- B. Eberftein'S geheimer Bericht an Zitzetoitz d. d. ReueS Strenoeff<br />

5 9Ketlen Vor Praga 13. (September 1568 und Zitzetottz'S Schreiben an ben Herzog<br />

d. d. Anklam 26. (September. Boljlen'fche (Sammlung Rr. 156.<br />

2 ) Zitzewifc'S Berichte an ben Herzog d. d. (Stettin 25. Januar, d. d. Vor=<br />

werk vor LafSan 22. Februar 1566. Bohlen'fche Sammlung Rr. 156. „Antwort<br />

ber (Stäube auf getane Exposition" Von Zitzermtz am 11. Februar Vorgetragen.<br />

SBoIß. Arch. Tit. 39. Rr. 23. — Abfchieb Vom 14. Februar bet Dauert,<br />

Samml. I. ©. 508 u. f., II. ©. 813 u. f.<br />

öalttfäe etubicn Sfc. 3- I. 15


226 ^stcob Von<br />

um daselbst im Auftrage <strong>der</strong> pommerfchen Herzoge mit Kurfürst Joachim<br />

und dessen Räthen die im Jahre zuvor wegen Einführung <strong>der</strong> Reciprocität<br />

des bisherigen ErbvertrageS angeknüpften Verhandlungen weiterzuführen<br />

und gleichzeitig auf eine Aen<strong>der</strong>nng <strong>der</strong> handelsfeindlichen Politik Brandenburgs<br />

hinzuwirken. Sftach wie Vor standen <strong>der</strong> Kurprinz und <strong>der</strong> einflußreiche<br />

Georg von Blauesenburg diesem Anliegen wohlwollend gegenüber;<br />

da sich jedoch Joachim mit <strong>der</strong> Von Pommerns Fürsten gewünschten<br />

Neuerung 'nicht in demselben Maße befreunden konnte, außerdem gleich<br />

HanS von Küstrin weniger denn je daran dachte, seinen handelspolitischen<br />

Plänen zu entsagen, blieb die Sendung im Wesentlichen ohne den erhofften<br />

Erfolg. 1 ) Nebenher liefen die Verhandlungen mit Polen, wohin auf<br />

Zitzewitz'S Rath H er zog Johann Friedrich'S Bru<strong>der</strong> Ernst Ludwig in<br />

eigener Person und am 1. August Henning vom Wolde und Andreas<br />

von Borde geschickt worden waren, um in König August SigiSmund eine<br />

Stütze gegen Brandenburg zu gewinnen. Diese Mission war infofern von<br />

besserem Erfolge begleitet, als die im Dezember zurückgekehrten Gesandten<br />

bie Bereitwilligkeit des Polenkönigs, gegen eine Geldanleihe Pommern feine<br />

Hülfe gewähren ju wollen, verkünden konnten. 2 )<br />

Etwa um dieselbe Zeit hatte Johann Friedrich Zife e)l) ife nnd Eberstein<br />

im geheimsten Vertrauen ersucht, über eine für ihn geeignete Gemahlin<br />

schlüssig ju werden. Während <strong>der</strong> Graf eine kurfächsifche Prinzessin in<br />

Vorschlag brachte, empfahl Zife eU) iÖ aus Z^ecfmäßigkeitSgründen die Verbindung<br />

mit einer Tochter Johann Georg'S von Brandenburg. Wohl<br />

in F°f9 e <strong>der</strong> großen politischen Tragweite fand dieser Rath den Betfall<br />

des H er ZogS, welcher im September Zifeewitz mit weitreichen<strong>der</strong> Vollmacht<br />

Zur Einleitung <strong>der</strong> nöthigen Verhandlungen nach Berlin schickte, später<br />

persönlich dorthin nachfolgte und im Oktober zu Z e ^lin mit seinem<br />

Zukünftigen Schwiegervater zusammentraf. 3 )<br />

ilnterdeß waren nach vielfachen Verhandluugen <strong>der</strong> Fürsten mit den<br />

Vertretern <strong>der</strong> Ritterschaft und Städte, welche Zifeewitz vermitteln mußte,<br />

die Berathungen wegen <strong>der</strong> Bewilligung <strong>der</strong> polnischen Geldfor<strong>der</strong>ung z u<br />

Ende geführt. Eile erschien dringend geboten, weil auch die brandenburgifchen<br />

Herren sich um die Gunst August SigiSmund'S bewarben. So<br />

ward denn im Dezember eine Versammlung <strong>der</strong> bedeutendsten H°f- und<br />

fotirie bet ©enbboten ber ©täbte betber Fürstentümer nach<br />

*) Jnstruktton für Eberstein, 8it$mi% und Schwerin d. d. (Stettin 26. Juni<br />

1568.


Jacob von 8tfietotfc. 227<br />

Uetfermünde berufen, welche für Pommerns Zukunft Beschlüsse von weittragen<strong>der</strong><br />

Bedeutuug zeitigte. Ueber die Berathung wegen <strong>der</strong> Sicherung<br />

des Landes gegen die zoll- und handelspolitischen Pläne Kurfürst Joachim'S,<br />

welcher sich kürzlich nach Vollzug deS alten SuccefsionSvertrageS durch<br />

die Wolgaster H er


228 Jacob von Z^etnitz.<br />

reichen mecklenburgischen Edelmannes, sowie Joachim V. d. Sdjulenburg'S,<br />

Jürgen von Blantfenburg'S, etlicher Quttzow's, Bredow'S und an<strong>der</strong>er einflußreicher<br />

märkischer Edler, brachte er bis zum 20. September desselben<br />

JahreS das Geld auf und ließ eS durch Vermittelung <strong>der</strong> Danziger Loitze<br />

nach Polen abführen. Damit aber war für ihn dieser Geldhandel keines*<br />

wegS erledigt, vielmehr ward ihm für die F°l9 e auch allein die Verrechnung<br />

<strong>der</strong> einzelnen Summen, das Einziehen <strong>der</strong> Zinsen und die Gestellung<br />

neuer Bürgen, ba ein Theil <strong>der</strong> ursprünglichen ihre Verpflichtungen bald<br />

kündigte, überlassen, was nicht atiein schwierige, jeitraubende Verhandlungen<br />

mit den verschiedensten Personen in Pommern, Brandenburg, Mecklenburg<br />

und Polen nöthig machte, son<strong>der</strong>n ihm auch den H a ß vieler Menschen<br />

eintrug, die sich geschädigt o<strong>der</strong> zurückgesetzt glaubten. 1 ) Um aber die<br />

Größe <strong>der</strong> Zifcewik hierdurch gestellten Aufgabe voll verstehen zu können,<br />

muß erwähnt werden, daß er beson<strong>der</strong>s in dieser Sache fast ganz auf<br />

feine eigenen Kräfte angewiesen war. Dies erhellt am besten aus einer<br />

Beschwerde, welche er im Januar dem H er Z09e Johann Friedrich ^n unterbreiten<br />

gezwungen war. Danach hatte sich <strong>der</strong> Wolgaster Rentmeister gerade<br />

in <strong>der</strong> Zeit, als feine Unabkömmlichkeit am größten war und die ^n Anklam<br />

gefaßten Beschlüsse ihrer schleunigsten Ausführung harrten, ju feinem persönlichen<br />

Vergnügen mit Meute und Jungen ohne Urlaub auf acht Tage nach<br />

Aylbed jur Jagd begeben, sämmtliche Geschäfte unerledigt zurücklassend.<br />

Empört über die Gewissenlosigkeit for<strong>der</strong>te ihn Z^ewitz mehrfach jur<br />

Rückkehr auf, ohne jedoch einer Antwort gewürdigt in werden. Bitter<br />

beklagt sich <strong>der</strong> alte Kanzler über ihn und meinte refignirt: „Mueß Jne<br />

atßo feinen Hern sein vnd seiner luft aus warten lassen, denn mich weitter<br />

in bissen stände mitt Jne Jnzulaffen, mir billig bobenrflich vorfeldt".<br />

Statt des gewünschten Erfolges mußte Zifeewitz erleben, daß sich H er Z°g<br />

Ernst Ludwig, durch Eitfftedt beeinflußt, des nachlässigen Beamten warm<br />

annahm und ihn mit seiner „Jugend" entschuldigte. 2 ) üfticht min<strong>der</strong><br />

berfelben gebürgt, wofür er „eine churfurftliche Vertreibung vf 72000 Thaler<br />

lautende", sowie eine an<strong>der</strong>e über eine größere Anzahl Güter in Preußen gemeinsam<br />

mit den an<strong>der</strong>en Bürgen erhielt. — Dep. Lel)ttS=Arch. Tit. 9. @ect. 238. R. 1.<br />

fol. 99 u. f. ©targ. Hofgericht V. Dewifc Rr. 21.


Jacob von Zitzewife. 229<br />

erschwert wurde Zifeetoitz f^tnc Thätigkeit in <strong>der</strong> polnischen Sache durch die<br />

JnbiSkretion <strong>der</strong> Kanjleibeamten, hinter welchen sich allerdings höher gestellte<br />

Beamte verbargen. So fand er Ende Januar, nachdem die Schuldurkunde<br />

vollzogen war, ein von ihm verfaßtes sehr ausführliches Eoncept über den<br />

Von den Pommernfürsten geplanten großartigen Zug an den polnischen und<br />

den kaiserlichen H°f/ welcher noch streng geheim gehalten werden sollte und<br />

nur H er äog Johann Friedrich und wenigen Vertrauten bekannt war, in<br />

den Händen beS SekretariuS HanS Reuße. Hierüber war Z^ewitz nm<br />

so mehr bestürzt, als er ben „Zettel" selbst wohlverwahrt hatte. Aber<br />

auch diesmal blieb feine Bitte, von Reuße eine Erklärung ju verlangen,<br />

wie und von wem <strong>der</strong>selbe in den Besitz des Memorandums gelangt fei<br />

und zu welchem Z^e^ unerfüllt, obwohl er warnend auf die gefährlichen<br />

Folgen aufmerksam macht, welche „solch sprengendt one befehelich" nach sich<br />

Ziehen könnte. 1 ) UebrigenS mußte Zifeewitz z ur Aufbringung <strong>der</strong> Gel<strong>der</strong><br />

und <strong>der</strong> Bürgen nicht allein in Pommern, son<strong>der</strong>n auch nach auswärts<br />

Reisen machen, für die ihn Niemand entschädigte. Mehrfach weilte er im<br />

Februar unb Märj z u Konferenzen mit ben Räthen Barnim'S in Stettin,<br />

unb balb nach Ostern sah er sich veranlaßt, zur persönlichen Rüdsprache<br />

mit Kuno von H a fy n > welcher 25000 Thaler vorgeschossen* hatte, nach<br />

Mecklenburg z u reisen. Er benutzte tiefe Gelegenheit gleichzeitig jur<br />

Erfüllung beS iljm auf betn Anklamer Tage von Fürsten unb Stäuben<br />

ertheilten Auftrages, zur Abwehr gegen ben immer mehr überrjanb nehmenben<br />

Wucher ein Gefetz auszuarbeiten unb sich mit ben Nachbarstaaten, Polen<br />

einbegriffen, über gleichzeitiges unb geschlossenes Vorgehen gegen biefeS Uebel<br />

ins Einvernehmen ju setzen, inbem er in Güftrow mit ben Herzogen<br />

HanS Albrecht unb Magnus über gemeinsam vorzunehmenbe Schritte<br />

berieth- 2 )<br />

Anfangs April beS für bie Geschichte Pommerns in mehrfacher<br />

Hinficht so ereignißvollen JarjreS 1569 begannen in Stettin bie Vorberathungen<br />

ju bem Lanbtage von Wollin. Sticht bloß bie enbgültige<br />

Verschiebung ber wichtigsten, feit Jahrzehnten auf jeber LanbtagSorbnung<br />

stehenben GefetzeSVorlagen, als Münj- unb Polizeiorbnung, Regelung ber<br />

Bestimmungen über bie Besetzung ber Jungfrauenklöster unb anbereS tagen<br />

zur letztmaligen Berathung vor, fonbern auch bie Verjichtleistung beS alten,<br />

regierungSmüben HerjogS Barnim ju Gunsten seines thatkräftigen Steffen<br />

Johann Friebrich. Schon geraume Zeit vorher waren beswegen Verrjanblungen<br />

zwischen ben beteiligten Fürsten burch Zifeewitz gepflogen, aber,<br />

burch frühere Vorgänge gewitzigt, so geheim gehalten worben, baß außer<br />

*) Zitzewttz'S Bericht an den Herzog d. d. Ueckermünbe 20. Februar. A. a. D.<br />

2 ) Auftrag ber Herzoge unb Erebenzbrief für Zitzeroitz d. d. 24. Januar 1569.<br />

©tett. Arch. P. I. Tit. 53. Rr. 24. Wolg. Arch. Tit. 10. Rr. 11. Die Reife war<br />

auf Oculi geplant, fanb aber erst nach Ostern statt.


230 Jacob Von Zi<br />

den Fürsten, Z^ewitz, Henning Vom Wölbe und Graf Eberstein Niemand<br />

an<strong>der</strong>es darum wußte. Erst am 30. März, z u welchem Tage H er Sog<br />

Johann Friedrich im Auftrage deS Oheims feine Wolgaster Brü<strong>der</strong> „nebst<br />

etzlichen weinigen geheimen vortrauweten vnb Vorfchuigenen perßonen vnb<br />

Rheten" zur Zusammenkunft und Berathung einer Sache, an welcher<br />

„allerseits fürstlichen perfonen, regierung, land vnb leutten gelegen, bie nit<br />

woll vorzugk leiben funnen" in baS Kloster zu Jasenitz gelaben hatte, waren<br />

Eicfstedt unb Schwerin in bit Angelegenheit eingeweiht worben. 1 ) Unum*<br />

wunben erkannten gelegentlich beS Stettiner Räthetages bk hocherfreuten<br />

Wolgaster Herren Z^ewi^S vielfältige Verbienste um sie unb ihren Ort<br />

an, suchten sich bieselben aber, weil Zi£ewitz bereits mehrfach feine Entlassung<br />

erbeten hatte, auch gleich für bie F°l9 e


Jacob von Zitzewitz. 231<br />

Vorstehenden Polinschen Zuge, wozu er vorordenet wirt, sich brauchen lassen<br />

vnd datzu aus fondrigen gnaden so wir zn feiner Perßohne tragen". 1 )<br />

Wenige Tage nach Schluß <strong>der</strong> Rätheversammlung fuhr Zifeewitz mit<br />

einer sehr langen und ausführlichen Verhaltungsvorschrift nach Berlin jum<br />

Markgrafen Johann Georg, welchem inzwischen von seinem alten Vater<br />

die Fügung <strong>der</strong> Regierung übertragen worden war, um unter den nunmehr<br />

wesentlich zn Pommerns Gunsten verän<strong>der</strong>ten Verhältnissen von<br />

Reuem über ben Abschluß des ReciprocitätS-ErbvertrageS zwischen den<br />

fürstlichen Häufern von Brandenburg und Pommern zu verhandeln. 2 ) Und<br />

diesmal kam <strong>der</strong>selbe, wenn einstweilen auch noch streng geheim unb unter<br />

allerlei Vorbehalt, Einwendungen des alten Kurfürsten und ohne Wissen<br />

<strong>der</strong> betheiligten Agnaten, glücklich zu Stande, indem unfern H er Z 0 9en baS<br />

HeimfaltSrecht auf bie üfteumark von Johann Georg zugestanden wurde.<br />

Freilich konnte <strong>der</strong> Kaiser, an welchen auf ZifeeWitz'S Rath bereits im<br />

Dezember beffelben JafjreS eine Gesandschaft <strong>der</strong> pommerschen Herzoge<br />

abging, um von ihm eine Bestätigung deS abgeschlossenen ErbvertrageS<br />

ZU erwirken, unter den obwaltenden Umständen solche noch nicht ertheilen. 3 )<br />

Sftach seiner Rückkehr leitete Zifee^ife die am 15. Mai beginnenden<br />

Verhandlungen des Landtages von Wollin, welchem am 9. Mai eine letztmalige<br />

Vorberathung des großen Ausschusses und des RäthekoüegiumS<br />

bei<strong>der</strong> Orte in Stettin vorausgegangen war. Auf demselben leistete H er Z°9<br />

Barnim unter genau festgestellten Bedingungen öffentlich auf die Regierung<br />

deS Stettiner Herzogtums Verzicht und übertrug dieselbe seinem jugendlichen<br />

Reffen, Herzog Johann Friedrich von Wolgast, auch wurden alle bisher<br />

unerledigten Gesetzesvorlagen verabschiedet und publtgtrt. 4 ) Bald danach<br />

1 ). d. d. Stettin am Montag nach Palmarum (4. April) 1569. Handschriften<br />

n. 6. fol. 116 u. f. d. d. Vorwerk 20. Februar hatte Zißetmtz um bie AngefaHS=<br />

Verfchreibung gebeten. Bohlen'fche ©anttnl. Rr. 156. — d. d. Wolgaft 8. März war<br />

ihm bereits baS durch ben Tob Konrab Von Kremtzoro'S erlebtöte HauS an ber Marien*<br />

kirche zu «Stettin von ben Wolgafter Herzogen verliefen worben. Dep. 8. A. Tit 9.<br />

©. 238. Rr. 1. fol. 128v.<br />

2 ) Die Jnftruktion für Zitzewitz würbe bereits am 14. März zu Wolgaft<br />

abgefaßt, bie Reife selbst fanb aber erst fünf Wochen später, Wohl im Anschluß an<br />

bie nach Mecklenburg, statt, d. d. Anklam Dienstags in ben heiligen Ostern<br />

(12. April) berichtet Zitzewitz ben Fürsten, baß er „am neuesten Freitage gegen<br />

Mittags zum ©erlitte sein wolle" unb Wölbe melbet er am 22. April nach Polen,<br />

„bie anberen fachen" seien Vergangenen Montag (18. April) nach Gefallen zu Berlin<br />

Verrichtet, ©tctt. Arch. P. I. Tit. 7. Rr. 3., Tit. 75. Rr. 31., Bohl. @. Rr. 156.<br />

3 ) Erste Entscheibung beS Kaisers d. d. Prag 20. Januar 1570. Die<br />

Gefanbschaft kam in Folge ber kostbaren Verehrungen ben Herzogen theuer zu stehen,<br />

©tett. Arch. P. I. Tit. 7. Rr. 13. 16.<br />

4 ) LaubtagSöerhanblungen unb Abfchieb d. d. Wollin 23. Mai. Wolg. Arch.<br />

Tit. 37. Rr. 25. — Gebr. bei Dal)nert, ©amml. L @. 259 u. f., ©. 515 u. f. —<br />

Veröl, ferner Barthotb IV 2 . @. 376 u. f.


232 Jacob Von<br />

reiste er /über Rostod nach Obensee in Dänemark, um bafelbst mit ben<br />

Abgesandten von Sachsen, Jessen, Mecklenburg, Dänemark, Lübeck und<br />

Polen über etwaige friedliche Lösung beS allmählich feinem Enbe entgegengehenben<br />

bänifch-fchwebifchen Krieges zu berathschlagen. 1 )<br />

Sehnlichst Warb inzwischen daheim Zifcetoi^ Rückkunft erwartet unb<br />

als so wichtig unb unbebingt nöthig feine Person betrachtet, baß man ben<br />

Vollzug beS fürstlichen Erbvergleichs, welcher bereits im Juni stattfinben<br />

sollte, bis ju feiner Heimkehr verschob. 2 ) Gleich nach berfefben würbe am<br />

25. Juli gu Jafenitz ber Vertrag in Gegenwart sämmtlicher Herzoge,<br />

Räthe unb Lanbftänbe in feierlicher Weife vollzogen. Mit dltäjt sagt<br />

Bartfjolb von bemselben, baß er in so leichter, verstänbiger, Z^ift ö °rbeugenber,<br />

auf baS Wohl beS Ganzen ^ingtelenber Weife verfaßt fei, baß<br />

wir bie Unterhändler bewunbern müssen; nur ist bieS weniger baS Werf<br />

Schwerin'S, als vielmehr im Wesentlichsten baS Qtyttvi%$, sowie Graf<br />

Eberstein'S unb Wölbet. 3 ) Jm August trat H er 3°g Johann Friebrich<br />

bie Regierung über baS H er Z°9t^nm Pommern-Stettin an, tofifjrenb in<br />

Wolgast an feiner Statt ber engherzige unb kleinlich gesinnte Ernst Lubwig,<br />

Philipp'S britter Sohn, baS Scepter ergriff.<br />

Mit vielfältiger Bitte lag ersterer feinem bisherigen, bewährten<br />

Berather an, ihm nach Stettin zn folgen. Lange wiberstrebte Z^ewitz<br />

und wandte alles Mögliche Vor, vermochte aber auf bie Dauer sich nicht<br />

ben Wünschen biefeS Fürsten zn entziehen, welcher ihm ein gütiger unb<br />

folgsamer Herr gewesen. Vorsichtig machte er feinen Uebertritt in ben<br />

Stettinifchen Dienst von ber auSbrüdlichen schriftlichen Erklärung beS<br />

Wolgaster Fürsten abhängig unb ließ sich, burch bie früheren Vorgänge<br />

gewitzigt, von H er 3°9 Johann Friebrich auf beffen fürstliches Wort zusagen<br />

unb Versichern, baß biefer sich selbst beS fürstlichen Amtes annehmen unb<br />

eS pflichtgemäß verwalten, alle von Zifce^ ä u beS Fürsten unb beS LanbeS<br />

üftutz unb Bestem ertheilten Befehle bekräftigen, auf beren unbebingter Sjftadjachtung<br />

„vberftrengiglich vnb vljest" halten, äße Aemter mit bazu tauglichen<br />

Personen bestellen unb niemals ben Verläumbungen unb Angriffen feines treuen<br />

Dieners Gehör geben, vielmehr tiefen in feinen Schutz unb Schirm nehmen<br />

wolle. Erst nachbetn ber Herzog biefeS alles gelobt hatte, gab Zifeewitz nach<br />

unb ward dafür „vor einen Vornemen Radt vnd hauptmann zu Alten-Stettin<br />

*) Zitzewitz'S Berichte an Johann Friedrich d. d. Obenfee 28. Juni u. f.<br />

Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 25. Tit. 10. Rr. 11.<br />

3 ) Die Rätfje waren auf den 26. Juni uerfdjrieben, doch konnte Z^ewttz erst<br />

Anfang Juli von Obenfee zurückkehren. Da Herzog Johann Friedrich ofjne beffen<br />

Anwesenheit nicht verhandeln wollte, wurde ber Tag auf Sonntag nach Margarethen<br />

(20. Juli) verschoben. A. a. O.<br />

8 ) Bartljotb IV 2 . @. 377. Däljnert'S Bibliothek III. @. 130 bis 184.<br />

Dähnert'S Samml. I ©. 515 u. f., @. 267 u. f. ©tctt. Arch. P. I. Tit. 49.<br />

SRr. 19. Vol. 2.


Jacob Von Z^tzewitz. 233<br />

bestellt, <strong>der</strong>gestalt vnd also, das ehr vff vnfere gantze fürstliche<br />

Regierunge, hoff vnb haußhaltunge nach vnS die obriste aufsicht<br />

habe". Jn <strong>der</strong> Bestallungsurkunde werden Qtyttoitfä Machtvollkommen*<br />

Reiten im Einzelnen genau beschrieben und aufgezählt: Dieselben umfassen<br />

die volle Summe <strong>der</strong> ganzen Regierungsgewalt, so daß er thatsächlich fast<br />

die gleichen Rechte ausübte, wie <strong>der</strong> Herrfcher selbst. 1 ) Während er ehedem<br />

als Wolgastifcher Kanzler und Rath Vergeblich gerathen und gemahnt, sich<br />

gemüht und abgearbeitet hatte, konnte er jetzt seine Pläne für des Fürsten<br />

und deS Vaterlandes Wohl ungehin<strong>der</strong>t in Wirklichkeit umsetzen. Damit<br />

hatte er den Gipfel feiner Laufbahn und feines Lebens erklommen.<br />

Zifeewüys Bestallung lautete zunächst auf drei Jahre; die Entlohnung<br />

war gegen früher in je<strong>der</strong> Hinficht wesentlich gebessert. Abgesehen von<br />

einem reichlichen Deputat und angemessener Besoldung, wurde ihm nach<br />

Ablauf <strong>der</strong> verpflichteten Zeit eine Ablage von 2000 Thaler o<strong>der</strong> ein Gut<br />

Von entsprechendem Werth zugesichert. AuS allem leuchtet hervor, baß ihn<br />

Herzog Johann Friedrich aufrichtig schätzte und verehrte, sowie feine Verdienste<br />

JU würdigen wußte. Auch die neuen Räthe deS Stettiner H°f e ^<br />

insbeson<strong>der</strong>e Graf Eberstein, Karsten Von Manteuffel, Andreas von Bortfe<br />

und Antonius von Z^ewitz standen Zifeewitz freundschaftlich o<strong>der</strong> verwandtschaftlich<br />

nahe. Wohl mag er deshalb aufgeathmet haben, als er dem<br />

Wolgaster Hof den Rüden kehren sonnte, wo ihm in den letzten Jahren<br />

durch die offenen und versteckten Angriffe feiner Feinde, welche bei<br />

Ernst Ludwig dieselbe Macht und den gleichen Einfluß besaßen, wie<br />

beim jungen Stettiner Herrn, daS Leben unerträglich schwer gemacht<br />

worden war.*) Abgesehen Von feinen eigenen vielfältigen Klagen erzählt<br />

uns darüber Sastrow: „Roioff Owstin'S Sohn nam Valentin V. Eichstetten<br />

Dochter zur Ehe. Daher wurdt Valentin Eitzeuitzen veindt, daS er das<br />

Dorf Vitense den Owstinen abgetrieben hatte. Ulrich Schwerin, <strong>der</strong><br />

Großhoffmeister deS Wolgastifchen HaneS, geriet!) mit Doctor Balthasar<br />

vom Wolde in Rechts gang vnb Veintfchafft Winterfeldifcher Gueter halb.<br />

*) Bestallung d. d. (Stettin 8. August 1569. Dep. L. A. Tit. 9. ©ect. 238.<br />

SRr. 1. fol. 115 bis 119.<br />

2 ) Vergl. Spaljn, @. 71. — Jn feinem Bericht d. d. Wamemünbe 18. Mai<br />

1565 klagt Zifcewifc selbst sehr bezeichnend: „Weil ich aber Vaft lange Jhar her<br />

empfunben Vnb noch teglichS spure, das aöeS, waS Jch mein leben lang schier<br />

gethan, Auch ferner vorgeben, nichts gedacht, Ja eS sey so gutt als eS wolle, wo<br />

eS nicht Vorkerlich gebeutet, baS in die Leutte gebildet Vnb wiberfochten wirb. Kan<br />

selbst nicht wissen, obS vber mich ein verrjengnuß GottS ist, ober aber auS ber<br />

Seutte funbergen Affecten, neigungen önb Vorwitze Ijerfleuft". Ein anbermal sagt<br />

er offen: „Vnb ob mir woll bie Welbt in pomntern wiberwerttg, Got E. F- G.<br />

önb <strong>der</strong>selben bruber getrosten meiner .... zu gemein, ba^ meine kin<strong>der</strong> gleich<br />

tooH meiner getrewen wilferigkeit halben nit allein r»mb Jre altueterlichen Lehenguer,<br />

fmn<strong>der</strong> Vmb alles Enbtlich kommen dardurch daS Jch die fürstlichen den meinen<br />

torfetze" etc. Bohlen'fche Samml. Rr. 156.


234 Jacob Von<br />

Sftun hielten Eitzeuitz Vnd <strong>der</strong> Vom Wolde vber einan<strong>der</strong>, gegen Eichstetten<br />

vnb Swerin, dagegen <strong>der</strong> Großhoffmeister Virich von Swerin wi<strong>der</strong> den<br />

Vom Wolde vnb Eitzuitzen; <strong>der</strong> eine tljete dem an<strong>der</strong>en zuwi<strong>der</strong>n, was er<br />

nur erbenden konnte, mit sollicher Veintfetigkeit, baS <strong>der</strong> Großhoffmeister<br />

vnd Eanntzler Eitzeuitzen znr Vorzueiuelunge brachten". 1 ) UebrigenS<br />

dürfte außer dem von Sastrow angeführten persönlichen Grunde zu Schwerin'S<br />

unb Eicfstedt'S Verhatten, Sfteib unb Eifersucht über Zifeewitz'S immer mehr<br />

erstarkenben Einfluß, welcher sie selbst schließlich ganz verschwinben ließ,<br />

nicht unerheblich mitgewirkt haben.<br />

Zunächst mußte Z^ewitz freilich noch bis Michaelis im Wolgastifchen<br />

ausharren, um bie schwebenben Geschäfte unb Gerichtssachen seines bisherigen<br />

Wirkungskreises abzuwickeln. Doch gingen fast täglich Berichte Von ihm<br />

an H er Z°9 Johann Friebrich sowie an ben Statthalter im Stift, Henning<br />

vom Wölbe, welcher ihn einstweilen in Stettin vertrat. Bemerkenswerth<br />

ist unter benselben ein sehr umfangreiches Gutachten, welches er Enbe<br />

August an H er äog Joljann Friebrich sanbte; bafselbe hanbelte über bie<br />

beseitige Lage im Reich unb ben Stanb ber evangelischen Sache, bie<br />

Zitzewitz beibe gleich gefahrvoll bünkten. Er gab beSrjalb ausführliche<br />

Anweisungen über bie Abfassung ber Jnstruktionen unb baS von ben<br />

pommerfchen Gesanbten, Welche bemnächst nach Erfurt unb Augsburg zu<br />

bem ReligionS- unb Reichstage entsenbet werben mußten, zn beobachtenbe<br />

Verhalten. 2 )<br />

Erst im Oktober trat er seine neue Stellung in Stettin an, welche<br />

ihm burch Erlebiguug ber vielen „großmächtigen Hanbel" schwer zu schaffen<br />

unb mitunter beSWegen rechte Sorge machte, weil ber junge Fürst bie<br />

Regierung so gut iu Z^ewitz'S Hänben aufbewahrt glaubte, baß er biefen<br />

anwies, bie Vorliegenben Sachen ohne weitere Rückfragen ober Berathungen<br />

mit ihm ober mil ben an<strong>der</strong>en Räthen aus eigenster Machtvollkommenheit<br />

ZU erlebigen unb bie in Frage kommenben Schriftstücke abzujenben. Die<br />

Verantwortung aber, welches bieS von ganz hervorragenbem Vertrauen<br />

Zeugenbe Vertangen in sich barg, erschien bem vorsichtigen Manne mit Red)t<br />

allzu groß, so baß er bem abwesenben Herzoge melbete, baß eS ihm zum<br />

höchsten beschwerlich falte, in solchen wichtigen Sachen ohne Jnstruktion<br />

unb oljne baß eS S. F- ®- vorhergesehen ober gebilligt hätte, zu schließen<br />

unb bie Schreiben abzuschicken. Er wolle sich nach Möglichkeit mit altem<br />

beeilen, boch müsse auf alle Fälle sowohl ber Fürst atS auch ber Wolgastische<br />

Kanzler baS von ihm Verfaßte vor Abgang gelesen unb genehmigt haben,<br />

benn solche hohen Dinge sich allein ju unternehmen, erscheine ihm unbillig,<br />

bebenklich unb sorglich. 3 )<br />

*) Sastrow in. 66. 5<br />

2 ) ZitzeWitz'S Bericht an Herzog Johann Friedrich d. d. Vorwerk Vor Lafsan<br />

26. August 1569.<br />

3 ) Zifcetoifc'S Bericht an Herzog Johann Friedrich d. d. Stettin 14. Dez. 1569.


Jacob Von Zitzettritz. 235<br />

Zu Beginn des JaljreS 1570 erkrankte Zi£ ett) ifc gelegentlich eines<br />

Aufenthaltes auf dem Vorwerk nicht unerheblich, konnte sich aber keine<br />

rechte Schonung angedeihen lassen, weil feine Anwesenheit in Stettin dringend<br />

nöthig war, er auch in <strong>Greifswald</strong>, Anklam und Wolgast mancherlei zu<br />

erledigen hatte. 1 )<br />

So kam er erst bei feiner Wie<strong>der</strong>kehr nach Stettin zur endgültigen<br />

Regelung <strong>der</strong> fürstlichen Regierung. Am 20. Februar 1570 legte er<br />

H er ä o g Johaun Friedrich ein Verzeichniß <strong>der</strong> Dinge vor, „welche in <strong>der</strong><br />

fürstlich Stettinifchen Regierung anfangs in Vertrauen, und nachher<br />

mehreren theils in vertrauten Rath 3 U stellen und sonsten in Acht zu<br />

nehmen" seien. Der Entwurf, welcher mit peinlicher Gründlichkeit selbst<br />

auf die unscheinbarsten Sachen Bedacht nahm, stellt in 70 einzelnen Punkten<br />

eine ausführliche Disposition zur Ordnung <strong>der</strong> gesammten Stettinifchen<br />

Hof^ und Staatsverwaltung, als Bestallung <strong>der</strong> Aemter, <strong>der</strong> H°fc und<br />

Landesbeamten, Regelung <strong>der</strong> Kammerfachen, <strong>der</strong> politischen, fürstlichen<br />

und gerichtlichen Händel, Abfassung <strong>der</strong> H o f°rdnung u. f. w. dar. 2 )<br />

Die Durchführung desselben war nicht leicht, weil unter An<strong>der</strong>em<br />

<strong>der</strong> alte H er zog Barnim feinen Kanzler Dr. Otto, sowie einen Theil seiner<br />

Räthe bei sich behalten hatte, eS also galt, Kanzler, Räthe und Secretarien,<br />

dann aber auch, da die neue H°f9 e ritf)tSordnung soeben erst eingeführt<br />

worden war, Gerichtsverwalter und Assessoren ausfindig zu machen und<br />

^u bestellen.<br />

Kaum war diese Arbeit zur üftotl) vollbracht, als Z^ewitz die Lösung<br />

einer neuen Aufgabe von höchster Wichtigkeit übertragen wurde.<br />

Wie früher bemerkt war, hatten feit 1566 jegliche Bemühungen<br />

Pommerns zur Herbeiführung eines Friedens jwifchen Schweden und<br />

Dänemark aufgehört, weil dieselben burchauS keinen Erfolg versprachen.<br />

Erst im Sommer des verflossenen JahreS hatte Z^ewitz gelegentlich feines<br />

Aufenthaltes in Odenfee feine alten Beziehungen mit dem dänischen H°f e<br />

wie<strong>der</strong> aufgenommen, was bort unter ben inzwischen gänzlich verän<strong>der</strong>ten<br />

Verhältnissen mit großer Freude begrüßt worden war. Bereits am<br />

24. September 1569 hatte dann König Friedrich II. Zifeewitz mit<br />

Erlaubniß <strong>der</strong> pommerfchen Fürsten z u feinem Rath &on HauS aus<br />

ernannt 3 ) und damit zu erkennen gegeben, wie willkommen ihm eine<br />

Vermittelung ber letzteren fei.<br />

Zu Enbe beS Jahres 1569 war nämlich König Erich von Schweben<br />

durch feinen Bru<strong>der</strong> Johann III. vom Throne gestürzt worden. Sein<br />

*) Bericht an ben Herzog d. d. Vorwerk vor LafSan Donnerstags nach dem<br />

©unbage Reminiscere (23. Februar) 1570.<br />

2 ) Anlage zum vorigen Bericht.<br />

3 ) d. d. Kopenhagen al;m Tage Michaelis (29. September) 1569. @t. Arch.<br />

P. I. Tit. 75. Rr. 33. Vol. I.


236 Jacob von<br />

Reich, durch den langjährigen Krieg völlig zerrüttet und geschwächt, hatte<br />

keine Aussicht, durch Fortführung ber Feinbfeligkeiten nennenswerte Erfolge<br />

Zu erzielen, weshalb <strong>der</strong> König ben Abschluß eines ehrenvollen Friedens<br />

anstrebte, sterbet würbe er lebhaft Von seinem Schwager, Kurfürst August<br />

Von Sachsen, unterstützt, welcher, ehebem ein Gönner Dänemarks, sich<br />

inzwischen in fjosge ber verwanbfchaftlichen Banbe auf Seiten SchWebenS<br />

gestellt unb sowohl ben Kaiser als auch Polen zn einer Wanblung ihrer<br />

bisher gleichfalls bänenfreunblichen Politik vermocht hatte. So war König<br />

Friebrich II. völlig isolirt unb baburch ebenfalls einem FriebenSfchluffe<br />

geneigter gemacht worben. Eifrige Verhandlungen würben im Frühjahr<br />

unb Sommer 1570 mit ben betheiligten Staaten Schweben, Polen,<br />

Dänemark unb Lübeck bttrch ben Kaiser, ben Kurfürsten von Sachsen unb<br />

bie pommerschen Fürsten zur Herbeiführung beS Friedens gepflogen. Für<br />

Pommern leitete wie früher die Verhandlungen Zifeewitz, barin verständnißvoll<br />

von Graf Eberstein, Henning vom Wölbe, Heinrich von Tormann<br />

unb Dr. Otto unterstützt. Die bamit verbunbene Arbeitslast war überaus<br />

groß, hauptfächlich in f^olge beS gewaltigen Schriftverkehrs mit allen<br />

möglichen Personen, welchen Zifeewik me ist allein erlebigen mußte. DieS<br />

nahm feine Zeit so in Anspruch, baß er ähnlich wie vor 25 Jahren Tag<br />

unb Sftacht ununterbrochen thätig war unb oft über Krankheit unb Ueberanstrengung<br />

klagte, weit sein Körper solchen Anforberungen nicht mehr<br />

gewachsen war. 1 ) Eine gewisse, bei ber schwierigen Lage ber Dinge nicht<br />

ganj ungerechtfertigte Unentfchtoffenrjeit feines Fürsten unb baS ausgesprochene<br />

Uebelwollen beS Wotgaster H er ZogS Ernst Ludwig erschwerten ihm sein mühevolles<br />

Amt dazu noch erheblich.<br />

E# würbe ^Ü weit führen, hier näher auf bie Verhanbtungen einzugehen,<br />

um so mehr, ats biefelben von anberen, inSbefonbere burch Btümrfe<br />

bereits sehr ausführlich geschil<strong>der</strong>t find. Jn F°l9 e <strong>der</strong> von ben verschiedensten<br />

Seiten angestrengten Bemühungen unb ber vom Kaiser Maximilian ben<br />

streitenden Parteien angebotenen Vermittelung erklärten sich ber König von<br />

Schweben, Polen unb Dänemark sowie Lübeck zur Beschickung eines nach<br />

Stettin anberaumten TageS bereit unb fanbten im Juli 1570 ihre Bevollmächtigten<br />

bal)in ab. Auch ber Kurfürst August von Sachsen unb ber<br />

Kaiser schickten Gefanbte; letzterer ernannte fjierju Graf Joachim Schlick,<br />

Christof von Karlowitz, KaSpar von Minkwitz unb zu seinem Hauptvertreter<br />

— ein Beweis persönlicher Wertschätzung — ben Herzog Johann Friebrich<br />

*) Zitzetottz'S Briefwechsel mit Herzog Johann Fnebrtch, Wölbe, Dr. Erakoto<br />

u. a., sowie feine Gutachten, Entwürfe, Protokolle etc. auS ben Jahren 1569 unb<br />

1570 nehmen aüein ganze Aktenstöße ein.


Jacob Von Zi^ewitz. 237<br />

von Pommern, was diesem freilich keineswegs eine beson<strong>der</strong>e Freude bereitete,<br />

weil <strong>der</strong> Kaiserliche Auftrag für Fürst unb Laub nicht unbedenklich war,<br />

vielmehr unter Umständen recht gefährliche folgen herbeiführen konnte.<br />

üttur den eindringlichen Mahnungen Zifeetoi^S und Wolbe'S, welche<br />

<strong>der</strong> Fürst um ihren Rath angegangen hatte, sowie den Bitten H er zog<br />

Barnims d. Ä. und Ernst Ludwig'S gelang eS, die Bedenken desselben zu<br />

überwinden unb ihn zur Annahme des Kaiserlichen Auftrages zu bewegen.<br />

JnSbefonbere Zitzewitz'S Hinweis barauf, baß ber Kaiser ben H cr äog zum<br />

Prtncipalkommiffar ernannt unb ihm bamit bie ganze Direktion ber<br />

Verhanblungcn übertragen habe, ihn aber auch beStjalb im Falle feiner<br />

Weigerung für baS etwaige Scheitern ber Zusammenkunft zur Verantwortung<br />

Ziehen werbe, gab ben Ausschlag.<br />

Schweren Herzens metbet ber Fürst betn Kaiser seine Willfährigkeit<br />

Zur Uebernahme beS überwiefenen Amtes. 1 ) Währenb er bann bie nächste<br />

Zeit, in ununterbrochenem Briefwechsel mit Wölbe unb Zife eiI) i^ <strong>der</strong>en<br />

Klugheit er Alles anheimstellte, 2 ) nach Branbenburg reiste uub bort verweilte,<br />

empfing ber letztere an seiner Statt bie unterbeß mit zahlreichem<br />

unb stattlichem Gefolge in Stettin eintreffeuben Gesanbten ber am Kongreß<br />

betheiligten Herrfcher.<br />

ES war nicht leicht, bei ben geringen Mitteln ber fürstlichen Kammer<br />

unb ber Dürftigkeit ber bamaligen Stabt Stettin bie fremben Herren<br />

würbig unterzubringen unb zu bewirthen. Auch bie Lösung tiefer schwierigen<br />

Aufgabe warb ausschließlich auf Zifeewife'S Schultern abgetaben. 3 ) H ie r<br />

Zeigte sich H er 5°9 ®rnst Lubwig'S Uebelwotlen unb habsüchtiger Geiz in<br />

befonberS häßlichem Lichte. Der engherzige Fürst hatte bereits gelegentlich<br />

ber am 29. Juli zu Jafenitz stattfindenden Berathung über die Haltung<br />

Pommerns auf dem bevorstehenden Kongreß, welcher er in auffälliger<br />

Weife fern blieb, H er Z°9 Johann Friedrich'S Abgeordneten, Z^ewitz, Wölbe<br />

unb Tormann, allerhanb Schwierigkeiten bereitet. Auf bie Bitten seines<br />

BruberS um Beihülfe zu ben schwer brütfenben Pflichten ber Gastlichkeit<br />

aber zeigte er sich so kleinlich, baß er trotz wieberholtem Drängen Zifeewitz'S<br />

nicht allein unter haltlosen Grünben jegliche Gelbbeisteuer, sonbern sogar<br />

bie Lieferung von Wilbpret unb Bier kurzweg ablehnte, obgleich boch gerabe<br />

J ) DaS Eoncept zu dem von Blümcke Bali. @tub. XLI. ©. 32 Anm. 5 ctttrtcn<br />

(Schreiben hat Zitzetoit* Verfaßt unb bem Herzoge mit einem 14 (Seiten langen Begleit*<br />

bericht nach Letzlingen, ht&v. Ze*lin gesandt. Tit. 17. Rr. 24. Vol. 3.<br />

2 ) Bezeichnenb hierfür ist Johann Frtebrtch'S Brief d. d. Eorltn 19. Oktober<br />

1570 an Zitzetottz unb Wölbe; barin heißt eS u. a.: „Wie ich bau meinem vnuerftanbt<br />

noch nicht anberS merke, befonberS baS SolchS Von euch Allerseits mit hoöftem Fleiß<br />

boSchicht Jm welchen Jr Ewer hohen Vorftanbt vnb boScheiben^eit nach Weytter Jn<br />

©Otts Rainen habt zu uerfal)ren". A. a. D.<br />

3 ) BefonberS machten Z^eroitz unb bem Herzoge bie Unterbringung ber vielen<br />

Pferbe großes Kopfzerbrechen. Briefwechsel 1570, Bohl, ©amml Rr. 156.


Jacob von<br />

feinem Lande am Abschluß beS Friedens am meisten gelegen war. Erst<br />

auf Etnfchretten <strong>der</strong> eigenen Unterthanen, <strong>der</strong> Städte GreifSmald, Anklam<br />

und Wotgast, bequemte er sich endlich dazu, etwas Wild und Lachse beizusteuern.<br />

Außerdem verweigerte er, Räthe feines H°fe£ am Kongreß theilnehmen<br />

^n lassen, mit <strong>der</strong> Begründung, daß ihm vom Kaiser kein diesbezüglicher<br />

Befehl zugekommen wäre. Augenscheinlich Warb dies Verhalten<br />

Ernst Ludwig'S ^n einem nicht geringen Theil durch bie Animosität seiner<br />

Rathgeber Schwerin unb Eufstebt gegen Zifee^ifc hervorgerufen, weil<br />

biefen baS vollkommene Uebergehen ihrer Personen, welcher nicht einmal in<br />

ben nebensächlichsten Dingen jener Zeit gebacht wirb, auf baS empfinblichste<br />

verletzt haben mag. Auch ber alte Barnim zeigte sich als ber gewohnte<br />

Knaufer. So kostete eS Zi6 elt) i6 unsägliche Mühe, auch nur baS üftotf)wenbigste<br />

an Gelb, 1 ) Silbergeschirr, Tapezerei, Malz unb Lebensmitteln<br />

zusammenzubringen, um bie Gefanbten würbig empfangen unb bewirthen<br />

ZU können.<br />

Unter solchen ärgerlichen Vorbereitungen war enblich in ben letzten<br />

Tagen beS August ber Zeitpunkt zur Eröffnung beS Kongresses herangekommen,<br />

zumal sich bereits alle Gefanbten mit Ausnahme ber polnischen<br />

in Stettin eingefunben hatten. Von bem jur Zeit in Rügenwalbe hofhaltenden<br />

Herzog Johann Friebrich waren bis jur feierlichen Eröffnung an<br />

seiner Statt Zifeew% Tormann unb Dr. Otto mit Führung ber Geschäfte<br />

beauftragt. Jnbeß ereigneten sich im letzten Augenblick noch Dinge, welche<br />

Zitzewitz seljr bebenklich stimmten; unter Anberem hatte er in Erfahrung<br />

gebracht, baß Dr. Otto, # er 3°9 Barnims b. Ä. alter Kanzler, heimlich<br />

in polnischem Solbe stand. Jm Verein mit Graf Sberstein unb AnbreaS<br />

Von Borcfe gelang es ihm jedoch, bis zum 28. August alle Schwierigkeiten<br />

ZU heben, so daß an diesem Tage die üblichen Formalitäten erlebigt waren<br />

unb mit ben Vorbesprechungen begonnen werben konnte, welche Zi^ewife<br />

in H er zog Johann Friebrich'S Auftrage mit ben Kaiserlidjen Kommiffarien,<br />

ben polnischen unb kurfächsifchen Vermittlern über ben ju befolgenben<br />

Geschäftsgang unb bie ben Parteien vorzufchlagenben ^nnttt zn führen hatte.<br />

Am 1. September berichtete er feinem LanbeSherrn ausführlich, baß<br />

alles erlebigt sei unb man beS Fürsten Ankunft harre. Er schlug Vor, ber<br />

Herzog möge am Tage nach seinem Einjuge, also am 3. September, bie<br />

Kaiserlichen Verorbneten ju sich jum Mahle laben, nach bemfelben sich mit<br />

ihnen über ben MobuS ber Verhanbtungen unb bie gu machenben FriedenSvorfchläge<br />

besprechen, am 4. fobann baS Ergebniß ben Sachsen unb Polen<br />

als Mitunterhänbtern auf bem Rathhaufe mittheilen unb, wenn möglich,<br />

! ) Anscheinend §at sich Herzog Johann Friedrich damals Gelb Von Werner<br />

V. b. ©chulenbnrö geliehen, wenigstens hittd Ztfcewitz d. d. Anklam 10. RoVember 1570<br />

um endlichen Vollzug <strong>der</strong> Schuldverschreibung unb ©chadloSbriefe <strong>der</strong> „12000 Daler<br />

die E. F- G. bey Werner Von ber fchulenburg behandelt". Bohl. ©amml. Rr. 156.


Jacob Von Sifeettrifc. 239<br />

noch selbigen TageS nach dem Essen, mindestens aber am 5. den Parteien<br />

ad partem ebenbort die erste Proposition durch Dr. Otto thun lassen,<br />

damit man desto eher zur Verhandlung schreiten könne. Als Protokollführer<br />

empfahl er Jurgen von Ramel, „bau Litzow ober die an<strong>der</strong>n damit nit<br />

worben fürt kunnen". Er hatte enblich zu berichten, baß ber Rath ö °n<br />

Stettin seinem LanbeSherrn bei bem Einzüge „mit 600 guten vnb wolftoffireben<br />

man mit ober one fenlein nach E. F- ®- wolgefallen auffwarten<br />

lassen wolle" unb hatte vorbehaltlich anberer Entschließung Johann Frtebrich'S<br />

angeorbnet, baß bieselben eine Gasse über bie Lange-, Oberstraße, Heumarkt,<br />

Fuhrstraße bis auf ben Schloßhof bilben sollten. Am 2. September zog<br />

ber H er


240 i Jacob von<br />

es ist deshalb nicht verwun<strong>der</strong>lich, daß er bei <strong>der</strong> großen Ueberlastung<br />

seiner Kräfte und <strong>der</strong> Sorge um die Seintgen selbst körperlich schwer leidend<br />

wurde und „ntt länger vmbgefjen konnte, Medecine zu gebrauchen".<br />

Lei<strong>der</strong> nahm die Krankheit im weiteren Verlauf so zu, daß er bald<br />

längere Zeit daS Bett hüten mußte und im März 1571 schmerzlich klagte,<br />

daß eS mit ihm gar nicht mehr besser werben wolle. 1 ) Dies traf auch<br />

thatsächlich zu; z^ar trat bisweilen eine kurze Erholung ein, aber immer<br />

wie<strong>der</strong> erfolgten Rückfälle, welche eine große allgemeine Körperfchwäche herbei*<br />

führten und dadurch Veranlassung zu schweren körperlichen Unfällen gaben.<br />

Dennoch warb ihm Weber Ruhe gegönnt, noch ließ fein Pflichtgefühl<br />

eine Unterbrechung in den Regierungsgeschäften gu, obgleich baS Jahr 1571<br />

nicht weniger Arbeit als das verflossene darbot.<br />

Bereits im Januar war bie vorpommerfche Ritterschaft auf bem<br />

Lanbtage zn Wolgast bei H er zog Ernst Lubwig, wohl auf Betreiben<br />

Schwerin'S unb beS Fürsten selbst, vorstellig geworben, bem Könige von<br />

Polen bie geliehenen 100000 Thaler zu künbigen, weil Weber baS ben<br />

Herzogen versprochene Gnabengelb noch bie fälligen Zinsen abgeführt worben<br />

waren unb beShalb bie Bürgen für ihr Gelb bangten. 2 ) Diese Gelegenheit<br />

benutzte nun Herzog Ernst Lubwig, um feinem H a ß gegen Z^ elt) % den<br />

Vermittler <strong>der</strong> polnischen Anleihe, sowohl in einem Schreiben an H er ä°9<br />

Barnim b. Ä., mit bem er übrigens wegen beS polnischen GelbhanbelS in<br />

heftigen Z^ift geriet!), als auch befonberS in ber Jnstruktion, welche er<br />

Eictstebt unb Schwerin zum Tage in Jafenitz ertheilte, in z^ar versteckter,<br />

aber um so häßlicherer Weise AuSbrucf ^n geben. 3 ) DaS Unheil, in<br />

welches biefe leibige Gelbangelegenheit gar balb baS ganze Lanb stürzen<br />

sollte, fing bereits an, feine Schatten vorauszuwerfen. Z^ar lehnte Herzog<br />

Johann Friebrich auf Zitzewitz'S Rath ben Antrag feines BruberS und<br />

<strong>der</strong> Wolgaster Ritterschaft, wie nicht an<strong>der</strong>s möglich, kurzweg als unausführbar<br />

ab, indem er die Befürchtungen <strong>der</strong>selben unter Hinweis auf die<br />

reichen und angesehenen Bürgen, insbeson<strong>der</strong>e die Stadt Danzig, z u beruhigen<br />

suchte. Jnnerlich aber mochte er sowohl wie Zi&ewitz keineswegs so unbesorgt<br />

fein, wie sie vorgaben. Beide mahnten deshalb mehrfach bie polnischen<br />

Unterhänbler EoSka, GenSkow, AnbreaS v. Schmarfin unb Hans Loitz in<br />

! ) Ztfcerottz'S Berichte an ben Herzog d. d. Wilbenbruch 21. August 1570,<br />

d. d. (Stettin 25. Januar, d. d. Vorwerk 4. Wlai 1571. A. a. O.<br />

2 ) Wolgaster LanbtagSverfjanblungen d. d. 24. Januar 1571. 31. a. O., au


Jacob Von Z^rottz. 241<br />

sehr energischem Tone, für die richtige Abführung <strong>der</strong> Zinsen IM sorgen,<br />

indem sie drohend auf die Beschlüsse in Wolgast hinwiesen* Jndessen blieben<br />

die Mahnungen ohne jeden Erfolg, so daß im Herbst 1571 durch Henning<br />

vom Wolde dem Präsidenten EoSka erneut mitgetheilt werden mußte, daß,<br />

wenn nicht bis Martini sämmtliche rückständigen Zinsen gezahlt seien, sich<br />

die H e rz°9e und ihre Bürgen ohne weitere Rücksicht an des polnischen<br />

Königs Bürgen schadlos halten würden, um nicht selbst in Ungelegenheiten,<br />

Schimpf und Schande zu gerathen. 1 )<br />

Steffen und HanS Loitz hatten bereits vor Ablauf des JarjreS 1570<br />

vorsichtiger Weife dem H er zoge Johann Friedrich die von ihnen für die<br />

Anleihe vorgestreckten 25000 Thaler, für welche seiner Zeit die Städte<br />

GreifSWatd, Stettin, Stargard, Stralsund und Anklam gutgesagt hatten,<br />

gekündigt; auch diese hatten sich Von weiterer Bürgschaft zurückgezogen.<br />

Durch Zi&ewitz'S Vermittelung war es indeß gelungen, beregte Summe<br />

bti Fritz und Werner von <strong>der</strong> Schulenburg aufzubringen, freilich nur unter<br />

<strong>der</strong> Bedingung, daß er selbst neben Ulrich Von Schwerin, Joachim von <strong>der</strong><br />

Schulenburg, Karsten von Manteuffet und Kuno von H a hn die ausdrücklich<br />

gefor<strong>der</strong>te Bürgschaft übernehmen würbe, üftur mit größter Mühe und<br />

nach langen vergeblichen Anstrengungen war eS ihm geglückt, Schwerin<br />

Zur Annahme <strong>der</strong>selben zu bewegen. 2 )<br />

Am schwersten drückte eS Zifeewitz, daß <strong>der</strong> Herzog immer mehr<br />

versuchte, die ganze Last <strong>der</strong> Geschäfte und damit auch jegliche Verantwortung<br />

Von sich auf seinen obersten Diener abzuwälzen, Jn ^olge <strong>der</strong> Unruhe,<br />

<strong>der</strong> Ueberljäufung mit Arbeit und Mühseligkeit war Zife etp i^ f° ^ank und<br />

elend, daß er manchmal fürchtete, liegen z u bleiben. We<strong>der</strong> war er<br />

im Stande, die ihm gestellte Zumutung zu erfüllen, noch glaubte er dieselbe<br />

dem jungen Herrn hingehen lassen z u dürfen. Er ermahnte deshalb<br />

eingedenk seiner geschworenen Pflicht und zur Entfreiung seines Gewissens<br />

*) Bei <strong>der</strong> Zinszahlung scheinen die Loitze, die Vermittler zwischen Pommern<br />

und <strong>der</strong> Krone Polen, wie so Vielfach in ihren Gelbfjänbeln, nicht immer ganz<br />

ehrlich und sauber gehandelt, vielmehr recht erhebliche Summen geschickt bei ^txiz<br />

gebracht zu haben, wofür sie banu später die ©chulb mit großer Virtuosität aus anbere<br />

abzuwälzen Verstanben. — Bereits d. d. 24. Roöember 1570 schrieb Johann Fnebrich<br />

den polnischen Unterljänblertt: „ban eS Vber zuuorftcht geschehen solte, würben wir<br />

murmböenrflich gebrungen, wie vngern wtrS auch treten, ber Kun. W. Vnb auch Viel=<br />

erwenbte ©umtna wiberumb uff Vnb loS zu kunbigen". Einstweilen becfte ber<br />

Herzog, um feines BruberS unb bessert Anhang Unwillen zu stillen, bie Zinsen auS<br />

eigenen Mitteln. A. a. O.<br />

2 ) Veröl. ©. 228. Anm. 1. — Wie lobbertg eS trotz Z^etoitz'S unablässigem<br />

Treiben in ber pommerSchen Verwaltung zuging, erhellt barauS, baß biefer noch im<br />

Ja^re 1571 bie Quittungen unb Sonstigen Urkunben betreffs ber Gelbanlethe nicht<br />

in bie bazu auf beut Lanbtage Von Anklam 1569 bestimmte Trufye legen unb Schwerin<br />

bie Schlüssel zustellen konnte, weil iljm btefe selbst noch nicht zugegangen waren!<br />

©ein bezügl. Bericht an Ernst Lubwig d. d. 10. Roöember 1570. A. a. O.<br />

SBaltifcfje ©tubten


242 Jacob von Zitzewitz.<br />

den Fürsten: „selbst alß das haupt zu bebenden, was Regierung aufs sich<br />

hatt" Hub „vmb gots E. F- ©• Gewissens gottlob erlangten fürstlichen<br />

nhamenS ruemS Vnd hohe große guts habende gaben willen (zu) gebenden,<br />

das barumme Rechenfchafft zu geben nicht außbletben werbe". 1 )<br />

Sftach Abfertigung ber pommerfchen Gesanbten zum Reichstage, auf<br />

befsen TageSorbnung bieSmat verfchiebene für Pommern schwerwiegende<br />

Angelegenheiten zur Beschlußfassung stanben, warb Zifeewitz zur Beschickung<br />

beS am 20. Mai zn Lüneburg stattfinbenben ProbationStageS ber niebersächsischen<br />

Stänbe auSerfefjen. Dringlich bat er, ihn bamit z u verschonen,<br />

weil bie Anschläge - Hanbelungen ganz ^tkvt Sachen seien,<br />

bazu sorglich unb langwierig, wie er anno 44 unb 45 erfahren, ihn<br />

auch körperliches Unvermögen an weiterem Reifen l)inbere. 2 ) Trotzbem<br />

blieb ihm bie Senbung nicht erspart. Enbe April unb Anfang Mai nämlich<br />

fanben in Stettin zwischen Z^e^fe nnb etlichen Abgefanbten beS Kurfürsten<br />

Johann Georg, ber nach beS Vaters kürzlich erfolgtem Tobe selbststänbig<br />

bie Regierung in Branbenburg übernommen hatte, letztmalige Berathungen<br />

wegen beS bereits Vereinbarten ReciprocitätS-ErbvertrageS statt. Sftachbem<br />

ber Tob alle Gegner besselben aus betn Wege geräumt, auch Sachsen unb<br />

Hessen iljre Einwilligung bazu ertheilt hatten, stanb bei ber Willfährigkeit<br />

beS branbenburgifchen Regenten dem endgültigen Abschluß nichts mehr im<br />

Wege. Um den Glanz feines Stettin er Hauses zu erhöhen und zukünftigen<br />

Jrrungen vorzubeugen, hatte H er Z°9 Johann Friedrich bei feinem Schwieger-<br />

Vater burchgefetzt, baß in den Vertrag eine Klausel eingefügt wurde, wonach<br />

sich das märkische AnfatlSrecht zunächst auf das fürstliche H a uS von<br />

Stettin-Pommern erstreckte, also diesem vor <strong>der</strong> Wolgafter Linie ein<br />

gewisser Vorzug gegeben wurde. Bei deu im Jahre 1570 in Berlin<br />

geführten Verhandlungen, weichen außer Z'feewitz und Joachim von <strong>der</strong><br />

Schulenburg noch Schwerin beigewohnt hatte, 3 ) war eine solche Son<strong>der</strong>abmachitng<br />

nicht gut anzubringen gewesen, jetzt fiel die Verständigung fel)r<br />

leicht. Freilich hat diese Klausel nach ihrer Bekanntgabe viel böfeS Blut<br />

und bitterste Feindschaft zwischen den fürstlichen Brü<strong>der</strong>n von Stettin und<br />

Wolgast erregt. 4 ) Aber we<strong>der</strong> konnte man H er Z°9 Johann Friedrich,<br />

welcher 1570 die ganzen Kosten für das Friedenswerk getragen und nach<br />

außen allein die Würde Pommerns vertreten hatte, noch Z^ewitz den<br />

*) Zitzewitz'S Schreiben an den Herzog d. d. Vorwerk Vor Laffan 4. Mai 1571.<br />

Bohlen'fche Sammlung Rr. 156.<br />

2 ) A. a. O.<br />

3 ) Jnstruktion für Z^ewitz, Schwerin und Joachim Von <strong>der</strong> ©chulenburg<br />

auf Penfun d. d. Stettin 14. April 1570. Am 28. April weilten dieselben noch<br />

in Berlin.


Jacob von 3rfeetr»i^. 243<br />

errungenen Triumph verdenken, welchen seine Klugheit zur größeren Ehre<br />

seines Fürsten über Schwerin und die Wolgaster Räthe davongetragen<br />

hatte. Am 4. Mai erreichten die Vorverhandlungen ihren Abschluß.<br />

An demselben Tage legte ctifeeimfe seinem Herrn ein ausführliches<br />

Memorandum über die Ordnung des Z u 9 e ^ Leiber fürstlicher Brü<strong>der</strong> zum<br />

brandenburgischen H°flager in Z ec *-)lin öor, too beide H er Zoge auf Johann<br />

Georg'S Bitten Freitag in Pfingsten eintreffen sollten. Jn diesem Entwürfe,<br />

welcher sich auf die Beschlüsse <strong>der</strong> Stettiner Verhandlungen gründete,<br />

beziffert Zifeewitz daS herzogliche Gefolge auf 75 Pferde, zahlreiche Kutschen,<br />

Rüstzelt-, Kammer-, Küchen- und Silberwagen. Jm Geleit sollten sich<br />

außer ihm selbst Graf Eberstein, JaSpar von Krakewitz, Schwerin, Wölbe,<br />

Karsten von Küffow, Litich von Borde und Diberich von Schwerin, sowie<br />

eine Anzahl Junker, Knechte, Arzt, Apotheker, §ofprebiger, Rentmeister,<br />

Barbier, Küchenmeister und anbete Personen beS H°ff)alts befinben. Ferner<br />

bezeichnete er genau Werth unb Beschaffenheit ber Kleinobien, welche ber<br />

Stettiner Herr feiner fürstlichen Braut, Schwiegermutter unb seinen §tt)ei<br />

Schwägerinnen mitbringen sollte, sowie bie Geschenke, welche ben kurbranbenburgifchen<br />

Räthen zu verehren seien. 1 )<br />

Sftach biesem Programm fanb benn auch Enbe Mai ber prunkljafte<br />

Zug wirklich statt. Zifeewitz beteiligte sich nicht an bemselben, sonbern<br />

reiste zunächst nach Lüneburg, wohnte als Vertreter Pommerns ben<br />

Berathungen ber Kreisstänbe bei unb begab sich erst nach Schluß beS<br />

TageS an baS Hoflager Johann Georg'S unb seiner LanbeSfürsten, wo am<br />

30. Juli 1571 bie Urkunbe vollzogen würbe, welche bem H er ä09 e Johann<br />

Friebrich unb seinen Erben jtoar nicht bie eigentliche Kurmark, wohl aber<br />

baS Anfallsrecht an bie Sfteumark nebst bem Laube Sternberg unb bie<br />

Lehnsherrschaft in Löcknitz unb Vierraben zusicherte. 2 )<br />

So war wieberum unter ctifeetoi^S Beihülfe ein Werk abgeschlossen,<br />

welches rühmlich ^n Pommerns Vortheil ausgeschlagen war. Glürfverfjeißenb<br />

hatten sich bessen Verhältnisse in wenigen Jahren umgestaltet. Ein jugenbkräftiger<br />

Regent, beseelt von Ehrgeiz unb Energie, berathen von einem treuen<br />

unb erfahrenen Diener, staub an ber Spitze beS LanbeS, bie Staatsverwaltung<br />

war burch neue Gesetzgebung wohl geregelt unb bestellt, bie beiben größten<br />

wirthschaftlichen Gegner Pommerns, Kurfürst Joachim unb Markgraf HanS,<br />

waren gestorben unb ber Ruf beS LanbeS bei ben fremben Staaten erheblich<br />

gestiegen. Viel von bem, waS Zifee^ in langjähriger mühsamer Arbeit<br />

erstrebt hatte, war in Erfüllung gegangen; er durfte hoffen, nun sein<br />

x ) Der Entwurf ist als Anlage Zitzewitz'S Schreiben Vom 4. %Rai beigefügt<br />

und in feiner Eigenart Von beson<strong>der</strong>em Jntereffe. U. A. heißt eS betreffs <strong>der</strong><br />

Geschenke: „vor bie ij Junge freulen Hasche reinliche arm benbechen".<br />

2 ) ©tctt. Ar*. P. 1. Tit. 7. Rr. 3. 7. 16. Barthotb IV 2 . ©. 383. Dauert,<br />

©amml. I. ©. 70. Die Bestätigung burch den Kaiser erfolgte erst nach vielem<br />

Bitten d. d. Wien 18. März 1574. 1. a. O. 3h. 13.<br />

16*


244 Jacob von<br />

Vaterland geordneten und glücklichen Verhältnissen entgegengehen zu sehen<br />

und selbst einen ruhigen Lebensabend zu genießen.<br />

Aber ein jäljeS Verfjängniß trieb in fast dramatischer Weife den<br />

verdienten Mann, nachdem er dies Z^l erreicht hatte, einem traurigen<br />

Untergange entgegen.<br />

IV. 3t^etoi^0 letjte febenßjaljre<br />

nnö Me mißlungene &amfd)-pmmcrsd)e ijetratlj.<br />

Während feines letzten Aufenthalts in Dänemark war Zifeewitz <strong>der</strong><br />

Gedanke gekommen, daß die Verbindung des einflußreichen jungen dänischen<br />

Königs Friedrich II. mit einer <strong>der</strong> Schwestern seines Fürsten für Pommern<br />

von erheblichem Vortheil werden könnte. Gelegentlich des Stettiner Friedenskongresses<br />

hatte sich diese Absicht bereits zu einem bestimmten plane verdichtet.<br />

Jn einer eigenhändigen, wenige Stunden vor feinem Tobe verfaßten Nie<strong>der</strong>schrift<br />

über den Ursprung und Verlauf <strong>der</strong> nachgeschif<strong>der</strong>ten Angelegenheit 1 )<br />

bezeichnet er selbst genau den beabsichtigten fttotd mit den Worten: „daS<br />

dem Fürstlichen Hauße Stettin vnb gemeinen vatterlande fast trostlich, ßun<strong>der</strong>lich<br />

bei bissen testen zeitten vnb sorglichen leufften, Auch ber kröne bennemarcfen,<br />

vnb anberen al)n ber Oftferje gesessen, guete vortrawltche Znuersicht gemehret,<br />

erljalten et ad posteros präpareret mochte werben, JS von vielen vornehmen<br />

verstorbenen, auch noch lebenben lentten offtmalS allerhanbt vnberrebunge<br />

Vernhomcn, Jch auch dafjer ßowolf mefjer vornheme leutte gebacht, wie nach<br />

gots veberlichen guetigem willen zwischen ber Kon. W. zu dennemarcfen vnb<br />

bem fürstlichen hauße Stettin pommern eine Ehcsttfftung mochte beraubest<br />

werben".<br />

Jm Verfolg bieseS Planes hatte er bereits" 1569 in Obensee flüchtig<br />

über btefe Angelegenheit mit bem mecklenburgischen H o f ma rschatl Joachim<br />

v. b. %nt)t gesprochen unb hierbei von biesem erfahren, baß befsen Fürstin,<br />

*) Kurz Vor seinem Tode Verfaßte Zitzetnitz eine umfangreiche Denk= unb<br />

RechtserttgunQSschrist auf die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen, betitelt: „©um*<br />

marische Relation ber Leidiger Vnberftanbener benschen Vnd pomerischen heuratljS<br />

hanbelunge wie die Jn ber ö e schiöt sich zugetragen". Angefügt sind Derselben<br />

sämmtliche Schriftstücke, bie in <strong>der</strong> Angelegenheit gewechselt worden stnb, ferner<br />

bk Protokolle ber KronrathSfitzungen, bk bezüglichen anberen Dokumente etc. DaS<br />

Ganze stellt ein birfleibigeS Aktenstück bar, auf baS im Rachfolgenben fn'er int Voraus<br />

Bezug genommen fei. (&tdt Arch. P- I- Tit. 75. Rr. 33. — Von bem in seiner<br />

Eigenart wohl einzig bastehenben Vorgänge foE bemnächst mit Berücksichtigung ber<br />

im (Schweriner ©taatS=Archiv befinblichen, barauf bezüglichen Akten eine ausführliche<br />

Darstedung erfolgen.


Jacob von Zitzewitz. 245<br />

Herzogin Elisabeth, eine rechte Tante des dänischen Königs, 1 ) dem Projekt<br />

sicher wohlgeneigt fein würde. Gleich nach Abschluß des Stettiner Friedens<br />

fragte dann Zifeewitz bei seinem alten Freunde, dem einflußreichen dänischen<br />

Minister Peter Oje in Kopenhagen, in vertraulicher Weife an, wie dieser<br />

über eine Vermählung feines Herrn mit einer pommerschen Prinzessin<br />

dächte. Die Antwort fiel nicht allein zustimmenb aus, son<strong>der</strong>n versprach<br />

auch Erfolg, insofern sie von einer neuen Bestallungsurkunde Friedrich's II.<br />

für ihn als Rath von HauS aus begleitet war. Gleichzeitig beschied ihn<br />

Lühe nach Anklam, um ihm mitzutheilen, daß er mit seinen Herrschaften<br />

Rüdsprache genommen, daß sowohl die H er Z°9in ate ^ r ®emaf)l <strong>der</strong><br />

Angelegenheit wohlwollend gegenüberstünden und bereit seien, dieselbe auf<br />

jede Weise zu för<strong>der</strong>n.<br />

Nunmehr legte Zitjewitz im Februar in Rügenwatde H er zo9 Johann<br />

Friedrich und dessen vertrauten Räthen den gewechselten Schriftverkehr vor<br />

mit <strong>der</strong> Bitte, zn entscheiden, ob er die Bestallung annehmen, die Sache<br />

in Mecklenburg fortfetzen und Peter Oye'S Brief beantworten sollte. Mit<br />

großer Freude bejahten <strong>der</strong> H e rz°9/ dessen Mutter und die Räthe diese<br />

Frage, weil sie mit ?üzi}t Ruhm, Ehre und Nutzen für Pommern und<br />

daS fürstliche Geschlecht aus <strong>der</strong> geplanten Verbindung erhofften. Hatten<br />

doch schon mehrere Prinzessinen aus dem Greifengeschlecht die dänische<br />

Königskrone getragen und Zifeewitz feine Geschicklichkeit in <strong>der</strong> Stiftung<br />

von vorteilhaften Heiraten bei Prinzen und Prinzessinnen feines Herrscherhauses<br />

mehrfach im Laufe <strong>der</strong> Jahre erwiesen. 2 ) Nunmehr fetzte Zifee^ife<br />

im officießen Auftrage feines Herrn die Verhandlungen mit dem mecklenburgischen<br />

Fürstenpaare und Peter Oye fort; ersteres wünschte den Besuch<br />

<strong>der</strong> Prinzessin Margarethe in Güstrow, letzterer ein Konterfei <strong>der</strong>selben<br />

für seinen König.<br />

Jn einem feierlichen Kronrath, an betn sich sämmtliche fürstlichen<br />

Brü<strong>der</strong>, die Herzogin Maria, Graf Eberftein, Tormann, Schwerin, Eidstedt,<br />

Wölbe, Manteuffel, Küssow und Z^ewitz betheiligten, würbe am 21. April<br />

1571 zu Ueckermünbc einstimmig beschlossen, baß bie weitere Regelung ber<br />

Angelegenheit H er Z°g Ulrich unb seiner Gemahlin überwiesen werben unb<br />

bte pommerschen Fürsten behufs näherer Beratschlagung in unauffälliger<br />

Weife bemnächst mit ben mecklenburgischen Herrschaften zusammentreffen<br />

*) Elisabeth, baS erste Mal Vermählt mit Magnus, bann 1556 mit dessen<br />

Vetter Ulrich, Herzog zu Mecklenburg, war bie ©chroefter König Christians III,<br />

beS VaterS Frtebrich'S II. von Dänemark.<br />

2 ) Zur Verehelichung Von Barnim'S XI. Töchtern Maria, Anna unb Dorothea<br />

mußte Zitzetüitz für bie Herzogin Anna bie betreffenben VerhaublmtQen führen, roeSljalb<br />

btefelbe einen regen (Schriftwechsel mit ihm pflegte. Auch z u ber 1569 geplanten<br />

Verlobung Barnim'S b. J. mit beS Königs von Polen Schwester mußte Zi^nntz<br />

insgeheim aüeS auSkunbfchaften unb bie nöthigen Maßregeln treffen. A. a. D.<br />

9tr. 31. Bohlen'fche Sammlung Rr. 171. 156.


246 Jacob Von 3t<br />

sollten. Jm Uebrigen wurde nach wie vor Z^ ett} ife die Weiterführung <strong>der</strong><br />

Verhandtungen mit diesen und Peter Oje überlassen, ihm aber auf seine<br />

Bitte ausdrücklich Vom ^ergoge Johann Friedrich zugesichert, baß eS ihm<br />

ju keiner Beschwerung gereichen sollte, wenn eS ja Gottes Wille und<br />

AuSerfef)ung nicht wäre, daß die Sache glücklichen Fortgang gewönne.<br />

Jm August war die Angelegenheit bereits so weit gediehen, daß<br />

Herzog Ulrich Zifeewitz, welcher damals gerade als Pommerns Gesandter<br />

auf dem Tage ^n Prenzlau weilte, 1 ) nach Heinrichshagen bestellte und<br />

demselben dort mittheilte, daß ihm <strong>der</strong> König durch feinen Kämmerer<br />

HanS Spiegel die besten Aussichten habe eröffnen, aber gleichzeitig erklären<br />

lassen, niemals heiraten zu Wollen, ohne daß er nicht feine künftige Braut<br />

vor <strong>der</strong> Verlobung mit eigenen Augen gesehen hätte. Weil nun <strong>der</strong> König<br />

dieses Jahr die beabsichtigte Reife nach Deutschland nicht ausführen könnte,<br />

fei die einzige Möglichkeit, um die Sache zn för<strong>der</strong>n, wenn er und feine<br />

Gemahlin die junge Prinzeß eine Zeit lang an ihren H°f nehmen und mit<br />

<strong>der</strong>selben zu F°lö e <strong>der</strong> Einladung ifjreS üfteffen nach Sftyköping reifen würden.<br />

Dies erschien Zitzewifc indeß bedenklich, waS er auch den H er Z 0 9en<br />

und <strong>der</strong>en Räthen keineswegs verhehlte. Aber in einem neuen Kronrath,<br />

welcher im August zu Wollin stattfand, wurde Von letzteren beschlossen,<br />

<strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung des mecklenburgischen FnrjtenpaareS nachzugeben und<br />

diesem die fernere Leitung <strong>der</strong> Sache allein zu übertragen, weil dasselbe<br />

ja in je<strong>der</strong> Weise männiglich als verläßlich, klug, aufrichtig und treu<br />

bekannt fei. Ferner ward <strong>der</strong> kttrfächfifche Hof, an dem noch immer Graf<br />

Eberstein als Gesandter weilte, für das Projekt durch Zifeewitz'S Vermittelung<br />

intereffirt. Die Gemahlin Kurfürst August'S, eine Schwester des<br />

Dänenkönigs, versprach mit lebhafter Freude, sich <strong>der</strong> Angelegenheit nach<br />

besten Kräften anzunehmen, waS sie denn auch in <strong>der</strong> Folge treulich<br />

gethan hat.<br />

Am 15. September trafen die mecklenburgischen, kurfächsifchen und<br />

pommerfchen Fürstlichkeiten, letztere in Begleitung Zifeewitz'S, in Grimnitz<br />

Zusammen, wo Kurfürst Johann Georg von Brandenburg ihnen zu Ehren<br />

ein großes Jagen veranstaltet hatte. Dort wurde das Wettere besprochen<br />

und verabredet, daß bk Prinzessin Ende September an den H°f nach<br />

Güstrow kommen, Mitte Oktober in Begleitung H er zog Ulrich'S und dessen<br />

Gemahlin nach S^yköptng zum Besuche Friedrich'S II. hinüberfahren und<br />

gleichzeitig eine pommersche Gesanbfchaft an den König entsendet werden<br />

sollte. Ju aller Eile versuchte Zi£ elt) ife auS Leipzig Juwelen und Kleinodien<br />

zum Schmucke für die Prinzessin herbeizuschaffen. 2 )<br />

! ) Am 12. August traten bort die branbenburgifchen Staube zusammen.<br />

Bericht 3i&\m$§> d. d. Prenzlau 15. August A. a. O.<br />

2 ) DieS war nicht so leicht, da in Pommern nichts zu haben war. d. d.<br />

Vorwerk Vor Laffan Mittwochs nach Michaelis (3. Oktober) 1571 empfahl beSfjalb<br />

bie Abfenbung Hegemeisters nach Leipzig-


Jacob Von Zitz e ^itz. 247<br />

Thatsächlich gelangte auch <strong>der</strong> plan so zur Ausführung. Wie<strong>der</strong><br />

Zeigte sich H er Z°9 ® rn ft Ludwig in unfürftltcher Weife. Wohl Wollte er<br />

gerne die Schwester, <strong>der</strong>en Unterhalt ihm jur Last fiel, gut versorgt wissen,<br />

doch erklärte er bestimmt, we<strong>der</strong> für Geschenke und künftiges Ehegeld noch<br />

selbst für die Vorläufig entstehenden Kosten auch nur einen Pfennig hergeben<br />

Zu wollen. 1 ) Hierin wurde er unterstützt von Schwerin, Eickstebt und<br />

Rormann, welche weniger auf baS Wohl des Ganzen, als vielmehr darauf<br />

bedacht waren, wie sie Z^ewife Unannehmlichkeiten bereiten konnten. Hierin<br />

ging Etckftedt so weit, daß er diesem wichtige, die HeirathSrjanblung betreffende<br />

Schreiben gar nicht o<strong>der</strong> fel)r Verspätet zukommen ließ, angesetzte BeratfjungStermine<br />

hinzögerte o<strong>der</strong> durch fein Fortbleiben unmöglich machte, ja sogar<br />

Zitzewitz den Beschluß <strong>der</strong> Ratssitzungen vorenthielt. Dadurch brachte er<br />

diesen mitunter in unerträgliche Lagen und verschuldete durch die absichtlich<br />

herbeigeführte Ungewißheit und die daraus entspringenden falschen Dispositionen<br />

Zi&ewitz'S zeitweilige Stockungen in den Verhandlungen. 2 ) Außerdem<br />

versuchten Schwerin und Eidstebt die Mißstimmung zutschen den fürstlichen<br />

Brü<strong>der</strong>n nicht nur nicht beizulegen, son<strong>der</strong>n verstanden vielmehr dieselbe<br />

in ihrem persönlichen Jnteresse noch mehr zu verschärfen. 3 )<br />

So blieb denn nichts An<strong>der</strong>es übrig, als baß sich H e rz°g Johann<br />

Friedrich allein mit allen Kosten belud. Während die Prinzessin Margarethe<br />

am Güstrower H°f e seilte, fanb zutschen ben pommerschen unb mecklenburgischen<br />

Herrschaften unb zwischen Peter Oye, Eberstein unb Z^ ett) ife<br />

wie nicht minber auch zutschen Herzog Ulrich unb Friebrich II. ein reger<br />

Schriftverkehr statt, welchen ber Kämmerer H a nS Spiegel vermittelte. 4 )<br />

Durch tiefen hatte ber König ben Güstrower Herrn, trotz beS kürzlich<br />

erfolgten TobeS ber Königin-Mutter, z u einem Besuch in S^yköptng<br />

auf Enbe Oktober eingelaben unb auch Zifeewitz ersucht, sich bazu einzufinben.<br />

5 ) Allerseits war man guter Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg<br />

ber Sache, lobte Z^ewitz ob seiner Verdienste um bieselbe unb ersuchte<br />

ihn, in seinen Bemühungen unablässig fortzufahren.<br />

*) Gewechselte Schreiben zwischen Johann Friedrich unb Ernst Ludwig Vom<br />

(September unb Oktober. A. a. O.<br />

2 ) Z^eroitz'S ausführlich begründete Anschuldigung in seiner Relation, nebst<br />

den entsprechenden Belegen d. d. 1. RoVember u. f. Copey mit B. Rr. 5, C. Rr. 4.,<br />

Rotul Rr. 4 u. f. AIS Zeugen für ©chwerin'S unb Eickstedt'S Verhalten nennt<br />

Zitzenntz Joachim Berckharjn, Hufen u. a.<br />

3 ) Mit Bezug darauf sagt Zitzewitz in seinem Bericht an Herzog Johann<br />

Friebrich d. d. Wolgast 18. Oktober 1571: „waS Jch zw brü<strong>der</strong>lichen warhafftigen<br />

vnd Qieichmesfigen weißen thuen V. allenthalben erinnern V. befor<strong>der</strong>n tan, daS thue<br />

Jch auß pflichten vormuegenS billig vnd hole <strong>der</strong> teuffei alle die ßo an<strong>der</strong>s<br />

wissentlichen suechen alß brü<strong>der</strong>lich vertrawen liebe Vnd einigtcit<br />

zue raden". Bohlen'sche (Sammlung Rr. 156. Vergl. auch Ant 6.<br />

4 ) Viermal war Spiegel bis zum 18. Oktober nach Güftrow herübergekommen.<br />

Tit. 75. Rr. 33.<br />

s ) (Schreiben Friedrich II. an Zitzewitz d. d. Fre<strong>der</strong>ikSborg 30. (September.


248 Jacob von Zitzewitz.<br />

Sehr schwierig war indessen beS letzteren Stellung, mancherlei an<strong>der</strong>e<br />

wichtige Geschäfte mußten unbedingt Vor feiner Abreise erledigt werden<br />

und durften nicht durch daS Heirathsprojekt leiden. Da aber bei fast allen<br />

Dingen <strong>der</strong> Wolgastische F ur ft und seine H o fräthe, welche jede Entscheidung<br />

möglichst lange hinauszögerten, mitzusprechen hatten, tvu^tt Zifeewitz oft<br />

nicht mehr aus noch ein. ffllit üittyt durfte er in seiner letzten irdischen<br />

RechtferttgungSfchrift seufzen, er müsse eS Gott befehlen und in seiner<br />

Herren Erkenntniß stellen, wie er damals überhäuft, beladen und schier<br />

Von Niemand Ratl) o<strong>der</strong> Trost gehabt, auch <strong>der</strong>, dem ju H°f e die<br />

Direktion gebührt, sich <strong>der</strong>selben entschlagen und ihm Alles allein zugeschoben<br />

hätte! Beson<strong>der</strong>s brüdte ihn die Angst um den schlechten Stand<br />

<strong>der</strong> polnischen Finanzen, welche sich immer trüber gestalteten und bereits<br />

das ganze Land beunruhigten. 1 )<br />

Mitte Oktober rüstete sich Zifee^ife ä u feiner Reise nach Dänemark;<br />

am 14. theilte er seinem Freunde Wolde fein Programm mit. Danach<br />

hatte ihm H er ä°g Ulrich geschrieben, daß die Zusammenkunft vom Könige<br />

nunmehr endgültig acht Tage nach Martini festgesetzt fei und ihn ersucht,<br />

Vorher noch zu einer letzten Berathung nach Rostod o<strong>der</strong> Warnemünde<br />

herüberzukommen. Diesem Rufe wollte er F°l9 e geben, am 3. November<br />

üftachtS wieber in Stettin eintreffen, dort drei Tage bleiben, um die vor*<br />

liegenden Amts-, Haus- und Hoffachen mit dem Rentmeister zu erledigen,<br />

und sich bann dem H er Z°9 e Zur Abreise zur Verfügung stellen. Er bat<br />

Wölbe, ihm baS beste Kleinod ^n biefer Reife, ben Bäreupelz, ferner seine<br />

Akten unb Werthfachen gut verpackt unb versiegelt, boch nicht zu Wasser,<br />

vom Vorwerk nach Stettin zu fenben unb beim Rentmetfter in Verwahrung<br />

ZU geben. 2 )<br />

Zttzewitz'S Stimmung war bamals ferjr trübe unb gebrückt. Bereits<br />

am 18. Oktober hatte er gelegentlich eines Berichtes an seinen Fürsten,<br />

welchen er mit warmen Worten zu brü<strong>der</strong>licher Einigkeit unb Versöhnung<br />

mit Ernst Ludwig ermahnte, 3 ) geklagt, baß ihm ^woll bie weit in pommern<br />

wiberwcrttg" sei, auf bie steten Angriffe (einer Wiberfacher hingewiesen<br />

*) Zitzetottz'S (Schreiben an Henning Vom Wölbe d. d. Vorwerk Vor Laffan<br />

24. Oktober 1571 und an Graf Eberftein d. d. (Stettin 13. Januar 1572. Auch<br />

Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 27 a. Verfch. O.<br />

2 ) (Schreiben an Wolde vom 24. Oktober.<br />

3 ) Wufyt bloß wegen <strong>der</strong> bet je<strong>der</strong> Gelegenheit hervortretenden Engherzigkeit<br />

und beS unglaublichen Geizes Herzogs Ernst Ludwig, Son<strong>der</strong>n auch aus manchen<br />

Vordem bereits erwähnten Grünben standen bie fürstlichen Brü<strong>der</strong> auf fel)r gespanntem<br />

Fuße, so ha^ Johann Friedrich am 26. Januar 1572 Seinem Oljeint Barnim klagte,<br />

„da aber E. L. tiermereken wurden baS biSfalS zwischen Vnferm .... bruber wie<br />

getnett tmbruberltche neigungen erfolgen, ©o muffen wirS gobt befehlen V. den lebendigen<br />

V. nachkommen dauon richten lassen verfjöffentlich wir werben, da die fachen ersitzen<br />

V. vorfeuntet, bei ber landtfchafft V. ntenniglich entschuldigt fein". Wolg. Arch.<br />

Tit. 39. 9?r. 27.


Jacob von Qi&tvify 249<br />

und den H er


250 Jacob Von Z<br />

Zur Beschaffung an<strong>der</strong>er Werthgegenstände in Stettin vorhanden war und<br />

sich Ernst Ludwig nach wie vor wi<strong>der</strong>willig Verhielt. 1 )<br />

Bald nach dem 6. November reiste Zi^ife üfcr Warnemünde, fast<br />

gleichzeitig mit den mecklenburgischen Fürstlichkeiten, nach ^yköping ab,<br />

nachdem er noch kurz zuvor H er Z°9 Johann Friedrich über die Vorliegenben<br />

RegieruugSgeschäfte eingehend unterrichtet und sich bei demselben für baS<br />

allzeit erwiesene Wohlwollen bedankt hatte; dabei machte er allerdings kein<br />

Hehl daraus, baß er Dank von seiner Mission nimmer erwarte, „wo eS<br />

Von <strong>der</strong> herrschafft sunberlich beS Wolgastifchen ortS proprio motu vnb<br />

mit Rath gemeiner Rrjete nit herfleußt". 2 )<br />

Den November verbrachte er mit H er Z°9 Ulrich, befsen Gemahlin<br />

unb ber Prinzessin Margarethe am Hofe Friedrichs II., ohne übrigens selbst<br />

in bie vertraulichen Verhanblungen, von benen ihn H er zogin Elisabeth unter<br />

allerlei Vorwänben geflissentlich fern hielt, einzugreifen. Glaubte er boch<br />

ebenso wie seine Landesherren bie Angelegenheit bei den fürstlich medlen*<br />

burgifchen Herrschaften in den benkbar besten Hauben. 3 ) AIS btefe am<br />

28. November mit bem Könige nach Schloß Fre<strong>der</strong>iksborg überfiebelten,<br />

hielt Zi£ e toi£ feine Weitere Anwesenheit in Dänemark für überflüssig und<br />

reiste über Prerow nach Pommern zurück. Ganz so hoffnungsvoll freilich,<br />

wie er ausgezogen, kehrte er nicht heim, da bie Vertröstungen Herzog<br />

Ulrich'S, baS Hinauszögern unb bie ausweichenben Antworten beS Königs<br />

sowie bie biplomatifche Kühle Peter Oye'S if)n etwas stutzig gemacht hatten. 4 )<br />

Jmmcrhtn rechnete er boch auf einen enbticheu Erfolg ber mecklenburgischen<br />

Bestrebungen unb stattete in biefem Sinne seine Relation an ben Herzog ab.<br />

Schwer krank in Folge ber Reisestrapazen unb geistig nie<strong>der</strong>geschlagen,<br />

langte Zifeewitz Anfang Dezember im Vorwerk an. Seine Bitte um einen<br />

kurzen Urlaub znr Vornahme einer Kur unb Wieberherftellung seiner<br />

Gcsuubf)eit würbe ihm vom ^ergoge Johann Friebrich wegen gänzlicher<br />

Unabkömmlichkeit abgeschlagen unb ihm bebeutet, sofort nach Stettin zu<br />

kommen, wenn er sich nur irgenb bahinzufchte"ppen vermöchte. 5 )<br />

Dieser Befcheib that ihm bitter wel), benn in ber Stacht, ba ihn beS<br />

Fürsten Befehl erreichte, hatten sich in seiner rechten Hanb „abermals bie<br />

Prälubta beS Schlages gezeigt", boch konnte bie Gefahr nochmals burch<br />

') Zifeewitz'S Vorschlag d. d. 5. Oktober.<br />

2 ) Zifeeroitz'S Bericht an Johann Friedrich d. d. Stettin 6. Rovember.<br />

3 ) Sowohl ber König und Peter Ore als Zitzetoitz, feute Fürsten unb bie<br />

kursachfifchen Herrfchaften rühmen fast in jedem Briefe ben Fleiß unb bie Treue<br />

Ulrich'S unb Elisabeth'S in ihren Bestrebungen zur Vermittelung ber Heiratlj; diese<br />

selbst versprachen stets baS Beste.<br />

4 ) Zitzewitz'S Bericht an Johann Friebrich d. d. Dantmgarten 30. RoVember<br />

©tett. Arch. P. I. Tit. 45. Rr. 63c. Z^ehntz an Peter Ore d. d. Preroto 29. Roübr.<br />

Tit. 75. Rr. 33.<br />

5 ) Herzog Johann Friebrich an Z^ewitz d. d. Stettin 5. Dezember 1571.


Jacob Von 3ifeettnfc. 251<br />

sofort angewendete Mittel beseitigt werben. Unter diesen Umständen war<br />

eS ihm nicht möglich, sofort an den H°f ä u reisen; er bat darum seine<br />

Freunde, Karsten von Manteuffel und Henning Vom Wölbe, ihn dort zu<br />

entschuldigen. 1 )<br />

Unterdessen behaupteten Herzog Ernst Ludwig und seine Räthe, obzwar<br />

noch keine Entscheidung gefallen war, bereits ganz offen, daß die HeiratrjS-<br />

Verhanblungen unglücklich verlaufen und die Prinzessin bereits auf dem<br />

Rückwege nach Barth fei. Der Wolgaster Herr machte seinem Stettiner<br />

Bru<strong>der</strong> die bittersten Vorwürfe, daß dieser sich einer Sache unterfangen<br />

habe, welche dem fürstlichen H au f e nur Schimpf und Spott und noch<br />

unnütze Kosten obendrein einbringen würbe, und unternahm, sehr verfrüht,<br />

einen Z u g nach Barth, wodurch die so lange streng geheim gehaltene<br />

Angelegenheit allgemein offenbar wurde. 2 )<br />

Lebhaft spielten bamalS bie Jntriguen Schwerin'S, Eufstebt'S, Küsfow'S<br />

und an<strong>der</strong>er Wolgaster Rätl)e gegen Zifeewitz, wie ein aus dieser Zeit<br />

ftammenber Brief Schwerin'S an Eufstebt verräth; in bemfelben brängt<br />

ber Großhofmeister, erzürnt barüber, baß ihm bie geheime Relation Zifeewitz'S<br />

nicht mitgetheilt worben fei, barauf, bei erster Gelegenheit vereint gegen<br />

ben Stettiner Hauptmann vorzugehen: „Es meuS von ben bingen Eyn<br />

mal gerett werben, ober Es wirtt nichts gutzt barauS Erfolgen". 3 )<br />

Herzog Johann Friebrich sowie Zifeewitz selbst waren mittlerweile in<br />

ihrem Glauben an einen glücklichen Ausgang ber bänischen Sache boch<br />

schwankenb geworben, schöpften aber neue Hoffnung, als Lürje Enbe<br />

Dezember aus FriebrichSburg melbete, baß bort zwar noch nichts entschieben<br />

fei unb Alles auf betn alten ^kdz stünde, daß aber doch gute Aussichten<br />

vorhanden feien, und als Friedrich II. Zttzcwitz wäljrenb beS Wci()nachtSfefteS<br />

wieberum auf ein Jahr mit schmeichelhaften Ausbrüchen zu seinem<br />

Rath bestellte. 4 )<br />

x<br />

) Zifeerüitz'S Schreiben an Wölbe unb Karsten Manteuffel d. d. Vorwerk<br />

t)or LaSSan 6. Dezember.<br />

2<br />

) (Schreiben Ernst Lubtoig'S an Johann Friedrich d. d. 23. Dezember.<br />

Sßegen beS ZugeS nach Bartl) Vgl. Zitzetoitz'S Relation.<br />

3<br />

) Schwerin an Eicfstebt d. d. 15. Dezember 1571. Der Brief ist teilweise<br />

feljr geheimnißvoll gehalten; Schwerin meldet u. A. „baS Jacob Z^eroitze Räch<br />

(Swine Gezogen V. Eyn Val pferbt geljaptt", ba^ er „Von feyner Relation nichteS<br />

Srfaren Ane ruaS Jr mir %\\) geSchryben baS berckljane Vermelbett (Sol haben". Er<br />

bittet Eicfstebt um Rachricht wegen <strong>der</strong>selben „ben bye binge numer ©o hoymltch<br />

nicht fyntt, baS Erjn gutt freunbt dem An<strong>der</strong>n dieselbe nicht tieurtrhawen mochte" etc.<br />

2BOIQ. Arch. Tit. 39. Rr. 27. Zitzewitz selbst sagt in einem Briefe an Eberftetn<br />

d. d. (Stettin 24. Dezember 1571: „Man meint eS mith mir gar auß zu machen,<br />

ber liebe Got tooüe außljelffen, ber kanS aljnt besten".<br />

*) d. d. (Schloß FriebrichSburg Mitwochs in ben H^öen Weinachten 1571.<br />

£tt: 75. Rr. 33.


252 Jacob Von Zitzewitz.<br />

So zog sich die leidige Angelegenheit ohne Entscheidung in daS neue<br />

Jahr hinüber. Aufs Aeußerfte gespannt unb durch die Ungewißheit gefoltert,<br />

Verlebten <strong>der</strong> Stettiner Fürst und fein oberster Berather böse Tage, beson<strong>der</strong>s<br />

als feit Ende Dezember mit einem Male jede Nachricht Von Dänemark<br />

ausblieb. Später drang durch reisende Kaufleute baS Gerücht zu Zifeewitz,<br />

ber König wolle mit einem stattlichen Gefolge von 200 Reitern H er Z°9<br />

Ulrich baS Geleite geben unb um Fastnacht in %übtd mit betn Kurfürsten<br />

von Sachsen unb anberen Herren zusammentreffen. DieS beutete er günstig<br />

unb bankte am 14. Januar in einem langen Schreiben betn mecklenburgischen<br />

Herzog unb bessen Gattin für ihre Bemühungen, ihre große Treue unb<br />

angewandten Fleiß unb bemerkte nebenher, baß bie Kurfürstin von Sachsen<br />

entsetzt sei, weil bie Angelegenheit noch nicht entschieben wäre.<br />

Zum 29. Januar war nach Jasenitz eine Zusammenkunft ber<br />

Räthe beiber H^f e berufen worben. Wichtige Dinge, insbeson<strong>der</strong>e bie<br />

Beschlußfassung über baS weitere Verhalten betreffs ber polnischen Anleihe,<br />

stanben auf ber TageSorbnung. 1 ) Gebrückt sah Zife e ü% welcher immer<br />

noch nicht genesen war, bieser Berathung entgegen. Seiner Stimmung<br />

gab er in einem Briefe an Graf Eberstein AuSbrud, betn er klagte, baß man<br />

zwar beS Wolgastischen DrtS stets ben Vortheil haben, aber alle Bürben<br />

auf Stettin schieben unb bann mit Unbefcheibenljeit unb auch wohl Ungnabe<br />

bie Leute noch beschweren wolle, wie eS ihm ohne Unterlaß geschehe. Wollte<br />

nur Gott, so meinte er, baß bie Vorstehenben schweren Sachen, inSbesonbere<br />

bie Angelegenheit wegen beS polnischen Gelbes, erst geregelt feien, bann<br />

könnte man von betn anberen weiter reden. 2 ) Er füllte danach, daß feine<br />

Gegner einstweilen daS Spiel gegen ihn in <strong>der</strong> Hand hatten. Diese<br />

scheinen bereits am 18. Januar genau unterrichtet gewesen zu sein, wie<br />

eS in FriebrichSburg staub, benn Schwerin schrieb eigenfjänbig an Zitzewitz,<br />

baß il)m fein „Seun Diberich berichtet, baS ber her zw ber perfone nicht<br />

geneykctt Sych auch an anbere Orter gewant baS Albo nichteS zu hosen". 3 )<br />

J ) Bereits am 29. Dezember 1571 war in Jafenifc „im geheimsten Vertrauen"<br />

wegen ber polnischen Anleihe und an<strong>der</strong>er wichtiger Dinge verhandelt worden. Jn<br />

Eickstebt'S bezüglicher Jnftruktion heißt eS betreffs <strong>der</strong> dänischen Handlung: „ttrir<br />

muffen bie ganze Sache ber Schickung beS Allmächtigen anheimstellen, hatten aber roanS<br />

nicht glücklichen Vorthganck erreichte zu Viele bruff gewenbet, anbere Vngelegenheit zu<br />

gefchtuetgen". — Bezeichnenb für H e rz°9 Ernst Lubtnig'S Charakter ist bie Jnfrruktton<br />

für Seine GeSanbten zum JaSenitzer Tage d. d. Vckermunbe 27. Januar. — Außer<br />

ZißetDttz waren noch Wölbe, Detoifc, Litich Borcke borten geschickt, boch oljne Jnftruktion,<br />

alles „ifrettt besten Verstaubt tmb habenben befeljlich" übertaffenb. Auf bem Tage<br />

hat Zi^witz viel unb lange gesprochen, nunmehr auch ber Aufkünbigung beS polnischen<br />

GelbeS zugestimmt unb befonberS bie Fürsten zur Einigkeit ermahnt. (Eickstebt'S<br />

Protokoll.) Wotg. Arch. Tit. 39. Rr. 27.<br />

2 ) Zitzewi^ an Eberftein d. d. Stettin 13. Januar 1572. Aljnenb Sagt er<br />

barin it. A. „tmb wirb ßeroiSSe M. g. l). Von polen allerley aufs wachsen". Tit. 75. Rr. 33.<br />

3 ) Schwerin an Zitzewitz d. d. Wolgast 18. Januar 1572.


Jacob Von Zitzen^. 253<br />

Lei<strong>der</strong> schenkte ßtfcetotk dieser Nachricht keinen Glauben, weil im Gegensatz<br />

Zu <strong>der</strong>selben Lül)e und Herzog Ulrich immer noch tröstliche und vertröstende<br />

Rachrichten an ihn und H er Z°9 Johann Friedrich gelangen ließen. 1 )<br />

Da, am 3. März, empfing Zifeewitz, welcher, obzwar noch immer<br />

ernstlich krank, nach Stettin geeilt war,, um die nothwendigsten Geschäfte<br />

ZU erledigen, einen Brief vom mecklenburger Herrn, in welchem ihm dieser<br />

mit kurzen Worten meldete, baß die HeirathSVermittelung endgültig gescheitert<br />

fei, weil <strong>der</strong> König die Prinzessin z^ar hochschätze und verehre, aber nicht<br />

die rechte Liebe für sie gewinnen könne. 2 ) Nebenher erreichte aber Zifeewitz<br />

das Gerücht, daß Friedrich II. sich mit ber Tochter <strong>der</strong> — mecklenburgischen<br />

Herrschaften Verlobt habe. 3 )<br />

Dieser jähe Schlag brachte Zifeewitz Völlig zur Verzweiflung;<br />

ergreifend find die Klagen, welche <strong>der</strong> geistig und körperlich gänzlich vernichtete<br />

Mann an feinen Fürsten und seinen besten Freund, den Grafen<br />

Eberstein, richtete. Ersteren bat er in einem längeren Schreiben noch am<br />

selben Tage um Verzeihung: „Ob eS nunwoll das weiß gott vom hohen<br />

himmel durch mich treulich vnb guet gemeint, vnb verhofft, weill eS mit<br />

Rath vnb aufs gnebige Vertröstung, zu Vckermunbe ßo weit gebracht JS,<br />

baS hohe perfonen sich barmit belaben, Szo hatte Jch woll ein anbereS<br />

mich vorsehen vnb im geringsten mich beffjarett, baS bie Sachen, bem<br />

fürstlichen hause zu schimpff vnb mir armen biener ztt> ßo großem vnfjetll,<br />

mit ben Meinen solte gereichen, vnb geraten vnb bitte E. f. g. wolle<br />

ßouit muglich, mich vnb bie meynen Jn gnebtgen befehelich halten vnb<br />

bitte ben Allmechttgen, berßelbe wolle mich nur ßo lange veberlichen fristen<br />

vnb erhalten, baS Jch, gemeine, auch E. f. G. sunberige Sachen ßo wull<br />

bie meinen, muge etwas in richtigkeit bringen Mich auch ßo lange gäntzlich<br />

Jnfjalten, vnb bogere benmach aufs biffer Wett ntt lenger zu bleiben".<br />

Zum Schluß flehte er in bewegten Worten ben H er äog an, seiner als<br />

„eines armen alten, nunmehr breisfig iherigen bienerS in Gnaden" z u<br />

') Zifcenntz'S Relation.<br />

2 ) Zitzewitz'S Bericht an Herzog Johann Friedrich d. d. Stettin 3. März.<br />

Bohlen'fche ©ammt. Rr. 156.<br />

3 ) ©o unglaublich hat bie Rachricht ZitzeWttz erschienen, baß er noch in feinem<br />

(Schreiben Vom 5. März sagt: „Wflit bem Mecklenburgischen fraulein kan JchS zw<br />

keinen Zotten ober Tagen glauben, ES werbe gesagt, was da wufl, barumb bitte<br />

E. F- ®. Jch Vnbertheniölich dieselbe wolle deS eigentlichen befcheibtS erwarten ehe<br />

ban man darum riebet, ban ber Teufel feyeret ntt". Bohlen'sche ©amml. Rr. 156.<br />

Ein so Qmnbeljrltcher Mensch wie Zitzewitz vermochte bie ungeheuerliche Hinterlist<br />

unb ben Betrug, ber ihm unb feinen Fürsten gespielt war, nicht zu fassen. Auch<br />

Karsten Manteuffel schreibt am 5. März entrüstet an Eberstein „baS eS zum höchsten<br />

beschwerlich, baS man Von solchen flogen leutten also sol anQefurtl) werben". Tit. 75.<br />

SRr. 33. Thatsächlich fanb bereits am 20. Juli 1572 bie Hochzeit zwischen Prinzeß<br />

©opfyie, ber Tochter Herzog Ulrich'S III. unb feiner Gemahlin Elisabeth, mit König<br />

Frifcbrtch II. statt, ©ophie war bamalS noch nicht ganz 15 Jahre alt geworben.


254 Jacob von Z^ewiß.<br />

gedenken. Jn gütiger Weife versuchte ihn dieser ^n trösten und zu beruhigen,<br />

ol)ne ihn auch nur einen Augenblick Ungnade ober Uebelwollen füljlen zu<br />

lassen. Tief rührte Zife e)I) ife die Güte des Herrschers, aber zuviel stürmte<br />

jetzt auf ihn herein. Denn offen erhoben nunmehr H er ä 0 9 Ernst Ludwig<br />

und dessen Anhang sowie Zifeewitz'S sonstige Gegner im Wolgaster und<br />

Stettiner Ort ihre Stimmen und beschuldigten ausschließlich chn als<br />

Anstifter, welcher unauslöschliche Schmach und Schande auf Fürsten und<br />

Land gehäuft habe. Auch für daS in ^olge <strong>der</strong> polnischen Anleihe drohend<br />

über Pommern hängende Unheil, dessen Einbruch man jeden Tag erwarten<br />

mußte, zieh man wolgastischerseitS Z^ewitz <strong>der</strong> alleinigen Urheberschaft. 1 )<br />

Diese Anklagen, so haltlos sie auch waren, vermochte <strong>der</strong> gequälte<br />

Mann um so weniger zu ertragen, als er in feiner übergroßen Gewissenhaftigkeit<br />

thatsächlich an ein gewisses Verschulden seinerseits glaubte, wie aus<br />

einer Bemerkung in einem Briefe an Eberstein hervorgeht. Er habe gegen<br />

Gott hart gesündigt, indem er sich in den Sachen, die von Gott herrühren,<br />

auf Menschen gar zu sehr verlassen habe. Eine große innere Angst<br />

bemächtigte sich feiner. Fast ohne Unterbrechung arbeitete er Tag und<br />

üftacht an <strong>der</strong> Erledigung <strong>der</strong> vorliegenden fürstlichen und seiner eigenen<br />

Geschäfte, ordnete Alles in bester Weife und verfaßte schließlich noch eine<br />

„Summarische Retatio <strong>der</strong> leidigen vn<strong>der</strong>standenen denschen vnd pomrifchen<br />

heuratl)S handeluuge wie die Jn <strong>der</strong> gefchigt sich zugetragen", in welcher<br />

er die Angelegenheit von Anfang bis zu Ende eingehend beschrieb und<br />

Alles mit Anfügung <strong>der</strong> entsprechenden Urkunden, Briefe, Berichte u. f. w.<br />

belegte, um sich hierdurch gegen die Verdächtigungen feiner Gegner zu<br />

rechtfertigen. 2 ) Der Schluß dieses Dokuments, charakteristisch in jedem<br />

Wort, verdient hier Platz zu finden; er lautet: „Habe Jch Jn dem gto<br />

hoech vortrawen auf solcher hohen vnd vornhemen perfonen trewe vnd fleiß<br />

Jch zu utel vnb meher alß Jch folte, gesetzett, darüber auch sonst alß ein<br />

Mensch Jn bissen fachen gefallen vnb gefundigt, daßelbe mir <strong>der</strong> allntechtige<br />

*) ©aftroro III. 66. „DaS <strong>der</strong> Großhoffmeifter (Schwerin) vnnb Eantzler<br />

(Eickstebt) Eitzeuitzen zur Vorzueifelunge, vnnb zu Stettin, dahin sie Von Herzog<br />

Ernst Ludwigen mit gar fcharffer instruetion geschickt wurden, bie Sie mit jvent<br />

muntlichem Anbringen noch hefftiger aufmutzten, dahin brachten, baS er<br />

sich selbst erstochen hat". — ©o finben auch bie Erzählungen ber zeitgenössischen<br />

Chronisten ihre Erklärung; sagt boch Joachim Webel in feinem HauSbuch ©. 245:<br />

„Dahin auch aufs seinen einigen rath baS sräulein alSfort neben iljtn, ben König<br />

zu besehen, abgeschicket, welches boch sonst keinem Von ben hoff Vnb lanbrät^en<br />

gefallen wollen — — — ist er, als ber biefe fachen allein Vor feinen kopff<br />

Vnb wi<strong>der</strong> aller anbern ratlj zu gange bracht" etc. unb betreffs ber polnischen<br />

Anleihe auf ©. 250 gar: „Ja sie (b. h- bie Loifce) haben auch bie Ijerrfchafft beS<br />

LanbeS nicht Vorbetgangen V. bk burch ihre adhaerenten vnter benen ober*<br />

lauter Jacob Zitzwitz einer mitgewesen — — baln'n bewogen, ba$<br />

sie bem König von Polen eine große summa gelbeS, tttva 100000 Thaler, Vorgesetzt".<br />

2 ) Vergl. ©. 244. Anm. 1.<br />


Jacob von Z^etottz. 255<br />

barmhertzige got ßampt allen meinen Sunden gnebigltchen vorzeigen vnb<br />

Vorgeben, vmb seines lieben ßonS Jhesu Christi genugthuung vnd bitteren<br />

Leidens willen.<br />

Die LandeSfursten vnd menechlich, vmb gotSwillen, demselben z^<br />

gnaden mich vn<strong>der</strong>werpfend vnb bofehelendt, ES wollen vorzeihen<br />

vnb bezeuge es mit got, aufs mein sterben, daS Jchs beide, <strong>der</strong><br />

Kun. W. halben nit weiniger alß des frauleinS wegen eS trewlichen vnb<br />

guet gemeinet Sonst erkenne ich mich dagegen vor einen brechlichen sun<strong>der</strong>,<br />

vorlaße mich aber dargegen aufs den vordienst Jhefu Eristt, <strong>der</strong> da alle<br />

Sunde von vnß aufs sich geladen hatt, <strong>der</strong> liebe Got, M. g. $., guette<br />

Leutte, wollen sich meiner armen Elenden betrübten Kin<strong>der</strong> mit gnaden<br />

vnd gunsten abnehmen vnd sie meiner Jo nit entgelten lassen, Jn betrachtung,<br />

waS Jch dennoch fast in 30 Jhare, vor große schuere mannichfattige nutzliche<br />

dienfte, bie mit rjinberfetzung alle des Meinen, vorzerung vnd vortl)uung<br />

beßelben getrjaen, baS meine fur<strong>der</strong>lich nu bie $t\t beS Jfeo wereubeS<br />

biensteS, tiggen lassen vnb mich Jn große wetttleufftigkeit gesetzett, baruber<br />

meine armen Kinber zu bettlern werben müssen, gemessen vnb worin Jch<br />

mich vorsehe, nit meinen armen vuschulbigen kinber nit entgelten lassen".<br />

So nahm er fast ohne jebe Bitterniß sein Schicksal als von Gott<br />

gefenbet hin. Sftur einmal brach solche burch in seinem letzten Briefe an<br />

Johann Friebrich, in welchem er für bessen Theilnahme bankte unb genaue<br />

Anweisungen über RegierungSangelegenfjetten ertheilte; ba warf er bie Frage<br />

auf, weshalb ihn Gott §tt>ei Jahre lang in tantis magnis egretudinibus<br />

laboribus et curis zu biefem Unglück aufbewahrt habe, um freilich sofort<br />

reuig hinzuzusetzen, eS fei GotleS iudicium, Fiat voluntas domini.<br />

BesonberS fieberhaft arbeitete er am 5. März; noch hatte er wo()l<br />

ber einstürmenben Verzweiflung nicht so weit statt gegeben, baß er an<br />

Selbstmorb bachte, wenn er auch in setner Kümmerniß unb Verzweiflung<br />

sich mit TobeSgebanken herumtrug. Mit rüfjrenben, herzbeweglichen Worten<br />

bat er am Morgen bieseS TageS ben in DreSben weilenben Grafen Eberftein<br />

burch einen Eilbrief, boch so schnell als möglich nach Stettin zu kommen,<br />

ba es mit ihm wie mit einem Licht auf einmal ausgehen werbe; er würbe<br />

aber fröhlicher sterben, wenn er sich noch einmal mit S. G. unterreben könnte.<br />

Der Graf möchte um beS fürstlichen HauseS unb lieben VaterlanbeS willen<br />

ihm bie letzte Gnabe unb Ehre erweisen unb ja bis zum 7. b. MtS. Nachts,<br />

wenn menschenmöglich, herüberkommen, barmt er sich mit ihm unb S. g. h-,<br />

ber morgen am 6. ankomme, besprechen könne; er fügte an, baß er hoffe,<br />

er wollte noch etwas schaffen, beut fürstlichen Hanse unb Vaterlanbe zum<br />

Guten. 1 )<br />

*) Zttzewitz an Eberftein d. d. Ganz eilenbtS (Stettin 5. Martij 1572.<br />

Tit. 75. Rr. 33. — Auch bie Angst um seine VermöQenSüerfjäitnisse, welchen durch<br />

ben offenkundig bevorstehenden Zusammenbruch ber polnischen Finanzen fast völliger


256 Jacob von<br />

Jn tödtlicher Angst mag Z^ewitz auf des Grafen Ankunft geharrt<br />

haben, denn am 8. März begannen die Sitzungen bei<strong>der</strong> Höfe in Stettin,<br />

an denen er sich betheiligen mußte. Was ihm aber bevorstand, daS wu^tt<br />

er, da H er Z°9 ®rnst Ludwig Valentin von Ettfstebt und Ulrich von Schwerin<br />

ZU seinen Vertretern abgeordnet hatte. Ueber die Verhandlungen, welche<br />

an diesem Tage stattfanden, wissen wir nichts Näheres, unzweifelhaft aber<br />

haben die Vorgänge bei denselben den bei Zifeewitz bereits keimenden<br />

Gebanken, seinem unglücklichen Leben selbst ein Ende zu machen, zum festen<br />

Entschluß erhoben, um so mehr, als feine einzige Hoffnung unb Stütze,<br />

Graf Sberftein, ausblieb. 1 )<br />

Er schickte seine Kinber unb baS Gefinbe fort, beichtete bem Prebiger<br />

unb bereitete sich gewissenhaft auf feinen Tob vor. Diesen, sowie Zifcewhys<br />

letzte Stunben beschreibt Friebeborn in feiner Geschichte ber Stabt Stettin<br />

überaus anschaulich; ber Erzählung ist um so mehr Glauben zu schenken,<br />

als bef Chronist noch ein Zeitgenosse beS traurigen Ereignisses gewesen ist.<br />

Dieselbe lautet: 2 )<br />

„Den 8. Martij, haben H ei t°9 ®rnst LubwigeS Abgefanbten,<br />

Virich von Schwerin vnb Valentin Eidstebte, aufs bem Fürstlichen Schloß<br />

allhie mit vnfern Gnebigen Fürsten vnnb herrn, hertzog Jofjan Friebrichen,<br />

vnb berofelben Vornehmen Räthen etliche Wichtige henbel tractiret bofelbst<br />

ist auch biefer Jacob ZifetoiÖ gewesen, vnb ber hanbelung ben gantzen Tag<br />

bi^, viub 5 Vhr AbenbtS, jeboch in großer schrecklicher Angst vnnb Wehmut<br />

beygewonet. Vmb 5 Vhr aber, wie er vom f)ofe gehen Wollen, hat er<br />

vnserm Gnebigen Fürsten vnb herrn hertzog Jol)an Friebrichen angesprochen,<br />

S. F- ®- gesegnet, vnnb fouiel öffentlich zuuerstehen geben, baS er ben<br />

folgeuben Tag nicht würbe Wieberkommen. S. F- ®- fyaben jhn Gnebigft<br />

Zugesprochen vnnb jhn vermahnet, folgenben Morgen wieber auffzuwarten,<br />

vnnb ben Rahtfchlegen beyzuwohnen. Damit ist er in seine herberge vom<br />

Hofe herunter gangen, vnb AnbreaS Borden ben Eltern in feine Herberge,<br />

welche er hart am h°f e , in Meister Thomas LambrechtS, Fürstlichen<br />

Ruin drohte, mag zu seiner Verzweiflung Vielleicht beigetragen haben. Vgl.<br />

Brief d. d. Stettin 5. März an Bernbt von Dewitz auf Daber wegen seines GelübbeS<br />

an Kuno von Hal)n. ©targ. Hofö^richt, V. Dewitz Rr. 21.<br />

*) Hinter Zitz e Witz J S letztes Eoncept=@chreiben Vom 5. März fycit ber ©ras<br />

d. d. 26. März eingezeichnet, ba^ ber ehrliche berühmte vornehme Mann „baß e^r<br />

so fchenblich Vnb betrueßlich Von ben leut^en Vorfueret worben" „ben 8. Martij in<br />

ber nacht auffn ©ontaa, geg^en Morgen" sich selbst umgebracht habe unb „ben<br />

10. Martij alba christlich begraben würbe". Er entfchulbigt sich bei bem Verstorbenen,<br />

baß er seiner Bitte auS eigner „Schwachheit" nicht fyaht nachkommen können unb<br />

toibmet il;m einige fromme Worte beS RachrufeS.<br />

2 ) Friebeborn^ Chronik Von t&ttttin II. @. 90 u. f. Augenscheinlich Robert<br />

Friebeborn unb Webel auS berfelben Ouetle — ber allgemeinen Erzählung im<br />

Volke — geschöpft. Jrrthümlich wbt ersterer ben 10. unb 13. März an. Joachim<br />

Von Webers Hausbuch, @. 245.


Jacob von Zifcewitz. 257<br />

Hofffchnei<strong>der</strong>S Behausung gehabt/) genöttiget, <strong>der</strong> auch bey ihm zum<br />

essen biß vmb 9 Vhr geblieben.<br />

AIS <strong>der</strong> aber seinen abscheidt von jhme genommen, soll er sich außthun<br />

haben lassen, vnd seinen dienern vnd Jungen zu hzttt gehen Geissen.<br />

Vmb Mitternacht sol er auffgestanden vnd auffS Secret gangen seyn.<br />

Folgendts ist er wie<strong>der</strong> in seine Stuben gangen, wun<strong>der</strong>bahr sich bezeiget,<br />

auch also laut vnd inniglichen gebetet, daS es <strong>der</strong> diener in <strong>der</strong> nechsten<br />

Kammer hören können. Enbtlich, als die Anfechtung (lei<strong>der</strong>) bie Vberljanb<br />

gewonnen, hat er die Schlüssel zur Stuben eingezogen, vnd dieselbe mit<br />

einem Vberwurff feste zugemachet, vnb sich mit einem Fe<strong>der</strong>messer bie<br />

Kehle abgestochen.<br />

Auffn Morgen vmb 5 Vhr haben sich Leute angegeben, so mit jhme<br />

reden wollen. Vnd weil eS vber bie alte Gewonrjeit in <strong>der</strong> Stuben stille<br />

gewesen, hat seiner Jungen einer Sft. Putkamer angeklopffet, ihm aber<br />

niemandtS geantwortet.<br />

Derwegen er bey sich bedacht, baS jhme etwas möchte zugestanden<br />

seyn, vnb die Stube durch einen Kteinschmied eröffnen lassen. Wie er<br />

herein kommen, vnd gesehen, daS er auf seinem Faulbette gelegen, vnb<br />

geblutet, hat er jhn angeschrien vnb nicht ermuntern können. Jst berwegen<br />

zum Marschall Christian Manteufeln gangen, vnb jhme ben leibigen Vnfatl<br />

berichtet. Derselbe ist nebenst Henning von Wölben, Georg Ramein,<br />

Caspar Zaubern vnb Jaspar ZiO%n, feines bruberS Sohn, rjenauf gangen,<br />

vnb befunben, baS jhme bie Kehle abgestochen, vnnb baS Messer auch alba<br />

gelegen. H a &en auch ferner befunben, daS er alle Sachen, so er von<br />

ber Herrschafft vnter Henben gehabt, auch bie Vrsach seiner<br />

Desparation 8 ) ordentlich auffgefetzt, vnd solche Verzeichniß<br />

aufs ben Tisch geleget habe.<br />

Wie nun solches v. g. F- &nd rjerrn, H er Z°9 Johan Friedrichen<br />

berichtet worden, hat man Verorbnung gethan, das jrjme ein Stücke Leinwanb<br />

vmb ben Halß gewunben, vnnb im ^acht-Peltz in ein Hetzern Sarch<br />

geleget, dasselbe alßbald zugenagelt vnd herunter gebracht worden.<br />

Den 10. Martij ist er in S. Marien Kirchen 3 ) solenniter<br />

begraben worben, also baS jhm auch <strong>der</strong> Landes Fürst sampt<br />

dem ganzen H°f e / die letzte Ehre bezeuget, vnd <strong>der</strong> Leichen-<br />

*) Dieses HauS ist in dem äußeren, dem Altböterberg (jetzt Pelzerstraße)<br />

zugewandten Theil noch heute ganz unveränbert erhalten; eS ist baS Eckgebäube ber<br />

und Pelzerftraße, welches dem neben ber Wache gelegenen ©chloßt^urm<br />

(©taatS=Archiö) gegenüberliegt. Zu Zitzetottz'S Zeiten Verband ben ersten Stock<br />

dieses HaufeS und die Kanzlei im Schloß eine über die Straße geschlagene Holz=<br />

brücke. Räch einer alten ©kizze des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts im @tett. ©t.=Arch.<br />

2 ) DieS bezieht sich augenscheinlich auf bie „Summarische Relation".<br />

3 ) Jn dieser befand sich bamalS bie Gruft beS Herzoö^öefchlechtS.<br />

8aUtfrf)e etubieu R. g. I. 17


258 Jacob von Zitzewitz.<br />

bestetttgung persönlich beygeworjnet. Diß genus mortis hat<br />

man erst nach feiner begrebnuß in gemein erfahren".<br />

Mit Zifeeto'fe starb ein Staatsmann Von ungewöhnlicher Begabung,<br />

welcher Pommerns tarnen sowohl bei Kaiser unb Reich als im Auslande<br />

ZU hofyem Ansehen gebracht, welcher unermüdlich an <strong>der</strong> Größe und dem<br />

Gedeihen seines Vaterlandes und Fürstenhauses gearbeitet unb biesem<br />

Streben in bewun<strong>der</strong>nswerther Gewissenhaftigkeit Hab und Gut und die<br />

eigene Wohlfahrt geopfert hat. Seinem H er rn, H er ä°9 Johann Friedrich<br />

aber, gereicht eS jur Ehre, baß er ben langjährigen Diener feines Geschlechts<br />

noch im Tobe belohnte unb bemselben bie Treue bewahrte, inbem er besfen<br />

sterbliche Reste in Anbetracht ber befonberen Umstänbe, entgegen ber starren<br />

Sitte seiner Zeit, 1 ) in Person zur letzten Ruhe geleitete unb baburch feinem<br />

fürstlichen Bruber unb befsen Anhang öffentlich zu erkennen gab, wie wenig<br />

er ben ungerechten Beschuldigungen berfelben Glauben schenkte.<br />

Ueber Zitzetoitz'S Familie brach nunmehr baS Unheil, welches <strong>der</strong><br />

Verstorbene vorhergesehen hatte, mit voller Gewalt herein. Die Gattin<br />

desselben war längst vor ihm verblichen, sein ältester Sohn Jacob von<br />

Geburt schwachsinnig, <strong>der</strong> jüngere, Joachim, so krank und schwächlich, daß<br />

Niemand an sein Aufkommen glaubte, die Töchter waren noch unvermählt.<br />

Groß war <strong>der</strong> Reichthum, den ^tfcetoife hinterließ, 2 ) sehr erheblich aber<br />

auch die Verpflichtungen, welche er sich durch Bürgschaften für feinen Landes?<br />

herrn und viele gute Freunde bei den Loitzen und an<strong>der</strong>en Personen auferlegt<br />

hatte. Während seiner letzten Lebensjahre war es ihm in Folge <strong>der</strong><br />

dienstlichen Ueberbürdung nicht möglich gewesen, sich viel um feine eigenen<br />

Verhältnisse zu kümmern. So trat denn, noch verschärft durch den jähen<br />

1 ) AuS diesem Grunde suchte ber Herzog auch zunächst bie ©ache zu vertuschen. —<br />

Beweis für bie damaligen Anschauungen erbringt bie Bemerkung Joachim V. Webel'S<br />

in feinem HauSbau ©. 245: „ES soll sich hernach an unterschiedlichen Örtern gefpenft<br />

in Setner gestalt haben Sehen lassen unb groß getümmel unb Wesen gemacht haben,<br />

welches ohngezweiffelt ber teuffei selbst gewesen, ber ftd^ über biefen kläglichen Fall also<br />

gekitzelt, denselben soviel mehr ausbreiten unb bie Unterlassenen in weitere betrübniß<br />

führen wollen".<br />

2 ) Am 20. Oktober 1572 traten bie Vormünber <strong>der</strong> Hinterlassenen Ztfcerüifc'S<br />

auf Befeljl Herzog Jofjann Friedrich'S in Stettin zusammen unb eröffneten beS<br />

Verstorbenen Labe; barin fanben sich Obligationen unb Schulbforberungen beffelben<br />

in ©umrna auf 41200 Thaler unb 7960 Gulben lautenb, wovon bie Loitze allein<br />

24000 Thaler Schulbeten, außerbem an Kleinobien bie kostbaren Bilbniffe beS Königs<br />

von Dänemark, Herzog Philipp'S, eine Ehrenkette mit bem Eonterfei beS Kurfürsten<br />

von Branbenburg u. bergl. m. (£täl Arch. P. I. Tit. 45. Rr. 63 c. — d. d. Wolga}*<br />

29. Juli 1569 würben ihm feine Lehne unb AngefäKe im Wolgaftifchen: Vorwerk<br />

Vor Laffan, Pulotn, Pfaffenborf, Klttzkenborf, Owftin, ©chlackow, Wernetfe, Pinnoto,<br />

Jamitzow, Jafebow neu bestätigt. Hanbfchriften II. 6. fol. 110 u. f. Außerbem<br />

befaß er in Hinterpommern hk ©tammgüter Muttrtn unb Rtppoglenfe laut Erb=<br />

Vertrag d. d. Stettin btn Tag Antonij 1572. ©targ. Hoföericht V. Zitzennfc Rr. 126.<br />

fol. 111 u. f.


Jacob Von<br />

Zusammenbruch <strong>der</strong> Loitze, bei <strong>der</strong> Regelung <strong>der</strong> ErbschaftSverrjältniffe eine<br />

große Verwirrung ein, welche die von beiden H er Z°9 en i n ^Botgast und<br />

Stettin eingefetzten zahlreichen Vormün<strong>der</strong> 1 ) nicht zum Vortheil ihrer<br />

Mündel ordneten, fon<strong>der</strong>n vielmehr im eigenen Jnteresse auf das schamloseste<br />

ausbeuteten. 2 )<br />

Jn wi<strong>der</strong>wärtiger Weife machte H er ä°9 ®rnst Ludwig feinem tangverhaltenen<br />

Grimme Luft, wobei er gleichzeitig feine habgierigen Gelüste<br />

befriedigte. Er scheute sich nicht nur nicht, die Ehre des todten Hauptmanns<br />

auf das häßlichste z u Verunglimpfen unb unter haltlosen und nichtigen<br />

Vorwänden die im Wolgastischen gelegenen Güter Zifeewitz'S, mit Ausnahme<br />

des Vorwerks, einzuziehen, fon<strong>der</strong>n er verweigerte auch die Herausgabe ber<br />

bemfelben verschriebenen Angefälle, welche bald nach dessen Tode erledigt<br />

wurden. 3 ) We<strong>der</strong> die Bitten Joachim'S, <strong>der</strong> wi<strong>der</strong> alles Vermuthen zn<br />

einem kräftigen Manne erwuchs, noch feine Klagen beim H°f ? nnb Kammergericht,<br />

welches Herjog Ernst Lubwig zur Herausgabe sämmtlicher Güter<br />

und Angefälle verurteilte, o<strong>der</strong> die Fürsprache Johann Friedrich'S, welcher<br />

sich warm für Jacob'S Sohn verwendete, vermochten diesem ju feinem<br />

'Sitijk ju verhelfen.<br />

So war Joachim münbig geworben, fast ein Bettler, bessert Vermögen<br />

Zerstreut unb besfen Güter zum Theil von Gläubigern befetzt, zum Theil<br />

Veröbet unb ausgesogen waren. 4 ) Schon 1587 mußte er zu feines Lebens<br />

Unterhalt bie wenigen kostbaren Kleinobien feines Vaters, Geschenke von<br />

Königen unb Fürsten, veräußern. 6 ) Verbittert unb mit ben Gesetzen ver-<br />

*) Die Zahl <strong>der</strong>selben betrug jeden OrteS 5, unter den Wolgaftern war<br />

Martin V. Webel, Antonius unb Matt^euS V. Zitzewitz auf Techlüb; bie ©tettinifchen<br />

bestauben auS Karsten V. Manteuffel, Bernb V. Dehntz, Gerbt V. Below, Martin<br />

unb JaSpar V. Zitzewitz auf Quakenburs. St. A. P. I. Tit. 45. Rr. 63 c. u. a. anb. O.<br />

2 ) Die VormunbfchaftSfttzung vom 20. Oktober unb bie nachfolßenben glichen<br />

eher einer Theilung ber Vormünber in bie Erbschaft, als einer Regelung<br />

berfelben zu Gunsten ber Münbel. Thatsächlich rissen bie Vormünber alle Schuld<br />

urkunben, burch welche sie selbst irgenbwie Verpflichtet waren, unb bieS war bei ben<br />

meisten ber Fall, an sich unb verweigerten später beren Herausgabe. Vergeblich war<br />

alles Procefftren, Joachim Zitzetoitz erhielt Weber Gelb noch Obligationen zurück. Am<br />

schamlosesten trieben eS feine eigenen Verwanbten, aber auch ben burch Karsten Von<br />

äftanteuffel erlittenen Schaben beziffert er 1598 wohl nicht übertrieben auf 40000 Thlr.<br />

3 ) Schreiben Herzog Ernst Lubwig'S an Herzog Johann Friebnch d. d. Wolgast<br />

26. Februar 1574. nS=Ard). Tit. 9.


260 Jacob von<br />

fallen, fristete er ein kümmerliches Dasein und starb, gttmr Verheiratet,<br />

doch ohne Hinterlassung männlicher Nachkommen, etwa 1630 ^n Muttrin<br />

im H au f e feines Schwiegersohnes. 1 )<br />

Es wird darum verständlich, weSljalb die zeitgenössischen Eh r °niften<br />

Friedeborn und Joachim von Wedel gerade das ergreifende Schicksal des<br />

großen pommerfchen Staatsmannes und feiner Kin<strong>der</strong> zum Ausgange langauSgefponnener<br />

und tiefsinniger philosophischer Betrachtungen über den<br />

Wechsel des Glückes gemacht haben.<br />

l ) Joachim war mit Maria von Vieregge auS Mecklenburg Vermählt; feine<br />

älteste Tochter ijetratljete HanS t>. b. Linde, welcher als Gläubiger pfandweise Muttrin<br />

inne fyatte. Joachim'S einziger Sohn starb, erwachsen, doch unVermäfylt noch Vor<br />

dem Vater. Die Familienverhältnisse in Muttrin waren grauenvoll.<br />


Jacob von Zi<br />

!•<br />

1556. ÜMpft. Januar.<br />

Eigenhändiges Referat ZifeeWitz'S über bie Beschlüsse des unter seiner<br />

Leitung zu Wolgast abgehaltenen RäthetageS mit angehängtem Son<strong>der</strong>gutachten.<br />

Das Schriftstück umfaßt 52 Fotioseiten.<br />

Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 14.<br />

„Auf ferner Vergleichung mit M. g. H- H er fe°9 Barnim Freitags,<br />

SambftagS, SuntagS und Montags nach Fabiani und Sebastiani anno<br />

tvj zu Wolgast berathschlaget.<br />

ReligionSfjandetung aufs vorstehenden Reichstage."<br />

Jn diesem Abschnitte werden die Stetlungnahme Pommerns und das<br />

Verhalten <strong>der</strong> pommerschen Gesandten in den ReltgionSfragen auf dem bevorstehenden<br />

RegenSburger Reichstage, sowie auf den Kreis- und Theologentagen<br />

auf das eingehendste erörtert und fel)r ausführliche Vorschläge zur<br />

Schlichtung <strong>der</strong> unter den ReligionSverwanbten herrschenden ReligionSstreitigkeiten<br />

gemacht. ES folgen dann die Abschnitte über Art, Einrichtung<br />

unb Handhabung <strong>der</strong> Visitation, „Weit! die Visitation<br />

ein hoechnotwenbig stuck z* 0 erljattung christlicher lere, Einigkeit auch gu<br />

confirmation <strong>der</strong> kirchen, schoten Vnd hospitatn", wie „auf jüngsten atln'r<br />

^v Wotgast gehaltenen Landtage, die Landstende dieselben vorzunehmen gewilliget".<br />

(6 Foliofeiten.) Daran reihen sich Ausführungen über Mannund<br />

Jungfrauen-Schulen, Jungfrauenklöster; demnächst folgt:<br />

Publication beS Mandats wegen ber garbenben Knechte;<br />

Einspenniger, Auffwiegler vnb Lanbtzuiüger.<br />

ES soll auf bem demnächst bevorstehenden Kreistage zu Zerbst erkundet<br />

werben, was bie ober- unb nieberfächfifchen Stäube wegen Durchführung biefeS<br />

ManbateS beschlossen haben unb dahin gewirkt werben, baß letzteres möglichst<br />

von allen Stänben gleichmäßig, einhellig unb zur selben Zeit eingeführt<br />

werbe. „Vnb weilt z^ fultenziehung vnb hanbtljabung gemetts Manbats<br />

fjoechnoetig, das alle pietkruege in den Stetten vnd aufs dem Lande gantz<br />

abgestellet vnb Verbotten werben JS bebacht, baS unsere g. h- berowegen<br />

gebotSbriefe ausgehen lassen, auch barüber hatten, baS biefetbigen Eyequeret<br />

werben vnb baS v. g. h- Z^ gehorsamer folge beS gemeinen RethebefchtuffeS<br />

wiber biejenigen ßo ben garbenben Knechten Wittigtichen JchtS geben ober<br />

sie haußen ober herbergen; auch Jhrer Oberkeit von stunb ahn nit vormelben,<br />

wan sie Jnen JchtS wiber Jren willen abbrengen nrjemen ober bey


262 Jacob Von<br />

Jnen one Jren willen pleiben . . . bisse pene vnd strafe fetzen, das sie<br />

breyfach souiel atß sie wiüiglich vnb vnbebrengt ben garbenben Knechten<br />

geben, Jrer f)erschofft entrichten vnb barzw etzliche Tage nach gelegenheitt<br />

Jn gefenknuß gesetzett werben sollen vnb baS auch btejenigen ßo sie boherbergen<br />

ober van Jnen wiber Jren willen JchtS abgebrungen wirbt,<br />

Jrer Obrigkeit nicht jur Stunb klagen, ober bar sie mit ber nachpaurfchofft<br />

ßo stark finbt, baS sie bie garbenben Knechte ane gefhar annhemen, vnb<br />

Jrer herschop bringen !onbten, vnb baS z^ thuen vnberloffen, baS bie auch<br />

mit bem gefenknuß nach gelegenheitt, sollen gestraffet werben<br />

(ES folgen nun sehr ausführliche Bestimmungen,<br />

wie ben garbenben Knechten mit Gewalt gu wehren, über bie<br />

Eontrolle ber Arbeitslosen unb Vagabunben, über bie Anzeigepflicht ber<br />

Krüger unb Gastwirthe u. a. m.) Vnb baS Jn Stetten<br />

funberlich ahn ben gaffen, Jn ben Thoren vorfchunge geschehe baS niemanbts<br />

vnbekants $co Roß ober fueß vnbefragt worrjer ehr komme, was fein wanbelt<br />

vnb ob ehr Jmanbfe Jn ber stat kenne barjn gestabet werbe . Vnb bar<br />

ehr sich aufs Jmanbfe ben ehr kenbt beruefft, baS ehr barhen gebracht, vnb<br />

wo ber ßo Jme kenbt vor Jme vorsprechen will, barin gelassen werbe.<br />

Wo ehr aber niemanbfe kenbt vnb nacht pleiben will, Jn eine herberge, ober<br />

ßo nit Vorharren will, burchwegk gefueret werben.<br />

Vnb ob wol biß etwas fchuer sich ansehen lest, ßo wirbt eS boch Jn<br />

anberen Lauben breuchlich gehalten, vnb were nur vmb ben anfangk zu thuen,<br />

Vnb JS geachtet werben, bie fjogefte nottorfft fein, das v. g. H- ^or sich<br />

selbst, ob biffer gemeinen ReichSconstitution Ernstlich halten, barin verbottene<br />

ober sonst lichtferbige leutte ju berfetben hofflaggern nicht gebulben, auch<br />

berfelben Rheten vnb Dienern aufferleggen, keine Lanbtlopern ober Lanbtfaringe<br />

vor knechte vnb Jungen, ßo vnbekannbt, anzulernen o<strong>der</strong> zuhalten,<br />

bau bar baS nicht gefchicht, wirb bie haltung bey ben vnberthanen besto<br />

fchuerer folgen.<br />

Jn gueter Reitschofft zn sitzen.<br />

DieweitI auch aufs Jüngsten jw Aufpurgk gehaltenen Reichstage Vorabschiebet,<br />

baS ein Jeber Churfürst, Fürst vnb Stanbt mit ben feinen Jn<br />

reitschofft sitzen vnb solche vorfefjunge thuen soll, baS ein Jber sich Jn<br />

nothfeilen selbst etwas entfchutze Auch ein nachpaur bem anberen, Jn solchen<br />

noethvetlen, furberliche vortregliche Rekunge leisten muge, vnb ahn bem nicht<br />

am geringsten zw abwenbung kunsftiger beschuerung gelegen, Szo wirbt noetwenbig<br />

geachtet, baS solches von V. g. h- alß ben hauptern, auch allen<br />

Lanbtstenben, mit größeren Ernste alß bis baher geschehen Vorgenommen,<br />

JnSvercf gerichtet vnb auch immer vor vnb vor Jn fchuange pleibe, vnb<br />

barauff mit Eruste vnb fleifse gesehen werbe, baS alles was barjw allenthalben<br />

noetwenbig, zum besten vororbent, vorsehen, zugerichtet, auch erhalten<br />

werbe,


Jacob Von Zitzewife. 263<br />

Wan dan jw denselben zum hoechsten von noeten das die ordenunge vnd<br />

hanbhabungen Von den hauptern herftieffen, Vnd folchs nicht baß alß durchwol<br />

vorfaste regierunge vnd ordenungen geschehen kau, werden V. g. lj.<br />

darauff Z^ bitten sein, baS J. f. g. atß die heuptere diffeS vhals<br />

<strong>der</strong>selben obliggenben amptS differ gefharlichen geiten guete acht haben Vnd<br />

alle noetwendige Vorsehung vnb vorordenung, <strong>der</strong> man sich Jn ber Zeit des<br />

friebenS, auch Jn noetvrjetlen, habe zugetroesten, wollen vornhemen, dieselben<br />

auch handhaben vnb vortsetzen lassen,<br />

Vnb souiete bie Lanbtstenbe anlangt benselben mit Erstem Ernstlich gebieten,<br />

Jn gueter musterunge vnb retschoff bey tage vnb nacht zu fitzen vnb baS<br />

V. g. h- barauff unuorfehenlich Vnb one ferner vorwarnen vnb Vormanen<br />

Etzliche orter an einen ortt erforbert, vnb sie gemuestert vnb bofichtigtet,<br />

vnb bergleichen auch balbt aufs ein anber, bie anberen ortter boscheiben hette<br />

vnb baS folchs z^ etzlichen mahlen gefchege vnb es barmit Vor vnb Vor<br />

vnableßlich alßo gehalten werbe, vnb was vor mangeln befunben, Jber Zeit<br />

geenbert vnb gebessert würbe,<br />

Das auch V. g. h- Jn ben stetten burch etzliche kriegßerfarene, mit erstem<br />

Muesterung vnb bieselbe folgenbtS Jharlich halten, Auch was ahn gebeuweten<br />

Zur wehre, gefchutz vnb anberen zur Munition vnb artallerie noetwenbig,<br />

bofichtiget, Vororbent, vnb wor mangel berßelben, gebessert vnb geenbert würbe,<br />

Vnb weid bie prelaten vnb geistlichen gemeinen auffmanungen allerley<br />

borben Jn solchen Vhellen getragen baS vnsere g. h- • • Vorsehung thuen<br />

wollen, baS bieselben in Vorfallenben noetvhellen uit abgehen,<br />

Die vorfertigten Rustwageu aud) wesentlich bermassen erhalten mochten<br />

werben, baS man bieselben Jber Zeitt aufs erfor<strong>der</strong>en eilenbtS ... gebrauchen<br />

. . kunne.<br />

u<br />

ES folgen beS Weiteren „Zurichtung ber peffe", „Von erwelung<br />

v. g. h- Zto dem ampte ber zugeordneten" (12 Blätter) „polizey":<br />

„Es wirbt Vor rathßam unb noetwenbig geachtet, baS bie punete ber hieuormalen<br />

berathschlagter polizeyorbenung burch Jacob Zifeewitzen reuiberet<br />

ad mundum gebracht, beiben V. g. h- Z u m wenigsten yiiij tage Vor anstehenben<br />

Lanbtage zugeschickt, biesetbe von J. f. g. erwogen, vnb sampt<br />

berselben bobentfen auf negsten Lanbtage gemeiner Lanbtschofft zw bobenden<br />

... vnb bamit Jrer fürstlichen gnaben sich barauff zu entschließen vbergeben<br />

werbe, "<br />

Daran reihen sich: Manbat ber Münze wegen, Abschlüsse ber<br />

Erbverträge mit Braunschweig unb enblich Erneuerung beS<br />

BünbnisseS mit Mecklenburg.<br />

Obigem Referat hat Zifeewitz „Punkte vnb artikel ßo JID folge<br />

Jüngster berathschlagung Jn baS wergk jw setzen vnb juuorbenen"


264 Jacob Von<br />

mit dem Bemerken angehängt: „biffeS habe ich alleine atß die noetwendigsten<br />

punct ßo Jungst beschlossen . . . vn<strong>der</strong>theniglichen<br />

erinnern wollen ".<br />

„1. Weiß ber Reichstagk aufs den 1. Martij Vorgengig sein soll, Jn<br />

Zeit darauff perfonen znuorwarnen Vnd wie bie ziehen sollen zuuordenen,<br />

2. DaS eins Jberen ortS auch ein theologuS aufs ben vhall ber<br />

nottorfft vorwarnet werbe barhen ffo gießen.<br />

3. Dar es auch fein konbte baS beide M. g. h- einen Munfcuor*<br />

stenbigen aufs ben Reichstagk mitt abgeferbiget hatten,<br />

4. Der eltesten ber tfjeologen bobentfen zuhören, welcher wegk alß forbrechlichste<br />

zuuorgteichung ber religton iß vorjunhemen Jtem wie Jn gemein<br />

disciplina Ecclesiastica et Juditia anzurichten, Jtem baS Jn allen Ceremonien<br />

vnb formen baS folf zuunterrichten, sie sich Jn Sinobo einhelligkeit<br />

bofeheten auch entschließen vnnottorftiglich gegen! abzuschneitten, barauff auch<br />

Jn ben Visitationen juuorfaren,<br />

5. DaS zur Visitation von hoff Rheten auch anberen Jnrjalt beS bobentfenS<br />

perßonen vororbent werben, bie Visitation forberlich vorjunhemen.<br />

6. Alß auch bebacht, baS jw bem, baS man Jn Retfjfchoft sitze, allerley<br />

gehöre vnb M. g. h- alß dem rjaupte bifsfatlS guete orbenung vorzunrjemen<br />

Vnb ju hanbthaben heim geschoben, vnb allerley crjnnert.<br />

7. wirbt baS vornhemste stucke fein, baS man barzwtrachte, baS man<br />

mit gelbe vnb anberen Vorrat, gefaffet.<br />

8. Vnb iß solcher Vorrat vnberfcheiben, erstlich ber ßo M. g. fj- &nb<br />

bie Landtschofft zußammen bringen, baruon JS aufs bem vorstel)enben Sandtage<br />

jw hanbelen,<br />

Der an<strong>der</strong>e iß den bie herren vor sich Jnrichten vnb z^ berfelben auch<br />

Laube vnb leutte nottorfft halten welchs nach biffer Landtart one <strong>der</strong> vn<strong>der</strong>thanen<br />

bofchuerung burch keine anbern wege Christlicher vnb gottseliger zuthuen<br />

JS, alß burch fleiffige bostellung ber Empter vnb vorsichtige ordentliche<br />

hauß vnb hoffhaltung,<br />

Vnb JS burch bie Rhete f. f. g. Jn Jüngster berathfchlagung beffetben<br />

Jn vnberthenigkeitt erinnert vnb gebeten bar Jn guete orbenung wiberumb<br />

anzurichten,<br />

9. Darumb bie nottorfft, baS M. g. h- darzw mit erstem Vorbacht<br />

sey, vnb JS baruon nitt viele merjer zuschreiben, funber was Vorhin Vororbent,<br />

vor bie hanbt zu nehmen, vnd auß dem Landtrentmeister, auch<br />

anbern des hoffs, vnd Empteren, Registern, zusehen was vor Mangel Jn*<br />

gerissen vnb baS dieselben geen<strong>der</strong>t, abgeschaffet, vnb $m foriger, ober<br />

besserer orbenung, gebracht,<br />

Vnb auch mit ernste barob gehalten, vnb die orbenungen gefjaubfjabet werben<br />

vnb ein Jeber baS feine wie ehr barzw gelobt vnb gefchuoren verrichte vnb


Jacob Von Zitzewitz. 265<br />

nicht zto M. g. h- nachteill vnd schaben, vorseume, o<strong>der</strong> Von sich schaube,<br />

vnb damit man J<strong>der</strong> maus gunst behalte, zü> eins r)anbt hingehen loffe,<br />

Vnd dieweil M. g. r). fürstliche autrjoritet geringert vnd darvor, als regeren<br />

die Rhete wie sie wollten nach Jrem willen vnb affectionen, Von den vnterthanen<br />

geachtet, auch folchs vnuorholen Jn vnd ausserhalb hofeS geredet<br />

vnd außbreitet wirbt, Vnd solch wtjan <strong>der</strong> vn<strong>der</strong>thanen ein anfand! Viele boßeS<br />

fein pflecht, vnd dasselbe alleine daraus herfleust, baS jw ben Jn ber orbenung<br />

ober auch anberen gettten bie supplicationeS vnb was sonst vorfalbt<br />

nit Von M. g. h- berathschlagt werben, baneben auch viele fachen offtmaten<br />

jw s. f. g. schaben, auch anberer leutte boschuerung, offt lange Zeitt vnuorabschiebet<br />

liggen pteiben, bemnach bitte Jch auffS vnberthentgste, M. g. hwolle<br />

ben punct Jn ben alten schuangk vnb brauch gnebiglichen wiberumb<br />

kommen lassen, vnb barin bobenden, baS J. F- ©. »on got bem almechtigen<br />

Jn ben staubt gesetzett JS, einen Jebereu ßo f. f. g. anmesst, z^ h°ren,<br />

vnb was sich geburet zuuorrjelffen, vnb JS sorglich, baS f. f. g. alle fachen<br />

aufs anbere teutte hengt vnb sich bersachen nach nottorfft eins Jbern klagenben<br />

theils, nicht borichten lest, vnb aller bobentfen Jn gemeinen Rath darauff<br />

nit höret,<br />

ES ringert auch f. f. g. wolerlangte fürstliche acht vnb reputation, bau eS,<br />

wie obengemelt, vnter bie vnbertrjanen gantz gesprengt vnb außbreitet JS,<br />

baS f. f. g. gar selten bie fachen, ßo Vorfallen, Jn gemeinen Rathe erWegen,<br />

sunber bie Rhete barin vorabfchieben lossen, baher viele vnrichtigkeit erfolgt<br />

vnb noch größere erfolgen mochten, wie bie Eyempell nit weit zu suechen<br />

finbt, vnb kondte bisfeS ortS viele warljaffttge vrfacheu anzeigen, barauß<br />

zuuornhemen, das eine große Voren<strong>der</strong>ung zubefharen wo bisse in kurtzeu<br />

Jharen Jngefuerete weise, baS f. f. g. berselben vnberthanen klagen nit selbst<br />

hören, vnb barin, auch Jn anberen Vorfallenben fachen nit mit gemeinen<br />

Reche fchliessen, nit geenbert, vnb alßo E. F- ®« fid) JhreS ampts alß baS<br />

haupt gebrauchen, vnb grunbtltch aller gliber gelegenheit erfharen, vnb die<br />

fachen, ßo J<strong>der</strong> Zeit vorfallen, selbst dirigeren.<br />

10. Z^ <strong>der</strong> Stete Musterung vnb bosichtiguug aller nottorfft, auch<br />

wfjere, zuuorbenen,<br />

11. Znentfchließen wem s. f. g. bey ben bosichtigungen ber Ritterfchofft<br />

will bey sich haben vnb ob JmanbtS z^ einem fuerer JberS ortS<br />

ber ritterfchofft zuuorbenen<br />

12. Z u bofichtigung Dammgarten, vnb vorordenung die Landgrafen<br />

(-Graben) vnb anbereS ßo biffals vor guet angesehen JnS werd zu bringen.<br />

13. Jtem ber Pawet ber feste halben, bamit bie Lanbtschofft vertröstet,<br />

Zugebenken, weil heffe nit kumpt vnb man mit bem vorrabe zuschössen stille holt<br />

14. Jtem Geschütz, wo nit alle, boch ßouiele nötig, bermafsen mit allem<br />

zuv artallerie vnb Munition gehörig Jn baS gelbt vnb noetwenbig alßo


266 Jacob von<br />

Jngerichtett, auch alle rustwagen vnd an<strong>der</strong>s bermaffen Jn wcfen erhalten<br />

werden, das man Jn Zeit vorfallen<strong>der</strong> Eilenbtster nottorfft gefasfet darmit<br />

auffzukommen,<br />

15. DaS <strong>der</strong> kloster hnlff Jn Lanbeßnot Jn acht gehabt, vnb wie<br />

dieselbe <strong>der</strong> Laitdrete bitten nach Jn Z e it ©tlenbtftcr npet Z uer staten,<br />

zuuordenen<br />

16. Wie in vorfallen<strong>der</strong> Eitendtster noet $o profiandt fueterung vnb<br />

an<strong>der</strong>en zukommen, wirdt auch Jn gueter acht zn haften vnd darin guete<br />

ordenung durch difser fachen M. g. h- önb <strong>der</strong> Lande getegenheit erfarne,<br />

vorzunehmen, vnb barob zusehen, baS es barmit auch ßo gehalten werbe,<br />

wil nit bie geringste nottorfft sein, weill M. g. h- fuetter vnb mael ben<br />

Lanbtfafsen Jn ben Muesterungen auch anbern auffmanungen geben muffen<br />

17. Znuorbenen wer bie Muster Register erwegen, Jn acht haben<br />

vnb Jn ben fachen M. g. r). gebrauchen will, vnb were woö nötig, baS<br />

M. g. f). selbst beS puncts guete fleißige acht hatte, Vnb bieselbe ßo offt<br />

ließe, vberßerjege vnb erwöge, baS f. f. g. nit viele anbere leutte barneben<br />

fragen borfften, Sunber berselben vor sich selbst Jber Zeit grunbtlich borichtet<br />

were,<br />

18. ES wirbt auch M. g. h- aufs eine perßone Vorbacht sein, bie f. f. g.<br />

ahn bersetben staet, wanS eilenbts vorfallen solte, vor einen zugeorbenten<br />

gebrauchen wolte, bieselbe auch barauf vormanen,<br />

19. ES muß auch Ju sun<strong>der</strong>heit daS gefchutz ßo Jn noetvhetlen<br />

zwfolge des ReichSabfchiedtS zugebrauchen, angezeigt, vnb neben bem anbern<br />

bermafseu fertig vnb alle nottorfft barzw also Vororbent sein, baS man J<strong>der</strong><br />

Zeit eilendts barmit vortkommen fonbte bau Jn Zeit ber vorfallenben noet<br />

alle fachen erst ^n berathschlagen, zubostellen vnb zuuorbenen vast sorglich iß.<br />

•<br />

1556. (?)<br />

DaS nachfolgenbe Memoranbum Zitzewitz'S trägt kein Datum; bemselben<br />

vorgeheftet ist ein Eoncept besselben vom 10. Mai 1556, welches<br />

sich auf bie Berathungen „beS Stettinischen TageS" bezieht, Vor biefem<br />

befiubet sich jeboch eine „Jnstruction nach Stettin, SontageS nach Conuersionis<br />

Paulj Anno 1555 für Jacob Zi^toifc"- Sämmtliche übrigen


Jacob von Ztfeewitz. 267<br />

Akten Vor und nachher batiren fast ausschließlich aus den Jahren 1556, 1557<br />

u. f. Anscheinend stammt daher das Gutachten vom Frühjahr 1556.<br />

Wolg. Ar*. Tit. 39. Rr. 14.<br />

WaS zto folge des Stettinischen AbschiedtS Vnd hanbelung Jn das<br />

Werk zu setzen.<br />

1. Das Manbat des friebtstanbes Jn Religion fachen vnb ber Secten<br />

halben zu publiceren<br />

2. Das bie Treptowfche kirchenorbenung fampt ber tr)eologen vbergebenen<br />

bobencken erwogen, vnb gerathschtaget, geschlossen, vnb vorfasset werbe,<br />

wie bieselbige z^ folge beS AbschiebeS jw publiceren vnb baS basfelbe<br />

Jmanbse Jn bie hanbt zunhemen befohelen<br />

3. Dieweil ahn ber Jngereumbten berathschlagten Visitation z^ erhaltung<br />

ber kirchen prebigamptS fcholen hospitaln vnb armen heußer viele<br />

gelegen, will hoch von nöten sein, baS nach nottorfft barzw Vororbent, vnb<br />

bieselbige vorgenommen werbe,<br />

4. Vnb weil! Jn M. g. h- ort lanbeS breierley JuriSbicttoneS vorhanben<br />

vnb eines Jben orbes, ein super Jntenbent ber bey sein soll, hatt man<br />

Jn Eamminschen sprenget einen vnb iß mit M. g. h- D °n Eammin aufs<br />

ber funbation nach Reichs abschiebt ber vnterhaltunge wegen z^ hanbeln,<br />

ber schuerinfchen halben mochten auch wege vorgenommen werben, weid Jn<br />

bem ReichSabfchiebe vorßehen, baS beut geistlichen Jre Jnkommcn auß einem<br />

orbe Jn ben anberen folgen sollen, Jboch baS bie kirchen bienst etc. bargegen<br />

Vorforgt etc. barauff M. g. h- Ursache hatte, bey herzog Vlriche bie dinge<br />

zusuechen ban ßo J. f. g. unter anber sich baruber nit voretnigen konbten,<br />

gibt ber ReichSabschiebt ben saechen auch seine maeß vnb außtragf<br />

5. üftachbem auch ber Vniuersitet halben z^ dem Grtpeßwolbe aufs<br />

bem Lanbtage wegen ber Lanbtfchofft vortrostung boschehen, vnb berewegen<br />

viele ruefenS vnb schreyenS, vnaufhorlich ist, vnb sich anßehen lest, alß konbte<br />

etwan z^ vnzeiten baS Jngereumbt werben, baS z^ grosser vngelegenl)eitt<br />

gereichte vnb bennoch ben fachen barburch nit abgeholfen würbe, auch nit<br />

leichtlich zto enbern were was ein mähet Jngereumbt,<br />

vnb one baS Jhartich ein großes auffgehett vnb angewanbt, aber gar nichts<br />

geachtet, noch auch wor vor gehatten wirbt,<br />

Man auch zto funbergen testamenten ober stifftungen, bie nach neigungen<br />

vnb affecten kunfftigtich außgetheilet konbten werben, wie man gereitS ficht,<br />

baS mitt vielen gueten pfarren gefchigt)t, M. g. h- bowegen konbte,<br />

Mochte nit vngelegen fein, baS M. g. h- Jmanbtfe vororbeute, ber, was<br />

zur vniuerfitett gelegt JS, barzw gereitS gefallen, vnb noch falten sott, eytrarjerebe,<br />

Zum anberen, was barzw gelegt Vnb hin vnb her gegeben JS, zußammen zöge,<br />

Zum brüten, wo viele heußer, vnb boden z^ <strong>der</strong> vniuersitet bolegen findt,


268 Jacob Von Z^ewitz.<br />

Zum Vierten, das auch sun<strong>der</strong>lich die beuefitia, ßo die Munche vnb klofternunnen<br />

zuuorleyhen gehabt, zußammen gezogen wurden, vnd darzw das<br />

Eartheufer gelt, Ob durch den wegk etwas gewisses kundte vorordent, bie<br />

vniuerfitet nach M. g. fj. Gelegenheit, vnb nit fort nach eines Jbern wolgefallen<br />

perpetueret werden.<br />

Das auch sonst sun<strong>der</strong>lich die Stettinischen prebenden vnd benefitia bie M. g. h-<br />

Zuuorleihen zukommen, zußammengezogen vnb Jre Jnkommen vorzeichnet<br />

wurden, bau barauß würbe man sehen, baS M. g. h- bargegen ein größeres<br />

Jherlich auß ber Ehammer auffwenbet alß bartton geWust.<br />

Den sonst wirbt kein auffhörent sein, Eher vngelegene btnge erbrengt, barzw<br />

bie gelegenfjeit, baS bie Junge herrfchofft barrjen kumpt, wol wirbt Jn acht<br />

vnb zum bohelpff genommen werben, daher auch biefelbe von vielen teutten,<br />

bie allerbinge M. g. h- gelegenheit ber Regierung nit wissen noch mit gueten<br />

Zeitlichen vorbetrachten erwegen vnb bie kinber Rechenfchofft nit zu leggen<br />

Jnfatl bekommen, got gebe, vmb (?) bie Eamer vnb was barauff hengt,<br />

wie es wolle, wan aber biefelbe Jn abnhemen kumpt, wirbt ber thurm auch<br />

nit lange bestehen mugen.<br />

Vnb will biefeS ortS auch erinnert haben, baS bie kirche zn) Gutzkow eine<br />

guete pfarre Jst, vnb baS sich gereits leutte barauff gespitzet, baS M. g. hber<br />

acht habe, bau von berselben pfarre konbte M. g. h- njol etwas ^tv bem<br />

fupperattenbenten ampte ober $tv ber vniuerfitet leggen, bau fouiel Jch bie<br />

gelegenheit ber Ehamer weiß, vnb barjegett bie große außgabe, bie meher<br />

alß vollen ber Jungen herfchofft, fraulen, auch boschuerlichkeit ber leuffte<br />

Vnb bienerableggung halben, vorßerjen, kan Jch bey mir nit außrechnen,<br />

Vor eS Jn bie lenge tn'nauß will, ben ber arme pauerßmann vnb vn<strong>der</strong>tl)anen<br />

werben mit beS Turrf vnd Reichs gemeinen bürden bermafsen erschept,<br />

baS sie baruber nit viele werben ausrichten kunen Wie man bau Jn<br />

bem Rechenschoft ber Empter empfinbet, baS bie pechte mit schwacheit auß-<br />

. gebracht werben,<br />

Diß alles erjnnere Jch wie Jch schuldig, barob baS umb ßouiele meher<br />

mit allen fachen vnb ber vniuerfitet vnb geistlichen farberung Jn acht gehabt<br />

vnb ^tv ben Mitteln getrachtet vnb gebacht werbe, baS beibe, kirchen<br />

schoten, Auch weltlich Regiment, nach getegenheit zwgleich bofter)en kunnen,<br />

ben fachen auch einmahel seine maefse gegeben vnb barbei gelassen werde,<br />

Vnd JS noet, das M. g. h- 3^ solchen außziehen vorgeschriebener stucke<br />

Jmandtse vororbnete,<br />

6. Der Eonfistorien halben JS viele fchreyenS vnb klagenS vnb hatt<br />

M. g. h- ntitt ben saechen gleichwol! viele gto thunbe, zto h°f e ,<br />

Dernwegen bem ruefen abgufjelffen, mochte ßo gar vngelegen nit fein,<br />

baS M. g. h- ®in Eonfistorium hette Vororbent vnb aufs iij Jrjar lank<br />

vorfuecht, vnb konbte burch nachfolgenbe perfonen vorsehen werben


Jacob von Zttzewttz. 269<br />

Erstlich die iij superattenbenten<br />

1 EanonicuS von Eammin<br />

1 vornhemer hoffrath ober amptman<br />

1 profeffor <strong>der</strong> Juristen facultet zu) dem Gripeßwolbe<br />

vnd daS alle quartatl eins, vnb alßo des JharS iiij mael solche confistorta<br />

jtt) halten vnd wan eS etwas Jn den schuand queme, des JharS ij mael<br />

vnd ein J<strong>der</strong> fupertnteubent seines ortS, deßgleichen M. g. fj- oon rjoue,<br />

auch die amptleutte vnb anbere, ßo gewalt haben, bie fachen vor baS confistorium<br />

gehörig barahn znuorweißen vnb $to remitteren, vnb Jren vor<br />

dem negft Vorstehenben Eonsistorio, zuerscheinen auffzuleggen, f)ette<br />

Vnb muesteu die fachen, ßo vor baS confistortum gehören, außbeukltch specificeret,<br />

vnb publtceret, auch eine forma beS proceffeS vorgeschrieben werben,<br />

vnb baS alles Jmanbje bofehelen, vnb weil! bie superattenbenten zu Gripeßwolbe,<br />

zur stetten sein müssen, ginge aufs bie kein vncosten, weil eS auch JreS<br />

AmptS ist, vnb sie Jre besolbunge baruon haben, baS sie Jre ampt vorrichten<br />

Vnd mochte eben wie oben von dem bischop z^ schuerin gemeldet, mit dem<br />

bischop zto Eammin auch daher jw hanbelen sein, baS f. g. einen fuperattendenten<br />

. . . (?), ßo auch vicecantzler ber vniuerfitet mit were, ein Jharlich<br />

stipenbien vororbenen vnb baS f. g. bie vniuerfitet auch wormitt bobenden wolte,<br />

des Sanonicj vnkosten trnege daS Eapittell zue Eammin,<br />

M. g. !)• h°ffrats ober AmptmannS Zemng truege M. g. h*<br />

Wolte man noch ben superattenbenten $w bem Gripeßwolbe, vnb einen<br />

burgemeister barmit zuziehen, baS stunbe zuerwegen<br />

Einen Notarius konbte von bem fchreiber gelbe ober sportulis vnb straffgelbe<br />

eine besolbung vororbent werben<br />

Derselbe konbte auch vort notariuS vnb procurator vniuerfitatis fein, vnb<br />

Jber Zeit was ber Vniuerfitet notturfft were vnb berfelbe vorfille Jn rath<br />

ber vororbenten itD bem Eonsistorio stellen, bie Jme auch rathen forbern konbte<br />

7. Weitl <strong>der</strong> Rath Z u m Gripeßwolbe mit ber vniuerfitet bafelbst ber<br />

JuriSbiction, Jn etzlicher heufer auch berfelben freyheitt wegen, streitig,<br />

M, g. h- auch beS grauen klosterS halben mit Jnen jto thuen hatt, bie kost<br />

vnb herberge theuer vnb garnichts zubekommen, were hoech Von nöten baS<br />

bie hendele alle auffgefuecht, zußammen gezogen, vnd weiß M. g. fj- nach<br />

dem ßampe will, Jm hin o<strong>der</strong> Znrugk zuge mit Jnen gehandelt hette,<br />

vnd das die Visitation z^ Gripeßwolde för<strong>der</strong>lichsten vorgenommen wurde,<br />

damit die pfarrjern vnd schulen nach gelegenheitt alßo vorsorgt, das auch <strong>der</strong><br />

vniuerfitet darmit geholffen vnd gedienet wurde, weill eS ein Corpus fein<br />

soll, vnd alßo die bürden, die M. g. rj. auffwachßen, Etwas gelin<strong>der</strong>t wurden^<br />

vnd haben sich die von Gripeßwolde <strong>der</strong> Visitation vmb souiele weiniger jw<br />

eufferen, weill daS Jus patronatus <strong>der</strong> kirchen, bey M. g. h- &nb <strong>der</strong> vni*<br />

uerfttet ftehett, sie auch Jn anfange die Visitation Jngereumt Vnd darüber<br />

viele Jn die fasten vorordent worden JS, welchs sonst vorpüeben were,


270 Jacob Von<br />

8. Dieweill im Stettmfchen Abschiede V. g. rj. fitf) erbotten, gefaffet<br />

zusitzen, aufs den Vrjatl <strong>der</strong> noet, was Jm Reiche des turken halben beschlossen,<br />

J<strong>der</strong> Zeit juleisten, gegen alle an<strong>der</strong>n vnuorfehenliche gewalt vnd<br />

vnfatf sich zuschicken,<br />

9. Vnb Jn Erecution fachen deS LandtfriebenS das ampt <strong>der</strong> ju*<br />

ordenung zuuorrichten angenommen, vnd den vnbertljanen darauff allerley<br />

man<strong>der</strong>et etc.<br />

Achte Jch vber das Jenige ßo vormalen beschlossen berathschlaget vnb bedacht,<br />

von allen lu'rzu gehörenden stucfen, ferner Erinnerung zuthuen vberflufsig<br />

auch Vorbrießlich vnd wirdt demselben gereitS one mein erjnneren,<br />

nachgesetzet fein, auch ferner nachgefetzett, vnd also Vorfehen vnb bedacht<br />

werden, das M. g. h- sich beS J<strong>der</strong> Zeitt haben ^n getrosten vnd zu geniessen,<br />

10. Der Jnstruction vnd befchicEunge des Reichstags wegen ist noetwenbig,<br />

baS beibe M. g. h- fitf) ber auch fullenbt (sie!), aufs bie meinung<br />

wie bebacht ober anbere, Vorgleichen,<br />

vnb baS bie ßo aufs ben Reichstagk ziehen sollen, bie Muntzhanbelung Jn bie<br />

hanbt nhemen, sich aller gelegenheit barauß erkunben, mb wor Jn sie bortchtS<br />

Boborssen, vnd fyiv Jn <strong>der</strong>selbe fan gegeben werben, baS folchs geschehe,<br />

weil ahn ber hanbelung M. g. h- öiele gelegen Jst,<br />

3fUm ba§ bet ]&% htx ©e^iou satten burä) Jmcmbtje teuiberet t)nb banach<br />

refereret vnb waS Jnzubringen ein mahel geschloffen worben, bamit bie gefanten<br />

3W htm Reichstage benfetben mit bekommen.<br />

11. ES sinbt zto Stettin allerley punete abgerebet vnb auß gemeinem<br />

Rath Zum theil, Eins theils auch, von bifferfeits rfjeten bebacht. JS noetwenbig<br />

baS barauff Vorgleichung vnb vororbenung geschehe, mit erstem,<br />

Diffen hoff belangenbt.<br />

1. Es finbt noch allerlei Rechenschaften, so aufs Michaelis geschloffen,<br />

vngehoret, baljer auch ber Lanbtrentmeifter, ßetne Rechenfchofft nit schließen kann<br />

2. Jtzo aufs öfteren werben auch etzlich^er Empter Rechenfchofften geschloffen<br />

vnb h eu ffen sich alßo zußammen<br />

3. WeitI auch bie Lanbtrentmeifter Register Von vielen Jharn vor<br />

hanben, vnb nit nachgesehen noch quiteret finbt, vnb M. g. h- die nachjußel)en<br />

gnebiglichen vororbent, barzw aber Weber Zeit noch räum vorhanben<br />

vnb eS sich alßo mefjer vnb merjer h eu fft, kan Jch meiner gefchuorner pflicht<br />

halben folchs guerinnern nit vnterlaffen, weill Jch barjw nit meher thuen<br />

kau, bübt meiner vnfchidlichkeit Vnb Zeit halben, ban neben biffem Wirt<br />

villeicht policey vnb anberS auch woll eine weite vorbteiben, ban z^ solchem<br />

allem anbere banken Mb Qät gehören alß Jch haben kann, bamit 9to<br />

M. g. l). vnb gantzer Lanbtfchoff jw schaben bk binge vnuorseumbt nit pkibtnf<br />

nit funber geforbert werben, bitte Jch vnbertheniglichen anberen leutten auf-<br />

Zuleggen bie arbeit Jn bie hanbt zulernen, bie nit allein meher erfarenljeit,<br />

geschickligkeit vnb zeit haben kunen, ben fachen nach nottorfft nachzuleßen,


Jacob von Zitzewitz. 271<br />

vnb nachzudenken, Sun<strong>der</strong> die auch vormugfichkeit des leibs meher alß Jch<br />

numher barzwfjaben, bau alles zugleich außzuwarten vnd aufs mich zuladen,<br />

damit thue Jch nit meher, alß baS Jch meine tfjorheit vnd vn*<br />

vermugen ahn ben tagk gebe, den vordacht auch, barmit Jch bofchuldiget<br />

werbe, baS Jch alles alleine außrichten mb Jn allen ortten wartten will<br />

vnb boch baS geringste vnb weinigste barzw thun ober ejpebiere sunber viele<br />

baruon schreibe, barburch bostetige vnb großer mache, vnb bie saechen zto<br />

großer meiner g. h- &nb berselben Lanbtfchofft vngelegenheit, auch schimpfflichcr<br />

vnuorweißlicher nachrebe aufhalte,<br />

WaS Jnrustunge bawet vnb anbereS ben abschieben nach nottorftig zuuorrichten,<br />

Jst oben gebacht, vnb wirbt benselben seine maeß vngezueiffelt woll<br />

gegeben werben, bargen JchS stelle, bau viele schreiben, erinnern vnb nichts<br />

meher barzw zuthuen, Jst nit alleine bisser Zeit vorbrießlich, vberflussig<br />

vnb vnnötig, sunber mochte auch kunfftig nachteilig vnb vnwiberbringtich<br />

sein, barumb JchS ahn seinen ort steilen mueß, vnb mich beß zugetrösten,<br />

baS Es burch mich vnableßlich erinnert Jst, weitl Jch meines ampts halben<br />

barzw nit meher alß baßelbe thuen kann.<br />

Diesem Gutachten ZitzeWttz'S ist eine Disposition <strong>der</strong>jenigen Sachen, bie ihm<br />

als Kanzler zu erledigen oblagen, angehängt; sie ist bezeichnend für bk auf ihm<br />

ruhende Arbeitslast.<br />

1. Aufs Jubilate JS ber Gerichstagk angesetzet barzw aufs M. g. hwolgefatlen<br />

zuuorbenen Doctor V. bie hoffrete Moritz, bere (?)<br />

2. Ob woll weinige beschlossene fachen Vorlauben Wie man sich beim<br />

Richtschreiber hat zuerkunben Szo finbt bennoch etzliche, barin bie parten<br />

vor biefer Zeitt bofcheibet Wesen vnb bk acta nit refereret finbt vnb bie<br />

partheien wiberumb aufs bissen gerichstagk boscheiben, baruber bitte Jch, baS<br />

M. g. h- bie binge gneoigtichen Wolte bofehelen, vnb Jn ben f. f. g. f.<br />

ampt Vnb reputation berselben gerichtS wegen gnebige acht haben, vnber<br />

bissen fachen JS auch vornehmlich ber hanbel zuifchen Dr. von bem Wölbe<br />

vnb ben Eilenfetben, ßo 9 s ih°rmannen mochte zuuorlefen zugestellet werben,<br />

3. Auffn Dornstagk nach Jubilate JS bie herfchofft putbufch boscheiben<br />

mit allen partien, barjw mochte vber bie ßo wie oben gebacht zto bem ge-<br />

Berichte vororbent finbt, aufs M. g. h- wolgefallen erforbert werben, Jochim<br />

Moltzan vnb Virich V. Schuerin.<br />

4. Aufs biefelbe Zeit soll Jn M. g. fj- saechen wiber Oustine Jn*<br />

gebracht werben<br />

5. Jtem mit ber publication gegen krakeuitzen vorfaeren werben aufs<br />

TrinitatiS, bitte vnbertt)eniglich bisse beiben saechen ben l)offreten Zubofehelen<br />

nebenft Jochim Möntzen bamit barin nichts vorfeumet würbe.


272 Jacob Von<br />

1. wer Zeit (?),<br />

2. biß zto endtlicher einhelliger Christlicher Vorgleichung,<br />

3. LttiSpendentz, JuriSdictton,<br />

4. Ritterschofft Anßerje vnd an<strong>der</strong>e stette,<br />

5. an<strong>der</strong>e vn<strong>der</strong>tl)anen mit,<br />

6. Freylassung <strong>der</strong> Religion,<br />

7. F ur vnd für ewigweren<strong>der</strong> Friede,<br />

8. Ampt vnd Pflicht zw wi<strong>der</strong>n, Sftota des wettlichen standts vnd friedenS<br />

9. Wlota vorzugkliche handelung wi<strong>der</strong> das ausschreiben<br />

vnd<br />

10. Erxcution des LandfridenS, Sftota an<strong>der</strong>e key. boferjetiche ^v Ejequeren,<br />

11. Sftit el)er referern den Religion frieden, ehe man des Landtfrieden einig,<br />

12. An die key. Mt. vorpflichtung vnd approbation halben zuschicken,<br />

13. lieber Jrt foriger tücttieufligteit jupteiben ober eS jonft pafferen ju<br />

lassen Jn gute.<br />

14. Concilium generale, Colloquium<br />

15. Fürsten selbst beim Colloquio, locus colloquij 200 mrk Archidiaconatt<br />

16. Darnach Reichfuorsamblung<br />

17. An<strong>der</strong>e Rhete zuschicken<br />

18. bawgelt Jn hungeren,<br />

19. Session<br />

Eammin<br />

Erklerung<br />

Landtagk vnd Znßammenkunfft<br />

Gemeiner Landtagk,<br />

DornstagS o<strong>der</strong> Freitags nach Letare mit etztichen Landtreten z u '<br />

ßammenkommen, were zuuorgletchung, SuntagS Judica die Landschofft<br />

boscheiden vnd Montags, proponeret wurde,<br />

Forma des auSfchreibenS,<br />

vorfasset, auf wolgefallen,<br />

Kusfowe will man fertigen<br />

Sieben Jnstruction Jn polen zufassen vnd den Rljeten vorfamblett,<br />

DaS M. g. h- herfeoch Philips die wotte conciperet werden, : • •::'-^<br />

Schiffart aufs <strong>der</strong> Elbe Jn die O<strong>der</strong>, wo Sachsen sich neben an<strong>der</strong>e<br />

Jnlossen, Jst Zeit genug, ffo adhereren<br />

Eammin J Jn <strong>der</strong> eile nit entfchliefsen fchfs mugen, g aber i\o <strong>der</strong> zußammenlfst<br />

J d Lb bbd stll<br />

laufst Jn <strong>der</strong> Lanbtrete bobenden zu stellen,<br />

Confirmation<br />

Publication


Jacob Von<br />

wor das gelt daruon die Legata gto geben, znnrjemen, bau ahn befoldung<br />

M. g. h- nichts fchuldigh,<br />

Ob nicht des boctors schulde darzw zugebrauchen<br />

100 fl. von Hause<br />

200 M. von <strong>der</strong> kirchen Von den buchern (?)<br />

200 M. (...?...) 10 Daler von Sfarua<br />

50 fl. deseruit<br />

Vom Archidiaconat hat <strong>der</strong> Landtrentmeister außgeben vnd noch etwas<br />

darüber<br />

DeS ErbS hat sich Rode mit zuunternhemen doch <strong>der</strong> frauwen den<br />

ostufrustn (?) zulassen, vnd das das Jnuentarium gefertigt<br />

Die Medtlein Jm hause sich wildt haben des feurS halben, auch sonst<br />

vnachtßam, darumb guet das ahn [tat <strong>der</strong> einen magt eine alte<br />

Ehrliche Matrone mochte zugeorbent werden,<br />

Schulde Abels Kleidung, Rüstung, kosten gastebuben (?)<br />

Geloffte borger kleibung kosten 1 etc.<br />

buren tuet ber orbnunge,<br />

Entfettinge ber Jherlichen tinße vnb pechte<br />

Grentzsachen vnb barin boschene Jnbracht nota Lanbtboetf<br />

Vthrichtinge ber webewen.<br />

Vorlatene Dochter,<br />

vormuubtschafft<br />

Appelation saechen<br />

Schmel)e fachen<br />

Schulbe<br />

Mannichfaltig gemacht<br />

hoher alß bie gueter werbt<br />

aufs schmuck, große Vnkoften<br />

Eonfenß<br />

Richtige vnb vnrichtige schulbe,<br />

Auffteurunge Witwen<br />

Dochter<br />

fchwester<br />

Branbt (?) Jnribent<br />

Schmehent<br />

Goltfchmiebe Anschlafjent<br />

Feurorbenunge<br />

Munte<br />

S3altifc^c ©tubtcn


Jacob Von<br />

Anlage 3.<br />

1557 (ohne Datum).<br />

3. Gutachten Z^wi^S. Dasselbe umfaßt 44 Foliofetten und ist<br />

eigenhändig vom Kanzler geschrieben.<br />

Wolg. Arch. Tit. 39. Rr. 14.<br />

Die fachen ßo in Zußammenkunfft bei<strong>der</strong> M. g. h- ntit dem vornrjembsten<br />

erfor<strong>der</strong>ten Landtrethen Jn Rath zustellen, vnd zuerwegen, findt<br />

vnberschiedtlich,<br />

WaS die turkensteuer anlangt dieselbe ist vorwilligt auf viij bubelte Monat<br />

beS RomzugS kumpt beiden M. g. h-<br />

Vnd dieselbe summe soll aufs nachfolgende Zeitt vnb stelle erlegt werben,<br />

Alß (die nähere Angabe fehlt).<br />

Dieweil! nu biß ein gemein werk ist, vnd alle leutte antrifft, Were gar<br />

vngleich vnd vnbillig, das die last vnb burbe aufs ben armen man atieine<br />

folte gebrungen werben, wan gleich bie stenbe ber form beS Z u ftammenbringenS<br />

vnter sich einig weren alß sie boch nit finbt, barumb mueß von<br />

einer anberen form, vnb maeß nach bem vormugen, ober sonst, gerebelt<br />

werben, wie auch ber Reichsabfchiebt meinS vorl)offenS mitbringen vnb allen<br />

Stenbeu vnb obrigkeitten auflegen wirbt, vngeachtet aller gewohnheit, bie<br />

pttlichkett vnb gletchheitt Jn acht z^ haben, Jn zufammenbrittgunge biffer<br />

steure, vnb auch Jn ber Ko: Key: M: gegebener Eonfirmation vnb priuilegio<br />

bofehelen vnb nachgeben wirbt, Jn noetfellen nach eins Jeben stanbeS<br />

gelegen()ettt Vnb vormuegen, bie gemeinen steuern alßo anzuleggen,<br />

Vnb zumessigen, baS kein staub Vor bem anberen boschueret<br />

würbe, benn bie vnbertrjanen auch one alte vorwenbung (sie!) sollen folgen,<br />

mit berogation atteS wibrigen<br />

Szo will M. g. h- gebueren, barin brechtiche'mittel vnb wege zufuechen,<br />

bau ob woll gemeine Lanbtfchofft aufs Jungst zu Stettin gehaltenen Lanbtagen<br />

sich erpotten, vorwilliget vnb angenommen, Jn maßen M. g. h- auch<br />

gethaen, baS zuifchen ber zeitt vnb pftnjsten ein Jber seiner gepurnuß nach,<br />

was Jm follicher hulff vnb Er.pebition halben aufferlegt, zugeben zureichen<br />

vnb zuleisten gefast sitzen wolte,<br />

Szo Witt boch waS eins Jbern geburnuß nach gelegenfjeit ber bowiltigten<br />

steuer sein wirbt, zuerkleren vnb zufpeeificeren von noeten sein, barauff daS<br />

ausschreiben diffeS puuets wegen geachtet ist<br />

WaS aber vor bitliche gteichmeffige Wege <strong>der</strong> Jtziger steuer ^n achten, barauff<br />

bey ber Lanbtfchofft zuforbern, ist Jn gueter acht ^w haben,<br />

Dan bieweitt bamatS gereits gefuechet worben ist, baS aufs ben fall, bar<br />

bie turkensteuer Jn ber massen eilendtS vorfallen wurde, das one bofchuerung


Jacob von Ztfeewttz. 275<br />

die entrichtunge Jn <strong>der</strong> eile nicht geschehen kunbte, vnd <strong>der</strong> vorrath z^ <strong>der</strong><br />

handhabe vnd ejecution deS landtfriedenS vorhanden fein wurde, das J. f. g.<br />

baruon die vorftredung thuen wolte, darzw J. f. g. sich nach gelegenheitt,<br />

mit gepuerendem rath, erbotten,<br />

Ob nu woU bisse bewilligte turkensteuer Jn <strong>der</strong> eile, <strong>der</strong> man sich domalen<br />

befharet hatt, nit vorgefallen, fun<strong>der</strong> ein ganz Jhar vast seit <strong>der</strong> Zeitt vor*<br />

lauffen ist, Szo fallt doch f)trin allerley vorhin<strong>der</strong>unge auch bobendien vor,<br />

Den erstlich, ßo ist <strong>der</strong> vorrath noch nit Jufjalt deS Stettinschen Abschiedes<br />

Zußammen gebracht, sun<strong>der</strong> die ^ktk vorharren aufs Jrer Weigerung,<br />

Zum an<strong>der</strong>n, wan gleich die von steten Jn dissen M. g. h- abschiebe folgten,<br />

so muefte dennoch vorgletchung geschehen, wie man nit alleine den Vorrath<br />

wolt zußammen bringen, sun<strong>der</strong> auch den rest, wie man mit dem vorrath,<br />

die summen ber turkensteuer, ßo M. g. h- znkumpt, lange nit erreichen<br />

kann, vnb wirbt Jn beiben Vrjellen, bie forige biSputation vnb vnrichtigkeitt<br />

erreigt werben, vnb Jnfallen,<br />

Zum britten, ßo ist auch Jn guter acht zuhaben, weit! sich allenthalben,<br />

Jn allen Christlichen nationen, auch Jn Deutschlanb, neben beS turken<br />

gefhar, allerley krigßhanbelungen öffentlich . . . (?), vnb fonsten erögen,<br />

vnb baher lichtlich vorfallen kau, baS M. g. h- ^aS biefelbe Jnhalt beS<br />

negsten Auspurgischen AbschiebtS, z^ hanbthabung gemeines LanbtfribenS,<br />

auch J. f. g. eigner Lanbt vnb leutte, schulbig, thuen mueffe, wan man<br />

barmit Jber ftdtt nit gefaßet, ßo stehet barauff, Jnhalt beS gemelten<br />

Auspurgischen AbschiebtS, M. g. h- *>nb gemeiner Lanbschofft, groß gefhar,<br />

schaben vub nachtetlt, bem allen nach, vnb Jn betrachtung, baS Jn ber<br />

Lanbtschofft, sonst kein gemeiner vorrath vorfjanben, auch vngewiß ist, ob<br />

beibe M. g. h- bermassen Jn ber Ehamer gefasset sein mugen, baS J. f. g.<br />

bie vorftreefunge thuen kunnen wirbt nach gelegenen fachen; Jn gueter acht<br />

ZW haben fein, ob man bm vorrath, f° ä u m theil zusammengebracht, vnb<br />

noch ferner von ben Stetten zußammenzubringen fein mochte, zü> <strong>der</strong> turkensteuer<br />

anzugreiffen sey,<br />

Szo ist auch beS vnerhorten Winters vnb barauS noch ferner befharlicher teurung<br />

halben, ber armuet nit mueglich, bissen fommer, bie steure vnb contribution, Man<br />

schlahe eS gleich an, aufs welchen wegh man wolle, znßammen zubringen,<br />

Ob auch woll ber gemeine pfenningk, Jn bissen gemeinem werke, ber<br />

liberlichste wegk fein mochte, bie Eontribution zu wege tfn bringen, ßo weiß<br />

man bennoch wie beschwerlich berselbe zw erhalten ist wan ehr gleich Jn gemein<br />

bowitligt, baS auch M. g. fj- aufs Jungst z^ Stettin gehaltenen<br />

Lanbtage benfetben vorgeschlagen, Jre f. g. aber baruon abgewiesen finb,<br />

%lu ist gleichwoll M. g. fj. vnb gantzer gemeiner Lanbtschofft vast bekummerlich<br />

beschuertich vnb sorglich, baS J. f. g. Jnfampt berfelben Lanbschofft ßo gantz<br />

vngefaffet, Jn bissen großen gemeinen fachen auch anberen zufetlen fitzen<br />

vnb Jrem vntergange Jn Zeit ber noet nit sollen begegnen kunnen, baher,<br />

18*


276 Jacob Von<br />

das ein J<strong>der</strong> aufs seiner meinung vorhorett, vnd umb eins geringen gesuechten<br />

Vortheils willen, das gantzc Jn gefhar fetzett,<br />

Vnd ist Jn gueter acht zw haben, ob M. g. h- önb <strong>der</strong>selben Landschofft,<br />

Jn bissen gefchuinden leufften, vnb zeitten, Jn solcher vnorbenung, vnd nit<br />

vorfaffuug Jn die tenge bosteljen vnd pleiben kune,<br />

Vnd wan eS Je zto bodden gehen solte, alß jubefharen, wo nit an<strong>der</strong>e vorßehung<br />

gefchight, ßo mochte dennoch ahn den ort, wie solcher vnfatl vnd<br />

vn<strong>der</strong>gangk geschege, Vor gott vnd <strong>der</strong> posteritet ein vn<strong>der</strong>scheidt sein, .<br />

vnd stehett die gantze fache vnb wolfart deS fürstlichen haufeS $o Stettin<br />

Pommern vnd <strong>der</strong>selben Lanbtschofft meines geringen Vorstandes vn<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en auch darauff<br />

Erstlich baS ein J<strong>der</strong> staubt sich feinS ampts treulich vorhalte, vnb alß<br />

ehr fchulbig JS sich gegen betn anbern bogetge, bau sonst wirbt $o keinen<br />

Zeitten etwas guets barauß,<br />

9?u hatt Je ber Almechtige M. g. h- alß bie heupter Jn bissen Lauben<br />

Vororbent vnb barin biß aufs bisse stunbe gnebiglich erhalten,<br />

Darumb biefelben billig alß bie vetere vnb patres patriae vnter anberem ßo<br />

Jrem Ampt obligt, bem vntergangk ber Jren alß ber kinbere nach aller<br />

muglichkettt wie bißanher geschehen ist, noch ferner vorhueten,<br />

Darin auch bie vnterthanen auß gottS gebott, auch sich selbst zum besten,<br />

ptllig gef)orßamen vnb folgen vnb gebenken, mit was strafen vom Almechtigen<br />

ber vngehorßam vnb Vorachtung ber orbentlichen obrigkeitt ist verfolgt worben<br />

vnb baS alßo barljen, nach beforberung gots erlje, gerichts rechtens etc.<br />

getrachtett werbe, wie man Jber Zeitt, Jn solchen ober größeren plutzlichen<br />

anstoßen, gefasset sein, vnb ßo bloeß nit muge'gefunben werben,<br />

Demnach zto erwegen, ob nit M. g. h- befuegt Erstlich ob benn $o Stettin<br />

gegebeneu Abschiebe Von wegen zußammenbringung ber steuren zur hanbthabung<br />

beS LanbtfriebenS ernstlich zuhalten, vnb bauon keinS wegS abzuweichen,<br />

weil es zu hoechster Vorachtung J. f. g. fürstlicher Autoritet wb<br />

hochhett auch vnbrechlicher vngleichheit zuifchen ben stenben gereicht, •<br />

Vnb bar Je vber zuuersicht, vngeachtet aller vormanung, vnb Warnung,<br />

bie ^ktc aufs Jrer Meinung vorharreten, was bifffals M. g. h- nottorfft<br />

fein würbe, vnb wie enbtlich ber schulbige gehorßam zu erhalten,<br />

Jtem baS gewisse liberliche form jubeljanbeln, vnb zu erhalten, barburch<br />

alle gemeine Reichs vnb LanbeSburben guuorrichten, one solche beschuerung<br />

vnb vnkoften, vnb wie bie turkensteur bifser Zeitt zußammen zubringen ßeyn,<br />

Vnb mochte guet fein, gemeinen stenben znerzellen, welcher gestalt man<br />

J. f. g. Jn Jre fürstliche ampt Jn bem gegriffen, baS niemanbts fchir<br />

vnb letzltch bie von Stetten will folgen, sunber zw weitleufftigen Rechten sich<br />

erbotten, vnb baS J. f. G. sich alßo Jrer gepuerenber fürstlicher authoritet<br />

macht vnb gewalt entsetzen zulossen mit nichte gebueren wolte, vielweiniger<br />

a(ß eine null ober ftnbU geachtett vnb gerechent werben,


Jacob Von 3ifeelmfe. 277<br />

SolchS vnd an<strong>der</strong>s juuorljueten, Jre fürstliche authoritet zw erhalten, gemeinen<br />

schaden abzuwenden, auch Jre gewissen <strong>der</strong> großen vngleichheit halben,<br />

ßo Jn reichung <strong>der</strong> steuren, bißanfjer gehalten worden, gegen gott, auch den<br />

leutten zuentfreyen, fetten J. f. g. aufs billige, vnb durch die gantze deutsche,<br />

nation vbliche vnb gebreuchliche Wege gebenken muessen, dieselben auch <strong>der</strong><br />

Ro. Key. M. vnbertfjenigst vorbringen tossen, die bau J. M sich<br />

gefallen tossen, auch confermeret vnb bostetiget,<br />

Weil sich ban bie stenbe allerseits, Jboch nach gelegenen fachen vngepurlich<br />

Zum rechten Jn bissen fachen vormeinlich beruefen, M. g. rj. die ordentliche<br />

vnd bie key. M. bie oberste richter finbt, vnb J. f. g. aufs etzliche wege vnb<br />

mittel, alß bie pitttgsten teitlichsten vnb brechtichsten bebacht vnb approberet<br />

finbt, Szo wolten J. f. g. foliche bostetigte vororbenung barmit publiceret<br />

vnb ahn bie Stenbe sich barauff mit J. f. g. beS aufschufseS vnb anberer<br />

noetwenbigen vororbenung vnb Vorsehung zuuoreinigen aufferlegt haben,<br />

Vnb stehet bey M. g. h- ünb jto ferneren bobenden, ob J. f. g. fort barneben<br />

waS zu geben, Jn spetie wolten schriftlich vbergeben lossen,<br />

Vnb ob eS bie von Stetten Jrem brauch nach fast biSputeren wolten,<br />

ßo hetten meine g. l). sie Jrer, alß ber vnbcrthanen ampts, baS sie auch<br />

mit Jrer vnbefugten Weigerung, vnb vngerjorßam, z^ btffer vorßehung<br />

vrsach gegeben, vnb M. g. h- nit lenger hetten vmbgehen kunnen, bie orbent*<br />

lichen mittet vor bie tjanbt zuurjemen, zuerinneru vnb barauff nochmale zuermanen,<br />

auch aller nottorfft vnb getegenheit nach zuuorwarnen,<br />

Mit ferner auffuerunge ber großen vngebuertichen, Ja vnchristlichen vngteichheitt,<br />

bie Jn Reichung ber steuern burch bie vornfjemen vnb Reichen<br />

gesuecht vnb baS enbtlich ahn ben tagk mueste gegeben werben zw waS<br />

forteill ober vortrudunge bie Weigerung Jn steten vorgenommen würbe,<br />

Dan M. g. h- fjertn Je nitS ungeburtichs sunber bie gteichheitt, vnb ben<br />

geringsten fortheilt nicht, suechten, Mit ermanung baS sie selbst erwegen<br />

vnb bobencfen wolten, waS barauß vnb sonst auß bem vngehorßamen wiberstreben<br />

erfolgen mochte, baS alten J. f. g. vor gott ber postoritet vnb<br />

menniglich entschutbigt sein wotten,<br />

Vnb were beSfatS, ba sie, atß nit zuzueifetn, aufs Jrer meinung vorharren<br />

würben, ferner zuerwegen, welcher gestatt M. g. h- J. f. g. meinung attentfjatben<br />

sunbertich Jn ben vornhemen steten wotten vorkunben, vnb barauff<br />

anhatten tossen, ban sonsten würben bie Rhete vnb Reichen Jn steben atß<br />

würben bisse binge z^ M. g. h- vortheilt vnb zuboschuerung ber armuet<br />

gesuecht, benn gemeinen Manne Jngebilbett,<br />

Vnb würbe bie nottorfft sein, beßfattS alte ergangenen rjanbetungen zuborichten<br />

etc. Vnb aufs ben vhatt, baS barburch auch nit außzurichten were, mueste<br />

bennoch, waS ferner zuthuen ober zutoffen, entschlossen bemsetben auch nachgesetzt<br />

werben, bartn große Vorsichtigkeit, vnb gueter Rath auch auffsefjen<br />

^gebrauchen ßein will.


278 Jacob Von 8t<br />

Dieweill aber durch bissen wegk <strong>der</strong> aczise, wan die gleich gewilliget wurde,<br />

die turkensteuer ßo bald nit kunbte zußammengebracht werben<br />

Szo mueß bennoch z^ an<strong>der</strong>en mittein getrachtet werben<br />

Vnb aufs ben Vf)all, baS bie acjife gewilligt ober nit gewilligt wurde,<br />

mochte zw handelen ßein, das ein gemein pfenningk wie ber teste umgeschlagen<br />

halb jw ersten gelegenheitt vnb bie anber Reifste aufs weinachten schierst<br />

mochte ersebbigt, Jboch Jn bobemfung ber großen teglichen bürden, M. g. hvnb<br />

J. f. g. Ehanterguet bamit beschonett werben,<br />

Vnb bar sonst kein anber Rath anfinden, baS bie vororbente auSfchuß, §outel<br />

noet, aufs ziemliche Jntereffe aufs, vnb zuwege gebracht vnb barnach von<br />

bem bewilligten gemeinen Pfenninge vnb aczise sampt ben Zinßen erstabett<br />

hetten,<br />

Vnb baS hemachher vor vnb vor bie aejife Jharlich gereicht würbe, jto<br />

bem Enbe wie Jn ber Key. Eonfirmation vorleibet JS vnb nicht anberS<br />

Vnb ba je zto Z e itt bie gemeine Reichs ober LanbeSnoet bermaffen Vorfiße,<br />

baS mit bem vorrath von ber aczise gesamlet, nit konbte zugelangt werden,<br />

das deffats M. g. h- Jnhalt <strong>der</strong>selben bobendenS vnb barauff erfolgten Key.<br />

Eonfirmation zuuorfharen hett,<br />

Diß alles aber ist Jn eiH jto erinnerung vnb fernerem nachbenrfen, vnb nit<br />

vor mein ratßam bobencken vbergeben, bau Jch bey mir selbst waS guet<br />

ober boese nit schließen kau, weill alle vorenberungen sorglich, gefharlich, baS<br />

eins theils Jngeriffene mißuortrauwen, barburch gemehret vnb großer vngemagk<br />

tan erregt vnd erweckt werden, *. . •<br />

Einrustung vnd was dem Anhengig.<br />

Von bissen Dingen ist viele vnb offtmatS stattlich gerathschlaget vnb<br />

vorabschiedet, eS findt auch allerley bobenefen gefasset, aber darbey geplieben,<br />

vnd werden solche Rathfchlege gemeiniglich, wan die noet vnd geffjar sich<br />

erögt, wi<strong>der</strong>holet, vnd Jn Zeit deS friedenS darzw wenig getrachtet,<br />

auch das Jenige was Je jw Zeitten woll mit gemeiner Landschafft geschloffen,<br />

Jn weniger acht gehabt,<br />

Vnd ist sonst neben dem vorschrieben jw <strong>der</strong> rechter einrustung das vornhemste,<br />

daS recht warljafftige Vortrauwen, vnd zuuorficht, juifchen <strong>der</strong><br />

herfchofft vnd vn<strong>der</strong>thanen vnd den vn<strong>der</strong>thanen vntereinan<strong>der</strong> sey. Vnd<br />

was darwie<strong>der</strong> Jngeriffen fein mochte, das demselben abgeholffen, kunfftigen<br />

vorgebawet vnd ßouiele menschlich vnd muglich mit rechtschaffen Ernst bogegnet<br />

werde, darzw auch ^td erfjaltung gehorßamS, ordenung vnd Regiments<br />

auffrichttge gleiche Justitia, for<strong>der</strong>liche Verhelffung vnd Eyecution <strong>der</strong>selben,<br />

Jn allen gerichten ein Vornehm stucke ist, darumb <strong>der</strong>selben auch billig metjer<br />

alß etwan Jn gemein geschigtjt, acht zu haben Von noethen, den vnterscheiden


Jacob Von ß^e^ft-<br />

gebrechen auch nach muglichkeitt abzuhelfen ist<br />

das will Jch wies gerjortt, alleine erjnnern<br />

(Um aber alle Dinge in den richtigen Stand' zu bringen) . . . mueß wi<strong>der</strong><br />

gesagt, Meister Ernst Jn die Kuchen gestadet werben, sonst Wirbt kein guet<br />

eßen barauß vnd mueßen demselben koeche nit nach affecten o<strong>der</strong> neigungen,<br />

ßunber nach ber geschicklichkeit, erfarenfjeitt vnb nottorfft, zugeorbnet werben,<br />

die auch baS thuen kunen vnb wollen, was einem Jberen befolgten wirbt<br />

vnb sich bie hifee beS feurS, bitterkeit beS roechs vnb tegliche arbeit von<br />

vorrichtunge beS, was Jme besolden, ntt abwenben, noch abschrecken loffen,<br />

baS auch solche fjirten bestellet werben, ßo ben schapfen recht Vorsein vnb ntt bie<br />

wulle alleine suechen ober ben schafen nit recht Vorzusein wissen, sonst wirbt<br />

bie kuchen, wenn gleich Ernst Vnb anbere guete fleißige koeche Vorlauben,<br />

vbel vorßefjen werben<br />

(Folgen nun Rathschläge befjufS Abfassung gleichmäßiger Roßbtenstanschläge,<br />

Ausheilung ber Kreise, Besichtigung ber „Rüstungen", Befestigung von<br />

Pässen unb Grenzen, bessere Jnnerjaltung ber Reichs- unb LanbtagSmanbäte<br />

betreffs Anwerbung von Knechten u. a. m.)<br />

Darumb mochte ahn bissen puncte meljer alß sich viele gebunken toffen,<br />

gelegen fein.<br />

Konfirmation ber priuilegien vnb abfjelffung ber<br />

Ritterschofft boschuerung.<br />

Dieweill biß eine alte fache, vnb barin vor vnb vor gnebige vortröstunge<br />

geschehen, vnb vor Jfjaren barin biß zum beschluß vnb futtenjteljunge<br />

hanbelungen vorgeleuffen, burch entscheibunge vber bisser punct, vast allem<br />

mißvortrauwen, zutschen fjerrn vnb vnberthanen mochte gefjolsfen vnb geraten<br />

werben Szo zueiffeln Jch nit, Es werben M. g. h<br />

jw abhetffung bieser fachen gnebiglichen trachten . M. g. h- haben meine<br />

tfjorhett aufs Jüngsten Lanbtage vnter ber vnberhenbeler bobenden gnebiglichen<br />

vormerkt.<br />

Jm Weiteren folgen Abschnitte betreffs „Fullenziefjung ber gegebenen<br />

afsecuration bem Eapittel gtü Eammin", „bostettung vnb Vorrichtung beS<br />

Stiffts, auch etlicher artikel", „Aufs M. g. t). Herzog Barnims wegen beS<br />

StifftS, vbergebene artikel von wegen M. g. fj. herzogen phitipsen gegebene<br />

Resolution zu Vtfermunbe", „bernsteinhanbetung", „Erklerung beS polnischen<br />

suechenS vnb neben Jnstruction", insgesammt ca. 18 Seiten.


280 Jacob Von Z<br />

Zulage 4.<br />

1556.<br />

Etliche notwendige Stucke ßo Vonn beiden M. g. f. vnd Herrn Rechen<br />

vff kunsftiger Znsammenkumpst vor dem Prenzlowefchen tage muesften berabtschlagett<br />

werben.<br />

Bebenken <strong>der</strong> Stettinischen Räthe.<br />

1. Jrrige grenze zwischen Polen vnb<br />

Pommern hatt <strong>der</strong> starost von Posen<br />

neulich ahnn M. g. h- hertzog barnym<br />

gefchriben, daS ehr <strong>der</strong> grenße halben<br />

ahnn be Kö: M. Von Polen gefchriben<br />

aber noch kein anbtwortt bekommen<br />

were berfelbigen gewertig was Jm<br />

nhw von ber Ko. M: z^ anbwortt<br />

geben würbe wolle ehr M. g. h- mit<br />

den ersten wissen lossenn ber briff ist<br />

Vonn herzog BarnymS Raten ad acta<br />

registrerett.<br />

2. Sftachbem Von wegen ber fchtsfart vff<br />

warte be Ko: M: von Polen vnb beibe<br />

Marggraffenzufammenfchtcfen werben,<br />

erheischet! be notturfft baS M. g. surften<br />

vnnb fjerrn auch barzw schiefen vnnb<br />

benn hanbell mit fleiffe befurbern.<br />

3. ^achbem auch von gemeinen<br />

Stenben beS Reichs ber Ro. K. M.<br />

eine turfenstheuer bewilliget vnb M.<br />

g. h- nit muglich angefetzten termyn<br />

befselbigen jw leggen, auch von ber<br />

Rö: K. M. biß vff JoIjanniS frtft<br />

erlangett bewite nhw ber termyn vorfloffen<br />

were noth baS ßich beibe M. g. h-<br />

Vorgleichett hettenn, ob ir f. g. beßelbige<br />

stheuer willen vberschitfen ober nit etc.<br />

4. De gebreche zwischen M. g. h<strong>der</strong><br />

Landtfchafft zuuorglichenn were in<br />

dissenn fherlichenZeitten sehr guth vnd<br />

ßollen de Rathe vff kunfftige Prenzlowensche<br />

Qu^ammtntump\t vff mitteö<br />

gedenken.<br />

Bemerkungen<br />

1. Der hatt feinen befcheidt vnd<br />

wurde nit vnpillig erinnert, das man<br />

aufs die grentzen was meher acht hette<br />

alß gefchight vnd man sie von Jhar<br />

ixx Jhare ßo nit Jnretffen ließe dan<br />

es bringt vorlest schaden vnd großer<br />

gezencE vnd were solchS eS speciali<br />

mandato M. g. r)- Z u thuen.<br />

2. DaS es in fugltchsten darhen ge*<br />

richtett werde ist rathßam.<br />

3. Jch hielte man erwartede noch ein<br />

schreiben vnd fchege Jn des wor die<br />

Sachen sich fjen lenh, vnd wie eS mit<br />

dem lifflendifchen kriege gewandt<br />

werdt. Dan bar man daher Jn gefhar<br />

vnd sorge kommen sollte were<br />

nit Ratrjßam, daS gelt wegk zn<br />

schicken, Man hatte auch deßfalls<br />

billige entfchuldigung.<br />

4. Da geburet mir nit an<strong>der</strong>es von<br />

zureden vnd das es geschehe, vnd<br />

niemanbts folchs priuats nutzes halben<br />

fur<strong>der</strong>e.


Jacob von<br />

5. Marggraff JohaneS nottigett sich<br />

in Vile wege ^\Ü M. g. r). önnd herrn,<br />

vnnd ob woll J. f. g. sich ganz<br />

freuntlich bezeigt, ßo hat eß doch bey<br />

Jm kein staetl) vnd geretchett fast<br />

ZW Vorkienerunge des fürstlichen hauseS<br />

Pommernn, ßollen die Rethe radtflagen,<br />

wie disserm handel zuthun sein<br />

muchte, damit M. g. h- ire fürstliche<br />

reputation erhalten vnnd de landfchafft<br />

vorschade vorhutett werden muchte,<br />

6.<br />

7. Das allerley boße münze in biffer<br />

len<strong>der</strong> kumen vnnd de gute alte muntze<br />

weck gefurett vnnd vorsmolzett wirtt<br />

bringett <strong>der</strong> Landfchafft großen schaden<br />

vnd zwbefaren, baS des reichs ordenunge<br />

nit ßo balt ins werk gefetzett<br />

muchte werden, schollen de rethe vff<br />

wege gedencken, wie M. g. h- ein<br />

gute muntz orbenuuge in bisserm<br />

furstenthume annhemen muchten.<br />

8. M. g. h- hertzog barnim will ßich<br />

vff Z^nnfftige Znsammenkunfft erkleren<br />

von wegen be (? unleserlich)<br />

seiner gnaden freulein.<br />

•<br />

281<br />

5. Alß maus haben will ßo kmnpts,<br />

Von bissen dingen Jst offt gerathschlagett<br />

vnd ist mitt radschlagen,<br />

wortten etc. nit außgertchtett, Wan<br />

man aber auch was dargegen thuet,<br />

ßo gefjortt auch guete auffachtung<br />

zuhaben.<br />

7. Darahn habe wir allenthalben<br />

propter priuatum commodum große<br />

schult, Mein bobencfen ist, baS bar-<br />

ZW JbeS ortS personen namhafftig<br />

gemacht werben, sich aufs bie binge<br />

zubobenden vnb aufs bie fasten jußammen<br />

kommen, sich barvon ju<br />

unterreden, Jre bobencfen schrifftlich<br />

juuorfassen vnb M. g. Jj. baS ferner<br />

ZU erwegen, vnb barin z^ schließen<br />

zuzustellen, bau bk binge zur nottorfft<br />

sich alßo nit ratschtagen lassen,<br />

ES mochten auch vele puttlt vorfallen,<br />

bie bobencken fjetten, alle mannen Jn<br />

bie Munb zw streichen.<br />

8. Vmb bie erklerung were anzuhalten<br />

vnb bar biefelbe altem gebrauch bisfeS<br />

Fürstlichen rjaufeS z^ bofchuerlicher<br />

üftewerung zuwibern gefchege, weren<br />

bie funberigen M. g. fj- befeheltch<br />

hierin allerley ßo guets vorhin bebacht,<br />

zuerinnern vnb zn ermanen,<br />

bie fachen bey J. f. g. . . barfjein zu*<br />

richten, bamit M. g. h- ^nb Vielleicht<br />

auch bie Lanbtfchafft sich bessert nit<br />

meljer wiber sie bieRhete alß M. g. hhertzogl)<br />

barnim mochten bofchueren,<br />

vnb sich baljer Jn allen bingen wiberfetzen.


282 Jacob von Zitzewitz.<br />

9. Dewile ber Polensche vnnb Lifflenbische<br />

krich vort)annben, auch sonst<br />

allerley emporungen, im reich entstehen<br />

baS M. g. h- in guter rüstung<br />

weren enem vorstefjenben Vbell ^<br />

bogegnen.<br />

10. De Rathe ßotlen auch berabtschlagen<br />

wie ein guth geistlich confistorium<br />

anzurichten sein muchte.<br />

11. Politia in bissen fürstenthum anzurichten<br />

erheischett be hoge nottorfft<br />

bann eS reisset allerley theurunge vnnb<br />

sonst Vnrichtidheitt in.<br />

12. Sftachbem M. g. h- ein Priuilegium<br />

bey ber Key. M. erlanget!<br />

Vff be Z^e schollen be Rathe rabtslagen<br />

vnb ba ßich be ftette bem<br />

wiberfetzenn würben vff wege zu gebenken<br />

wie mhann sie barzw bowegen<br />

muchte.<br />

13. M. g. h- haben ein Priuilegium<br />

Vff eine summe gelt baS barunter<br />

nit khan appelleret werben errjeischebe<br />

be nottorfft ein guth h o ff9 e rid)te z^<br />

9. DisfeS puncts halben ist viele gerathschlaget,<br />

Jch sehe aber baS JenneS<br />

ortS nits barzw Jn geringsten gebacht<br />

werbe.<br />

10. DaS Eonfistorium z^ Eolberg,<br />

Stettin vnb Gripeßwolbt anzurichten,<br />

bie visitatio auch tfv beforberen Jst<br />

sere noebtwenbich.<br />

11. DaS barzw an meine ftat eine<br />

anbere persone bie waS fein bobenden<br />

Jst, zu faßen mef)er Zeit hat alß Jch,<br />

vnb mochte baS Je baS gantze werk<br />

nit mit eins ginge, Jn etztichen noetwenbigen<br />

puncten bie publication an*<br />

gefangen werben. [Vergl. hierzu<br />

Spähn, S. 123, wonach zuerst Herzog<br />

Barnim 1558 bie Einzelpublikation<br />

Vorgeschlagen haben soll.]<br />

12. Disse fache ist fjoech Vnb wichtig<br />

vnb wie bie inS werk zwrichten großer<br />

gescheibenrjeitt beborffen vnb mochte<br />

vielleicht nit mit besserem glimpff geschehen<br />

alß neben ber policey vnb Vorrichtung<br />

ber gebrechen zutschen ben<br />

hern vnb Lanbfchofft, bau burch bie<br />

Eyecution beS priuilegü würbe nitt<br />

ben geringsten boschuerungen bifser<br />

Laube gefjolffen, Szo stunbe eS auch<br />

gleich woll aufs vnterhanbelern, bie<br />

willeicht es mit bessern glimpff vnb<br />

fueghk auch mehreren nutz kondten<br />

vnterrjandeln alß dar man schlechtS<br />

per via mandate darmit Wolte anfangen.<br />

13. Was des puncts wegen Jn<br />

aufchuffe zur policey r)anbelung vorgelauffen,<br />

wissen bie ßo barbey ge*<br />

Wesen, vnb Wirt nit gehen, sunber


estellen banne den Rathen ahm<br />

houe ist nit Woll muglich de gerichte<br />

handelt zuwarten.<br />

Jacob Von 283<br />

man ist <strong>der</strong> meinung daS bie gerichte<br />

bey den rjern alß ben heuptern pleiben,<br />

bau man sieht wie es fonften gett,<br />

vnb baS man baS priuilegium fallen<br />

ZU lassen bitten wolte.<br />

Wan bie Visitation henbett vorgehett,<br />

bie Ejecution verholffen vnb nur ein<br />

weinig man Jn Emptern gemeinen<br />

henbetn abhelffen will, ßo kunnen bie<br />

fachen ahm boquemsten zto h°ne vorrichtet<br />

werben. Dar man baS heupt<br />

stets bei ber rjanbt hatt vnb pleiben<br />

außerhalb ber fchulbtsachen bisseS ortS<br />

gar weinigh fachen, barumb werbt<br />

man sehen baS es nit gehet Sie thuen<br />

genneß ortS bctrjto WaS sich geburet<br />

ßo können sie wol fort.<br />

14. Jn diefsem krigeßhendellen er- 14. Es were guet, wenn es al)n allen<br />

heischett de nottorfft daS M. g. h- ortten nur gefchege.<br />

gute kundtfchafft habenn.<br />

Wolö. Arch. Tit. 39. 9b. 14.<br />

(1557.<br />

itz'S Antwort unb Bericht auf Herzog Philippe (I.) Ansuchen<br />

um Uebernahme ber Statthalterstelle im Stift Kammin.<br />

5.<br />

Wolg. Arch. Tit. 32. 9b. 74.<br />

Jn ber Einleitung seines Berichts weift Z^ eit) ife auf bie überaus<br />

schwierige Stellung beS Statthalters mit folgenben Worten hin:<br />

„Darauf kau ... ich nicht vorhalten, ob ich wohl willig<br />

vnb geneigt, h°tf)9 e bachtem M. g. h- allen mir tljuenlidjen vnb muglichen<br />

bingen mehr alle bifftculteten vnb befchuerungen wie ich onlje rf)uem zu<br />

*) DaS (Schriftstück tragt die Aufschrift: „Jacob ©ifcetmfcen furfchlag zum<br />

(Statthalter im ©tifft" und ist ohne jebeS Datum. AuS Verschiedenen an<strong>der</strong>en<br />

Berichten unb Zitzeroitz'S Worten: „WaS ich aufs befeljeltch beS Ijerrn Philipfen zu<br />

(Stettin Pomtner herzogen M. ö- h- ahm Abenbt Regum Vorfchtenen, ahn mich<br />

gebracht" geht jeboch baS oben angezogene Datum mit (Sicherheit


Jacob Von Zi<br />

melden, allewege guetwillig gcthaen, Auch f)trin gutwilliglichcn zu wilfaren etc.<br />

Szo iß doch diese Condition vnd meine gelegenheit <strong>der</strong>maffen geschaffen,<br />

daS ich mich dartzu viele zugertnge vnd schwagk empfinde vnb auch an<strong>der</strong>er,<br />

so hoh er erfarenrjeit vnd gefchidlichkeit als ich bin, findt ungezueiffelt noch<br />

meher vnb große bobenden haben wurden, sich in die angebottene Eonbition<br />

ZU loffen, Ober Jr)e ßo schlecht sich barauff ^n erkleren, ban einen Jberen<br />

so bar mit sot belaben werben, Me ewige vnb zeitliche Wolfart, auch glimpf<br />

baran gelegen sein will etc. ban Erstlich iß nit an zu zneifeln, baß Jbermenniglich<br />

Jn vnb außerhalb tanbeS vnb fonberlich bie gelarten vnd<br />

Theologen ber Meinung fein werben, baS nhumalen ben kirchen vnb schofen,<br />

nach allen gefallen, kune geholffen werben, mit aller notturfft auch ber<br />

Visitation etc. bieweit aber baS Vormugen beim Stifft bartzu nicht vorhanben,<br />

ber Verwalter bie Visitation an allen orten fonbertich aber außerhalb beS<br />

StifftS, neben anbern burben ^n befurbern vnmueglich,<br />

Szo wirb bennoch einer allerley Vorweiß, vnglimpff, nachrebe aufs sich<br />

laben vnb bartzu feines gewiffenS boschwerung haben muffen, vnb baS<br />

Erucifige mb vormalebeien vber Jne gehen, aufs Eantzelen, Jn fchrifften<br />

vnb sonst überall, Jn Vnb ausserhalb tanbeS, Z u m Anberen, so ist auch<br />

ber Jngefallene Streit zwischen bem Reiche, M. g. h- &nb ben gemeinen<br />

StifftSstenben vnentschieben vnb vast weitleuffig vnb sorglich, Sonberlich<br />

Weil ber Verwalter vngezweiffelt vast* ben Eibt ßo ein bischoff bem Eapittel<br />

schwer et, auch wirbt leisten muffen, barin er Vorpflicht wirb, ob ber<br />

kirchen vnb StifftSgerechttgkeit zu halten, vnb auch ber rjern<br />

zu Pomern Rabt zu fein vnb bemnach J. f. g. gerechtigkeit etc. auch<br />

in Acht zu haben fchulbigk, nu finbt M. g. h- onb gemeine Stenbe<br />

vnber anber, auch das Reiche eines J<strong>der</strong>en theils gerechtigkeit halben vneinig,<br />

vnd werden bie fachen offt ahnn vielen Orten, auß rechtem grunbe nicht<br />

erwogen, Son<strong>der</strong> zu Zeiten (?) nach gelegenen teuften, Zeiten vnb hanblungen,<br />

auch neigungen gerichtet, auch bitter vnb beschwerlich oft onhe not<br />

vnb grunbt etc. vnb wirbt bartzu sonberlich groß gelude vber alle menschliche<br />

vornunfft, vorstandt vnd Weisheit gehören, baS sich einer in bie fachen also<br />

fchigke, baß er feiner gefchwornen SibtSpflicht vnb alten Theilen<br />

auch genuch thue, sich vor Vngnabe vnb anber vngemach hnten kune<br />

vnb bie mifuerstenbigen fachen zwischen M. g. h- onb gemeinen stenben ju<br />

rechtem verstaube bringe, bie Processe mit bem Reiche barneben also richte,<br />

baS die stenbe mit M. g. h- in einhelligen vorstanbe biß außbracht ber<br />

fachen pleiben mugen etc.<br />

Zum britten ist zubeforgen, ba ber Bapst bie bofcher)ene postulation wurde<br />

fechten, vnd an<strong>der</strong>e practtken barjegen willen vorgenhomen Werben, baS ber<br />

Vorwalter auch in große muhefeligkeit baruber geraten, vnb sich bemfelben<br />

wiebersetzen muste vnb barrjen trachten, wie ehr, znuor solche Babstliche<br />

erklerung ahn die gemeine Stifftstenbe gelangte, bie Jnfurung beS herrn


Jacob Von Zifeeröttz. 285<br />

Postulaten, vnb die fjulbigung vnd also die gehorsam fultenkombtich mochte<br />

Zuerhalten vnd zuerlangen, umb souiel mrjer des BapsteS Verordnung ober<br />

an<strong>der</strong>n practiken Znwie<strong>der</strong>streben etc.<br />

Zum Vierten, so soll auch <strong>der</strong> Vorwalter ahn fiabt des hern postulaten<br />

beide M. g. h- die gebuerenbe bienste leisten, auch s. f. g. stabt in ber<br />

Lanbtfchaft vortretten, barauS ehrfolgen will, baS einer Jn allen lanbsversamblungen<br />

Rabtschlegen vnb zusammenkunfften bie erste Stimme haben<br />

soll, bar ein Jber nach seinem gewissen, vnb aufs seine geschworene eibtSpfticht<br />

reben vnb rathen soll. Sftu fallen offt hanblungen vor, barin zu getten<br />

nach ber Ijern ober lanbftenbe gefallen vnb meynung, einer, ber aufs seine<br />

Pflicht reben soll, alle bingk nit richten kfjan, vnb wirbt aufs bie erste stimme<br />

gemeintlich mljer, als aufs anbere acht gegeben, bie lange erfarenhett hat,<br />

auch gebracht, baS solche rabtfchlege offt vorkerlich ausgebeutet, auch Wol<br />

gespreuget, vnb zu großen beschwerungen gereichen etc.<br />

Sftu stehen bie heren mit ber Lanbtfchaft Jrer priuilegien, Jundfrawen Eloster,<br />

vnb bau auch <strong>der</strong> F°rm ber steuer halben, in vnentschiedenen fachen, vnd<br />

Wirt vielleicht zu an<strong>der</strong>en wegen vnd mittein muffen getrachtet vnb gebacht<br />

werben, bar Jn bau ber Verwalter ahn statt beS hern Postulaten, abermalen<br />

bie fachen birigeren fol, baS es M. g. fj-, auch gemeiner lanbtfchafft<br />

brechlich, vnb onhe befchwerung mechte angenhomen werben, weil aber alle<br />

MutationeS vnb newerungen nicht leichtlich zugehen, fonber allerley vn*<br />

richtigkett brengen pflegen, Szo würbe bem Vorwalter biffals leichtlich als<br />

anberen tanbtstenben befchwerung vnb vngelegenheit, seiner vnbebacht vnb<br />

vnuorsichtigkeit halben, gugefuegt vnb auffgclaben werben mugn, Vber baS<br />

alles, got gebe baS es nicht gefche |: ich besorge michs aber, baS es ben<br />

langen wegk nit Vorpleiben wirt kunen :| baS zwischen beiben M. g. h-, ober<br />

Je zum wenigsten zwischen M. g. h- herzog Barnim vnb f. f. g. lanbtfchaft,<br />

etwan Disputation ber vberfchreitung ber Erbuortrege vnb beschwerungen<br />

wegen, ßo aufs bie Lanbtfchafft Jfje land! Jtje mrjer gebrunget vnb gefuret<br />

wollen werben, Jnreifsen vnb Jnfallen solten, bar eS nrju auch zwischen<br />

beiben M. g. h- geschehen fotte, vnb ein her, bem baS Jar bie bienste am<br />

Stifte geburte, btn Vorwalter bauon nit lassen wollte, JS leichtlich zu erachten,<br />

baS ehr burch feine Weigerung, ob bie gleich gegrunbet, vnb gufolge<br />

ber Erbuortrege bitlich stabt finben sötte, beS hern vngnabe burch bie wilfarung,<br />

aber (auch) beS anberen herrn vngnabe aufs sich laben würbe etc.<br />

Sotten auch anbere freunttiche hanbtungen zwischen beiben M. g. i). vorfallen,<br />

bar Jn J. f. g. nit einig, würbe ein Jber $Qtxi Jn bem Jare, bar Jn<br />

Jme beS StifftS bienste geburen, ben Vorwatter bartzu forberen vnb gebrauchen<br />

wollen, barauß abermaten in beiben feilen, ber wegerung auch<br />

wilfarung, bie vngnabe wie obengemett zugewarten vnb zubesorgen,<br />

Weit Jch auch beiben M. g. h- tntt Lehnspflicht vorwanbt, ßo wollte Jch<br />

auch Jn foltichen Zweiseitigen fachen als ein lerjenmhan wollen angetzogen,


286 Jacob Von<br />

vnb dar Jn die gelegenl)eit nicht wollen in acht genomen werden, ©ölte<br />

aber jwifdjen M. g. h- &nb ben Lanbtstenben disputation einfallen, vnb<br />

<strong>der</strong> Verwalter in ber lanbtfchaft mitsein, ßo darffS großes geluds, das man<br />

mit keinen vngnaden o<strong>der</strong> vorweißlichen fchimpfflichen nachreden verdacht<br />

vnd mtßuortrawen vnbetaben bleibe, Man meine es gleich so getrewlich<br />

vnb guet, als man wolle,<br />

Vnb mochten auch bie rjern Jber Zeit, Jn Jren Jafen ben Vorwalter<br />

außerhalb landeS vorschiefen, vnb mit langwierigen reißen mf)er alse mit<br />

ben Bifchoffen gebreuchlich gewesen, belaben wollen, baruber sich bie fachen,<br />

bie Justitia vnb anbereS belangenb, Jm Stiffte heuffen vnb samblen, vnb<br />

benfelben zur notturfft nicht würbe geholffen, noch geraten mugen werben,<br />

DaS bem VorWalter auch große vngelegenfjeit vnb böse nachrebe, baS ehr<br />

bie fachen, so Jme obliegen, vornachlessigbe bringen würbe, ES würbe auch<br />

bie Lanbtfchaft Jn gemeinen, auch JbeS hern orbt fanbeS vorfamblungen,<br />

aufs ben Vorwalter bringen, vnb Jnlje vberstimmen wollen, ber Lanbtschafft<br />

noturfft zureben, WelchS Jme zum rieften boschwerliche vnb vngelegen<br />

vorfallen wolte, ES konte Jme auch zur holdster boschwerung gebien vnb<br />

gereichen, Mochte auch bem hern postulato vnb Sapittell, allerlei bebenden<br />

nit vnbillig bringen,<br />

Zum Fnnfften so sinb bennoch auch ausserhalb ber hernbienste, bie fachen<br />

beS StifftS bieser Zeit in großer ipeitrjteifftigkeit vnb vnrichtigkeit, bie nit<br />

alleine große arbeit muhe vnb forgfolbicheit, Sonber auch allerlei Verfolgung<br />

befharunge vnb Verhassunge aufs sich tragen,<br />

Dan erstlich ist am tage, baS vast alle grentzen zwischen M. g. h- H er ä°9<br />

Barnims lanben vnb bem Stifte Jrrig, etzlige auch baruon in großer<br />

bitterkeit stehen, vnb von allen theilen hart ob eines Jberen vorhofften<br />

rechten gehalten Wirt,<br />

üftu fol ber Vorwalter ob beS StifftS rechte halten, fol sich auch nit alleine<br />

ber Radtspflicht als ein Vorwalter, sonbern auch als ein teheman gegen<br />

seinen lel)enheren schulbigf ertzeigen, welches Jn contradictoriis bartzu vbi<br />

parttmn jura ad huc sunt obscura, vnb aufs ber auffljurung stehen, fhast<br />

sorglich ist, vnb kau einer liberlich Von einem ober beiben theilen, als würbe<br />

bie gebuerenbe pflicht nit Jn fchulbiger acht gehabt, Znreben gesetzt, verbacht<br />

vnb verargwhonet werben, vnb baruber in großer vngelude geraten,<br />

Zu bem, baS sich auch einer bifsfals feines fjeren freunbe vnb BluetSVorwanten,<br />

baruon ehr vnb bie seinen sonst tröst vnb alles gueten alwege Zuwarten<br />

gehabt, vnb ferner zugewarten haben, Muß vermerken folliche vorbitteruug<br />

auch offt vor vnb vor bej bem Erben pteiben, Szo finbt auch<br />

sonst burch ben verstorbenen Bischofs große rechtfertigungen, so vnentscheiben,<br />

als mit bem Graffen vnb ben Webelfchen, Jtem ben Maffowen, Glafenappen,<br />

Manbuueln, vnb viel anbern vorgenhomen, Szo ist auch bie Bernesteinhanbluug<br />

vnuertragen, vnb baS empfangene gelt baruon nummher vorl)anben,<br />

Jn was staubt biefelbe ist, achte Jch onf)e nobt zuerinnern,


Jacob von<br />

ist auch nichts von Vorrade ahn gelbe Vorlauben, son<strong>der</strong> große schulde<br />

vnd dark (sie!), auch baufeilige rjeußer, vnd was noch ahnn Briefs schulden<br />

anstehet, desselben masfet sich beS verstorbenen Bischofs Bru<strong>der</strong> Ernst Weier<br />

ahn, nrju mochte vellichte ber lanbeSfursten beS hern Postulaten; auch StiffS<br />

vnb gemeinen stenbe neygung sein, beS vorrabts von gelbe vnb anbereS<br />

halben, beS verstorbenen bischofS Erben vnb Bruber nit vnbefprochen zulassen,<br />

Weichermassen mir nrju bieselben bluet vnb Schwagerschaft halben<br />

verwanbt, borff keines berichteS, barauS Euer Gunsten M. g. h- önb menniglich<br />

zuerachten, waS mir bisfals allenthalben ^ir Jn Znbobenden vnb<br />

Jn acht Z u haben fein will, bau es auch wol anberen, bie mit Jnrjen in<br />

ber vorwantnuß nicht stehen, bobendlich vorfallen mochte, sich also schlecht<br />

mit Jutjen einzulassen, wie bobeneflich nfju Vorfeit, M. g. h- fyertzogk Barnims<br />

aller Jrrigen grentzen verwanbten, auch anberer partheien bauon zum<br />

theile obenerweuet, ßampt Jrer Vorwanten freunbtschaft vngnabe verhafsung<br />

auch wol feintschaft aufs sich zulaben, basfelbe hat M. g. l). Ewer gunsten<br />

vnb menntglich zuerachten, vnb ob gleich bie binge ßouiel bie gantz fachen<br />

anlangen thuet, Jnn SompromiS zuuerfaffen fein mochtn, Szo erforbert<br />

bennoch follichs alles großer auSfurung, fleiffeS, erkunbenS muhe arbeit<br />

vnb vnkoftenS,<br />

Zum Sechsten, so hat eS auch ber lanbt vnb gerichtstage halben einen alten<br />

gebrauch im Stiffte, bie mit nit geringen vnkosten ber Btschoffe, gehalten<br />

worben finbt, barin bie stenbe keine vorenberung leichtlich werben haben<br />

wollen, vnb auch vortzunl)enten sorglich vnb geffjarlich ist, Vnb haben sich<br />

in Summa vber vorige tjenbel, viele anbere Jm Stifft Sumuleret, wie aus<br />

Relation ber hern Sapittularen, so Jungst zu Eorlin in ber vorsamblung<br />

gewesen, vornhommen ist,<br />

fj<br />

Jm Sftachfotgenbcn stellt Zifeewitz nunmehr an ber H a nb ber aufgeführten<br />

Bebenken eine Reihe sehr ausführlicher unb Wohlbegrünbeter<br />

Bebingungen, ol)ne bereu Erfüllung er baS angebotene Amt als StiftSftatthalter<br />

nicht annehmen könne.<br />

287


288 Jacob Von<br />

Anlage 6.<br />

1570. Corlin. 13. 8»at.<br />

Herzog Johann Friedrich schreibt dem Grafen Eberstein auf dessen<br />

Bericht über die Vorgänge am Kaiserlichen H°fe in eigenhändigem Postscriptum:<br />

Postscripta.<br />

Wolgeborner Grafs Jch sol euch aufs Ewer eingelegte Zetteln<br />

vnuormeldet nit lassen das myr Schwerinß anfor<strong>der</strong>n vnd meiner bru<strong>der</strong><br />

befurberung tzum t)ogften wi<strong>der</strong>lich Weis nicht ob sie von beiden teillen<br />

thöricht, vnnd was sich schyr die leutte zechen (?) Jch für mein Persohn<br />

motu proprio bin bebacht ahn H er t3og Ernsten z u schreiben vnnd was<br />

mein gcmuet Jm aperte zu Vorstehen geben, dan solch Groben tzüten<br />

leuger tzu tzu sehen, das man also vngestum Jn dj hern drengen sol, Jst<br />

myr für meine Person ungelegen, dan an<strong>der</strong> teutte gleicher gestalt zuuolgen<br />

bedacht, die auch wohl mit besserem frucht vnb Redlicheitt gedient vnnd<br />

noch dienen, Jch biweil ich Jn diese bewilligung von den Schwer inen nicht<br />

gefo<strong>der</strong>t wit außdruillich dowi<strong>der</strong> protestiren vnd wehren soviel myr muglich,<br />

Jch weiß was ich bej den losfen leutten beide dem alten alß<br />

ben Jungen gehabt Vor befurberung vnb anreitzungen z u<br />

bruberlicher vneinigkeit Jch wil bj brieffe so lange bej myr behalten<br />

bis Henning von bem Walbe ankumpt, Alßban sollen sie betn hern ferner<br />

Wolvorwart zugestellet werben . . .*•<br />

Datum Jn Eyt an ersten Pfingfttage vmb 7 VI)r aufs. ben Morgen zu<br />

Eorlyn Ao 70<br />

Johannes Fri<strong>der</strong>icus manu propria<br />

scripsi atque subscripsi.<br />

(Stett. Arch. P. I. Tit. 7. Rr. 16.


<strong>der</strong><br />

ft für JOommerfdje ©esd)id)te u<br />

vxl 1596 —<br />

Die Gesellschaft hat auch im verflossenen Jahre ihre Arbeiten auf ben<br />

beiden Gebieten ihrer Thätigkeit für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Alterthumskunde<br />

sowohl wie <strong>der</strong> Geschichte ungestört und nicht ohne Erfolg fortsetzen können.<br />

Sie hat hierbei auch wieber die höchst dankenswerte Unterstützung <strong>der</strong><br />

Staats-, Provinzial- und Kommunalbehörben gefunden und Von zahlreichen<br />

treuen Mitglie<strong>der</strong>n Mitarbeit und lebhafte Theilnahme erfahren. Trotzdem<br />

ist nicht zu verkennen, daß die Gesellschaft lei<strong>der</strong> immer noch nicht in dem<br />

Umfange, wie eS sich bei ihrem bald 75 jährigen Bestehen erwarten ließe,<br />

<strong>der</strong> Mittelpunkt <strong>der</strong> heimathlichen Geschichtsforschung in unserer Provinz<br />

ist. üftoch immer halten sich recht zahlreiche Kreise, bei denen man ein<br />

Jnteresse für die HeimathSgeschichte voraussetzen sollte, <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

fern und stehen ihren Bemühungen gleichgültig gegenüber. So ist die<br />

Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> im Verhältniß zn <strong>der</strong> Größe unseres Arbeitsgebietes<br />

recht gering und gerade in <strong>der</strong> letzten Zeit nicht unerheblich zurückgegangen.<br />

Gewiß wird die Bedeutung einer wissenschaftlichen Vereinigung nicht allein<br />

durch die Z a h* <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> ausgedrückt, aber wenn sie, wie unsere<br />

Gesellschaft, znm großen Theil auf die Beiträge <strong>der</strong>selben angewiesen ist,<br />

so bleibt doch sehr z u wünschen, daß diese materielle Unterstützung nicht zu<br />

gering wird, zumal da <strong>der</strong> Rechnungsabschluß für 1896 wieber ein Defizit<br />

ergeben hat. Auch die persönliche Antheilnahme an ben Arbeiten könnte<br />

noch eine sehr wünschenswerte Steigerung erfahren.<br />

Die jetzige Z a ^ <strong>der</strong> Mitglieber muß im Vergleich zu ber im<br />

Vorjahre angegebenen \z\)x öering erscheinen unb einen mefjt als bebenflichen<br />

Rüdgang bezeichnen. Doch ist berjetbe vor Allem babutch ju erklären,<br />

©tubien 9t. fr I- 19


290 Reununbfünsziöster Jahresbericht.<br />

daß die Mitglie<strong>der</strong>liste endlich einmal wie<strong>der</strong> genau revidtrt werden mußte.<br />

Dabei ist eine große Zahl *>on solchen Mitglie<strong>der</strong>n gestrichen, die sich seit<br />

Jahren um die Gesellschaft nicht met)r gekümmert haben und mit <strong>der</strong><br />

Zahlung <strong>der</strong> Beiträge im Rückstände geblieben find. Außerdem haben wir<br />

aber auch im verflossenen Jahre den Tod von 12 Mitglie<strong>der</strong>n zu beklagen.<br />

Am 29. Juni 1896 starb <strong>der</strong> Stadtrath Wilhelm Heinrich Meyer, <strong>der</strong><br />

seit 1886 ein treues, eifriges Mitglied unseres Vorstandes gewesen ist.<br />

Bei seinem lebhaften Jnteresse namentlich für die (Stettiner Geschichte, für<br />

die er auch literarisch thätig gewesen ist, nahm er an den Arbeiten und<br />

Unternehmungen <strong>der</strong> Gesellschaft regen Antheil und hat sich um dieselben<br />

mannigfache Verdienste erworben. Deshalb beklagen wir fein Abscheiden<br />

und werden dem liebenswürdigen Manne stets ein ehrendes Andenken<br />

bewahren. Außerdem starben <strong>der</strong> Major a. D. Baron von Eid st äbt-<br />

Tantow auf Eichstedtswalbe, <strong>der</strong> namentlich für die Geschichte seiner<br />

Familie eifrig gearbeitet hat, <strong>der</strong> Erblandmarfchall Graf Flennn ing auf<br />

Benz, Pastor Klawonn in Bast, ein beson<strong>der</strong>s treuer Freund <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

die Rittergutsbesitzer Maager in Kolberg uud Peters in Stolpe<br />

bei Anklam, Oberförster Stumpf in Gießen, Superintendent Wegner<br />

in Daber, Justtzrath Wrede in Schlame und in Stettin Baumeister<br />

Krämer, Oberarzt Dr. H- Schmid und Dr. med. Paul Schmidt.<br />

Außerdem traten 48 Mitglie<strong>der</strong> cutS, dafür find 33 neue ordentliche<br />

Mitglie<strong>der</strong> aufgenommen. Ferner ist zum Ehrenmitglied ernannt H er r<br />

Stadtratl) Dr. W. Simon in Königsberg i. Pr., <strong>der</strong> eine sehr erhebliche<br />

Geldsumme <strong>der</strong> Gesellschaft znr archäologischen und geologischen Untersuchung<br />

<strong>der</strong> Jnfel Wollin zur Verfügung gestellt hat.<br />

Die Gesellschaft zähst:<br />

Ehrenmitglie<strong>der</strong> ... 15<br />

correfpondirende ... 27<br />

lebenslängliche ... 7<br />

ordentliche (zahlende) 682<br />

Summa 731 Mitglie<strong>der</strong> gegen 880 im Vorjahre.<br />

Den Vorstand bildeten die Herren:<br />

1. Gymnasialdireftor Prof. Lcmcke, Vorfitzen<strong>der</strong>,<br />

2. LanbgerichtSrath a. D. Küster, Stellvertreter beS Vorsitzenden,<br />

3. Oberlehrer Dr. Wehrmann, 1 _, .._.s<br />

4. jJrofeffor Dr. ©alter, J ® d ^ uf > rer '<br />

5. Geh- Kommerzienrath Lenz, Schatzmeister,<br />

6. Baumeister C. it. bischer.<br />

An Stelle des Verstorbenen Stadtrat!) Meyer wurde H er r AmtSgerichtSratl)<br />

Hammer st ein nach § 12 deS (Statute durch Kooptation in<br />

den Vorstand gewählt, <strong>der</strong> damit aus dem Beirathe ausschied.


Reununbfünfztßster Jahresbericht. 291<br />

Der Beirath bestand sonst aus den Herren:<br />

1. Kommerzienrath Abel in Stettin,<br />

2. Professor Dr. Hannde in EöSlin,<br />

3. Konsul KiSker in Stettin,<br />

4. Zeichenlehrer Meier in Kolberg,<br />

5. Rechtsanwalt Petfch in Stettin,<br />

6. Maurermeister Schroe<strong>der</strong> in Stettin,<br />

7. Prakt. Arzt Schumann in Lödnitz.<br />

Pflegschaften übernahmen für Beigard Herr Oberlehrer Heling<br />

daselbst und für Swinemünde Herr Pastor Kam rath-<br />

Die ordentliche Generalversammlung fand in Anwesenheit beS<br />

Präfidenten <strong>der</strong> Gesellschaft, Sr. Erjeltenz des H err n Dberpräfidenten<br />

StaatSmtnifter von Puttkamer, am 16. Mai 1896 statt. Jn <strong>der</strong>selben<br />

wurde <strong>der</strong> inzwischen in den Baltischen Studien abgedruckte 58. Jahresbericht<br />

erstattet. Die Wahlen wurden mit dem eben angegebenen Resultate<br />

vorgenommen. Den Vortrag hielt unser Ehrenmitglied, Herr DberlanbeSgerichtSrath<br />

Dr. FabriciuS über Matrikel-, Kirchen- und Schulvisitation<br />

deS 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Während des WinterS 1896/97 wurden in Stettin fünf Versammlungen<br />

gehalten, in denen folgende Herren Vorträge hielten:<br />

Rud. Schwartz: Zur Geschichte <strong>der</strong> Musik im alten Stettin.<br />

Oberlehrer Dr. HaaS: Die vorgeschichtliche Feuerstein Werkstätte in<br />

Oberlehrer Dr. Wehr mann: Die Gefangennahme deS<br />

Wilhelm von Gel<strong>der</strong>n (1388).<br />

Dr. Ludenbach: Der Münz fund öolt H a iT e ndorf.<br />

Prediger Stephani: Die alten Wohnhäuser in deutschen, vorzugsweise<br />

in pommerschen Städten.<br />

Dr. von Stojentin: Jacob von Zifeewitz, Pommerns größter<br />

Staatsmann im ReformationSzeitalter.<br />

Außerdem find zur Erwecfung und Belebung des JnterefseS an <strong>der</strong><br />

pommerschen Geschichte Vorträge in üftaugarb, LabeS, Swinemünbe<br />

und Dölitz gehalten. Eine gemeinschaftliche Ausfahrt fand am 24.<br />

und 25. Mai statt und hatte die Stäbte ^eubranbenburg und<br />

Treptow a. Tv sowie die alte Schwerin'sche Burg Lands krön zum<br />

Ziele. Dieselbe verlief auf das bt\k und brachte den Teilnehmern<br />

manche interessanten Eindrücfe und Belehrungen.<br />

An <strong>der</strong> 12. Hauptversammlung <strong>der</strong> S^ie<strong>der</strong>lausitzer Gesellschaft für<br />

Anthropologie und Altertumskunde, mit <strong>der</strong> unsere Gesellschaft durch alte<br />

Freundschaft und mannigfache Beziehungen verbunden ist, nahm am 5.<br />

und 6. Juli 1896 in ihrem Auftrage <strong>der</strong> Konservator Stubenrauch theil.<br />

Auf <strong>der</strong> Generalversammlung des GesammtvereinS <strong>der</strong> deutschen<br />

19*


292 Reummbfünfziöfier Jahresbericht.<br />

GefchichtS- und AttertfjumSVereine, die Vom 6. bis 9. September<br />

in Blankenburg am Harze tagte, wurde die Gesellschaft durch Oberlehrer<br />

Dr. Wehr mann vertreten.<br />

Am 10. November 1896 feierte Herr Professor Dr. Pyl in GreifSwalb,<br />

<strong>der</strong> langjährige, tjodjterbtente Vorstand <strong>der</strong> Rügisch-Pommerschen<br />

Abtheilung unserer Gesellschaft, seinen siebzigsten Geburtstag. Z u demselben<br />

wurden ihm die herzlichsten Glückwünsche ausgedrückt und die in den<br />

Bali Studien erschienene Abhandlung über Bischof Johann I. von Samin<br />

in einem Separatabbrutfe gewidmet. Auch an dieser Stelle sprechen wir<br />

die Hoffnung aus, baß es dem hochverdienten F°rfcher noch recht lange<br />

vergönnt fein möge, feine verdienstvolle und für uns höchst werthvolle<br />

Thätigkeit fortzusetzen.<br />

Einnahme<br />

12,— Mk.<br />

—<br />

1938,— „<br />

2147,50 „<br />

6455,— „<br />

1222,65 „<br />

—<br />

25,35 „<br />

11800,50 Mk.<br />

JahreSrechnung für 1896:<br />

Aus Vorjahren<br />

Verwaltung<br />

Mitglieberbeiträge<br />

Verlag<br />

Unterstützungen<br />

Kapitalkonto<br />

Bibliothek<br />

Museum<br />

Einnahme 11800,50 Mk.<br />

Ausgabe 13672,50 „<br />

Defizit 1872,— Mk.<br />

Jnventarkonto:<br />

Einnahme 2497,54 Mk.<br />

Ausgabe Ott 2573,46 „<br />

Vorschuß 75,92 Mk.<br />

Ausgabe<br />

2776,83 Mk.<br />

3211,15 „<br />

—<br />

2378,74 „<br />

695,75 „<br />

222,65 „<br />

952,32 „<br />

3435,06 „<br />

13672,50 Mk.<br />

Für die literarischen Publikationen <strong>der</strong> Gesellschaft trat infofern<br />

eine Aen<strong>der</strong>ung ein, als mit dem 1. Juli 1896 <strong>der</strong> Druck <strong>der</strong>selben von<br />

<strong>der</strong> Buchdru<strong>der</strong>ei F- ^>effentanb auf die Officin vonHerrde & Lebeling<br />

überging. Z* üa r hörte damit die von <strong>der</strong> Firma Hessenland fast 10 Jahre<br />

lang in <strong>der</strong> Hauptsache unentgeltlich besorgte Herstellung <strong>der</strong> Monatsblätter<br />

auf, für die wir <strong>der</strong>selben noch an dieser Stelle unfern Dank aussprechen,<br />

doch schien eS trotz <strong>der</strong> nun höher werdenden Kosten nicht rathfam, diese<br />

Blätter eingehen zu lassen, die für bie Bestrebungen ber Gesellschaft von<br />

nicht geringer Bedeutung find.<br />

Der 46. Jahrgang <strong>der</strong> Baltischen Studien enthätt als wert^<br />

vollste Abhandlung, bie allseitig mit großem Beifall begrüßt ist, bie Arbeit


Reununbfünfziöster Jahresbericht. 293<br />

Von H- Schumann über die vorgeschichtliche Kultur Pommerns im An*<br />

schluß an 5 Von A. St üben rauch gezeichnete Tafeln. Wir hoffen, baß<br />

burch dieselben das Verstänbniß unb Jnteresse für prähistorische Forschung<br />

weiter verbreitet wirb. Mit ber in bemselben Banbe veröffentlichten Ueber*<br />

ficht über ben Bestaub an mittelalterlichen Stabtbüchern Pommerns hat<br />

unsere Provinz ben Anfang gemacht für eine in bieser Richtung für ganz<br />

Deutschlanb beabsichtigte Aufnahme.<br />

Von bem Jnventar ber Bau- unb Kuustbeukmäler ist in<br />

bieseu Tagen baS 4. H e ft, welches ben Kreis Rügen befjanbelt, erschienen.<br />

Der verbiente Bearbeiter, Herr Stabtbaumeister von Haselberg, wirb<br />

atSbalb bie Bearbeitung beS letzten, bie Stabt Stralsunb umfafsenben<br />

HefteS in Angriff nehmen, so baß bie Hoffnung ist, für ben Regierungsbezirk<br />

Stralsunb biese langjährige Arbeit in absehbarer Zeit zum Abschluß<br />

ZU bringen. Die Arbeiten für ben Stettiner unb KöSliner Bezirk finb<br />

nach Möglichkeit von unserm Vorsttzenben fortgeführt unb znm Theile<br />

brudfertig.<br />

Jn ber Verwaltung ber Bibliothek ist baburch eine Aenberung<br />

eingetreten, baß H er r Oberlehrer Dr. HaaS am 1. Oktober 1896 feine<br />

Stellung als Bibliothekar aufgab. Jhm gebührt für bie überaus sorgfältige<br />

Amtsführung, namentlich aber für bie Fertigstellung beS Kataloges<br />

ber wärmste Dank. DaS Amt beS Bibliothekars hat nach ihm H er r<br />

Oberlehrer Timm übernommen. Der Umfang unb bie Benutzung ber<br />

Bücherfammtung hat stets zugenommen.<br />

Die Qafy ber Vereine unb Gesellschaften, mit benen wir im<br />

Schriftwechsel stehen, beträgt 147. Sfteu hinzugekommen finb: ber OrtSverein<br />

für Geschichte unb AltertrjumSkunbe zu Wotfenbüttet<br />

unb ber BreiSgau-Verein „Schau ins Lanb". Jn ber Anlage<br />

Wirb ein Verzeichniß <strong>der</strong> feit 1894 eingegangenen Schriften mitgetheilt.<br />

lieber 9Utertt)iimer unti >Äu§ßTabunßcn in sommern im Safyxt 1896<br />

berichtet Herr Prof. Dr. Walter:<br />

Die Thatsache, daß ein großer Theil Pommerns zu ber Länbergruppe<br />

gehört, bie man als bie norbische Steinzeit-Provinz bezeichnen kann,<br />

wie sie jüngst Goetze wieber bezüglich ber abweichenben Verhältnisse in ber<br />

so nahen Sfoumark berührt hat (Goetze, Vorgeschichte ber ^eumark, S. 7 ff.),<br />

wirb uns jebeS Jahr von feuern burch zahlreiche Beweisstücke bargethan.<br />

Auch bieSmal lassen sich brei Eentren beutlich unterscheiben, bie Gegenben<br />

ZU beiben Seiten ber unteren Ober unb besonberS Rügen. Kann auch<br />

unsere Stettiner Sammlung mit ber Stralsunber unb bem Germanischen<br />

Museum in Nürnberg sich hinsichtlich beS Reichthums an rügischen Steingerächen<br />

noch nicht messen, so hat sie boch eine Bereicherung um mehrere<br />

tausenb Stück erfahren burch bie votlstänbige Ausbeutung einer unberührten<br />

Schlagstätte süböstlich von Lietzow, bie H er r Dr. HaaS nicht weit Von


294 Reununbfünfziöster Jahresbericht.<br />

<strong>der</strong> Stelle entdeckte, wo V. H a genow 1827 mit dem ersten <strong>der</strong>artigen<br />

Funde den archäologischen Ruf Rügens begründete. Der Fnnb ist vorgelegt<br />

und besprochen in <strong>der</strong> Sitzung vom 21. November 1896, vergl.<br />

Monatsblätter 1896, S. 182. Haken wir dadurch eine Füße <strong>der</strong> Verschiedensten<br />

Geräte in allen Stadien <strong>der</strong> Bearbeitung erworben, die technisch<br />

wichtig sind trotz ihrer Unscheinbarkeit, so lieferte Rügen baneben noch<br />

21 formvollendete Steinsachen aus Einzelfunden sowie 5 von jenen schlichten<br />

Korallenperlen, die in den letzten Berichten schon mehrfach erwähnt worden<br />

find (Jnv. 4346 und 4376). Jn zweiter Reihe ist die Gegend zwischen<br />

Peene und O<strong>der</strong> als ergiebig an steinzeitlichen Funden zn bezeichnen, da<br />

sie wie<strong>der</strong>um aus dem Kreise Ueckermünde in prismatischen Messerchen und<br />

einer Pfeilspitze Zeugnisse einer Schlagstätte geliefert (Jnv. 4406) und<br />

ermöglicht hat, in <strong>der</strong> Umgegend von Liepe eine Privatfammlung Von<br />

13 Steingerätrjen zusammenzubringen (Jnv. 4280); Einzelfunde Von<br />

Pasewalk, Rotenburg, Treptow a. T. und Stettin mögen sich anschließen.<br />

Endlich war in den letzten Jahren schon östlich <strong>der</strong> O<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kreis<br />

Greifenhagen durch einschlägige Fnnde wichtig geworden (vgl. 58. Jahresbericht,<br />

S. 229), und auch diesmal ist eine steinzeitliche Werkstätte bei<br />

Jeseritz entdeckt; ebendaher stammt ein undurchbofjrteS Steinbeil von merkwürdiger<br />

Form, das sich von <strong>der</strong> halbkreisförmigen Schneide nach hinten<br />

verjüngt, aber bei kreisrundem Durchschnitt (Jnv. 4382). Ein Feuerstein*<br />

beil von Zi e 9 e nhagen, Kr. Saatzig, vertritt biz gemufchelte Technik auch<br />

in Hinterpommern wie<strong>der</strong>. Von Gefäßen o<strong>der</strong> Gräbern dieser Zeit ist<br />

nichts üfteueS aufgestoßen, tool)l aber dürfen wir mit Freuden begrüßen,<br />

daß gerade im letzten Jahre Alles, was wir Von Pommerns ältester Zeit<br />

wissen, in übersichtlicher Weife zusammengefaßt ist von Schumann, Batt.<br />

Studien 46, S. 105—124, und wenigstens für die früher neumärkifchen<br />

Theile von Goetze a. a. O.<br />

Die Bronzezeit i^t hinsichtlich <strong>der</strong> Funde nicht ganz gleichmäßig<br />

Vertreten. Zunächst hat eS für die ältere Periode an zusammenhängenden<br />

Grabfunden o<strong>der</strong> charakteristischen Formen gefehlt, o<strong>der</strong> eS find die Berichte<br />

ungenau; so wird das wohl hierher gehörige 15 cm lange Bronzemesser<br />

Von Radekow, Kr. Randow, als unter Steinen ausgegraben bezeichnet, das<br />

jüngere mit Spirale ist ohne Ortsangabe eingeliefert, aber wenigstens mit<br />

dem Zusätze, daß an <strong>der</strong>selben Stelle vor Jahren ein vorgeschichtliches<br />

Grab abgeräumt sei (Jnv. 4379). Diese Angabe ist keineswegs müßig,<br />

bestätigt sie doch daS Urtheil Schumann'S (Balt. Stud. 46, S. 141),<br />

daß diese Messer gerade in Gräbern häufig find. Wenn aber bei einer<br />

Urne (Jnv. 4387) nur mitgetheilt wird, sie fei im nördlichen Theile des<br />

KretfeS Randow gefunden, so ist bei allem dem Geber schuldigen Dank<br />

doch daS Verschweigen <strong>der</strong> Fundumstände und Beigaben bedauerlich. Jm<br />

Einzelnen hat <strong>der</strong> Direktor bt§ Westpr. ProvinzialmuseumS, Herr Prof.


Reummbfünfztöster Jahresbericht. 295<br />

Sonwentz, in dankenswerter Weife einen Bronzereifen aus Pritzig, Kreis<br />

Rummelsburg, geschenkt; eine Sichel mit doppelter Rille und Dorn stammt<br />

aus dem Moor von Repplin, Kr. Pyritz. DaS mag uns zu den Depot*<br />

funden hinüberleiten, an denen das Berichtsjahr erfreulich reich gewesen ist.<br />

Mit beson<strong>der</strong>em Danke muß erwähnt werden, daß H er r Schumann-Loednitz<br />

den aus 60 Stücken bestehenden und mehrfach, auch in unseren Blättern,<br />

besprochenen Fnnd Von Schwennenz aus <strong>der</strong> jüngeren Bronzezeit <strong>der</strong><br />

Stetüuer Sammlung geschenkt hat; dazu ist sogar ein aus demselben in<br />

Privatbesitz übergegangener üftierenring ergänzend hinzugetreten (Jnv. 4377<br />

und 78). Wie hier ein Gußkuchen dabei lag, so ist bei dem sonst viel<br />

kleineren und nur 10 Stück umfassenden Depotfund von PodewilShaufen<br />

im Kreise Stolp ebenfalls inländischer Bronzeguß wahrscheinlich, da an<br />

HalS- unb Armringen noch Gußtropfen haften; ein H^^nlft dabei ist<br />

fragmentirt. (Monatsblätter 1897, S. 23 m. Abb.) Endlich ist jüngst<br />

in Farbezin bei üftaugarb wie<strong>der</strong> ein Depotfund von nicht weniger als<br />

30 Stück gehoben (Monatsblätter 1897, S. 6Q mit Abb.), <strong>der</strong> durch bie<br />

Fürsorge deS Grundbesitzers, H errn Major von Dewitz, nicht nur wohlerhalten<br />

blieb, son<strong>der</strong>n auch durch die sachgemäße Untersuchung <strong>der</strong> Oertlichkeit<br />

Seitens unseres Konservators beachtenswerte ^ebenumstänbe erkennen<br />

ließ. DaS Depot ist nämlich dicht bei einem steinzeitlichen Kistengrabe<br />

nie<strong>der</strong>gelegt, daS natürlich viel älter War und als unverletzlich eine sichere<br />

Aufbewahrungsstelle zu bilden schien, sei eS zu Votivzwecken o<strong>der</strong> nicht;<br />

• jedenfalls aber ist dies kein Gießerfund. Unter den Stücken find für<br />

Pommern neu die übereinan<strong>der</strong> gebogenen Armringe mit senkrechten Einkerbungen<br />

und die offenen sog. F u t#nöcheirtnge. Anzuführen sind <strong>der</strong><br />

Vollständigkeit wegen ferner gtoei in Pommern ebenfalls noch nicht vertretene<br />

Goldgefäße, bie bei Langendorf gefunden und in das Stralfun<strong>der</strong><br />

Museum gekommen find. (Vgl. Baier, Zeitschr. f. Ethnologie, 28, 92;<br />

Schumann a. a. O., S. 142.) Jn diese HaHstattzeit wirb wohl auch die<br />

Urne von Refehl, Kr. Sftaugarb, zu setzen sein, bie ?ft^tt beS LeichenbranbeS<br />

mit befchäbigten Bronze- unb Etfenbeigaben enthätt unb baburch einzig in<br />

ihrer Art ist, baß sie statt ber Bobenfläche in eine Spitze ausläuft.<br />

(Monatsblätter 1896, S. 181 m. Abb.)<br />

Steinkistengräber finb wieber mehrfach untersucht, so in Strellenthin,<br />

Kr. Lauenburg; sie enthielten u. A. eine Gesichtsurne mit Mützenbedel, HalSringornament<br />

mit Ouasten unb plastischen D()ren, in welchen zahlreiche Bronzeringe<br />

hingen. (Monatsblätter 1896, S. 116 m. Abb.) Jn Kuffow bei 9?eustettin<br />

finb bie Urnen nicht erhalten, nur bie Decket sowie bronzene Nabeln<br />

unb Ringe neben eiserner Schetbennabet unb Pincette (Jnv. 4332). Aus<br />

bem Jefehtzer Urnenfetbe ist wieber ein kteineS Beigefäß geschenkt Worben.<br />

Vorrömtschcr Eisenzeit geljört baS Gräberfelb Von Gumbin, Kreis<br />

Stolp, an; eS würben 9 Gräber aufgebest, aus Branbgruben gebitbet unb


296 Reununbfünfzigster Jahresbericht.<br />

außer zermürbten Urnen unb Beigefäßen eiserne Schwerter, Schilbburfel,<br />

Speerspitzen, Messer (alles zusammengebogen), La Tene- unb #afenftbeln<br />

enthaltenb. (S. Monatsblätter 1896, S. 69 u. 113 m. Abb.) Aefjnliche<br />

Verhältnisse, nur ohne Beigaben, zeigten sich bei $oxft, Kr. Regentoalbe,<br />

a. a. O., S. 118. An letzterer Stelle neigen anbere Gefäßformen aber<br />

schon beutlicher ber Zeit römischen KultureinflufseS zu, z- 33- ©• 105.<br />

Dieser hat in unmittelbarer Sftähe bü ber Stabt Bublitz länger bestauben,<br />

wie schöne Mäanberurnen, Glasperle, Bronzeschnalle unb Spinnwirtel<br />

beweisen. (S. Monatsblätter 1896, S. 81.) Es braucht nicht befonberS<br />

barauf hingewiesen zu werben, wie jene Steinkistengräber ausschließlich in<br />

Ostpommern vorkommen, bie Fnnbe ber römischen Zeit wenigstens zum<br />

größten Theile.<br />

Aus ber Wen ben zeit ist bieSmal ein kleinerer Bezirk genauer durchforscht<br />

worben, bie Umgegenb Von Dramburg. (S. Stubenrauch in ben<br />

Monatsblättern 1896, S. 137, 168 unb 1897, S. 7, 25, 37.) Es<br />

würben 7 Burgwäüe aufgenommen, von benen etliche noch nicht ober nur<br />

wenig bekannt waren; sie erwiesen sich sämmtlich nach ben FunbstücEen als<br />

Wenbifch, wenn auch bei zweien baS Scherbenmateriat ohne bie charakteristische<br />

Ornamentirung war. Der für ein verhältnißmäßig kleines Gebiet ansehnlichen<br />

Z a hl wegen können eS nicht alles Grenzburgen gewesen fein, wenn<br />

auch bie Welschenburg, schön zwischen Zapet- unb Kesselfee gelegen, ganz<br />

bazu geeignet scheint unb ber terra Welschenborch vor ber Grünbung<br />

DramburgS schon ben tarnen gab. AuS ber Umgegenb von Bütow finb<br />

ebenfalls 4 Burgwälle beschrieben von Treichel in ben Berliner Verhanblungen<br />

1896, S. 130.<br />

Der Silberfunb Von Tljurow, vermuthlich um 1030 in bie fttit<br />

ber Feldzüge Kanuts gegen Pommern ^n fetzen, i\t Von Pyl, Die Greifswalber<br />

Sammlungen II, 1897, mit großer Grünblichkeit beschrieben, bei<br />

welcher Gelegenheit nicht nur eine reiche Literatur über ben orientalischen,<br />

fonbern auch römischen Hanbelsverkehr nach ben baltischen Küstenlänbern<br />

Zusammengestellt uud eine Ueberficht ber pommerschen Funborte gegeben ist,<br />

S. 35—51. Es stört freilich ben Ueberbltck wesentlich, wenn diesen beiden<br />

schon so Verschiebenen Epochen auch noch bie Alterthümer ber Haßftattzeit<br />

unb beS altitalischen, sog. etruSkifchen Stiles beigeorbnet finb. Dagegen<br />

mag zum Schluß nochmals mit Genugthuung barauf hingewiesen werben,<br />

baß unsere AltertljumSkunbe mit Erfolg bemüht gewesen ist, aus zerstreuten<br />

Einzelheiten ein möglichst lebensvolles Gefammtbilb ber Vorgeschichte zu<br />

gestalten, so Goetze für bie angrenzenbe Sfteumark, Stubenrauch für bie<br />

Vorgeschichte von Dramburg und Van üftiefsen'S Geschichte dieser Stadt,<br />

endlich Schumann für die gesammte Kultur Pommerns in vorgeschichtlicher<br />

Zeit. Möge diese Schrift mit den schönen fünf Tafeln Von Stubenrauch,<br />

sowie sie vom Ministerium bereits allen Schulen Pommerns empfohlen


Reununbfünfziöster Jahresbericht.<br />

ist, allen Freunden pommerscher Geschichte immer vertrauter werben und<br />

liebevolles Verständniß <strong>der</strong> Alterthümer beS heimischen Bodens immer<br />

kräftiger förbern!<br />

Für alle uns bisher erwiesene Unterstützung sprechen wir gern<br />

unseren lebhaftesten Dank aus unb wünschen, baß bieselbe ber Gesellschaft<br />

auch in Zukunft nicht fehlen möge. Dann wirb ihr Wirken auch nicht<br />

ohne Erfolg sein unb sie bazu beitragen können, mit ber Anhänglichkeit<br />

zur engeren Heimath auch zugleich bie Liebe zum großen Vaterlanbe zu<br />

pflegen unb zu beleben.<br />

Der Porftanb öer (BcfeHfcfyaft für pommerfcfye (Befcfytcfyte<br />

unb<br />


tttmrf|0<br />

Jlnfttge.<br />

mit Vtvnnm,<br />

unö<br />

Geschichtsverein. Zeitschrift 16.17.18.19. Register zu Bd. 8—15.<br />

WßtOllt: Hrvatskoga arkeologickoga Druztva. Ljetopis Viestnik.<br />

N. S. I. Monumenta XXVI. XXVII. XXVIII.<br />

GeschichtS- und Alterthumsforschende Gesellschaft.<br />

Mittheilungen Xr 4.<br />

H { stor. Verein für Schwaben. Zeitschrift XXI. XXII.<br />

XXIIL<br />

Bafel: HUtor. und antiquar. Gesellschaft. Beiträge 5ft. F- !V, 3 u. 4.<br />

V, 1. Jahresbericht 20.<br />

SBttttfjcn: Macica Serbska. Casopis 1894. 1895. 1896. 1897, 1. —<br />

Protyka sa Sserbow na pschestupne leto 1896. 1897. —<br />

Zapiski macicy serbskeje w Budysinje (1847—97).<br />

»tt^reutlj: Hiftor. Verein für Dberfranken. Archiv XIX, 3. XX, 1.<br />

Katalog, 1. Ehr- Meyer, Quellen zur alten Geschichte des Fürstentums<br />

Bayreuth. I. II.<br />

»ergeit in #totto.: Museum. Aarborg 1893. 1894/95. 1896.<br />

Berlin: 1. Gesellschaft für Anthropologie. Verhandlungen 1895.<br />

1896. 1897. Zeitschrift 1895. 1896. 1897.<br />

2. Märkisches Museum. Verwaltungsbericht 1894/95.1895<br />

bis 1896. 1896/97.<br />

3. Verein für die Geschichte <strong>der</strong> Mark Brandenburg.<br />

Forschungen VIII. IX.<br />

4. Verein für Geschichte Berlins. Mittheilungen 1895.<br />

1896. 1897. Schriften XXXII. XXXIII. Katalog <strong>der</strong> Bibliothek.<br />

5. Verein Herold. Der deutsche Herold 1894. 1895. 1896.<br />

6. Gesellschaft für HetmathSkünde <strong>der</strong> Prov. Brandenburg.<br />

Brandenburgia III. IV. V. VI. Archiv II.<br />

Bijinij: Gewerbeschule. Jahresbericht 19. 20. 21.<br />

Bonn: Verein von Alterthumsfreunden .im Rheinlande. Jahrbücher<br />

96 u. 97. 98. 99. 100. 101.


Zuwachs <strong>der</strong> Bibliothek. 299<br />

tt. $.: Hiftor. Verein. Jahresbericht 26—28.<br />

»rauitSfcetß: Hiftor. Verein für Ermelanb. Zeitschrift XI, 1.2.3.<br />

Monumenta Lief. 23. 34.<br />

Sternen: Hiftor. Gesellschaft des Künstlervereins. Jahrbuch XVIL<br />

XVHL<br />

ä3rc8lttlt: 1. Schlefifche Gesellschaft für Vaterländische Kultur.<br />

Jahresberichte 72, 73 u. 74 mit Ergänzungsheften.<br />

2. Museum schiefischer Alterthümer. Schlesiens Vor-<br />

Zeit VI, 2. 3. 4. VII, 1. 2.<br />

3. Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens.<br />

Zeitschrift 29. 30. 31. — §. Markgraf, Der Verein für Geschichte<br />

und Alterthum Schlesiens in den ersten 50 Jahren seines<br />

Bestehens. Breslau 1896. — J. Krebs, Französische Staatsgefangene<br />

in fchiefischen Festungen. Breslau 1895. Autoren-<br />

Register zur Zeitschrift I—XXX.<br />

»rombetß: Hiftor. Gesellschaft für den Sftetzebistrikt. Jahrbuch<br />

1896. 1897.<br />

©tttnbnbfle: Peabody Museum. 29. 30 Report. — Memoirs I, 1. 2.<br />

©ttffel: Verein für hessische Geschichte und Landeskunde. Zeitschrift<br />

18. 19. 20. 21. Supplement 11. Mittheilungen 1892.<br />

1893. 1894. 1895.<br />

: Verein für Chemnitzer Geschichte. Jahrbuch VIII.<br />

1. Videnskabs Selskabet. Forhandlinger 1893. 1894.<br />

Oversigt 1893. 1894. Skriften 1894, I. II.<br />

2. Museum nordischer Alterthümer. Aarsberetning 1893.<br />

1894. 1895. — Foreningen til norske fortidsmindesmaerkers<br />

bevaring 1844—1894. — Nicolaysen, Stavanger Domkirke<br />

1. 2. Kunst og Handverk II, 1.<br />

6tefelJ>: MufeumS-Verein. Bericht 9. 10. 11. 12.<br />

$onjtß: 1. Westpreußischer GefchichtSVerein. Zeitschrift 35. 36. 37.<br />

2. Westpreußisches Provinzial-Mufeum. Bericht 1894.<br />

1895. 1896. Abhandlungen 10.<br />

3. 9?aturforfchenbe Gesellschaft. Schriften IX, 1. 2.<br />

2)awtftttlit: Historischer Verein für baS Großherzogtrjum ^>esfctt.<br />

Quartalblätter 1894. 1895. — Archiv $1. F- H, 1. — W. EreceliuS,<br />

DberfjefftfcheS Wörterbuch. Lief. 2.<br />

Gelehrte estnische Gesellschaft. Sitzungsberichte 1894. 1895.<br />

1896. Verhandlungen XVI, 4. XVII. XVIII.<br />

Königl. Sächsischer Alterthumsverein. Jahresbericht 1894<br />

bis 1895. 1895/96. 1896/97. $1. Archiv XVI. XVII. XVIII.<br />

$iiffelborf: Geschichtsverein. Beiträge IX. X. — W. Joft, Die<br />

Schnitzwerke am Marftall des JägerfjofeS zu Düffeldorf. 1895.


300 Zuwachs <strong>der</strong> Bibliothek.<br />

(Stfenfcetfl: Geschichts- und Alterthumsforschen<strong>der</strong> Verein. Mittheilungen<br />

10. 11. 12.<br />

@i8Ie6ett: Verein für Geschichte und Alterthümer <strong>der</strong> Grafschaft<br />

ManSseid. ManSfei<strong>der</strong> Blätter 9 mit Beilage. 10.<br />

Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische<br />

Alterthümer. Jahrbuch XI, 1. 2.<br />

1. Königl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften.<br />

Jahrbücher 9?. $. XXI. XXII. XXIII.<br />

2. Verein für die Geschichte und Alterthumskunde<br />

Erfurts. Mittheilungen 16. 17. 18. — Oergel, Das collegium<br />

maius zu Erfurt.<br />

tt. 9K.: Verein für Geschichte und Altertumskunde.<br />

Archiv SBb. V. — R. Jung, Das historische Archiv <strong>der</strong> Stadt<br />

Frankfurt a. M. 1896.<br />

a. ©•: Historischer Verein für HeimathSkunbe. ^>eft 18<br />

bis 20.<br />

historisier Verein des Kantons Thurgau. Tfjurgauische<br />

Beitr. 34. 35. 36.<br />

1.0*: AlterthumS-Verein. Mittheilungen 31. 32. 33.<br />

%Xt\hut$ l 83.: 1. Gesellschaft für Geschichtskunde. Zeitschrift<br />

XL XII.<br />

2. BreiSgau-Verein „Schau-inS-Lanb". Schau-inS-<br />

Laub XXI, 1. 2. XXni.<br />

©iejeit: Oberfjeffischer GefchichtSVerein. Mittheilungen 5. 6.<br />

©otlttj: 1. Oberlaufs. Gesellschaft ber Wissenschaften. Magazin<br />

XXIL, 1. 2. LXXII, 1. 2. LXXIH, 1. — Festschrift zum<br />

21. August 1896.<br />

2. Sftaturforschenbe Gesellschaft. Abhanblungen XXI.<br />

3. Gesellschaft für Anthropologie unb Urgeschichte<br />

ber Oberlausitz. Jahresrate 4.<br />

iftor- Verein für Steiermark. Beiträge 27. — Mittheilungen<br />

43. 44. — 4. Bericht ber hiftor. LanbeSkommiffion.<br />

Geographische Gesellschaft. Jahresbericht 6, 1.<br />

Sftiebertaufitzer Gesellschaft für Anthropologie unb<br />

AltertfjumSkunbe. Sftiebertaufitzer Mittheilungen IV, 1—8.<br />

tt. &.: Thüringisch-Sächsischer Alterthums- unb Geschichtsverein.<br />

5«. Mittheilungen XIX, 1. 2. 3. Jahresbericht 1894/95.<br />

1895/96.<br />

§ttmbui?8: Verein für Hamburgische Geschichte. Mittheilungen 16. 17.<br />

Zeitschrift X, 1.<br />

$tt!UUl: Bezirksverein für hessische Geschichte unb LanbeSfunbe.<br />

R. Suchier, Die Münzen ber Grafen von Hanau. 1897.


Zuwachs ber Bibliothek. 301<br />

§amurt)Cf: #iftor. Verein für ^iiebersachsen. 3ett[d£)rift 1895.1896. —<br />

von Oppermann-E. Schuchharbt, Atlas Vorgeschichtlicher<br />

Befestigungen. Lief. 3. 4.<br />

§arletlt: Societe hollandaise des sciences. Archives XXVIII, 5.<br />

XXIX, 1—5. XXX, 1—5. Serie II, tome I, 1.<br />

rj: UniverfitätS-Bibtiotfjek. Sft. Heidelberger Jahrbücher V,<br />

1. 2. VI, 1. 2. VII, 1.<br />

Finnische Alterthumsgesellschaft. Tidskrif XIV. XV.<br />

XVI. XVII. — Pinskt Museum 1894. 1895. 1896. Suomen<br />

Museo 1895. 1896.<br />

§ewuutltjlttt>t: Verein für siebenbürgische Landeskunde. Archiv<br />

Stt. F- XXVI, 3. XXVII, 1. 2. 3. — Jahresbericht 1894/95.<br />

1895/96. 1896/97. — Programm des ev. Gymnasiums 1895/96.<br />

§o|enleubcn: Vogtländischer Alterthumsverein. Jahresbericht 65<br />

bis 66.<br />

«Scntt: Verein für Thüringische Geschichte und Alterthumskunde.<br />

Zeitschrift W.ft.IX. X, 1 u. 2. — O. Dobenerfer, Regesta<br />

diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae. Halsband<br />

1. 2.<br />

Alterthumsgesellschaft. Jahresbericht 1894/95. Urkunden<br />

1895. 1896. 1897.<br />

Verein für Geschichte und Alterthumskunde. Mittheilungen<br />

IV, 4. V, 1. 2.<br />

Aid: 1. Gesellschaft für Schleswig-Hotstein-Lauenburgische<br />

Geschichte. Zeitschrift XXIV. XXV. XXVI. — Regesten<br />

und Urkunden III, 8.<br />

2. Gesellschaft für Kiefer Stadtgerichte. Mittheilungen<br />

12. 14. 15.<br />

3. Sftaturwisfenschaftl. Verein. Schriften X, 2. XI, 1.<br />

4. Anthropologischer Verein. Mittheilungen 8. 9. 10.<br />

5. Museum vaterländischer Alterthümer. Bericht 41.<br />

Äättißgbetö t. tyt.: 1. Alterthumsverein Prusfia. Altpreuß. Monatsschrift<br />

XXXI, 7 u. 8. XXXII. XXXIII. XXXIV, 1 u. 2<br />

(Beilageheft), 3 u. 4. — Sitzungsberichte 20.<br />

2. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft. Schriften<br />

XXXV. XXXVI. XXXVII.<br />

$0j>ctUjttßeit: 1. Königt. sorbische AlterthumSgesellfchaft. Aarboger<br />

IX, 2. 3. 4. X, 1—4. XI, 1—2. XII, 1. 2. 3. 4. —<br />

Memoires 1893.1894. 1895.1896. — Nordiske Fortidsmin<strong>der</strong>3.<br />

2. G-enealogisk Institut. Eine größere Zahl öon einzelnen<br />

Schriften.


Zuwachs <strong>der</strong> Bibliothek.<br />

Sailmdj: Musealverein. Mittheilungen VII, 1. 2. IX, 1—6. Izvestja<br />

museiskega drustva. Letn. IV, 1—6. VI, 1—6.<br />

8ttltl>8öe?ft Q. SB.: Verein für Geschichte <strong>der</strong> Sfteumark. Schriften<br />

3. 4. 5. 6. — Bücher-Verzeichniß.<br />

SanMljut: ^)tftor. Verein für ^ie<strong>der</strong>bayern. Verhandtungen XXXI.<br />

Seibett: Maatschappy <strong>der</strong> ne<strong>der</strong>landsche letterkunde. Handelingen<br />

1894. 1895. 1896. Levensberichten 1894. 1895. 1896.<br />

Setytt: Sftordböhm. EycurfionSktub. Mittheilungen XVni. XIX.<br />

XX. — Fr. Knothe, Die MarkerSdorfer Mundart.<br />

öetyjtfl: 1. Verein für die Geschichte Leipzigs. Schriften 4. 5.<br />

2. Museum für Völkerkunde. Bericht 22. 23. 24.<br />

8ei§tti(j: Gefchichts- und Alterthumsverein. Mittheilungen 10.<br />

SetJtberß: Towarzystwa historycznego. Kwartalnik historyczny<br />

IX. X. XI.<br />

Sillfoftt: Nebraska State Historical Society. Proceeding and<br />

collections I, 3. 4.<br />

Stttlmu: Bodensee-Verein. Schriften 24. 25.<br />

Siiberf: 1. Verein für Hanfische Geschichte. Geschichtsblätter .1894.<br />

1895. 1896. Jahresbericht 25. 26.<br />

2. Verein für Lübetfische Geschichte und Altertf)umSkunde.<br />

Urkundenbuch X, 1—4. Bericht 1893. 1894. 1895.<br />

Mittheilungen VI. VII.<br />

Sünebiitfl: Muse ums verein. Jahresbericht 10—13. 1891—95.<br />

ÖÜttidj: Institut archeologique Liegois. Bulletin XXIV. XXV.<br />

Verein für Geschichte und Alterthumskunde. GefchichtSblätter<br />

XXIX, 2. XXX. XXXI. XXXII, 1.<br />

r: Historischer Verein. Zeitschrift 33. 34. 35.<br />

Verein für die Geschichte <strong>der</strong> Stadt Meißen. Mit-tfjeilungen<br />

III, 4. IV, 1. 2.<br />

SÄetningen: H en neberg. Altertl)umS-Verein. 9?. Beitr. 8.<br />

j: Gesellschaft für lothringische Geschichte und AtterthumSkunde.<br />

Jahrbuch VII. VIII.<br />

e: Public museum. Report 12. 13.<br />

1. Kurländische Gesellschaft für Literatur und Kunst.<br />

Sitzungsberichte 1894. 1895. 1896.<br />

2. Sektion für Genealogie, Heraldik und Sphragistik.<br />

Jahrbuch 1894. 1895.<br />

äßüiuljett: 1. Hift°r- Verein für Oberbayern. Monatsschrift 1895.<br />

1896. 1897. Archiv 49.<br />

2. Königl. Bayerische Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften.<br />

Sitzungsberichte 1894, 3. 1895. 1896. 1897, 1. 2. 3. —


Zuwachs <strong>der</strong> Bibliothek. 303<br />

Abhandlungen XXI, 1. 2. — A. V. Bechmann, Der churbayer.<br />

Kanzler AloiS Freiherr v. Kreittmayr. 1896.<br />

SRüttjler: 1. Verein für Geschichte und Alterthümer Westfalens.<br />

Zettschrift 52. 53. 54. ErgänzungSl)efte 1. 2. 3.<br />

2. Westfälischer Provinzial-Verein. Jahresbericht 22.<br />

23. 24.<br />

'Jiamur: Societe archeologique. Annales XXI, 1. 2. XXII, 1. 2. 3.—<br />

Rapport 1894. 1895.<br />

*Rutttbef(J: 1. Germanisches Museum. Anzeiger 1894. 1895. 1896. —<br />

Mittheilungen 1894. 1895. 1896. — Katalog <strong>der</strong> #oljftö


304 Zuwachs <strong>der</strong> Bibliothek.<br />

#iftor. Verein. Württemberg. Franken. Stt. F-VI.<br />

©djtoettlt i. HR.: Verein für meklenburgische Geschichte. Jahrbücher<br />

LX. LXL<br />

Steter: historisier Verein <strong>der</strong> Pfalz- Mittheilungen 19. 20. 21.<br />

©tofljofol: 1. Nordiska Museet. Samfundet 1893 och 1894. —<br />

Karta öfver Skansen u. a. m.<br />

2. Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademien.<br />

Mänadsblad 1892. 1893. — Antiquarisk tidskrift.<br />

XIII. XIV. XV. XVI. — O. Montelius, Das Museum norbischer<br />

Alterthümer. 1897.<br />

3. Svensk historiska foreningen. Historisk tidskrift<br />

1894, 4. 1895. 1896. 1897, 1. 2.<br />

1.


<strong>der</strong><br />

fjawmtffton juv ©vljnltuuo wib (ßrfovfdjunjj ber<br />

pcnhmtilcv in fcn* Uriroitt? tyvmmtvn<br />

für die Zeit vom<br />

1. JlprU 1896 ßts 31. ^Tcira 1897.<br />

(Vorgetragen und genehmigt in ber Sitzung ber Kommission<br />

am 15. Juni 1897.)<br />

Sufttutmenjctjuna ber Kommission.<br />

Sftachbem ber Provinzial-Ausschuß in seiner Sitzung vom 9. Februar<br />

1897 an Stelle beS verstorbenen MitgliebeS ber Denkmalskommission,<br />

Grafen Flemming-Benz, ben Lanbrath a. D. von Schöning-Clemmen<br />

in Stargarb i. p. bis Enbe Juni 1900 znm Mitgliebe ber Denkmalskommission<br />

gewählt hatte, war bie Kommission wieber vollzählig.<br />

Die burch baS LooS auSscheibenben Mitglieber:<br />

a) Eyzetlenz Freiherr von Mattzahn-Gültz,<br />

b) Kammerherr von Zifeewi^-Zezenow,<br />

c) Geheimer RegierungSrath, Oberbürgermeister Haken In'ersetbst,<br />

unb Stellvertreter:<br />

a) Stabtbaumeifter Von H a setberg zu Stralsunb,<br />

b) Geheimer RegierungSrath, Oberbürgermeister a. D. P eh lern<br />

an n zu Stargarb i. pv<br />

c) Pastor Gerde zu Kenz<br />

würben in berfetben Sitzung bis Enbe Juni 1903 wiebergewählt.<br />

Der in ber Sitzung vom 19. Mai 1896 vorgetragene Jahresbericht<br />

ber Kommission über ihre Thätigkeit vom 1. April 1895 bis Enbe März<br />

1896, sowie ber Arbeitsplan für baS Jahr 1896/97 finb im 46. Jahrgange<br />

ber Baltischen Stubien, herausgegeben von ber Gesellschaft für<br />

Pommersche Geschichte unb AlterthumSkunbe, abgebrüht unb in Gemäßheit<br />

beS Erlasses beS Herrn Ministers Vom 26. August 1896 (U.IV ^r. 3585/95)<br />

mit Konservatoren anberer Provinzen ausgetauscht Worben.<br />

Eattifdje ©tuMen ft. fr I. 20


306 Die Denkmalspflege in Pommern.<br />

(Spaltung Set 2)enfma(er.<br />

Die Maßnahmen zur Erhaltung <strong>der</strong> Denkmäler haben in Pommern<br />

einen nicht unerfreulichen Fortgang gehabt. Z um Abschluß gebracht<br />

waren während des Berichtsjahres die Wie<strong>der</strong>herstellung deS Schloßthurmes<br />

von Gülzow, <strong>der</strong> Gertrauden-Kapelle von Treptow a. Rv des MühlenthoreS<br />

in Pafewalk, des Thurmbaues <strong>der</strong> Jakobikirche in Stettin und des<br />

Kirchengebäudes z u Kenz- Jn <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung begrtffen ist die<br />

Marienkirche ^n Bergen auf Rügen; Von ihr sind Thurm und Dach und<br />

einzelne Theile deS Gebäudes bereits fertig gestellt. Der Ausbau des<br />

Langhauses und des Jnnern wird im taufenden Jahre zum Abschluß<br />

gebracht werden können, sobald über die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> noch i\x<br />

erwähnenden Wandgemälde und die Umgestaltung <strong>der</strong> Barnekow-Kapetle<br />

sowie <strong>der</strong> Orgelempore Entscheidung getroffen sein wirb. Die Restauration<br />

<strong>der</strong> Jakobikirche in Stettin ist im Gange. F ur die Außeusacade deS Langhauses<br />

und für den Kapetlenbau liegen die Entwürfe Vor, und es wird<br />

Zunächst mit dem Ausbau <strong>der</strong> üftorbfeite vorgegangen. Der aus mancherlei<br />

Gründen dringend nothwendige Ausbau <strong>der</strong> üftikolaikirche in Anklam harrt<br />

noch <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung.<br />

Bei dem Ausbau des RathhaufeS in Stargard, eines sehr bemerkenSwertl)en<br />

Baues aus <strong>der</strong> Zeit des Ueberganges von <strong>der</strong> Gothtk zur<br />

Renaissance, hat man von einer Z u zieh un g des Provinziat-KonfervatorS<br />

lei<strong>der</strong> abgesehen.<br />

Bei <strong>der</strong> Restauration <strong>der</strong> Kirche in Bergen a. R., <strong>der</strong>en älteste<br />

Tljetle aus dem Ende deS 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts stammen und wahrscheinlich<br />

den ältesten Steinbau unserer Provinz überhaupt darstellen, wurden von<br />

dem Historienmaler Heinrich Sa ff er Wandgemälde entdeckt, welche, <strong>der</strong><br />

EntstehuugSzeit <strong>der</strong> Kirche angehörend und in den strengen Formen deS<br />

romanischen Stiles gehalten, von dem höchsten Jnterefse für die Geschichte<br />

<strong>der</strong> Kunst in unserer Provinz zu fein versprechen. Die von dem Provinzial-<br />

Konservator empfohlene Wie<strong>der</strong>herstellung dieser Gemälde, sowie einige weitergehende<br />

Anträge auf den Ausbau an<strong>der</strong>er Kirchen, waren die Veranlassung,<br />

daß im September V. JS. von dem Herrn Minister <strong>der</strong> geistlichen :c. Angelenheiteu<br />

eine Speztalkommiffion nach pommern entsendet wurde zur<br />

Besichtigung <strong>der</strong> betreffenden Bauten.<br />

Bestätigungen tier<br />

Die Kommission bestand auS den Herren Geheimer RegterungSratf)<br />

Steinhaufen und dem Landbaumeister Körb er, als Vertreter des Konservators<br />

<strong>der</strong> Kunftdenkmäler, Geheimen OberregierungSratf) PerfiuS,<br />

denen von Seiten des Ministeriums <strong>der</strong> öffentlichen Bauten <strong>der</strong> Geheime<br />

Oberbaurath EggerS beigeordnet war. An den Besichtigungen <strong>der</strong> Kommission<br />

nahmen außerdem außer dem Provinzial-Konservator die betreffenden J


^)it Denkmalspflege in Pommern. 307<br />

Decernenten <strong>der</strong> Königlichen Regierungen und die Kreisbaubeamten, in<br />

Stralsund und Kenz auch <strong>der</strong> Regierungspräsident von Arnim, in<br />

Stratsund und Bergen auch <strong>der</strong> Stadtbaumetfter Von H a selberg und<br />

<strong>der</strong> Historienmaler S äff er theil.<br />

Die Kommission besichtigte zuerst bie Kirche von Kenz, wo eS sich<br />

um bie Herstellung eines fünften Fensters mit GlaSgemälben unb um bie<br />

Restauration beS Barnim-Denkmals hanbett. Hierfür finb 2800 Mark<br />

als Kaiserliches Gnabengeschenk bewilligt worben. Jn Stratsunb würbe<br />

bie ^ikolaikirche besichtigt, bereu Freilegung beabsichtigt war. Um bie<br />

Gelbmittel für eine solche Frettegung aufzubringen, War bie Erlaubniß zu<br />

einer Lotterie nachgesucht worben. Die Kommission t)teü bie Frettegung<br />

nicht für geboten, ja nicht einmal für wünschenSWertl). Jn Bergen a. R.<br />

hanbelte es sich um bie schon erwähnten Abänberungen beS Bauplanes in<br />

Betreff ber Orgelempore unb ber Barnekow-Kapetle, namentlich aber um<br />

bie Wanbgemälberefte. Z ur Frettegung ber letzteren in ihrem ganzen<br />

Umfange ist aus betn Baufonbs eine Summe ausgeworfen. Jn Stettin<br />

würbe bie Peter-PaulSktrche besichtigt. Außer bem Weftgiebet bebürfen<br />

hier bie Sftorbfront unb behufs besserer Platzausnutzung baS Jnnere einer<br />

voüftänbigen Umwanbtung. Snbttch würbe noch in Stargarb bie Marienkirche<br />

besichtigt, bereu Wteberrjersteilung in ihrer alten Gestatt, namentlich<br />

auch im Jnnern, seit längerer Zeit angeregt unb von einem bortigen,<br />

eigens ^n biefem Zwecke gebttbeten Verein mit Eifer betrieben wirb.<br />

iHeftuutttttonctt Un<br />

Angeregt unb zum Tfjett schon in bie Wege geleitet ist ferner bie<br />

Restauration ber folgenben Denkmäler: DeS Berliner unb beS KöntgSthores<br />

in Stettin, ber Gertrauben-Kapette in KöSttn, beS Deutsch-OrbenSschtofseS<br />

in Bütow, beS EpheuthurmeS in Lauenburg unb beS LouisenthoreS<br />

in Demmin.<br />

Äudjltdje ^luöftttthtnstöstcftcnftantie.<br />

Auch für bie Ausstattung ber Kirchen ist Dankenswertes geschehen.<br />

So ist ber berühmte Apengeter'sche siebenarmtge Bronzeteuchter beS Kolberger<br />

Domes im Kunstgewerbe-Museum in Berlin ergänzt unb zu setner vollen<br />

Schönheit wieberfjergeftettt worben. Dringenb nothwenbig, aber noch nicht<br />

über bie vorbereiteten Anfänge hinausgekommen ist bie Herstellung beS<br />

RubenowbitbeS in ber Sftikotatkirche in GretfSWatb, ber zahlreichen, kostbaren<br />

Altäre unb Epitaphien ber TOkotaikirche in Stratsunb. Der Veräußerung<br />

Von Ktrchen-AuSftattungSgegenstänben ist grunbsätzttch entgegengetreten<br />

worben. Dankbar anzuerkennen ist bie Rüfowerbung beS frühgothischen<br />

TaufftetneS ber Marienkirche in Anktam, ebenso bie Aufnahme<br />

ber Bronze-Grabptatte beS Ritters Von Wölbe unb feiner Gemahlin, geb.<br />

Von Mauteuffet, welche jetzt an ber Wanb aufgestellt ist. Leiber finb bie<br />

2


308 Die Denkmalspflege in Pommern.<br />

Kirchenvorstände über den Werth <strong>der</strong> alten AuSstattungSgegenftände vielfach<br />

noch in Unklarheit und verhalten sich selbst bet gegebener Anregung noch<br />

ablehnend und zurückhaltend, ja man befürchtet theilweife, daß die Kunftgegenstände<br />

auf bie Kirchenbefucher störeud und zerstreuend wirken. ES<br />

war in einem Spezialfalle nöthig, daß <strong>der</strong> Provinzial-Konfervator sich erst<br />

an die Ministerialtnstanz wenden mußte, um dem Kirchenvorstande gegenüber<br />

zu erhärten, baß sein Verlangen, mit einer Grabplatte <strong>der</strong> Schloßkirche<br />

zu Stettin ebenso zu verfahren, wie eS in Anksam geschehen und feit<br />

Jahrzehnten allgemein Sitte ist, ein woIjlberechttgteS war. Als Grundsatz <strong>der</strong><br />

Denkmalspflege muß es gelten, daß den Kirchen K. bie ihnen zugehörigen<br />

Kunstwerke und Denkmäler erhalten bleiben, nur wo diese durch baS Verbleiben<br />

an ihrer bisherigen Stelle selbst gefährbet finb unb eine angemessene<br />

Unterbringung am Orte außerhalb ber Möglichkeit liegt, ist eine Abweichung<br />

Von biefem Grunbsatze erlaubt unb unter Umsiänben sogar geboten. AuS<br />

biefem Grunbe hat ber Provinzial-Konfervator selbst nachgesucht, baß bie<br />

aus bem ehemaligen Refektorium unb anberen längst abgerissenen Klosterräumen<br />

von Kolbatz stammenben Säulencapitelle, welche jetzt als Konsolen<br />

in einem Gartenhaufe verwenbet werben, nach Stettin in baS Museum<br />

überführt werben.<br />

SBebadjitng fmfjltdjcr ©eHttk.<br />

Sticht genügenb beachtet werben vielfach bie Verfügungen beS Herrn<br />

Ministers in Betreff ber Bebachung von kirchlichen Gebäuben. So waren<br />

bie Kapellenanbauten an ber Sftikotaikirche in Anklam in Gefahr, eine<br />

Bebetfung von Dachpappe zu erhalten.<br />

^tfdjenljetjimfl (toeim im£ Interesse ber $citfmttlöpflefle bauet ßetoaljrt<br />

toertieit sott).<br />

Eine sehr wichtige Frage, biz sich in neuerer Qeit wieberholt in ben<br />

Vorbergrunb gebrängt hat, ist bie, wie bei ber Anlage von Kirchenheizungen<br />

ZU verfahren ist, wenn baS Jntereffe ber Denkmalspflege babei gewahrt<br />

Werben soll. Der Umstanb, baß in ber Kirche zu Demmtn, welche Vor<br />

Kurzem zur Beheizung mit eisernen Oefen eingerichtet ist, einer bieser<br />

Oefen unmittelbar vor eine in bie Wanb eingelassene Grabplatte aus ber<br />

Renaissancezeit mit ber figürlichen,Darstellung eines Ritters gerückt War,<br />

gab bie Veranlassung, eine prinzipielle Aeußerung von entscheibenber Stelle<br />

nicht nur über biefe rücksichtslose Behanblung eines Denkmals, fonbern<br />

auch über bie Heizungsfrage überhaupt zu erbitten. Die Folge war, baß<br />

baS Königliche Konsistorium bie nachstehenben Verfügungen im Kirchlichen<br />

Amtsblatt erließ:<br />

Königliches Konsistorium ber Provinz Pommern. J.-9?. 13867.<br />

Stettin, ben 14. September 1896.<br />

Jm Anschluß an unsere Bekanntmachung vom 16. Juni b. JS.<br />

(Kirchs. Amtsblatt Seite 72) weifen wir barauf hin, baß nach ber in


Die Denkmalspflege in Pommern. 309<br />

einem Spezialfalle ergangenen Entscheidung des Herrn Ministers <strong>der</strong> geistlichen<br />

Angelegenheiten auch die Anlagen von Heizüorrichtungen in Kirchen,<br />

welche einen Denkmalswerth besitzen, unter die Bestimmung des § 1 %. 8 C<br />

des KirchengefetzeS vom^ 18. Juli 1892 fallen und daß daher, bevor die<br />

Genehmigung z u <strong>der</strong> Anlage bei uns nachgesucht wird, eine gutachtliche<br />

Aeußerung des Provinzial-KonservatorS einzuholen ist. Der Herr Minister<br />

wünscht selbstverständlich, daß die Beheizung alter Kirchen aus Rücksicht<br />

auf die Denkmalspflege nicht verhin<strong>der</strong>t Werde, macht aber darauf aufmerksam,<br />

daß eS wohlbewährte Systeme gebe, welche geeignet feien, allen<br />

praktischen Anfor<strong>der</strong>ungen z u entsprechen, ohne den Denkmalswerth <strong>der</strong><br />

Kirche zu beeinträchtigen. gez. Richter.<br />

Königliches Konsistorium <strong>der</strong> Provinz Pommern. J.-Sft. 14869.<br />

Stettin, den 19. September 1896.<br />

Da die Gemeinde-Kirchenräthe in den meisten Fällen nicht in <strong>der</strong><br />

Lage fein Werden, beurtheilen zu können, ob ein Kirchengebäude Denkmals?<br />

werth besitzt o<strong>der</strong> nicht, so haben dieselben hierüber in allen Fällen vor<br />

Ausführung <strong>der</strong> Anlage die Entscheidung des Provinzial-KonservatorS<br />

nachzusuchen. Letzterer hat sich gern bereit erklärt, in jedem Falle fein<br />

Urtheil abzugeben. gez. Richter.<br />

Heizungsvorrichtungen rj a &en, soweit dem Provinzial-Konservator<br />

bekannt geworden, im Laufe deS letzten JaljreS theils erhalten, theils vorbereitet:<br />

die Schloßkirche in Stettin, Marienkirche in KöSlin, Marienkirche<br />

in Anklam, die Kirche in Grimmen, die Kirchen in TribfeeS, Kartlow,<br />

Kirchbaggendorf. Es ist einleuchtend, daß das Jntereffe <strong>der</strong> Denkmalspflege<br />

nicht bei je<strong>der</strong> Art <strong>der</strong> HeijnngSanlage gewahrt werden kann.<br />

Kirchen, die einen beson<strong>der</strong>en Denkmalswerth haben — und das ist bei<br />

unseren Stadtktrchen fast ausnahmslos <strong>der</strong> Fall — werden durch Dfenanlagen,<br />

<strong>der</strong>en Beheizung in <strong>der</strong> Kirche selbst vorgenommen werden muß<br />

und namentlich dann, wenn die RauchabführungSrorjre frei in die H^e<br />

geführt, die Gewölbe durchbrechen, in wi<strong>der</strong>wärtiger Weife entstellt und eS<br />

sollten daljer hier nur solche Systeme zulässig fein, <strong>der</strong>en Heizkörper in dem<br />

Fußboden o<strong>der</strong> unter ihm verlaufend, nirgends die Wirkung <strong>der</strong> Architektur<br />

stören und unterbrechen. ES wäre daher sehr ^n wünschen, daß die<br />

Kirchenvorstände, wenn die Geldmittel für die kostspieligen Anlagen dieser<br />

Art noch nicht zureichen, lieber noch eine Zeit lang warteten und dann<br />

später erst etwas wirklich und dauernd Brauchbares ins Leben riefen.<br />

Bei kleineren Kirchen, die ja meist in einfacheren Formen gehalten find,<br />

wirkt ein mo<strong>der</strong>ner Ofen nicht im gleichen Grade störend, aber auch hier<br />

sollte die Rauchableitung niemals durch freistehende Rohre, son<strong>der</strong>n durch<br />

Schornsteine, die in die Wand selbst verlegt sind, erfolgen. Jn Kirchbaggendorf<br />

ist durch ein solches Rohr die schöne romanische Hängekuppel<br />

des hohen ChorS in wi<strong>der</strong>wärtiger Weife durchbrochen und <strong>der</strong> kirchliche


310 Die Denkmalspflege in Pommern.<br />

Charakter des Gebäudes geradezu entstellt worden. Dazu kommt, daß bei<br />

Ofenheizung die Gefahr einer Beschädigung Von Wandmalereien und feinerer<br />

Ausmalung überhaupt, sowie von kostbareren Ausstattungsgegenständen mit<br />

Farbenfchmud ober Vergoldung an Altarwerken, Kanzeln, Epitaphien,<br />

Schnitzwerken aller Art, durch Ruß, Rauch und Kohlenstaub niemals ausgeschlossen<br />

ist, im Gegentheil vielfach schon vorliegt, so daß für solche<br />

Kirchen nur eine Dampfheizung o<strong>der</strong> Luft- o<strong>der</strong> Wasserheizung angezeigt<br />

ist, <strong>der</strong>en Feuerung außerhalb beS Kirchengebäudes belegen ist. Auch Gasheizungen<br />

stören in den meisten Fällen durch ihre Heizkörper die Architektur<br />

unserer Kirchen, außerdem haben sie sich dort, wo sie schon länger bestehen,<br />

als sehr nachtheilig für die aus Kupfer hergestellten Metalltheile an den<br />

Orgelwerken bewiesen und dieselben in überraschend kurzer Zeit durch<br />

Oxydation zerstört.<br />

SPräljijlortfd)c Senfmäler.<br />

Für die Erhaltung <strong>der</strong> prähistorischen Denkmäler und ilrre wissenschaftliche<br />

Verwerthung ist wie bisher Von den Museen in Stettin und<br />

Stralfund gesorgt worden und in den Monatsblättern und den Jahresberichten<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde<br />

über die Zugänge ausführlich Bericht erstattet. Hervorzuheben ist hier<br />

beson<strong>der</strong>s die Aufdeckung einer Schlagwerkstätte von Fenerfteingeräthen bcr<br />

prähistorischen Zeit bei LietzoW auf Rügen, die eine überaus reiche Ausbeute<br />

gewährte, nicht blos Von Abfallstüden, son<strong>der</strong>n auch von angefangenen,<br />

unvollendeten und bei <strong>der</strong> Arbeit mißlungenen o<strong>der</strong> zersprungenen und auch<br />

Von fertigen Stücken.<br />

AIS ein beson<strong>der</strong>er Gewinn für die prähistorische Forschung ist die<br />

Von <strong>der</strong> genannten Gesellschaft herausgegebene Schrift von H u go Schumann,<br />

„Die Kultur Pommerns in Vorgeschichtlicher Zeit" zn bezeichnen. Namentlich<br />

werden die <strong>der</strong> Schrift beigegebenen fünf Tafeln mit Zeichnungen prähistorischer<br />

Gegenstände von A. Stubenrauch dazu beitragen, daS Verständniß<br />

und den Sinn für die Präf)tstorie in Weitere Kreise zu verbretten und damit<br />

auch für die bessere und umfassen<strong>der</strong>e Erhaltung <strong>der</strong> prähistorischen Denkmäler<br />

daS Jhrige beitragen. Für den Z^eck einer noch weitergehenden<br />

Popularifirung <strong>der</strong> Präl)iftorie ist auf Anregung deS Herrn Ministers auch<br />

eine prähistorische Schul-Wandtafel Von <strong>der</strong>selben Gesellschaft vorbereitet,<br />

die als Anschauungsmittel in sämmtlichen Schulen <strong>der</strong> Provinz verwandt<br />

werden soß.<br />

tStfotf^unß bet Senfmaler. ^Mjetttanftrunßcn,<br />

Die Erforschung <strong>der</strong> Baudenkmäler Pommerns hat während <strong>der</strong><br />

Berichtsperiode weitere Fortschritte gemacht dadurch, daß Von dem Provinzial-<br />

Konservator bei seinen Dienstreisen an Orten, <strong>der</strong>en Denkmäler in den<br />

gedruckten Jnventaren schon verzeichnet finb, diese Verzeichnisse auf ihre


Die Denkmalspflege in pomment. 311<br />

Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft und die Ergebnisse dieser Prüfungen<br />

für später herauszugebende Nachträge und Ergänzungshefte festgelegt worden<br />

sind. Jn gleicher Weife sind in <strong>der</strong> Umgegend von Kolberg <strong>der</strong> Gymnasial-<br />

Zeichenleljrer Meier und im Schlawer Kreise <strong>der</strong> Regierungsbauführer<br />

Wrede thätig gewesen.<br />

öc8<br />

Ferner ist nunmehr auch das IV. H e ft des JnventarS <strong>der</strong> Baudenkmäler<br />

im Regierungsbezirk Stralfund, den Kreis Rügen umfaffenb,<br />

im Druck vollendet. Der Herausgeber, Stabtbaumeister von H a felberg in<br />

Stralfund, hat feine Arbeit nach F°rm/ Jnhalt und Ausstattung genau<br />

seinen früheren Veröffentlichungen entsprechend gestaltet.<br />

«uößrabungen.<br />

Ausgrabungen im größeren Umfange haben nicht stattgefunden, doch<br />

wurden durch gelegentliche Untersuchungen erforscht außer einer größeren<br />

Anzahl Von Burgwällen die Gräberfel<strong>der</strong> und Gräber in Tefchendorf,<br />

Kafekow, Radekow, Farbezin in Stolzenburg, Kreis Randow. Näheres ist<br />

darüber in den schon erwähnten Monatsblättern veröffentlicht.<br />

Xter Dorfitymoe ber Kommission,<br />

geg. b. b. ©olfc.<br />

geä. Lemcfe.<br />

•<br />


«rttitsjlan<br />

ber<br />

gjamnrisfton für (Svljiiltuttg ttnb CCrforsriiun^ tor<br />

Denkmäler in frer yrauhu Komment<br />

für 5as §a§r 1897/98.<br />

(Vorgetragen und genehmigt in ber Sitzung ber Kommission am 15. Juni 1897.)<br />

Der Arbeitsplan für das taufende Jatjr hat sich in allen wesentlichen<br />

Punkten beut beS Vorjahres anzuschließen. Es hanbelt sich babet vornehmlich<br />

um bie Weiterführung beS JnventarS ber Denkmäler, um womöglich einen<br />

batbigen Abschluß für ben Regierungsbezirk Stralsunb zu bewirken. Daneben<br />

hat bie Drucklegung beS im Regierungsbezirk Stettin gesammelten Materials<br />

Zu erfolgen, unb fortlaufenb ist bie Ergänzung unb Vervollstänbigung ber<br />

bereits gebrückten Theile beS JnventarS weiter zu führen. Zugleich ist<br />

Vorzubereiten ein Nachtrag für baS Jnventar beS Regierungsbezirks Stralsunb,<br />

ber bie notrjwenbtgen unb für bie Anforberungen weiterer Kreise unentbehrlichen<br />

Abbilbungen ber einzelnen Denkmäler enthalten soll.<br />

Sfachbem burch baS oben erwähnte Werk von H U 9° Schumann bie<br />

erste Znsammenfassung ber bisherigen Ergebnisse ber prähistorischen Forschung<br />

für Pommern erfolgt ist, soll eine größere wissenschaftliche Arbeit berfelben<br />

Art unausgesetzt im Auge behalten werben.<br />

DaS burch ben vorjährigen Arbeitsplan von bem Provinzial-Konservator<br />

erforberte Verzeichniß berjenigen Denkmäler, bereu Erhaltung unb Wieberherstellung<br />

in ben nächsten Jahren nothwenbig ober wünschenswert!) ist, ist<br />

fertig gestellt unb folgt in ber Anlage.


erjenigen PenFmäler, beren (Erhaltung unb tPieberfyerfteOung<br />

notfytpenbig ober u)ünfd?ensrt)erttj ist.<br />

A. SRttUKit, Ute Ux todterem »erfaß ju fdjfitjeit unti tmuernb ju<br />

erhalten finti, bejm. unter Srfjutj ju stellen ftnti.<br />

(Die mit einem t bezeichneten Denkmäler find in gutem baulichen Zustande und<br />

die mit einem * bezeichneten find Vor an<strong>der</strong>en <strong>der</strong> Wieberljerfteflunö ober beS<br />

©chutzeS bebürftig.)<br />

1.* Die Klosterruine von Eldena, Kreis Greifswalb. (Universität GreifSwald.)<br />

2. Der Pulverthurm in Demmin. (Städtisch.)<br />

3.* Schloß LanbSkron, Kreis Anklam. (Privat.)<br />

4. Schloß Spantekow, Kreis Anklam. (Privat.)<br />

5. Das alte Haus in Putzar, Kreis Anklam. (Privat.)<br />

6.* Der Schloßthurm in Lödnife, Kreis Randow. (Privat.)<br />

7.* Der Schloßthurm in Rothen-Slempenow, Kreis Randow. (Privat.)<br />

8.* Der Bergfried in Wildenbruch, Kreis Greifenhagen. (Kgl. Hof^<br />

kammer.)<br />

9. Die Kirchenruinen auf dem GutSrjofe in Röhrchen, Kreis Greifenhagen.<br />

(Privat.)<br />

10.* Die Kirchenruinen ^n Kolzow, Jnsel Wollin. (FiSkuS.)<br />

11. Ein Mauerthurm in Bahn, Kreis Gretfenhagen. (Städtisch.)<br />

12. Schloßruine in Kremzow, Kreis Pyritz. (Privat.)<br />

13. Die verfallenen Theile beS Schlosses zu Panfin, Kreis Saatzig.<br />

(Privat.)<br />

14.* Schloßruinen in Freienwalde i. Pom. (Städtisch.)<br />

15.f Schloßruine Daber, Kreis Sftaugarb. (Privat.)<br />

16.f Ruine Draheim, Kreis ^eustettin. (FiSkuS.)<br />

17.* Kirchenruine in Lebamünbe, Kreis Lauenburg. (?)<br />

18.* Wiekhaus in Lauenburg. (Privat.)<br />

19. Kirchenruine von Bonin, Kreis KöSlin.


314 ^it Denkmalspflege in Pommern.<br />

B. 25enfmtt(er, toeldje nodj nid)t JRuinen pnu, aber in baultdjcm<br />

^uftontie ju ehalten ftni), tiamtt fte ntd^t Ruinen tuertien unti in iljrem<br />

2>en!wal§uicttl) ehalten Tertien muffen.<br />

l.f Schloßthurm in Weißen-EIempenow, Kreis Demmin. (Dom. Fiskus.)<br />

2.* Der hohe Stein, Kreis Anklam. (Städtisch.)<br />

3.f Bergfried in Müggenburg, Kreis Anklam. (Privat.)<br />

4.* Die Thürme des SchlofSeS LandSkron, Kreis Anklam. (Privat.)<br />

5. Die älteren Theile des Schlosses Ue<strong>der</strong>münbe. (Fiskus.)<br />

6.f Das ehemalige Schloß Pubagla, Jnsel Usedom. (Dom.<br />

7.f Bergfried in Gülzow, Kreis Kammin. (Dom. fttSfuS.)<br />

8.* Kapelle in Pölitz, Kreis Randow. (Städtisch.)<br />

9.f Klostergebäude in Kolbafe, Kreis Greifenhagen. (Dom.<br />

10. Das alte Schloß zu piatfje, Kreis Regenwalde. (Privat.)<br />

ll.f Das alte Schloß in Schivelbein. (Fiskus.)<br />

12. Das Schloß in Rügenwalde. (Fiskus.)<br />

13.* Das Schloß in Bütow. (Dom. u.<br />

Ku vermerken sinb ferner:<br />

Sämmtliche Stadtmauern.<br />

Sämmtliche Mauerthürme und Thore in den Städten, sowie Rathhäufer<br />

uud Bürgerhäuser von DenkmatSwertf).<br />

Von den Stadtthoren und Mauerthürmen befinden sich einige in<br />

gutem, baulichen Stande, an<strong>der</strong>e bedürfen gar sehr <strong>der</strong> Ausbesserung. Eine<br />

genauere Zusammenstellung <strong>der</strong> Letzteren wirb in dem nächsten Berichte zu<br />

geben sein.<br />

C. $enlmälet, bereit toöHige SSMcüertjerfteHunfl geboten ist.<br />

a) Solche, <strong>der</strong>en Wieberherstellung in nächster Qtit geboten ist.<br />

1.* Die TOkolaikirche in Anklam. (Städtisch.)<br />

2.* Die Jakobikirche (städtisch) und<br />

3. Die Peter-PaulSkirche in Stettin. (Fiskus.)<br />

4.* Die Gertraudenkapelle in KöSlin. (Städtisch.)<br />

5.* Die Jakobikirche in Lauenburg. (FiSkuS.)<br />

6.* Die Kirche in Klebow, Kreis Greifenhagen. (Fiskus.)<br />

7. Die Kirche zu Gr. Schönfeld, Kreis Greifenhagen. (Fiskus.)<br />

b) Denkmäler, bereu ganze ober theilweise Wieberherstellung<br />

in den alten Staub, unter Beseitigung späterer Entstellungen,<br />

um ihres Denkmalswerthes willen wünschenswerth ist.<br />

1. Die Kirche zu Altenkirchen a. Rügen. (FiSfuS.)<br />

2. Die Kirche zu Schaprobe a. Rügen. (Fiskus.)<br />

3. Die Jakobikirche zu GreifSWalb. (FiSkuS.)


Die Denkmalspflege in Pommern. 315<br />

4. Die Kirche in Ktrchbaggendorf, Kreis Grimmen. (Privat.)<br />

5. Die Kirche in Vorland, Kreis Grimmen. (Privat.)<br />

6. Die Portale <strong>der</strong> Kirche zu H^enmo<strong>der</strong>, Kreis Demmtn. (Privat.)<br />

7. Die Kirche zu Wolkow, Kreis Demmin. (Fiskus.)<br />

8. Die Kirche des Frauenklosters in Stettin. (FiSkuS.)<br />

9. Die St. Marienkirche in Stargard. (Städtisch.)<br />

10. Die Kapelle in Pyritz. (Städtisch.)<br />

11. Die Schloßkirche in Stolp i. p. (fttefuS.)<br />

D. (Sinjefocnfmiiler, tue unter o&rtfl!eitltdjen ©djufc ju fieDen flnti.<br />

Die Denksteine und Kreuze Von Schaprode; Gustow a. Rügen; Berthke,<br />

KrciS Frauzburg; Reinberg, Kreis Grimmen; Sassen, Kreis Greifswalb;<br />

Krurfow, Kreis Demmin; Grüttow, Kreis Anklam; Pasewalk, Kreis Uecfermünde;<br />

SommerSborf, Kreis Randow; Kremzow, Kreis Pyritz; Stargard,<br />

Kreis Saatzig; Wischow bei Treptow a. R.; Kammin i. Pom. und RützoW,<br />

KreiS Kolberg-Körlin.

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