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eBook - Das Geheimnis von Mirith Gilad

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das<br />

<strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

eine märchenhafte Erzählung <strong>von</strong> Therese Achtelik<br />

Fu¨r meine Familie, Anna, Franzi, Caro,<br />

Anne, Kai, Howard Shore & Peter Jackson!<br />

Danke fu¨r die Inspiration, den Glauben und die<br />

Unterstu¨tzung . . .<br />

Rese<br />

<strong>eBook</strong> 13. Ausgabe 11. Juli 2007<br />

© 2006-2007 Endorin Publishing<br />

Textcopyright © Therese Achtelik, Berlin 2002<br />

Satz & Gestaltung: Kai Wilhelm | case-media.de<br />

Website: http://endorin.podspot.de<br />

Auszugsweise Veröffentlichung mit Rücksprache der Herausgeber (podcast@case-media.de) unter Berücksichtigung<br />

der Quellenangabe http://endorin.podspot.de, sowie sonstige Unterstützung sind erwünscht und erlaubt.<br />

2


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Der schwarze Fürst, Prolog .................................4<br />

Die Weberinnen der Zeit ......................................8<br />

Schicksalswende .................................................9<br />

Adawans Verhängniss .......................................13<br />

Am Ufer der Slììt ...............................................14<br />

Die Weibschaft <strong>von</strong> Nìvelau ...............................16<br />

Im Schummerwald .............................................19<br />

Wanderung nach Zwergenheim ........................24<br />

Ankunft im Späherhort ......................................26<br />

Bei Beroniens Flossenfurt ................................28<br />

Wanderung zur Reudenriedfeste .....................33<br />

Im Fürstenturm ..................................................34<br />

Drudenthing auf dem Schutterbühl ..................38<br />

Raub der neunten Fàrnukktochter ....................40<br />

Hoherat im Hause Erìndals ..............................42<br />

Esragùls Heimkehr ............. ..............................44<br />

Des Gütigen Kunde ............. ..............................49<br />

Aufruhr in Emyth-Ovràs ....................................52<br />

Nurninzauber ..................................................54<br />

<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong> <strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong> ........................57<br />

<strong>Das</strong> Heerlager der Uradhèl ................................59<br />

Ruf der Mordìldrachen .................................... 62<br />

Hundris wanderndes Gesicht ............................64<br />

Im Herzen der Bugdrisfeste ............................68<br />

Ilandòrs Licht & Dhurandòrs Schatten ..............70<br />

Mordìs Rakk, das Drachenhorn .....................75<br />

Esragùls Ende ...............................................77<br />

Oanghùl, die Stadt der Verdammten ................80<br />

Die Schlüsseltore <strong>von</strong> Amardhûn ..............82<br />

3


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Der schwarze Fürst - Prolog<br />

„I agdùnde Jàromìne, fìn a Ruòn Fàndelor.<br />

Vànàr tyha ewe bùnde dis a Drùdis tànadòr.<br />

Nì ù Tuge, Nì ù Igde, Nì ù Sìlath vàkravèn.<br />

Igne Fin a Daklla Drude, Igne ewe Sakrìsen.“<br />

Vadànàkk der Rìvner ging in die Geschichte Endorìns als gefährlichster Gegner der<br />

Wavan, dem lichten Magiergeschlecht aus dem Schoße Ilandòrs, ein.<br />

Sein wirklicher Name war Jaromìn <strong>von</strong> Fàndern, denn er entstammte dem<br />

Geschlecht der sterblichen Andrìr. Als Sohn des angesehenen Edelmanns Rùon,<br />

Truchseß <strong>von</strong> Fàndelor, wuchs er in der Burgstadt Enòrhan, dem Sitz der sterblichen<br />

Hochkönige und Adelsgeschlechter, auf.<br />

Enòrhan war eine prunkvolle Stadt mit großzügigen Bauten, üppigen Gärten und<br />

weit angelegten Festplätzen. Hier versammelten sich die vermögendsten Familien<br />

Lìthandrìens, deren Speisekammern stets gefüllt waren und deren Schatzkammern<br />

Kiste um Kiste reinen Goldes bargen. <strong>Das</strong> Leben in Enòrhan war bestimmt <strong>von</strong><br />

Intrige, Müßiggang und allen nur erdenklichen Lustbarkeiten. Die Burgstadt im<br />

Herzen des Dûrgentales war ein Sündenpfuhl, ein Hof der Eitelkeiten und ein Hort<br />

unvorstellbarer Verschwendung. Es gab keinen Tag an dem die Fanfaren nicht zu<br />

einem Umzuge bliesen. An dem kein Fest gefeiert wurde. An dem zu keiner Tafelei<br />

geladen war.<br />

Zu jener Zeit galten die Könige und Adelsgeschlechter der Andrìr als<br />

„Bauernschinder“ unter dem einfachen Volke, dass die kleinen Fürstentümer, die<br />

sich ringsum über die Lande erstreckten, bevölkerte. Die Tagelöhner und Bauern<br />

die im nächstliegenden Dûrgental angesiedelt waren hungerten und arbeiteten<br />

Jahr um Jahr auf den weitreichenden Vielkornfeldern. Ein hoher Soll der<br />

Ernteerträge wurde <strong>von</strong> den verhaßten Frohnern eingetrieben, so dass kaum etwas<br />

für den Eigenbedarf übrig blieb. Die Herrschaftlichkeiten führten ein kostspieliges<br />

4


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Leben. Allein die Truchseße Lìthandrìens unterhielten neben ihren Enòrhankasten<br />

große Anwesen, die in den jeweiligen Verwaltungsgebieten lagen.<br />

Früh schon prägte der gierige Geist Enòrhans Jaromìns Charakter. <strong>Das</strong> zunehmende<br />

Verlangen nach Macht verdrängte Anstand und Güte aus seiner Seel. Er liebte<br />

die Jagd, aber nicht um der Beute willen, sondern um den Akt des Erlegens als das<br />

größte Symbol uneingeschränkter Gewalt.<br />

Rùon, der sich vor den Machenschaften des Adelsstandes oft in die Bescheidenheit<br />

Fandelòrs flüchtete, war machtlos. Unter den sorgenvollen Augen des Vaters vergiftete<br />

das ausschweifende Leben das unstete Herz seines Sohnes. Mit jedem Jahr<br />

verfiel Jaromìn mehr und mehr dem Wahn als größter Fürst aller Zeiten in die<br />

Geschichte der Menschheit einzugehen.<br />

Als Jaromìn dem Knabenalter entwachsen war verließ er die vermeintliche Enge<br />

der Hochstadt, um seinen Traum <strong>von</strong> Ruhm und Unsterblichkeit zu verwirklichen.<br />

Der Schelte und der züchtigenden Hand seines Vaters entronnen, verschlug es ihn<br />

nach einer langen, ermattenden Wanderung nach Dakbundel, dem Reich der<br />

schwarzen Druden.<br />

Unter der Obhut <strong>von</strong> Ravnìk, der obersten Seherin, wurde er in der Hexenkunst<br />

unterwiesen. Jaromìn zeigte sich, zur Freude seiner Meisterin, als ein wißbegieriger<br />

und fleißiger Schüler. Dem Sohn Fàndelors dämmerte es, das jenes dunkle<br />

Handwerk ihm bei seinen ehrgeizigen Plänen hilfreich sein könnte. Ravnìk indes<br />

war angetan <strong>von</strong> dem ungestümen Jüngling und sorgte sich um ihn als wäre er ihr<br />

eigener Sohn.<br />

Drei Jahre verstrichen und der Drudenrath hielt die Zeit für gekommen den<br />

Menschensohn zu weihen. Bei der Drudìntaufe, die einmal im Jahr bei<br />

Wintereinbruch statt fand, legte Jaromìn den Namen seiner Herkunft ab und erhielt<br />

den drudischen Titel Vàd–à–nàkk, der Abtrünnige. Mit der Abkehr <strong>von</strong> Tugend und<br />

Ehrbarkeit wurde er in die Gemeinschaft der Druden aufgenommen und war nun<br />

Sohn des Noldis, dem Gott aller Schatten, der weit über den Wolken in seinem Hort<br />

Dhurandòr hauste.<br />

Vàdànàkk vertraute seinen alten Traum und wenig später sein Vorhaben der<br />

„schwarzen Mutter“ an. Ravnìk war ihrem Schützling so verfallen, das sie ihn für<br />

auserwählt hielt den Thron des entmachteten Dûnkelrìvens zu besteigen, um<br />

Dhurandòrs Kraft wieder erstarken zu lassen. Die Macht der Avanan war vor etlichen<br />

Zeiten durch die Hand des elbischen Rechthüters Idanìs und den<br />

Wavanweisen gebannt worden. Die dunklen Magier, gemeinhin als Rìvner bekannt<br />

5


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

und gefürchtet, brauchten einen neuen Fürsten, der die zerfallenen Schattenlande<br />

einte, um zu alter Stärke zu gelangen. Einen Fürsten mit Verstand und Tücke. Einen<br />

Fürsten der nicht aus ihren Reihen stammte. Einen Fürsten, der sich durch<br />

Gnadenlosigkeit auszeichnete, der haßte und ein Herz aus Stein besaß. Zudem<br />

standen die Zeichen günstig, denn wie so oft in Endorìns jahrtausendalter<br />

Geschichte wiegten sich die lichten Urawesen in allzu großer Sicherheit.<br />

Vàdànàkk wurde zum Herrscher über die Schattenlande gekrönt und setzte den<br />

Drudenrath als ausführende Kraft ein. Er erhielt Avràs den Ungorstab und ging<br />

Bündnisse mit Ògerìd dem König der Ungorelben, Gòlugàn dem Fürsten der<br />

Raffwesen und Tùldon dem König der Truggestalten ein. In Avràs, dem zerstörerischsten<br />

Element aller Dunkelgüter, vereinte er die Macht jedes Schattengrales.<br />

Mit diesem Zauberstab schuf er Bugdris und seine bösartige Gefolgschaft aus dem<br />

schroffen Felsmassiv des unbewohnten Spaltgebirges und wies ihnen die Ebene<br />

<strong>von</strong> Gràn-Dhùr am Fuße des Grandhìsberges als ewige Heimstatt zu.<br />

Die Ygdonriesen waren zerstörerische Kreaturen die Unheil bringen sollten über die<br />

lichten Reiche. Der Rìvner plante einen mächtigen Feldzug um die Caladländer in<br />

seine Gewalt zu bringen. Doch es gab Einen, der ihm dabei besonders ein Dorn im<br />

Auge war: Jener der den Titel Weisester aller Weisen trug. Jener, der unsterblich<br />

war und seit Jahrtausenden über Endorìn wachte: Adawan der Sehende, oder auch<br />

Onhèn so wie seine Brüder, Elov und Alvenas, ihn zu nennen pflegten. Als erster<br />

Sohn der Schöpfungsgötter Ilandòrs war er einst ausersehen in den Spiegel der<br />

ewigen Weisheit bei Ukdrasìns Quelle zu blicken. Zwar verbüßte jener dabei sein<br />

Augenlicht, aber ihm wurde der Titel zuteil der Mächtigste Aller zu sein und er hatte<br />

mehr gesehen als zwei Augen es drei Leben lang vermochten.<br />

Vàdànàkk sah in ihm einen erbitterten Feind und Konkurrenten. Seine Eitelkeit trieb<br />

ihn an ein Mittel zu ersinnen, wie er das Oberhaupt der Wavan beseitigen könnte.<br />

Im Hochsitze Asarangs fand er schließlich einen Verbündeten. Sein Name war<br />

Gìldefìn, später Gàràmakk der Durchtriebene genannt.<br />

Gìldefìn besaß ein schwaches Herz. Er war weise, aber nicht weise genug den<br />

Verlockungen einer reich gefüllten Schatzkammer zu widerstehen. Der dunkle Fürst<br />

bot ihm ein Viertel des Rìvenschatzes wenn er einen Weg fände den Ordensführer<br />

der Gwydioner zu stürzen. Adawan galt als unsterblich, jedoch besaß auch er eine<br />

wunde Stelle die nur Wenige kannten. Gìldefìn erschlich sich mit viel Schmeichelei<br />

und Tücke seine Kenntnis darüber. Doch trotz aller Heimlichkeit und Vorsicht<br />

wurde er in den Gewölben der weißen Stadt gestellt und des Hochstandes verwiesen.<br />

Er zog zur Höllhagfeste und wurde zum ersten Diener Vàdànàkks ernannt.<br />

6


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Gìldefìn, nun in Gàràmakk umbenannt, war dem schwarzen Fürsten treu ergeben.<br />

Doch auch er war <strong>von</strong> einer unermesslichen Gier vergiftet und so handelte er oftmals<br />

in seinem eigenen Interesse.<br />

An einem bitteren Wintertag war Vàdànàkks schicksalshafte Stunde gekommen.<br />

Dûnkelrìvens Bündnisheere waren gerüstet und bereit in die entscheidende, lang<br />

erwartete Schlacht zu ziehen. Doch Dûnkelrìvens ehrgeizige Pläne wurden vereitelt,<br />

der Feldzug schlug fehl. Zu wuchtig waren die Hiebe der Friedriesen, zu wendig<br />

die Bògner der Uraelben, zu scharf die Klingen der Zwerge, zu entschlossen die<br />

Lanzen der Ritterschaft Lìthandrìens. Die Lichteren konnten die Schlacht für sich<br />

entscheiden und Dhurandòrs Schattenmacht abermals bezwingen.<br />

Auf Trollingens Wurzenwildebene fand Vàdànàkk ein trauriges Ende. Sein prunkvoller<br />

Harnisch wurde <strong>von</strong> einem Bògnerpfeil durchbohrt und der ehrgeizige Sohn<br />

Rùons <strong>von</strong> Fàndelor starb durch die sichere Hand eines andrìschen Edelmannes<br />

und die unbezwingbare Macht des Elbengutes Tìranaùk.<br />

Doch den weißen Magiern entging, das Dûnkelrìvens Macht nur geschwächt und<br />

nicht gebrochen war. Vàdànàkk fand seinen würdigen Erben, den ebenso besessenen<br />

wie verschlagenen Gàràmakk . . . .<br />

7


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong> Mìrìth Gìlad<br />

„Seite an Seite kämpften ehedem Bartub und Frìdolfìn aus dem Logrìntale, die<br />

düstere Allmacht Dûnkelrìvens zu entzweien. Schulter an Schulter im Elbenheere<br />

Erìndals, das der lichte Idanìs als erster Herold geleitet.<br />

Doch leidlich erging es dem edlen Bartub, den die Hiebe der Abtrünnigen an Herz<br />

und Leibe tödlich trafen. Er fiel auf dem Schlachtfeld <strong>von</strong> Trollingen, so wie Viele<br />

waren gefallen. Doch bevor der Elràl Rufe ihn gen Valhalwen geführet, ergriff er die<br />

Hand des Gefährten und rang ihm ab den Schwure: <strong>Das</strong> jener seinem Weibe<br />

Joruna, die der Niederkunft nicht ferne war, ein guter Gemahl möge sein. Hernach<br />

ging Frìdolfìn nach Igrìmlore und nahm ein den Platze Bartubens.“<br />

Die Weberinnen der Zeit<br />

Es begab sich einst, an einem stürmischen Winterabend das Lèfule, Sohn aus dem<br />

Geschlecht der Galdeoner, das Licht der Welt erblickte.<br />

<strong>Das</strong> Wehgeschrei Jorunas hallte über die zerklüfteten Ausläufer des Arlàthberges<br />

und lockte die Geister ins Logrìntal. Es tobte die Folgia um die barackene Hütte, die<br />

Ahnengeister zu führen. Es suchten die Alwen des Hauses Schwelle ein nahendes<br />

Unheil zu mahnen. Es schlüpfte die lähmende Ràre durch einen hölzernen Spalt,<br />

Jorunas Seele gen Halwenìr zu geleiten.<br />

Am Wochenbett harrte Urdìna mit ihren Gefolginnen bis Lèfule dem Mutterleib entglitten<br />

war. Kaum das sein Kopf in ihren Händen ruhte, weissagten die Nurnìnen<br />

und sponnen im Widerschein des knisternden Feuers Fäden aus silbernem<br />

Flachse. Joruna starb im eisigen Würgegriff des Plagegeistes, ehe der Kindssegen<br />

über ihre Lippen kam. So fiel es der uralten Urdìna anheim das Kindlein den<br />

erschlafften Armen der Mutter zu entreißen, ihren Segen zu sprechen und sein<br />

Schicksal zu beschwören:<br />

Von allen Seiten, sollen die Schutzgeister der Ahnen Euch schirmen auf welchem<br />

Pfade Ihr auch wandeln mögt.<br />

Tugendhaft sollt Ihr sein, gleich dem rechtschaffenden Idànis der Schlacht um<br />

Schlacht die lichten Heere Erìndals geleitet. Mutig sollt Ihr sein, gleich dem edlen<br />

8


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Bartub, dessen Tapferkeit weithin ist gerühmet. Weise sollt Ihr sein, Onhèns Pfade<br />

folgend, der da waltet im lichten Gwydiontal, der Welten Ebenmaß zu schauen.<br />

Euch sei die Macht zuteile die Länder zu einen wenn Elend und Not gleich einem<br />

Schatten über Endorìns Rund herauf ziehen. Der Wavan Stande selbst sollt Euch<br />

verbunden sein. Denn Euch ist Großes vorherbestimmt. So verleiht Euch das<br />

Schicksal die Gabe die Höchste aller Würden zu tragen.<br />

Doch wisset, Lèfulaìs, seid auf der Hut und wägt mit Bedacht wem Ihr das Band der<br />

Freundschaft letztlich bietet. Denn bald schon ziehen Schatten auf, die Sonne zu<br />

verdunkeln! Hütet Euch vor Gàràmakk und seinen finsteren Gesellen. Der Stand<br />

der Avanan rüstet sich <strong>von</strong> dem Momente an, da der kalte Nordwind <strong>von</strong> Eurem<br />

Name kunde tat, um der Weissagung Macht zu brechen!<br />

Es wird die Zeit kommen da Ihr, Zögling Frìdolfìns, Sohne Galdeons aus dem<br />

Schoße Ilandòrs, drohet dunklen Mächten anheimzufallen. So sei es! Im Zeichen<br />

der Gewesenen, der Währenden und der Seienden.<br />

Wie Urdìna die Losrunen geworfen hatte sponnen die Weiber den Schicksalsfaden.<br />

Und als das letzte Netz prunkener Verheißung fertig gewebt war fiel das Kind in tiefen<br />

Schlummer. Die weißen Nurnìnen geboten dem Vater einen letzten Gruß und<br />

entschwanden lautlos in die Finsternis.<br />

Schicksalswende<br />

Sechzehn Jahre gingen ins Land. Jahrein, Jahraus wuchs Lèfule zu einem stattlichen<br />

Jüngling heran und stetig wuchs die Unerbittlichkeit des Winters, der mit eisigem<br />

Frost eine verlockende und doch tödliche Zauberwelt um ihn herum erschuf.<br />

Und Tag wie Nacht waltete der Nordwind mit machtvollem Brausen und Getöse am<br />

Horizont.<br />

Es war als zürnte eine dunkle Macht dem Knaben, der dem grimmigen Gàràmakk<br />

dereinst die Vorherrschaft über Endorìn streitig machen sollte. Nur kurz währten die<br />

Sommermonate und dennoch kehrte, vom Tage seiner Geburt an, Friede ein im<br />

Hause Frìdolfìns, dem der rotgelockte Sohn, schon fast zum Manne gereift, die<br />

reinste Freude schenkte.<br />

Unter Lèfules emsiger Hand und der Wendigkeit seines Geistes verhalf er dem<br />

Alten zu Ehren und Auskommen. Er scheute keine Mühe, war frei <strong>von</strong> Eitelkeit. Er<br />

achtete die Hofgeister und brachte ihnen Opfer dar. Er war erfüllt <strong>von</strong> aufrichtiger<br />

Liebe zum Vater, dessen Heil er stets zu wahren suchte. Dabei fürchtete er weder<br />

9


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

die unselige Ràre, die hinter der Feuerstelle lauerte, noch den Beserker der des<br />

nachts sein Unwesen in den nahegelegenen Igrìmwäldern trieb.<br />

Doch Lèfules unbeschwerte Tage gingen zur Neige, denn das Unheil nahte, gleich<br />

einem schleichenden Schatten der den lichten Horizont zu trüben begann. Die<br />

Losrunen im Nurnìnhause Sylfiens begannen sich <strong>von</strong> Neuem zu drehen, die<br />

Wende seines Schicksals zu verkünden.<br />

So begab es sich alsbald, in einer stürmischen Gewitternacht, das er aus einem<br />

üblen Traume hochgerissen war. In der Dunkelheit gewahr der Knabe einem<br />

unheimlichen Laut, der <strong>von</strong> der anderen Seite des Gelaßes zu ihm herüber drang.<br />

Es jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken und er spürte die Krallen<br />

der Angst bis ins Mark. Behende sprang er auf, tastete sich zur fast erloschenen<br />

Feuerstelle heran und schürte mit zitternder Hand die Glut zu Feuer. Eine klagende,<br />

gequälte Seele kam ihm wie eine weit entfernte Erinnerung in den Sinn.<br />

Sowie es lichter war, folgte er dem grausigen Laut bis an des Vaters Statt und fand<br />

seinen Traum erfüllt. Die schwelende Ràre drückte des alten Frìdolfìn Brust und<br />

teuflisch ritt das boshafte Weib den geliebten Vater zuschunde. Mit erbleichtem<br />

Gesicht und angstvollen Augen focht jener den Kampf eines Sterbenden.<br />

Lèfule entfuhr ein entsetzter Schrei und er rief die Ràre beim Namen um ihren<br />

Zauber zu bannen. Doch jene verrichtete ihr schauriges Werk und entschwand. Da<br />

warf sich Lèfule über den leblosen Leib des Vaters und flehte ihn an, dem Lockruf<br />

der Elràl zu widerstehen. Doch Frìdolfìns Augen sollten auf immer geschlossen bleiben.<br />

Ein eisiger Wind fegte durch den Raum und riß seine Seele mit sich fort.<br />

Gebrochen und voll des Kummers, verharrte der Knabe bei seines Vaters Stätte<br />

und hielt die erstarrte Hand Frìdolfìns.<br />

Der purpurne Himmelsglanz brachte den Tag und Lèfule beklagte noch immer den<br />

gewesenen Vater. Einsamkeit und Trauer hielten Einkehr in seines jungen Herzens<br />

Glut. Kein Leben regte sich mehr und eine lähmende Verzweiflung bemächtigte sich<br />

seiner Seele. Er beschloß an Frìdolfìns Seite zu verharren bis sein eigenes Leben<br />

erloschen war.<br />

Doch just in diesem Moment der schmerzhaften Kümmernis brach ein Wehklagen<br />

unter des Hauses Schwelle hervor. Drùvart, Ettensteins guter Schwellenwichtel,<br />

kroch aus einer Nische hervor. Er klopfte sich den Staub <strong>von</strong> den Knien und hustete<br />

leise. Dann zog er seine blaue Zipfelmütze sachte vom Kopf, presste sie gegen<br />

sein kleines Herz und trat hin zum armen Lèfulaìse:<br />

„Hab mein Bündelchen geschnüret, nach all den guten Jahren. Verlassen nun muss<br />

ich dies Haus. Geschmähet sei die Ràre! Welch Unglück sie gebracht, des Nachts<br />

10


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

als sie <strong>von</strong> hinnen kam. Ein Tränlein geb' ich meinem Herren, den sie mit sich<br />

nahm.<br />

Der sel'ge Frìdolf throne nun hoch droben in Valhalwen. Ihm sei der Friede dort vergönnt,<br />

die Runen sind gefallen. Auch Ihr, oh Herr, sollt lassen <strong>von</strong> Eures Vaters<br />

Statt. Doch Eure Wohlgesonnenheit ich Euch zu danken hab' !<br />

Nehmt „Vììlanìk den Zauberstein“ als meine Dankesgabe. Es sollt Euch auf ewig<br />

hilfreich sein, s‘ ist meine ganze Habe. Naht Unheil Euch so reibet ihn, werft<br />

Stöckelein dazu. Ein Zwerglein wird Euch dienlich sein, vertreibt den Spuk im Nu!<br />

Nun ziehe ich <strong>von</strong> Dannen, wünsch Euch das Glück auf Erden. Geschmähet sei<br />

die Ràre, der Druckegeister Schergin. Schon plagt es mich, das Ach und Weh,<br />

werd' nie mehr frohgemute sein. Gesegnet sei Dein gütig Herz, oh holdes Knäblein<br />

Lèfulaìs!„<br />

So sprach das Wichtelchen. Doch bevor es gramgebeugt <strong>von</strong> Dannen zog, warf es<br />

funkelnden Zauberstaub auf des Hauses Schwelle. Und plötzlich, wie <strong>von</strong> unsichtbarer<br />

Hand, setzte sich jener in windeseile zu einem leuchtenden Quarzstein<br />

zusammen.<br />

Lèfule tat in seiner Mutlosigkeit wie es ihm geheißen war. Er schnürte die Habe und<br />

barg den wunderlichen Stein in einem Säcklein aus Linnen. Er band den roten<br />

Schopf der anmutig sein Antlitz rahmte, dessen rundliche Züge bereits zu verblassen<br />

begannen. In seinen Augen war Bartubs Mut gespiegelt. Seine Lippen zeugten<br />

<strong>von</strong> Idanisens Redlichkeit. Seine Wohlgestalt war den Lichtelben gleich und die<br />

hohe Stirn maß die Ganzheit seines Geistes.<br />

So teilte er die Glut. Den Feuerkranze legend rief er Òrkven im Sturmgewand herbei.<br />

Und sogleich eilten Nord- und Südwind heran die Flammen himmelwärts zu<br />

blasen. Lèfules Herz war vor Wehmut schwer als seine Augen die Feuerbrunst<br />

gewahren, die nach dem Vaterhause gierte. <strong>Das</strong> Gut Ettenstein zerbarst in<br />

Hunderte <strong>von</strong> Stücken und Funken stoben auf, wann immer des Feuers Kraft einen<br />

Balken niedergeschmettert hatte. Lefùle spürte, das die Tage seiner Kindheit nun<br />

verloren waren. Und etwas in seiner Brust forderte ihn auf seiner Wege zu gehen.<br />

Doch er hielt hockend inne, denn die Stimme der Trauer beraubte ihn mit einem Mal<br />

dieser sonderbaren, neuen Kraft.<br />

Plötzlich jedoch erschienen ihm, im Auf und Ab des lodernden Kessels, die<br />

Nurnìngeister und raunten ihm, als flackernde Schatten, wissend zu:<br />

„Die Mutter nahm die Ràre Euch, dem Vater entriß sie das Leben. Erfüllet nun der<br />

Nurnin Schwur, sollt nach dem Glücke jetzt streben. In die Fremde sollt Ihr ziehen<br />

so wie es Drùvartis geheißen. Frischen Mutes, forschen Schritts, das Herz wird <strong>von</strong><br />

Stund an Euch leiten. Wie weit Ihr auch der Heimat entrückt die Euch das Lieben<br />

11


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

lehrte, nun lehrt Euch das Leben. Ihr kehrt nicht zurück. Bald tanzen die Flammen<br />

und Schwerter. Dem Sonnenlauf sollt Ihr folgen, die Wavan seien Euch hold.<br />

Doch nie vergeßt des Mannes Lehr, dessen Herz Euch so rein war wie Gold.„<br />

Der Weberinnen Mahnung gab Lèfules Willen Kraft. Er wandte das Haupt gen<br />

Norden ab, Urdìnas Verheißung zu folgen.<br />

Dreizehn Tage und dreizehn Nächte lang war er nun ohne Unterlass auf<br />

Wanderschaft. Behende überwandte er des Arlàthberges Felshaine und nie war es<br />

ihm bange. Kein Berg schien zu hoch, kein Pass zu schmal. Nie litt es ihm an<br />

Verzagung, so furchterregend die Bergriesen auch ächzen und grollen mochten<br />

sobald er Fuß vor Fuße setzte. Ihrer Wohlgesonnenheit gewiß, denn jene waren <strong>von</strong><br />

friedlicher Natur und dem gerechten Ildafùr folgsame Untertanen, folgte er dem<br />

Klang seines Herzens.<br />

So führten ihn die unsichtbaren Fäden der Weberinnen. Vàrdìna gebot ihm Schutz<br />

im Seienden. Aus Skudìnas Zauberquell der Erinnerung schöpfte er Kraft und<br />

Urdìnas süße Verheißungen lockten Lèfule immer weiter in fremdes, menschenfernes<br />

Land. Weiter und weiter trieb ein eiserner Willen ihn an. Und jeder seiner langen<br />

Wege unterstand dem Schutz Sylfìens. Tief unten im Hort des Seins, wo die<br />

Weberinnen der Zeit das Glück in jeden seiner Schritte banden.<br />

So fand er einen Unterschlupf wenn es stürmte. So entsprang eine Quelle dem<br />

steinernen Grund wenn es ihn dürstete. So tat ein Spalt sich auf, wenn er hinabzugleiten<br />

drohte an den Hängen des ewigen Eises. Wohlbehalten ließ der Knabe alsbald<br />

die eisigen Gefilde des Càross Passes hinter sich und gelangte beim Abstieg<br />

zum Grenzforst Lìthandrìens, in dessen immergrünen undurchdringlichen Herzen<br />

das Reich des gerechten und doch erbarmungslosen Fàrnos lag.<br />

Behütet durchkämmte er des Waldherren schillernde Gärten. Durchquerte die lichten<br />

Wälder Kastarèniens und wurde, ob seiner Tugendhaftigkeit, <strong>von</strong> der Fàrnis, des<br />

Walders Gemahlin, üppig beschenkt. Ihr fruchtbarer Atemhauch liess Pilze wachsen<br />

und brachte den wohlduftenden, moosigen Grund zum erblühen. Denn sie liess<br />

vergehen und entstehen, waltete im Lauf der Jahreszeiten mit wohlmundenden<br />

Kräutern und Beeren. Er teilte sie mit allerlei Getier. Wohlwissend, daß das weidende<br />

Reh am Hain, der hämmernde Specht im Geäst, die Waldherrin selbst gewesen<br />

ist. Und war jene mißgünstig dem Menschen geneigt da Boshaftigkeit ihn leitete,<br />

neckte sie ihn und führte ihn in die Irre. Doch Lèfule verneigte sich, wie ihn sein<br />

Vater es gelehrt hatte, tief vor der Macht des uralten, barbrüstigen Weibes. Auch<br />

dem Fàrnos brachte er Opfer dar. Denn jener tarnte sich unter den sonnengefluteten<br />

Lichtungen und Wiesen, maß fünf Fuß an Stammeslänge und stürzte ahnungslose<br />

Unholde, die des Waldes Frucht beraubten, ins Verderben.<br />

12


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Tagsüber wanderte Lèfule bis seine Füße wund und zerschrundet waren.<br />

Unbeirrbar durchquerte er das dichte Labyrinth aus Bäumen und Büschen. Des<br />

Nachts ruhte er an Fàrnisens moosigen Busen und schlief so fest, das er den<br />

Singsang der Nachtigallen, die hoch über seinem Kopf im Geäst thronten und herangeflattert<br />

kamen um seine Schönheit zu besingen, nicht vernahm.<br />

Adawans Verhängnis<br />

Weit in der Ferne, in den finsteren Tiefen Dûnkelrivens, harrte Gàràmakk der irdische<br />

Diener des Schattenvaters Noldìs voll Verbitterung und Hass. Die Frevler<br />

begannen sich um ihn zu scharen und er sandte Boten in die Trügerlande aus.<br />

Noldis selbst, Schöpfer aller Halbwesen, wütete in seinem Hort Dhurandòr der sich<br />

in der unendlichen Wölbung des Himmelszeltes befand. Dort ballten sich am schattigen<br />

Horizont die Wolken um dem Auserwählten das Fürchten zu lehren.<br />

Um Gàràmakks Burgturm flogen die schwarzen Späher kreischend umher. In<br />

Emyth-Ovrás, dem Zaubersaal in dem der Ungorpantìr verborgen lag, lauerte<br />

Grìmlokk im düsteren Gewölbe die Unheilsaat zu züchten. Alles Böse Dûnkelrivens<br />

einte sich um der Nurnìnen Weissagung die Stirn zu bieten. Die Schwerter schmiedend,<br />

die Klingen wetzend, den Zauber sprechend und beschwor den Dämon<br />

Akìnan, den Grìmlokk einst geschaffen hatte, der Wavanmagier Bann zu brechen<br />

und sich <strong>von</strong> den Fesseln Adawans zu befreien.<br />

Adawan, der Weiseste aller Weisen, thronte derweil in Asarangs marmornem<br />

Zaubersaal, das Herz getrübt <strong>von</strong> hoher Minne, den Geist versponnen in einfältige<br />

Liebesbande die er zur boshaften Hexerin Vàdi geknüpft hatte.<br />

Jene war aus Gàràmakks Höllhagfeste gekommen und verdingte sich, in dessen<br />

Auftrag, als berückende Jungfer. Sie umwarb den Höchsten aller Meister mit lustvollen<br />

Worten und zarten Berührungen bis sie dessen Gunst gewann und Adawan<br />

war teuflisch in sein Unglück geführt. Vàdi warf desselben Wechslergewand, mit<br />

dem er in verschiedene Häute zu schlüpfen vermochte, hinab in die unberechenbaren<br />

Tiefen der Dornenschlucht und jener vergaß den ersten Diener Dhùrandors,<br />

den er des Hochstandes einst verwiesen hatte, wachend zu umkreisen. Und sie, die<br />

dem schwarzen Fürsten Dûnkelrivens unter dem Tisch die Hand gereicht hatte,<br />

raubte des Wavans Sinne und säate Mißgunst im lichten Hochsitze Endorìns. Des<br />

Tages ritt sie die Argùlen, der Wavan hurtigste Drachen, umrundete Endorìns<br />

Weiten, um den Schurken kund zu tun wo Lèfule sich auf seiner Wanderschaft<br />

befand.<br />

13


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Elov und Alvenas, Adawans Brüder und engste Berater, waren fort um den<br />

Jugendstab der schönen Aryuvàn zu suchen. Lìrdan nannte sich das kostbare Gut<br />

und es verlieh seinem Träger ewige Schönheit und die Fähigkeit der Zeiten<br />

Endlichkeit unversehrt zu überdauern. <strong>Das</strong> Gesicht Grìmlokks verbarg sich hinter<br />

diesem arglistigen Spiel. Aryvàn selbst blieb verschollen und die Gwydion, wie das<br />

Geschlecht der Wavan im hochelbischen genannt wurde, lagen in tückischem<br />

Zauberschlummer. So fehlten viele hundert wachende Augen denen Vàdis böses<br />

Spiel hätte gewahr werden sollen.<br />

Am Ufer der Slììt<br />

Am zwanzigsten Tag seiner ungewissen Reise gelangte Lèfule an einen Fluß.<br />

Durch Endorìns Herzen rauschte die Slììt, in deren unklaren Tiefen die Gebeine<br />

Gefallener wogten. Deren wirbelnde Mitte ein giftiger Strudel war der Lanzen und<br />

Schwerter mit sich führte.<br />

Nach Norden zog der Lauf Berònien teilend gen Zwergenheim. Dort wo die Wasser<br />

sich klärten und der Fàrnukken Schmiedekunst als Kühlung dienten.<br />

Gen Osten gabelten sich die Fluten der Slììt, schwarze Wirbel gebährend, zur kargen<br />

Steinbruchshöhe. Dort wo an den schartigen Hängen des Grandìs- Berges verdarbtes<br />

Ygdonenvolk hauste und nach Bruchwallens Golde grub. Gen Süden durchzogen<br />

die wogenden Arme die elbischen Caladlande. Dort wo das alterlose Volk<br />

des Erìndal waltete und lebte.<br />

Südwestwärts trieb der Strom seine gischtgewalgte Zunge in die finsteren Engen<br />

Dùnkllandes, dem Reich der verbannten Daìner. Gen Westen floß die Slììt zu<br />

Munatìrs Quelle, dem Gestade des Seelenhüters Elgroll Unbarme. Dort in den<br />

Tiefen der Erde tat sich Gerònikks Schlund auf und alljene die voll <strong>von</strong> Sünde waren<br />

bereitete der riesige Steinwarge, nach ihrem irdischen Tode, einen unangenehmen<br />

Empfang. In der vom Hauch der Sühne geschwärzten Nàvandargrotte die den<br />

Wimmernssee umschloß endeten die Wasser der Slììt und fanden zugleich ihren<br />

Anfang als eine <strong>von</strong> Tränen gereinigte Quelle.<br />

Hier nun wirkte der Zauber, den Urdìna einst gesprochen hatte. Lèfule befand sich<br />

an der Weggabelung seines Schicksals. Um Rast zu halten liess er sich am Saum<br />

des Ufers nieder und beugte das Haupt über das eiskalte Nass, sein erschöpftes<br />

Anlitz zu kühlen. Doch gerade in diesem Augenblick vernahm er ein geheimnisvolles<br />

Wispern, das im Rauschen der Wellen erklang:<br />

„Tausend Tropfen tief. Tausend Tränen lang. Wer seid Ihr stolzer Knabe, der blicket<br />

14


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

da so bang? So schön ist Euer Antlitz. So rein scheint Euer Geist. So tugendhaft<br />

das Herz, an Mut und Frieden reich.So sagt uns wer Ihr seid, auf das wir raten können.<br />

Wohin der Weg Euch führet, beim Namen Euch zu nennen. Ob ins Verderben<br />

ob hin zum Glück. Ihr habt zu wählen durch Euer Geschick. Ob Ihr Euch mäßigt,<br />

ob Ihr Euch mühet. Ein jeder erhält was ihm gebühret !„<br />

Da gab Lèfule seine Herkunft preis. Während er seine Stimme erhob und forschend<br />

auf den Fluß starrte, kehrte Stille ein rings um ihn her. Doch alsbald hob der<br />

Quelling erneut zu raunen an:<br />

„Steht an Eures Schicksals Scheide, Knäblein Lèfulaìs. Ist Eure Seelentiefe Gold<br />

und <strong>von</strong> Arglist rein. So wollen wir Euch erzählen vom Weg der führt ins Glück. Doch<br />

reitet Euch ein böser Geist kehrt Ihr nie mehr zurück.<br />

So lasset uns Euch prüfen, verweilet hier des Nachts. Erstrahl'n die Sterne am<br />

Himmelszelt, küssen wir Euch wach. Dann harret dort der Dinge, unterm<br />

Nadelbaum.<br />

Doch nun, Lèfulaìse fallt in tiefen Traum. Ob Geize oder Großgemut, folgt Eures<br />

Herzens weisem Ruf. Alsdenn wähnt Euer Handeln so wie es Euch beliebt.<br />

Ist die Zeit veronnen wird Ewynor zu Euch kommen, Euer Schicksal zu besiegeln<br />

an der heil`gen Grenze Slììt.„<br />

Und kaum das der Wassergeist verstummt war, fiel Lèfule in tiefen, traumlosen<br />

Schlaf. Sowie Alwìnor, Endorìns Sonnendrachen, dem Horizont entwichen war fand<br />

der Abendstern seinen Platz am dämmerigen Gestirn. Zugleich kamen die Elfen<br />

aus Flinkenwasser herbei, den roten Schopf Lèfules zupfend und seine vollen<br />

Lippen mit kaltem Hauche küßend, bis er erwachte. Lèfule blickte verwundert um<br />

sich her. Die Wasser der Slììt waren umwölkt <strong>von</strong> feinem Nebelgarn, das einem<br />

Fischernetze gleich des Flußes dunkle Tiefen überspann. Der Eulen Ruf schwang<br />

sich zur Klage auf, doch dem Knaben schauerte es nicht. Wütend zerrten Òrkvens<br />

Gevatter an den düsteren Baumwipfeln und mahnend schüttelten sie daraufhin ihr<br />

prächtiges Blätterwerk. Doch Lèfule wurde es nicht bange. Des Mondes Licht, ganz<br />

gespenstisch anzusehen, spendete ihm gute Sicht und so wartete er in des Walders<br />

Armen auf die Erfüllung <strong>von</strong> Ewynors Verheißung.<br />

Stunde um Stunde verann und Lèfule wurden die Lider schwer, als er unversehens<br />

ein Wehklagen vernahm, das <strong>von</strong> einem Baumstumpf kam. Seine Augen erblickten<br />

ein Erdweiblein das gefangen schien. Und wie er näher zu ihr herantrat, fing es<br />

fürchterlich zu hadern und zu weinen an:<br />

„Ach weh, ach weh ! Oh große Not ! Welch Unglück hat mich ereilet. Kein Beerlein,<br />

Kein Wasser, kein Krummen Brot solang ich hier schon verweilet.<br />

Hab der Fàrnisen Hollunder beraubt, ich stahl ihr nur eine Blüte! Da hat sie<br />

15


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

geschrien, getobt und geschnaubt, das Bäumchen hab ich ihr gehütet.<br />

Da schickt` sie den Älbing, den Plagegeist, der flocht das Haar mir zu Ketten. Nun<br />

sitze ich hier im Quastenkranz und bitte Euch mich zu erretten. Lasst mich nicht harren<br />

bis das der Morgen anbricht sonst schlägt mir die letzte Stund'. Dann erstarr'<br />

ich zu Stein für immerdar, ich bitt' Euch um Eure Gunst.<br />

Holder Fremdling, der Ihr mich erhörtet, schenkt Euer Haar dem Älben. Löset den<br />

Zopf, brecht ihn vom Kopf und nässet mit Wasser denselben. Schöner Jüngling ich<br />

flehe Euch, mein Dank sei Euch gewiß. Tauscht ihr den Schopf und löst den Bann<br />

ein Troll Euch gewogen ist. Befreit Ihr mich so schenk ich Euch dies Wurzelchen. Es<br />

ist nicht das was es Euch scheint, es ist ein Zauberding. Droht Euch Gefahr so<br />

kostet da<strong>von</strong> kein Schaden sollt nehmen der Leib:<br />

Es heilet vom Schmerz wenn der Knochen gebricht.<br />

Es stillet das Blut wie tief die Klinge auch sitzt.<br />

Es schließet den Spalt den das Messer geritzt.<br />

Dies Hölzchen birgt „Aìnukens Saft“ der jede Wunde heilt. Ach weh, ach weh ! Ich<br />

bitte Euch so helft mir aus der Not. Sobald der Mond seinen Lauf gemacht droht mir,<br />

Wìkììn, der Tod ! „<br />

Arg flehte das Weiblein Lèfule so das der nicht lang zögerte. Mit einem Rosenzweig<br />

schnitt er den roten Schopf entzwei. Da löste sich schon der Älbingkranz der das<br />

Weiblein Wìkììn gefangen hielt. Dankbar blickte sie ihn aus ihren schrumpeligen,<br />

pechschwarzen Äuglein an und schnaufte voll freudiger Erregung. Es wärmte<br />

Lèfule das Herz und jener schritt zum Ufer das Haar zu befeuchten. Er beeilte sich<br />

um das arme Trollein gänzlich zu befreien.<br />

Die Weibschaft <strong>von</strong> Nìvelau<br />

Kaum das er angelangt war sein Haar zu wässern verebbte der rastlose<br />

Wellenschlag. Ein heiterer Singsang erklang, den Schönsten den Lèfule je vernommen<br />

hatte. Aus den Wassern des Flußes schwang sich plötzlich eine Jungfrau<br />

empor und wandelte ihm anmutig lächelnd entgegen, ohne das sie den wogenden<br />

Fluß mit ihren feinen Füßen berührte. Er war ganz trunken <strong>von</strong> ihrem schönen<br />

Anlitz: Dem Glanz der sie schwelend umfing, dem Blütenkranz der ihren Kopf<br />

schmückte und den schillernden, klaren Augen, die gewaschenen Edelsteinen glichen.<br />

Voll waren ihre süßen Lippen und ihr Leib so zart und geschmeidig wie feinstes<br />

Brockatgeschmeide. Ihr sanfter Blick ruhte auf Lèfules Wohlgestalt. Sie legte<br />

ihre zarten Hände auf die Brust und streckte sie dann dem Jüngling sehnend ent-<br />

16


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

gegen. Doch unversehens zogen Nebel um sie her und aus dem schwelenden Garn<br />

erwuchsen die üppigen Nebelfrauen:<br />

„Oh schöner Jüngling, Knäblein fein. Reiht Euch in unseren Reigen ein. Vergesst<br />

wer Ihr seid, lasst all Euer Tun. Es ist an der Zeit um auszuruhn. Kommt Lèfule, wir<br />

warten schon lang, Euch zu bieten der holden Irkja Hand. Ihre liebliche Stimme gilt<br />

Euren Ohren, ihre Leibespracht Eurem Aug. Einzig Ihr seid auserkoren, so nehmet<br />

sie zur Frau.<br />

Wir schenken Euch Vandarìm, das da liegt in Endorìns Tiefe. Der Schatzkammer<br />

Gold sollt Euer sein. Glänzendes Silber, wertvoller Stein <strong>von</strong> Zwergenhand kunstvoll<br />

geschmiedet. Kommt nur, kommt, wir warten schon lang, wir legen Euch alles<br />

zu Füßen. Dies golden bestickte Edelgewand sollt Euch als Herrscher begrüßen.<br />

Kommt, so kommt ! Was zögert Ihr noch, genug habt Ihr gelitten. Vandarìms Völker<br />

erwarten Euch, einen König soll man nicht bitten. So lasset Euch denn fallen in<br />

Irkjas sehnende Arme. Schicksal sei gnädig, seie Uns hold, sollst Dich Unser erbarmen.<br />

„<br />

Und wie sie zuende gesprochen, fühlte sich Lèfule so seltsam leicht. Befriedet<br />

schien ihm sein unstetes Gemüt und warm wurde es in seines Herzens Grund<br />

sobald er Irkjas Blick kreuzte. Je länger seine Augen auf ihrem Anlitz ruhten, desto<br />

größer schien ihm sein Verlangen nach der Jungfrauen Leib. Es loderte als angefachte<br />

Flamme in ihm auf. Schon lockerte sich die Hand, die das Haar umschlossen<br />

hielt und er verspürte den Drang es in die Böschung zu werfen. Eine ungeahnte<br />

Rührung bemächtigte sich seiner und er konnte dem Drängen der<br />

Nebelweibschaft kaum noch Widerstand leisten.<br />

Als Lèfule sich erhoben hatte, fing die Nebelweibschaft zu tanzen an und zog einem<br />

Hexenkessel gleich wilde Kreise. In ihrer Mitte wirbelte, verheißungsvoll schimmernd<br />

das Prunkgewand. Jäh erschien er selbst darin und Irkja ruhte, als Abbild<br />

himmelsgleicher Schönheit, in seinen Armen.<br />

Doch bevor der Jüngling ins Wasser schritt, gewahr er dem Schreien des<br />

Trollweibes und er fand sich zweigeteilt in aufrichtiger Ehrbarkeit und ungeahntem<br />

Begehr, dass sein Herz zu spalten drohte. Seine Gedanken begannen sich ebenso<br />

wie ein Kreisel zu drehen und obwohl seine Finger den Schopf noch immer<br />

umschlossen, besetzten die gesprochenen Zeilen allmählich seinen Verstand:<br />

„Vergesst wer Ihr seid. Lasst all Euer tun. Es ist an der Zeit um auszuruhn...“<br />

Schrecklich begann es in den Wassern der Slììt zu brodeln. Lèfule warf den Schopf<br />

achtlos beiseite. Düster bäumten sich die Wellen auf sowie er seinen Fuß hinein<br />

getaucht hatte. Gebannt wandelte er Schritt für Schritt dem Trugbild entgegen und<br />

verbüßte ein Stück seiner selbst. Strudel zogen rings um ihn her. Je weiter der<br />

17


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Nebelfrauen unbarmherziger Zauber ihn leitete, desto stärker rissen sie an seinem<br />

Leib. Doch plötzlich verharrte Lèfule, dem die Wellen schon bis zur Hüfte reichten.<br />

Abermals schrie die Wììkìn vom Ufer her und in ihrem Flehen schien es ihm, als vernähme<br />

er des geliebten Vaters Stimme:<br />

„Gib acht mein Sohn. Gib acht! <strong>Das</strong> Schöne verführt als Blendwerk der Nacht.<br />

Hinter jedem Gepränge verbergen sich Schatten. Halte die Sinne wach! Laß Dich<br />

nicht täuschen <strong>von</strong> großen Versprechen. Es leitet Dich irre, es wird sich rächen. Hör<br />

auf die Tugend, vertrau ihren Kräften. <strong>Das</strong> wahre Gefühl, es fühlt Dich zum Besten.<br />

Gib acht, mein Sohn ! Gib Acht ! <strong>Das</strong> Schöne verführt als Blendwerk der Nacht.<br />

Hinter jedem Gepränge verbergen sich Schatten. Halte die Sinne wach!„<br />

Lèfule sammelte sich und entsagte der süßen Versuchung. Die Weibschaft entfloh<br />

sogleich zurück ins schwelende Nìvelau. Doch aus dem lieblichen Leib der Jungfrau<br />

brach ein Untier hervor, das Grausigste das ein Mensch je gesehen hatte. Gräßlich<br />

war des Scheusals Maul und ebenso schaurig der Laut dem es entfuhr. Es besaß<br />

nur ein Auge und jenes glotzte trübe auf ihn herab wie das eines riesigen Zyklopen.<br />

Den einstigen weichen Busen durchwalgte nun schuppiges Fleisch und der schöne<br />

Blütenkranz war ein Algengeflecht das dem Scheusal modrig vom Kopfe hing.<br />

Rings um das Trugbild ballten sich die Wasser und ein Wirbel riss es hinab in die<br />

Tiefe.<br />

Kaum das die Irkja entschwunden war, verebbte der Wellen Getöse. Lèfule dankte<br />

des Vaters Geist und zugleich eilte er hin zum Schopf, ihn zu wässern, so wie es<br />

ihm geheißen war.<br />

Slììtens Wasser umspülten das rote Haar und entrißen es den Händen des<br />

Jünglings. Lèfule war das Herz schwer als der Strom es <strong>von</strong> Dannen trug. Er kehrte<br />

zurück zu des Baumes Strunk um der Wììkìn da<strong>von</strong> zu berichten. Doch wie er am<br />

Stumpf angelangt war, fand er sie befreit. Wortlos gab sie ihm kleines Hölzchen und<br />

verschwand kurz darauf in ihrem Erdloch.<br />

Plötzlich hörte Lèfule ein seltsames Klingen und er blickte zum Fluß hinüber. Ein<br />

Geist schwebte in seiner Mitte und es funkelte mehr als nur die Spiegelung des<br />

Mondes auf den wogenden Fluten:<br />

„Mut, Tugend, Bescheidenheit, habt Ihr Ewynòr bewiesen: Geharret habt ihr im<br />

dunklen Wald. Mitleid dem armen Trolle gezeigt. Widerstanden der Irkjen lockenden<br />

Leib. Seit Eurem Herzen treue geblieben.<br />

Wahrlich, Fremder Eure Seele ist rein. Kein Reichtum konnt' rauben der Tugend<br />

Schein. Kein Königreich konnt' Euch verfänglich sein. Habt Vandarìms Schätze<br />

gemieden.So nehmet Aìnuk, das Zauberholz, aus dem Grale der Farnomisen. Es<br />

birgt Endorìns Kräutersaft, es gebe seinem Träger Kraft, <strong>von</strong> jeder Wund' zu gene-<br />

18


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

sen.<br />

Nun Lèfulaìse wandert nach Norden, so wie’s Euer Schicksal verheißt. Es wird ein<br />

langer, lohnender Weg, ein Fährtweiser gäb Euch Geleit. Wahret Aìnuk, wahrt<br />

Vììlanìk, den Stein den Euch Drùvartis gegeben. Was auch passiere seied nicht<br />

bang. <strong>Das</strong> Gralsgut schützt Euer Leben.<br />

Alsdenn Lèfulaìse, macht Euch auf, mit dem Beistand der Gwydionweisen. Ewynòrs<br />

Wasser wünschen Euch Glück auf allen Euren Reisen. “<br />

Und wie Ewynòr hinabgetaucht war, erschien Lèfule Fìndegìl, der Fährtenweiser.<br />

Fìndegìl war ein Helferwichtel aus dem Geschlecht der Taurìnva, dass in den<br />

Kräuterhainen Iravìnjals beheimatet war und im Dienst der guten Feen und<br />

Waldgeister stand. Er war <strong>von</strong> winziger Statur und ähnelte einem knorrigen Stück<br />

Borke das, ganz in grün bekleidet, zum leben erwacht war.<br />

Er verbeugte sich vor des Jünglings Riesengestalt und nickte ihm aufmunternd zu.<br />

Dann zog das Männlein seine Wünschelrute Bùttruten aus dem ledernen<br />

Wämslein. Alsdann bahnten die Zwei sich ihren Weg durch unwegsames Gesträuch<br />

das Slììtens Böschungen säumte. Sie waren nicht weit gewandert, da erreichten<br />

Lèfule und sein kleiner Gefährte den vorbestimmten Pfad.<br />

Im Schummerwald<br />

Stunde für Stunde wandelten sie in des Mondes silbernen Schein und Stunde um<br />

Stunde rückten sie näher zu des fernen Zwergenheims Grenze.<br />

Ohne Rast durchstreiften sie das Unterholz und Lèfules Kräfte waren bald ausgezehrt.<br />

Sein wärmender Umhang war zerschlissen, sein Schuhwerk gebrochen und<br />

seine Glieder schienen ihm so schwer, als trüge er einen Ygdonier auf seinem<br />

Rücken. Fìndegìl indes schritt beflissen voran im fahlen Lichte Bùttrùtens. Nie<br />

schaute er zum Wegesrand. Nie wand er sein winziges Haupt zurück. Sine wachen<br />

Augen blickten geradewegs auf die Rutenpitze und lasen in ihrem zuckenden Hin<br />

und Her den rechten Wege ab.<br />

Der Helferswichtel schien nimmermüde in seiner Emsigkeit, doch ihm erging es<br />

wohler als Lèfule. Er war verbunden mit der Macht des Varulìdengrales. Der<br />

Jüngling sammelte all seine Kraft und suchte Schritt zu halten. Verlor er des<br />

Winzlings Spur war es wohl um ihn geschehen. Denn Gefahr lauerte überall, ob<br />

hinter Busch oder Borke, im düsteren Schummerwald.<br />

Dicht an dicht stand allerlei knorriges Gehölz, und kaum ein silberner Strahl <strong>von</strong> des<br />

Monddrachens Schuppenkleide, schien den Boden des uralten, knarrenden Waldes<br />

19


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

zu erreichen. Versumpft war der schwemmige Grund, so daß der Wanderer stets<br />

zu sinken drohte. Nur mühsam kam Lèfule voran denn es war finster um ihn her.<br />

Ab und an entfloh dem Dickicht seltsames Getier und manches Mal schien es ihm<br />

als griffe etwas nach seinem Leibe.<br />

Bald schon lichtete sich des Waldes Unwegsamkeit und Lèfule erreichte einen Platz<br />

an dem das Gebüsch <strong>von</strong> einer wundersamen Kraft niedergemäht schien und<br />

Steine in gleichmäßigen Abständen aufgeschichtet waren. Er betrachtete verwundert<br />

die Umgebung und siedend heiß forschten seine Augen nach Fìndegìl. Doch<br />

nirgends konnte er ihn erspähen. Entmutigt liess sich der Jüngling auf einen großen<br />

Stein nieder. Er hoffte das der Fährtenweiser sein Verschwinden bemerken würde<br />

und bald zurückkkehrte.<br />

Wie er da saß, den müden Kopf in die Hände gestützt, fiel ein Zäpflein aus einem<br />

der Wipfel herab geradewegs vor seine wunden Füße. Und wie das Zäpflein vor<br />

seine Füße fiel. Da verwandelte es sich in ein Schlinggewächs, das in windeseile<br />

seine Beine umschlang. Abermals fiel etwas vom Wipfel herab und nun war es ein<br />

Zweiglein.Es umrundete viermal den Stein und entpuppte sich als Dornenflechte,<br />

die sich flinkerhand um Lèfules Brust schnürte. Sodann rollte ein Nüßlein heran und<br />

wie es heran gerollt war, wechselte es ebenso seine Gestalt. Just offenbarte sich<br />

ein Däumling, auf dessen Kopf ein Kleeblättlein thronte. Es war Bòrknoll <strong>von</strong><br />

Finsterlich, der König dieses Gestades:<br />

„Hei ho, Ho hei. Oh sehet doch! Was für ein seltsames Wesen, durchstreift des<br />

Nachts den Schummerwald. Laut hat sein Echo das Holze durchschallt, nun ist es<br />

aufgelesen. Wer drang in Finsterborkens Hain? Wer ist so närrisch, groß statt klein.<br />

Wer schreckt mein Volke in seinem Heim? Hat nicht um Einlaß gebeten? Seht nur,<br />

seht! Der arme Tor, ein Menschlein ist’s, zu necken! <strong>Das</strong> wird eine lustige<br />

Schelmerei. Kommt ihr Wechsler, kommt herbei. Wir spielen ihm einen tollen<br />

Streich. Es wird ihm an Mute gebrechen.<br />

<strong>Das</strong> wird dem Knäblein eine Lehr. Gar schauriger als die grausigste Mär. Gefangen<br />

ist’s, ganz ohne Wehr. Kommt wir woll’n es erschrecken! Wer Bòrknolls Ärger auf<br />

sich zieht hat Finsterborkens Spott verdient. Heran Gesinde, heran so fangt den<br />

Schabernack an.“<br />

Der König war ein Bursche <strong>von</strong> übelgesinnter Natur. Groß war seine Macht auch<br />

wenn er ein Winzling gewesen war. Er herrschte über das Wechslergesindt das im<br />

Schummerwalde hauste.<br />

Niemand der seinen Fuß nach Finsterborken setzte, konnte sich dem üblen Spiel<br />

des Finsterlichen entziehen. Nicht der ehrbarste Ritter, der kunstvoll sein Schwert<br />

zückte. Nicht der wendigste Elb, der blitzschnell den Pfeile schoss. Ein Wavan<br />

Zauberer selbst hätte es nicht vermocht des Wechslers Bann zu brechen.<br />

20


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Denn stets jagt das Wechselbalg den Eindringling: Fällt listig vom Baum auf des<br />

Ahnungslosen Kopf. Wird zum Stolperstein und tut dem Wanderer ein Elend. Wird<br />

zum tanzenden Irrgelicht und lockt jeden Fremdling ins Verderben.<br />

Lèfule fand sich gefesselt, umringt <strong>von</strong> Bòrknolls Häschern. Fìndegìl war hinfort<br />

und dem Jüngling schien es, als gäb es kein Entrinnen mehr. Wie sehr er auch sann<br />

und sich mühte. Er war in Ketten gelegt und die Flechten schnürten sich so fest um<br />

seinen entkräfteten Leib, das er sie nicht zu lösen vermochte.<br />

Sein müder Blick ruhte derweilen auf dem König. Der Gnom nahm ein klitzekleines<br />

Eichenzepter in seine Hand und tat seinen Befehl hämisch kund:<br />

„Buchenbork und Strauchhollunder, lullt es ein in Zauberschlummer. Trollt Euch,<br />

lasst das Knäblein ziehen, irren über Stock und Stein. Dem Wechsler kann es nicht<br />

entfliehn, jagt es in den Wald hinein! Ein Irrlicht sollt ins Moor es leiten. Ein Greifer<br />

es ins Sumpfloch treiben. Und sitzt es fest, fleht um Erbarmen, wird Bòrknòll sich<br />

am Unglück laben. Dann bringt des Wechslers Fluch den Wahn. Recht geschiehts<br />

dem Menschennarren! Der sich groß und wichtig macht. Doch kommts stehts<br />

anders als gedacht! Lernen sollt es, Buße tun. Rauben wollt es, Finsterns Gut !<br />

Doch jäh zu seinem Mißgeschicke gesellt sich unser höchstes Glücke! Seht nur, an<br />

dem prächtig Wamse schmiegt sich ein Säcklein aus Linnen. Birgt den allerschönsten<br />

Schatz, es wird den Albrich gnädig stimmen! Seht nur! Seht, die Zaubergabe<br />

aus Endorìns LichterGrale.<br />

Albeon wird großgesonnen sein, ich tausch das Gralsgut einfach ein! Beròniens<br />

Gold und Edelstein, sollen bald mein eigen sein. Hei ho, Ho hei was für ein Fang.<br />

Hurtig, bringt den Zaubertrank!“<br />

Nachdem der König gesprochen hatte, schwang er sein Zepter in die Lüfte empor.<br />

Schon eilte das Gesinde herbei und brachten einen hölzernen Krug, der mit trübem<br />

Schlummersaft gefüllt war. Alsdann flößte ein Trugbalg das üble Gebräu, Lèfule<br />

Tropfen für Tropfen ein, bis der Krug geleert war. Plötzlich erschien Lèfule ein<br />

freundlich züngelndes Licht, er folgte dem flüsternden Glanz und vergaß alsbald<br />

wohin es ihn führte.<br />

Mit dem ersten Silberstreifen des Tages, fand sich Lèfule noch immer gefangen.<br />

Doch hockte er nicht mehr auf dem Stein und rings um ihn her war auch keine<br />

Waldeslichtung.Der Jüngling stakte in einem morastenen Pfuhl, der ihm bis zum<br />

Hals hin reichte. Ratlos prüfte sein Blick den trostlosen Ort, an den es ihn wunderwie<br />

verschlagen hatte.<br />

Nebel schwelten über dem sumpfigen Grund, der nur karg mit Achweiden bestückt<br />

war, deren Äste traurig ins Naß hingen. Spärlich fiel das Licht aufs Erdreich, so als<br />

täte der tiefschwarze Grund es verschlingen.<br />

21


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Lèfule suchte eine sonderliche Entkräftung heim. So als sei er Stunde um Stunde<br />

umhergeirrt. Und wahrlich er war die ganze Nacht hindurch über Stock und Stein<br />

gestolpert. Geleitet hatte ein Lichtlein ihn, getrieben eine Greiferklaue und als er<br />

steckenblieb im düsteren Moderhàuge, bescherte ihm des Wechslers<br />

Verwünschung allerlei grausigen Schabernack der ihn zu ängstigen suchte.<br />

Doch ängstigen tat nur ein Verhängnis ihn, denn er gewahr dem fehlenden<br />

Gralsgut, das Bòrknoll aus seinem Wams gestohlen hatte.<br />

Unbeholfen versuchte sich der Jüngling zu befreien. Doch wie sehr er sich auch<br />

wand, es gab abermals kein Entrinnen. Wann immer er sich nach oben gekämpft<br />

hatte, gab der Boden nach und sackte ein Stückchen tiefer ab. Des Kämpfens müde<br />

fügte sich Lèfule in sein betrübliches Mißgeschick. Es dürstete ihn, es fror ihn und<br />

der Hunger verschaffte ihm ein übles Befinden. So hing er ohne Hoffnung im<br />

Moderhàuge und haderte mit seinem Los.<br />

Stunde für Stunde fristete er allein mit sich und dem Hoffen auf ein jähes Ende.<br />

Dann und wann regte sich etwas im Gebüsch und ein Funken Zuversicht keimte in<br />

des Jünglings Herzen auf. Doch vergebens war all sein Rufen, denn der Finsterliche<br />

hatte ihn ins Einödmoor geführt. Einsam war es dort, als wie das schwärzeste<br />

Verlies. Marternd war des Moores Fenn als wie die Ràre die die Brust zusammenpresste.<br />

Jammervoll war es als wie Munatìrs Wimmernsee dort wo der<br />

Schluchzenchor sein Wehklagen erhob und jedem, der sein Lied vernahm, das<br />

Herz entzweite. Moderhàugen war ein gänzlich unbewohntes Gefilde und alljene<br />

die es in seinen Dunst verschlug, fanden keinen Weg zurück. Gerade richtig für<br />

Einen, den Bòrknoll als Dieb zu entlarven meinte.<br />

Und dennoch war die Rettung nicht weit, denn das verlorene Gralsgut war nicht der<br />

einzige Schutz der ihm zuteil war. Vàrdìna sponn in Sylfìen eifrig feines Gutengarn<br />

und warf die Losrunen um Lèfules Wohl herbei zu führen. Als der Jüngling sich<br />

schon verloren glaubte und dachte Elrals Stimme hauche eisig an seinem Ohr, vernahm<br />

er abermals ein Rascheln vom Gebüsch her und ein grüner Schimmer webte<br />

des Pfuhles Mitte entgegen:<br />

„Eile, Eile, Eile! Wartet eine Weile. Euer Weh ist nun vernommen, harret aus wir werden<br />

kommen. Eure Rettung ist schon nahe. Lindergrün und Stillenfarne bringen wir<br />

dem armen Wesen. Es sollt <strong>von</strong> seinem Leid genesen!<br />

Lang hat seine Qual gedauert, weit war der Ruf der uns erreichte. Moosenlinds<br />

Genesensaft gäb dem armen Menschlein Kraft. Oh ihr bösen Wechslerbanne, weichet<br />

alsdenn weichet! Hier ein Schälchen Rindenwurzig, da ein Becher<br />

Heidenmost. Dort ein Bündel weißen Mooses, heilsam ist die Wùnenkost. Viel an<br />

Stund hat er durchlitten, einen herben Weg bestritten:<br />

22


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Gekühlt sei die Stirn mit Reif vom Laube.<br />

Gesalbet der Leib mit Iravìnjals Heilerhauche.<br />

Weilet! Weilet! Er erwachet, stark und kühn so scheint sein Geist. Dies ist nicht der<br />

Reise Ende. So sein Schicksal es verheißt. Nun hurtig auf, zu jener Stelle, hin zum<br />

Schummerwald Gefälle. Auf den Stein wo er gefangen, dort wartet schon ein<br />

Fährtenweis.„<br />

Sodann enthoben ihn die Heilgeister Iravìnjals dem schlammigen Pfuhl und trugen<br />

ihn auf ihren Eìlenrößern zum Rand des Schummerwaldes. Als Lèfule dort angelangt<br />

war und aus seinem Dämmer erwachte, fand er sich wie <strong>von</strong> Zauberhand sitzend<br />

auf dem Stein wieder. Fìndegìl ruhte zu seinen Füßen als wäre er nie hinfort<br />

gewesen. Bùttrùten war erloschen und ragte aus des schlafenden Wichtels<br />

Wämslein.<br />

Nadlafìrs Abendhauch durchwalgte die würzige Luft und dem Jüngling schien es,<br />

als hätte er einen langen Traum geträumt. Doch wie er in sein eigenes Wams griff<br />

wurde ihm die arge Gewißheit vor Augen geführt, das es kein Traum gewesen war.<br />

<strong>Das</strong> Gralsgut blieb verschollen. . . .<br />

In der dämmerigen Ferne, inmitten Beronìens gräßlichem Räudenried, hielten<br />

Albeon und der Finsterliche Rat.<br />

Im Schutz der schattigen Dunkbuchen offenbarte Bòrknoll dem Alberichfürsten was<br />

sich des Nachts zuvor, im Schummerwald, ereignet hatte. Albeon war hoch erfreut<br />

als der Wechslerkönig ihm das Gralsgut gegen ein Zehntel seines Schatzes bot.<br />

Jener zögerte nicht lang und befahl seinem Schatzhüter die gewünschten<br />

Edelsteine aus den Kammern der Riedenfeste herbei zu holen. So eilte der<br />

Schätzer <strong>von</strong> Dannen und die Landsherren besiegelten den Tausch mit ihrem<br />

Ehrenwort. Doch der Alberich war allerorts als Schurke bekannt mit dem kein ehrbarer<br />

Handel <strong>von</strong>statten ging. Spielte er doch selbst den listigen Ungorelben dann<br />

und wann einen mißlichen Streich. Freilich die Gier trübte des Finsterlichen<br />

Verstand. Heimtückisches führte Albeon im Schilde, ganz wie es dem niederträchtigen<br />

und boshaften Charakter seines durchtriebenen Wesen entsprach.<br />

Als der Schatzhüter aus der Riedenfeste zurückgekehrt war, da brachte er drei<br />

Säcke voll Stein. Und wie Bòrknoll dem Alberich die Gralsgabe überreichte, entschwand<br />

jener im Irrgang Schurfengrabens.<br />

Des Wechslers Dienerschaft brachte den vermeintlichen Schatz zurück in den<br />

Schummerwald und der Finsterliche rieb sich frohgemut die Hände. Doch der einfältige<br />

König war tückisch um sein Gut betrogen worden und bald schon ließ sein<br />

bärbeißiges Zornesgeschrei, die Baumhaine Finsterborkens erzittern.<br />

Albeon hockte derweilen in seiner Räudenriedfeste und schickte einen Gesandten<br />

23


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

nach Dûnkelrìven, um den schwarzen Zauberern <strong>von</strong> der kostbaren Ausbeute zu<br />

berichten.<br />

Wanderung nach Zwergenheim<br />

Pfad um Pfad waren die Gefährten gewandert das Gralsgut zu suchen, das ihnen<br />

in Finsterborken verloren ging. Rastlos durchquerten sie Endorìns Trügerlande.<br />

Durchstreiften wohlbehalten Beronìens morastenen Räudenried.<br />

Überquerten dessen alterschwache Brücke, die das faulige Wasser der Flossenfurt<br />

überspann. Erklommen unversehrt den wuchernden Schutterbühl des greulichen<br />

Dakbundelhorst, in dessen Geäst und Gerinde ruchloses Hexenvolk hauste.<br />

Durchstiegen Trollingens erstarrte Wurzenwildheide. Dort wo die vorzeitlichen<br />

Lichterkriege einst gewütet hatten. Hier stapften sie über zerbrochenesWaffengut<br />

hinweg und in großflächige Krater hinein die, vor langer, langer Zeit, eine mächtige<br />

Riesenschleuder ausgehoben hatte.<br />

Kein Wesen kreuzte ihren Weg. Kein Unhold folgte ihren unermüdlichen Tritten. Kein<br />

Zauber suchte ihnen ein Leid zu tun. Doch unablässig flog eine Krähenschar über<br />

ihren Häuptern hinweg, die düsteren Cuìvethscharen. Feindliche Späher aus dem<br />

weit entfernten Dûnkelrìven.<br />

Viele Tage dauerte ihre Reise, sie gönnten sich weder Rast noch Ruhe und schließlich<br />

gelangten sie ermattet und zerlumpt zu Zwergenheims Grenzwald.<br />

Hier lichtete sich der Horizont und der Blick war preisgegeben auf ein strahlendes<br />

Wolkenmeer. Prächtig gedieh der fruchtbare Mischehain, der umspült war <strong>von</strong> der<br />

Schmiedenau, die als klares Bächlein fröhlich dahin plätscherte.<br />

Lèfule und der Helferswichtel machten Halt und liessen sich im weichen Gras nieder.<br />

Alsbald lugte ein Zwergenknappe hinter einem Baum hervor und horchte argwöhnisch<br />

welches Anliegen sie in Fàrnukks Reich geführt hatte. Sodann nahm der<br />

Knappe Òdorfìn, die Fremdlinge in Empfang und geleitete sie nach Evenàr, der<br />

Schmiedestatt der Fàrnukken.<br />

Bei der Zwergen Stätte angelangt, führte man die Fremdlinge dem König vor. Sie<br />

nahmen Platz vor einer Eichenwurzel, wo Fàrnukk auf einem üppig verzierten<br />

Silberstuhl thronte. Der König musterte die Eindringlinge ohne Argwohn. Dann<br />

lächelte er doch aus dem Lächeln ging ein schmerzverzerrtes Grinsen hervor und<br />

die Lippen Fàrnukks begannen eigentümlich zu beben wähend er leise sprach:<br />

„Odòrfìn, Fàrnukkens Knappe, tat Kunde uns <strong>von</strong> Eurem Begehr. Leidlich geht’s<br />

dem Zwergenvolke, ärger geht es nimmer mehr. Euer heikel Unterfangen sei auch<br />

unser höchst Belange. Unser Heim ist bald bedroht, sein Schicksal liegt in Eurer<br />

24


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Hand. Weh uns plagt ein düstres Ahnen <strong>von</strong> hinnen sind die Zwergengaben. Die der<br />

Wechsler bei Euch fand.<br />

Wohl scheint, als das Finsterborken handeln tat mit Albeon. Der eine wollt die<br />

Macht uns rauben, den Steine Vììlanìk ertauschen. Der andere aus dem Zwiegelicht<br />

war auf Beronìens Schatz erpicht. Weh! Zu unsrer größten Schande ging der<br />

Tausche denn <strong>von</strong> statten. Ohne einen einzigen Dünkel wurd' das Gralsgut fortgeschaffet.<br />

Auch Aìnuken ist <strong>von</strong> hinnen, das Allerheiler Wurzelchen. Ach Weh! Oh<br />

Weh! <strong>Das</strong> Ende naht dem Lichterwald <strong>von</strong> Endorìn.<br />

Wehe, weh! Welch Mißgeschick, verlassen sind wir ohne Glück. Denn nun muß<br />

Fàrnukk sich fügen des Fürsten greuelich Verlang. Auf das Albeonens Kammer Tag<br />

um Tag sich füllet dann. Übel hat er uns geplagt mit so manchem bösen Schrecken.<br />

Wollt das Schmiedbächlein vergiften, mit dem Fluch uns an sich ketten. Fàrnukk tat<br />

um Gnade ringen. Doch der böse Alberich, wollt Beronìen das Krönlein bringen und<br />

die Zwerg zur Arbeit zwingen.War auf unsere Grub erpicht.<br />

Alsdenn wir taten uns enthalten und erhielten manche Frist. Der Gralsraub scheint<br />

ein Unterpfand das dieselb geendigt ist. Fàrnomanis tat uns Kunde das die Rettung<br />

ist nicht weit. <strong>Das</strong> ein Jüngling wird geleitet, hin zu uns, vom Fährtenweis. Und der<br />

herzensgute Walder hat erzählt <strong>von</strong> Eurer Ehr. Vom Verstande, Eurem Mute, vom<br />

zugewiesenen Gralesgute und es bangte uns nimmer mehr.<br />

Doch nun, oh Fremdling, scheint die Hoffnung denn zu schwinden. Seht doch,<br />

unser Kunstgewerkel. Alles, alles geht <strong>von</strong> hinnen und mein Volke wird zum<br />

Knechte in Albeons Räudenfeste. Sollt es uns nicht bald gelingen einen anderen<br />

Weg zu finden.“<br />

Fàrnukk senkte das Haupt und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Die Zwerge<br />

um ihn her huschten flink <strong>von</strong> Dannen und kehrten mit einem Humpen Honigwein<br />

zurück um ihrem König ein Wohl zu tun. Fàrnukk wies seine Dienerschaft an auch<br />

den Wandersgesellen einen Trunk zu reichen. Denn Zwergenheim war bevölkert<br />

vom Geschlecht der Helferswichtel und somit weithin für seine Gastfreundschaft<br />

gerühmt. So saßen sie vor dem Hochsitz Evenàrs und täfelten um zu frischer Kraft<br />

zu finden.<br />

Sodann hat der Zwergenkönig sein höfisches Schneiderlein bestellt und trug ihm<br />

auf, der Gefährten Gewänder auszubessern und obendrein Maß zu nehmen für<br />

zwei neue Pelerin. Danach rief Fàrnukk sein höfisches Schusterlein herbei und wies<br />

an die gebrochenen Schuhwerke zu flicken. So entledigten sich der Jüngling und<br />

Fìndgìl ihrer Kleider. Flinkerhand hatten die Zwerge, alle großen und kleinen<br />

Löchlein gestopft, die schrundigen Schuhe und Stiefelein geflickt und in windeseile<br />

zwei neue Pelerin aus grobem Garne genäht.<br />

25


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Dann entfachte Bòkadìn, der Zwerge Flammenmeister, ein Feuer um den<br />

Wanderern ein Lager zu richten. Und wie das Lager gerichtet war kam Gòdòwin<br />

mit seinem Wachgefolge herbeigeeilt. Die Zwergenwächter waren gerüstet mit allerlei<br />

Wehr und zückten dann und wann ihr Messerchen wenn sich im Busch etwas<br />

unverhofft regte. In ihrer schützenden Mitte fanden die Gefährten endlich Ruhe und<br />

waren bald entschlummert.<br />

Die Zeit eilte dahin. Schon taten Mondàfìrs Tore sich auf und entließen den<br />

Sternspeiher Nadlafìr ins nächtliche Gestirn. Die Flammen des Feuers waren bald<br />

verloschen und Lèfule ruhte sanft auf der moosenen Lagerstatt, die Mühen der<br />

Reise vergessend.<br />

Doch unversehens gesellte sich Fàrnukk zu ihm und schreckte ihn aus mancher<br />

schönen Träumerei. So hielten sie zu später Stunde Rat unter dem winkenden<br />

Blätterwerk der herrschaftlichen Zwergeneiche im Herzen Evenàrs.<br />

Ankunft im Späherhort<br />

Zu jener Zeit waren die Cuivethscharen Dûnkelrìvens im Hort der Höllhagfeste<br />

angelangt.<br />

Gàràmakk war im Kreise der Avanan den Turm hinaufgestiegen und erwählte<br />

Krafadùn, den Geschicktesten aller Seher, ihm kundzutun was sich in den<br />

Caladwäldern zugetragen hatte. So berichtete das Scharfauge seinem Meister vom<br />

Versagen der Nebelweibschaft, <strong>von</strong> der verlorenen Spur des Jünglings im Dickicht<br />

Finsterborkens und schließlich <strong>von</strong> seiner wohlbehaltenen Ankunft im Reich des<br />

Zwergenkönigs. Der dunkle Zauberer ergrimmte als er <strong>von</strong> der Unversehrtheit des<br />

Auserwählten erfuhr. Dreimal hub er kräftig mit seinem Zauberstab auf den steinernen<br />

Grund. Dreimal spieh das Zauberholz Zornesblitze aus und ein schauriges<br />

Donnergrollen erschütterte die Gemäuer der Höllhagfeste.<br />

Als die Wolken sich um den Burgturm gesammelt hatten und Òrkvens Brauseneffen<br />

zu Toben begannen, schnellte unversehens ein Falke auf das Gesimse.<br />

Rùdruìn, der Gesandte des Räudenried, war aus dem fernen Beronìen gekommen<br />

um dem Gebieter der Avanan die Botschaft seines Meisters zu überbringen. Was<br />

im Schutz der Achweiden und Dunkbuchen Krafadùn und seinen Schergen verborgen<br />

geblieben war, sollte er dem schwarzen Fürsten Dûnkelrìvens berichten.<br />

Jener hat den fremden Greif zur Rede gestellt und solcher gab krächzend Antwort<br />

ihm:<br />

„Ich, Rùdruìn bin gesandt aus dem fernen Albrichland. Aus Beronìens düsteren<br />

26


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Tiefen, aus dem schaurig Räudenrieden. Euch, oh Herr, denn zu berichten was in<br />

Trügerland geschah. Jedes Wort bei meiner Klaue, jedes Bruchstücke ist wahr. Hier<br />

nun folgt die Kunde, was mein Aug gesehen. Und zu Eurer größten Freude leidlich<br />

tat‘ s dem Bub ergehen:<br />

In Finsterborkens Schummerwald saß er fest im Moderhaùge. In diesem unbewohnt<br />

Gestade hat er sich bald verlorn geglaubet. Doch fürwahr er wurd' gerettet <strong>von</strong> dem<br />

Heilervolk Mooslindens. Und die Wùnen halfen ihm den rechten Weg zurückzufinden.<br />

Doch das Gralsgut ging verloren, das die Lichtergeist ihm gaben und so ist der<br />

Knab‘ beraubet, allen schützend Helfersgaben.<br />

Jäh hockt er da bei Fàrnukken und hält emsig hohen Rat. Wohlwissend, wo das<br />

Gralsgut ruhet und wer’s denn gestohlen hat. <strong>Das</strong> Gute liegt bei meinem Herren,<br />

der hats den Wechslern abgenommen und, oh Fürst, Euch seis versichert jetzt ist<br />

Eure Zeit gekommen. Albeon, der da ist mein Meister will dienlich sein in Euer<br />

Belang und bietet Euch, ganz wohlgesonnen, einen guten Handel an.<br />

Alsdenn er steht im herben Streite, wie Ihr folglich wissen müßt. Er will die Zwerg<br />

sich unterwerfen, gab ihnen so manche Frist. Nun das Blatt hat sich gewendet denn<br />

das Schicksal ist Uns hold. Tauschen will er die Zaubergabe aus Endorins<br />

Lichtergrale gegen Fàrnukks Eichengrube, die gefüllet ist mit Gold.<br />

Albeon stehet kurz vorm Kriege mit Fàrnukkens Zwergenheere. Helft ihm baldigst<br />

sich zu rüsten und Ihr bekommt was Ihr begehret. Tut Räudenried die Zwerg<br />

bezwingen wird’s den Jüngling zu Euch bringen. Auf das Ihr endigt was ist begonnen.<br />

Adawans Macht scheint bald verronnen. So ist’s Albeons höchst‘ Verlang den<br />

Jüngling zu vernichten. Sodenn, oh Fürst, traget mir auf was es gilt nun zu berichten.“<br />

Wie Rùdruìn dies geschildert hatte hob Gàràmakk Avras empor. In seinen Augen<br />

erglomm ein finsteres Leuchten und er dankte den dunklen Mächten. Die Späher<br />

flogen krächzend auf, ihrem Herrscher zu huldigen so als hätte jener schon den<br />

Sieg über Asarang errungen. Der Stand der Avanan verbeugte sich ehrerbietend<br />

vor seinem dunklen Hohemeister.<br />

Grìmlokk, der nicht weit vom Geschehen gestanden hatte, hielt sich geduckt und<br />

lauschte was dort <strong>von</strong>statten ging. Im Stillen tat sein Herz sich auf, war es doch sein<br />

höchstes Begehr Avras, der Avanan Hohestab, selbst zu tragen. Voll abgründigem<br />

Hass starrte er auf den Dûnkler. Denn stetig war er Gàràmakks erster Diener und<br />

vollbrachte in diesem Amt so manche böse Tat. Doch tat er es nicht um des<br />

Fürstens Willen sondern zu seinem eigenen Wohle. So erheischte sich Grìmlokk<br />

„der Kriecher“ des Ungorherren Gefälligkeit und lauerte in seinem Schatten auf den<br />

rechten Augenblick. Doch seine Zeit war noch nicht gekommen. . . .<br />

Gàràmakk indes sicherte Albeon die Dienste seines Albgefolges zu und sandte<br />

27


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Krafadùn zu Ogeròtt dem Herzog Dunkllandes. Jener finstere Herold sollte ein Heer<br />

stellen und in weniger als vier Tagesmärschen nach Beronìens Räudenfeste gezogen<br />

sein. Dort sollten Rìvens Schergen und die Alberiche sich einen und im<br />

Hinterhalt lauern bis die Widersacher die Grenze überschritten. Demjenigen dem es<br />

gelänge den Jünglinge zu töten oder gefangen zu nehmen, sollte ausreichend Gut<br />

und Lohn versichert sein.<br />

Sodenn der Pakt besiegelt war wies Gàràmakk Grìmlokk an die Vadì, welcheseit<br />

dreißig Monden schon im Gwydionhaìne weilte, vom Vorzeichen des nahenden<br />

Sieges zu unterrichten. Dieselbe sollte derweilen das Ihrige verrichten.<br />

Bei Beroniens Flossenfurt<br />

Trübe wälzten sich die Wolken am weiten Horizont herauf. Kein Vöglein zwitscherte,<br />

kein Blatt regte sich. <strong>Das</strong> Schmiedbächlein selbst war verstummt und floß lautlos<br />

<strong>von</strong>dannen. Schwefeldunst war aus Nìvelauen heraufgezogen und walgte über<br />

die Baumwipfel fort. Alles kündete <strong>von</strong> einem herannahenden Unheil.<br />

In Evenàr herrschte ein reges Gedränge. Die Zwerge rüsteten sich gegen<br />

Beronìens Alberichheer. Bòkadìn entfachte der Schmieden Feuer. Gòdòwin kauerte<br />

vor des Königs Thron, Rat zu halten wie der Feldzug <strong>von</strong>statten gehen sollte.<br />

Derweil huschte Òdorfìn emsig <strong>von</strong> Platz zu Platze und wies an wieviel an<br />

Schwertern und Schildern gefertigt werden sollten.Wieviel an Rüstung sie gebrauchen<br />

täten.<br />

Rastlos bliesen die Blasebalge, stetig erklirrten die Hämmer wenn sie dumpf auf die<br />

Amboße stießen. Fortwährend zischte es in den Wassern der Schmiedenau sobald<br />

die Wehrstücke zur Kühlung hinabgelassen wurden. Bald schon stiegen fahle<br />

Schwelen über dem Bach auf und trugen den Dunst des bevorstehenden Krieges<br />

weit hinter Zwergenheims Grenze.<br />

Fìnua, des Königs neunte Tochter, wies die Weibschaft an Speisen zu fertigen und<br />

Heilekräuter zu sammeln. So brieten, kochten und dünsteten sie der Streiter Kost<br />

und hegten die Heilergaben. Fìnua indes blickte oft hinüber zum Vaterhause und<br />

fand Gefallen an dem Ehrenmann, der gekommen war den Helferswichteln<br />

Beistand zu leisten. Und wie Lèfule dann und wann zu Òdorfìn hinüberschritt da<br />

erwiderte er manches Mal ihren gefälligen Blick. Auch wenn Fìnua klein gewesen<br />

war und ihm gerade einmal bis zur Hüfte reichte, so war sie doch die schönste aller<br />

Zwergentöchter: Ihr Haar hatte die Farbe des Laubes. In ihren Augen wohnte die<br />

Weisheit der Walder und ihr Leib war so zierlich als entstammte sie dem<br />

28


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Elfengeschlecht, dass an den Ufern der Flinkenwasser hauste.<br />

Viel an Zeit war veronnen und die Dunkelheit ergoß sich bereits über den<br />

Grenzwald. Erschöpft waren die Zwergenleute und auf das Kommende blickend<br />

harrten sie auf Evenàrs Versammlungsplatze aus. <strong>Das</strong> Frachtgut war verstaut und<br />

Fàrnukks Heer glänzte gerüstet in des Feuers Widerschein. Nach einer langanhaltenden<br />

Stille aus der Furcht und Unwillen sprach, trat die neunte Zwergentochter<br />

aus seinen Reihen hervor. Sie blickte voller Trauer in die <strong>von</strong> Sorge zerfurchten<br />

Gesichter ihres kleinen Volkes. Dann nahm sie in seiner Mitte Platz und mit ihren<br />

zarten Händen spielte Fìnua den Mischehainern ein letztes Lied auf ihrer Harfe<br />

Ragnatìr:<br />

„Lebt nun wohl, Ihr edlen Streiter, die Ihr ziehet in die Schlacht. Achtbar ist ein jedes<br />

Herz. Groß der Groll, den es entfacht. So sollt führen es die Klinge und das eigen<br />

Leben schützen. Sollt das eigen Heime schirmen und die Brust des Feindes ritzen.<br />

Zieht nun fort, Ihr edlen Streiter, die Ihr treue seid dem Reich. Kommet unversehret<br />

wieder zu der Zwerge Schmiedehain. Lasset Eure Arbeit ruhen, bald schon kehret<br />

Ihr zurück und dem Schmiedgewerkel lauschen sei der Weiber größtes Glück.<br />

Lebet wohl, Ihr edlen Streiter, die Ihr ziehet nun <strong>von</strong> Dannen. Ungewiß ist Euer<br />

Schicksal. Edelmut ist Euer Belange. Sorgt Euch nicht um unser Wohle aus der<br />

Erinnerung ziehen wir Kraft. Herzet Eure grämigen Weiber denens bangt vor dieser<br />

Schlacht.<br />

Ziehet fort, Ihr edlen Streiter. Furchtlos ist der Zwergen Seel'. Euer Gefährt in diesem<br />

Kampfe ist vom Schicksal auserwählt. Gut geschärft sind Eure Klingen also<br />

habet guten Mut. <strong>Das</strong> Eisen das dieselben schuf kam aus Eurer Heimat Grub'.“<br />

Der süße Klang des Spieles verzauberte Lèfule und jener war <strong>von</strong> einem sonderlichen<br />

Banne ergriffen. Je länger er der lieblichen Stimme lauschte desto mehr verspürte<br />

er ein wunderliches Regen in seines Herzens Grund.<br />

Kurz vor dem Aufbruch begann sich Lèfule Schwert und Schild, welche im Vergleich<br />

zu Farnùkks Wehr den Werkzeugen eines Riesen entsprachen, um den Leib zu<br />

schnüren. Am Riemen des Schildes fand er ein silbernes Glöckchen das leise zu<br />

klingeln begann sowie er es schulterte. Er nahm es sachte in seine Hand und<br />

begutachtete das Schmuckstück <strong>von</strong> allen Seiten.Erneut erklang ein leises Klingen<br />

und wie er sich umwandte, entdeckte er Fìnua die nun abseits saß und ihr<br />

Harfenspiel fortsetzte. Sie lächelte ihm zaghaft zu und winkte verlegen in seine<br />

Richtung. Lèfule erwiderte das Lächeln und ein brennender Schmerz durchfuhr ihn.<br />

Diese Schlacht, so schwor er bei sich, sollte nicht nur ihm und Fàrnukk dienen. Er<br />

wollte sie auch für Fìnua bestehen, damit dieses wunderbare, reine Geschöpf<br />

seine Heimat nicht entbehren müsse. Dieser Gedanke verlieh ihm eine tapfere<br />

Gewißheit denn auch ihn ängstigte es vor dem bevorstehenden Kampfe. So knüpf-<br />

29


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

te sich in dieser hoffnungslosen, schweren Zeit ein feines Minneband zwischen der<br />

schönen Fìnua und dem ehrbaren Andrìr Lefùlaìs.<br />

Alsbald zog das Heer <strong>von</strong> Dannen. Hunderte <strong>von</strong> Zwergen, viele hundert Schritte<br />

durchstreiften den Mischehain und über den vielzähligen, geschirmten Köpfen wehten<br />

die Silbergold durchwirkten Banner Zwergenheimes.<br />

Allen voran schritt Fìndegìl den rechten Wege suchend. Danach folgten der<br />

Zwergenkönig und Lèfule dessen Leib mit einem ritterlichen Harnisch versehen<br />

war. Er marschierte entschlossen in seine erste Schlacht. Unter den roten<br />

Strähnen, die ihm während des Marsches unablässig ins Gesicht fielen, verbarg er<br />

alles Bangen. Kühn umklammerte er den Griff seines Schwertes und das klingelnde<br />

Glöckchen, dass er dicht bei sich trug, hieß ihn nun das Schrecknis des Bösen<br />

abzuwehren.Bòkadìn, Òdorfìn, und Gòdòwin trugen Fackeln, nach dem Feind<br />

Ausschau haltend, der in nicht allzu weiter Ferne lauerte.<br />

Mit dem ersten Morgengrauen standen der Jüngling und das Zwergenheer kurz vor<br />

der Flossenfurtbrücke, die nicht weit entfernt lag <strong>von</strong> Albeons Räudenriedfeste.<br />

Viel an Weg hatten sie hinter sich gebracht bis sie letztlich die morastene Einöde<br />

Beronìens erreichten. Doch niemand war erschöpft denn der Unwille gegen die<br />

Alberiche tat ihren Kampfeswillen stärken. Um sie herum war es ungewöhnlich still,<br />

nur die Flossenfurt schnellte rauschend dahin. An beiden Seiten des Ufers versperrten<br />

Dunkbuchen der Streiter forschenden Blick. An der Uferböschung selbst,<br />

schwelte dichtes Truggarne herauf so das es den sicheren Tritt erschwerte.<br />

Es fing zu regnen an und das Heer machte Halt vor der zerrütteten Brücke. Lèfule<br />

schritt bedächtig voran, das Schwert zum Kampfe erhoben. Alsbald erreichte er<br />

unversehrt die Brückenmitte und gab dem Zwergenkönig ein Zeichen. Fàrnukk folgte<br />

ihm nur zögerlich und die anderen Zwerge taten es ihm gleich. Über ihren Köpfen<br />

sauste ein aufgeschreckter Kauz hinweg und sein mahnendes Rufen verhieß nichts<br />

Gutes.<br />

Kaum das sie am anderen Ufersaume angelangt waren, durchschnitt ein schauerliches<br />

Lärmen die Grabesstille. Unversehens stürmten die Alberichknappen und<br />

das Dûnkllheer zu beiden Seiten heran und schufen einen tosenden Kessel der den<br />

Zwergen den Rückzug verwehrt hielt. Arg war da Zwergenheims Heer in den<br />

Hinterhalt geführt.<br />

Jäh brach das Gestirn auf und ein schauriges Donnergrollen liess den düsteren<br />

Horizont erzittern. Danach schoß Hagel ins Kampfgemetzel und Blitze erleuchteten<br />

das grausige Geschehen.<br />

Die mächtige Reiterschaft Dûnkllandes trieb ihre schwarzen Rößer an und nicht<br />

wenige Zwerge, die es überraschte, fanden unter den kräftigen Hufschlägen ihren<br />

30


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

sicheren Tod. Ein Meer aus Lanzen und Speeren fiel in den Kessel mit ein und die<br />

Schleudern der unberittenen Alberiche trafen nicht wenige geschirmte Köpfe. Auch<br />

wenn viele der Zwerge den erzenen Geschoßen zu trotzen suchten, indem sie sich<br />

mit ihren Schildchen bedeckten, so zerbarsten sie doch ob der Wucht des unverhofften<br />

Aufpralles.<br />

Derweil harrte die Nachhut der Rìvner Schergen in der Ferne unterm Blätterwerk<br />

der Dunkbuchen.<br />

Tapfer schlugen sich die Zwerge, rollten flinkerhand unter den schwarzen<br />

Schlachtrößern der Ungorelben hindurch. Sprangen hinterrücks hinauf und stießen<br />

den Widersachern ihre scharfen Schwertlein ins Genicke.<br />

Rissen zu Sechst das Roß hinab und erschlugen den Reiter mit seiner eigenen<br />

Lanze. Stellten dem Fußvolk der Alberiche ein Bein und huben ihnen mit all ihrer<br />

Kraft die wuchtigen Erzenkugeln auf das unbedeckte Haupt.<br />

Doch da rannte manch ein Zwerg um sein Leben, wurde <strong>von</strong> der Brücke gestoßen<br />

und hing als zappelndes Bündel an den hölzernen Streben der altersschwachen<br />

Flossendfurtbrücke. Da suchte manch ein Zwerg das Weite und ertrank in den eisigen<br />

Schnellen der Furt. Da konnte manch ein Zwerg dem blutigen Kessel entrinnen<br />

und wurde im schützenden Böschungsgraben <strong>von</strong> einer Lanze unversehens aufgespießt.<br />

Unermüdlich kämpften Òdorfìn, Gòdòwin und Bòkadìn, die Augen wütend<br />

auf die Angreifer gerichtet und versuchten Fàrnukks Leben mit ihrem Eigenen zu<br />

schützen.<br />

Es krachten die Lanzen, es schnellten die Schleudern, es klirrten die Schwerter, es<br />

schäumten die Rößer. Da floß das Blut schneller als der Bachlauf der Furt. <strong>Das</strong><br />

Wehklagen der Gefallenen hallte als mahnendes Echo über die Ländereien<br />

Endorìns hinweg.<br />

Weitab im Reich Elgroll Unbarmes, dem Hüter der sühnenden Seelen, begannen<br />

die Wellen des Wimmernsees sich zu kräuseln und der Schluchzenchor erhob<br />

seine Klage auf alljene die ihr Leben beim Räudenried liessen.<br />

Gleich einem angefachten Feuer griff das Kriegsgewirre um sich und es strömten<br />

mehr und mehr Reiterschaften heran. Auch wenn viele Raffwesen und Dûnkler<br />

gefallen waren, so war ihre Zahl doch endlos gewesen. Und bald schon schrumpfte<br />

der Zwerge Hunderschaften auf einige Wenige die noch zähen Widerstand leisteten.<br />

In den gelichteten Reihen der Fàrnukkschar griff die traurige Gewissheit um<br />

sich, das der Feldzug ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen war. Òdorfìn ließ<br />

sein Leben am Saum der Flossenfurt. Da stampfte ein Roß ihn nieder. Bòkadìn fiel<br />

inmitten des Schlachtfeldes. Da erwürgte ihn ein Schleuderriemen. Gòdòwin starb<br />

abseits des Getümmels durch eine Albenlanze, als er Fàrnukk zu retten suchte. Der<br />

31


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Zwergenkönig selbst war nie wieder gesehen und kein Wesen Endorìns weiß wohin<br />

es ihn verschlagen hatte.<br />

Die Nebel begannen sich alsbald zu lichten und gaben ein jammervolles Bild preis.<br />

Umringt <strong>von</strong> einigen Zwergen stand Lèfule mit erhobenem Schwert. Feindliches<br />

Blut klebte an der Klinge und rann an seinen Händen herunter. Auch er kämpfte mit<br />

großem Mut und bis zur Erschöpfung hin. Sein silberner Harnisch gebot ihm Schutz<br />

vor den Eisenschleudern der Alberiche. Sein prachtvolles Schild wehrte die<br />

Lanzenhiebe der mordlüsternen Schergen Ogeròtts ab. Lèfules Schwert tanzte wie<br />

<strong>von</strong> selbst in seiner Hand. Wann immer ein Zwerg gefallen war, schlug es kräftiger<br />

zu und zerspaltete den Feind ohne Erbarmen. Doch der Kummer erschwerte sein<br />

Herz und suchte ihn der Kampfeslust zu berauben. Wie er jedoch auf die liebgewonnenen<br />

Gefährten blickte, die unermüdlich um sich huben, fand er zurück zu frischen<br />

Kräften.<br />

Viel an Zeit war verstrichen, viel an Leben gelassen. Als plötzlich ein Hornsignal<br />

erklang das die Nachhut zum Rückzuge blies. Aus dem Wald ritt ein stattlicher<br />

Ungorelb heran, Ogeròtt der Feldherr Gàràmakks. Seinen Harnisch hielt das<br />

Banner der Avanan umschlungen und seine Rüstung glänzte glutrot im<br />

Dämmerlicht. In des Elben Riesenhand stakte das prachtvolle Schwert Harùgen,<br />

dessen Klinge so scharf war, das es selbst Stein zu spalten vermochte.<br />

Als der Scherge Dhurandòrs Lèfule erblickte, trieb er die Sporn in des Roßes<br />

Flanke und jagte dem Jüngling in gestrecktem Galopp entgegen.Dann machte er<br />

abrupt Halt und glitt behende vom Rücken des mächtigen Tieres herab. Zwei bösartig<br />

glühende Augen blitzten unter seinem Helm hervor. Augen voll gierigem Hass<br />

und der Entschlossenheit dem Jüngling ein schnelles und doch qualvolles Ende zu<br />

bereiten. Ogeròtt schickte sich sogleich an den Auserwählten zu ermorden um Gut<br />

und Lohn aus Gàràmakks Schätzerei zu erlangen.<br />

Doch des Dùnklers Bestimmung war es den heeren Zweikampf zu verlieren. Kaum<br />

das er Lèfule feindsinnig umkreiste und Harùgen über dessen Kopf niedersausen<br />

lassen wollte, auf das sein Körper durch den Schlag zerschmettert würde, wich der<br />

Jüngling blitzschnell zurück. Ogeròtt hielt eine Sekunde lang inne. Er war überrascht<br />

das er Lèfule verfehlt hatte denn Harùgen traf doch immer zielgenau. Diese<br />

eine Sekunde des Innehaltens kostete den Ungorelben sein Leben. Die Klinge<br />

Evenàrs tanzte nun wie wild um seinen Harnisch herum. Mächtig war der Schlag<br />

der die silbernen Riemen traf. Stählern die Klinge die sie durchschnitt und letztlich<br />

zerbarst mit einem lauten Krachen des Herolds Panzer und gab die Brust desselben<br />

frei. Entschlossen führte Lèfule das Schwert, die Zwerge zu rächen die ihr<br />

32


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Leben liessen bei der Flossenfurtbrücke.<br />

Bald war Ogeròtt seiner Wehr beraubt. Der Jüngling zwang mit aller Kraft den<br />

Schrecklichen darnieder und wie jener darnieder gegangen war, da bohrte sich<br />

Evenàrs eiserne Klinge tief in Ogeròttens schwarzes Herz und riß es entzwei.<br />

So richtete Lèfule Gàràmakks Landeshüter und wie die finsteren Augen desselben<br />

sich schlossen, schien es Lèfule, als gelte es noch Großes zu verrichten.<br />

Wanderung zur Räudenriedfeste<br />

Fàrnukks geschlagenes Heer machte sich gesenkten Hauptes und herrschaftslos<br />

auf zur Schmiedestatt <strong>von</strong> Evenàr. Die Schlacht war verloren und verloren war viel<br />

an Leben aus dem Mischehainvolke. Sein Schicksal war nun besiegelt. Es mußte<br />

fortziehen an einen sicheren Orte weitab <strong>von</strong> Beròniens Grenze. Es mußte seine<br />

Eichengrube verlassen die viel an Silber und Eisen in ihrem Herzen barg. So machten<br />

sich die Wenigen auf und wanderten nach Evenàr um sodann gen Mildenbüttel<br />

im Eìnantal zu ziehen. Dort hausten die wenigen Abkömmlinge ihres Geschlechtes<br />

unter dem Himmelszelt. So wie es die Helferswichtel seit Generationen taten bevor<br />

es sie in die Tiefe zwang.<br />

Indes begaben sich Lèfule und sein Fährtenweiser zu Albeons Räudenriedfeste um<br />

das Gralsgut zurück zu holen dessen Bestimmung sich noch nicht erfüllt hatte.<br />

Sònawìrs Licht war verloschen und so irrten sie Bùttrùtens Weissung folgend durch<br />

die Finsternis. Ein rechter Weg war nur schwer auszumachen im Säulenmeer<br />

Dûnkwaldens. Dicht an Dicht drängten sich die wuchtigen Strunke und ragten<br />

gewaltig in den Himmel hinauf. Gleich einem Irrgang folgte Baum auf Baume und<br />

verwehrte dem Wanderer die Sicht auf den nahenden Waldesrand. Wie die<br />

Gefährten dort wandelten hub Òrkven zu Tosen an, rauschte mahnend durch das<br />

Astgewirre und fegte eisig über ihre Häupter hinweg.<br />

Stark zerrte des Sturmherren Atem an den Wipfeln der Dunkbuchen so das rings<br />

um die Gefährten her, ein Blätterregen hinabrauschte. Lèfule zog seinen Umhang<br />

fester um den frostigen Leibe um sich vor der Sturmgewalt zu schützen.Vom<br />

Feldzug ausgezehrt, vom Schrecken geplagt kamen sie nur mühsam voran.Doch<br />

abermals war ihnen Schutz zuteil, der dem lichten Sylfìen Lugtann entsprang. Die<br />

Nurnìn liessen das Fatumschiffchen tanzen und flochten geleitendes Garne in des<br />

Jünglings Schicksalsteppich mit ein. Sodann schwindete Òrkvens Kraft und befriedet<br />

zog jener <strong>von</strong> Dannen.<br />

33


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Alsbald lichteten sich die Bäume und sie gelangten zum Waldesrand. Vor ihnen lag<br />

ein Tal das im schattigen Dämmerlicht den Blick auf die schwarzen Mauern einer<br />

Burg preisgab. Sie waren bei der Räudenriedfeste angelangt und jene war umgeben<br />

<strong>von</strong> den übelriechenden, glucksenden Wassern des Quaddenweihers.<br />

<strong>Das</strong> uralte Gemäuer war <strong>von</strong> Schwarzmoos bewachsen und <strong>von</strong> Schattenflechten<br />

umrankt. Die zu allen Seiten welk vom Stein herabhingen. Zum bewachten Tore hin<br />

führte die uralte Räudenbrück. Diese war umhüllt <strong>von</strong> Trügerschwelen dem: „ Fürs<br />

Auge des Gehers dichten und fürs Auge des Spähers lichten“- Nebelgarn<br />

Beronìens. Zwei Türme erwuchsen dem Grund und ragten hoch ins abendliche<br />

Gestirn hinauf. Um sie herum flogen unablässig Rùdruìn und seine Paladine, nach<br />

dem Eindringling Ausschau haltend, der Ogeròtts Harùghieben entkommen war.<br />

Die Feste wurde auch „die Schauerhafte“ genannt, denn niemand der sie je betreten<br />

hatte kam unversehrt wieder heraus. In den Untergewölben reihten sich die<br />

Verliese aneinander und viele ehrbare und weniger ehrbare Endorìaner fanden dort<br />

unter quälender Folter ihren sicheren Tod.<br />

Manch einer wollte da eine schlimme Tat rächen. Denn oftmalig fielen die Alberiche<br />

über Dörfer und Städte her um Hab und Gut der unbescholtenen Bürger zu plündern.<br />

Manch einer wollte sein Gute zurück, das Albeon beim Handel arglistig<br />

ertauschte. Und so manch unbescholtener Wandersgeselle, der sein Abenteuer<br />

suchte, war im Säulenwalde aufgelesen und fand unverhofft sein jähes Ende.<br />

Im Fürstenturm<br />

Lèfule und Fìndegìl hielten sich geduckt und harrten im Schutz des Unterholzes<br />

aus, bis die kreischenden Späher zur Ruhe gekommen waren und sich im Turmesinneren<br />

nieder liessen. Dann zückte der Jüngling sein Schwert und schlich mit dem<br />

Helferswichtel zum Rand des Quaddenweihers.<br />

Ungesehen durchstakten sie die niederen Wasser und hielten horchend inne, wenn<br />

dann und wann ein Falgtöllpler zu Krächzen anhub. Es schien als ob niemand ihre<br />

Gegenwart bemerkte. Derhalben schwangen sie sich lautlos auf die Brücke und<br />

schritten verhalten dem Tore entgegen. Doch sie waren nicht weit gekommen als<br />

plötzlich eine rauhe Stimme im schwelenden Dunkel erklang. Guin und Gampìl, die<br />

Festenwacht, saß beim Tor im Fackelscheine leerte Methumpen um Methumpen<br />

und hub ihre Krüge auf die ruhmreiche Bezwingung des Zwergenheeres. Doch alsbald<br />

vernahm ihr waches Ohr Tritte, die <strong>von</strong> der knarrenden Räudenbrücke kamen<br />

und so sprangen sie auf und hielten die Fackeln suchend in die Finsternis.<br />

34


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Da zückte Fìndegìl Bùttrùten und beschwor den Blendezauber bis die Spitze der<br />

Rute zu leuchten begann als wäre sie aus purem Golde. Danach huschte er flink an<br />

den Wächtern vorüber und entschwand im nahen Gebüsch.<br />

Die Räudenwacht war <strong>von</strong> einfachem Schlag. Raffgierig bis ins innerste Mark und<br />

süßem Met erheblich zugeneigt. Nun, da ihr Verstand vom Gerstensaft getrübt war<br />

konnten sie faulen Zauber nicht durchschauen. Da half ein wenig Gefunkel und sie<br />

stoben wie die Elstern da<strong>von</strong>. Der Blendezauber entfaltete seine Macht und die<br />

törichten Trunkbolde stürzten dem lockenden Glanz, in der Hoffnung es sei ein<br />

Wandersgesell kleinerer Gattung der Goldstücke mit sich führte, nach. Lèfule indes<br />

war zum Tor geschritten und entwich durch einen Spalt in den finsteren Innenhof.<br />

Schatten, in schwarze Gewänder gehüllt, drängten über grobes Holzwerk auf und<br />

ab, daß die schartigen Mauern der Burg <strong>von</strong> innen her säumte.<br />

Scharf waren der Höfer Augen, die aus den Tiefen ihrer Kappen funkelten den<br />

Schleier der Nacht zu durchforsten. Achtsam war ihr Tritt wie sie beiläufig über den<br />

Hofe eilten. Der Jüngling verharrte unter einer der Steigen und er tat gut daran.<br />

Albeons Wacht war in ihrer Raffgier bestechlich und doch war sie im gleichen Maße<br />

eine unverkennbare Gefahr für jeden, der sich ungesehen in die Festung schlich.<br />

Ab und an näherten sich die düsteren Gestalten und Lèfule erspähte mit wachsendem<br />

Unbehagen die markigen Hände, die allseits bereit, spitze Dolche hielten.<br />

Dieser Anblick liess ihn erschauern denn es dämmerte ihm, dass jene geschliffenen<br />

Klingen mit einem unerwünschten Fremdling keine Gnade kannten. Allenfalls<br />

die Gnade eines geschwinden Todes.<br />

So verharrte er dicht an einen Balken gedrängt bis die dritte Wacht vorübergeschritten<br />

war. Dann löste er sich aus dem Dunkel und lief so schnell ihn seine Beine trugen<br />

hinüber zur zweiten Turmespforte. Dort angelangt presste er sich mit aller<br />

Leibeskraft gegen das schwere Holz bis jenes den Weg freigab.<br />

Kaum das er im Inneren des Turmes war befielen Lèfule arge Zweifel, ob er den<br />

Richtigen erwählt hatte. Er verwarf diesen Gedanken jedoch wieder und versuchte<br />

auf sein Glück zu vertrauen. So beschritt er die vielhundert Steige auf der Suche<br />

nach Albeons Gemach. Stufe um Stufe hatte er überwunden, steil führte der<br />

Anstieg zur Turmspitze herauf. Kalt pfiff der Wind durch die Gauben, so das manch<br />

eine der Fackeln, die den Weg säumte, unversehens erlosch. Noch immer hielt<br />

Lèfules Hand das Schwert umschlossen. Mut und Angst erfüllten gleichermaßen<br />

sein glühendes Herz. Geriet er in die Fänge der Alberich stünde es schlecht um<br />

Leib und Leben.<br />

Höher und höher führten ihn die Stiegen. Zzweihundert an der Zahl hatte er erklommen<br />

und zusehends schwanden seine Kräfte. Keuchend sank er auf der steinernen<br />

35


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Treppe ins sich zusammen und eine bleierne Müdigkeit übermannte ihn. Seine<br />

Glieder waren steifgefroren. Seine Füße wund und <strong>von</strong> Schwielen übersaät. An seinen<br />

Händen klebte Ogeròttens schwarzes Blut.<br />

Aufeinmal durchzuckte ihn ein schneidender Schmerz und er gewahr den Wunden<br />

der Geschoße die ihn selbst gestreift hatten im wilden Schlachtgetümmel. Vor seinen<br />

Augen tauchten die Schreckensbilder unversehens wieder auf: Der Marsch gen<br />

Beronìen; der unverhoffte Angriff und das geschlagene Zwergenheer. Der Mut verließ<br />

ihn und er sehnte sich nach Ruhe. Nach einer moosenen Lagerstatt und<br />

süßem Harfenspiel unter einem befriedeten Himmelszelt.<br />

Wie er an Fìnua dachte war es ihm, als höre er ganz deutlich jenes sehnsuchtsvolle<br />

Klingen direkt an seinem Ohr. Er blickte um sich und ganz plötzlich schwang sich<br />

ein weißes Täublein auf das Gesimse und ließ sich anschließend in Lèfules Schoß<br />

nieder.<br />

<strong>Das</strong> Täublein war Tròna der Nurnìnen Botin aus dem lichten Sylfìen Lugtann. Sanft<br />

blickten ihre Äuglein Lèfule an und gleich einem zarten Klingen entfuhr ein leises<br />

Gurren ihrer Kehle. Dann flatterte sie lautlos empor und hieß dem Jüngling ihr zu<br />

folgen. Ein wenig Hoffnung keimte da in seinem Inneren auf. Auf den Griff seines<br />

Schwertes gestützt hievte er sich mit letzter Mühe hoch und folgte gebeugt dem<br />

Echo der sanften Schwingen. Es schien ihm als brächte das Täublein ihn zum rechten<br />

Ort.<br />

Gleich einer Spirale wand sich die Steige durch den Turm. Lèfule schleppte sich<br />

voran und seine Finger gruben sich <strong>von</strong> Stufe zu Stufe fester in die eiskalte<br />

Turmmauer. Sein Körper brannte und seine Lider wurden schwer. Wie ein Blinder<br />

zwang er sich voran und endlos erschien im die Zeit in der er den Turm zu erklimmen<br />

versuchte. Schließlich erreichte er, gekrümmt vor Erschöpfung, das oberste<br />

Geschoß Lèfule griff nach der letzten Fackel und leuchtete in die Dunkelheit hinein.<br />

Vor ihm war eine Pforte die mit einem Herrschaftssiegel verziert war. Da wußte er,<br />

das seine Hoffnung rechtbehalten hatte. Er war bei Albeons Stätte angelangt. Und<br />

diese Gewißheit liess neue Kraft in ihm erstarken.<br />

Er öffnete die schwere Tür und betrat das Gelaß. Sowie er sich umblickte erschollen<br />

unversehens Stimmen und Hufgeklapper vom Innenhof her. Der Fürst und seine<br />

Dienerschaft waren vom Schlachtfeld heimgekehrt.<br />

Lèfule blickte eilends um sich und wußte nicht recht wohin er seinen suchenden<br />

Blick richten sollte. Da flog Tròna auf eine Eichentruhe, die sich am Fuße der mit<br />

Bärenfellen ausgelegten Lagerstatt Albeons befand. Lèfule trat sachte an die Truhe<br />

heran. Sie war mit einem schweren Eisenschloss verriegelt. Zwei Aaren deren<br />

Krallen einen Ring formten hielten das mächtige Schloss umschlossen. In dem Ring<br />

36


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

stakte ein Keil der eine halbe Elle lang war und bis zum Boden hin reichte.<br />

Lèfule schritt zur Truhe und hub mit dem Schwert darauf ein. Doch wie Evenàrs<br />

Klinge auf den Keil traf, begann es in den Augen der Aaren zu funkeln.Mit bloßen<br />

Händen versuchte er nun den Zauberpflock zu lösen. Aber die Aaren neigten ihre<br />

Köpfe bis ihre Mäuler den Keil erreicht hatten. Dann hakten sich die scharfen<br />

Schlunde an dem Eisen fest. Wie sehr der Jüngling sich auch mühte, wie sehr er<br />

auch zerrte und stanzte, keine Macht hätte es vermocht des Fürsten Truhe zu öffnen.<br />

Lèfule setzte alles daran den dunklen Zauber zu bannen, bald jedoch schmerzten<br />

seine Hände so stark das er schließlich <strong>von</strong> seinem Unterfangen abließ. Entmutigt<br />

sank er nieder und spürte unversehens eine rythmisch aufeinanderfolgende<br />

Erschütterung des Bodens. Etwas näherte sich... .<br />

Da flog das Täublein auf seine Schulter und ließ einen glimmenden Span in seine<br />

rechte Hand fallen. Der Span barg in sich Anèlors Flamme, einem Haar aus der<br />

Mähne des Sonnendrachen. Wie er den Span an die Schließe hielt, gaben die<br />

Aaren, den Ring frei denn zu mächtig war der Urazauber. Sodann löste sich der<br />

Riegel knarrend und der eiserne Pflock zerbarst in tausend Stücke.<br />

Lèfule fand in der Truhe das Linnensäcklein, das man ihm dereinst geraubt hatte.<br />

Und als er das Linnensäcklein öffnete lagen dort unversehrt Vììlanìk der<br />

Zauberstein und Aìnuk die Heilerwurzel.<br />

Der Jüngling barg hastig die Gaben aus den Caladgralen. Doch als er zurück zur<br />

Pforte schritt um schleunigst zu verschwinden, gewahr er schwerer Tritte und einer<br />

Vielzahl an Stimmen auf dem steinernen Flur. Albeon kam vom Festmahl zum<br />

Gelaß heraufgeschritten. Etwas mahnte ihn nach dem Rechten zu schauen, da der<br />

Feind entkommen war. Und Recht behalten sollte sein listiges Gemüt.<br />

Lèfule indes wich <strong>von</strong> der Pforte zurück und Angst verursachte ihm Schauer und<br />

Fieber. Da flog das Täublein abermals auf und wies mit dem Köpfchen zur<br />

Eichentruhe. Dort entdeckte er wie <strong>von</strong> Zauberhand einen samtenen Umhang:<br />

Naglafòr, das Gralsgut der Alberiche. Wer diesen Pelerin an sich trug blieb selbst<br />

den Augen eines Riesengreifs verborgen. Albeon diente das Gewand bei seinen<br />

schmählichen Hehlereien. So blieb er wohlbehalten wenn er und seine Schergen<br />

ihrem räuberischen Handwerk fröhnten.<br />

Lèfule warf den Umhang über sich und gerade in diesem Augenblick beschritten<br />

der Alberichfürst und seine Gesellen das Gelaß. Als die schrecklichen Augen<br />

begannen jeden Winkel der Statt zu durchkämmen war der Jüngling bereits die<br />

Stufen, so schnell ihn seine matten Füße trugen, hinabgeeilt. Von Draußen her<br />

37


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

erscholl das Kreischen der Späher, die ein Unheil ahnten. Von Drinnen heraus<br />

erscholl ein wehklagendes Geheul denn Guin und Gampìl wurden flinkerhand für<br />

ihr einfältiges Vergehen geahndet.<br />

Albeon selbst war scheußlich hinters Licht geführt worden. Er haderte und tobte. Da<br />

wußte er nicht wie schrecklich es um ihn stand. Denn Gàràmakk fühlte sich vom<br />

Fürsten Beronìens betrogen. Man erzählte demselben wie arglistig und unehrbar<br />

jener gewesen war und die Avanan witterten heimtückischen Verrat: Ogeròtt war<br />

tot; das Ungorheer geschrumpft; der Auserwählte wohlauf an Leib und Leben; das<br />

Gralsgut zurückerobert. Dies schienen Gàràmakk bedeutsame Unterpfande für<br />

Albeons teuren Betrug. Derselbe sollte ein schlimmes Ende finden, in den<br />

Folterkammern <strong>von</strong> Emyth Dorhàn, den grauenvollen Verliesen der Avananfeste.<br />

Drudenthing auf dem Schutterbühl<br />

In den durchwachsenen Tiefen des Dakbundelhorst tummelte sich allerlei verdarbtes<br />

Hexenvolk, das hoch im Astwerk der Knorrborktannen siedelte. Im dämmernden<br />

Zwielicht krochen sie <strong>von</strong> den Wipfeln herab und auf ihren krummen Rücken trugen<br />

sie Tiegel; Schöpfkellen; Kelche und Säcke die mit allerlei Zaubergehölz gefüllt<br />

waren. Hutzelige Gestalten humpelten über den wuchernden Waldesgrund und<br />

strömten vielerorts aus dem unwegsamen Dickicht zum heiligen Schutterbühl. Dem<br />

Versammlungsplatz der schwarzen Druden.<br />

Der Schutterbühl lag inmitten des Tannicht und war ein Hügel der <strong>von</strong> wilder<br />

Nadelrinde gesäumt war. Flechten zogen sich beidseitig zur Bühlspitze hinauf. Dort,<br />

wo viele Zauberfeuer den Boden geschwärzt hatten und die Luft durchwalgt war<br />

<strong>von</strong> Ruß und einem eigentümlichen Gestank.<br />

Einmal im Jahr, wenn die Winterstürme über das Land hinweg brausten und gewaltige<br />

Blitze die Feuer entfachten, trafen sich die leidigen Hexen und huldigten dem<br />

Schattenvater Dhurandòrs. Oftmals boten sie Dûnkelrìven dabei ihre Dienste an<br />

und vielmalig waren diese wirkungsvoller als jede gewonnene Schlacht. Denn<br />

Hexenzauber ist wie eine Schlinge, die sich verstohlen ausgelegt im rechten<br />

Moment zusammenzog. Für die Avanan war die Zeit gekommen den Drudenrath zu<br />

befragen und der Mond stand günstig für tückisches Hexenwerk.<br />

Ganz Dakbundel war auf den Beinen. Es herrschte ein reges Getümmel. Alles<br />

drängte zur Thingstätte hin die im Herzen des Waldes lag.<br />

Bucklige Wesen huschten emsig hin und her: die Feuer zu schüren; die Tiegel zu<br />

erhitzen; die Wurzeln zu schroten. Modertrolle stapften <strong>von</strong> Dannen Wasser herbei-<br />

38


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

zuschaffen das sie aus dem trüben Naß des Trugtümpels schöpften.<br />

Als die Feuer geschürt; die Tiegel erhitzt; die Wurzeln gemahlen waren; die Wasser<br />

brodelten und spuckten; kehrte Ruhe ein auf dem Schutterbühl. Ravnìk, die oberste<br />

Seherin des Drudenreiches, trat hervor und schritt gebeugt, wie es Hexen einst<br />

taten, zum Hohefeuer das auf der Bühlspitze loderte.<br />

Ihr Flickenumhang flatterte im zerrenden Wind und das verwehte Haar offenbarte<br />

ihr scheußliches Anlitz das <strong>von</strong> Pocken und Narben bedeckt war. So gräßlich wie<br />

ihre Gestalt so garstig war ihr Wesen. Die Seherin galt als verschlagenes Weib dessen<br />

Inneres <strong>von</strong> Raffgier und Boshaftigkeit zerfressen war. Ravnìk starrte in den<br />

eisernen Tiegel und beschwor die Zauberwasser preiszugeben was Dûnkelrìven<br />

begehrte:<br />

„ Il agdarèn, ìl tebìn. Il vanàr, kràtokk nìg sèffìn.<br />

Retkìs, algrìs ù tànnan. Selgùr hevìtt Rìvellàn.<br />

Tùva Fèlras tì hagùl. Olnùk gràva Drudìs Buhl.<br />

Àlvnìg yhdàk, kùrkìs Èwe. Hevìtt quèga ùtìs Lève.<br />

Ù Idàl tìs Trollìnga. Ò evìk margìs mordèma.<br />

Igràl ùkven, gundràl vakìs. Quèga ìs Aràngà sakrìs.<br />

Igràl Dùnklla àkovìsen. Wàvàn tùrso Dàklla Rìven.<br />

Seherschwelen ziehet auf, sagt was Euer Aug erblickt. Offenbart dem<br />

Hexentannicht, welch Botschaft Rivenlande schickt. Oh, Ihr Mächte tuet kund, eint<br />

Euch auf dem Schutterbühl. Gesellt Euch hin zum Drudenrath, sagt welch Begehr<br />

Euch zu uns führt.<br />

Einst schwor Ràvnìk ewige Treue, dem selg‘en Zaubrer Vàdànakkes.Dem die elend<br />

Uraelben, nach dem Leben bald getrachtet. Da fielen ein in Trollingen Idànìsens<br />

Schützenhorden. Den edlen Herrn der Avanan mit garstiger Tücke zu ermorden.<br />

Nun ist der Dunkler Zeit gekommen, den Gewesenen zu rächen. Und die Macht der<br />

Wavan Frevler denn auf immerdar zu brechen.<br />

Als Ravnìk die Brombeerwurzeln in die Wasser mischte, erschütterte ein Beben den<br />

Schutterbühl und krachend zog vom Norden her ein mächtiges Gewitter heran.<br />

Alsdenn blickte sie in den schwarzen Tiegel und jener verhieß ihrem unsichtbaren<br />

dritten Auge was sich zugetragen hatte. Dûnkelrìven sandte ihr die Zeichen das<br />

Gàràmakks Pläne zu scheitern drohten. Jener war auf ihren listigen Rat angewiesen.<br />

<strong>Das</strong> alte Weib erschauderte vor Abscheu als sie das Bild eines Jünglings im<br />

Wasserspiegel sah, den die weißen Nurnìn als Heilsbringer auserwählt hatten:<br />

„ Utìs okrìd vay Lèfùle. Vanàr turdàl eìlawùre.<br />

39


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Igràl ìs Urdìla paàgna. Sylfè Lùgtann ìkem ràfna.<br />

Vaylà tùrso kràvàtokk. Tìha feljèn Ìsaglokk.<br />

Ù mìnnàme òt gàtùva. Ù Lefùl òdra Fìnùa.<br />

Margìs, bùndra uthèn Drìse! Ùkayàkìs trùdìk Fìnìe.<br />

ùtìs Akìn Stenìgshìve tì à Lèfùle mordìse!“<br />

Hütet Euch denn Lèfulaìse, der da stolz umhergeblickt. Den Urdìnen auserwählt,<br />

den da Schicksalstann geschickt. Unheil droht dem Menschensohne, der da kam<br />

aus Igrìmlore. Der da ging nach Zwergenheim, Fàrnukks Not sich zu erbarmen.Den<br />

im regen Schlachtgetümmel zarte Minne tat umgarnen. Noch immer harret Akìnan,<br />

dereinst Hüter lichter Grale. Wittert Lèfulaìses Fährte, wird dem Jüngling bald zur<br />

Plage. Rìvner, tut Euch eiligst einen mit den Steinbruchshöher Riesen. Geraubt sei<br />

denn das Zwergenweib, schafft Fìnua zu Bùgdrìsen. Lockt den unbedachten Feind<br />

durch den Raub nach Steinbruchshorten. Aus dem dunklen Hinterhalt sollt Akìnan<br />

ihn denn ermorden.<br />

Die Dakbundhorster hatten still verharrt, bis Ravnìk die letzte Formel gesprochen<br />

hatte. Dann griffen sie nach den Holzscheiten, zogen sie aus den Feuern und<br />

hoben sie jubelnd empor.<br />

Die Seherin fuhr mit der Hand durch die kochenden Zauberwasser und warf allerlei<br />

Gewürze hinein, bis das Gebräu blutrot gemischt war. Danach schöpfte sie das<br />

geheime Wurzelblut in einen Krug und warf eine Botenrune hinzu. Schließlich wies<br />

sie Wargìs, Dakbundels Schnellfußgesandten, an die Botschaft nach Dûnkelrìven<br />

zu tragen. So machte sich der riesige Grauwolf, den Krug im Maule eilend auf den<br />

Weg, denn Gàràmakk wartete schon voller Ungeduld. Doch lang hat sein Warten<br />

nicht gewährt, denn mit der Morgendämmerung erschien der Warge auf der eisernen<br />

Zackenbrücke der Höllhagfeste.<br />

Raub der neunten Fàrnukktochter<br />

In Zwergenheim, offenbarte das fahle Sonnenlicht einen verwüsteten Mischehain,<br />

eine verschüttete Grube und ein niedergebranntes Evenàr. Die Bäume waren<br />

umgestürz. Die Wasser des Schmiedbächleins führten allerlei verzweifelte Wehr<br />

und floßen als ein rotes Rinnsal, trostlos <strong>von</strong>dannen. Der Zwergen Häuser waren<br />

zertrümmert. Hab und Gut geplündert.<br />

Rauch schwelte dort wo einst der dumpfe Klang der Hämmer erscholl. Stille umgab<br />

den Platz wo die Gesänge erklangen. Blut durchtränkte den Grund wo einst der<br />

Honigwein geflossen war. Ausgerottet war alles friedfertige Schaffen und Sein. Über<br />

40


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

dem einst so blühenden Zwergendorf webte der unheilvolle Hauch <strong>von</strong> Tod und<br />

Vergeltung.<br />

Es trug sich mit dem ersten Abendstern zu das Khùrodal und Haldùrik, Bùgdris<br />

Ygdonknappen, aus Dàrvenhohe gekommen und über den Mischehain hergefallen<br />

waren. <strong>Das</strong> Beben ihres Schrittes hatte die wenigen Zwerge aus den Häuschen<br />

getrieben.<br />

Ygdonriesen waren aus groben Felsgestein beschaffen und wurden dereinst vom<br />

bösen Rìvner Vàdànakk, dem Gàràmakk zu Zeiten der Lichterkriege treue ergeben<br />

war, gemeißelt und beseelt. Sie hausten im nördlichen Spaltergebirge in der Ebene<br />

<strong>von</strong> Gràn-Dhûr und pflegten in den Tiefen des gewaltigen Grandhìsberges ihre<br />

Heimstatt. Ygdonier waren gräßliche Wesen, die einzig erschaffen wurden um<br />

Schrecknis zu verbreiten. Sie waren auch als Wurfriesen bekannt, da es ihnen innewohnte<br />

sich im Streite mit Felsbrocken zu bewerfen. Sie waren Meister darin<br />

Unfriede u nd Aufruhr zu stiften und jener der sie aussandte mußte ein äußerst<br />

böser Schurke gewesen sein.Es war Gàràmakk selbst gewesen der nach Ravnìks<br />

Weissung die Bruderschaft mit Bugdris, dem König der Ygdonier, eingegangen war<br />

und ihm viel an Gold und Edelsteinen gegeben hatte. Kaum das er die hölzerne<br />

Rune des Drudenrathes entschlüsselt hatte, sandte er Krafadùn zu Bugdrìsfeste<br />

und bald horteten Dûnkelrìvens Schätzer Kiste um Kiste reinen Goldes so wie es<br />

Bugdris verlangte.<br />

Jener König schickte sodann seine furchtbarsten Knappen gen Zwergenheim, die<br />

neunte Tochter des Fàrnukk zu suchen und nach Dàrvenhohe zu bringen. So wie<br />

es der düstere Pakt vorsah. Die Fàrnukkwichtel waren abermals vom Unheil überrascht.<br />

Kaum gerüstet suchten die letzten Mannen ihre Heimat zu verteidigen und<br />

fochten um Gut und Leben. Doch Riesen waren allzu groß für diese kleinen Leute<br />

und ohne die schützende Kraft ihres Gralsgutes in windeseile bezwungen. Zu<br />

mächtig waren der Riesen Tritte; zu wuchtig ihre Hände; zu stumpf und böswillig ihr<br />

Geist.<br />

Khùrodals Finger gruben sich durch die Büsche und zerquetschten alles was dort<br />

um Schutz ringend hockte. Haldùriks Hand zerschlug die Dächlein und durchwühlte<br />

die Stätten um zu schauen was sich darin befand. Die Augen der Knappen glotzten<br />

furchterregend umher um die schöne Fìnua im Gewimmel auszumachen.<br />

Nachdem viel Leben zerquetscht und viele Häuser zerschlagen waren, fanden sie<br />

schließlich das arme Zwergenweib hockend unter Evenàrs Herrschaftswurzel.<br />

Khùrodal hob sie wie eine Feder auf, legte sie auf seine Hand und schloss die<br />

Finger. Fìnua selbst wehrte sich soweit ihre Kräfte es zuließen. Sie trommelte mit<br />

den Fäustchen gegen die wuchtigen Glieder aus Stein. Sie fiel in die Handfläche<br />

41


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

zurück, rappelte sich <strong>von</strong> Neuem auf und blickte durch die Ritzen zum letzten Mal<br />

auf den rauchschwelenden Mischehain. Voller Gram fasste sie sich an ihr kleines<br />

und doch so großes Herz wie sie tief unter sich die gelichteten Wipfel ihrer Heimat<br />

vorbeiziehen sah. So ergab sie sich schließlich ihrem grauenvollen Schicksal und<br />

kauerte sich in dem Käfig zusammen aus dem es kein Entrinnen gab. Sodann stapften<br />

die Ygdonier zurück ins Spaltergebirge und Zwergenheim war der Ödnis preisgegeben.<br />

Derweilen setzte das Mischehainvolk über ins lichte Halwenìr und wurde <strong>von</strong> Elral,<br />

der Uraseelen Hüterin, empfangen. An jenem wundersamen Ort herrschte immerwährender<br />

Friede und der Zwergen Geister liessen sich nieder, die Leiden ihres<br />

geendigten <strong>Das</strong>eins zu vergessen. Seither war kaum ein Fàrnukkwichtel in Endorìn<br />

je wieder gesehen. <strong>Das</strong> kleine Volk im Eìnantal, das aus diesem Geschlechte übrigblieb,<br />

weilte fortan im Verborgenen. Und wagte es, der Überlieferung nach, nie wieder<br />

ins Licht hinauszutreten. So lebten seine Nachkommen in Abgeschiedenheit.<br />

Tief unter der Erde, in den Silbermienen des Büttelberges.<br />

Hoherat im Hause Erìndals<br />

Im fernen Elwenas Irdaìne, nahe der Flüsterfälle lag Mìrìth Gìlad die Stadt der<br />

Uraelben. Diese Stätte war der lichteste Ort Endorìns und nur Wenigen war das<br />

Glück beschienen sie zu erblicken. Hier war der Friede allgegenwärtig und keine<br />

düstere Macht hatte je die Grenzen überschritten. So stark war die Kraft des alterslosen<br />

Volkes, das auserwählt war Asarangs Wavanweisen vom Anbeginn der<br />

Jahrtausende dienlich zur Hand zu gehen.<br />

Die Lichteren waren ein friedliches Volk, dem eine besondere Gabe für prächtige<br />

Kunst innewohnte. Sie sangen die Schönsten aller Weisen mit glockenkarer<br />

Stimme. Sobald der Sonnendrachen dem Horizont entwich und die Holzfeuer entzündet<br />

waren, hallte ihr Klang über die Berge und Täler hinfort und jener dem die<br />

Gabe zuteil war, die Lieder zu erlauschen, vergaß Kummer und Not um sich her.<br />

Tief unten im Daìntal, im Hause Erìndals dem Elbenkönig, saßen Aldraìs der erste<br />

Bogenschütze und Idanìs der Rechthüter und hielten Rat.<br />

Schatten hatten sich ihres Gemütes bemächtigt denn Asarangs Hochstand hielt<br />

sich lang schon bedeckt und sandte keine Zeichen hin nach Gìladstadt. Eine<br />

schlimme Ahnung keimte da in Idanìs Herzen auf. Es schien ihm als wenn der<br />

Horizont sich verdunkeln täte. Als wenn ein trügerischer Schleier über der<br />

Hochzauberer Gwydionhaine schwelte. Als wenn Dûnkelrìven zu neuen Kräften<br />

42


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

gekommen wäre und die Zeit nahte in der es galt der Avanan Macht abermals zu<br />

bannen.<br />

Unversehens walgten große Schatten heran und Dùnedìl, der Gesandte<br />

Ardenwìns, kam mit mächtigen Schwingschlage herabgeeilt.Dùnedìl enstammte<br />

dem Geschlecht der Riesengreife, die die Gebirgsketten Endorìns beherrschten<br />

und auf Oàrghànd, dem höchsten aller Berge ihre Heimstatt pflegten.<br />

Der mächtige Greif liess sich auf dem Altan <strong>von</strong> Erìndals Herrschaftskaste nieder.<br />

Sowie er die Schwingen gerichtet hatte, verneigte er sich tief und fing eigentümlich<br />

zu schnarren an:<br />

„Gruß Euch, edle Lichtgestalten. Segen dem Weisen Erìndal. Ich bin gekommen<br />

mich hinzu gesellen zu der Lichteren Hoherat. Der Greifer König Ardenwìn auf der<br />

Spitze bei Gìlandhòrten, hat da erspäht im Dämmerlicht der Avanan Cuivethhorden.<br />

Böses hat da sein Ohr erlauscht als sich die Krähen ihm genähert. Im Hochstande<br />

webt der Zauber Rìvens, der den Blick der Meister verklärt.<br />

Gàràmakk hat sich aufgemacht Endorin an sich zu binden. Sich an jenen zu<br />

rächen die Ihm einst raubten die Macht. Unsere Zeit beginnt zu entschwinden. Bald<br />

sollt geendigt sein Adawanens Geschick, denn Rìvenland lässt ihn morden.<br />

Gerichtet sollt sein der Hochgutsweis der den Rìvner verbannte vom Gwydionhain.<br />

Mit dem Tode des unguten Vàdànakk ward der Dunkler zum Fürsten geworden.<br />

Vieles tat sich ereignen nun, viel an Leides ist geschehen. Fàrnukks Schahren sind<br />

auf immer fort. Elend tats ihnen ergehen. Eine edle dennoch verlorene Schlacht tat<br />

zehren an ihren Kräften. Da überfielen Ygdonier den Mischehain, nach des Rìvners<br />

Weissung brachten sie Pein, den Tod Ogeròttens zu rächen. Die bösen Mächte<br />

einen sich Endorìen ins Dunkel zu stürzen. Rìvens Schatten sind ausgezogen,<br />

Gutes und Lichtes zu würgen.<br />

Doch jäh glimmt ein Licht in der Dunkelheit, gibt Hoffnung in dieser düsteren Zeit.<br />

Ein Jüngling wurde ausgesandt die Lichterland zu wahren. In seinen Adern fließt<br />

Bartubs Blut, der einst trotzte allen Gefahren. Er ist nicht weit <strong>von</strong> Mìrìth Gìlad, er<br />

irrt mit seinem Gefährt. F`nua zu suchen, die da wurde geraubt entschlossen führt<br />

er das Schwert. Auf seinen Schultern ruht die Bestimmung das Unglück abzuwenden.<br />

Suchet den Andrìr und führet ihn her, er gehe uns sicher zu Händen.„<br />

Als Idanìs dies vernommen hatte zögerte er nicht lang. Sogleich wies er einen<br />

Knappen an den Elbenkönig zu unterrichten, wie es um die Lichterlande stand. Sein<br />

Herz hatte ihn nicht getäuscht wie ihn düstere Gedanken plagten.Doch da gab es<br />

keine Zeit zu hadern, die lichte Welt mußte Dûnkelrìven am Wiedererstarken hindern.<br />

43


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Obschon die Elben ein gütiges Volk gewesen sind, so waren sie doch ein kämpferisches<br />

Geschlecht, das viele tausend Jahre lang allem Bösen getrotzt hatte. Wann<br />

immer Schatten aufzogen, zogen sie in die Schlacht um jene die sie aussandten zu<br />

vertreiben. Nun war es abermals an der Zeit die Bògner, das elbische<br />

Schützenheer, zu rüsten. Sodann sandte des Hochstands Rechtshüter den Eilboten<br />

Ilìgan ins Gwydiontale auf das Adawans unglücksseliges Schicksal abzugewendet<br />

werde. Aldraìs, Daìntals flinkester Schütze, wurde ausgesandt Lèfule in den<br />

Wäldern die die Flüsterfälle umrahmten zu suchen und nach Mìrìth Gìlad zu geleiten.<br />

Alle Hoffnung ruhte auf dem unbedarften Menschensohn in dessen Hand nun<br />

Endorìns ungewisses Schicksal lag.<br />

Esragùls Heimkehr<br />

Zu jener Zeit begab es sich das Esragùl der Gütige beim Silberberg angelangt war.<br />

Weit war er gereist denn Jahr um Jahr zog er aus zu schauen ob Licht und Schatten<br />

im Ebenmaße wirkten. Da ritt er auf seinem Argùlendrachen am Horizont dahin und<br />

vielmalig liess er sich in Städtlein und Dörfchen nieder um den geplagten<br />

Caladwesen helfend zur Hand zu gehen.<br />

Der alte Zauberer war Adawans Meister und sein engster Vertrauter zugleich. Lang<br />

schon gebot er dem Wavan Beistand und Rat in schweren Zeiten. Esragùls <strong>Das</strong>ein<br />

währte viele tausend Jahre und seine Weisheit war den Wavan dienlich bei so<br />

manch argem Verhängnis in der langen Geschichte der alten Welt.<br />

Doch nun war die Zeit gekommen die den Gütigen selbst ratlos stimmte. Vernahm<br />

er doch ein böses Flüstern im Wind, als er Endorìns Gestirn umritt: Da drang an<br />

sein Ohr das Echo einer greulichen Schlacht wie er Beronìen streifte. Da sah er<br />

Feuer und Blitze im Dunkel des Drudenwalds erglimmen. Da spürte er ein mächtiges<br />

Beben wie er sich Zwergenheim genähert hatte. Und über Dûnkelrìven kreisten<br />

Späher, die gleich einer schwarzen Wolke gen Asarang zogen. Die Sorge war es<br />

die Esragùl mahnte unverzüglich zurückzukehren.<br />

Ein düsteres Ahnen ergriff ihn, wie er Cèragon zur Eile antrieb. Und jener feurig rote<br />

Drache jagte so schnell wie er es nur vermochte am weiten Himmelszelt entlang:<br />

die Schwingen schlagend; die Nüstern blähend; die Klauen streckend. Esragùl hielt<br />

die Zügel straff und lehnte sich gegen den Wind der schneidig in sein Anlitz peitschte.<br />

Zerzaust und durchfroren landeten sie schließlich auf Andulìns schneebedeckter<br />

Kuppel, die majestätisch ins Abendlicht hinauf ragte.<br />

Der Gütige glitt erschöpft vom schuppigem Leib seines Argùlendrachen hinab und<br />

44


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

ließ ihn rasten. Er selbst riß sich die Kapuze seines weißen Gewandes vom Kopf,<br />

holte tief Luft und machte sich auf Mìral, seinen Zauberstab, gestützt auf zu<br />

Asarangs Glockenpforte. Beschwerlich war der Abstieg doch der Alte überwandt<br />

Kluft für Kluft und wanderte im Dämmerlicht durch die Farnheide, die die Ausläufer<br />

des Berges säumte.<br />

Mit dem ersten Abendstern erreichte Esragùl schließlich den Ròghanàn, der in der<br />

Ebene <strong>von</strong> Arangìs lag. Der Ròghanàn war ein klarer See der sich weit ins<br />

Gwydiontal erstreckte. Seine Wasser waren tief als wie die Weisheit und der Friede<br />

der an jenem Ort herrschte. Weishauber bewachten den See der zum Hochsitze der<br />

Wavan führte. Sie lebten am seichten Ufersrand dort wo die Zwirbelwellen blau<br />

schimmerten bevor sie aufs Land glitten.<br />

Esragùl betrat den eisernen Steg der zum Wasser hin führte und wartete auf die<br />

Rhòganàn Hüter auf das sie ihm Einlass gewährten und einen Flößer vom anderen<br />

Ufer herüber schickten. Doch wie er im schleichenden Dunkel verharrte, zogen<br />

Nebelschwaden auf und weit und breit war kein Weishauber zu erblicken. Da<br />

beschwor er Mìral, auf das ein Schiffchen angeschwemmt werde mit dem er überzusetzen<br />

vermochte. Die Arìnglohe an des Zauberstabs Spitze erglomm lichte nach<br />

gesprochenem Zauber und schon trieb eine Gondel <strong>von</strong> der Mitte des Sees heran.<br />

Schwerfällig ließ sich Esragùl in die schwankende Gondel fallen. Dann klatschte er<br />

dreimal in die Hände und das Schiffchen trieb eilend zum anderen Ufersrand hinüber.<br />

Bald schon ragten die weißen Mauern der Burgstadt vor ihm auf. Im Abendwind<br />

wehten die Banner und im funkelnden Sternenlicht begann der weiße Stein, aus<br />

dem Herzen der Wüste Morgelàn, zu schimmern. Esragùl blickte mit stummer<br />

Freude auf diese Pracht, lang hat er sein Heim entbehrt. Die Glockenpforte begann<br />

leise zu klingen um vom Ankömmling zu berichten. Doch wie sehr sie auch läutete<br />

und klirrte sie schlug vergebens . . . .<br />

Mit dem ersten Klang der Lautergall erreichten Lèfule und Fìndegìl die Ausläufer<br />

des Undarwaldes. Sie waren dem reißenden Mìrlyan Strom gefolgt der unweit ihres<br />

Lagers in die Flüsterfälle mündete. Sonawìrs Strahlen durchfluteten alsbald den<br />

Elbenforst der sogleich in goldenem Licht erstrahlte und sein tausendgrünes Haupt<br />

stolz in den Himmel reckte. Die Gefährten hatten kaum Rast gehalten und noch<br />

immer offenbarte ihre Erscheinung die Mühen und das Schrecknis vergangener<br />

Tage.<br />

Lèfules Herz erbebte im Zorn wie er immerwieder <strong>von</strong> Neuem an das Geschehene<br />

dachte. Er fand keine Zeit um zu Kräften zu kommen und doch trieb ihn das Bild<br />

des verwüsteten Evenàr voran. Wie er das Unglück schaute da begriff er das böse<br />

45


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Mächte am Werk waren. <strong>Das</strong> ein dunkler Zauber bei Fàrnukks Schmiedestatt gewütet<br />

hatte. Ein Zauber dessen Herkunft und Sinn ihm bislang verborgen blieben. Es<br />

dämmerte ihm das es der Todeshauch der Vergeltung gewesen sein musste, der<br />

das friedliche Dorf dem Erdboden gleich gemacht hatte.<br />

Als ihm gewahr wurde das kein Fàrnukke am Leben geblieben war durchstreifte er<br />

den Hain um nach Fìnua zu suchen. Da fand er bei Evenàrs Herrschaftswurzel der<br />

Zwergin Harfe Ragnatìr doch nirgends konnte er das holde Weib erspähen.<br />

Unverdrossen harrte, er das Kleinod in den Händen haltend, unschlüssig was er<br />

nun tun sollte. Schließlich trat Fìndegìl zu ihm hin und riet ihm gen Mìrìth Gìlad zu<br />

wandern um Rat zu suchen beim alterslosen Volke des Weisen Erìndal.<br />

Nicht lang waren sie dem Arìnyapfad gefolgt, der <strong>von</strong> Gelbdorn und Forsykleien<br />

gesäumt war, als sie plötzlich ein Rascheln vernahmen das im Gebüsch erklang.<br />

Eine Gestalt näherte sich den Gefährten. Da duckte sich der Jüngling und hieß<br />

Fìndegìl es ihm gleich zu tun. Anschließend schlichen sie hinter den mächtigen<br />

Strunk einer Forsye und Lèfule zog stillschweigend das Schwert aus der Scheide.<br />

Just trat ein hochgewachsener Elb aus dem blühenden Niederwald hervor. Seine<br />

stattliche Gewandung liess Lèfule innehalten und seine Hand erstarren. <strong>Das</strong> braune<br />

Haar des Uraelben war zu einem herrschaftlichen Zopf gebunden. Seine dunklen<br />

Augen blickten wachsam und edelmütig zugleich. Über den stolz gereckten<br />

Schultern schwang sich ein prunkvoller Köcher den ein prächtiger Längner kreuzte.<br />

Es war Aldraìs der Bògner, der ausgesandt wurde den Jüngling in den<br />

Undartiefen aufzulesen um ihn gen Mìrìth Gìlad zu führen.<br />

Lèfule senkte das Schwert, gab sich zu erkennen und verneigte sich gleich dem<br />

Fährtenweiser tief vor dem edlen Fremdling. Doch jener schritt auf ihn zu und kniete<br />

nieder, die Hand auf das Herz legend, so wie es die Bògner zum Gruße taten:<br />

„ Aryû ghandar fin Lèfule, aryû ghandar ulin Vaìse. Mi Aldrâis vale Bôgne dis a<br />

Elwenas Irdaìne.“<br />

Dann stand er auf und reichte den Gefährten Ayàren, Erìndals Lichteflore. Ayàren<br />

war ein feines Gewebe, dass um den Gurt geschlungen, jenem der es trug den<br />

Schutz der Elben verbürgte.<br />

„Der lichteren Schützen erster Bògner heißet Euch Willkommen.Doch auf Lichte folget<br />

Schatten nun ist Unsere Zeit gekommen, Irdaìns Streiterskraft zu rüsten und die<br />

Köcher denn zu schultern.<br />

Unsere Pfeile denn zu spitzen, Sohne aus dem Herzen Lôrtals!<br />

Mit dem ersten Sterne schon tat Undaren ich durchstreifen, Euch zu suchen und zu<br />

leiten nach Mìrìth Gìlads Flüsterhaine. Auf des Königes Befehle seit Ihr auserwählt,<br />

beizustehn‘ den Lichteren, da Rìvens Schatten sich vermehrt.<br />

So wie einstmals Euer Vater aus Lìthandrien zu uns fand. Reichet uns ,oh<br />

46


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Menschensohne Eure starke, reine Hand. Auf es eilt, so folget mir unsere Stätte ist<br />

nicht weit. Dort sollt Ihr ruhen und erfahren welch Schicksal Endorin ereilt.“<br />

Der Bògner erhob sich und stieß Pfiffe aus. Sodann kamen zwei weiße Rößer den<br />

Arìnyapfad herauf getrabt. Aldraìs schwang sich geschickt auf Ryne, seiner Stute.<br />

Dann gebot er Lèfule und dem Helferswichtel auf Ìlaris, dem zweiten Streiterroße,<br />

Platz zu nehmen.<br />

Alsbald jagten sie im gleißenden Morgenlicht auf dem Rücken der stattlichen<br />

Traber gen Mìrìth Gìlad.<br />

In den Hallen Asarangs herrschte eine unheilvolle Stille. Nichts regte sich obschon<br />

der Abendwind durch die offen Gauben brauste. Vadì, die dunkle Hexerin hockte<br />

im Marmorsaal und beschwor den Urapantìr zu offenbaren welch Eindringling sich<br />

der Burgstadt näherte. Wie die Boshafte im Funkeln des weißen Kristalles den alten<br />

Zauberer erblickte beschwor sie das Schlüsseltor dem Gütigen den Einlass zu verwehren.<br />

Esragùl harrte derweilen Stunde für Stunde vor den Mauern Asarangs. Die<br />

Arìnglohe glühte Nacht und Tag hindurch, doch kein Urazauber konnte die Pforte<br />

öffnen. Der Alte grübelte lang darüber und spürte das Dhurandòrs Schattenmacht<br />

allgegenwärtig war. Vergebens murmelte er die lichten Formeln, zu lang schon hielt<br />

Dûnkelrìvens Höllenkunst den Hochsitz in seinem finsteren Banne gefangen.<br />

Als die Nacht über die weißen Gemäuer hereingebrochen war, hielt Vadì die Zeit für<br />

gekommen ihr heimtückisches Werk zu verrichten. So wie der schwarze Fürst es<br />

ihr aufgetragen hatte. Noch immer irrten Elov und Alvenas auf ihren Argùlen durch<br />

Endorìns Schattenlande. Lìrdan den Jugendstab der weisen Aryuvàn zu suchen.<br />

Zauberwasser trübten ihren Blick und unguter Zauber war es, der ihnen die rasche<br />

Heimkehr verwehrte.<br />

Aryuvàn selbst war in eine Drossel verwandelt worden und thronte in einem Käfig<br />

bei Adawans Lagerstatt. Der Meister selbst war vergiftet <strong>von</strong> Lust und Begierde so<br />

das er die Trauerklagen, die das unscheinbare Vöglein Nacht um Nacht sang, nicht<br />

zu deuten vermochte. <strong>Das</strong> Minneband zur Vadì schwächte seine Macht und<br />

Ilandòrs höchster Sohn erfüllte alles was die Trügerische begehrte.<br />

Als Nadlafìrs fahle Sichel hoch am Himmelszelt stand, stieg die Hexerin die<br />

Tausendfußsteige hinab und ließ sich im Untergewölbe der Flößer nieder. Die Stille<br />

hatte sich bis in die steinernen Tiefen der Burgstadt hinabgesenkt. Denn Wächter,<br />

Flößer und der Wavanrat lagen viele Monate schon in tiefem Zauberschlaf. Adawan<br />

selbst schlummerte Tag um Tag ermattet auf seiner seidenen Lagerstatt im obersten<br />

Turmgeschoß.<br />

Die Boshafte schürte das Feuer in der Flößer Ruhekammer und harrte aus bis die<br />

Wasser brodelten und kochten. Danach schöpfte sie aus einem Eichenfass drei<br />

47


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Kellen Honigwein und mischte sie mit der Druden Sterbewurzel, die Grìmlokk ihr vor<br />

fünf Monden zugeleitet hatte. Sodann goß sie den Sterbetrunk in den Tiegel und<br />

aus ihrem Ruldìsringe ließ sie drei Tropfen Mordìlblut in das Gebräue fallen.<br />

Mordìlen waren der Avanan Streiterdrachen und so todbringend wie die<br />

Feuersbrunst die sich aus ihrem Rachen ergoß war ihr tiefschwarzes Blut. Dies war<br />

Adawans wunde Stelle. Denn sein inneres Auge erlischt kommt es mit Mordìlblut in<br />

Berührung. Als die Schwelen über dem Todessaft aufstiegen, zogen Düsterwolken<br />

auf. Und wie Vadì den Saft in einen Krug füllte zerbarsten sie krachend am<br />

Horizont.<br />

Auf dem Rhòganàn bäumten sich die Wellen auf und Esragùl sprang auf, um die<br />

Vorboten der Gezeitenwende wissend. Mìrals Licht schoß hoch in den Himmel hinauf,<br />

so das die Arìnglohe den Gwydionhain, trotz der Nebel Dhurandòrs, erhellte.<br />

Im Brausen und Tosen <strong>von</strong> Òrkvens Sturmneffen, den peitschenden Regen im<br />

Anlitz, beschwor Esragùl die guten Mächte Asarangs zu erwachen und das Böse<br />

zu bannen. Doch seine tiefe Stimme entschwand im Kampf der Elemente.<br />

Schon näherte sich eine schwarze Wolke der weißen Stadt . . . Cuìveths, die<br />

Späher Gàràmakks. Allen voran steuerte Krafadùn benommen kreischend, mit<br />

durchnäßten Gefieder auf die Scharten des höchsten Turmes zu.<br />

Adawan ruhte derweil in seinem Gelaß. Die üppig bestickte Schleppe seines prächtigen<br />

Silbergewandes hatte er sich über den Leib geworfen, um Ruhe zu finden.<br />

Iragùn des Meisters Ring glomm nur schwach. Und geschwächt war der Zauberer,<br />

dessen Seele sich seit vielen Sonnen und Monden schon nach der berückenden<br />

Jungfrau verzehrte, die ihm die Hand hielt und liebkoste. Bald tauchte ein Schatten<br />

im Gemach auf. Vadì war gekommen ihr schreckliches Zauberwerk zu beenden.<br />

Schritt für Schritt schlich sie der Lagerstatt entgegen, ohne das der Wavan ihre<br />

Gegenwart bemerkte. Die Schleppe des Kleides war auf den steinernen Grund<br />

gefallen und glitzerte fahl in Nadlafìrs Licht. Ein kalter Wind umspielte Adawans<br />

schlaffen Leib, doch der Weise rührte sich nicht um die fröstelnde Hülle zu bedekken.<br />

Vadì trat näher heran und ein trügerisches Lächeln umspielte ihre Lippen. Da<br />

hob die verzauberte Aryuvàn zu krächzen an um ihren Gebieter vorm drohenden<br />

Ende zu bewahren. Doch in Vadìs bösartigen Augen blitzte ein kaltes Funkeln auf<br />

und das Vöglein war seiner mahnenden Stimme beraubt. Sodann beugte sich die<br />

Hexerin über den ersten Sohn Ilandòrs und benetzte seine Lippen mit dem<br />

Giftgebräue.<br />

Ein Donnergrollen walgte über die Mauern hinfort und wie Adawans Herzschlag<br />

verstummte, endigte das Lärmen der Himmelsgewalten und die klaren Wasser des<br />

Rhòganàn verwandelten sich in einen pechschwarzen Spiegel.<br />

Iragùn das Urakleinod war erloschen und Vadì bemächtigte sich des Ringes, um<br />

48


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

jenen triumphierend ihrem Meister zu gereichen. Sowie sie das Kleinod an ihrem<br />

eigenen Finger steckte begann es dunkelrot zu schimmern. Dunkelrot wie das Blut,<br />

dunkelrot wie die Banner Rìvens, dunkelrot wie die glühenden Eisen aus den<br />

Folterkammern der Höllhagfeste. Die Macht der Wavan schien gebrochen.<br />

Des Gütigen Kunde<br />

Nach tiefem Schlummer erwachte Lèfule in reinste Seide gewickelt auf seiner<br />

Ruhestatt im Haus des Rechthüters Idanìs. Viel an Zeit hatte er auf dem Altan der<br />

Kammer verbracht wie er im Daìntal angelangt war.<br />

Staunend blickte er da auf das vielzählige Gefunkel der Leuchfeuer und auf die grazilen<br />

Bauten <strong>von</strong> Mìrìth Gìlad. Als er frisch gewandet auf der weichen Stätte ruhte,<br />

studierte er der Uralben Schnitzereien die das prächtige Gemach ausgeschmückten.<br />

Sehnsucht erfüllte sein Herz wie er den Gesängen der Lichteren lauschte.<br />

Doch währte der Genuß jener süßen Klänge nicht lang denn im gleichmäßigen<br />

Rauschen der gewaltigen Flüsterfälle übermannte ihn sobald der wohlverdiente<br />

Schlaf.<br />

Nun zierte der lichte Morgendämmer den Horizont und sinnend blickte der Jüngling<br />

auf die gewaltigen Wasser die donnernd ins Tal floßen. Alles Geschehene, alles<br />

Gesagte zog an seinem inneren Auge vorüber und langsam begriff er das es nicht<br />

der Zufall gewesen sein kann der ihn leitete, sondern eine Bestimmung aus der<br />

Hand der Nurnìngeister.<br />

Im Traum war ihm sein Vater erschienen und ein Streiter <strong>von</strong> edler Statur. Manches<br />

Mal sah er das Greuel einer Schlacht, vielmalig sah er einen silbernen Bogen in seinen<br />

Händen ruhen. Manches Male sah er die schöne Fìnua hockend in einem kalten<br />

Steinverschlag und oftmalig kündete ein schauriges Beben <strong>von</strong> einer teuflisch<br />

übergroßen Macht die ihn verfolgte.Wie Lèfule da sinnend stand und in die Wasser<br />

des Mìrlyanstromes blickte gewahr er plötzlich einen Zug seltsamer Gestalten, die<br />

die Daìnbrücke vom anderen Ufer her überquerten. Auf prachtvollen Rößern, seltsamen<br />

Fuhrgewerke und zu Fuße rückte die angeregt murmelnde Schlange aus<br />

bunten Bannern und Gesandten immer näher heran. Der Jüngling staunte über<br />

manch wundersames Wesen und noch mehr als ein roter Drache vom Himmel hinabgebraust<br />

kam.<br />

Flinkfüßige Wurzeltrolle kamen auf knorrigen Beinen herangeeilt. Sie siedelten im<br />

fernen Torikkforst, der die steinernen Schluchten des Clucaìnn Gebirges begrünte.<br />

49


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Ihnen folgten zugleich humpelnde Grauben, ein angesehenes Völkchen aus dem<br />

Schoße der Quellinggeister. Ihre großen, tiefschwarzen Augen schauten wachsam<br />

umher und unter ihren weiten Gewändern schillerten Schuppen hervor. Grauben,<br />

halb Mensch halb Tier, hausten in den bewegten Wassern des anthrazitenen Lurgìs<br />

Vàr der im Lande Jòrthawath gelegen hatte.<br />

Große Flöße walgten über den Fluß heran und unter dem wehenden<br />

Grünbaumbanner zeigte sich eine hochgewachsene Schar herrschaftlicher<br />

Braunelben, die in smaragdene Gewänder gehüllt waren. Sie kamen aus dem fernen<br />

Mìrìth Ebornìr, der hölzernen Stadt im Herzen Belfòrtyns. Selbst eine<br />

Gesandtschaft aus Lìthandrien ritt auf wendigen Rößern heran. Die sterblichen<br />

Ehrenmannen waren <strong>von</strong> edler Statur und Fadhlan der Tapfere tat das blaue<br />

Drachenbanner, welches ein goldenes Schwert kreuzte, mit Stolz und Achtbarkeit<br />

führen. Ihnen folgte Fuß auf Fuß ein unablässiger, raunender Strom: Wandernde<br />

Druìden, Zauberer mit langen Bärten aus der Ordensstadt Thuìndal, wackere<br />

Hùldren die in den Schluchten <strong>von</strong> Gòròdhun Schmiedehandel betrieben, Waldfeen<br />

aus der verwunschenen Vìndal Aure, Findlinger, Elfen, Nìquen, Muren, selbst ein<br />

Baumriese aus dem weit entfernten Norsalìon - Sie alle, nicht immer in<br />

Freundschaft verbunden, waren gekommen um Rat zu suchen bei den lichten<br />

Hütern <strong>von</strong> Mìrìth Gìlad. Ein mächtiger Schatten breitete sich zusehends über die<br />

lichten Reiche Endorìns aus und erregte alle Gemüter.<br />

Als Lèfule sich zu wundern begann, erschien die Dienerschaft des Idanìs in seinem<br />

Gemach und wies ihn an zu tafeln um sodann dem Rat beizuwohnen der bei<br />

Erìndals Kaste einberufen worden war.<br />

Der Lichteren Ratsaal war ein auslaufender Altan der auf der Höhe der Flüsterfälle<br />

lag. Zu beiden Seiten drängten sich die Boten und wie Lèfule den Saal betreten<br />

hatte, verebbte alles Gemurmel rings um ihn her und bis auf die brausenden<br />

Wasser, war Stille eingekehrt. Die Gefolgschaften musterten den Jüngling begierig<br />

und eine sonderbare Ehrfurcht lag in so manchem Blicke.<br />

Erìndal der Elbenkönig saß auf einem reich geschmückten Thron und ein bronzenes<br />

Diadem war in sein schütteres Haar geflochten.. Unterhalb des<br />

Herrschaftssitzes hockte Aldraìs, besonnen auf den steinbehauenen Grunde blikkend.<br />

Den Bògner schmückte ein silbernes Livree und auf seiner hohen Stirn<br />

prangte ein Runenzeichen, das Lèfule nicht zu deuten vermochte. Idanìs stand auf<br />

des Altanes Mitte, gewandet in ein moosgrünes Schleppenkleid, eine Schriftrolle<br />

ruhte in seiner Hand und auch sein Haupt zierte ein Diadem das sein Haar eigentümlich<br />

umrahmte.<br />

Lèfule beugte sich vor und neigte sich ehrerbietend zum Gruße. Doch der<br />

50


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Rechthüter wies ihn an sich einen Platz zu suchen. Wie der Jüngling die<br />

Gesandtenreihen abgeschritten hatte und sich schließlich zum Hùldrenfürsten<br />

Golvàn gesellte, kreuzte er den Blick eines hoheitsvollen Zauberers, der auf einem<br />

weißen Stabe gestützt ihm tief in die Augen schaute. Lèfule war sonderlich gebannt<br />

und es schien ihm just in diesem Augenblicke als befiele ihn eine tiefe Traurigkeit.<br />

Der Weise hatte einen langen grauen Bart der bis zum Boden reichte. Seine Stirn<br />

war zerfurcht so als wäre er schon viele hundert Jahre auf Erden gewandelt und<br />

unter seinen fliehenden Brauen leuchteten dem Jüngling zwei braungrüne Augen,<br />

gleich einem Spiegel, entgegen. Plötzlich sah Lèfule sich selbst darinnen und abermals<br />

erschien ihm ein silberner Bogen der funkelnd in seinen Händen ruhte. Es war<br />

ihm als gewahrte er einer Feuersbrunst die sein Bilde sodann verschluckte. Dem<br />

Jüngling wurde es seltsam zumute und noch immer spürte er einen ungekannten<br />

Schmerz der sich mit aufkeimender Entschlossenheit vermischte.<br />

Wahrlich der Zauberer war Jahrtausende alt und gezeichnet <strong>von</strong> Pein und schwerem<br />

Kummer. Es war Esragùl der Gütige selbst, der nach Mìrìth Gìlad geeilt kam<br />

wie Ilìgan der Elbenbote seinen Wege an den Ausläufern des Andulìnberges kreuzte.<br />

Idanìs bat denselben vorzutreten und der Alte tat mühselig einen Schritt aus<br />

dem Kreise der Gesandten. Sodenn fing der Weise zu seufzen an:<br />

„Mein Herz vermag die Worte nicht zu sprechen, die ich nun zu sprechen habe. Ein<br />

Leid erfüllet meine Seel, zerreißt sie ohne Gnade. Doch ist’s nicht eine Bürde die<br />

ich allein bestehen sollt. Es ist Unser aller Schicksal, Freunde, und solches ist Uns<br />

nicht hold.<br />

Wir alle die wir nach Rat gesucht, sahen das Unglück nicht nahen. Und selbst dem<br />

Höchsten aller Weisen versagten die Sehersgaben. Er ist entschwunden nach<br />

Thùlengan, kann keinen Beistand Uns geben. Die Hexerin Vadì, die Teufelin,<br />

beraubte ihm des irdischen Lebens. Drei Tropfen Mordilblute zerstörten des<br />

Meisters Kräfte. Sowie die Sichel am Himmel gestanden mischte die Garst'ge die<br />

Säfte.<br />

Die weiße Stadt lag ahnungslos in tiefem Zauberschlummer. Der Wavan selbst ward<br />

wach und schlief, nun trifft uns arger Kummer. Der Hauch des Todes webt im lichten<br />

Gwydiontale und die Mauern der weißen Burg ächzen vor Weh und vor Qualen.<br />

Der Rhòganàn selbst trägt Trauer seine Wasser sind schwarz und trübe. Am<br />

Horizont da walgt es grau und lastet auf Unser Gemüte.<br />

Noch ärger stehts denn immer noch schlummert der Wavan Rat. Die Zauberbande<br />

mürben das Licht, zerstören die lichte Macht! Der Dunkler raubte Iragùn den Schutz<br />

der weißen Stadt. Und ihre Pracht wird bald entschwinden wird er nicht heimwärts<br />

gebracht.<br />

51


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Doch Freunde, es bleibt keine Zeit in Kummer zu verweilen! Wir müssen handeln,<br />

Endorin retten! Es eilet, Wir sollten eilen! Noch gibt es Hoffnung für Eure Völker,<br />

Hoffnung für Euer Heim. In unsern Reihen steht ein Jüngling, jener sollt auserwählt<br />

sein. Gemeinsam müssen wir ziehen in eine lange, bittere Schlacht. Gemeinsam<br />

sollt Uns das Eine gelingen, das Böse zu bannen und zu bezwingen, das so Vieles<br />

an Schrecken gebracht! „<br />

Als Esragùl verstummte ging ein aufgeregtes Flüstern durch die Reihen der<br />

Gesandten und Schrecken waltete auf den vielen Gesichtern. Doch Erìndal gebot<br />

Ruhe und mahnte zur Besonnenheit. Danach traten die Legaten zusammen den<br />

Bund zu schließen, die Heere zu einen und sich zu rüsten.<br />

Lèfule blieb allein zurück und Fragen wirbelten durch seinen Kopf. Fragen auf die er<br />

eigentlich keine Antwort bekommen wollte. Denn seine Ahnung bekam Formen,<br />

unvorstellbare Formen und das machte ihm Angst. Auf seinen Schultern begann<br />

sich eine Last auszubreiten so das er drohte unter ihr zusammenzubrechen. Er taumelte<br />

den Weg zurück in sein Gelaß und warf sich mit allerletzter Kraft auf die<br />

Lagerstatt. Sein Traum sollte wieder einmal zur argen Gewißheit werden. Eine<br />

unsichtbare Schlinge legte sich um seine Kehle und die Worte des Alten zogen sie<br />

zu ....<br />

Aufruhr in Emyth-Ovràs<br />

Im steinernen Hort <strong>von</strong> Emyth-Ovràs, dem Pfeilersaal im Herzen der Höllhagfeste,<br />

herrschte Aufruhr. Der schwarze Fürst wanderte rastlos umher und mit ihm der<br />

Avananrat. Bis auf die schleifenden Schleppen der roten Pelerin und den hallenden<br />

Schritten war kaum ein Laut zu vernehmen. Emyth-Ovràs lag in den düsteren Tiefen<br />

der Rìvenburg und diente der geheimen Zusammenkunft. Keine lichte Macht und<br />

sei sie noch so groß gewesen konnte dort hinein gelangen. Denn dies war jener<br />

sagenumwobene Ort an dem Vàdànàkk, Ògerìd, Tùldon und Golugàn vor langer,<br />

langer Zeit die Schattengrale geeint hatten und somit Avras erschufen.<br />

Viele Monde und Sonnen schon verharrte der Dunkler in den Tiefen seiner Burg,<br />

unstet nach Ungorpantìr, dem Sehersgute, blickend das ihm Nachricht geben sollte<br />

was sich in der weißen Stadt zugetragen hatte.<br />

Plötzlich öffnete sich eine der mächtigen Zackenpforten. Rònegul und Salgurìn, des<br />

schwarzen Fürsten erste Ratsherren, kamen hineingeeilet. In ihrem Schatten wandelte<br />

eine dürre Gestalt die sich vor Ehrfurcht krümmte. Es war Vadì die schwarze<br />

52


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Hexe selbst. Gàràmakk bestieg hastig den Throne, der aus grobem Marsgestein<br />

beschaffen war. Als er Platz genommen hatte erstrahlte der Avrasstab in glutrotem<br />

Glanz.Die Hexerin hielt sich im Hinterhalt bis Salgurìn auf die Knie gegangen war<br />

und dem Fürsten <strong>von</strong> der Ankunft seiner Spießgesellin berichtet hatte. Dann eilte er<br />

zu den versammelten Avanan und Gàràmakk gebot der Vadì vorzutreten.<br />

Die Hexerin erschien in einem schwarzen Gewand und ihr Haar war so rot wie die<br />

Rìvenbanner die aus den Turmscharten der Burg ragten. In ihrem schönen und<br />

doch grausamen Anlitz prangte nur ein Auge, das dunkelgrün wie Moosenflechte<br />

schillerte. Wie der Meister sie zur Rede gestellt hatte, entfuhr ihren Lippen die<br />

Kunde, die sich gleich einem Krächzen an den steinernen Gewölben brach und als<br />

Echo fortsetzte. Als sie zu erzählen begann traten die Avanan noch enger zusammen<br />

und senkten ehrerbietend die Häupter.<br />

Der schwarze Fürst hielt die Augen geschlossen, versunken harrte er auf seinem<br />

Thron und lauschte der Hexerin, die je näher sie dem Ende kam eine fiebrige<br />

Erregung ergriff.<br />

Wie sie den Tod des weisen Wavan geschildert hatte, erschütterte ein<br />

Donnergrollen den Pfeilersaal und Gàràmakks Augen öffneten sich. Rot wie Glut<br />

funkelte es aus den Schlitzen hervor, so als täte heißes Gestein aus seinen scheußlichen<br />

Tiefen quellen. Da zog Vadi Iragùn aus einem Säcklein hervor um es dem<br />

Dunkler triumphierend zu reichen. Doch jäh sprang ein Blitz aus Avras Spitze und<br />

ging krachend auf den Ring über. Und wie der schwarze Fürst den Ring in seiner<br />

eigenen Hand hielt, da entfuhr ein schauerliches Heulen seiner Kehle und irre war<br />

sein Blick. Er stemmte sich vom Marsthrone ab und hob die Hände empor.<br />

Im Schein der flackernden Feuer tanzte sein mächtiger Schatten an den Gemäuern<br />

entlang und über der Burg hallte das Echo der Cuivethscharen wieder. Von Neuem<br />

sprang ein teuflischer Funke <strong>von</strong> Avras Spitze ab und ein flammender Span formte<br />

sich aus. Gàràmakk richtete, unter vorgefallenen Strähnen, seinen Blick auf die<br />

schwarze Hexe. Mit gespannten Fingern wies er auf sie und murmelte ungorische<br />

Formeln. Der Span glitt <strong>von</strong> der Spitze ab, dann tänzelte er eine Weile lang in der<br />

schwelenden Luft und verschwand zischend in Vadis gräßlichem Auge.<br />

Sodann wies der Dunkler seine Häscher an die schreiende; flehende; heulende;<br />

ihrer Macht beraubten Hexe in Ketten zu legen und ins tiefste Verlies zu verbannen<br />

auf das sie dort einen qualvollen Tod erleide.<br />

Die Avanan fielen vor dem Meister darnieder und huldigten den schwarzen<br />

Mächten. Doch Rònegul gebot dem Fürsten sich zu mäßigen. Seine Weisheit<br />

mahnte ihn, denn noch war der Schicksalsfaden nicht zum Ende hin gesponnen<br />

und er ahnte das die Lichteren sich rüsteten. So wie einst als er Vàdànàkk als<br />

53


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Famulus zugetan war. Und klug genug war er um zu wissen das die Macht der<br />

Söhne Ilandòrs eine Unbeugsame war.<br />

Der Ratsherr schritt zum Sockel des Ungorpantìr, der sich in der Mitte des Saales<br />

erhob. Dann zog er den Zauberflor vom tiefblauen Sehersgute. Ein gleißendes Licht<br />

erklomm, das den Stein wie einen Feuerball umfasste. Rònegul hielt seine linke<br />

Hand mit gespreizten Fingern über den Pantìr. Ein Bild begann sich in den blauen<br />

Tiefen auszuformen. Es entstanden die Bauten <strong>von</strong> Mìrìth Gìlad. Nochmals glomm<br />

das Licht auf und nun zeigte sich ein Rat der auf des Elbenköniges Altan zusammentrat.<br />

Aus dem Rat ging die Hundertschaft der Legaten hervor die nach ihrer<br />

Heimstatt drängten und die Tausendheere der elbischen Bògner durchkämmten<br />

einen Forst sich zu rüsten. Wie der Ungorpantìr seine Offenbarung geendigt hatte,<br />

schoß das Licht hoch hinauf so das die Avanan sich die Pelerin schützend über die<br />

Häupter zogen. Die göttliche Flamme des Schattenvaters walgte über die<br />

Dornenschlucht hinfort.<br />

Rònegul erschauderte und Gàràmakk blickte voller Hass auf das Gesehene. Er<br />

strich sich das wirre Haar aus dem Anlitz und warf voller Verachtung den Zauberflor<br />

über das Sehersgut. Mit der gleichen Verachtung schritt er an Rònegul vorbei und<br />

bat in scharfem Ton Grìmlokk zu sich. Dann traten die Avanan zusammen und<br />

schmiedeten die ersten Pläne.<br />

Ravnìk sollte um Rat gebeten werden. Man wähnte die Ebene <strong>von</strong> Gràn-Dhûr als<br />

Ort für die schicksalshafte Schlacht. Die dunklen Zauberer schickten sich an die<br />

Mordìlen zu beschwören. Deren tödliche Feuersbrunst sollte sich im rechten<br />

Moment über die Caladheere vom Himmel hinab ergießen. Sodann sandten sie die<br />

Cuiveth aus auf das die Heere der Ungorelben, Rùgùren, Alberiche, Riesentrolle<br />

und so manch anderem schrecklichen Wesen sich einten und zum Fuße des<br />

Grandhìsberges zogen.<br />

Schließlich schickten die Dunkler Grìmlokk ins Spaltgebirge zu Bùgdrìs um ihn vom<br />

nahenden Feldzug zu berichten. Dort wo tief unten in der Finsternis des Raldakk-<br />

Ûn die schöne Fìnua voll des Jammers harrte und dem betörenden Edelmanne<br />

gedachte, in den Stunden der quälenden Ungewissheit und Einsamkeit. Dort wo<br />

gleich einem hungrigen Wolf Akìnan, der Laìradämon, um sie herumschlich und<br />

auf den Auserwählten wartete den er als Beutegut erhalten sollte.<br />

Nurnìnzauber<br />

Drei Tage und drei Nächte lang währte das rege Schaffen im lichten Herzen Mìrìth<br />

54


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Gìlads. Die Legatenschaft trat noch oft zusammen um den Fortgang des Heerzuges<br />

zu planen. Bògner durchschwärmten die lichten Gassen und fertigten in den Tiefen<br />

des Undarwaldes die kunstvollen Bögen, Pfeile und Köcher an, für die die Lichteren<br />

weithin berühmt waren. In den offenen Kasten drängte sich die bunte Schar der<br />

Gesandten und rüstete sich für den Heimweg um die Fürsten, Könige, Landsherren<br />

und Stammesführer <strong>von</strong> der bevorstehenden Schlacht zu unterrichten.<br />

Lèfule indes war in sich gekehrt und suchte die Einsamkeit. Es war die Sorge um<br />

die schöne Fìnua und die Bürde seines Schicksals die ihn gleichermaßen bedrängten<br />

und bedrückten. Nun war es ihm deutlich das sein Traum dem Schoß einer<br />

düsteren Vorhersehung entstammte und er rang mit sich ob es nicht besser wäre<br />

zu fliehen um sich jener Vorhersehung zu entziehen. Und doch wußte er das man<br />

den Händen der Weberinnen nicht entkommen konnte. Oftmals ,in jenen Stunden<br />

der Pein, wünschte er sich zurück in die vergangenen Tage.<br />

Da gedachte er der Zeit als er im grünen Igrìmlore den Hof des Vaters gehütet und<br />

das Feld bestellt hatte. Da hoffte er die sanfte Hand Fridolfìns zu spüren und einmal<br />

noch in dessen liebende Augen zu blicken die ihm soviel an Zuversicht gaben.<br />

Da verzehrte sich sein Herz vor brennender Sehnsucht nach den schützenden<br />

Baumhainen des Igrìmwaldes. Und ebenso träumte er <strong>von</strong> dem verzückenden<br />

Weibe an das er bei Fàrnukkens Mischehain dereinst sein Herz verloren hatte.<br />

So wandelte er geplagt <strong>von</strong> vergangenem Bilderzauber allein für sich den<br />

Arìnyapfad entlang und blickte in die walgenden Wasser des mächtigen<br />

Mìrlyanstromes. Die Schwermut wollte nicht weichen, ihr schwarzer Mantel zog sich<br />

fest um seine junge Seele und beraubte ihm jener geheimnisvollen Kraft die ihn bisher<br />

voran getrieben hatte. Da ließ er sich, <strong>von</strong> tiefer Trauer ergriffen, mitten im<br />

Walde nieder und blickte versunken auf die bewegten Wipfel der Lerchenbäume,<br />

deren Geäst ihm geheimnisvoll zu zuwinken begann.. Und wie er da hockte formte<br />

sich im Auf und Ab der Blätter das Bild der Nurnin Urdìna aus und freundlich schaute<br />

ihr Anlitz auf ihn herab:<br />

„Der Zeiten Schwere sollt nicht lasten auf Euch, armer Lèfulaìse. <strong>Das</strong> Leben gab<br />

Euch Geschick und Verstand, nun wechselt es sein lichtes Gewand auf ungeahntes<br />

Geheiße. Die Bürde die Euch anheimgefallen ist nur den Tapfersten zugeteilet. So<br />

findet sich in Jenen die Kraft zu brechen des dunklen Fürsten Macht auf das die<br />

Lichteren seien befreiet.<br />

Plagt Euch nicht Sohne Igrìmlors das Gute wird sich finden. Habet Vertrauen in<br />

Euer Herz, Beharrlichkeit überdaure den Schmerz, es sollt nicht in Kummer sich<br />

winden. Gesegnet seid ihr, denkt immer daran, die Zeit wird es Euch zeigen. Nutzt<br />

sie denn mit Wohlbedacht, peinigt Euch nicht, doch habet Acht. Kummer und<br />

55


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Schrecken wandeln sich schnelle zu freudigem Reigen.<br />

Sodenn Lèfule sammelt Euch, vergießet nicht länger Tränen, das <strong>Geheimnis</strong> des<br />

Lebens lieget darin seine Bürden zu bestehen!”<br />

Ein starker Wind wirbelte der Lerchen Geäste auf und der Nurnìngeist verschwand.<br />

Da fühlte Lèfule plötzlich wie der düstere Schleier, der ihn gefangenhielt, für einen<br />

Moment lang zu weichen begann. Wie er sich erhob um gen Mìrìth Gìlad zurück zu<br />

wandern gewahr er einem Reiter der sich ihm betulich näherte. Da erkannte Lèfule<br />

das es der alte Zauberer war der auf Aldraìs weißer Stute thronte.<br />

Der Gütige glitt schwerfällig <strong>von</strong> Rynes Rücken herab und so standen sie eine Weile<br />

im Zwielicht vor einander, ohne das einer das Wort ergriff. Väterlich war der tiefe<br />

Blicke des wunderlichen Alten und als Lèfule schließlich das Haupt zum Gruße<br />

senkte, gebot derselbe mit einem Nicken ihm Folge zu geleisten.<br />

Viel an Zeit war verronnen. Besonnen folgte der Jüngling dem alten Manne, der<br />

sich auf einen weißen Stab gestützt den Weg durch den Niederwald bahnte. So<br />

durchquerten sie gleich einem Schatten das dämmerige Rosenholz. Tiefer und tiefer<br />

führte ihr Pfad in den Undarforst hinein und je tiefer ihr Pfad sie leitete desto verwunschener<br />

war es um sie her.<br />

Wundersam war des Waldes Dickicht. Undurchdringlich schien das Geäst miteinander<br />

verwoben zu sein und doch gab es den Weg preis wann immer Esragùl einen<br />

Schritt nach vorne tat. Wunderlich war der Weg. Denn es schien als liefen die<br />

Gefährten im Kreis, der sich gleich der Windung eines Schneckenhauses immer<br />

enger zusammenzog. Der sanfte Abendhauch war angefüllt <strong>von</strong> allerlei süßen<br />

Düften und aus der friedlichen Stille brach dann und wann ein verzückender<br />

Singsang hervor der hoch droben in den Wipfeln erscholl.<br />

Sowie die Sterne am Horizont standen, erhellte der vermeintliche Wanderstab des<br />

Alten, gleich einer silbernen Fackel den verzauberten Niederwald. Und jener friedliche<br />

Zauber löste Schritt für Schritt die lastende Pein aus Angst und Kummer in des<br />

Auserwählten Herz. Als die Nacht gleich einem samtenen Schleier am Gestirn<br />

webte, gelangten sie an einen mannshohen Rosenbusch dessen Geäst mit prächtigen<br />

Blüten besetzt war, die wie Edelsteine im Mondlicht schimmerten. Gleich<br />

einem mächtigen Tor schoß er hoch hinauf und verwehrte den Wanderern den<br />

Eintritt.<br />

Da hob der Gütige seinen Stab empor und rief mit tiefer Stimme die uraische<br />

Formel aus, auf das der Elbenzauber seinen Banne löse:<br />

Ningdal, ningdal edro andor. Pedo mellon Gùlen vandor. Ad Endorìn ambar dùlòr.<br />

Mordo endìen lomìen gulòr. Ungor Nolden, ungor Sìren lannèth abre Fin ad Igrìm.<br />

Edro, edro fìnnèth laì. Ad Endorin tulta ember, ember naìd Anàr Vaì! Ad Ilandòr tulta<br />

56


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

ember, ember tulta Wànàth . . . Naì!!!<br />

Als Esragùl die elbische Losung gerufen hatte, begann das Dickicht knisternd den<br />

Weg freizugeben. Strunk für Strunk der Rosenflechte wand sich auseinander. Und<br />

wie zwei Hände die ineinandergriffen und sich öffneten verschwand das Tor unversehens<br />

und ein Hain <strong>von</strong> unvorstellbarer Schönheit offenbarte sich dem geblendeten<br />

Jüngling und dem wissenden Zauberer. Lèfule schritt zaghaft in den Elbenhort<br />

hinein und gebannt <strong>von</strong> der Pracht ergriff ihn Freude wie Trauer gleichermaßen und<br />

das Herz ging ihm darauf über.<br />

Weißmoos und Heidekraut zierte den weichen Grund und der <strong>von</strong> einem klaren<br />

Bächlein durchzogen war, das gleich einer entzückenden Melodie, im Mondlicht<br />

da<strong>von</strong> plätscherte. Lindsträucher säumten den Rand des Haines. Ihre zierlichen<br />

Strunke waren <strong>von</strong> einem feinen Nebel umgarnt. In der Mitte des Hages prangte ein<br />

Lunafelsen der geheimnisvoll zu leuchten begann wie die Gefährten sich ihm<br />

näherten .... .<br />

<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong> Mìrìth Gìlad<br />

Leichtfüßig wandelte Lèfule dem Mondstein entgegen. Eine göttliche Allmacht<br />

offenbarte sich in jenem Augenblick und sanft begann es in den Wipfeln der Birken<br />

zu rauschen. Dem Jüngling schien es als senkten die Blumen ihre leuchtenden<br />

Köpfchen sobald er einen Schritt getan. Und wie er zum Gestirn hinauf schaute<br />

gewahr er den Sternen, die blau zu leuchten begannen und blau wie die Wasser<br />

des Mìrlyanstromes brach das Licht aus dem Lunafelsen hervor, das sich hundertfach<br />

in seinen Augen wiederspiegelte. Gleich einem Juwel glimmte und funkelte es<br />

rings um ihn her und feierlich war ihm zumute wie er an der Seite Esragùls die niederen<br />

Wasser des heiligen Baches durchschritt.<br />

So harrten sie beim Elbengral und blickten auf den majestätischen Hort in dessen<br />

kristallenem Herzen der Kraftquell des Elbenvolkes verborgen lag.<br />

Seit Jahrtausenden schützte jener das Leben und Schaffen der Lichteren. Denn<br />

dereinst wurden sie <strong>von</strong> der Muttergöttin Nìngdal auf die Erde gesandt. Wie sich die<br />

Elben, vor langer langer Zeit daran machten, in ihren silbernen Gondeln die Wasser<br />

der Valfàlàs See zu durchqueren, um die ewigen Gestade Thûlengâns zu verlassen,<br />

gab Hundrìs der Vatergott seinen Schutzbefohlenen ein Gralsgut mit auf den<br />

Weg. Dieses war gleichbedeutend Symbol ihrer Reinheit, Weisheit und<br />

Unsterblichkeit gewesen. Und dieses Gut wachte <strong>von</strong> jenem Tage an über Mìrìth<br />

Gìlad - Die Stadt die nie gefallen ist.<br />

Hier ruhte ihr <strong>Geheimnis</strong> und nur einem Auserwählten war das Los zuteile es zu<br />

57


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

erblicken. Doch der Jüngling war nicht der Erste aus dem Geschlecht der Andrìr der<br />

den sagenumwobenen Haine betreten hatte.<br />

Der alte Zauberer wandte sich dem Jüngling zu und ein geheimnisvolles Lächeln<br />

umspielte seine Lippen. Dann legte Esragùl seine Hand an das Gestein und stemmte<br />

Mìrals Spitze in eine der schimmernden Kerben. Jäh flackerte es in den blauen<br />

Tiefen auf und aus dem tausendfachen Glimmen erwuchs ein Spiegel der das Bild<br />

einer Göttin preisgab, deren schönes Anlitz <strong>von</strong> einem Lichterkranz gerahmt wurde.<br />

Nìngdal, die Göttin der lichten Schöpfung:<br />

„Noldìs der Schattenvater, greift nach dem Siegel der Macht. Der abtrünnige Sohn<br />

aus Dhûrandors Schoß, hat sein Werk zur Vollendung gebracht. Und doch bestehet<br />

Hoffnung da Avàn und Wàvàn sich streiten. Sollte der Schatten das Lichte denn reißen<br />

zerbricht der Lauf der Gezeiten. Dann schwindet der Welten Ebenmaß das <strong>von</strong><br />

unsrer Hand ist geschaffen. Thronet Nadlafìr am schwarzen Gestirn, stürbe der<br />

Alwinordrachen. Wer seid Ihr, die Ihr den Haine betreten, zu jener schicksalshaften<br />

Stund. Gebet preis Euer <strong>Geheimnis</strong> ihr Caladwesen, gebet Antwort, tuet kund.“<br />

Und wie das Bild der Göttin in sich verharrte gebot Esragùl der Gütige Lèfule die<br />

Gralsgaben vorzuzeigen die ihm der Schwellenwichtel, das Erdweiblein und die<br />

glückliche Hand des Schicksals zugeteilt hatte. Und wie jener die Gaben aus dem<br />

Futteral zog, lebte das Bild <strong>von</strong> Neuem auf:<br />

„Edler Andrìr Lèfulaìs, aus dem Schoße Igrìmlores. So habet Ihr doch noch gefunden<br />

zu der Lichteren Ilandòrtore. Mit Mut habt Ihr die Bürden bestanden die Euch<br />

in die Wiegen geleget. Nun folget die Größte aller Bürden doch lohnend sei Eur<br />

Streben. So ist Euch zugewiesen die vierte Lichtergabe. Der Elben Bogen Tìranàuk<br />

der allmächtigste aller Grale. Er sollt Euch Beistande leisten im wüsten<br />

Schlachtgemetze.<br />

Verzaget nicht in Zeiten der Not, Ihr tragt den größten aller Schätze. Möget Ihr die<br />

Kraft finden den Kampfe zu überstehen. Über allem schwebet der Götter Aug,<br />

wacht über alles Geschehen. So sei Euch das silbern Gute ein Schimmer in dunklen<br />

Gefällen. Führt Entschlossenheit Eure Hand wird der Schatten am Lichte zerschellen.“<br />

Plötzlich öffnete sich der Mondstein und in seinem lichten Inneren glänzte ein silberner<br />

Bogen. Es war ein prunkvoller Längner so wie die Bògner ihn mit sich führten.<br />

Doch dieser war um drei Ellen länger und sein Spann bestand aus einem Haar<br />

aus der Mähne eines Einhorns. Die Sehne war fein und leicht jedoch stark und<br />

biegsam. Den Spann umfasste zu beiden Seiten ein kunstvoll geschnitztes<br />

Drachenmaul und auf des Bogens Rücken waren rätselhafte Elbenrunen eingeritzt.<br />

58


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Jene Runen verliehen dem Träger ungeahnte Fertigkeiten, denn den Längner tat<br />

einzig die Geisteskraft des Auserwählten leiten. Neben Tìranauk ruhte der prachtvolle<br />

Köcher Nìrnadìs der sich <strong>von</strong> selbst zu füllen vermochte wenn die Pfeile sich<br />

erschöpften. Nìrnadìspfeile besaßen edelsteinerne Spitzen die einen stählernen<br />

Panzer auf hundertfuß Erntfernung bündig durchdrangen.<br />

Esragùl tat einen Schritt in den Hort hinein und griff behutsam nach dem Bogen um<br />

ihn Lèfule zu reichen. Als der Jüngling auf das Elbengut in seinen Händen blickte,<br />

da loderte eine Flamme der Beharrlichkeit in ihm auf und er fühlte sich gestärkt und<br />

gerüstet für den bevorstehenden Kampf. In seinem Geist erschien ihm die schöne<br />

Fìnua und das innere Lodern brannte den letzten Zweifel nieder. Lèfule war zum<br />

Manne gereift. Der Zauber Ilandòrs entfaltete nun seine magische Kraft.<br />

Viele Monde gingen ins Land. Schon stoben die Schicksalsdrosseln aus Druìdorens<br />

glühendem Hort und zogen gleich einem Schleier über das Gestirn gen Grân-<br />

Dhûren hinweg. Ihr mahnendes Echo hallte über den Horizont fort und schreckte<br />

die ehrbaren Völker aus ihrem friedlichen Schaffen und Sein. Òrkvens Gefolge<br />

brauste über die Ebenen, walgte über die Bergspitzen hinfort und wirbelte tosend<br />

die Wasser auf. Der Hauch der Vorhersehung liess alles Leben erstarren und am<br />

düsteren Gestirn tobten die Elemente. Ein dämmeriger Schatten kündete <strong>von</strong> der<br />

herannahenden Schlacht. Im lichten Sylfìen hockten die Nurnìn und webten Netze<br />

aus schwarzem Garn.<br />

<strong>Das</strong> Fatumschiffchen schwang sich <strong>von</strong> Osten gen Westen, <strong>von</strong> Süden gen Norden<br />

das Schicksal des Auserwählten mit dem aller Wesen Endorìns zu verknüpfen.Die<br />

Zeit in der Ilandòrs Söhne und Dhûrandhors Kreaturen um das Vermächtnis der<br />

Schöpfung stritten war gekommen.<br />

<strong>Das</strong> Heerlager der Uradhèl<br />

Die Uradhèl sammelten sich vor den Toren Mìrìth Gìlads. Zehntausend Mann stark<br />

war nun das Heer der Lichteren. Ein riesiges Zeltlager breitete sich in windseile an<br />

den Ufern des Mìrlyan Stromes aus. Aus allen Winkeln Endorìns strömten die<br />

Herolde mit ihren Kriegern herbei, dem Ruf der Legaten und dem Befehl der<br />

Stammesführer folgend. Und täglich kamen neue Verbündete hinzu.<br />

Zwischen den prachtvollen Fürsten- und einfachen Linnenzelten, den wehenden<br />

Bannern unterschiedlichster Farbe und Form; den Rüstlagern; Wehrständern die<br />

sich überall befanden und den schnaubenden Rößern, die vor sich hin dösten oder<br />

nervös zu tänzeln begannen, brannten Hunderte <strong>von</strong> Holzfeuern. An jenen Feuern<br />

59


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

versammelten sich die tapferen Bògner, Ritter und andere Streiter. Nicht immer<br />

waren sie einander Freund und mit Wohlgefallen zugetan aber das Leid und die<br />

Entschlossenheit einte sie in dieser schweren Zeit. Auf großen, kleinen und winzigen<br />

Spießen hingen ganze Schweine, Hühnergrappeln oder Meglìhappen. In riesigen<br />

Tiegeln kochten Eintopf und Kleienbrei. Überall roch es nach dem süßlichen<br />

Raspel der geernteten Forsyfrüchte. In hastig errichteten Erdöfen garten Yantafisch<br />

und Sauerteigspachteln, sowie manch andere außergewöhnlich mundende Speise.<br />

Tonkrüge mit Honigwein und Fässer mit Gerstensanft gefüllt, wurden unablässig<br />

auf Wägen herangekarrt.<br />

Huldrische Tumbatrommeln; elbische Wìlwarìnflöten; andrìsche Limbahörner und<br />

elfische Tìlda-Harfen erzeugten eine eigentümliche Melodie zu der sich die kehligen<br />

Laute der Mùren; das Brummen der Ghòro`daner und der schwebende<br />

Hohegesang der Uraelben gesellte.<br />

Hier und da durchdrang wildes Gelächter und angeregtes Gemurmel den musikalischen<br />

Reigen. Und ebenso erschollen Schleif- und Schlaggeräusche, aus dem<br />

Herzen des Heerlagers, <strong>von</strong> Jenen die Stunde um Stunde Schwerter und Lanzen<br />

fertigten, Lang- und Kurzbögen richteten, Pfeile und Speere schnitzten, Feuerböcke<br />

und Wehrgefährte bauten.<br />

Abseits des ganzen Trubels, dem Tanz und der Geselligkeit, befand sich unter dem<br />

Blätterwerk eines hochgewachsenen Nèanwarbaumes ein besonders großes und<br />

prachtvolles Zelt.<br />

Aus mehreren Lagen weißer Tìucaleinen war es beschaffen und silberne Fäden<br />

schufen ein großes Ornament das seinen Eingang markierte. Auf dem Dach des<br />

Zeltes waren zwei Banner befestigt die einen Bogen und eine Rune zeigten, die<br />

Wahrzeichen Mìrìth Gìlads und Elwenas Irdaìnes.<br />

Vor dem Prachtgezelt hatte Fìndegìl es sich gemütlich gemacht und knabberte<br />

gedankenverloren an einem Wurzelschürf herum. Im Inneren saßen der Rechthüter<br />

und Esragùl angeregt miteinander ins Gespräch vertieft. Der Alte rauchte Pfeife und<br />

lauschte Idanìs, der uralte Formeln aus längst vergangenen Tagen rezitierte. Auf<br />

einem kunstvollen Holztische waren Papierrollen und Landkarten gestapelt sowie<br />

mehrere Prachtbücher deren Einband elbische Schriftzeichen zierten.<br />

Lèfule hockte auf dem Boden, neben ihm ruhte in Seidentücher eingeschlagen<br />

Tìranàuk der Elbenbogen. Er stöberte erst in einigen Papierstapeln herum, dann<br />

zog er eine reich beschriftete Rolle hervor und begann sie wißbegierig zu studieren.<br />

Diese Fundgrube aus der alten Zeit fesselte ihn. Sie war sowohl in eldaìva als<br />

auch in andrìsch verfasst und hatte den Jüngling auf eine seltsame Art zu sich gerufen.<br />

So als bilde sie einen wichtigen Teil des Rätsels das sich ihm nach der<br />

60


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Begegnung mit Nìngdal im Elbenhain zu entschlüsseln begann. <strong>Das</strong> Papier war alt<br />

und fleckig und dennoch mit Blattgold gerahmt und filigranem Schrifthandwerk versehen.<br />

Lèfule ergriff ein Gefühl der Feierlichkeit als er in die Anfänge des vierten<br />

Zeitalters <strong>von</strong> Endorìn einzutauchen begann.<br />

Der Schreiber nannte sich Gorgìm, ein Streiter aus dem Geschlecht der Andrìr und<br />

fahrendes Mitglied der Vaìthûn, einem Orden der für Gerechtigkeit und<br />

Tugendhaftigkeit einstand. Er berichtete <strong>von</strong> einer großen Schlacht die zur Zeit <strong>von</strong><br />

Lèfules Vorderen geschlagen wurde. Es war eine Art preisendes Hohelied auf Einen<br />

der sich darin besonders verdient gemacht hatte. Sein Name war: Bartub <strong>von</strong><br />

Gàldeon.<br />

. . . Von weit her kam er gereist , zog mit uns durch kahle Lande. Der Schatten trieb<br />

ihn aus dem Haus, wo er einst knüpfte zarte Bande. Stark und mutig war der<br />

Streiter in sich ruhend manchmal heiter. Immer kühn mit klarem Kopf unter seinem<br />

roten Schopf.<br />

Wie ein Elb so hochgewachsen, kunstvoll mit dem Längner schießend, prachtvoll<br />

mit dem Schwerte schlagend wenn Schwächere um Hilfe riefen. Eifrig war er stets<br />

zur Stelle immer wachsam immer helle, tat er jedes Wesen achten, auch solche die<br />

ihm Kummer brachten.<br />

Als er richten tat sein Heim, hat den Ruf er gleich vernommen. Rat zu suchen, Hilfe<br />

bietend , Schatten waren aufgekommen. Und so kam er zu Vaìthûn, unserem ritterlichen<br />

Orden um gen Elwenas zu ziehen. Am Himmel walgten Cuiveth Horden.<br />

Die Nöte gingen immerfort wuchsen bald an jedem Ort. Jeden Platz den wir durchritten<br />

hat der Noldìs fortgerissen. Und ärger kams denn unser Meister, Unwìn war<br />

sein Name, fiel im Kampf mit einem Ygdòn, der zeigte kein Erbarmen. Geschickt hat<br />

den der Drudenforst, der abertückisch Hexenhort. Doch Bartuben war zur Stelle,<br />

führte uns durch die Gefälle. Bis nahen tat der Elben Haine im lichten Elwenas<br />

Irdaìne. . .<br />

An dieser Stelle endete der erste Teil der Schrift. Dunkle Flecken lagen auf den folgenden<br />

Zeilen so das Lèfule nur einen geringen Teil zu entschlüsseln vermochte.<br />

Es folgten Reime auf eine alles entscheidene Schlacht und wie sehr sich der edle<br />

Bartub <strong>von</strong> Galdeòn darin hervortat. Wie er mit schrecklichen Wesen rang. Wie er<br />

erbittert gegen des Schattenvaters Kreaturen kämpfte. Wie sein Schwert durch<br />

Albenhand gebrochen wurde und eine Lanze ihn tödlich an Leib und Leben traf. Wie<br />

er die Hand seines Freundes ergriff und ihm einen letzten Schwur abrang . . .<br />

.Damit endete das Hohelied. Die letzten Zeilen waren <strong>von</strong> einem Feuermal zerfressen.<br />

Lèfule spürte wie das Blut durch seinen Körper walgte. Er ahnte das sein<br />

Schicksal nun die sich wiederholende Folge jener Geschichte war.<br />

61


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Irgendetwas verband ihn mit jenem tapferen Mann , der sich so kühn und entschlossen<br />

den bösen Mächten gestellt hatte. Und darüber hinaus ergriff ihn eine ungekannte<br />

Rührung die sich tief in sein Herz schnitt.<br />

Ruf der Mordìldrachen<br />

Gàràmakk stand an einer Gaube, sein Haar wehte im Wind. Der Schleier der Nacht<br />

hing über der Dornenschlucht und der schwarze Fürst hielt die Zeit für gekommen<br />

die Mordìlen aus ihrem Schlaf zu erwecken.<br />

Die Mordìl waren eine Schöpfung Dhurandòrs. Es waren riesige Drachen die mächtiger<br />

waren als Alles was sich zu jener Zeit in der Luft fortbewegte. Sie waren mächtiger<br />

noch als die Argùlenrößer der Wavanweisen. Es gab nur Wenige an der Zahl<br />

aber ihre zerstörerische Kraft war eine der Wirksamsten wenn es darum ging Unheil<br />

über die Caladländer zu bringen.<br />

Mordìlen waren halb so groß wie ein Riese. Ihr fleischiger Leib war <strong>von</strong> einem<br />

Panzer aus Schuppen umgeben der jeder Lanze standhielt. Nur unterhalb des<br />

Herzens waren sie verwundbar aber ihre Wendigkeit machte es jenen schwer, die<br />

sie dort zu treffen versuchten. Sie hatten riesige Köpfe die mit einem Schlund endeten,<br />

aus dessen wahnwitzigen Tiefen Feuersbrünste herausbrachen die alles<br />

Leben, das ihnen zu nahe kam, verschlangen. An ihren Klauen befanden sich<br />

Dreißig Ellen lange Krallen, die tiefe Kerben in die Erde rißen und hundert Streiter<br />

aufeinmal zerquetschen konnten. Auf ihren schwarzen Flügeln prangten riesige<br />

Stacheln, die jeden angreifenden Drachen entzwei rissen. Ihre Stimmen waren wie<br />

ein eisiger Windhauch der, je lauter sie einander zuriefen, zu einem Wirbelsturm<br />

wurde der alles mit sich fortriss. Dies waren Endorìns furchtbarste Kreaturen <strong>von</strong><br />

Noldis dem Schattenvater geschaffen. Schrecklicher noch und zerstörerischer als<br />

die klobigen Ygdonier. Doch es gab Zwei, denen sie untertan und fügsam ware:.<br />

Ihrem Gottvater und dem schwarzen Fürsten selbst.<br />

Gàràmakk sah in ihnen die beste Waffe um den Caladwesen im Schlachtgetümmel<br />

Einhalt zu bieten. Denn er hatte aus dem eitlen Fehlschlag seines Vorgängers<br />

gelernt. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wollte er die Falle zuschnappen lassen.<br />

Genau in jenem Augenblicke wenn die Lichteren den Sieg schon vor sich sehen<br />

sollten.<br />

Noch nie, in der Geschichte Endorìns, wurden alle Mordìlen zum Kampf gerufen, da<br />

sie unfruchtbar waren und sich folglich nicht vermehrten. Aber der schwarze Fürst<br />

62


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

sah in dem Gebrauch ihrer Hundertschaft die gewonnene Schlacht als triumphalen<br />

Sieg in seinen Händen ruhen.<br />

Obwohl ihn Ronegùl zur Vorsicht gemahnt hatte, kroch er auf das enge Gesimse,<br />

rappelte sich hoch und schaute hinab in die Tiefen der Dornenschlucht. Dann setzte<br />

er das Drachenhorn an seine Lippen und begann dreimal hintereinander hineinzublasen.<br />

Diesen Vorgang wiederholte er mehrere Male. Ein tiefes Brummen formte<br />

sich zu einem Dröhnen aus das <strong>von</strong> den steil abfallenden Felswänden als Echo<br />

wiederhallte und die Kronen der knorrigen Dornrankbäume wie ein Windhauch<br />

erschütterte. Plötzlich durchdrang ein Grollen die Schlucht und darauf folgte ein<br />

gigantisches Beben. Gàràmakk krallte sich an die Außenmauer seiner Burg um den<br />

Halt nicht zu verlieren. Die Erschütterungen folgten rythmisch aufeinander und<br />

Düsterwolken zogen heran in deren Mitte es aufblitzte und donnerte. Der Boden<br />

brach auf und aus der schwarzen Tiefe walgte ein hundertfaches Glühen herauf und<br />

schließlich schwangen sich dunkle Ungetümer mit glutroten Krallen aus dem aufgebrochenen<br />

Erdreich empor. Sie flogen mit riesigen Schwingen auf die Berghänge<br />

und liessen sich dort flügelschlagend nieder.<br />

Als alle neunundneunzig Mordìlen sich versammelt hatten blickten ihre rotglühenden<br />

Riesenaugen in die Schlucht hinab und wie sich in den finsteren Tiefen ein<br />

gewaltiger Leib zu regen begann, fingen sie schrecklich zu jaulen und zu speien an.<br />

Ihr Führer und Meister Umànvàr erwachte. Auch er schwang sich empor, streckte<br />

seine Klauen aus und warf zischend den Kopf ins Genick. Dann räkelte er sich und<br />

stärkte knackend seine Glieder. Er öffnete sein schreckliches Maul und fing auf drakonisch<br />

zu flüstern an:<br />

„Radakk, kunka adhag mennakk. Kunka adhag siddak enhagh. Adh edheldakk<br />

wanakk helvokk, kunka helvokk menakk delvogg. Adh Avànà avigh helnett. Menakk<br />

Umàn avagg ghelnet.<br />

Was ist dein Begehr das du es wagst uns zu erwecken. Du uns mit dem<br />

Drachenhorne zwingst die Klauen auszustrecken. So sag uns was zutun ist, oh großer<br />

Avavan. Schick uns hinaus an jenen Ort ins himmelweite Land. Zeigt uns die<br />

Wege die in die Ferne führen. Sag uns welche Wesen sollen unseren Zorn denn<br />

spüren. Wir werden Euch gehorchen was immer ihr auch wollt. Jene mit Klau und<br />

Feuer morden die es treffen sollt`.“<br />

Gàràmakk hob Avras empor und zeigte gen Dàrvenhohe. Dann begann er mit drakonischen<br />

Ungorformeln zu antworten und hielt mit Umvànàr und seiner<br />

Gefolgschaft Rat während Blitz und Donner den Horizont zerbersten liessen. Die<br />

Mordìlen, der Schrecken aller Caladwesen waren nach ihrem tausendjährigem<br />

Schlaf erwacht und bereit die Welt in eine zweite Dunkelheit zu stürzen.<br />

63


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Hundris wanderndes Gesicht<br />

Fünfzig Tagesmärsche lang war das Abertausendheer der Uradhèl gewandert. Wie<br />

eine Narbe hinterliessen sie eine Spur aus tausendfachen Tritten, die sich über<br />

sämtliche Ländereien Endorìns zog. Hagelregen und Fallstürme hatten die Reise<br />

erschwert und manchen Streiter sowie manches Roß erschlagen. Viele lichte<br />

Wesen strömten noch während des Marsches heran und reihten sich in die wogende<br />

Masse aus Rittern; Bògnern; Rößern und Fracht- und Fuhrgewerken mit ein. Nur<br />

die Riesen, die im fernen Arlàthgebirge hausten, waren noch nicht angekommen.<br />

Ilìgan der Elbengesandte war, kurz nachdem das Lager im Undarwald sich aufgelöst<br />

hatte, aufgebrochen um Ildafùr, dem Könige der Friedriesen, <strong>von</strong> der nahenden<br />

Jahrtausendschlacht zu berichten.<br />

Die Uradhèl standen nun kurz vor Dàrvenhohe. Vor ihnen erhoben sich bereits die<br />

Wehrgipfel des Spaltgebirges und ein beschwerlicher Aufstieg erwartete sie. Doch<br />

vorerst ließen sich die erschöpften Mannen zur Rast danieder. Tranken und speisten<br />

um zu neuen Kräften zu gelangen.<br />

Am äußersten Lagersrand hatten sich die scheuen Nyrnarè versammelt. Sie zählten<br />

zu den Heilervölkern und waren ein Wichtelgeschlecht das in den Kräuterhainen<br />

Kastarèniens beheimatet war. Sie konnten ihre Größe verändern. Mal waren sie<br />

winzig klein wie die Beeren eines Rotpfeilerstrauches. Mal so groß wie ein Andrìr.<br />

Ihre kleine Statur bevorzugten sie jedoch. So wanderten sie tagein, tagaus durch<br />

das weite Gräsermeer der Farnòshaine um verletzte Wesen <strong>von</strong> ihren Wunden<br />

genesen zu machen oder die Elral zu beschwören auf das die Toten übersetzen<br />

konnten ins lichte Halwenìr. Nun saßen sie in weiße Leinen gehüllt beim Feuer und<br />

tranken Vàndelkrautsuppe die eine ihrer Spezialitäten war. Sie sprachen kein Wort<br />

miteinander denn die Nyrnarè lasen die Gedanken <strong>von</strong> ihren tiefblauen Augen ab.<br />

Auch sie mußten auf Weissung des Waldherren ihre ersterbende Heimat verlassen.<br />

Die Farnìs war unheilbar erkrankt und der Boden unfruchtbar geworden. Welches<br />

Heilmittel sie in langen Nächten auch ersonnen und zusammenstellten, nichts<br />

konnte der Waldherrin zur Besserung verhelfen. So folgten sie der Spur Aìnuks,<br />

ihrem heiligen Gral, um den verwundeten Streitern beim Feldzug eine heilende<br />

Hand zu gereichen die die angeschlagenen Lebenskräfte im heeren<br />

Schlachtgetümmel stärken sollte.<br />

Wie sie da schweigend saßen und ihre Suppe löffelten fuhr Gandefìn, ihr Heilemeister<br />

plötzlich herum und blickte in die Ebene, die bereits ins glühende Dämmerlicht<br />

getaucht war. Er gewahr einer Reiterschaft am Horizont die sich dem Feldlager stetig<br />

näherte. Er zögerte nicht lange und hieß Tylefìn, seinen ersten Schüler, sich zum<br />

Prachtzelt der Uraelben zu begeben um den Rechthüter und den Gütigen <strong>von</strong> der<br />

64


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Ankunft der Fremdlinge zu berichten.<br />

Nachdem Idanìs, Lèfule und der Gütige die Botschaft erhalten hatten, fanden sie<br />

sich eiligst am Lagersrand ein. Aldraìs platzierte Bògner zu beiden Seiten denn die<br />

Widersacher der Caladwesen waren nicht weit entfernt <strong>von</strong> ihrer Lagerstatt. Er<br />

mahnte zur Vorsicht und verwies auf den Umstand das es sich, entgegen der<br />

Vermutung das neue Streiter zum Heerlager hinzu kamen, ebensogut um eine Falle<br />

der Ungordhèl handeln könnte.<br />

Die Reiter trabten immer näher heran wie eine Staubwolke die jeden Moment über<br />

das Feldlager hinwegziehen würde. Es war eine Hundertschaft <strong>von</strong> Kriegern die<br />

mächtige Calderrößer führten, deren wuchtige Stirnen mit seltsamen Symbolen aus<br />

roter Tonerde versehen waren. Schließlich machten sie Halt und waren einige Fuß<br />

<strong>von</strong> den Abgesandten Ilandòrs entfernt. Sie warfen Sättel und Zügel ab und ließen<br />

die Pferde rasten. Dann stellten sie sich auf und ein riesiger Streiter trat aus ihren<br />

Reihen hervor. Er ging ein paar Schritte auf die Gesandtschaft zu und fiel schwerfällig<br />

auf die Knie. Es war Avaldor der Schutzgebende der die weiten Gräsermeere<br />

Lithandròrs seine Heimat nannte.<br />

Er blickte auf und erhob sich aus seiner Verbeugung. In seinen Augen spiegelte sich<br />

die Verzagung eines Verzweifelten wieder:<br />

„Wir zogen einst wachsam duch die Lande. Geeint bis in den Tod durch geschworene<br />

Bande. Hatten den Schrecken des Bösen verwunden und halfen dem Land<br />

stets zu gesunden. In Anèmm Ghadàr bei der Quelle der Weisheit lag unsere heilige<br />

Statt. Wir durchritten die Ebenen Lithandròrs und bestritten so manche Schlacht.<br />

Unter wehenden Bannern auf dem Rücken der Calder machten wir uns zu Euch auf<br />

den Weg. Den Zeichen des Himmels folgend, da es Lithandròr schlecht ergeht.<br />

Die Quellen versiegen; das Gras ist verdorrt; das Vieh wird geraubt <strong>von</strong> den Plagen.<br />

Die Menschen sie hungern. Es stirbt Frau und Kind. Es stellen sich vielhundert<br />

Fragen. Ein Feind hat gewütet in unserem Heim, doch ist er nicht zu greifen.<br />

Niemand vermag zu packen ihn und zu Tode zu schleifen. Wir kämpften einen langen<br />

Kampf doch er breitet als Schatten sich aus. So trieb er uns in bangem<br />

Begreifen aus Anèmm Ghadàr hinaus.“<br />

Die Ghadàner wurden nach dieser Kunde sogleich in Empfang genommen und zum<br />

Hauptzelt geführt. Dort sollten sie <strong>von</strong> Idanìs Antworten auf ihre bangen Fragen<br />

erhalten. Avaldòr stutzte wie er zu Lèfule schritt um ihm die Hand zu reichen. Etwas<br />

ließ ihn inne halten und ein Ausdruck der Ehrfurcht lag in seinem Blick. Er verneigte<br />

sich tief vor dem fremden Jüngling der einen silbernen Bogen über der Schulter<br />

trug den ein prachtvoller Köcher kreuzte....<br />

65


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Der Morgen dämmerte bereits und doch schien es als wäre es noch tief in der<br />

Nacht. Die Uradhél machten sich daran den Galdakk-Ûn zu besteigen, um in die<br />

Talkesselebene <strong>von</strong> Gran-Dhûr zu gelangen. Den mühseligen Aufstieg verfolgten<br />

mächtige Erschütterungen so als täte der Berg jeden Moment lang einstürzen. <strong>Das</strong><br />

Abertausendheer war umfangen <strong>von</strong> unablässigen Schneewehen die um den Gipfel<br />

tanzten und so den klaren Blick verwehrten.<br />

Die Rößer waren wild geworden, sträubten sich voran zu gehen und den drängenden<br />

Zügeln und Tritten nachzugeben. Sie warfen die Köpfe in den Nacken,<br />

schnaubten, wieherten und versuchten so ihrer Weigerung Ausdruck zu verleihen.<br />

Doch schließlich gaben sie den Reitern nach.<br />

Eine noch größere Herausforderung bestand darin die Feuerböcke und Wehrfuhren<br />

unbeschadet den Berg hinauf zu schaffen. Immerwieder blieben die Karren in<br />

Schnee und Geröll stecken oder eine Böe erfasste sie und drängte sie den schmalen<br />

Pfad entlang zum Abgrund hin. Nur mit Mühe stemmten sich die Fuhrleute<br />

gegen das Fahrgewerke und hievten es mit aller Kraft weiter hoch zu den schützenden<br />

Felsdächern des Galdakk-Ûn..<br />

Lèfule ritt inmitten des Heerstromes auf einem stattlichen Calder den ihm Avaldòr<br />

als Geschenk der Ghàdàner verehrte. Er hatte sich tief in seinen Umhang vergraben<br />

und hielt sich schützend die Hände vor den Mund um Frost und Kälte abzuwehren.<br />

Aber es war vergebens eine bleierne Müdigkeit umfing ihn und er hockte<br />

wie ein Bündel auf seinem Roß das jederzeit zu kippen drohte. Esragùl ritt neben<br />

ihm her und schaute oftmals prüfend zu ihm hin, sich vergewissernd das der<br />

Auserwählte seine Kräfte schonte aber dennoch genügend da<strong>von</strong> besaß um den<br />

schweren Aufstieg unbeschadet zu überstehen. Manches Male erwiderte Lèfule<br />

seinen sorgenvollen, väterlichen Blick und nickte ihm verständig zu. Der Wind zerrte<br />

immer stärker an ihm. Doch er lehnte sich gegen die Himmelsgewalt und hatte<br />

alle Mühe nicht vom Roß zu fallen. Der Schnee fegte ihm ins Gesicht so das er fast<br />

blind war und nicht mehr begriff was um ihn herum geschah. Er fühlte sich wie in<br />

einem weißen Traum und hörte das Sausen des Sturmherren in dem das Rufen und<br />

Geschrei der Bergführer versank nur noch aus weiter Ferne. Immer deutlicher<br />

jedoch vernahm er seinen eigenen Herzschlag und den Atemhauch der aus seinem<br />

Inneren heraus über die Lippen glitt. Schließlich übermannte ihn eine unendliche<br />

Müdigkeit die das Brennen auf seiner Haut mit einem Mal ersterben ließ. Eine<br />

weiße Dunkelheit begann ihn zu umfangen. Plötzlich vernahm er aus der unendlichen<br />

Stille heraus süße Feengesänge und ein zartes Klingen das ihn zu sich rief.<br />

Lèfule öffnete seine Augen, streckte die Hände aus und begann durch einen Haine<br />

zu wandeln, der den fruchtbaren Gärten Kastarèniens glich. Er blickte ins weiche<br />

Gras das seine nackten Füße ehrfürchtig berührten und erkannte das Gesicht der<br />

66


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Waldherrin die ihm freundlich zulächelte. Er sah zu den Stämmen der<br />

Grünerweiden und gewahr dem Auge des Waldherren das ihm zuversichtlich entgegen<br />

blickte. Er blickte in die Wasser eines Bächleins und gewahr einem Bilde das<br />

sich in den Untiefen formte. Es war die Nurnìn Skùdina und sie flüsterte ihm lichte<br />

Uraformeln zu.<br />

Er schaute zum blauen Himmel empor und aus den Wolken formten sich Gesichter<br />

die schließlich in eines übergangen: In das Anlitz eines stattlichen Edelmannes der<br />

ihm in seinem Traum bei Idanísens Stätte erscheinen war. Dann formte sich ein<br />

Bogen aus der sonnendurchfluteten Pracht und die tiefe Stimme des<br />

Schöpfungsgottes Hundrìs erscholl aus dem Wispern der Feen und Elfen:<br />

„Wir alle sind gekommen Euch Beistande zu geben. Bestanden habt ihr die<br />

Prüfung, rein ist Euer Streben. Jetzt hat die Zeit begonnen da Euer Schicksal sich<br />

erfüllt. Lang schon haben wir . . . in Schweigen uns gehüllt.<br />

Nun ist der Moment gekommen <strong>von</strong> Eurem Vater zu erzählen. <strong>Das</strong> Rätsel Euer<br />

Herkunft lösend, das Euch so lang schon quälet. Gelesen habt ihr im Prachtgezelt<br />

<strong>von</strong> Bartub dem edlen Streiter. Er war Ilandòrs erschaffener Sohn, wuchs auf bei<br />

Hugìn <strong>von</strong> Galdeòn. Wie Ihr ein stetig Geteilter.<br />

Einst zog er aus zu den Vaithûn, ein düstres Ahnen hatte ihn überkommen. Igrìmlor<br />

war befallen <strong>von</strong> Plagen, der Vater starb in seinen liebenden Armen. Da war er vor<br />

Kummer schwer und benommen. Doch harrte er nicht lang bei dessen Totenstatt.<br />

Es verschlug ihn darauf gen Lìngìs Arèn, der Vaìthûnen heiligen Stadt.<br />

Von dort aus gelangte er sodann nach Elwenas Irdaine, wo sie sogleich begruben<br />

des Meisters Unwin Gebeine, der die Fahrt nicht überstand. Er ward getötet <strong>von</strong><br />

einem Ygdonen, durch dessen erbarmungslose Hand.<br />

Bei Mìrìth Gìlad erfuhr er <strong>von</strong> der Lichteren kommenden Schlacht. Von den schwelenden<br />

Schatten Dhurandòrs, dem tückischern Vàd-Anàkk. Auch <strong>von</strong> seinem<br />

Schicksal tat man kunde ihm. Er sollt der Elben Gute führen der nur den Tapfersten<br />

gebühret.<br />

In der großen Lichterschlacht hat Sylfìens Segen ihn bewacht. Er kämpfte sich<br />

durch schreckliche Horden der Weissung folgend Vàd-Anàkk zu morden. Er brachte<br />

schlußlich den Avan zu Falle. Doch eine Albenlanz stieß in sein Herz und zerquetschte<br />

es gleich einer Kralle.<br />

Nun wisst Ihr um Eure Herkunft, Iland`ors zweiter Sohn. Euch sei es nun beschienen<br />

zu besteigen der Wavan Thron. Doch vorerst zieht gewissenhaft in den heeren<br />

Kriege. Helft die Ungordhèl zu Falle zu bringen, das Schrecknis des Bösen darnieder<br />

zu ringen. Auf das die Quellen der Schatten seien befriedet.“<br />

Nachdem Hundrìs zu Lèfule gesprochen hatte erstarb seine Stimme im Rauschen<br />

67


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

des Windes. Wieder umfing den Jüngling ein weißes Dunkel. Er hörte das Pochen<br />

seines Herzen und seinen Atem ganz deutlich und dennoch gewahr er unversehens<br />

dem durchdringenden Schreien und Rufen der Heerführer.<br />

Wie er erwachte fand er sich sitzend auf dem Roß des Gütigen wieder, der abgestiegen<br />

war und die Zügel gehend führte. Sein Calder ging ungesattelt neben ihnen<br />

her. Lèfule wunderte sich. Er mußte <strong>von</strong> seinem Roß gefallen sein. War es nur ein<br />

Traum den er geträumt hatte oder eine Offenbarung. Er gedachte Hundrìs gesprochenen<br />

Worten als Esragùl plötzlich herumfuhr und ihn forschend anblickte. Dann<br />

nickte er wissend und folgte weiter dem Weg des Stromes der bald am Gipfel angelangt<br />

war.<br />

Der Jüngling begann zu begreifen und nun da er um seine wahre Herkunft wußte<br />

flüsterte ihm sein Herz Mut zu. Derjenige der ihm das Leben geschenkt hatte vererbte<br />

ihm ein Schicksal das reich war an Herausforderungen und Abenteuer.<br />

Dennoch war es Lèfule zugleich eine lastende Bürde und die Ungewissheit ob er<br />

fähig war sie zu bestehen liess den Zweifel an seiner Seele nagen.<br />

Im Herzen der Bugdrìsfeste<br />

<strong>Das</strong> Heerlager erstreckte sich weit in den Talkessel hinein. Als die Dämmerung über<br />

Gran-Dhûr hineinbrach wurden die Holzfeuer entzündet und ein tausendfaches<br />

Glimmen erhellte flackernd die erstarrten Ausläufer des Grandhìs Berges, dessen<br />

mächtige Kuppel drohend in den Abendhimmel ragte und in den schwelenden<br />

Düsterwolken verschwand.<br />

Ein tiefschwarzer Riss, der sich wie eine Narbe ins Gestein gefressen hatte, markierte<br />

den Schlund des Schreckens. Denn „der Pfad der steinernen Schatten“ führte<br />

in die Bugdrìsfeste hinein. Dort wo sich tief unter der Erde das zehntausendköpfige<br />

Heer berittener Alben; in schmiedeiserne Rüstungen gepresste Ygdonen und<br />

Hunderte <strong>von</strong> Gefolgschaften aus dem Geschlecht der wandelnden Halbwesen und<br />

Schattengeister versammelt hatte. Geführt und mit Soll erkauft vom abtrünnigen<br />

Wavan Gàràmakk.<br />

Lärm erscholl aus den Tiefen Bruchwallens, jener sagenhaften Goldmiene die unter<br />

den Labyrinthgängen der Ygdonfeste lag. Hölzerne Stiegen führten hinab zu den<br />

Brennöfen der Rüststatt. In ihrem Herzen fertigten die Ornethùl und Tìgulìer glühendes<br />

Eisen und biegsamen Stahl zu Schwertern; Helmen; Rüstungen und<br />

Lanzenköpfen. Sie goßen das flüssige Material in ausgestanzte Formen aus Stein,<br />

warteten bis es erkaltete und schlugen es anschließend auf Hunderten <strong>von</strong><br />

68


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Amboßen zurecht. Die Ygdonier selbst hatten sich zu einer riesigen Schlange aufgereiht.<br />

Eine mächtige Gestalt nach der anderen trat hervor, lehnte sich den Helfern<br />

entgegen und bekam einen der Helme über den starren Kopf gezogen. An einer<br />

anderen Stelle wiederum wurde das fertige Rüstzeug den hitzigen Streitern übergeben.<br />

Etwas oberhalb der Rüststatt befand sich eine Halle aus grobem Gestein. Dort versammelten<br />

sich die großen und kleinen Kreaturen der Ungordhèl. Der Met floß<br />

reichlich und Bratenspieße garten über den Feuern. In den Gewölbeseen wurde<br />

nach Blindflössern gefischt, jenen riesenhaften Fischen bei denen zwei Bissen<br />

bereits eine Sättigung bewirkten. Die rauflustigen Torokk, gemeinhin als Steintrolle<br />

bekannt, brauchten jedoch in Anbetracht ihrer Größe und Gier gleich mehrere<br />

Zwanzig an der Zahl. Ihre wuchtigen Pranken durchwühlten die Wasser und an den<br />

Felsbrocken floss das Blut unzähliger Fische in Rinnsaalen herab. Ein eigentümliches<br />

Klatschen aufschlagender Körper und das Knacken gebrochener Wirbel<br />

durchdrangen das Gewölbe. Es roch nach den fauligen Wassern des Bucken-Vàr<br />

und nach Exkrementen. Über dem Wehrlager stieg schwelender Dunst auf und es<br />

stank fürchterlich nach angebranntem Fleisch, Moder und dem Muff <strong>von</strong><br />

Schattenmoose das aus den vielen Rissen und Ritzen des Steinbodens hervor<br />

lugte.<br />

An den Feuern herrschte ein Gebrüll und Gejaule das sich zu einer grauenhaften<br />

Melodie zusammen mehrte. Zu einer todkündenden Melodie für alle die der lichten<br />

Welt zugetan waren und für sie eintreten sollten. Zwischen den ruhenden<br />

Ungorelben; den Metfässer leerenden Ygdoniern; den Schwerter schwingenden<br />

Rùgùren; den pöbelnden Ukûlakk und den feisten Alberichen hinkten die tölpelhaften<br />

Gòlcaron, eine primitive Unterart der Steintrolle, als Wehrhelfer entlang. Sie<br />

waren ausgesandt zu schauen ob jedes Schattenwesen auch gut gerüstet und die<br />

Waffen noch unversehrt waren. Denn es kam allzu häufig vor das ein törichter<br />

Trunkbolde mit seiner Schleuder auf wandelnde Schatten am Gemäuer zielte. Oder<br />

das sich streitbare Gesellen mit den Schwerten einen herben Kampfe lieferten,<br />

wobei das Rüstwerk an den steinernen Klauen der Ygdonier zumeist zerbrach.<br />

Nach Bugdrìs Weissung sollte das Heer in nicht weniger als drei Monden gerüstet<br />

und vollzählig sein. Dann sollten die Ungordhèl zusammen mit den Mordìlen eine<br />

tödliche Falle schaffen an der die Caladwesen und die Welt der Wavanweisen zerbrechen<br />

und untergehen sollte.<br />

69


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Ilandòrs Licht & Dhurandòrs Schatten<br />

Der lichte Morgen dämmerte. Krähenscharen kreisten zwischen den Gipfeln des<br />

Spaltgebirges umher. <strong>Das</strong> gleißende Morgenlicht ließ die Caladwesen in besonderer<br />

Schönheit erstrahlen. Unberührt waren die Reihen der Streiter. Noch glänzten<br />

ihre Rüstungen ohne <strong>von</strong> Blut befleckt oder zerissen zu sein. Ganz vorn unter<br />

wehenden Bannern stand die Fußwehr mit Schildern und Schwertern gerüstet.<br />

Dahinter hatten sich die elbischen Bògner mit ihren Längnern aufgereiht. Es folgte<br />

das Lanzenmeer der Reiterschaften welche zu Füßen der Friedriesen, die dem Ruf<br />

Iligans gefolgt waren, standen. Ildafùr und seine Knappen, Galdafòr und Aldafìr, bildeten<br />

die Spitze des Gigantenheeres, das mit Felsbrocken; gewaltigen Hämmern<br />

und allerlei anderen Wurfgeschoßen gerüstet in den Kampf ging.<br />

Die Uradhèl bildeten zwei Flanken. Idanìs führte jene linkerhand und Esragùl jene<br />

rechterhand. In der Mitte eingefasst standen am Kopf des Heeres Avaldòr und<br />

Lèfule. Sie saßen auf geschirmten Caldern deren kunstvoll geflochtene Mähnen<br />

dem Reiter einen zusätzlichen Halt gaben. Zwischen den Reihen lugten die<br />

Wehrfuhren und Feuerböcke hervor, die Schneisen schlagen sollten in die Allmacht<br />

des Schattenheeres. Es herrschte eine unheilvolle Stille, die Uradhèl erwarteten<br />

ihren Feind mit Bedacht. Jeden Moment könnten die Tausendschaften der<br />

Ungordhèl aus den Tiefen des Grandhìs Berges herausquellen. Aber noch regte<br />

sich nichts.<br />

Lèfule war bereit . . . bereit seinem Schicksal entgegen zu treten. Sein roter Schopf<br />

ragte unter seinem Helm hervor, über seinen Schultern hing der prachtvolle<br />

Nìrnadisköcher, in seiner rechten Hand hielt der den prunkvollen Lägner Tìranauk<br />

und an seinem Gürtel stakte die Klinge Evenàrs. Zudem trug er die Gralsgaben bei<br />

sich die bald ihre schicksalshafte Anwendung finden sollten.<br />

Entschlossenheit erfüllte sein Herz und eine brennnende Wut über alles Geschaute<br />

gesellte sich hinzu. Sie tat seinen Willen in dieser schwarzen Stunde stärken. Er<br />

wollte Rache nehmen . . . Rache für den Hinterhalt bei der Flossenfurt; Rache an<br />

jenen die die Fàrnukken vertrieben und mordeten; Rache an solchen die die schöne<br />

Fìnua ihrer Heimat entrißen und gefangen hielten. Er wollte es seinem wahren<br />

Vater gleichtun mit dessem Schicksal er, Kraft der Vorhersehung, verbunden war. Er<br />

wollte kämpfen bis zum letzten Tropfen seines Blutes um die Schatten Dhurandòrs<br />

zu vertreiben und die Caladländer vor deren zerstörerischen Dunkelheit zu bewahren.<br />

Lèfule war gerüstet und gereift um dem Grauen der Avanan die Stirn zu bieten.<br />

Gleich Bartub <strong>von</strong> Galdeon war er zu einem edlen, mutigen Streiter herangewachsen<br />

der nun seine letzte Prüfung zu bestehen hatte.<br />

70


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Stunden harrten sie aus ohne das sich etwas regte. Doch plötzlich zogen<br />

Wolkenwände auf die am Horizont aufeinanderprallten, so das ein lärmendes<br />

Donnern den Himmel durchwalgte. Dann öffnete sich der Schlund des Berges und<br />

die Schlachtchöre der Ungordhèl erschollen aus dem hundertfachen Horngebläse,<br />

das ihnen voran ging. Schwere Tritte liessen den Boden erbeben. Eine schwarze<br />

Wolke bewegte sich gleich einer wütenden Riesenschlange auf das Heer der<br />

Lichtwesen. Ganz oben an der Kuppel des Berges hatte sich der Rat des<br />

Aavangeschlechtes, allen voran Gàràmakk und Grìmlokk, versammelt. Mit erhobenen<br />

Händen die Avras in sich bargen überblickte der schwarze Fürst seine gesammelten<br />

Heerschahren und an seinem kunstvoll gewundenen Gürtel prangte das<br />

Drachenhorn. Wieder erschollen Hornsignale die sich fragend zum Dùnkler aufschwangen.<br />

Der liess seinen Zauberstab auf den Boden sausen und Blitze stoben<br />

aus dessen marmorner Spitze und verglühten sogleich in der Tiefe. Funken regneten<br />

auf die Ungordhèl herab die nun zum Angriff bliesen. Dann setzten sich die<br />

Streiter in Bewegung.<br />

Die Reihen der Alberiche; Rùgu`ren; Ungorelben; Halbwesen und Ygdonier kamen<br />

erst nur langsam voran. Die Torokk und Gòlcaron führten Wehrfuhren und<br />

Schleudern mit sich deren grobe Unterbauten sich nur schwer in Schwung bringen<br />

liessen. Nun erklang auch aus den Reihen der Uradhèl das dumpfe Dröhnen der<br />

Kriegstrommeln und das eigentümliche Brummen der Hörner. Dann, ganz plötzlich,<br />

begann die Fußwehr voranzustürmen gefolgt <strong>von</strong> den sausenden Pfeilen der<br />

Bògner die die ersten Reihen der Ungordhèl zu Falle brachten. Ihnen folgten die<br />

Außenflügel der Reiterschaften die zugleich eine Schneise in die Reihen schlugen<br />

und sich in gestrecktem Galopp die Führung des Heeres aneigneten. Die Heere<br />

begannen sich im Ansturm noch einmal neu zu formieren. Dann hetzten sie erbarmungslos<br />

aufeinander zu.<br />

Sandwolken wirbelten auf wie die streitenden Heere sich umzingelten und versuchten<br />

die gegnerischen Linien zu durchbrechen.<br />

Die Vorhut traf Schwerter schwingend aufeinander. Dann mischten sich die Flanken<br />

und über den Köpfen der Fußwehr erscholl das Geräusch <strong>von</strong> Lanzen die klirrend<br />

aufeinander trafen. <strong>Das</strong> Volk der Hùldren hub mit Kurzschwertern auf die Rùgùren<br />

ein. Und mancher Gòròdhaner verfehlte den Schlag und wurde durch markige<br />

Hände zu Boden gerungen und mit einem Stein erschlagen. Die Ukûlakk rissen<br />

einen Reiter vom Roß, huben ihm Dolche in die Brust und wurden gleich darauf <strong>von</strong><br />

herannahenden Lanzen aufgespießt. Rößer wurden zu Fall gebracht und manche<br />

fanden unter den fliehenden Hufen ihren sicheren Tod.<br />

71


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Die Bògner strömten herbei und erschoßen ihren Feind auf kurze Distanz.<br />

Flinkfüßig tänzelte Aldraìs zwischen den aufgebrachten Reihen der Streiter umher<br />

um den kämpfenden Caladwesen helfend zur Seite zu stehen wenn sie sich in allzu<br />

großer Bedrängnis befanden. Lèfule selbst hielt sich dicht hinter Esragùl. Jedoch<br />

nicht um sich hinter dessen Rücken versteckt zu halten sondern um zahlreiche<br />

Übergriffe, die <strong>von</strong> hinterrücks kamen, abzuwehren. Doch er geriet selbst immer<br />

mehr in die Fänge der heranströmenden Halbwesen und war unermütlich darin<br />

Harnische zu sprengen, mit Evenàrs Klinge die schrecklichen Untiere darnieder zu<br />

ringen und den Bogen einzusetzen während der Feind in a großer Ferne zahlreich<br />

auf ihn lauerte.<br />

Unter die Rößer mischten sich die Reittiere des Schattenheeres. Es waren blutgierige<br />

Geschöpfe mit riesigen Hauern, die denen eines wildgewordenen Keilers glichen.<br />

Mit heraushängender Zunge und hochgezogenen Lefzen schlugen sie wütende<br />

Haken und stürzten auf die Calder zu um sich an derem süßlichen Fleische zu<br />

laben.<br />

Mitten im Schlachtgetümmel wurden die Feuerböcke aufgestellt und bald flogen<br />

brennende Strohbüschel umher, die Reihen der Nachhut zu durchbrechen. Es folgten<br />

die eiserenen Bleikugeln der Steinschleudern die auf die harrenden Reihen<br />

übergingen und Chaos zu stiften begannen. So das viele der Streiter <strong>von</strong> den<br />

Geschoßen überrascht zu Boden gingen. Es klirrten die Schwerter und Lanzen, es<br />

erschollen Schreie und ein schreckliches Geheul aus dem tosenden<br />

Schlachtkessel. Da sausten die Schleudern und Wurfspeere schneidend durch die<br />

Luft und als tausendfaches Echo setzte sich das blutige Treiben an den Bergen des<br />

Spaltgebirges fort.<br />

Rauchfahnen stiegen mahnend in den Wolken durchsetzten Horizont, das Blut floß<br />

in Strömen und begann sich in der Ebene gleich einem roten Teppich auszubreiten.<br />

Lèfule rang mit dem Schrecknis des Bösen. Er ließ sein Roß hinter sich und stakte<br />

das Schwerte schwingend umher, den Feind immer dicht auf seinen Fersen. Eine<br />

Horde Ungorelben umzingelte ihn und hub <strong>von</strong> allen Seiten auf den Jüngling ein.<br />

Doch der fuhr in seiner Wendigkeit im Kreis herum und wehrte die schweren<br />

Klingen flinkerhand ab. Dann nahm er sich Tìranauk zur Hand begann sich dreimal<br />

um die eigene Achse zu drehen, richtete den Bogen auf die Angreifer und streckte<br />

alle Sechs auf einen Streich nieder.<br />

Ein berittener Alberich näherte sich sogleich. Unter seiner Kappe lugten zwei glühende<br />

Augen hervor. Er umkreiste Lèfule und trug eine lange Eisenkette bei sich<br />

die mit einer Dornen durchwirkten Kugel endete. Er liess seinen gierigen Wolfskeiler<br />

72


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

den Jüngling umkreisen und hub mit der Dornenkette auf ihn ein. Diese traf jedoch<br />

nur auf Luft denn der Jüngling verschwand blitzschnell unter den Leib des mächtigen<br />

Tieres. Ratlos blickte der Alberich um sich als sein Reittier plötzlich wütend zu<br />

grunzen begann. Es tänzelte rückwärts und begann Etwas abzuwehren das sich<br />

am Schwanzende hochhievte und auf seinen Rücken glitt. Es war Lèfule.<br />

Blitzschnell griff jener nach der Eisenkette und begann mit aller Kraft seinen Gegner<br />

zu erwürgen, der nach einem längeren Handgemenge schließlich tot vom Keiler fiel.<br />

Dann raste der ungestüme Wildfang ungebremst durch die Reihen. So dass Lèfule<br />

alle Mühe hatte nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Plötzlich jedoch jaulte der<br />

Keiler auf und fiel zu Boden. Avaldòr war dem Jüngling zu Hilfe geeilt und hatte das<br />

Ungetüm mit einer Lanze nieder gestreckt. Lèfule sprang behende <strong>von</strong> seinem<br />

Rücken rannte auf ein gestürtztes Roß zu und zwang es sich aufzurichten. Gerade<br />

als er aufsteigen wollte bäumte es sich unversehens auf, wieherte und trabte<br />

da<strong>von</strong>. Lèfule verspürte einen rasenden Schmerz. Eine Speerspitze hatte sich<br />

durch seine Schulter gebohrt. Der Jüngling griff sich an die Brust und fuhr herum.<br />

Und wie er herumgefahren war erblickte er das scheußliche Anlitz eines Torokk.<br />

Lèfule wurde heiß und kalt zugleich, dann durchfuhr ihn ein Zittern und er kippte mit<br />

starren Augen, die Hand in den Knochen gekrallt vornüber und fiel ins schlammige<br />

Naß. Wie auf der Spitze des Galdakk-Ûn umfing ihn ein Schleier. Er blickte auf und<br />

gewahr aus der Ferne Esragùl der herangeritten kam. Dann näherte sich ihm <strong>von</strong><br />

oben herab eine schrecklich verzerrte Maske die nach einer Lanze griff und . . . . sie<br />

nach unten sausen liess. In diesem Moment jedoch schlug Esragùls Calder einen<br />

Haken und der Gütige trennte mit nur einem Hieb seines Zauberstabes den Kopf<br />

vom Leib des Rùgùren ab. Dann gab er Lèfule ein Zeichen das auf das Bündel an<br />

seinem Wams deutete. Sogleich zog Lèfule noch ganz benommen, Aìnuk die<br />

Zauberwurzel hervor, brach einen Brocken ab und führte ihn zu seinem Mund. Ein<br />

warmes Kribbeln durchlief seine Wunde und vor ihm formte sich die Hand der<br />

Farnise aus. Sie griff sanft an seine Schulter und strich über den offenen Spalt.<br />

Dann verschwand die Hand wieder und als Lèfule sich aufraffte und abermals zum<br />

Spalt herab blickte war jener auf wundersame Weise verschwunden.<br />

Er zog sich am Griff seines Schwertes hoch und blickte sich in den Reihen der<br />

kämpfenden Söhne Ilandòrs, die mit der Schattenmacht Dhurandòrs rangen,<br />

um.Doch verharrte er nur einen kurzen Moment denn sogleich war er gezwungen<br />

den Bogen zu schultern.<br />

Weit hinter dem Schlachtgemetzel lauerte zu beiden Seiten die Nachhut der<br />

Riesen. Es waren bereits Stunden die der Feldzug nun schon währte. Langsam<br />

wurden die Reihen der Caladwesen zurückgedrängt. Ildafùr und seine Knappen<br />

hielten nun die Zeit für gekommen vorzustoßen, da die Ygdonier sich bereits ihren<br />

73


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Wege zum Schlachtgetümmel hin bahnten. Der Himmel brach auf und benetzte die<br />

steinernen Giganten mit einem zarten Regenschleier. Aufrecht standen die<br />

Friedriesen, die in eldaìva auch Sîdener genannt wurden, da . . . mit erhobenen<br />

Häuptern und massigen, stolz gereckten Schultern. Ein geisterhaftes Knistern das<br />

immer lauter wurde und sich zunehmend mehrte begann die Leiber der steinernen<br />

Kolosse zu durchfahren. Knarrend tat Ildafur, dessen Anlitz dem einer riesigen<br />

Marionette glich, einen Schritt nach vorn. Dann öffnete er seinen Schlund und ein<br />

eigentümliches Knarzen liess seine Gefolgschaft aus der Erstarrung erwachen. Den<br />

Boden durchfuhr ein gewaltiges Zittern wie der Gigantenkönig einen Zweiten tat.<br />

Dann öffnete sich abermals sein Maul und nun durchschnitt ein Geheul die Ebene<br />

als täte Felsgestein sich lösen und als Lawine auf Gran-Dhùr darnieder prasseln.<br />

Die Uradhèl brachten sich eiligst an den Westflanken in Sicherheit. Die Ungordhèl<br />

taten es ihnen gleich und zogen sich an die Nordflanken des Spaltgebirges zurück.<br />

Auch die Ygdonier formierten sich, sie bargen Wurfgeschosse und gewaltige<br />

Hämmer in ihren mächtigen Pranken. Khùrdodal und Haldurìkk, Bugdris Knappen,<br />

standen dem Riesenheer vor und sollten es an des Königs Stelle in die Schlacht<br />

führen. Auch sie taten zwei, drei Schritte und liessen den Grund erzittern. Dann<br />

schlugen sie mit den Händen gegen ihre geschirmten Köpfe. Von der Kuppel des<br />

Grandhis-Berges fielen erneut Funken herab und auf Gàràmakks verschlagenem<br />

Gesicht zeichnete sich ein furchtbares Lächeln ab wie er Avras darnieder sausen<br />

liess. Es ertönte ein langgezogenes Hornsignal und die Heere stürmten polternd<br />

einander entgegen. Bald darauf begannen die mächtigen Kreaturen aufeinander<br />

einzuschlagen. Die Ygdonier huben auf die unbedeckten Köpfe der Friedriesen ein<br />

und schwangen die Hämmer bis die Gliederteile <strong>von</strong> Ildafùrs Gefolschaft zerbrachen<br />

und die wuchtigen Kreaturen in sich zusammenfielen. Die Sîdener hingegen<br />

rissen den Ygdonen die Helme vom Haupt und schlugen mit gewaltigen Fäusten<br />

darauf ein. Die mächtigen Leiber verkeilten sich solang ineinander bis es auf einer<br />

der Seiten zu tödlichen Rissen kam die das Gesteine sprengten. Ein Beben folgte<br />

jeder niedergerungenen Kreatur, die krachend auf dem Boden aufschlug und in tausendfache<br />

Geröllstücke zerbarst. Und so verwandelte sich die Ebene <strong>von</strong> Gran-<br />

Dhùr binnen kurzer Zeit in eine gewaltige Wüste aus Stein. Immer mehr Giganten<br />

der Ungordhèl strömten heran und doch kämpften die Friedriesen zu entschlossen<br />

und drängten die schwarzen Reihen zurück. Sie hielten Stand und wirkten in ihrer<br />

Massivität unverwüstlich. Wann immer ein Sîd zu Boden ging verdoppelten sie ihre<br />

Kraft und schufen einen Wall den die Ygdonier vergebens zu durchbrechen suchten.<br />

Weitab, an den schützenden Ausläufern der westlichen Bergflanken eilten die<br />

74


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Nyrnarè den schwer verletzten Streitern zu Hilfe. Doch für manch einen konnte es<br />

keine Rettung mehr geben. So verstarb Avaldòr in Idanìs Armen wie so Viele tapfere<br />

Mannen an jenem schicksalshaften Tag. Und des Hùldrenfürsten Augen schlossen<br />

sich wie Tylefìn ihm Weißmoos auf das Herze band Doch da gab es keine Zeit<br />

in Kummer zu verharren. Trotz der Erschöpfung und der ungezählten Wunden sammelte<br />

sich das Heer der Uradhèl <strong>von</strong> Neuem am Fuße des Raldakk-Ûn und verließ<br />

seinen schützenden Hort. Die Caladwesen schöpften neue Hoffnung da die mächtige<br />

Hand des Friedriesenkönigs den schwarzen Erzriesen Einhalt gebot. Abermals<br />

mischten sich die Heere und es schien als übernähmen Ilandòrs Söhne die<br />

Führung in diesem heeren Streite . . . .<br />

Mordìs Rakk, das Drachenhorn<br />

Gàràmakk, Dhurandòrs erster Diener, stand auf der Spitze des Grandhìs- Berges.<br />

Gespannt beobachtete er das Geschehen und über seine Gestalt zogen Krafadùn<br />

und die Scharfäugler hinweg. Mit seinen schwarzen Augen gewahr der Fürst aller<br />

Schatten dem Vormarsch der Caladwesen, die die Ungordhèl <strong>von</strong> beiden Seiten zu<br />

umzingeln begannen. Aus dem Schlachtkessel heraus vernahm er die Todesschreie<br />

der Ukùlakk und Rùgùren die in den entschlossenen Rufen der Uradhèl untergingen.<br />

Und er sah die Ygdonier, die zur Bugdrìsfeste hindrängten, flüchten und unter<br />

den Schlägen der Sîdener zerbersten.<br />

Nun war es an der Zeit den Caladwesen das Fürchten zu lehren und jenen zu vernichten<br />

der der Weissung nach sein ärgster Widersacher war. Der Dùnkler griff<br />

nach dem prachtvollen Horne, dass an seinem Gürtel befestigt war. Es war der letzte<br />

Stoßzahn aus dem Maul des Gadafanten Felatòkk.<br />

Jenem Könige der vor langer Zeit die Steppen Endorìns beherrschte. Gadafanten<br />

waren gewaltige Tiere, die einst die gräsernen Weiten der Marna-Aùre die zwischen<br />

Kastarènien und Igradhûr, der Heimstatt der Einhörner, lag durchzogen. Doch ihre<br />

Tausendschaften wurden als Reittiere zur Zeit der Lichterkriege genutzt. Sie starben<br />

zu Tausenden und ihr Volk überlebte die Schlacht nicht. In der<br />

Wurzenwildebene Trollingens lagen nun die Bruchstücke ihrer mächtigen Körper<br />

verteilt, die den Erdtrollen als willkommene Behausung dienten.<br />

<strong>Das</strong> Mundtsück des Gadafantenhornes war mit Gold verziert und bestand aus zwei<br />

Drachenklauen die das Ende des Stoßzahnes umfassten. Gàràmakk setzte es<br />

behutsam an seine Lippen und blies dreimal hinein, so das das tiefe Brummen, das<br />

kurz darauf einsetzte, den Talkessel ausfüllte. Dann begann der Horizont sich zu<br />

75


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

verdunkeln und ein grauenhaftes Kreischen das aus der Ferne näher zu rücken<br />

begann durchfuhr das Tosen der Elemente. Mordìs Rakk hatte nach Umànvàr und<br />

seiner scheußlichen Gefolgschaft gerufen und die Mordìl folgten ihm. Für einen<br />

Moment hielten die Streiter inne. Suchend richteten sie ihren Blick gen Horizont.<br />

Eine unheilvolle Stille breitete sich wie ein Lauffeuer aus und Lèfule ergriff die<br />

Ahnung das etwas Mörderisches sich seinen Weg herab bahnte. Plötzlich schwangen<br />

sich mächtige Drachen über die Kuppel des Grandhìs Berges und fegten feuerspeiend<br />

über die Streiter hinweg. Die Bògner formierten sich und zielten auf die<br />

Unterseite der Körper aber die machtvollen Kreaturen erwiesen sich als schnell und<br />

wendig. Sie durchbrachen die Stellungen der Schützen und rissen die ersten<br />

Reihen mit ihren Klauen fort. Dann öffneten sie ihre Mäuler und fielen Flammen<br />

speiend in den Schlachtkessel mit ein. Immer dichter zogen sie ihre Kreise und<br />

schufen tödliche Feuertiegel aus denen es kein Entrinnen gab. Umànvàr der<br />

Schrecklichste und Größte aller Drachen zog über das Geschehen hinweg und<br />

suchte den Auserwählten im Getümmel auszumachen.<br />

Immer dichter flog er heran um dann schnell wie ein Blitz aufzusteigen und den<br />

zahllosen ´Pfeilen die nun auf ihn zielten zu entkommen. Er drehte und wand sich<br />

in der Luft, hielt den Kopf dabei jedoch gesenkt und glotzte mit furchterregenden,<br />

glühenden Augen umher. Schließlich gewahr der Fürst der Mordìlen einem<br />

Zauberer in dessem Schatten eine Gestalt mit einem Golcàron rang und mit einem<br />

besonders prachtvollen Längner um sich schoß. Umànvàr kam näher, öffnete seinen<br />

Schlund und bließ einen Feuerball auf die Gefährten nieder. Seine Ohren, die<br />

sich als kleine Scharten gleich hinter den Augen befanden, streiften dabei uraische<br />

Formeln, die der alte Mann trotzig gegen das Schlachtgelärme in die<br />

Himmelsgewalten rief. Ein weißes Licht glomm auf. Der Feuerball schoß darauf zu<br />

und prallte wie an einer unsichtbaren Mauer daran ab. Dann blieb er eine Weile in<br />

der Luft stehen und kam Umànvàr mit voller Wucht entgegen. Zornig wich der<br />

Drache aus und Zorn war es der ihn nun blind nach unten vorstoßen liess und den<br />

Zauberer, noch bevor er seinen Spruch beendet hatte, mit seinen Krallen niederriß.<br />

In diesem Moment legte Lèfule mehrere Nìnrnadìspfeile an die Sehne seines<br />

Längners, richtete sie aus, konzentrierte sich auf die Unterseite des Bauches und<br />

zielte ohne zu Zögern auf den schuppigen Leib der über ihm hinwegfegte. Zehn der<br />

Pfeile schlugen unterhalb der zweiten Herzkammer ein. Der Mordìl stöhnte auf,<br />

schlug mit einem lauten Krachen auf dem Boden auf und erdrückte mit seinem<br />

gewaltigen Leib viele Streiter, die unter seinem kalten Flügelschlage mit der<br />

Nachhut der Ukùlakk gerungen hatten. Geschwächt und ohne die nötige Kraft aufzusteigen<br />

blieb Umànvàr einige Momente regungslos liegen. Dann bäumte er sich<br />

wütend auf und spieh Lèfule der vor ihm stand und nach Esragùl suchte noch einen<br />

Feuerball entgegen. Derselbe bückte sich so schnell er nur konnte und das<br />

76


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Flammengeschoß verglühte sogleich in der flirrenden Luft hinter ihm. Lèfule trat<br />

näher an den Drachen heran, dessen Flügel nun mit huldrischen Erzkugeln beschoßen<br />

wurden und ob der vielen Löcher in der gespannten Haut das schreckliche<br />

Untier folglich flugunfähig machten. Umànvàr riß sein Maul auf und zischte giftig.<br />

Der Drache war schwer verwundet und Lèfule nutzte diesen Vorteil für sich aus. Er<br />

rannte los und wich den Hauern aus mit denen der Mordìl aufgebracht nach ihm<br />

schnappte. Dann hievte er sich an einem Widerhaken auf den Hals des Ungeheuers<br />

hoch und hub solange auf ihn ein bis die Wirbel brachen und aus der Wunde ein<br />

gewaltiger Riß hervor ging, der den Kopf vom Leibe trennte. Dann fiel Lefule kopfüber<br />

herunter, rollte sich zur linken Pranke hinüber und verharrte erschöpft im<br />

Schutz ihres Schattens. Seine Augen wurden dunkel. Doch bevor die Müdigkeit ihn<br />

für einige Minuten übermannte gewahr er im rauchschwelenden Horizont mächtiger<br />

Kreaturen, die mit großen Schwingen zum Schlachtfelde heranzogen.<br />

Aus der weiten Ferne kam Ardenwìn, der Greifer Könige, mit seiner Gefolgschaft<br />

heran und eilte den Caladwesen zur Hilfe. Nun balgten sich am düsteren<br />

Himmelszelt Drache und Greif und manch riesigen Leib zwang es dabei in die<br />

unheilvolle Tiefe.<br />

Esragùls Ende<br />

Stunden waren vergangen erschöpft suchte Lefule Schutz hinter einem mächtigen<br />

Felsbrocken, einem zerbrochenem Glied aus der Hand eines gefallenen<br />

Frieddriesen. Er lehnte sich gegen den Stein und befühlte seine zahlreichen<br />

Wunden an den erschlafften Gliedern. Dann zog er sich den Helm vom Kopfe und<br />

schnappte nach Luft. Hinter der schützenden Deckung tobten die entfesselten<br />

Heere. Lèfule hielt inne und doch spähten seine Augen unruhig umher. Ruß<br />

bedeckte seinen Körper und die Rauch durchwalgte Luft raubte ihm den Atem. Ein<br />

ungeheuerliches Durstgefühl brannte in seiner Kehle und er öffnete den Mund um<br />

ein paar Tropfen des sauren Regens zu erhaschen der unablässig auf ihn herabrieselte.<br />

Die Schreie der Gefallenen klangen in seinen Ohren. Der dumpfe Aufschlag zerfetzter<br />

Körper; das Klirren der Schwerter und Lanzen; das Sausen der Pfeile und das<br />

Knistern der lodernden Flammen wuchsen zu einem dröhnenden Kreisel heran der<br />

sich in seinem Kopf zu drehen begann. Er schloß für einen Moment die Augen und<br />

rieb sich die Stirn so als versuchte er das Geschaute wie einen schrecklichen<br />

Traum, der sich seiner Gedanken bemächtigte, zu verscheuchen. Plötzlich jedoch<br />

verhallten die Schreie; das Klirren der Lanzen und Schwerter; das Sausen der<br />

Pfeile und aus Lèfules tiefstem Inneren bahnte sich ein sanften Klingen seinen Weg<br />

77


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

heraus und formte sich zu einer süßen Melodie der an das zarte Spiel einer Harfe<br />

erinnerte. In seinem Herzen tat sich ein Spalt auf und aus diesem Spalt heraus quoll<br />

eine eigentümliche Kraft die wärmend seine ermatteten Glieder umfing und durch<br />

seine Adern floß.<br />

Unversehens spürte er eine Hand die an seiner Schulter rüttelte. Er blickte auf.<br />

Esragùl, vom schweren Kampf mit Umànvàr gezeichnet, hatte sich zu ihm durchgeschlagen<br />

und brach an seiner Seite zusammen. <strong>Das</strong> Anlitz des Gütigen war aschfahl<br />

und Blut rann aus seiner Brust. Der Zauberstab des Weisen glitt aus dessen<br />

Fingern und rollte vor seine Füße. Die Arìnglohe glühte nur noch schwach und das<br />

prächtige Eichenholz war grau und brüchig geworden. Lèfule übermannte eine tiefe<br />

Trauer und er zog den Wavan zu sich heran bis er in seinen Armen ruhte. Dann<br />

holte er Aìnuk aus seinem Wams hervor und hieß den alten Zauberer da<strong>von</strong> zu<br />

kosten. Doch dieser schüttelte den Kopf und wehrte Lèfules Drängen einen Bissen<br />

zu nehmen verdrossen ab.<br />

Mit letzter Mühe ergriff er Lèfules Hand. In seinem Blick lag eine tiefe Klarheit und<br />

er mahnte seinen Schützling, dass es nun an der Zeit war nach dem Steinverschlag<br />

zu suchen und die schrecklichste Schattenkreatur der Ungoren zu vernichten. Auf<br />

das er sich seiner Bestimmung mit Wohlbedacht und größter Achtsamkeit füge. Und<br />

das er nie vergessen sollte das die Welt aus Elementen bestünde die nur im<br />

Ebenmaß miteinander auf Endorìns Weiten wirken konnten. So wie es die<br />

Schöpfung vorgab. Esragùl wies dabei auf das Linnensäcklein an Lèfules Wams.<br />

Dann durchfuhr den Zauberer ein wildes Zucken und sein Blick verblasste.<br />

Esragùls Aufgabe war nun erfüllt und er begab sich auf die lange Reise nach<br />

Thûlengan um dort in den Reihen der unsterblichen Seelen seinen Platz einzunehmen.<br />

Lèfule entfuhr ein Schrei des Aufbegehrens und er presste Esragùl an sein Herz,<br />

schüttelte dessen leblosen Leib auf das er wieder erwache. Doch es war vergebens,<br />

sein irdisches Leben war auf immer erloschen.<br />

Nach einer rasenden Ohnmacht liess der Jüngling <strong>von</strong> dem Toten ab. Er schlug sich<br />

die Hände vor das Gesicht und Tränen schoßen unter ihnen hervor. Die gleiche<br />

Leere und Verzweiflung umfing ihn wie einst als er sein Vaterhause verlassen<br />

mußte. Und wieder gewahr er dem verzweifelten Ringen der Lichteren die sich tapfer<br />

gegen Gàràmakks Todesdrachen zu verteidigen suchten. Die süße Kraft die ihn<br />

vorangetrieben hatte wich dem Leid Tausender die ihr Leben ließen und für die es<br />

keine Rückkehr mehr geben sollte. Doch jäh in diesem Augenblick der Verlassenheit<br />

erschien ihm Fìndegìl, sein treuer Gefährte. Er hob den Wünschel Bùttrùten empor<br />

und wies ihn an ihm zu folgen.<br />

78


<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Die Dämmerung brach herein. Lèfule und Findegìl bahnten sich ihren Weg durch<br />

die brennenden Fuhrgewerke und über leblose Körper hinweg. Asche regnete<br />

unablässig auf sie herab und der Nebel der sie umfing machte ihre Körper unsichtbar<br />

dem Auge des Feindes gegenüber. So entfernten sie sich immer weiter vom<br />

Schlachtfeld und gelangten schließlich zu einem hoch aufragenden Mammutfelsen<br />

dessen Öffnung ein schwarzer Schlund markierte der sich im Inneren zu einer<br />

gewaltigern Höhle ausformte.<br />

Wie sie die Öffnung passierten schlug ihnen ein übler Dunst entgegen. <strong>Das</strong> Licht<br />

der Wünschelrute offenbarte in der feuchten Dunkelheit riesiges Tropfgestein das<br />

<strong>von</strong> den feuchten Wänden herab hing. Der Untergrund war rissig und in den vielen<br />

Narben bildeten sich kleine Rinnsaale die in ungeahnte Tiefen hinabflossen. Immer<br />

weiter führte ihr Weg sie hinab und je tiefer sie gelangten desto mehr nahm der<br />

eigentümliche Gestank, der an einen Bärenhort erinnerte, zu. Seltsames Getier<br />

stob da<strong>von</strong> wenn Buttrùtens Licht das uralte Gestein streifte und die vorsichtigen<br />

Tritte der Gefährten setzten sich dabei als mahnendes Echo fort.<br />

Lèfule hatte alle Mühe nicht zu stürzen denn immer wieder ragten unversehens<br />

grobe Schieferbrocken vor seinen Füßen auf und er drohte durch den matschigen<br />

Grund abzurutschen. Ab und an machte Fìndegìl Halt und leuchtete zurück damit<br />

sein Schützling unbeschadet weiter gelangen konnte, so wie es der Gütige ihm aufgetragen<br />

hatte.<br />

So wanderten sie durch die Dunkelheit bis sich die Höhle zu verengen begann und<br />

sie an ein Tor gelangten dessen grob ausgestanzter Rahmen <strong>von</strong> gewaltigen<br />

Wölbungen umrandet war, die sich zu einer Buchstabenreihe zusammenfügten. Sie<br />

ergaben das drudische Wort Omràc Narg, Wolfsschlund. Hier machte F`ìndegìl<br />

Halt. Er legte seine Wünschelrute beiseite und blickte Lèfule der sich erschöpft auf<br />

den Griff seines Schwertes stützte lange an. Dann wies er zur Öffnung hin und<br />

sprach zu seinem Gefährten:<br />

„Viele Wege, viele Pfade finden irgendwann ein Ende. <strong>Das</strong> Schicksal flocht zusammen<br />

uns doch nun erfolgt die Wende. Dort hinab so steiget nun, tapfrer Lefulaìse,<br />

allein müßt ihr jetzt wandeln, hin zum Ende Eurer Reise. Die Bande unserer<br />

Freundschaft ketten mich an diesen Ort und kehrt ihr nicht zurück so bleib ich<br />

immerfort.<br />

Denkt dort Draußen tobt, die größte aller Schlachten und hier in diesem düsteren<br />

Hort, diesem unliebsamen Ort, wird ein böser Schatten denn nach Eurem Leben<br />

trachten. Sodann ich werd` verweilen des Wandrers Glücke zu beschwören und<br />

hoffe dabei stets die Götter mögen mich erhören.“<br />

Lèfule reichte dem Fährtenweiser die Hand. Eine Rührung durchfuhr sein Herz wie<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

er den treuen Worten seines Gefährten gelauscht hatte und gleichermaßen war er<br />

entschlossen dem Schrecken Aller ein Ende zu bereiten. Den Nurnìn gedenkend,<br />

deren Fäden ihn zu diesem Ort geleitet hatten, umfasste er den Griff seines<br />

Schwertes und machte sich daran den Schlund mit eingezogenem Kopf zu durchschreiten.<br />

Oanghùl, die Stadt der Verdammten<br />

Eine bedrohliche Stille waltete im Omrác Narg. Nur das unablässige Tropfen des<br />

Wassers das an den Wänden hinab wanderte durchbrach im rhytmischen<br />

Sekundentakt den Mantel des ewigen Schweigens. Lèfule tastete sich wie ein<br />

Blinder voran. Ihm schlug ein übler Dunst entgegen der aus dem kalten Gestein zu<br />

quellen schien. Es war der Hauch des Todes der jeden seiner zaghaften Schritte<br />

umfing und er spürte aus der Unebenheit des Bodens heraus alte Knochen zerbersten.<br />

Mit jedem Atemzug sog er die Gewißheit mit ein, das irgendwo im Dunkel ein<br />

Dämon auf ihn lauern müßte, der danach gierte ihn mit seinen Klauen zu zerquetschen.<br />

Nun war er allein, auf sich gestellt. Am Ende aller Dinge angekommen und<br />

es war nur noch eine Fingerspitze weit bis der Faden der Nurnìn seine ungewisse<br />

Erfüllung finden sollt. Schier endlos führte der Pfad ihn immer tiefer in das Herz des<br />

Berges hinein. Der Jüngling irrte durch die Dunkelheit bis die Luft sich auffrischte<br />

und der Weg, nach einer schneckenhausartigen Biegung, sein plötzliches Ende<br />

fand. Er mündete in ein Untergewölbe das sich unversehens vor Lèfule auftat.<br />

<strong>Das</strong> Echo seiner verstummten Schritte hallte an den Wänden fort. Er hatte abprubt<br />

Halt gemacht und ruderte mit den Armen um ins Gleichgewicht zu kommen. Es<br />

hätte nicht viel gefehlt und er wäre in einen Abgrund gestürzt dessen Tiefe er nur<br />

erahnen konnte. Lèfule taumelte rückwärts und hielt sich mit Mühe und Not an<br />

einem steinernen Vorsprung fest. Dann griff er in sein Wams und zog das<br />

Linnensäcklein hervor. Nach einigem Tasten angelte er Vììlanik, der Zwerge<br />

Gralsgute, heraus. Der Stein war kühl und wog, trotz seiner geringen Größe, schwer<br />

in Lèfules Hand.<br />

Er drehte und wendete ihn ein paar Mal mit seinen Fingern hin und her. Dann ließ<br />

er ihn kreisförmig in seiner Handfläche auf und ab tanzen. Ein fahles Glimmen<br />

umfing das Gralsgut aber nichts geschah. Keine Zauberfunken prasselten nieder,<br />

kein Helferswichtel erschien ihm um ihm seine Dienste anzubieten. Er wiederholte<br />

den Vorgang ein paar mal aber ohne Erfolg. Entmutigt sackte er in sich zusammen.<br />

Ergriffen <strong>von</strong> einer plötzlichen Einsamkeit starrte er versunken ins gähnende<br />

Niemandsland das irgendwo vor ihm lag. Ein dunkler Schleier breitete sich über<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

seine Gedanken aus. Er verspürte die leere und den Kummer über Esragùls Tod.<br />

Zum Gefühl des Alleinseins gesellte sich der Wunsch den alten Magier in diesem<br />

Moment des Zweifelns an seiner Seite zu haben. Er fragte sich bange ob er stark<br />

und weise genug war die Aufgabe die ihm zuteil geworden war zu bestehen.<br />

Plötzlich jedoch, in diesem Augenblick der Verzweiflung, hörte er eine Stimme die<br />

warm und voll seine Gedanken durchdrang. Sie wiederholte eine Formel die aus<br />

einer weit entfernten Erinnerung in sein Gedächtnis zurückkehrte:<br />

„Naht Unheil Euch so reibet ihn. Werft Stöckelein dazu. Ein Zwerglein wird Euch<br />

dienlich sein, vertreibt des Spuk im Nu ...“<br />

In seinem Geist sah er Drùvart, Ettensteins Schwellenwichtel, vor sich. Die Stimme<br />

jedoch gehörte einem anderen vertrauten Gesicht. Lèfules Hand fuhr wie <strong>von</strong> selbst<br />

in die Brusttasche seines Wamses. Durch einen glücklichen Zufall erfühlte er ein<br />

Stück Forsyholz das sich im Futter verfangen hatte. Er pflegte bei seinen<br />

Streifzügen durch den Undarwald stets ein paar Strauchbeeren als kleine<br />

Wegzehrung bei sich zu tragen. Nun kam ihm diese Gewohnheit zugute. Er zog das<br />

Hölzchen heraus und rieb mit der anderen Hand den Stein. Dann liess er es sachte<br />

zu Boden fallen. Der Zauberstein begann zu pulsieren und aus dem zuckenden<br />

Lichtkegel ging ein Winzling hervor, Earfàrn der Hüter des Farnomisengrales. Der<br />

Jüngling beugte sich herab bis sie auf gleicher Blickhöhe waren. Dann bat er das<br />

Männlein um eine Fackel die es vermochte die tiefste Finsternis zu erhellen und die<br />

selbst dem Atem des Sturmherren standhielt. Eàrfarn nickte und mit seinem Zerfall<br />

in Hunderte <strong>von</strong> Lichtteilchen verschwand Vììlanik wie <strong>von</strong> Zauberhand. An seiner<br />

Stelle barg Lèfule den eisernen Griff der ewigen Fackel Narwarìl deren Licht die<br />

Dunkelheit taggleich erhellte.<br />

Die Zauberfackel gab den Blick auf eine gewaltige Grotte preis die mit einer Kuppel<br />

aus gezacktem Salzgestein abschloß. Ein riesiger See füllte das starre Gewölbe<br />

aus in dessen Mitte sich eine Insel aus schroffem Felsmassiv auftürmte. Die eigentümlichen<br />

Steinplatten, die aus dem Grunde emporragten, waren über Brücken und<br />

grob ausgeschlagene Treppen miteinander verbunden, die ihren Abschluß in fuchsbauartigen<br />

Löchern fanden. Ein Teil der behelfsmäßig errichteten Außenmauern<br />

war eingestürzt und wurde vom Wasser geflutet das sich unaufhaltsam in den Stein<br />

fraß. Stege aus modrigen Balken umrahmten die gespenstische Kulisse, die schon<br />

seit langem unbewohnt und dem Zerfall anheimgefallen war. An eiserne Pflöcke<br />

gekettet trieben die Überreste alter Boote und Fähren hin und her. Sie konnten nur<br />

noch auf die Gnade hoffen auf Grund zu laufen um in den Tiefen des Sees ihr trauriges<br />

Ende zu finden. Vor Lèfules Augen lag Oanghùl, die Stadt der Verdammten.<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Mirith</strong> <strong>Gilad</strong><br />

Alles Leben war an diesem Ort schon seit langer Zeit verloschen aber jeden, den<br />

es einstmals hierher verschlug, war es bestimmt gewesen ein <strong>Das</strong>ein in Schrecken<br />

und Armut zu fristen. Oangûl beherbergte einst alljene unglücklichen Geschöpfe,<br />

die zur Zeit der Lichterkriege in die Fänge der Avanan gerieten. Sie waren als<br />

Sklaven Dhurandòrs verschleppt worden und schufteten in den Salzmienen die sich<br />

rund um die Grotte erstreckten. Unter den erbarmungslosen Peitschenhieben der<br />

Steintrolle und Ungorelben wurden sie täglich wie eine Herde Vieh zusammen<br />

getrieben. Dann verlud man sie auf kleine Fähren und brachte sie zu den Gruben.<br />

So verging Tag um Tag in dieser kalten, unwirklichen Welt aus der es kein Entrinnen<br />

gab denn die Wachen waren schreckliche Geschöpfe. Unbezwingbar und gierig<br />

nach Folter und Leid. Jeder Fluchtversuch wurde vereitelt und mit einem langsamen,<br />

qualvollen Tode bestraft indem der Flüchtige und seine Helfer an einen Pfahl<br />

gekettet wurden, der mit eisernen Dornen versehen war um dort elendig zu verhungern.<br />

Wenn das Horn nach dem Tagewerk zur Sammlung blies kehrten die Entrechteten<br />

mit brennenden Augen, salzgegerbter Haut und gekrümmten Rücken aus den<br />

Schächten zurück. Dann waren sie sich einige Zeit selbst überlassen bis die wenigen<br />

Stunden der Rast vorüber waren und die Schinderei <strong>von</strong> Neuem begann. Doch<br />

irgendwann bereitete eine unbekannte Macht dem Elend ein plötzliches Ende und<br />

Oanghûl war fortan dem Untergang geweiht.<br />

Die Schlüsseltore <strong>von</strong> Amardhûn<br />

Lèfule beleuchtete den Boden. Vor seinen Füßen gähnte ein Abgrund <strong>von</strong> etwa<br />

zehn Metern Tiefe. An der Außenkante war ein vierfach gewundenes Tau angebracht<br />

das an einer Eisenkralle befestigt war. <strong>Das</strong> Tau verlor sich in der Tiefe und<br />

endete vor einer schmalen Plattform die auf der Höhe des Sees lag. Dort unten<br />

schaukelte verloren ein einziges Boot vor sich hin...<br />

Demnächst gehts weiter ...<br />

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