ScHAuSPIEL - Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin
ScHAuSPIEL - Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin
ScHAuSPIEL - Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin
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S C H A U S P I E L · M U S I K T H E A T E R · B A L L E T T · K O N Z E R T · F R I T Z - R E U T E R - B Ü H N E · P U P P E N T H E A T E R<br />
SEPTEMBER BIS NOvEMBER 2012<br />
impuls 92<br />
MAgAZIN dES MECKLENBURgISCHEN STAATSTHEATERS SCHwERIN<br />
Foto von Silke Winkler aus der Serie GESICHTER DES THEATERS. DIE PUPPENSPIELERIN ANTJE BINDER AB SEPTEMBER NEU<br />
ZU ERLEBEN IN FRAU ANTJE UND HERR KLAUS SPIELEN UND AB NOVEMBER IN DAS TAPFERE SCHNEIDERLEIN
ANZEIGEN
HOcHvEREHRTES PuBLIKuM,<br />
der Schauspieldirektor geht fremd. gleich zweimal in einer Spielzeit betrügt er<br />
seine treue, vertraute gefährtin „Schauspiel“ mit der geheimnisvoll, seriösen geliebten<br />
„Musiktheater“.<br />
Sie kam in gestalt einer fliegenden Maus und eines Haardesigners, der Hochzeit<br />
machen wird, angeschwebt und hat so lustvoll gelächelt. Ich konnte nicht widerstehen<br />
und hoffe und bange, dass sie mich nicht verstößt, und dass sie hält, was<br />
sie verspricht.<br />
Sie, hochverehrtes Publikum, und auch ich, werden ein stark verändertes Musiktheaterensemble<br />
erleben. dr. Ute Lemm als neue Operndirektorin, daniel Huppert<br />
als neuer generalmusikdirektor, Katharina Riedeberger als neue Chefdramaturgin<br />
Musiktheater und viele wunderbare neue Sängerinnen und Sänger werden den<br />
Zauber, der ja bekanntlich jedem Anfang innewohnt, auf unserer Bühne entfalten.<br />
Mozarts Oper Die Hochzeit des Figaro geht zurück auf ein Schauspiel, und mein<br />
Anspruch und mein glück wären es, viel von der Tragik und Komik des Schauspiels<br />
außergewöhnlich spielerisch in der Oper sichtbar werden zu lassen.<br />
während ich diese gedanken in den Computer tippe, sitze ich im Zug. Ich bin<br />
viele Stunden in Richtung Süden gefahren, um einen Schauspieler zu treffen, den<br />
sie wahrscheinlich alle kennen. Ich hoffe ihn für die Rolle des Frosches in der Fledermaus<br />
im Rahmen der SCHLOSSFESTSPIELE SCHwERIN im nächsten Sommer<br />
zu gewinnen.<br />
die gespräche waren sehr gut und hoffnungsvoll, aber erst wenn die verträge<br />
unter dach und Fach sind dürfen wir Ihnen den Namen verraten.<br />
Ich bin sicher, bis der nächste Impuls erscheint werden wir das geheimnis gelüftet<br />
haben.<br />
Bis dahin<br />
Ihr<br />
Peter dehler<br />
Schauspieldirektor<br />
iNHAlT<br />
EDITORIAL<br />
Editorial<br />
Schauspiel<br />
der ideale Mann 2<br />
Illusionen 4<br />
zu jung zu alt zu deutsch 5<br />
Frau Müller muss weg 6<br />
Spielstätte Stadt 8<br />
Bis ans Limit 10<br />
Am Anfang war es Liebe 12<br />
werk3<br />
Ballett<br />
13<br />
Coppélia 14<br />
Ballettdirektor Sergej gordienko 16<br />
Abschied Milena Ballhaus<br />
Musiktheater<br />
18<br />
die Hochzeit des Figaro 20<br />
Musikfeind/Opernprobe 22<br />
Konzertkalender 24<br />
Einmalig<br />
Fritz-Reuter-Bühne<br />
26<br />
geld verdarwt denn‘ Charakter 28<br />
Theaterpädagogik 30<br />
Puppentheater 32<br />
Theaterfreunde 34<br />
Kulturschutz+Kunst 36<br />
AUTOREN<br />
RR: Ralph Reichel; KH: Karoline Hoefer; KR: Katharina<br />
Riedeberger; Sg: Sergej gordienko; KL: Katja Lorenz; AR:<br />
Anke Rauthmann; KvdH: Katharina von der Heide; MB:<br />
Manfred Brümmer; AH: Antonia Holle, KF: Katja Frick; HB:<br />
Hela Baudis u.a.<br />
t<br />
Impressum<br />
HERAUSgEBER:<br />
<strong>Mecklenburgisches</strong> <strong>Staatstheater</strong> <strong>Schwerin</strong> ggmbH<br />
gENERALINTENdANT UNd gESCHäFTSFÜHRER:<br />
Joachim Kümmritz<br />
REdAKTIONSAdRESSE:<br />
Marketing · <strong>Mecklenburgisches</strong> <strong>Staatstheater</strong><br />
<strong>Schwerin</strong> ggmbH, Alter garten 2, 19055 <strong>Schwerin</strong><br />
www.theater-schwerin.de<br />
FOTOS: Silke winkler, Archiv u.a.<br />
gESTALTUNg: adani werbeagentur, www.adani.de<br />
ANZEIgEN: Agentur Reiner Prinzler (0172/3114842)<br />
druck: digital design<br />
Spielzeit 2012/2013<br />
Heft 92 (September–November 2012)<br />
Änderungen und Druckfehler vorbehalten
2 <strong>ScHAuSPIEL</strong><br />
PREMIERE<br />
t<br />
Regie: Christian Weise<br />
Bühne: Marc Bausback<br />
Kostüme: Andy Besuch<br />
Musik: Falk Effenberger<br />
Mit: Katrin Heller, Sonja Isemer, Brigitte<br />
Peters, Anja Werner; Dirk Audehm,<br />
Klaus Bieligk, Christoph Bornmüller,<br />
Jochen Fahr<br />
Premiere: 31. August 2012,<br />
Großes Haus<br />
DER iDEAlE<br />
mANN<br />
OSCAR wILdE<br />
dEUTSCHE FASSUNg vON ELFRIEdE JELINEK<br />
Sir Robert Chiltern hat eine Blitzkarriere aufs politische Parkett gezaubert. Er steht<br />
kurz davor, ins Kabinett berufen zu werden. Bei all dem ist es ihm außerdem<br />
gelungen, einen tadellosen Ruf für seine blendend weiße weste zu genießen. Er<br />
wird dafür von seiner Frau und seinen Kollegen gleichermaßen bewundert und<br />
verehrt.<br />
Seine schöne und junge Frau ist eine der führenden damen auf den Charity-veranstaltungen<br />
der High Society und ständig um die Rettung der welt durch Spendengalas<br />
und Politikergattinnentreffen bemüht. dieses edle Paar ist dabei, sich schon<br />
in relativ jungen Jahren für ein Spitzenamt in der politischen Elite zu empfehlen.<br />
doch es gibt da leider eine vergangenheit. die Erinnerungen daran hatte Robert<br />
Chiltern lange unter seiner weißen weste verborgen. Jetzt taucht eine gefährliche<br />
Spekulantin auf, die weiß, wie man wissen in Kapital verwandelt. diese Frau besitzt<br />
den Beweis für Chilterns kapitale Jugendsünde.<br />
der Politiker steht vor der wahl, seine Karriere oder sein grundsätze aufzugeben.<br />
wenn er ein dubioses Kanalprojekt unterstützt, gelangt er in den Besitz des Beweises<br />
und muss keine öffentliche Schande riskieren. Allerdings handelt er dann gegen<br />
die Interessen des Staates, den er vertritt.<br />
Oscar wilde war ein intimer Kenner der Londoner gesellschaft und hat authentisches<br />
geschehen seiner Zeit in dem Stück verarbeitet. den Besuchern der<br />
Uraufführung 1895 in London war dies sehr bewusst. die Besucher der ersten<br />
Aufführung der Fassung von Elfriede Jelinek in wien 2011 spendeten spontan<br />
Szenenapplaus, als der darsteller des Robert Chiltern die Bühne betrat. dank der<br />
Kunst der Maskenbildner glich er Ernst Strasser, dem ehemaligen Innenminister der<br />
ÖvP, welchem massiv Bestechlichkeit im Amt vorgeworfen wurde.<br />
Jelinek musste das Stück für wien nicht tiefgreifend verändern, um es auf die Höhe<br />
der Zeit zu bringen. die Regeln des politischen geschäfts verlangen damals wie<br />
heute eine blütenweise weste, in welcher die Politiker moralstärkende Sonntagsreden<br />
halten, während allen Beteiligten die Härte der Bandagen bewusst ist, mit<br />
denen hinter den Kulissen um die durchsetzung inhaltlicher und anderer Interessen<br />
gekämpft wird.<br />
Und wenn ein Politiker dann an einem Fleck auf der weste scheitert, dann wissen<br />
eigentlich alle, die sich mit Freude darauf stürzen, dass es nicht um diesen Fleck<br />
geht, sondern dieser nur benutzt wird.<br />
Für <strong>Schwerin</strong> haben wir keine eindeutigen regionalen oder nationalen Parallelen<br />
gezeichnet, obwohl und weil sie oft genug auf der Hand liegen. die Fragen, die<br />
das Stück sehr vergnüglich stellt, bleiben in der Inszenierung allgemeingültig und<br />
sollen sich nicht auf die Perspektive eines Politikers reduzieren. Es geht darum,<br />
mit wissendem Lachen die Personen vor dem Hintergrund der verschiedenen<br />
Jahrhunderte in ihren persönlichen und politischen Niederlagen und Siegen zu<br />
begreifen. RR
<strong>ScHAuSPIEL</strong> 3<br />
Oscar Wilde<br />
geboren 1854 in dublin. Studium am Trinity College, später klassische Philologie in Oxford, wo er für sein gedicht Ravenna<br />
1878 mit dem Newdigate-Preis ausgezeichnet wurde. wilde lernte dort walter Pater und John Ruskin, die vertreter des<br />
literarischen ästhetizismus, kennen. Nach dem Studium ging wilde nach London und heiratete 1884 Constance Lloyd.<br />
Sein einziger Roman Das Bildnis des Dorian Gray wird 1890 veröffentlicht. durch den Erfolg seiner werke, aber mehr noch<br />
durch seine persönlichen Qualitäten, wurde wilde zu einer zentralen Figur des Londoner gesellschaftslebens. Auf dem<br />
Höhepunkt seiner Karriere 1895 geriet er durch einen Prozess ins soziale Abseits. die Beziehung zu Lord Alfred douglas<br />
wurde durch dessen vater öffentlich gemacht und wilde erhob eine verleumdungsklage gegen John Sholto douglas und<br />
verlor den Prozess. Im gegenzug wurde wildes Privatleben von John Sholto douglas enthüllt und wilde wurde wegen<br />
homosexuellem Kontakt zu Strichjungen zu zwei Jahren Zuchthaus mit Zwangsarbeit verklagt. Nach seiner Entlassung war<br />
er finanziell und gesellschaftlich ruiniert. Er emigrierte gemeinsam mit Alfred douglas nach Paris, wo er kurz darauf an einer<br />
Hirnhautentzündung starb.<br />
Elfriede Jelinek<br />
geboren 1946 in Mürzzuschlag in der Steiermark. Jelinek ist die wohl bekannteste österreichische gegenwartsautorin.<br />
Sie studierte Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in wien, anschließend Orgel am Konservatorium und veröffentlichte<br />
parallel erste gedichte. der literarische durchbruch gelang ihr zunächst mit ihren Romanen Die Liebhaberinnen (1975), Die<br />
Klavierspielerin (1983), Lust (1989). 2001 wurde Die Klavierspielerin von Michael Haneke verfilmt und unter anderem bei<br />
den Internationalen Filmfestspielen von Cannes ausgezeichnet.<br />
Es waren vor allem Jelineks dramatischen werke, die in Österreich Skandale und Kontroversen auslösten: Burgtheater<br />
(1985) thematisiert die unbewältigte Nazi-vergangenheit Österreichs. Jelinek wurde infolge dieses und anderer Stücke als<br />
„Nestbeschmutzerin“ beschimpft und ihre literarische Rezeption wurde auf biografische und politsche Blickwinkel reduziert.<br />
Infolge dessen verkündete sie 1995 den Rückzug aus der Öffentlichkeit und erteilte ein Aufführungsverbot für ihre Stücke in<br />
Österreich, welches 1998 mit Einar Schleefs Inszenierung von Ein Sportstück am wiener Burgtheater aufgehoben wurde.<br />
weltweite Berühmtheit erlangte sie spätestens 2004, als ihr werk mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. In<br />
ihren Texten nimmt sie konkret Position zur österreichischen wirklichkeit und deckt politische und gesellschaftliche Missstände<br />
auf ironische weise auf. wichtige Bühnenstücke sind u.a. Bambiland (2003), Ulrike Maria Stuart (2006) und Die Kontrakte<br />
des Kaufmanns (2009). Nach Ernst ist das Leben (2004) ist Der ideale Mann (2011) Jelineks zweite Bearbeitung einer<br />
Komödie von Oscar wilde.<br />
christian Weise<br />
geboren 1973 in Lutherstadt Eisleben und aufgewachsen in Erfurt. Puppenspielstudium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst<br />
„Ernst Busch“ danach Arbeiten als Schauspieler und Puppenspieler am Schauspiel Frankfurt und am TaT Frankfurt.<br />
dort eine ständige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Tom Kühnel, dem Bühnenbildner Jan Pappelbaum, dem Autor und<br />
Schauspieler Christian Tschirner (alias Sören voima) und der Puppenspielerin Suse wächter. Seit 2002 eigene Inszenierungen<br />
u.a. am Nationaltheater Mannheim, Schauspiel Köln, Neuen Theater Halle, deutschen Theater Berlin, <strong>Staatstheater</strong> Stuttgart<br />
und Schauspielhaus Zürich. Neben seinen Inszenierungen arbeitet er seit 2004 regelmäßig als dozent an der Hochschule für<br />
Schauspielkunst „Ernst Busch“. Seit 2008 regelmäßige Arbeiten am Berliner Ballhaus Ost, wo er im Herbst 2011 Madame<br />
Bovary inszenierte und gemeinsam mit daniela dröscher die Fassung geschrieben hatte. Zuletzt inszenierte er Maß für Maß<br />
von william Shakespeare am <strong>Staatstheater</strong> Stuttgart. Der ideale Mann von Oscar wilde in einer Bearbeitung von Elfriede<br />
Jelinek ist weises erste Arbeit in <strong>Schwerin</strong>.
4 <strong>ScHAuSPIEL</strong><br />
PREMIERE<br />
Autor Iwan Wyrypajew<br />
Iwan Wyrypajew, 1974 im sibirischen<br />
Irkutsk geboren, ist einer<br />
der wichtigsten dramatiker seiner<br />
generation. Er studierte Regie an der<br />
Moskauer Theaterhochschule Schukin<br />
und gründete 1998 das Theaterstudio<br />
Spielraum. Mit seiner zehnköpfigen<br />
Theatertruppe arbeitet wyrypajew seit<br />
fast zwölf Jahren in Moskau als Autor,<br />
Regisseur und Schauspieler am Zentrum<br />
Neues Drama: Theater.doc und wurde<br />
zu verschiedenen internationalen Festivals<br />
eingeladen, u.a. nach Frankreich,<br />
England und zu den wiener Festwochen.<br />
Seine Stücke wurden mehrfach<br />
ausgezeichnet, u. a. erhielt Dehli, ein<br />
Tanz den renommierten Cyprian Kamil<br />
Norwid Kunstpreis. Lech Slowonik<br />
nannte wyrypajew in seiner Laudatio<br />
treffend „einen Schöpfer, der an das<br />
Theater und an den Text glaubt“.<br />
illusioNEN<br />
vON IwAN wyRyPAJEw<br />
vier Schauspieler lassen in diesem zeitgenössischen Stück die Erinnerungen alter<br />
Menschen lebendig werden. Sie tauchen ein in die Lebensgeschichten zweier<br />
Paare, die miteinander verstrickt sind: danny und Sandra, Margret und Albert, alle<br />
um die achtzig, blicken auf lange Ehen und tiefe Freundschaften zurück. Auf dem<br />
Sterbebett dankt danny rührend Sandra für ihre Liebe und Aufrichtigkeit. Sandra<br />
gesteht kurz vor ihrem Tod hingegen Albert, im grunde nur ihn geliebt zu haben,<br />
woraufhin Albert in Liebe zu Sandra entflammt, was er seiner Frau auch gleich<br />
in aller Ehrlichkeit erzählt. wie reagiert Margret? Und was hat das alles mit der<br />
fliegenden Untertasse zu tun?<br />
die Spieler offenbaren, korrigieren und isolieren Splitter aus Biographien. die<br />
virtuose verschachtelung von Erzähl- und darstellungsebenen ist dabei so lustvoll<br />
spielerisch wie klug konstruiert. denn das Leben lässt sich nicht als einheitliche<br />
geschichte erzählen. Jede wahrheit ist auch stets eine Entscheidung, Erinnerung<br />
vielleicht Erfindung. Nicht Lebensdaten formen Identität, sondern gefühle. Und<br />
mit gefühlen kennt sich das Theater aus, ebenso wie mit Lügen. Bei aller Spielerei<br />
glimmt immer wieder die konkrete Sehnsucht nach einer absoluten wahrheit von<br />
Liebe auf. KH<br />
Anlässlich der Schweizer Erstaufführung von Illusionen 2011 sagte der Autor zu<br />
seinem Stück in einem Interview:<br />
„wir sprechen ständig von »Liebe«, aber lieben wir wirklich? das ist es, was hinter<br />
dem ganzen steht. Überhaupt hinter allem auf dieser welt. Ich wollte Fragen stellen<br />
– und eine dieser Fragen ist die, ob glück möglich ist, wenn es nichts Beständiges<br />
in der welt gibt. […]<br />
weise Menschen behaupten, unsere Erinnerung schaffe die Illusion, unser Leben<br />
sei ein permanenter Fluss, während es in wahrheit nur aus Splittern und Teilen<br />
bestehe. Ich verstehe das anders, für mich ist die welt kein Chaos, für mich sind<br />
all diese Splitter und Teile miteinander verbunden.“<br />
Zeitung #4, Schauspielhaus Zürich AG, Januar 2012<br />
t<br />
Inszenierung, Bühne und Kostüme:<br />
david Czesinski und Robert Hartmann (Prinzip Gonzo)<br />
Mit: Brit Claudia dehler, Lucie Teisingerova; Bernhard Meindl, Sebastian Reusse<br />
Premiere: 1. September 2012 · E-Werk
PREMIERE<br />
Dirk Laucke, geboren 1982 im<br />
sächsischen Schkeuditz, aufgewachsen<br />
in Halle (Saale), studierte von 2004<br />
bis 2008 Szenisches Schreiben an<br />
der Berliner Universität der Künste.<br />
2006 wurde der Autor mit dem Kleist-<br />
Förderpreis für sein Stück alter ford<br />
escort dunkelblau ausgezeichnet, das<br />
anschließend zu den Mülheimer Theatertagen<br />
eingeladen war. 2010 erhielt<br />
er den dramatikerpreis des Kulturkreises<br />
der deutschen wirtschaft. Längst gehört<br />
Laucke, der ein Faible für gebrochene<br />
Biografien, den Osten und viel Humor<br />
hat, zu den festen größen der deutschen<br />
Theaterlandschaft.<br />
Regisseurin Hanna Müller, geboren<br />
in Ostfriesland, studierte Regie an der<br />
Theaterakademie Hamburg bei Peter<br />
Zadek u.a. und inszenierte bisher am<br />
Schauspiel Hannover und dem <strong>Staatstheater</strong><br />
Bielefeld.<br />
Zu JuNG<br />
Zu AlT<br />
Zu DEuTsCH<br />
vON dIRK LAUCKE<br />
Foto: Katrin Ribbe<br />
Micha ist linker Skin, selbsternannter Nazi-Jäger, deutschland-Hasser. Frisch aus<br />
der Haft entlassen, ist er stockbetrunken und seine erste devise lautet: Frauen<br />
abschleppen. Beim Feiern trifft er ausgerechnet Lydia, seine Exfreundin. Sie ist mit<br />
ihrem neuen Freund Jens unterwegs, für den Spießer nichts Schlimmes sind. Jens<br />
mag auch deutschlandflaggen im Namen des Fußball-glücks. dabei hat er mehr<br />
Reflexionsvermögen, als sein Hang zu fröhlichem Nationalstolz vermuten lässt. Er<br />
wisse von den „Zwangis“, die bei Bayer, Thyssen, Bahlsen und vw einst so fleißig<br />
arbeiteten. Soll er deswegen heute auf Kekse, Autos und Aspirin verzichten, fragt<br />
er. Im Rausch geraten Micha und Jens aneinander und finden sich im Krankenhaus<br />
wieder. von hier starten alle drei schließlich einen Bus-Ausflug: Man will Lydias<br />
Opa besuchen und ihm vielleicht etwas geld abnehmen...<br />
gitte liebt laute Musik, arbeitet viel und nimmt gerne einen guten Schluck. Ihre<br />
Stelle als Putzkraft in einer „Blutplasmabank“ teilt sie mit der Ukrainerin Sascha,<br />
die keine Arbeitserlaubnis hat. Als die Frauen aus den abendlichen Putzsessions<br />
kleine Partys machen kostet gittes Hang zum Alkohol beide den Job. Bleibt noch<br />
gittes zweite Anstellung: Hier geht‘s allerdings um Reinigen in Reizwäsche bei<br />
einem alten Herren, der sich zu diesem Anlass in SS-Uniform wirft…<br />
das Stück verwebt die dreiecksgeschichte mit der des Putzfrauenduos und reflektiert<br />
dabei vielschichtig deutsche gegenwart und vergangenheit.<br />
Nach der Uraufführung von zu jung zu alt zu deutsch schrieb die Osnabrücker<br />
Zeitung, Lauckes Stück sei nicht nur „stark“, sondern „einmalig wichtig“. Besonders<br />
macht diesen Text, dass er ohne moralischen Zeigefinger individuell verschiedene<br />
verhältnisse zu deutschland zeigt und en passant Themen wie Extremismus und<br />
unsere verantwortung für Andere reflektiert, während man den lebensnahen Figuren<br />
und ihren geschichten folgt. KH<br />
t<br />
Inszenierung: Hanna Müller<br />
Bühne/Kostüme: Holger Syrbe<br />
Mit: Brigitte Peters, Lucie Teisingerova, Caroline wybranietz;<br />
Christoph Bornmüller, Christoph götz<br />
Premiere: 10. Oktober 2012, 19.30 uhr · E-Werk<br />
<strong>ScHAuSPIEL</strong> 5
6 <strong>ScHAuSPIEL</strong><br />
PREMIERE<br />
Lutz Hübner wurde 1964 in Heilbronn<br />
geboren. Nach einem Studium<br />
der germanistik, Philosophie und Soziologie<br />
in Münster begann er 1986 seine<br />
Ausbildung zum Schauspieler an der<br />
Hochschule des Saarlandes für Musik<br />
und Theater in Saarbrücken. Es folgten<br />
Engagements u.a. am Saarländischen<br />
<strong>Staatstheater</strong> Saarbrücken und dem<br />
Badischen <strong>Staatstheater</strong> Karlsruhe.<br />
von 1990 bis 1996 arbeitete Hübner<br />
als Schauspieler und Regisseur am Rheinischen<br />
Landestheater Neuss und dem<br />
Theater der Landeshauptstadt Magdeburg.<br />
Seit 1996 ist er freiberuflicher<br />
Schriftsteller und Regisseur.<br />
Lutz Hübner wurde 1998 für Herz eines<br />
Boxers mit dem deutschen Jugendtheaterpreis<br />
ausgezeichnet. 2005 wurde<br />
sein Stück Hotel Paraiso zum Berliner<br />
Theatertreffen eingeladen. Stücke<br />
wie Gretchen 89 ff., Ehrensache, Blütenträume<br />
oder Frau Müller muss weg<br />
machen Lutz Hübner seit Ende der<br />
Neunziger Jahre zu einem der meistgespielten<br />
gegenwartsdramatiker auf<br />
deutschen Bühnen. 2008 erhielt Hübner<br />
die Honorable Mention der ASSITEJ<br />
International. Im Jahre 2009 wurde<br />
die Inszenierung seines Stückes Geisterfahrer<br />
durch das Schauspiel Hannover,<br />
im Jahre 2011 die Inszenierung<br />
seines Stückes Die Firma dankt durch<br />
das Staatsschauspiel dresden zu den<br />
Mülheimer Theatertagen eingeladen.<br />
der Autorenpreis der ASSITEJ wurde<br />
Lutz Hübner in 2011 verliehen. Seine<br />
Stücke sind in über ein dutzend Sprachen<br />
übersetzt worden und werden auf<br />
der ganzen welt gespielt. die meisten<br />
Stücke entstehen in Zusammenarbeit mit<br />
Sarah Nemitz.<br />
FRAu<br />
müllER<br />
muss<br />
wEG<br />
KOMÖdIE vON LUTZ HÜBNER, MITARBEIT: SARAH NEMITZ<br />
der Countdown läuft. wer schafft es ins gymnasium? diese Frage beschäftigt die<br />
besorgten Eltern der Klasse 4b. Längst sind die Prinzipien der Leistungsgesellschaft<br />
auch in den Schul- und Familienalltag gesickert. das wort „Hauptschule“ klingt in<br />
den Ohren der Eltern wie eine drohung. Für sie bedeutet das anstehende Übergangszeugnis<br />
mehr als eine weichenstellung in der Schulkarriere der Kleinen, es<br />
steht für Zukunft, glück, Erfolg. Und für einige Kinder sieht es nicht rosig aus. Also<br />
hat man die Klassenlehrerin um einen Termin gebeten. Nun sitzen fünf entschlossene<br />
Erwachsene auf Kinderstühlen zwischen Kastanienmännchen und Laubgirlanden,<br />
bereit, dem Feind ins Auge zu sehen. Für sie ist klar, wer Schuld an der Misere<br />
trägt. dass das Problem nicht bei den Schülern zu suchen ist, davon ist jeder der<br />
Anwesenden überzeugt. Ihre Kinder sind besondere kleine Persönlichkeiten, die ab<br />
und an spezieller Förderung bedürfen, nicht etwa Spätzünder, faul, unkonzentriert<br />
oder schlicht mathematisch unbegabt. die Front steht. Frau Müller muss weg!<br />
genau beobachtete und recherchierte wirklichkeit, Konflikte und Figuren so zugespitzt,<br />
dass beides durchschaubar wird bis zum Klischee, eine geschichte mit<br />
so überraschenden wendungen, dass die Klischees sich selbst auflösen und das<br />
Individuelle dahinter sichtbar wird. das ganze verpackt in eine Komödie, und alles<br />
abgearbeitet an einem aktuellen Thema. Lutz Hübner ist mit dieser Arbeitsweise<br />
eines der erfolgreichsten Stücke der letzten Jahre gelungen, für welches sich Theaterkritik<br />
und Theaterpublikum gleichermaßen begeistern. KH/RR<br />
t<br />
Inszenierung: Beate Rothmann<br />
Bühne/Kostüme: Holger Syrbe<br />
Mit: Brit Claudia dehler, Katrin Heller, Sonja Isemer, Anja werner;<br />
Özgür Platte, Kai windhövel<br />
Premiere: 27. Oktober 2012 · E-WERK
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8 <strong>ScHAuSPIEL</strong><br />
Eine Kooperation des Mecklenburgischen<br />
<strong>Staatstheater</strong>s <strong>Schwerin</strong> und der freien Gruppe<br />
Kulturfiliale<br />
2006 gründete sich die gruppe Kulturfiliale,<br />
deren künstlerisches Leitungsteam<br />
seit 2011 aus Philippe goos, Ramona<br />
Rauchbach, Marco Štorman und Nils<br />
Zapfe besteht. Neben ihrer Arbeit als<br />
Regisseur, Schauspieler, Bühnenbildnerin<br />
an staatlichen und städtischen<br />
Theatern machen sie sich seither den<br />
Schlachtruf „Unser Theater ist die<br />
Stadt“ zum Motto, erweitern gängigere<br />
darstellungsformen und kreieren so ein<br />
reichhaltiges Theater-Erleben. Es ist im<br />
besten Sinne ein echtes Kollektiv, in<br />
dem das Zusammen bei der Arbeit im<br />
Mittelpunkt steht. das bedeutet zum<br />
Beispiel, dass alle das gleiche Honorar<br />
bekommen, der Regisseur auch eine<br />
Bühne mit aufbaut und der Schauspieler<br />
das Konzept mitentwickelt. Um den<br />
festen Kern gibt es einige unregelmäßig<br />
an Projekten beteiligte Künstler: „Teilzeitutopisten“.<br />
Alle eint Hingabe und<br />
Idealismus.<br />
spiElsTäTTE<br />
sTADT<br />
Im September 2012 beginnen das Mecklenburgische <strong>Staatstheater</strong> <strong>Schwerin</strong><br />
und die gruppe Kulturfiliale das gemeinsame Projekt „Spielstätte Stadt“, das mit<br />
Fördergeldern der Kulturstiftung des Bundes realisiert werden kann. „Spielstätte<br />
Stadt“ begibt sich zwei Jahre lang auf die Suche nach versteckten und gelebten<br />
Utopien, nach aktuellen und vergangenen Zukunftsvisionen der Bürger. Sie erforscht<br />
spielerisch den Alltag der <strong>Schwerin</strong>er und dokumentiert das Leben der Stadt im<br />
„Archiv der Utopisten“.<br />
Aus der Mitte <strong>Schwerin</strong>s heraus macht sie sich mit den Menschen auf die Suche<br />
nach ihren Sehnsüchten, Überzeugungen und Erinnerungen, dem Stoff, aus dem<br />
die Zukunft sein kann. In zwei Spielzeiten entstehen vier große theatrale Projekte:<br />
vier Utopieversuche sowie mehrere kleine Projekte.<br />
DEN uTOPIEN AuF DER SPuR – WIE 2012, IM JAHR DES ANGEBLIcHEN<br />
uNTERGANGS, ALLES BEGINNT<br />
die „Spielstätte Stadt“ eröffnet am Samstag, den 15. September mit<br />
dem ersten großen Projekt Bugarach: Nach uns das Paradies.<br />
„Bugarach“ heißt jenes französische dorf, das angeblich gerettet wird, wenn laut<br />
Maya-Kalender diesen winter die welt untergeht. Einer geheimnisvollen Theorie<br />
nach befindet sich im Berg „Pic de Bugarach“ ein Ufo und einzig jene Menschen,<br />
die sich am 21.12.12 dort aufhalten, sollen die Apokalypse überleben... Eine absurde<br />
geschichte, die uns zu diesem Projekt und der Frage inspirierte: In welches<br />
Raumschiff oder auf welche Arche würde man gerne steigen? In welcher welt<br />
landen? was würde man retten, was neu schaffen, angesichts der Krise und des<br />
Untergangs, der unserem neokapitalistischen System bevorzustehen scheint?<br />
„Spielstätte Stadt“ baut in <strong>Schwerin</strong>s Innenstadt ein begehbares Kunstwerk auf:<br />
von außen Krisencamp wartet im Inneren dieser Installation eine metaphorische<br />
„Arche“. Hier kann man „Antrag auf Rettung aus der Krise“ stellen. Niemand soll<br />
jedoch dort am goldenen Kassenhäuschen geld bezahlen: Jeder der bzw. nur<br />
wer eine Utopie hat, eine vision, eine Idee für eine bessere gesellschaft, erhält<br />
Eintritt und wird gerettet.<br />
„Eine mögliche welt ist anders“, lautet ein Leitspruch der gruppe Kulturfiliale.<br />
das könnte auch ein gedanke sein, den die Besucher mitnehmen, wenn sie nach<br />
20minütiger Reise auf der Arche hoffentlich mit verändertem Blick durch ihre<br />
Umwelt gehen.<br />
das Krisencamp mit seiner Informationsflut-Bühne, auf der Spieler täglich auf<br />
das Stadtleben und das weltgeschehen mit Lesungen oder kleineren spontanen<br />
Konzerten reagieren sowie die Arche sind vom 15.9. bis 22.9. täglich von 11<br />
bis 18 Uhr geöffnet. Sonntag, den 23.9. wird ab 14 Uhr abgebaut.<br />
Im Anschluss an die performative Installation Bugarach: Nach uns das Paradies<br />
eröffnet am 28.9. das „Archiv der utopisten“. Auf der Suche nach einem
geeigneten Platz dafür stießen wir schnell auf das Südufer des<br />
Pfaffenteiches: An diesem kommunikativen Ort, früher Zentrum<br />
des „Stadtklatsches“, an dem beim wäsche waschen die neusten<br />
geschichten austauscht wurden und der auch heute ein zentraler<br />
Treffpunkt der Begegnung ist, sollen <strong>Schwerin</strong>er mit ihren eigenen<br />
Sehnsüchten und Utopien konfrontiert werden.<br />
Auf den Stufen des Südufers entsteht eine wohnzimmer- bzw.<br />
(wasch-)küchenähnliche Atmosphäre. Schauspieler und Künstler<br />
laden alle ein, mit ihnen am Ufer zu verweilen. die Uhr des Alltags<br />
bleibt für Momente stehen... Kaffee oder Arbeitsleistungen werden<br />
gegen Erinnerungen und Träume getauscht. Im zentralen Archiv<br />
werden erste Utopien oder geschichten zu hören und zu sehen<br />
sein: eine Ausstellung, die im Laufe der zwei Jahre stetig wachsen<br />
wird. Und eine Überraschung, die sich gewaschen hat wartet<br />
vom 28. September 2012 bis zum 6. Oktober 2012 am<br />
Pfaffenteich, jeweils von 11 bis 18 Uhr..<br />
WAS KOMMT NOcH AuF ScHWERIN Zu?<br />
Ein Strang des zweijährigen Projektes ist das mobile „Utopie-Archiv“,<br />
das sich wie eine große Zeitung über <strong>Schwerin</strong> füllen und<br />
entwickeln wird. Nach seinem Start am Pfaffenteich und taucht es<br />
in regelmäßigen Abständen immer wieder in neuen Stadtteilen<br />
auf und will Spuren hinterlassen, im Stadtbild und in den Menschen.<br />
Ein Archiv der Stadt als Summe ihrer details: Biographien,<br />
gesprächsfetzen, Fotos. denn geschichten liegen auf der Straße!<br />
Sie finden sich an der Kasse im Supermarkt, in der Straßenbahn,<br />
beim Spaziergang im Park, am Küchentisch.<br />
Ein zweiter Strang sind einzelne großprojekte, die in leerstehenden<br />
Häusern oder auf Brachflächen spielen und für die man, anders<br />
als für die „Archive“ meist Karten kaufen kann. In <strong>Schwerin</strong> gibt<br />
und gilt es viele faszinierende und geschichtsträchtige Orte zu<br />
erforschen. die interessantesten möchte „Spielstätte Stadt“ zeitweise<br />
beleben, mit theatralen Parcours, um auf den Pfaden der<br />
geschichte(n) zu wandern.<br />
Im Frühjahr 2013 können <strong>Schwerin</strong>er und gäste einen ganz<br />
besonderen T.R.I.P. („the reality in pieces“) erleben. Hierbei wird<br />
die Stadt zur virtuellen Realität. der Besucher folgt einer Figur von<br />
der Straßenbahn bis in eine Kirche...<br />
Im Herbst 2013 wird es ein „Zeitschleusen-Projekt“ in einem<br />
fast vergessenen gebäude geben. – Und nach zwei Jahren, in<br />
denen das Theater zu den Menschen gekommen ist und im urbanen<br />
Raum gewesen sein wird, werden die <strong>Schwerin</strong>er den Theaterraum<br />
erobern: Bürgerinnen und Bürger werden innerhalb einer<br />
Inszenierung erzählen, von Utopien und visionen. die Zukunft<br />
auf die Bühne! KH<br />
Spielstätte Stadt wird gefördert im Fonds doppelpass der:<br />
DIE GRuPPE<br />
STELLT SIcH vOR:<br />
<strong>ScHAuSPIEL</strong> 9<br />
Marco Štorman, geboren in<br />
Hamburg, ist gründungsmitglied<br />
der Kulturfiliale. 2005 schloss er<br />
sein Regiestudium an der Otto-<br />
Falckenberg-Schule in München<br />
ab und arbeitete u.a. bei Andreas<br />
Kriegenburg, Stephan Kimmig und Jossi wieler. während<br />
des Studiums inszenierte er am Nationaltheater<br />
weimar und am Theater Konstanz. von 2005-2007 war<br />
er Regieassistent am Schauspiel Hannover. 2003 war er<br />
Stipendiat der Meisterklasse Schauspiel bei den Salzburger<br />
Festspielen, 2009 beim Internationalen Forum der<br />
Berliner Festspiele, 2011 beim Enparts Open Campus<br />
in Stockholm. Seit 2007 arbeitet er als freier Regisseur<br />
u.a. am Hamburger Thalia Theater, am düsseldorfer<br />
Schauspielhaus, Theater Oberhausen, Schauspiel Hannover,<br />
Theater Lübeck und an der Staatsoper Stuttgart.<br />
Ramona Rauchbach, geboren<br />
in Naumburg a.d. Saale, studierte<br />
Szenenbild an der FH Medien &<br />
design in Hannover und war nach<br />
einigen freien Assistenzen als<br />
Bühnenbildassistentin am <strong>Staatstheater</strong><br />
Hannover engagiert. Seit<br />
August 2008 ist sie freischaffend<br />
als Bühnenbildnerin tätig und arbeitet unter anderem<br />
in Hannover, dresden, Berlin und düsseldorf. Zuletzt<br />
war sie für die Ausstattung des Familienprojekts Meine<br />
Mutter Karl-Marx-Straße... und der Rest der Familie im<br />
Heimathafen Neukölln zuständig.<br />
Nils Zapfe ist Schauspieler und<br />
freier Regisseur und gehört ebenfalls<br />
zum Leitungsteam der Kulturfiliale.<br />
des weiteren ist er festes<br />
Mitglied der gruppe Lovefuckers.<br />
Nach seiner Ausbildung an der<br />
westfälischen Schauspielschule<br />
Bochum arbeitete er u.a. am<br />
Schauspielhaus Bochum, dem <strong>Staatstheater</strong> Bielefeld,<br />
dem Theater Magdeburg, dem bat Berlin und den wuppertaler<br />
Bühnen als gast und festes Ensemblemitglied.<br />
Im Juni 2012 zeigte er mit Fixen – Die Ballade von der<br />
medialen Abhängigkeit an den Sophiensälen in Berlin<br />
seine erste umfangreiche Regiearbeit.
10 <strong>ScHAuSPIEL</strong><br />
PREMIERE<br />
dIE AUTORINNEN dER<br />
ROMANvORLAgE<br />
Bevor sich Elisabeth Zöller 1989<br />
ganz dem Schreiben für Kinder und<br />
Jugendliche widmete, war sie siebzehn<br />
Jahre als gymnasiallehrerin tätig. Ihre<br />
Bücher basieren auf fundierten Recherchen<br />
in Schulen, Kliniken, mit und bei<br />
Fachleuten, vor allem aber auf gesprächen<br />
mit Kindern und Jugendlichen.<br />
2007 wurden mit der verleihung des<br />
Bundesverdienstkreuzes an die Autorin<br />
insbesondere Elisabeth Zöllers Bücher<br />
gegen gewalt gewürdigt. Neben<br />
zahlreichen Preisen der Kinder- und<br />
Jugendliteratur erhielt sie 2005 den<br />
gustav-Heinemann-Friedenspreis für<br />
den Roman Anton oder die Zeit des<br />
unwerten Lebens. Zusammen mit der<br />
1975 geborenen Autorin Brigitte<br />
Kolloch schreibt sie eine Buchreihe für<br />
Kinder und eine für Jugendliche, in der<br />
es in heiterer, aber auch nachdenklicher<br />
weise um Essstörungen, Alkohol und<br />
um den Umgang mit Trotz, Streit und<br />
Traurigsein, aber auch um Lachen und<br />
Zusammenhalten geht. der gemeinsame<br />
Roman Bis ans Limit erschien 2009.<br />
Bernhard Meindl<br />
THEATER FÜRS KLASSENZIMMER<br />
Bis ANs<br />
limiT<br />
BRIgITTE KOLLOCH / ELISABETH ZÖLLER<br />
FÜR dIE BÜHNE BEARBEITET vON RAINER HERTwIg<br />
FÜR JUgENdLICHE AB 13 JAHREN<br />
Auch wenn im vergleich zu den 1970er Jahren insgesamt weniger Jugendliche<br />
regelmäßig Alkohol zu sich nehmen – der Alkoholkonsum derjenigen, die trinken,<br />
hat Suchtexperten zufolge zugenommen und ist ungleich extremer geworden. die<br />
Zahl derer, die nach exzessivem Alkoholkonsum mit einer Alkoholvergiftung im<br />
Krankenhaus landen, ist hoch.<br />
das Mecklenburgische <strong>Staatstheater</strong> <strong>Schwerin</strong> hat mit Bis ans Limit ein Jugendstück<br />
auf den Spielplan gesetzt, das einfühlsam den Abstieg eines Jugendlichen in die<br />
Sucht nachzeichnet und deren verlauf bis hin zum Neubeginn nach dem Aufenthalt<br />
in der Entzugsklinik ungemein glaubwürdig darstellt.<br />
gegen die Leere in seinem Inneren lässt sich der 16-jährige Florian volllaufen, bis<br />
nichts mehr geht. So zugedröhnt tut es gedämpfter weh, dass er sich allein und<br />
fremd fühlt in der welt, seit Opa nicht mehr da ist, der mit seinen geschichten früher<br />
allem Sinn verlieh. Und dass eine wie Hanna sich für einen hässlichen vogel wie ihn<br />
garantiert nicht interessieren kann. Also zieht Florian regelmäßig mit seinen Jungs<br />
um die Häuser, macht Party und genießt das warme gefühl, das ihn durchströmt,<br />
wenn ihn endlich nichts mehr etwas angeht.<br />
Ist er nüchtern, erschrickt Florian über das fremde, leichenblasse gesicht im Spiegel.<br />
Fassungslos und angewidert sieht er die Kippen und die Brandlöcher im Teppich<br />
seines versifften, zugemüllten Zimmers. Also trinkt er weiter, um das Trinken zu<br />
ertragen. Erst nachdem Florian nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben<br />
seiner großen Liebe Hanna aufs Spiel gesetzt hat, zieht er die entscheidende<br />
Konsequenz…<br />
Auf Anfrage beim gruppenservice des Mecklenburgischen <strong>Staatstheater</strong>s kommen<br />
wir mit dieser mobilen Produktion direkt zu Ihnen in die Klassenzimmer der<br />
<strong>Schwerin</strong>er Schulen und ermöglichen für Schulen aus dem Umland außerdem eine<br />
Aufführung im werk3. AH<br />
t<br />
Regie: dirk Audehm<br />
Mit: Bernhard Meindl<br />
Premiere: 16. Oktober 2012 · Klassenzimmer
ANZEIGEN
12 <strong>ScHAuSPIEL</strong><br />
PREMIERE<br />
Am ANFANG wAR Es liEBE<br />
Klaus<br />
Bieligk<br />
claudia Ring ist die zuständige Referatsleiterin<br />
im Ministerium für Arbeit,<br />
Soziales und gesundheit.<br />
Sie arbeitet in der Leitstelle für Frauen<br />
und gleichstellung und ist mit ihrem<br />
Referat zuständig für Frauen in Krisensituationen.<br />
In dieser Funktion fällt die<br />
Förderung von Projekten, aber auch<br />
der Hilfseinrichtungen in ihr Ressort und<br />
somit auch die anteilige Förderung des<br />
AwO Frauenhauses <strong>Schwerin</strong>.<br />
Liane Dommer leitet das Frauenhaus<br />
in <strong>Schwerin</strong> und ist gleichzeitig Koordinatorin<br />
für das Haus „AwO Frauen im<br />
Zentrum“, in dem sich mehrere Beratungsstellen<br />
zum Thema häusliche und<br />
sexualisierte gewalt, sowie das Kontaktbüro<br />
des Frauenhauses befinden.<br />
t<br />
Leitung: Klaus Bieligk<br />
Premiere: 20.11.2012, E-Werk<br />
SZENEN ZUM THEMA HäUSLICHE gEwALT vON KATHARINA dE vETTE<br />
NACH EINER IdEE vON FRAUEN HELFEN FRAUEN E.v. ROSTOCK<br />
die Öffentlichkeit für das Thema Häusliche gewalt sensibilisieren, die Zwänge der<br />
Opfer begreifbar machen und zum Hinsehen ermutigen – diese Möglichkeiten<br />
hat Theater. das Stück, das auf Erfahrungsberichten von Frauen helfen Frauen<br />
e.v. Rostock sowie von „Frauen im Zentrum“ des AwO-Kreisverbandes <strong>Schwerin</strong>-<br />
Parchim e. v. basiert und nun im Rahmen der Antigewaltwoche 2012 im E-werk<br />
des Mecklenburgischen <strong>Staatstheater</strong>s <strong>Schwerin</strong> zur Aufführung kommt, gewährt<br />
Einblicke in ein Problemfeld aus der Mitte unserer gesellschaft, dass sonst zumeist<br />
unsichtbar bleibt. Anhand des exemplarischen Falles einer jungen Betroffenen<br />
werden mögliche voraussetzungen und Ausprägungen häuslicher gewalt sowie<br />
die Möglichkeiten des Hilfesystems für die Betroffenen dargestellt. die Aufführung<br />
von Am Anfang war es Liebe findet im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales<br />
und gesundheit und des AwO-Kreisverbandes <strong>Schwerin</strong>-Parchim e.v. statt. das<br />
Stück erarbeitet Klaus Bieligk, Schauspieler am Mecklenburgischen <strong>Staatstheater</strong>,<br />
mit Kolleginnen und Kollegen.<br />
Zur vorbereitung des Projekts trafen sich Theaterpädagogin Antonia<br />
Holle und chefdramaturg Ralph Reichel mit claudia Ring und<br />
Liane Dommer.<br />
AH: Ist häusliche Gewalt ein Randgruppenproblem oder zieht sich<br />
das Ihrer Erfahrung nach durch alle Gesellschaftsschichten?<br />
Ld: Häusliche gewalt kommt in allen gesellschaftsschichten vor. Es wird in der<br />
Öffentlichkeit gern argumentiert, dass nur Frauen betroffen seien, die Hartz Iv<br />
empfangen. das ist nicht so. Es kann genauso ärzte/-innen treffen, Rechtsanwälte/innen.<br />
Natürlich sind die sozialen Kontakte häufig bei einer ärztin anders, so dass<br />
sie verschiedene Möglichkeiten nutzen kann und nicht immer in ein Frauenhaus<br />
ziehen muss. Aber auch das ist möglich und ist auch schon passiert.<br />
Wie verhalten sich Freunde, verwandte, Nachbarn, wenn sie Zeugen<br />
häuslicher Gewalt werden?<br />
CR: Man muss sagen, dass wir es durch den ersten und zweiten Landesaktionsplan<br />
der Landesregierung zur Bekämpfung von gewalt gegen Frauen und ihre Kinder<br />
geschafft haben, zusammen mit den Beratungsstellen, die ja sehr stark präventiv<br />
tätig werden, die Öffentlichkeit für das Thema so zu sensibilisieren, dass grundsätzlich<br />
ein Bewusstsein für die Problematik besteht. Im Jahr 2006 fragten etwa 4.000<br />
Menschen um Rat in den Einrichtungen des Beratungs- und Hilfenetzes für Opfer<br />
häuslicher und sexualisierter gewalt, im Jahr 2011 waren es bereits 5.533. Man<br />
redet über dieses Thema und das hat dabei geholfen, das dunkelfeld ein wenig<br />
in das Hellfeld zu ziehen.<br />
Ld: dazu soll ja auch die Aufführung des Stücks Am Anfang war es Liebe beitragen wir<br />
wollen noch mehr Menschen erreichen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.<br />
CR: Auch um verständnis dafür zu schaffen, wie schwer es für eine Betroffene ist,<br />
sich aus der Situation zu befreien. das kommt in dem Stück sehr gut heraus. In der<br />
Öffentlichkeit ist oftmals Unverständnis vorhanden, weil viele sich fragen, warum<br />
eine Frau sich das über so einen langen Zeitraum antut. viele Menschen sagen sich:<br />
die hat doch selber schuld, die kann doch ihren Koffer nehmen und gehen. Aber<br />
so einfach ist es in der Realität eben nicht. Es ist wichtig, dass wir die Öffentlichkeit<br />
immer wieder darauf aufmerksam machen, dass man diese Frauen nicht auch noch<br />
dafür verurteilen darf, dass sie so lange bei ihrem Peiniger bleiben.<br />
RR: das ist genau der Punkt, der für uns als Theater relevant ist. wir können nicht<br />
zielgruppenorientiert einladen, aber wir haben die Chance, das Thema allgemein<br />
ins gespräch zu bringen, Nachbarn, Kollegen, Freunde dafür zu sensibilisieren,<br />
auf die Mitmenschen zu schauen und verständnis zu entwickeln.
christian: das war´s für uns! wir verlassen<br />
die Produktionsstätte No.3!<br />
Robert: dafür werkeln hier neue Arbeiter<br />
ab der nächsten Spielzeit – hinter<br />
dem Tresen und an der Technik.<br />
christian: Und was du nicht vergessen<br />
darfst: Mit der Wiederinbetriebnahme<br />
des werk3 am 27.<br />
September wird es auch möglich<br />
sein, den idyllischen kleinen<br />
Hinterhof für die werk-Pausen<br />
zu nutzen.<br />
Robert: welche neuen Produkte<br />
kann das Publikum auf der werkbühne<br />
erwarten?<br />
christian: Oh, da gibt´s viel! die<br />
Produktion im werk3 läuft in der nächsten<br />
Spielzeit wieder auf Hochtouren.<br />
Im Oktober läuft ein neues Stück vom<br />
Stapel: Bis ans Limit. Es handelt sich<br />
hierbei um ein Jugendstück, das den<br />
Alkoholkonsum von Jugendlichen und<br />
dessen Auswirkungen zeigt – allerdings<br />
weniger moralisch als wirklich<br />
spannend und lebensnah. Spielen wird<br />
Publikumsliebling Bernhard Meindl und<br />
das Coole ist, dass nicht nur im werk3<br />
gespielt wird, sondern auf Anfrage auch<br />
in Klassenzimmern. Auch die Premiere<br />
wird in einer Schule stattfinden. Mehr<br />
Infos zu dieser Produktion gibt es auf<br />
Seite 10.<br />
Robert: Aus der ehemaligen Lesebühne<br />
Schmalz und Marmelade haben<br />
<strong>ScHAuSPIEL</strong> 13<br />
NEuE WERKE,<br />
NEuE TATEN,<br />
NEuE WERKTÄTIGE<br />
sich Lesende zusammengefunden und<br />
kommen als gastarbeiter ab Oktober<br />
monatlich ins werk3 um selbstverfasste<br />
Texte zu lesen.<br />
christian: Ich habe gehört, dass<br />
im November Klaus Bieligk mit zwei<br />
Schauspielern ein Projekt im werk3<br />
verwirklichen wird: Am Anfang war es<br />
Liebe. die Premiere wird mit Unterstützung<br />
vom Sozial- und vom Justizministerium<br />
im E-werk stattfinden. Aber mehr<br />
kannst du ja selber auf der vorherigen<br />
Seite lesen!<br />
Robert: Außerdem feiert die Staatskapelle<br />
450-jähriges Bestehen. Und<br />
passend dazu wird es ab Januar Instrumentenkunde<br />
für alle Interessierten im<br />
werk3 geben, bei der Musiker aus der<br />
Staatskapelle anschaulich und unterhaltsam<br />
so einige interessante Instrumente<br />
vorstellen…<br />
Robert und christian, Karoline<br />
und Ralph (zugleich): das ist ne super<br />
Sache.<br />
Robert: Aber natürlich werden auch<br />
bereits bestehende Abende weitergeführt.<br />
wie zum Beispiel die Lesereihe<br />
Aufgelesen, die einmal im Monat<br />
stattfindet. Karoline, du erarbeitest zusammen<br />
mit Schauspielern vom Haus<br />
diese Abende. was macht Aufgelesen<br />
so besonders?<br />
Karoline: Es ist immer eine Premiere<br />
und mit besonders viel Liebe zusam-<br />
mengestellt. Zum Teil suchen wir den<br />
Lesestoff ergänzend und rahmend zu<br />
Stücken, die im großen Haus oder<br />
E-werks laufen. die nächste Spielzeit<br />
eröffnet Oscar wildes Der ideale Mann<br />
in der deutschen Fassung von Elfriede<br />
Jelinek; das liefert beispielsweise eine<br />
Steilvorlage für eine wunderbare<br />
Auftakt-veranstaltung mit grandios witzigen,<br />
wilden Texten wildes, gespickt<br />
mit Ausgrabungen aus dem Textflächen-<br />
Steinbruch der Nobelpreisträgerin.<br />
darüber hinaus gibt es viele Herzenstexte<br />
der Schauspieler. diese Spielzeit<br />
werden wir ein Science-Fiction-Live-<br />
Hörspiel mit Musik machen, uns sicher<br />
Kafka und Tschechow widmen, vielleicht<br />
einen politischen Text à la Empört euch!<br />
vornehmen. Auch Abende mit Überthemen<br />
wie „Reise“, „Crime“, „Bibel“,<br />
„Inzest“, „garten“ oder „Antike“ (ganz<br />
werktroy) sind in der Ideenschmiede…<br />
christian: Und natürlich wird der laufende<br />
Betrieb nicht stillgelegt! Es wird<br />
fleißig weitergewerkelt: die Spätschicht,<br />
die jeden Monat neu in Produktion<br />
geht! Improvisationstheater, bei dem<br />
die werkbesucher bei der Fertigung<br />
hautnah dabei sein können….<br />
Und jede Menge anderer werkstätten:<br />
LiederWerk, MundWerk,<br />
KüchenWerk, SelfmadeWerk,<br />
GesamtkunstWerk…
14 BALLETT<br />
PREMIERE<br />
CoppéliA<br />
„Neulich steige ich die Treppe herauf und nehme wahr, dass die sonst einer glastüre<br />
dicht vorgezogene gardine zur Seite einen kleinen Spalt lässt. Selbst weiß<br />
ich nicht, wie ich dazu kam, neugierig durchzublicken. Ein hohes, sehr schlank im<br />
reinsten Ebenmaß gewachsenes, herrlich gekleidetes Frauenzimmer saß im Zimmer<br />
vor einem kleinen Tisch, auf den sie beide Arme, die Hände zusammengefaltet,<br />
gelegt hatte. Sie saß der Türe gegenüber, so, dass ich ihr engelschönes gesicht<br />
ganz erblickte. Sie schien mich nicht zu bemerken, und überhaupt hatten ihre<br />
Augen etwas Starres, beinah möcht´ ich sagen, keine Sehkraft, es war mir so, als<br />
schliefe sie mit offenen Augen. Mir wurde ganz unheimlich ...“<br />
E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann<br />
ZUR gESCHICHTE dES<br />
BALLETTKLASSIKERS CoPPéLIA<br />
Seit über 140 Jahren gehört Coppélia seinem Publikum. Unzähligen Choreographen,<br />
unter ihnen größen wie Marius Petipa (1884), george Balanchine (1974)<br />
oder Uwe Scholz (1989) bot die geschichte Stoff für neue Interpretationen und<br />
gibt bis heute Raum zum Träumen.<br />
Als Höhepunkt des französisch-klassischen Balletts steht Coppélia neben La sylphide<br />
und Giselle par excellence für das goldene Zeitalter der großen romantischen<br />
Ballette, die im 19. Jahrhundert mit der Erfindung des Spitzenschuhs ihre Blütezeit<br />
erlebten.<br />
die Uraufführung von Coppélia in der Choreographie von Arthur Saint-Léon war<br />
ein triumphaler Erfolg und sollte es auch bleiben: Seit der Premiere von 1870 ist<br />
das Ballett pausenlos fester Bestandteil im Repertoire der Pariser grand Opéra<br />
de Comique, ein dauerbrenner, der seinesgleichen sucht. Ein grund für diese<br />
Erfolgsgeschichte war sicherlich die dazu geschriebene Musik. der damals erst<br />
34-jährige Komponist Léo delibes vertonte das Libretto von Arthur Saint-Léon und<br />
schuf Coppélia ou La fille aux yeux d‘émail (Coppélia oder Das Mädchen mit den<br />
Emailaugen). Über Nacht war delibes Musik in aller Munde – mit ihr begründete<br />
der Komponist seinen weltruhm. Aber er erreichte noch mehr: „In dem Kunstgebiete<br />
des Balletts war er ein wahrhafter Neuschöpfer. vor ihm ist die Tanz-Musik fast<br />
immer die dienerin geschickter Choreographen gewesen. delibes hat das verdienst,<br />
die Kunst in eine Kunstgattung eingeführt zu haben, wo sie unentbehrlich ist und<br />
wo sie bislang ausgeschlossen war.“ (Alfred Bruneau) delibes legte damit den<br />
grundstein einer längst überfälligen Aufwertung von Ballett und dessen Musik als<br />
autarke, ernstzunehmende Kunstform. Nur wenige Jahre später machte sich in St.<br />
Petersburg ein kongeniales Künstlerduo diese vorarbeit delibes zu Nutzen: Marius<br />
Petipa und Peter Tschaikowski schufen mit ihrem hochmodernen ‚work in progress’<br />
Schätze der Menschheit: Dornröschen, Nussknacker und Schwanensee.<br />
Als Anregung für das Libretto wählte Saint-Léon, der Erfinder der ersten Coppélia,<br />
die 1816 erschienene Erzählung Der Sandmann von E.T.A. Hoffmann. In deren Zen-
Foto: © Matthias Creutziger: Klara. Hutkopf, Gerardhalskopf<br />
1930er Jahre. Abdruck mit freundlicher Genehmigung<br />
des Fotografen. Hutkopf aus der Sammlung: Wolfgang<br />
Knapp, Mannheim Speyer<br />
trum steht die hysterisch-wahnsinnige<br />
und am Ende todbringende Liebe des<br />
Studenten Franz zu einer Puppe. vom<br />
schaurig-teuflischen grusel, wie E.T.A.<br />
Hoffmann ihn in seinem schwarzromantischen<br />
Nachtstück Der Sandmann<br />
entwarf, ist im Ballett Coppélia allerdings<br />
nur wenig übrig. geblieben ist<br />
nur die geschichte einer menschlichen<br />
Liebe zu einem unbelebten ding, einer<br />
Puppe, einer Maschine, einem Roboter.<br />
damals wie heute beflügelt dieses Sujet<br />
die Fantasie der Künste, auch wenn die<br />
„Automate“ von damals heute Frankenstein,<br />
R2-d2 und data heißen oder, wie<br />
in Steven Spielbergs A.I., mittlerweile<br />
selbst menschlich fühlen.<br />
das Unheimliche und dunkle wandelt<br />
sich im Ballett Coppélia jedoch zu<br />
einem wahrhaft schönen Happy End:<br />
Franz´ verlobte entlarvt den Trug und<br />
Spuk um die schöne Coppélia und<br />
Franz kehrt glücklich und befreit zu<br />
seiner Liebsten heim.<br />
KR<br />
t<br />
Musik: Léo delibes<br />
Choreographie und Inszenierung:<br />
Sergej gordienko<br />
Musikalische Leitung:<br />
Martin Schelhaas<br />
Bühnenbild: Ronald winter<br />
Kostüme: giselher Pilz<br />
Matinee: 16. September 2012,<br />
11.00 uhr, Konzertfoyer<br />
Mit Ballettdirektor Sergej gordienko und<br />
Tänzerinnen und Tänzern des Ballett<br />
<strong>Schwerin</strong>.<br />
Moderation: Katharina Riedeberger<br />
Premiere: 21. September 2012,<br />
Großes Haus<br />
NEu! Künstlergespräch im<br />
Anschluss an die vorstellung am<br />
27. September 2012<br />
BALLETT 15
16 BALLETT<br />
„SOLANGE DIE MENScHEN<br />
TRÄuMEN, LEBT DAS BALLETT“<br />
BALLETTdIREKTOR SERgEJ gORdIENKO ÜBER SEINE INTERPRETATION<br />
dES BALLETTKLASSIKERS CoPPéLIA UNd SEINE PLäNE IN SCHwERIN<br />
Coppélia ist seit über 140 Jahren<br />
von den Bühnen der Welt nicht<br />
wegzudenken. Was war der Motor,<br />
über eine Neuinterpretation<br />
von Coppélia nachzudenken?<br />
Ich wollte schon lange eine vorstellung<br />
für die ganze Familie inszenieren, ein<br />
Ballett, das jung und alt anspricht.<br />
Als ich anfing, mich mit dem Thema<br />
Coppélia auseinanderzusetzen, hatte<br />
ich in meiner Fantasie immer ganz<br />
starke Assoziationen zum gegenstand<br />
„Buch“. Buch des Lebens, Buch der Liebe<br />
oder einfach nur ein Buch mit tollen<br />
geschichten. All das wollte ich auf der<br />
Bühne dargestellt wissen, ich wollte eine<br />
geschichte auf die Bühne bringen, die<br />
„buchstäblich“ aus einem Buch ist.<br />
dieses Buch hat mir dann Ronald<br />
winter, mein Bühnenbildner, erfunden.<br />
Und dann ging eigentlich alles wie<br />
von selbst. Er hat es geschafft, ein über<br />
sechs Meter hohes Buch auf die Bühne<br />
zu bringen, das nicht nur statisch im<br />
Raum steht, sondern unheimlich viele<br />
spielerische details bietet. Man könnte<br />
fast meinen, das Bühnenbild wäre<br />
lebendig.<br />
Im Zentrum der Handlung steht<br />
die Liebe des Studenten Franz<br />
zu einer Puppe, coppélia, die<br />
er allerdings für ein Wesen aus<br />
Fleisch und Blut hält. Am Ende<br />
entlarvt Franz´ verlobte den<br />
Trug und Franz kehrt reumütig<br />
zurück. Ist Coppélia wirklich<br />
eine Komödie, so wie der choreograph<br />
George Balanchine<br />
es beschreibt : „Just as ‚Giselle’<br />
is ballet´s great tragedy, so<br />
Sergej Gordienko<br />
‚coppélia’ is its great comedy.“<br />
// „So, wie ‚Giselle’ die große<br />
Tragödie des Balletts ist, so ist<br />
‚coppélia’ dessen große Komödie.“?<br />
Man kann die geschichte von Coppélia<br />
zweifach sehen; als Liebesgeschichte<br />
und als Komödie. Ich gebe Balanchine<br />
aber in diesem Punkt absolut Recht. Für<br />
mich bietet diese geschichte viele Ansatzpunkte,<br />
eine richtige Komödie auf<br />
die Bühne zu bringen. Ich möchte, dass<br />
das Publikum sich über die irren verstrickungen<br />
und natürlich über die lustige<br />
Choreographie amüsiert und nach der<br />
vorstellung mit einem Lächeln nach<br />
Hause geht. Aber: Jede gute Komödie<br />
birgt immer auch ein Fünkchen Ernst,<br />
ein Hauch von Melancholie. Ich habe<br />
versucht, beides zu erreichen.<br />
Handlungsballette gelten in<br />
meiner Generation immer als<br />
ein bisschen antiquiert und verstaubt,<br />
ein bisschen langweilig.<br />
Woran liegt das?<br />
das sehe ich aber komplett anders!<br />
Meine langjährige Erfahrung hat mir<br />
gezeigt, dass ein Ballett, das eine Handlung<br />
besitzt, für den Zuschauer oftmals<br />
viel interessanter ist, als Abstraktion.<br />
der Zuschauer kann sehr intensiv eine<br />
geschichte verfolgen, sich einfühlen,<br />
mit den darstellern lachen, mit ihnen<br />
weinen. das Identifikationspotential<br />
kann im Handlungs- oder Erzählballett<br />
ungemein hoch sein.<br />
Das Handlungsballett stirbt also<br />
nicht aus?<br />
Solange Bücher geschrieben werden<br />
und solange die Menschen träumen,
lebt auch das Ballett. Allein unser Leben<br />
bietet schon so viele Möglichkeiten, um<br />
daraus eine interessante geschichte zu<br />
machen, die Themen liegen förmlich vor<br />
uns, egal ob traurig, dramatisch oder<br />
heiter. das Kino macht es vor, es werden<br />
unzählige Filme über unzählige Themen<br />
gedreht. die Menschen wollen einfach<br />
geschichten sehen. Ich würde sogar<br />
sagen: Sie brauchen geschichten! das<br />
ist natürlich auf der Bühne nicht anders,<br />
das kann man alles auch auf der Bühne<br />
schaffen.<br />
Was möchten Sie in den nächsten<br />
Jahren in <strong>Schwerin</strong> erreichen,<br />
beim Publikum, künstlerisch?<br />
ganz klar: Ich setze auf einen engen<br />
Kontakt zum Publikum. die Zuschauer<br />
sollen einen authentischen Eindruck<br />
von unserer harten Arbeit, aber auch<br />
unserer Leidenschaft zum Tanz und zur<br />
Kunst bekommen. Ich möchte dem Publikum<br />
zeigen, wie aus einem einzelnen<br />
Schritt eine Choreographie wird, wie<br />
vorstellungen entstehen, wie geprobt<br />
wird und was zum Schluss auf der Bühne<br />
daraus wird. die Zuschauer sollen<br />
erfahren, wie vielseitig Tanz ist. denn<br />
Tänzer müssen nicht nur tanzen, sondern<br />
auch mimische und darstellerische<br />
Fähigkeiten beherrschen und zudem<br />
hochmusikalisch sein. Ich strebe einen<br />
direkten dialog mit den Zuschauern an.<br />
Ich möchte mit ihnen ins gespräch über<br />
Tanz kommen, ihnen Raum für Fragen<br />
geben. Und natürlich würde ich das Publikum<br />
ab und zu gern zum Mitmachen<br />
animieren!<br />
Das sind die Erwachsenen. Wie<br />
sieht es mit dem jüngeren Publikum<br />
aus?<br />
Ein ganz besonderer Fokus soll auf Kinder-<br />
und Jugendprojekten liegen. Hierzu<br />
sind wir schon mit Theaterpädagogik<br />
und dramaturgie im gespräch. das<br />
Tolle an Tanz ist ja, dass jeder diese<br />
Kunstform versteht – auch ohne ein<br />
vorwissen. Tanz und Ballett muss man<br />
einfach erleben und damit kann man<br />
nicht früh genug anfangen.<br />
Wie soll sich Ihr Amtsantritt auf<br />
die company auswirken?<br />
durch verbesserung von Qualitäten<br />
möchte ich der Company ein eigenes<br />
Profil geben, so dass auch überregional<br />
vom Ballett <strong>Schwerin</strong> gesprochen wird.<br />
das möchte ich zum einen durch ein<br />
vielseitiges Ballettrepertoire (klassisch,<br />
neoklassisch, modern) erreichen und<br />
mit renommierten gastchoreographen<br />
untermauern. Zum anderen setze ich<br />
auf das Ausbilden von Persönlichkeit.<br />
Nur wenn beides zusammengeht, kann<br />
eine Company ein eigenes gesicht entwickeln<br />
und sich von gesichtslosigkeit<br />
abheben.<br />
Sg/KR<br />
BALLETT 17<br />
der gebürtige Ukrainer Sergej Gordienko absolvierte seine klassische Ballettausbildung an der Ballettakademie seiner<br />
geburtsstadt Kiew. Nach einem ersten Engagement am Akademischen <strong>Staatstheater</strong> Kiew führte ihn sein weg als Solist u.a.<br />
an die Slowenische Staatsoper Ljubljana, das Stadttheater Rijeka am <strong>Staatstheater</strong> Zagreb/Kroatien und als ersten Solisten<br />
an das Niedersächsische <strong>Staatstheater</strong> Hannover. 1997 wurde er zum stellvertretenden Ballettdirektor der Bühnen der Stadt<br />
Bielefeld berufen. Seit 1992 wird Sergej gordienko als Ballettmeister und Trainingsleiter engagiert und war über seine festen<br />
Engagements hinaus als gastballettmeister an deutschen und internationalen Bühnen tätig. Zu seinen wichtigsten Stationen<br />
gehören u.a. das Leipziger Ballett unter Uwe Scholz, das National Theatre Belgrad, Serbia and Montenegro, das National<br />
Ballet of Portugal sowie das Aalto-Musiktheater Essen. Seit 1996 choreographiert er regelmäßig an deutschen Bühnen. Zu<br />
seinen Arbeiten zählen neben anderen: Carmen (1996), Der Nussknacker (1997), Bernardas Haus (1998), Bolero (1998),<br />
Romeo und Julia (1998), Don Quixote (1998), So (2001) und Coppélia (2005). Mit Beginn der Spielzeit 2012/13 ist<br />
Sergej gordienko Ballettdirektor am Mecklenburgischen <strong>Staatstheater</strong>.
18 BALLETT<br />
milENA BAllHAus NimmT<br />
ABsCHiED voN DER BüHNE<br />
Seit sie denken kann, wollte Milena<br />
Ballhaus Tänzerin werden. doch im<br />
gegensatz zu vielen anderen kleinen<br />
Mädchen, die von einer Karriere als<br />
Ballerina träumen, wusste sie von Anfang<br />
an schon um die Härte des Berufs.<br />
Schließlich waren ihre Eltern Tänzer an<br />
der Komischen Oper Berlin. daher war<br />
ihr immer schon bewusst, dass sich der<br />
Bühnenzauber nur herstellt, indem die<br />
Company körperliche Schwerstarbeit<br />
leistet.<br />
wenn Milena Ballhaus sich heute im<br />
gespräch darüber wundert, wie schnell<br />
die letzten zwanzig Jahre doch vorüber<br />
gegangen sind, staunt man mit ihr.<br />
Aber aus einem anderen grund: denn<br />
augenscheinlich haben diese zwei<br />
Jahrzehnte bei der ungemein jugendlich<br />
wirkenden Tänzerin keine Spuren<br />
hinterlassen. doch dieser Eindruck darf<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />
manche schmerzhafte verletzung hinter<br />
ihr liegt, die sie sich im Laufe der Zeit<br />
zugezogen hat - sei es beim täglichen<br />
Training, bei der Probenarbeit oder<br />
auch während einer vorstellung. Hat<br />
darüber nicht die Begeisterung, der<br />
Enthusiasmus für den Beruf gelitten? da<br />
ist Milena Ballhaus ganz entschieden:<br />
Nein – antwortet sie – tanzen sei wie<br />
eine droge! von der komme man so<br />
schnell nicht wieder los!<br />
Unterhält man sich mit Milena Ballhaus<br />
über ihre Arbeit am Mecklenburgischen<br />
<strong>Staatstheater</strong>, dann ist das auch wie<br />
eine kleine Zeitreise. Besonders lebendig<br />
in Erinnerung ist ihr noch der erste<br />
Kammertanzabend mit dem Titel: Lieber<br />
im Regen als in der Traufe. das war in<br />
der Spielzeit 1992/93 und hierfür hatte<br />
der damalige Ballettchef Joachim Ahne<br />
junge Choreographen aus dem 3. Studienjahr<br />
der Ernst-Busch-Schule Berlin<br />
eingeladen: darunter Silvana Schröder,<br />
die nunmehr Ballettchefin in gera ist,<br />
und ihr Bruder Mario Schröder, jetzt<br />
Ballettdirektor und Chefchoreograph<br />
in Leipzig.<br />
Insgesamt hat Milena Ballhaus in<br />
<strong>Schwerin</strong> vier Ballettdirektionen erlebt:<br />
Nach Joachim Ahne kamen verina g.<br />
Hayes, Stefan Haufe und Jens-Peter<br />
Urbich. Einmal jedoch hat die Tänzerin<br />
<strong>Schwerin</strong> für zwei Jahre verlassen: 1997<br />
lockte ein Engagement bei Birgit Scherzer,<br />
damals Ballettdirektorin am <strong>Staatstheater</strong><br />
Saarbrücken. dort tanzte sie<br />
u.a. in Requiem!, Schwanensee, Ende.<br />
Aus.Faust. Auch im Musicalbereich,<br />
der ihr sehr am Herzen liegt, machte<br />
sie dort interessante Erfahrungen: Sie<br />
erinnert sich mit Begeisterung an die<br />
Zusammenarbeit mit Choreographin<br />
Melissa King im Rahmen der Produktion<br />
Hair. doch 1999 verließ Birgit Scherzer<br />
Saarbrücken, um wieder freischaffend<br />
zu arbeiten und so kehrte Milena Ballhaus<br />
zurück nach <strong>Schwerin</strong>.<br />
2000 wurde das von Carlos Matos für<br />
das <strong>Schwerin</strong>er Ensemble choreographierte<br />
Stück Dalì Publikumsliebling<br />
beim Internationalen Choreographenwettbewerb<br />
in groningen. Und auch<br />
die Zypern-gastspiele mit auf antiken<br />
Mythen basierenden Stücken der von<br />
Milena Ballhaus sehr geschätzten Choreographin<br />
dominique Efstratiou waren<br />
sehr prägend für sie. die Klytaimnestra<br />
in orestie gehört sogar zu den liebsten<br />
Rollen der Tänzerin.<br />
Milena Ballhaus versichert, dass sie nie<br />
erpicht darauf war, mit aller gewalt<br />
die großen Rollen zu ergattern. Und<br />
sie hat die wahl von Choreographen<br />
in Besetzungsfragen immer respektiert.<br />
Lediglich zwei Mal war sie nicht ganz<br />
so glücklich mit einer Entscheidung, hat<br />
sich aber nichts anmerken lassen. das<br />
war ganz am Anfang, wo sie als junge<br />
Tänzerin mit Mutterrollen betraut worden<br />
war. dass sie selbst schon früh ihr<br />
erstes Kind bekommen hat, wird doch<br />
nicht etwa der grund für die Besetzung<br />
links: Mit Stefan Haufe in „Tango“ von Gabriel<br />
Sala (2003), rechts: Mit Bernd Lanzke bei<br />
einer Gala des Landessportbunds in Teschow<br />
(2006).<br />
Mit Jens-Peter Urbich in „orestie“ (2005).<br />
Choreographie: Dominique Efstratiou.<br />
gewesen sein? Inzwischen hat sie nicht<br />
nur eine erwachsene Tochter, sondern<br />
auch einen 8jährigen Sohn sowie eine<br />
10 Monate alte Tochter. Tänzerin sein<br />
und zugleich Mutter – eine logistische<br />
Meisterleistung.<br />
Für Milena Ballhaus liegt bei aller<br />
wehmut, die für sie der Abschied von<br />
der Bühne mit sich bringt, ein gewisser<br />
Trost darin, dass sie in Zukunft wohl<br />
ein wenig mehr Zeit mit ihrer Familie<br />
verbringen kann. doch das bedeutet<br />
natürlich nicht, dass sie nicht weiterhin<br />
berufstätig bleibt. denn das Leben<br />
„nach dem Theater“ ist für sie zugleich<br />
ein Neuanfang. Alles gute dafür!<br />
KL
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20 MuSIKTHEATER<br />
PREMIERE<br />
DiE<br />
HoCHZEiT<br />
DEs<br />
FiGARo<br />
SCHAUSPIELdIREKTOR PETER dEHLER INSZENIERT<br />
MOZARTS MEISTERKOMÖdIE<br />
Anfang 1783 begegnete Mozart dem Librettisten Lorenzo da Ponte. Auf Mozarts<br />
wunsch verfasst er eine Bearbeitung der französischen Komödie La folle journée<br />
ou Le mariage de Figaro (Der verrückte Tag oder: Die Hochzeit des Figaro) des<br />
französischen dichters Beaumarchais. Mozart witterte in der wahl des Stoffes<br />
einen Riesenerfolg. die Komödie hatte einen großen Leserkreis, war ein verkaufsschlager<br />
und hatte vor allem eines: einen sehr unsittlichen Ruf. Kein wunder also,<br />
dass Mozart sofort deren Opernpotential erkannte und die Zusammenarbeit mit<br />
dem genialen Texter da Ponte forcierte.<br />
Als 1781 Ludwig der XvI. Beaumarchais´ bissige Komödie zu lesen bekam, rang<br />
er um Fassung. „Man müsste die Bastille niederreißen, um sicher zu gehen, dass<br />
ein solch infames Stück die Öffentlichkeit nicht gefährdet“, soll er gesagt haben.<br />
das Risiko einer Aufführung war hoch, die Stimmung längst revolutionär aufgeladen.<br />
Konsequenterweise verbot der Imperator das Stück nach dessen Erscheinen<br />
solang es ging und belegte es mit einem dreijährigen Aufführungsverbot, bevor der<br />
druck der Pariser Öffentlichkeit dessen Freigabe unausweichlich machte und es<br />
endlich 1784 aufgeführt werden konnte. Auch in wien, kurz bevor Mozart und da<br />
Ponte ihren Figaro 1785 bis 1786 schufen, war die „harmloseste aller Komödien“,<br />
wie Beaumarchais seine Komödie den wachsamen Moralaposteln zu verkaufen<br />
suchte, als nicht ganz anständig für ein gesittetes Theaterpublikum empfunden und<br />
kurzerhand verboten worden. Nur: warum eigentlich? Ein Blick auf die Handlung<br />
gibt Erleuchtung: der nicht mehr ganz junge graf Almaviva ist der Liebe zu seiner<br />
Frau überdrüssig und stellt deren dienerin Susanna nach. von Lust getrieben will<br />
er sie am Tage ihrer Hochzeit mit Figaro verführen und jenes feudale Recht der<br />
ersten Nacht (jus primae nocte), dass er selbst erst durch Reformen abgeschafft<br />
hat, äußerst gern noch einmal in Anspruch nehmen. Sein diener Figaro, Ehemann<br />
in spe, wahrt äußerliche gelassenheit und plant eine moralische Abreibung. die
gräfin ist indes ihr Leiden über ihr Leid<br />
leid und ergreift Initiative zur Rettung<br />
ihrer Ehe, indem sie sich mit Figaro und<br />
Susanna im Namen von Liebe und gerechtigkeit<br />
solidarisiert. Am Ende steht<br />
graf Almaviva entblößt vor Frau und<br />
Untertanen: Männlichkeit und gesellschaftliche<br />
Überlegenheit sind zu einer<br />
peinlichen Armseligkeit geschrumpft. So<br />
steht es im Schauspiel bei Beaumarchais<br />
und auch in da Ponte und Mozarts<br />
Oper. das Provokative lag also sowohl<br />
in der gesellschaftspolitischen als auch<br />
der moralischen Tragweite des Stücks,<br />
das auch in einer Politiker- und Managerwelt<br />
von heute nichts an Brisanz<br />
verloren hat. Schauspieldirektor Peter<br />
dehler inszeniert mit Figaros Hochzeit<br />
nach Don Giovanni (2007 – Regie:<br />
Axel Köhler) und Così fan tutte (2011<br />
– Regie: Arturo gama) die dritte Mozart/da<br />
Ponte-Oper am Mecklenburgischen<br />
<strong>Staatstheater</strong> <strong>Schwerin</strong>.<br />
KR<br />
t<br />
Musik: w. A. Mozart<br />
Inszenierung: Peter dehler<br />
Musikalische Leitung: daniel Huppert<br />
Bühne und Kostüme: Susanne goder<br />
Choreinstudierung: Ulrich Barthel<br />
Matinee:<br />
21. Oktober 2012, 11.00 uhr,<br />
Konzertfoyer<br />
Mit Regisseur Peter dehler, Bühnenbildnerin<br />
Susanne Richter, generalmusikdirektor<br />
daniel Huppert und Solisten<br />
des Mecklenburgischen <strong>Staatstheater</strong>s<br />
<strong>Schwerin</strong>.<br />
Moderation: Katharina Riedeberger<br />
Premiere: 26. Oktober 2012,<br />
Großes Haus<br />
NEu! Künstlergespräch im<br />
Anschluss an die vorstellung<br />
am 1. November 2012<br />
MuSIKTHEATER 21
22 MuSIKTHEATER<br />
PREMIERE<br />
musiKFEiND/<br />
opERNpRoBE<br />
t<br />
Musik: Richard genée/Albert Lortzing<br />
Inszenierung: Anke Rauthmann<br />
Musikalische Leitung: Ewald donhoffer<br />
Bühne und Kostüme: Robert Pflanz<br />
Matinee: 11. November 2012,<br />
11.00 uhr, Konzertfoyer<br />
Mit Regisseurin Anke Rauthmann, Bühnen-<br />
und Kostümbildner Robert Pflanz<br />
und Solisten des Mecklenburgischen<br />
<strong>Staatstheater</strong>s <strong>Schwerin</strong>.<br />
Moderation: Katharina Riedeberger<br />
Premiere: 16. November 2012,<br />
Großes Haus<br />
Richard genée ist vielen als Textdichter der Fledermaus bekannt, als Komponist<br />
kennen ihn nur wenige. 1862 machte er in <strong>Schwerin</strong> Station und brachte hier am<br />
Hoftheater seine Oper Der Musikfeind zur Uraufführung. wie auch Albert Lortzings<br />
1851 uraufgeführte und nahezu in vergessenheit geratene komische Oper Die<br />
opernprobe (die im übrigen den Untertitel Die vornehmen Dilettanten trägt), ist<br />
sie ein ironisch-komödiantischer diskurs auf die welt der Musik. vier Fragen zum<br />
Operndoppelabend an die Regisseurin Anke Rauthmann.<br />
Zwei Geschichten an einem Abend – geht das zusammen?<br />
das geht sogar hervorragend zusammen!<br />
Wer begegnet uns an diesem Doppelabend auf der Bühne?<br />
Im Mittelpunkt steht der Musikfeind Hammer, ein Mann, der Musik zutiefst hasst.<br />
Hinter dieser Maske aus Hass verbirgt sich allerdings eine echte, tiefe Liebe zur<br />
Musik. diese Liebe wird in genées Musikfeind neu entdeckt und wiederbelebt.<br />
Auch in meiner Inszenierung von Lortzings opernprobe, bleibt Hammer die zentrale<br />
gestalt, nur begegnen wir ihm hier in einer anderen welt.<br />
Was für eine Welt ist das?<br />
Eine erträumte welt voll Theatralität und Surrealem. Aber auch eine welt, in der<br />
es ziemlichen druck gibt, nämlich, den druck zu singen und Musik zu machen.<br />
Die verbindung, die Sie als Regisseurin zwischen den beiden Stücken<br />
schaffen, entwickeln Sie also über eine Person?<br />
Ja. Zentrum der Handlung und gleichzeitig zentrales dramaturgisches Element für<br />
beide Inszenierungen ist die Figur des Musikfeindes Hammer. Er wird gezeigt als<br />
Mensch, der radikal denkt, radikal hasst, radikal liebt ... der in jedem Fall nie so<br />
ganz wirklich normal-menschlich ist. Mit Hilfe anderer Personen findet er im ersten<br />
Teil seine Liebe zur Musik wieder und erträumt dann im zweiten gleich eine ganze<br />
Operninszenierung. In meiner Inszenierung lasse ich Hammer gewissermaßen<br />
zwei Extreme durchleben. das erste Stück ist sehr realistisch angelegt und spielt<br />
in einem Tonstudio. Hammer ist dort Radio-Redakteur, der alles Musikalische aus<br />
seinen Sendungen verbannt hat. Im zweiten Teil gibt es die totale Kehrtwende: fast<br />
fanatisch wird hier nichts anderes mehr gemacht und überhaupt nichts anderes<br />
akzeptiert, außer Musik.<br />
Wie wird das Bühnenbild gelöst?<br />
Als starke visuelle Komponente bestimmt im ersten Teil ein Tonstudio das Bühnenbild<br />
und kehrt im zweiten dann abstrahiert und surrealistisch wieder. Eine leere, freie<br />
Bühne versinnbildlicht dort auch Raum für Fantasie und Illusion. vielleicht bleibt<br />
am Ende auch die Frage: was war Traum? was Realität?<br />
AR/KR
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24 KONZERTKALENDER<br />
DIE MEcKLENBuRGIScHE STAATSKAPELLE<br />
ScHWERIN STARTET IN EINE NEuE SPIELZEIT uNTER DEM<br />
AMTIERENDEN GENERALMuSIKDIREKTOR DANIEL HuPPERT<br />
n 1. SINFONIEKONZERT<br />
Richard Strauss<br />
Don Juan<br />
Sinfonische dichtung für großes<br />
Orchester op. 20<br />
dmitri Schostakowitsch<br />
Cellokonzert Nr. 1 Es-dur op. 107<br />
Ludwig van Beethoven<br />
7. Sinfonie A-dur op. 92<br />
violoncello: Claudius Popp<br />
Musikalische Leitung: daniel Huppert<br />
1. Oktober 2012, 18.00 uhr,<br />
Großes Haus<br />
2. Oktober 2012, 19.30 uhr,<br />
Großes Haus<br />
3. Oktober 2012, 19.30 uhr,<br />
Großes Haus<br />
Konzerteinführung jeweils 45 Minuten<br />
vor Konzertbeginn im Konzertfoyer<br />
n 2. SINFONIEKONZERT<br />
Johann Sebastian Bach<br />
Instrumentierung von Anton webern<br />
Fuga-Ricercata a 6 voci aus<br />
Musikalisches opfer Bwv 1097<br />
Olivier Messiaen<br />
L`Ascension (Die Himmelfahrt).<br />
vier sinfonische Meditationen.<br />
Felix Mendelssohn Bartholdy<br />
Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 107,<br />
Reformationssinfonie<br />
Musikalische Leitung: Adrian Prabava<br />
5. November 2012, 18.00 uhr,<br />
Großes Haus<br />
6. November 2012, 19.30 uhr,<br />
Großes Haus<br />
7. November 2012, 19.30 uhr,<br />
Großes Haus<br />
Konzerteinführung jeweils 45 Minuten<br />
vor Konzertbeginn im Konzertfoyer<br />
n 1. JuGENDKONZERT<br />
Musikalische Meditationen<br />
Ausschnitte aus<br />
Felix Mendelssohn Bartholdy<br />
Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 107,<br />
Reformationssinfonie<br />
Johann Sebastian Bach<br />
Instrumentierung von Anton webern<br />
Fuga-Ricercata a 6 voci aus<br />
Musikalisches opfer Bwv 1097<br />
Olivier Messiaen<br />
L`Ascension (Die Himmelfahrt).<br />
vier sinfonische Meditationen<br />
Musikalische Leitung: Adrian Prabava<br />
gast: Pastor volker Mischok, domprediger<br />
am dom zu <strong>Schwerin</strong><br />
Moderation: Katharina Riedeberger<br />
Mittwoch, 7. November 2012,<br />
10.00 uhr, Großes Haus<br />
n STuNDE DER MuSIK IM<br />
ScHLESWIG-HOLSTEIN-HAuS<br />
Kammermusik mit der Mecklenburgischen<br />
Staatskapelle<br />
<strong>Schwerin</strong><br />
1. Kammerkonzert<br />
Johann Sebastian Bach<br />
Suite g-dur<br />
Paul Hindemith<br />
Konzert für Trompete, Fagott und<br />
Streichorchester, arr. für Klavier u.a.<br />
dörte viandt (Fagott), Bassam Mussad<br />
(Trompete), Paolo Bressan (Klavier)<br />
4. November 2012, 16.00 uhr,<br />
Schleswig-Holstein-Haus<br />
n MOZART uM vIER<br />
WIENER KLASSIK AM<br />
SONNTAGNAcHMITTAG<br />
1. KONZERT<br />
wolfgang Amadeus Mozart<br />
Serenade Es-dur Kv 375<br />
Richard Strauss<br />
Sonatine in F-dur Aus der Werkstatt<br />
eines Invaliden<br />
Musikalische Leitung: walter Hilgers<br />
18. November 2012, 16.00 uhr,<br />
Konzertfoyer
Hans Gál<br />
GASTSPIELE IM<br />
RAHMEN DES<br />
INTERNATIONALEN<br />
FESTIvALS vERFEMTE<br />
MuSIK<br />
n ERöFFNuNGSKONZERT<br />
werke von gál, Hartmann und<br />
Brahms, junge norddeutsche philharmonie<br />
und Solocellist Raphael<br />
wallfisch, Leitung: Kiril Stankow<br />
Dienstag, 25. September,<br />
20.00 uhr · Großes Haus<br />
n „cONTINENTAL BRITAINS“<br />
– KLAvIERABEND uND GE-<br />
SPRÄcH<br />
Auftakt des internationalen Symposiums,<br />
werke von gál, Toch, Hindemith,<br />
Schönberg und Smit, Klavierduo:<br />
Friederike Haufe und volker Ahmels<br />
gespräch: Prof. dr. gerold gruber<br />
und Eva Fox-gál<br />
Donnerstag, 27. September,<br />
20.00 uhr · Konzertfoyer<br />
n MATINéE – 25 JAHRE STÄDTE-<br />
PARTNERScHAFT<br />
werke von gál, Zeisl, Brahms und<br />
Toch, Cappella vokale der Bergischen<br />
Musikschule wuppertal und die<br />
<strong>Schwerin</strong>er Singakademie e.v.<br />
Konzerteinführung 10.00 Uhr im<br />
Flotow-Zimmer<br />
Sonntag, 30. September,<br />
11.00 uhr · Konzertfoyer<br />
KONZERT 25<br />
n INTERNATIONALES FESTIvAL vERFEMTE MuSIK<br />
vOM 25. SEPTEMBER BIS 2. OKTOBER<br />
das internationale Festival verfemte Musik findet vom 25. September bis 2. Oktober<br />
2012 zum siebten Mal statt. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet der Landesverband<br />
Jeunesses Musicales Mv zum Themenkomplex „verfemte Musik“ mit dem Ziel, Musik<br />
von Komponist/innen, die während des Nationalsozialismus verfemt wurden,<br />
ins Konzertrepertoire junger Musiker/innen zu integrieren und sie einer breiten<br />
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.<br />
Im Mittelpunkt des Festivals verfemte Musik 2012 steht der österreichische Komponist<br />
und Musikwissenschaftler Hans gál. Am 25. September um 20.00 Uhr wird<br />
im großen Haus das Eröffnungskonzert stattfinden. die junge norddeutsche philharmonie<br />
und der Cellist Raphael wallfisch, der Sohn von Anita Lasker-wallfisch,<br />
werden werke von den Komponisten Hans gál, Karl Amadeus Hartmann und<br />
Johannes Brahms unter der Leitung von Kiril Stankow interpretieren. Zum Auftakt<br />
des internationalen Symposiums „Continental Britains“ wird am 27. September<br />
um 20.00 Uhr der Projektleiter volker Ahmels und seine Frau Friederike Haufe im<br />
Klavierduo mit den serbischen weisen und den drei Marionetten von Hans gál<br />
und werken von Hindemith, Schönberg und Smit zu hören sein. Prof. dr. gerold<br />
gruber von exil.arte und die Tochter des nach England ausgewanderten Hans<br />
gál, Eva Fox-gál werden das gespräch im Konzertfoyer führen. die <strong>Schwerin</strong>er<br />
Singakademie e.v. und die Cappella vokale der Bergischen Musikschule wuppertal<br />
treffen sich anlässlich der 25 jährigen Partnerschaft am 30. September zu<br />
einer Matinée um 11.00 Uhr im Konzertfoyer, um dort werke von Hans gál, Erich<br />
Zeisl, Johannes Brahms und Ernst Toch zu singen. Ein vielfältiges musikalisches<br />
Programm u.a. mit einem Klavierabend mit david goldberger, einem Studenten<br />
Artur Schnabels, dem Preisträgerkonzert des internationalen Interpretationswettbewerbs<br />
oder einem Konzert des Royal College of Music London mit Teilen der<br />
im Lager „Isle of Man“ uraufgeführten Revue what a life, wird in dieser woche<br />
in <strong>Schwerin</strong> zu erleben sein.<br />
Inhaltlich erweitert wird das Festival in diesem Jahr durch ein themenbezogenes<br />
Filmforum mit dokumentar- und Spielfilmen aus deutschland und Israel u.a. zu den<br />
Lebenswegen von Zeitzeugen des Holocaust im Capitol <strong>Schwerin</strong>.<br />
Eine erste gesamtaufführung des europaweiten Schultheaterprojektes „ESTHER<br />
– Europäische Strategien zur Holocaust Erinnerung“ wird im Rahmen des Festivals<br />
mit den europäischen Kooperationspartnern stattfinden. Zudem wird das Leben von<br />
Anita Lasker-wallfisch mit Schüler/innen aus verschiedenen deutschen Schulen im<br />
Schleswig-Holstein-Haus szenisch erarbeitet und vorgeführt.<br />
KvdH<br />
t<br />
Kontakt: Festival verfemte Musik<br />
Landesverband Jeunesses Musicales Mecklenburg-vorpommern e.v.<br />
c/o Konservatorium <strong>Schwerin</strong>, Puschkinstr. 13, 19055 <strong>Schwerin</strong><br />
Tel: 0173 6 123 372 oder 0385-555 89 26<br />
e-mail: k.v.d.heide@gmx.de, jemumv@aol.com<br />
Internet: www.verfemtemusik.de
26 EINMALIG<br />
WESPE steckt voller Überraschungen: Der<br />
Rostocker Lukas Grunert präsentierte bei<br />
WESPE sein eigenes Werk „Need no snare,<br />
have a chair“ und wurde mit einen Sonderpreis<br />
ausgezeichnet. Foto: Marc Dorazillo<br />
EiNmAliG<br />
n WESPE SuMMT IN ScHWERIN:<br />
WETTBEWERB FüR DIE BESTEN DER BESTEN BEI „JuGEND MuSIZIERT“<br />
In diesem Jahr ist <strong>Schwerin</strong>, die Landeshauptstadt von Mecklenburg-vorpommern,<br />
gastgeberin, wenn wESPE zur „Besten Interpretation“ aufruft. Zum Suchen,<br />
Forschen oder (wieder-)Entdecken von Musikwerken waren ausschließlich Preisträgerinnen<br />
und Preisträger des aktuellen Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“<br />
aufgerufen.<br />
Mehr als im Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ geht es bei wESPE darum,<br />
das instrumentale Können in den dienst der Musik zu stellen und sich noch nicht<br />
aufgeführten, weniger bekannten oder besonders schwierig zu interpretierenden<br />
werken zu widmen.<br />
130 von ihnen haben die Einladung angenommen und stellen nun am 7. und 8.<br />
September in <strong>Schwerin</strong> in sechs Kategorien ihre jeweilige Interpretation selbst<br />
gewählter oder gar selbst komponierter werke vor. Beste Interpretation eines<br />
werks der klassischen Moderne“, „Beste Interpretation eines werks einer Komponistin“,<br />
„Beste Interpretation eines eigenen werks“, „Beste Interpretation eines<br />
für “Jugend musiziert“ komponierten werks“, „Beste Interpretation eines eigenen<br />
werks“ und „Beste Interpretation eines werks der „verfemten Musik“, lauten die<br />
Kategorien. Am 9. September stellen sich die wESPE-Preisträger im Mecklenburgischen<br />
<strong>Staatstheater</strong> im Rahmen eines Abschlusskonzertes vor. Repräsentanten<br />
der preisstiftenden Institutionen werden dort „ihre“ Preisträger bekannt geben.<br />
Konzertkarten und Infos unter www.jugend-musiziert.org.<br />
Sonntag, 9.September 2012, 11.30 uhr · Großes Haus<br />
n JuSTuS FRANTZ · KLAvIERABEND MIT WERKEN vON MOZART<br />
Justus Frantz gehört zu den bekanntesten Pianisten und dirigenten unserer Zeit.<br />
Bereits 1967, im Alter von 23 Jahren, wurde er bei dem renommierten Internationalen<br />
Musikwettbewerb der ARd mit einem 2. Preis ausgezeichnet. der Schritt in<br />
die internationale Spitzenklasse gelang ihm 1970 mit den Berliner Philharmonikern<br />
unter der Leitung von Herbert von Karajan, sowie wenig später in Amerika mit dem<br />
New york Philharmonic Orchestra unter Leonard Bernstein. den Klavierabend in<br />
<strong>Schwerin</strong> wird der Pianist gänzlich dem werk wolfgang Amadeus Mozarts widmen.<br />
Mit drei Klaviersonaten – Kv 310 in A-Moll, Kv 331 in A-dur und Kv 332<br />
in F-dur – wird Justus Frantz Mozarts Reise von 1778 nach Paris erläutern. die<br />
drei Sonaten symbolisieren, so Frantz, den Aufbruch des Komponisten zu neuen<br />
Ufern, seinen weg in die Unabhängigkeit, frei von dem diktat des strengen vaters<br />
Leopold Mozart. die kompetente Führung des Pianisten durch das Programm<br />
verspricht dem Publikum ein außergewöhnliches Konzerterlebnis.<br />
Mittwoch, den 12. September 2012, 19.30 uhr · Konzertfoyer
Hanne Luhdo nahm für den Verein Die Platte<br />
lebt e.V. 2010 den ersten Annette-Köppinger-<br />
Preis von Stadtpräsident Stephan Nolte<br />
entgegen. © Rainer Cordes<br />
Ballettschule Tschapek „Schneewittchen“<br />
EINMALIG 27<br />
n FESTAKT ZuR vERLEIHuNG DES KöPPINGER-PREISES AM TAG DER<br />
DEuTScHEN EINHEIT<br />
die Landeshauptstadt lädt die Bürgerinnen und Bürger <strong>Schwerin</strong>s anlässlich des<br />
Tages der deutschen Einheit am 3. Oktober zu einer Festveranstaltung in das<br />
große Haus ein. Beim Festakt wird zum zweiten Mal der Annette-Köppinger-Preis<br />
der Landeshauptstadt verliehen. Mit dem Annette-Köppinger-Preis, benannt nach<br />
der ersten Integrationsbeauftragten der Landeshauptstadt, werden Einzelpersonen<br />
gewürdigt, die sich ehrenamtlich, mit hohem bürgerschaftlichen Engagement und<br />
Zivilcourage für Integration und Menschlichkeit einsetzen. Ausgezeichnet werden<br />
können auch vereine und andere gesellschaftliche Institutionen oder Initiativen<br />
für besondere Leistungen. Musikalisch umrahmt wird die Festveranstaltung vom<br />
<strong>Schwerin</strong>er gospelchor.<br />
Mittwoch, 3. Oktober 2012, 11 uhr · Großes Haus<br />
n TALK IM THEATER<br />
Souffler qc. à qn.[frz.] - jmdm. etw. einflüstern, vorsagen – dies ist die Aufgabe<br />
einer Souffleuse. Am Mecklenburgischen <strong>Staatstheater</strong> <strong>Schwerin</strong> ist die gebürtige<br />
<strong>Schwerin</strong>erin und ausgebildete Schauspielerin Barbara wachholtz dafür verantwortlich.<br />
Nach Engagements an verschiedenen Theatern hat sie sich seit 2003<br />
wieder gut im Norden eingelebt. den geist immer wach zu halten ohne selbst<br />
schöpferisch zu sein und die Kunstpause vom Texthänger zu differenzieren, seien<br />
große Herausforderungen. die Entwicklung in den Probenprozessen zu begleiten<br />
und die Arbeit mit den unterschiedlichsten Charakteren sind eine besondere Freude<br />
für Barbara wachholtz, die ihre Arbeit respektiert, schätzt und mit ihr mit großer<br />
Freude begegnet. Im gespräch mit Karin gustmann erfahren Interessierte mehr<br />
über die Arbeit der Souffleuse am <strong>Schwerin</strong>er Theater.<br />
Sonntag, 7. Oktober 2012, 11.00 uhr · Konzertfoyer<br />
n HERBSTLuNcH DER THEATERFREuNDE<br />
Am 14.10.2012 findet der diesjährige Herbstlunch der Theaterfreunde statt. wir<br />
wollen wieder neu engagierte Künstler/innen oder bekannte gesichter mit neuen<br />
Aufgaben vorstellen und befragen und den einen oder anderen künstlerischen<br />
Leckerbissen genießen dürfen bevor bei Speis und Trank das gespräch fortgeführt<br />
wird. Lassen Sie sich überraschen.<br />
Sonntag, 14. Oktober 2012, 11 uhr · Konzertfoyer<br />
n GASTSPIEL BALLETTScHuLE TScHAPEK<br />
Jedes Jahr vor weihnachten findet im Mecklenburgischen <strong>Staatstheater</strong> das größte<br />
Event der Ballettschule Tschapek statt. In diesem Jahr wird auf grund der großen<br />
Nachfrage, nach der Premiere im November letzten Jahres, das Märchenballett<br />
„Schneewittchen und die Sieben Zwerge“, am 11.11. 2012, um 11.00 Uhr, wiederholt.<br />
140 kleine und große Tänzer und Tänzerinnen werden wieder in kunterbunten<br />
Kostümen und aufwendigen Bühnenbildern ihr Können zeigen. Karten können, ab<br />
dem 01.Oktober 2012, unter der Telefonnummer 0385/716212 bestellt bzw. am<br />
Tag der veranstaltung käuflich erworben werden.<br />
11. November 2012, 11 uhr · Großes Haus
28 FRITZ-REuTER-BüHNE<br />
PREMIERE<br />
GElD<br />
vERDARwT<br />
DENN‘<br />
CHARAKTER<br />
EIN HERZ AUS gELd<br />
LUSTSPIEL vON RAy COONEy · PLATTdEUTSCH vON MANFREd HINRICHS<br />
geldscheine falten muss nicht besonders<br />
schwer sein. Für ein Herz benötigt man nur<br />
eine entsprechende Anzahl von geldscheinen<br />
nach wahl.<br />
Ausgerechnet an seinem geburtstag verwechselt Henry Pehmöller in der Bahn<br />
seine Aktentasche mit der eines Fremden und ist plötzlich Besitzer von einer Million<br />
Euro! Ein Fund, der in dem sonst so braven Bürger kriminelle Energien weckt: Henry<br />
eilt nach Hause, um sich schnurstracks mit geld und Ehefrau Anne ins Ausland<br />
abzusetzen! die allerdings ist von der Idee absolut nicht begeistert. Aber Henry<br />
lässt nicht locker, und das Taxi ist schnell bestellt. doch die Flucht gestaltet sich<br />
schwieriger als gedacht: Henrys geburtstagsgäste erscheinen und werden nun<br />
von den Ereignissen überrollt, zwei Polizisten sorgen für erstaunliche wendungen,<br />
und nicht nur der Taxifahrer verliert allmählich den Überblick. Als dann noch der<br />
ursprüngliche Besitzer des geldes tot aus dem wasser gezogen und anhand der<br />
Papiere in seinem Aktenkoffer als Henry Pehmöller identifiziert wird, liegen die<br />
Nerven endgültig blank. Ein turbulentes Lustspiel mit ungeahntem Ausgang. MB<br />
t<br />
Regie: Rolf Petersen, Bühnenbild: Malte Marks, Kostüme: giselher Pilz<br />
Mit: Beate Prahl, Elfie Schrodt, Arja Sharma; Andreas Auer, Jonathan Prösler,<br />
Christoph Reiche, Jens Tramsen, Bernhard A. wessels<br />
Premiere: Dienstag, 30.10.2012, 19.30 uhr · Großes Haus<br />
die linke untere Ecke zur gegenüberliegenden falten, so dass eine diagonale Faltlinie entsteht. Als nächstes den geldschein so knicken, dass die<br />
untere senkrechte Faltlinie auf der oberen diagonalen liegt.<br />
die äußere linke Ecke zur rechten äußeren umlegen, so dass die mittleren Ecken automatisch übereinander liegen. dann werden<br />
die oberen Ecken nach hinten geknickt, genau wie die beiden seitlichen, damit das Herz runder wird. Fertig!
ANZEIGEN
30 THEATERPÄDAGOGIK<br />
DER sCHAuspiElER<br />
BERNHARD mEiNDl im GEspRäCH<br />
Ab Herbst 2012 tourt Bernhard Meindl mit dem Stück Bis ans Limit durch die <strong>Schwerin</strong>er Schulen.<br />
Darin spielt er den 16-jährigen, alkoholabhängigen Florian, dem durch die Sucht beinahe sein Leben<br />
entgleitet.<br />
Bernhard, ich weiß, dass du der<br />
Produktion entgegenfieberst.<br />
Worauf freust du dich denn ganz<br />
besonders?<br />
da ist zum einen die Herausforderung,<br />
alleine zu spielen, weil man da jeden<br />
Moment selbst in der Hand hat. Und<br />
je mehr Zeit und Text du dafür hast,<br />
desto genauer kannst du so eine Figur<br />
zeichnen und zeigen: was ist das für<br />
ein Mensch, dieser Florian.<br />
wie man sich als Jugendlicher gefühlt<br />
hat, das ist für mich tatsächlich alles noch<br />
sehr abrufbar, noch relativ nah. Ich bin<br />
auch in einem Alter, in dem man noch<br />
gut einen 16-jährigen spielen kann. Mit<br />
meinen 28 Jahren falle ich ja quasi noch<br />
in den „Rest-jugendlich-Bereich“; da ist<br />
es für die Schüler nicht völlig abwegig,<br />
dass der Typ, der da vorne spielt, vor<br />
kurzem noch ähnlich empfunden hat,<br />
wie sie selbst. Ich denke, es ist möglich,<br />
dass etwas von dem, was sie bewegt,<br />
durch meine Person erfahrbar wird.<br />
Findest du, dass das Stück Ge-<br />
fühlswelten junger Menschen<br />
lebensnah beschreibt?<br />
Zum einen wird deutlich, wie man gewissen<br />
dingen ausgesetzt ist, denen man<br />
sich nur schwer entziehen kann. das<br />
betrifft die körperliche veränderung,<br />
aber auch Zwänge von außen, die<br />
jeder unterschiedlich wahrnimmt. was<br />
heißt es, cool zu sein, wie verhalte ich<br />
mich gegenüber den anderen, was sind<br />
werte, die mir persönlich wichtig sind?<br />
gleichzeitig wird aber auch klar, dass<br />
man trotzdem eine verantwortung sich<br />
selbst gegenüber hat, die es wahrzunehmen<br />
gilt. das gefällt mir besonders.<br />
Bisher hast du im Scheinwerferlicht<br />
auf der Bühne gestanden,<br />
in Kostüm und Maske und räumlicher<br />
Distanz zum Publikum.<br />
Im Klassenzimmer erleben dich<br />
die Schüler hautnah und ungeschminkt.<br />
Was bedeutet das für<br />
dich?<br />
darauf freue ich mich und bin schon<br />
sehr gespannt! die sogenannte vierte<br />
Bernhard Meindl als „Matratzenmann“ im Weihnachtsmärchen 2011: „Die einzig wirklich wahre,<br />
wenn auch beinahe unglaubliche Geschichte der Prinzessin auf der Erbse“<br />
wand, die gibt es ja im Klassenzimmer<br />
nicht. Man erzählt denjenigen, die da<br />
vor einem sitzen, etwas ganz direkt.<br />
da sitzt kein Publikum unten und schaut<br />
zwei Schauspielern auf der Bühne zu,<br />
die sich unterhalten, sondern der dialog<br />
findet ganz unmittelbar zwischen dem<br />
Schauspieler und seinen Zuschauern<br />
statt. da muss man sicher sehr konzentriert<br />
sein, sehr wach.<br />
Im Anschluss an jede vorstellung<br />
soll es eine Nachbereitung mit<br />
den Schülern geben. Wie wichtig<br />
ist dir persönlich ein solches<br />
Gespräch?<br />
das ist für mich essentiell wichtig! Es<br />
geht ja darum, dass das Stück in eine<br />
diskussion führt, dass man den Leuten<br />
nicht etwa sagt: „Ihr habt das gesehen<br />
und nun seid ihr andere Menschen“,<br />
sondern das man ihnen zeigt: Ich hab<br />
euch etwas mitgebracht - wie geht es<br />
euch damit? Kennt ihr so jemanden wie<br />
Florian? gibt es gewisse dinge, die ihr<br />
von euch selbst kennt, oder von Freunden?<br />
was kommt euch bekannt vor, was<br />
erscheint euch völlig fremd? Ich will den<br />
Schülern zeigen: Ich bin hier, damit ihr<br />
das auch loswerden könnt.<br />
Ich weiß, dass du sehr gern vor<br />
jugendlichem Publikum spielst.<br />
Was ist daran besonders?<br />
Man merkt, dass da Leute sitzen, die<br />
reagieren, die auch einfach mal Sachen<br />
reingeben. Jugendliche leben eine<br />
Aufführung häufig extremer mit. Bei den<br />
Jugendabo-vorstellungen von Frühlings<br />
Erwachen habe ich eine besonders<br />
konzentrierte, interessierte Atmosphäre<br />
wahrgenommen – das waren tolle<br />
vorstellungen!<br />
Antonia Holle im gespräch<br />
mit Berhard Meindl
ScHüLERSTAMMTIScH N° 3 IM WERK3<br />
In gemütlicher Runde, mit Kerzenschein und Knabberzeug, fand im April der<br />
Schülerstammtisch N° 3 statt. Stefan Hauffe, Regisseur des Musicals Anatevka,<br />
Frauke willimcik, gesangssolistin dieser Produktion sowie Schauspieler Bernhard<br />
Meindl, der in Anatevka als junger Russe das Herz der Jüdin Chava gewinnt, kamen<br />
mit den Jugendlichen ins gespräch über ihre künstlerische Arbeit, die Entstehung<br />
der Produktion Anatevka und andere spannende Theaterthemen. wen es selbst<br />
unwiderstehlich auf die Bühne zieht, der konnte bei der Leiterin des Jugendtheaterclubs<br />
Lucie Teisingerova alles über die Probenarbeit und die aktuelle Produktion<br />
des JTC erfahren.<br />
Aktuelle Termininformationen zum nächsten Schülerstammtisch erhaltet ihr über<br />
Facebook und unseren Jugendnewsletter, der unter service@theater-schwerin.de<br />
mit Angabe des Betreffs „Jugendnewsletter“ bestellt werden kann.<br />
RAuBKATZEN, LIEBESScHWüRE uND BLuMEN IM HAAR –<br />
DAS JuGEND-ABO DER NEuEN SPIELZEIT BIETET EIN TOLLES PRO-<br />
GRAMM, ScHON AB 6 EuRO PRO ABEND!<br />
430 Jugend-Abonnenten, so viele wie noch nie, haben in der vergangenen Spielzeit<br />
mit stimmgewaltigen Bravorufen und tosendem Beifall unser Theater regelrecht zum<br />
Kochen gebracht. Auch in der nächsten Spielzeit können sich alle Inhaber eines<br />
Jugend-Abos auf eine aufregende Kombination aus Oper, Schauspiel, Ballett und<br />
Musical freuen! Im Oktober erlebt ihr, wie Friedrich dürrenmatts welterfolg Der<br />
Besuch der alten Dame seine faszinierende und gespenstische dynamik entfaltet.<br />
Um große gefühle geht es dann in Puccinins Oper Madama Butterfly – ein zu<br />
Herzen gehendes Musikdrama mit hinreißend schönem gesang: gänsehaut garantiert!<br />
Brandaktuelle neue dramatik erwartet euch im E-werk, wenn bei Iwan<br />
wyrypajews Schauspiel Illusionen der Frage nachgespürt wird, ob das, was wir<br />
für die große Liebe halten, womöglich nur eine einzige, große Selbsttäuschung<br />
sein könnte. wie komisch, herrlich schräg und berührend das Märchen Schneewittchen<br />
erzählt werden kann, vermittelt der Ballettabend blutrot.schneeweiß.<br />
rabenschwarz. den Abschluss der Saison bildet das Love-Rock-Musical Hair, mit<br />
dem ihr euch schon mal in Ferienlaune bringen könnt: „wirf den Stress ab, du bist<br />
reif / für dein eignes Hippie-Life.“ Unser Jugendabonnement ist eine echte Alternative<br />
zum Kino: Fünf Mal Theater gibt es schon ab 30 Euro, und für nur 38 Euro<br />
sitzt ihr sogar auf den besten Plätzen! das Jugend-Abo muss nicht zwingend über<br />
den deutschlehrer in der Schule gebucht werden – ihr könnt das Angebot auch<br />
alleine nutzen oder mit euren Freunden gemeinsam im Kulturgenuss schwelgen.<br />
Anmeldeschluss ist der 1. Oktober 2012. Weitere Informationen erhaltet<br />
ihr telefonisch unter 0385 5300 125 oder per E-Mail unter angelika.<br />
fritsch@theater-schwerin.de. AH<br />
THEATERPÄDAGOGIK 31<br />
1. JuGENDKONZERT<br />
Musikalische Meditationen<br />
Ausschnitte aus<br />
Felix Mendelssohn Bartholdy<br />
Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 107,<br />
Reformationssinfonie<br />
Johann Sebastian Bach<br />
Instrumentierung von Anton webern<br />
Fuga-Ricercata a 6 voci aus<br />
Musikalisches opfer Bwv 1097<br />
Olivier Messiaen<br />
L`Ascension (Die Himmelfahrt).<br />
vier sinfonische Meditationen<br />
Musikalische Leitung: Adrian Prabava<br />
gast: Pastor volker Mischok,<br />
domprediger am dom zu <strong>Schwerin</strong><br />
Moderation: Katharina Riedeberger<br />
Chill-out vom Feinsten! Im 1. Jugendkonzert,<br />
das dieses Mal den Namen<br />
Musikalische Meditationen trägt,<br />
werden spirituelle Musiken aus drei<br />
Jahrhunderten vorgestellt. die Mecklenburgische<br />
Staatskapelle <strong>Schwerin</strong><br />
interpretiert unter der Leitung des in<br />
Jakarta/Indonesien geborenen Adrian<br />
Prabava Ausschnitte aus der Reformationssinfonie<br />
von Felix Mendelssohn-<br />
Bartholdy, dem Musikalischen<br />
Opfer von Johann Sebastian Bach<br />
(instrumentiert von Anton webern) und<br />
den Vier sinfonischen Meditationen<br />
von Olivier Messiaen. Pastor volker<br />
Mischok, domprediger des <strong>Schwerin</strong>er<br />
doms und dramaturgin Katharina Riedeberger<br />
freuen sich auf Ihre gäste und<br />
eine musikalische Erlebnistour, mal zum<br />
Chillen, mal zum Schweben.<br />
Mittwoch, 7. November 2012,<br />
10.00 uhr, Großes Haus<br />
Pastor Volker Mischok
32 PuPPENTHEATER<br />
PREMIERE<br />
t<br />
Das tapfere Schneiderlein<br />
Frei nach dem Märchen<br />
der Brüder grimm<br />
Text, Inszenierung, Puppen, Ausstattung<br />
und Spiel: Antje Binder<br />
Für Kinder von 4 bis 10 Jahren<br />
Premiere: 4. November 2012<br />
Puppentheater im E-Werk<br />
NEuEs spiEl,<br />
NEuEs GlüCK<br />
In diesem Herbst will die Landesregierung über die zukünftige Theater- und Orchesterstruktur<br />
in Mv und damit auch über die Zukunft des <strong>Schwerin</strong>er Puppentheaters<br />
entscheiden. In seinem Antwortschreiben an eine Unterstützerin des Puppentheaters<br />
aus dem Süden deutschlands schrieb Kulturminister Mathias Brodkorb, dass es<br />
auch ihm ein großes Anliegen sei, weiterhin ein kreatives und qualifiziertes Angebot<br />
für Kinder und Jugendliche anzubieten, weil damit einerseits das kreative Potential<br />
der jüngsten generation geweckt und andererseits möglicherweise das zukünftige<br />
Publikum für die Theater und Orchester gewonnen wird. (Brief liegt der Redaktion<br />
vor). doch das ist es nicht allein. Theater und Puppentheater fördern nicht nur die<br />
Kreativität, sondern auch Sprache und Bildung, im besten Falle die kulturelle und<br />
politische. dass Puppentheater dies auch wirklich leistet, wollen wir in der kommenden<br />
Spielzeit erneut beweisen. das Märchen Das tapfere Schneiderlein,<br />
welches am 4. November Premiere haben wird, ist ein gutes Beispiel dafür.<br />
wer kennt es nicht, das schlaue Kerlchen, das durch Klugheit und List Riesen, Einhorn<br />
und wildschwein bezwingt und am Ende sogar die Prinzessin heiraten darf?<br />
Heutzutage nicht mehr jedes Kind. Zu Martin Luthers und Hans Sachs’ Zeiten waren<br />
die später von den Brüdern grimm gesammelten volksmärchen 250 Jahre vor ihrer<br />
Niederschrift noch Bestandteil einer lebendigen mündlichen Erzähltradition. Märchen<br />
gehören jedoch zum Bildungskanon unserer abendländischen Kultur, weil wir<br />
Abendländer uns bewusst und unbewusst immer wieder darauf beziehen. deshalb<br />
sind Märchen ein wichtiger Bestandteil unseres Spielplans, sie an die nächsten<br />
generationen weiterzugeben ist ein Anliegen, das uns sehr am Herzen liegt.<br />
Auch wenn dies nicht sofort offensichtlich ist – Das tapfere Schneiderlein ist<br />
ein schönes Beispiel dafür, wie ganz nebenbei Theater und Puppentheater auch<br />
eine politische dimension haben können.<br />
die Nazis in ihrem germanischen Mythenwahn liebten zwar die grimm‘schen<br />
Märchen im Allgemeinen, aber gerade das vom tapferen Schneiderlein ganz<br />
und gar nicht. So fand der wehrmachtsoffizier und Ideologe georg Schott: „der<br />
Knirps ist ein ganz abgefeimter Bursche“ und habe „etwas von einem Juden an<br />
sich“. die Riesen, die der gerissene Handwerker gegeneinander aufhetzt, seien<br />
in wirklichkeit „deutsche Riesen“, „Prachtkerle, mit ihren unheimlichen Kräften“,<br />
und er klagte: „Aber alles umsonst, ein elender wicht, der seinen Schabernack<br />
mit ihnen treibt, wird ihrer Herr… das alles ist echt jüdisch ... Man denke nur an<br />
die aufdringliche Reklame ‚Siebene auf einen Streich‘.“ (Quelle: „der Spiegel“<br />
47/1967). Uns ist es daher eine große Freude, gerade dieses Märchen auf die<br />
Bühne zu bringen.<br />
Puppentheater fördert wie jedes gute sprachliche vorbild schon durch die Aufführungen<br />
an sich die sprachliche Entwicklung der Heranwachsenden. durch<br />
seine Eigenart, die Kinder zum Mitmachen und Mitsprechen zu animieren, tut<br />
das in einem besonderen Maße. Puppentheater fördert die Phantasie, wie jede<br />
Theatervorstellung. Bei uns wird besonders die Phantasie der Kinder gefördert,<br />
mit kindgerechten Mitteln bringen wir ihre welt auf die Bühne. Im Puppentheater<br />
dürfen sich die Kinder – selbstverständlich die Erwachsenen ebenso – aber auch<br />
einfach mal in nie gesehene welten voller wunder entführen lassen. wo aus einem<br />
Schneider ein König werden kann, weil er geschickt die Fliegenklatsche auf ein<br />
Pflaumenmusbrot sausen lässt. Auch das ist wichtig. KF
PREMIERE<br />
Klaus Bieligk<br />
t<br />
Leitung: Peter dehler<br />
Mitarbeit Text, Inszenierung:<br />
Antje Binder, Klaus Bieligk<br />
Ausstattung, Puppen: Antje Binder<br />
Spiel: Antje Binder, Klaus Bieligk<br />
Für Kinder ab 8 Jahren und<br />
Erwachsene<br />
Premiere: Sonntag,<br />
23. September 2012<br />
Puppentheater im E-Werk<br />
Die Rote Klasse der Montessori-Schule<br />
<strong>Schwerin</strong> belegte den 1. Platz<br />
Über den 2. Platz konnten sich die<br />
12 Schüler der Nils-Stensen-Schule freuen<br />
PuPPENTHEATER 33<br />
FRAu ANTJE uND<br />
HERR KLAuS SPIELEN:<br />
SherLoCk hoLmeS<br />
uND Dr. WatSoN<br />
In dieser gemeinschaftsproduktion des Puppentheaters mit dem Schauspiel arbeiten<br />
unter der Leitung von Schauspieldirektor Peter dehler die Puppenspielerin Antje<br />
Binder und Klaus Bieligk zusammen. der erfahrene Schauspieler ging noch einmal<br />
in die Lehre und hat sich von Frau Binder in die grundlagen des Puppenspiels<br />
einweisen lassen. denn Sherlock Holmes und dr. watson, der Hund von Baskerville<br />
und James Moriarty, Sherlock Holmes‘ Erzfeind, werden diesmal als Puppen ihr<br />
Publikum in Atem halten. Schattenspiel, Handpuppen, Flachfiguren – Antje Binder<br />
und Klaus Bieligk nutzen die gesamte vielfalt des genres Figurentheater für diese<br />
nicht alltägliche Inszenierung. die humorvolle Parodie auf die spannendsten<br />
Kriminalfälle des berühmten detektivpaares nähert sich ihren Protagonisten mit<br />
einer liebevollen Perspektive und verspricht beste Unterhaltung für Erwachsene<br />
und Kinder ab 8 Jahren.<br />
NAcHLESE PuPPENTHEATERWETTBEWERB<br />
uND FERIENPROGRAMM<br />
Beim diesjährigen Puppentheaterwettbewerb belegte die Rote Klasse der<br />
Montessori-Schule <strong>Schwerin</strong> den ersten Platz mit ihrer beeindruckenden Puppentheaterversion<br />
des Romans Die Konferenz der Tiere von Erich Kästner. die Kinder<br />
überzeugten das Publikum im ausverkauften Puppentheater durch die liebevoll und<br />
vielfältig gestalteten Puppen, ihre Konzentration und Spielfreude sowie ihr sehr<br />
gutes Sprechen. Über den 2. Platz freuten sich die Schüler des Puppentheaterprojektes<br />
von Franziska Just-wünsch an der Nils-Stensen-Schule <strong>Schwerin</strong>. Mit ihrem<br />
selbst erdachten Episodenstück Wo, zur Hexe, ist die Sonne?, ihren phantasievollen<br />
Puppen und dem originellen Bühnenbild trafen sie den geschmack und die Lachmuskeln<br />
der gleichaltrigen Zuschauer. den 3. Platz errang das Marionettenteam<br />
mit einem ebenfalls selbst ausgedachten Stück, zu dem sogar Livemusik geboten<br />
wurde. Bei der von Eltern, großeltern und Freunden bejubelten Aufführung der drei<br />
gewinnerstücke am 10. Juni waren insgesamt 40 Kinder beteiligt. wir möchten<br />
uns noch einmal ausdrücklich bei den drei grundschülerinnen des Pädagogiums<br />
<strong>Schwerin</strong> bedanken, die engagiert ihre Funktion als Jurymitglieder wahrnahmen,<br />
außerdem bei der direktion und Lehrerschaft, die diese Teilnahme ermöglichten.<br />
Zur Jury gehörten außerdem die Schauspielpraktikantin Johanna sowie Puppenspielerin<br />
Antje Binder und dramaturgin Katja Frick.<br />
Auch das Ferienprogramm Puppensommer in der Schelfstadt, das vom 7. bis<br />
31. Juli im gartenhof des Konservatoriums <strong>Schwerin</strong> stattfand, war ein großer<br />
Erfolg. die zahlreichen positiven, oft sogar begeisterten Reaktionen seitens der<br />
großen und kleinen Zuschauer bestätigen dieses Konzept. durch die über 1200<br />
Besucher und dank des Sponsors Nawrockialpin konnte sogar ein kleines Plus<br />
erwirtschaftet werden. der Puppensommer in der Schelfstadt wird auch 2013<br />
stattfinden, dann wird es zum Auftakt auch wieder das beliebte Puppenspielfest<br />
Puppen im Park geben.
34 THEATERFREuNDE<br />
CoNRAD-EKHoF-pREis<br />
Liebe Brit claudia Dehler,<br />
meine sehr verehrten Damen<br />
und Herren,<br />
es gibt ihn wirklich, den vielzitierten und<br />
auch oft glossierten drang zur Bühne,<br />
zur Kunst.<br />
Und es gibt Menschen, bei denen es<br />
unendlich schade wäre, wenn sie ihm<br />
nicht nachgeben würden, so schade,<br />
dass es gewissermaßen dem Plan der<br />
Schöpfung widerspräche.<br />
Brit Claudia dehler gehört zu diesen<br />
Menschen, und sie hat diesen drang<br />
schon früh verspürt, und sie hat ihm<br />
nicht nur nachgegeben, sondern ihn<br />
zum Lebensinhalt gemacht und in die ihr<br />
gemäßen Bahnen gebracht - in musikalische,<br />
darstellerische, tänzerische.<br />
daraus ist eine Bereicherung, ein glück<br />
für viele geworden, und wir wollen sie,<br />
im Sinne dieser vielen, heute dafür ehren<br />
und auszeichnen.<br />
Schon früh hat man ihr großes Talent<br />
erkannt, schon während ihres Studiums<br />
in Köln spielte sie prägnante Rollen,<br />
ebenso während ihres ersten Engagements<br />
in Münster.<br />
Als Straßengöre im Kleinen Horrorladen<br />
begann sie in <strong>Schwerin</strong>.<br />
Es erscheint einem jetzt fast wie ein<br />
schneller Anlauf für die zahlreichen<br />
großen Rollen, die folgten:<br />
• die Emma Pinneberg in Kleiner Mann,<br />
was nun?,<br />
• Ophelia im „Hamlet“,<br />
• die Titelrolle in Die heilige Johanna<br />
der Schlachthöfe,<br />
• das gretchen in Peter dehlers Faust-<br />
Bearbeitung.<br />
Und natürlich die Rolle, über die noch<br />
näher zu reden sein wird.<br />
wenn man Brit Claudia dehler auf der<br />
Bühne sieht, denkt man nicht nur über<br />
die Figur nach, die sie verkörpert, man<br />
sieht auch eine junge Frau, deren jugendlicher<br />
Habitus, deren unversteckte<br />
Emotionalität allein schon eine Reihe<br />
von Reflektionen und Assoziationen<br />
wachrufen, auch persönliche.<br />
Man ist verblüfft, erstaunt, dann begeistert.<br />
Man horcht in sich hinein, kommt ins<br />
Nachdenken und stellt für sich fest, dass<br />
es wohl so ist, dass mit zunehmendem<br />
Alter, mit gewonnener Menschenkenntnis<br />
sich auch immer wieder Pessimismus<br />
nach vorn drängen will – fast hoffnungsloses<br />
Erstaunen über dumpfheit,<br />
Oberflächlichkeit, Kaltherzigkeit und<br />
Egoismus.<br />
wenn sich dieser Pessimismus sogar<br />
auf junge Menschen bezieht, ist das<br />
besonders schlimm, und ich muss zugeben,<br />
dass ich nicht immer frei davon<br />
bin. Aber dann sieht man diese Frau auf<br />
der Bühne, der man Leidenschaft und<br />
Kraft anmerkt, die sich selbst bei der<br />
darstellung des Abgründigen mit ihrer<br />
Persönlichkeit in widerspruch dazu<br />
bringt. Und schon beginnen ein paar<br />
Bilder zu bröckeln.<br />
Und wenn man diese Frau dann kennenlernt<br />
- so lebendig, so begeisterungsfähig,<br />
so offen für die welt mit all<br />
ihren Sinnen, fröhlich und traurig, laut<br />
und leise, sanft und temperamentvoll,<br />
spontan und bedächtig, dann wiegt das<br />
hunderte schlechte Erfahrungen auf,<br />
macht Hoffnung und macht froh.<br />
Sie kennenzulernen ist ein besonderes<br />
Erlebnis, denn sie bietet diese Unverwechselbarkeit,<br />
diese ganz eigene Ausstrahlung,<br />
sowohl persönlich wie auf der<br />
Bühne, die sie weit heraushebt aus der<br />
großen Schar der darstellungsbeschäftigten,<br />
die, heute ganz schnell schon<br />
als „Star“ bezeichnet, sich bestenfalls<br />
mit Mittelmaß besonders vor Kameras<br />
präsentieren.<br />
Brit Claudia dehlers wesen, ihre wirkung,<br />
ihre Arbeit lassen sich am besten<br />
mit den vier Begriffen beschreiben, die<br />
Brecht an den Anfang seiner „Kinderhymne“<br />
stellte:<br />
• Anmut und Mühe,<br />
• Leidenschaft und verstand.<br />
das erste wort des Liedtitels stimmt zum<br />
nächsten Eindruck: Man sieht, man spürt<br />
das Kind in ihr – es tobt und springt, es<br />
strahlt einem entgegen, wenn man mit<br />
ihr spricht, und es schaut auch mit den<br />
großen Augen, die noch so viel von<br />
der welt aufnehmen wollen, um immer
wieder Neues zu entdecken.<br />
das ist etwas gutes, etwas Seltenes.<br />
Ein weiser Mann hat mal gesagt: „vermeidet<br />
es, kindisch zu sein, aber strebt<br />
danach, kindlich zu sein bis zu eurem<br />
Tod.“ Und auch bei Schiller heißt es ja:<br />
„wohl dem, der frei und ohne Fehle /<br />
bewahrt die kindlich reine Seele.“<br />
diese zu bewahren, war immer schwer<br />
und ist es heute vielleicht besonders.<br />
Aber wer es schafft, stellt andere Fragen<br />
an‘s Leben als diejenigen, die glauben<br />
erwachsen geworden zu sein und durch<br />
den verlust der Kindheitsgefühle doch<br />
nur älter geworden sind.<br />
Brit Claudia dehler ist eine kluge Frau,<br />
eine wache und sensible Schauspielerin,<br />
die ihre Rollen immer mit Handwerk,<br />
Intelligenz und Seele gleichermaßen<br />
gestalten will.<br />
Sie kann einem alten Theaterratschlag<br />
nicht folgen, der besagt, man solle beim<br />
Betreten des Theaters private gefühle<br />
wie einen nassen Regenschirm beim<br />
Bühnenpförtner abgeben. Eine Rolle,<br />
die sie nicht auch mit ihrem ureigensten<br />
persönlichen Empfinden reflektieren<br />
kann, mag es positiv sein oder negativ,<br />
ist ihre Sache nicht. Nur nüchternen<br />
professionellen Umgang mit einer Figur<br />
mag sie nicht.<br />
Sie mag klare Konzepte für Stück und<br />
Figur, aber sie liebt auch den künstlerischen<br />
Konflikt, die widersprüche und<br />
Brüche in der Arbeit, aus denen dann<br />
ihre eigene Position erwachsen und<br />
produktiv werden kann.<br />
Eine Figur, eine Rolle ist für sie kein eng<br />
umschränkter Kreis, sondern Komprimat<br />
von weite, und sie will immer die weite<br />
kennen, um das Komprimat zu gestalten.<br />
das Sekundäre ist ihr wichtig, ob aus<br />
der Literatur, der geschichte oder den<br />
Lebenserfahrungen anderer.<br />
wenn man sie das erste Mal sieht, macht<br />
sie einen zarten, fast zerbrechlichen Eindruck.<br />
das erweckt Beschützerinstinkte.<br />
Aber spätestens, wenn sie einen richtig<br />
anblitzt, merkt man, wie viel Energie<br />
in ihr steckt, und dass sie es zu Recht<br />
nicht mag, wenn man „Kleine“ zu ihr<br />
sagt. Und im weiteren Kennenlernen<br />
entdeckt man eine Menge Praktisches<br />
und Patentes in ihr und klammert auch<br />
die Möglichkeit des gemeinsamen Pferdestehlens<br />
nicht mehr aus.<br />
Sie ist schon früh musisch interessiert,<br />
geprägt und ausgebildet worden. Musik<br />
hat seit der Kindheit ihr Leben bestimmt,<br />
später hat sich das Schauspiel dann<br />
durchgesetzt.<br />
das Musikinstrument, das sie spielt, zu<br />
erraten, ist nicht ganz einfach. Es ist<br />
das Horn, das waldhorn, und wenn<br />
man nachdenkt, wundert es einen<br />
nicht. Es passt einfach zu ihr. Nicht nur<br />
wegen der großen Herausforderung<br />
bei Spieltechnik und Intonation, sondern<br />
auch wegen seines Klangs - von der<br />
weberschen waldromantik bis zum<br />
Prokofjewschen wolf.<br />
Und ganz viel dazwischen.<br />
Manfred Zelt schrieb über die gestaltung<br />
der Rolle, die bestimmend war für<br />
die heutige Preisverleihung:<br />
„Überlebensgroß offenbart sie jede<br />
Regung der jungen Frau. ... Bedrängnis<br />
- Brit Claudia dehler macht sie unausweichlich<br />
mit intensivem Mienen-Spiel.<br />
Fast ohne gesten spielt sie Terror der<br />
Selbstüberwachung in starren Augen,<br />
Hoffnung auf Liebe in strahlenden. der<br />
Zweifel am Selbstwert zuckt um den<br />
Mund, weinkrampf naht beim Anblick<br />
einer schlanken Frau, Enttäuschung<br />
presst die Lippen, der Ekel nach der<br />
Fressattacke deformiert die Züge.<br />
Und Stimmungswechsel in der Stimme:<br />
sachlich, vibrierend, würgend, ermüdet.<br />
die Namenlose steht völlig nackt, körperlich<br />
wie geistig. Es ist, unterbrochen<br />
THEATERFREuNDE 35<br />
von fiebrigen Ausbrüchen, der leise<br />
Schrei einer Seele.“<br />
wie geht man nach Hause nach so<br />
einer Rolle, so einer darstellung? wie<br />
entspannt man sich, gewinnt wieder<br />
Kraft für das nächste Mal, das die Zuschauer<br />
ebenso berühren, erschüttern,<br />
verstören soll?<br />
Brit Claudia dehler ist die Natur dafür<br />
nötig und wichtig, und sie hat mit<br />
unserer Landschaft ein schönes Stück<br />
Zuhause in ihr gefunden. Hier ist für<br />
sie Ruhe zu finden und Inspiration,<br />
gelegenheit zum Träumen mit offenen<br />
Augen und zum Krafttanken, hier kann<br />
sie körperlich beim Paddeln oder Laufen<br />
aktiv werden.<br />
Sie hat Freude daran, Körper und Seele<br />
etwas zu geben, damit sie beiden auch<br />
wieder etwas abverlangen kann. denn<br />
das tut sie in hohem Maße.<br />
Sie gehört zu den Schauspielern, die<br />
„in dem engen Bretterhaus den ganzen<br />
Kreis der Schöpfung ausschreiten wollen“<br />
– und können!<br />
dafür erhält sie heute den Conrad-Ekhof-Preis!<br />
Herzlichen glückwunsch!<br />
Und für alle, die es immer noch nicht<br />
wissen, sie ist mit Peter dehler weder<br />
verheiratet, noch verschwägert, noch<br />
verwandt!!<br />
Termine Theaterfreunde<br />
• Herbstlunch · 14. Oktober 2012,<br />
Konzertfoyer<br />
• TheaterFreundeTreff,<br />
13. November 2012 · werk3<br />
• Herbstsoiree · 17. November 2012<br />
Crown Plaza
36 KuLTuRScHuTZ + KuNST<br />
In der Sommerpause war ein kurzes verschnaufen<br />
für die vielen Kulturschützer<br />
möglich. Auch wenn es beunruhigend<br />
ist, dass die Münchner Metrum Managementberatung<br />
gmbH in dieser Zeit<br />
am Konzept für die Theaterlandschaft<br />
in Mecklenburg-vorpommern arbeitet.<br />
dazu gab es gespräche u.a. mit den<br />
geschäftsführern und den gewerkschaften.<br />
Allerdings waren einige der<br />
Theatermitarbeiter in den Ferien und<br />
deshalb nicht beteiligt. Hoffen wir,<br />
dass nach den Ferien noch die Zeit<br />
ist, dass die Konzeptentwickler sich<br />
bei den Theaterleuten noch intensiver<br />
informieren und einarbeiten können.<br />
Jetzt ist es aber Zeit dANKE zu sagen.<br />
danke an all die Menschen, die mit uns<br />
mit hoffnungsvollem Herzen, mit viel<br />
Humor und Engagement auf Straßen<br />
und Plätzen, im Landtag und im Inter-<br />
net für den Schutz von gewachsener<br />
kultureller Potenz gekämpft haben. Es ist<br />
uns miteinander gelungen, in einer nur<br />
von Finanzen bestimmten debatte, auch<br />
wieder den wert der kulturellen Arbeit<br />
für die gesellschaft zum Thema zu machen.<br />
deshalb danke auch für all die<br />
Kulturschutzkreuze, die als Plakat oder<br />
Aufkleber, als Aufnäher oder Anstecker<br />
oder gar in einer selbstgebastelten variante<br />
überall in Stadt und Umland als<br />
Zeichen der Unterstützung angebracht<br />
waren. Neu sind kleine edle Pins in der<br />
größe kleiner Münzen, die man am<br />
Jackettrevers anbringen kann, an Blusen<br />
und Hemden, Jacken und Taschen, oder<br />
wo auch immer man möchte. diese Pins<br />
gibt es ab Spielzeitbeginn für einen Euro<br />
im Theaterladen zu kaufen. die ersten<br />
Exemplare gingen schon während der<br />
SCHLOSSFESTSPIELE über den La-<br />
DANKE! [x]<br />
dentisch. danke auch an all die festen<br />
und freien Mitarbeiter des Theaters,<br />
die musiziert und getanzt, gelesen und<br />
gesungen haben, um die kulturellen Leistungen<br />
sichtbar zu machen. Und auch,<br />
damit alle begreifen, was Orchester und<br />
Theater bedeutet, sind auf den Plakaten<br />
und den anderen druckerzeugnissen<br />
des Theaters die Solisten abgebildet,<br />
aber auch die Handwerker in den<br />
werkstätten. So sieht man die darsteller<br />
der Reuterbühne in der Tischlerei, die<br />
Schauspieler im Malsaal, die Sänger<br />
in der Kostümabteilung, die Tänzer<br />
in der Schlosserei. Und überall wird<br />
dafür gearbeitet, dass unser Publikum<br />
gelungene, entspannende und herausfordernde<br />
Abende auf hohem Niveau<br />
erleben kann. Hoffen wir, dass dies<br />
weiter blüht, besser noch: immer wieder<br />
neu erblühen kann. RR<br />
GAlERiE im THEATER<br />
EIN PLATZ FÜR dIE BILdENdE KUNST IM HAUS<br />
vor nunmehr fünf Jahren unterbreitete der generalintendant Joachim Kümmritz dem <strong>Schwerin</strong>er Kunst- und Museumsverein e.v.<br />
seine Idee, künftig im Theater Ausstellungen mit werken von bildenden Künstlern zu zeigen, das stieß im engeren vereinsvorstand<br />
sofort auf begeisterte Zustimmung. Natürlich gab es damals auch Skeptiker, die darin eine unnötige visuelle Ablenkung<br />
vom Theaterbesuch sahen. doch nach nunmehr über zehn erfolgreich präsentierten Ausstellungen sind erste Zweifel beseitigt,<br />
die galerie im Theater ist etabliert und das überraschende Zusammenspiel der Künste stellt für viele Theaterbesucher längst<br />
ein willkommenes zusätzliches Erlebnis dar. die Tatsache, dass bei nahezu allabendlich ausverkauften vorstellungen vielen<br />
Besuchern die Möglichkeit geboten wird, unerwartet gemälden, Zeichnungen, grafiken, Fotografien oder Skulpturen zu begegnen,<br />
ist ein höchst attraktiver kultureller Nebeneffekt. Schon oft haben die Ausstellungen dazu beigetragen, erste Kenntnis<br />
von herausragenden bildkünstlerischen Leistungen der Region und weit darüber hinaus zu vermitteln. das Theater mit seinem<br />
besonderen Ambiente bietet vor allem, was keine galerie und kaum ein Museum vermag, unkompliziert ein großes Publikum<br />
direkt zu erreichen und anzuregen, die vielfalt der Künste neu zu erfahren und zu genießen. Seit Anbeginn ist die galerie im<br />
Theater ein gemeinschaftsunternehmen, es wird konzeptionell betreut vom <strong>Schwerin</strong>er Kunst- und Museumsverein unter der<br />
Leitung von dr. Klaus gollert und der Kunstwissenschaftlerin dr. Hela Baudis, als Kuratorin. Finanzielle Unterstützung leistet die<br />
engagierte gesellschaft der Theaterfreunde unter dem vorsitz von dr. Michael Jungrichter. die Abt. Marketing des <strong>Staatstheater</strong>s<br />
übernimmt organisatorische Aufgaben und ist aktiv am Ausstellungsaufbau beteiligt, während die Musiker der Mecklenburgischen<br />
Staatskapelle die Eröffnungsveranstaltungen exzellent begleiten. Rückblickend sei an die Künstler der galerie im Theater erinnert.<br />
den Auftakt machte Christine Stäps mit eindrucksvoll gezeichneten Porträtköpfen, es folgten die feinnervigen Aquarelle<br />
von Hartwig Hamer, danach zeigte wolfgang Friedrich seine Bronze- und Terrakotta- Skulpturen und Sabine wentzel ihre<br />
monumentalen Fotografien zum „deutschen wald“. Mit großen magischen Zeichnungen faszinierte Kerstin grimm und betont<br />
sachliche Papiercollagen-Köpfe lieferte Martin Hoffmann. Andreas Homberg stellte Malereien zu Franz Schuberts „winterreise“<br />
vor. Zum besonderen Erlebnis wurde die erneute Präsentation von Joachim Johns Panoramabild zur Französischen Revolution,<br />
das der Kunst- und Museumsverein angekauft und dem Staatlichen Museum <strong>Schwerin</strong> übereignet hat. Begeisterte Aufnahme<br />
und etliche Käufer fanden gemälde und Lithografien des Berliner Malers Robert Metzkes. gisela Neumanns phantasievolle<br />
Malereien waren in der Spielzeit 2011 zu sehen. Otto Sander-Tischbeins originelle, episodenhafte Kompositionen begleiteten<br />
die 1. Hälfte der neuen Spielzeit. Harald Beckers expressive Landschaftsgemälde werden schon bald zu sehen sein, daher<br />
herzlich willkommen zur nächsten Ausstellungseröffnung am 06. Oktober 2012 um 11 Uhr in der galerie im Theater. HB
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