Ich hasse meine Freundinnen. Ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag. Weil sie im Standesamt nicht nur leere Sektflaschen zurücklassen, sondern auch ihre Nachnamen. Private Statistik: Von zehn Freundinnen, die in den letzten Jahren geheiratet haben, haben nur zwei ihren Namen behalten, eine hat gemeinsam mit ihrem Mann den Geburtsnamen ihrer Mutter angenommen. Sieben von zehn Freundinnen, alle berufstätige, selbstbewusste, kritische junge Frauen haben den Nachnamen ihres Mannes angenommen. Meine private Statistik entspricht dem, was eine Studie des Marktforschungsinstituts GfK besagt: Mit 18,8 Prozent  bleibt nur jede fünfte Frau bei ihrem Familiennamen. Einige hatten sicher nachvollziehbare Gründe. Verständnis habe ich für ihre Entscheidung dennoch nicht. 

Früher war eine Hochzeit vor allem ein bürokratischer Akt, erfunden, um zwei Menschen, zwei Familien, zwei Haushalte, zwei Vermögen zu vereinen. Und im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern war es in Deutschland nicht nur gesellschaftliche Norm, den Namen des Mannes anzunehmen. Alles andere war verboten. 1896 wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben, dass die Ehefrau den Namen des Mannes anzunehmen habe. Erst mit der Ehereform von 1976 wurde festgelegt, dass der Name des Mannes nicht mehr automatisch gemeinsamer Familienname werden musste.  In einem Fachkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch aus demselben Jahr steht: "Der Frau ist ein Namenswechsel im Zweifel eher zumutbar, da sie als die zumeist Jüngere vor der Heirat weniger lang im Berufsleben stand, nachher zur Versorgung der Kleinkinder oft einige Jahre aus dem Beruf ausscheidet sowie überdies in ihm häufig weniger hohe Positionen einnimmt als im Durchschnitt der Mann."

Meine Mutter wollte keinen Doppelnamen, was ab 1957 möglich war, aber nur, indem die Frau ihren Nachnamen an den des Mannes anhängte. Mein Vater wollte seinen Namen nicht abgeben, was seit 1966 in der DDR und seit 1976 in der BRD möglich war. Also war meine Mutter gesetzlich verpflichtet, den Namen meines Vaters anzunehmen. Die Frauen von heute haben die Wahl. Aus meiner Sicht verwählen sie sich zu häufig.

Meine private Statistik hat eine politische Dimension. Nicht erst seit der Debatte um #MeToo diskutieren junge Frauen und Männer über strukturelle Benachteiligung, über das, was sich ändern muss, im Steuerrecht, in der Verteilung der Renten, in Chefetagen, am Tresen, im Bett. Manche von ihnen wollen das Ehegattensplitting abschaffen, andere wollen eine Frauenquote, sie alle wollen die Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie ist im Grundgesetz verankert. Doch vergessen meine Freundinnen darüber vielleicht manchmal, wie viel Macht ihre eigenen Entscheidungen haben. Wie mächtig jede von ihnen selbst ist. Welche Wirkung eine persönliche Entscheidung auf das politische Geschehen haben kann. Schließlich beeinflussen sie damit nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihres Mannes, ihrer Kinder, ihrer Eltern, ihrer Freunde.

Sie alle glaubten, mit dem Abgeben ihres Nachnamens nichts zu verlieren. Im Gegenteil: Sie verstanden die Namensänderung schon fast als ein Geschenk an ihren Mann.

Ihre Entscheidung für den eigenen Namen wäre vielleicht Gesprächsthema, ihr Umfeld würde möglicherweise anfangen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Sie würden etwas in Gang bringen. Weil der Kampf beider Geschlechter für die Gleichberechtigung nicht mit dem Tragen eines T-Shirts oder dem Posten eines Hashtags endet; er endet sowieso niemals, er berührt das Privateste im Leben und damit auch die Entscheidung, unter welchem Namen sie ihr Leben verbringen wollen. 

Auch meine Generation, auch die Um-die-30-Jährigen, die in diesem Sommer vor dem Staat Ja sagen, sind noch in einem patriarchal organisierten Deutschland groß geworden. Zumindest in Westdeutschland sind die Vollzeit arbeitenden Mütter immer noch eine Ausnahme, nicht die Regel. Sei freundlich, hilf Mama, schnell den Tisch abzuräumen, leg doch mal ein bisschen Mascara auf, halt gefälligst die Beine zusammen, zieh dir was Ordentliches an, so sitzt doch keine junge Dame – diese Hinweise und Sprüche mussten und müssen sich viele Mädchen noch immer gefallen lassen, egal, ob in Saarbrücken oder Schwerin. Von Großeltern, Müttern, Vätern, Lehrerinnen.

Dass diese Stereotype verschwinden, dass sich etwas ändert, haben sie oft genug nicht selbst in der Hand, aber zumindest in der Wahl des Nachnamens – sollten sie sich denn für eine Hochzeit entscheiden – haben sie sehr wohl ein Mittel, das zumindest in ihre persönliche Öffentlichkeit hineinwirkt. Wer will, dass sich etwas ändert, könnte bei sich selbst anfangen. Oder darf zumindest nicht die Strukturen aufrechterhalten helfen, die meine Generation anprangert. Wer will, dass sich etwas ändert an der immer noch ausstehenden Gleichberechtigung von Mann und Frau, der muss etwas tun. Oder aktiv nichts tun und seinen Namen behalten.