Bauernproteste: Blockade-Aktion gegen Habeck | sv

00:24 Min. Verfügbar bis 05.01.2025

Habeck bedrängt: Wird der Bauernprotest von rechts "gekapert"?

Stand: 05.01.2024, 15:46 Uhr

Eigentlich sollten die Bauernproteste erst nächste Woche beginnen. Doch schon gestern wurde Wirtschaftsminister Robert Habeck auf einer privaten Reise angegangen.

Was ist passiert?

Als Robert Habeck am Donnerstagnachmittag gegen 17 Uhr mit einer Fähre aus dem Urlaub von der Hallig Hooge zurückkehrte, wurde er laut Polizeiangaben von rund 100 Demonstranten empfangen. Diese warteten in Schlüttsiel und blockierten den Fähranleger. Mehrere Demonstranten versuchten offenbar, die Fähre zu stürmen. Laut Polizeiangaben kam es dabei zu einem Handgemenge, zudem setzten die Beamten Pfefferspray ein, um die Angreifer abzuwehren. Die Demonstranten feuerten Böller und Raketen ab.

Um zu verhindern, dass die Fährte gestürmt wird, habe der Kapitän nach Rücksprache mit der Polizei entschieden, wieder abzulegen, teilte die Wyker Dampfschiffs-Reederei mit. "Es war keine Minute zu spät, sonst wäre der Mob an Bord gewesen, mit nicht auszudenkenden Folgen", sagte der Reederei-Geschäftsführer Axel Meynköhn am Freitagmorgen. Habeck konnte erst in der Nacht an Land gehen, als sich die Lage beruhigt hatte.

Einige der Demonstranten müssen sich nun offenbar auf ein juristisches Nachspiel einstellen. Am Freitag wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Es geht um Nötigung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die Polizei ermittelt.

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Wer hat protestiert?

Die Demonstranten sollen laut Medienberichten und Polizeiangaben Landwirte gewesen sein. Tatsächlich haben die Bauernverbände für die kommende Woche Proteste im ganzen Land angekündigt, um gegen die Sparpläne der Bundesregierung zu demonstrieren.

An einem Dialog oder einer Präzisierung ihrer Forderungen waren die Protestierenden am Fähranleger offenbar nicht interessiert. Eine Sprecherin Habecks sagte am Abend, der Minister sei bereit gewesen, mit den Landwirten zu sprechen: "Leider ließ die Sicherheitslage ein Gespräch mit allen Landwirten nicht zu, das von Minister Habeck gemachte Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten wurde leider nicht angenommen." Videos auf "X" zeigen, dass ein entsprechendes Angebot Habecks, mit "drei bis zehn" Vertretern der Gruppe zu reden, von den Anwesenden abgelehnt wird.

Wer hat dazu aufgerufen?

Der Aufruf, sich am Fährhafen Schlüttsiel zu versammeln, kursierte am Donnerstagnachmittag in diversen Sozialen Medien. Unter anderem auch in der Telegram-Gruppe "SH-Bauern&Verbraucher geeint", wie der Journalist Lars Wienand zuerst berichtet hatte. Dort hieß es fälschlicherweise, Habeck habe zu einem Treffen eingeladen: "Achtung!! Robert Harbeck (sic) lädt heute zum Bürgerdialog um 16.45 Uhr im Fährhafen Schlüttsiel ein! Er wünscht sich unendlich viel Interesse. Tun wir ihm den Gefallen und kommen mit allem, was Räder hat!"

Waren die Protestierenden wirklich Bauern oder rechte Krawallmacher?

Das ist derzeit schwer zu beantworten. Fest steht, dass in den vergangenen Tagen und Wochen verstärkt aus rechten und antidemokratischen Kreisen versucht wurde, die Bauernproteste für sich zu instrumentalisieren. So schreibt etwa die rechtsextreme Partei "Der III. Weg" auf ihrer Webseite: "Werdet Teil der Proteste! Leistet Widerstand! Steht auf und unterstützt den Bauernaufstand!" Auch das verfassungsfeindliche rechte Netzwerk "Ein Prozent" sowie der einflussreiche Rechtsextremist Martin Sellner teilten entsprechende Aufrufe.

Beim Deutschen Bauernverband (DBV), der die Bauernproteste zunächst mit ziemlich harschen Worten befeuert hat, will man von einer Unterstützung durch Rechte und Antidemokraten nichts wissen. Bereits im vergangenen Jahr distanzierte sich der Verband von "extremen Randgruppen, die unsere Agrarwoche kapern wollen". Auf "X" (früher Twitter) bezeichnete der DBV diese als "Schwachköpfe" und "Spinner". Auch die Blockade am Fähranlager sei ein "No-Go", hieß es dort am Freitagmorgen. "Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung gehen gar nicht", schrieb dort der Verbandspräsident Joachim Rukwied.

Auch Schleswig-Holsteins Bauernverband distanziert sich klar von der Aktion in Nordfriesland. "Wir merken, dass wir unterwandert werden sollten", sagte der Verbandspräsident Klaus-Peter Lucht. Der Protest der Landwirte richte sich gegen die geplanten Kürzungen der Bundesregierung, mit der Aktion in Schlüttsiel habe der Verband nichts zu tun. "Wir wissen wirklich nicht, wer das organisiert hat", sagte er.

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WDR 5 Morgenecho - Interview 05.01.2024 08:52 Min. Verfügbar bis 04.01.2025 WDR 5


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Wie sind die Reaktionen?

Viele Politikerinnen und Politiker verurteilten die Geschehnisse am Fähranleger in Schlüttsiel. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte in der ARD: "Das sind Leute, denen geht es nicht um die deutsche Landwirtschaft, die haben feuchte Träume von Umstürzen, und das wird es nicht geben." Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf "X": "Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren!" Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte auf "X" Konsequenzen und sprach von einer "inakzeptablen Grenzüberschreitung". Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel teilte einen Screenshot der "Bild"-Zeitung und behauptete entgegen der Tatsachen, anstatt den Dialog zu suchen, habe Habeck "Fährenflucht" begangen. Die ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht, die am Montag das Kernteam ihrer neu gegründeten Partei präsentieren will, hat Verständnis für die Blockade der Fähre gezeigt. Sie bezeichnete es gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als "peinlich", dass sich Habeck "jetzt als Opfer der Proteste inszeniert".

Interessant ist, dass das konservative Lager zunächst zu dem Vorfall eher schwieg. CSU-Chef Markus Söder postete stattdessen anlässlich seines heutigen Geburstags ein Kinderbild von sich, und auch Hubert Aiwanger, sonst immer eifrig in den Sozialen Netzwerken, ging auf die Geschehnisse nicht ein.

Günther Felßner, Präsident des bayerischen Bauernverbandes, gab Habeck indirekt eine Mitschuld an den Vorfällen. Man wolle zwar nicht, dass Politiker persönlich angegangen würden, sagte er im Bayerischen Rundfunk. Das setze aber auch voraus, dass die Politik dialogbereit sei, betonte Felßner: "Wenn das nicht der Fall ist, dann passieren solche unschönen Szenen."

Und Habeck selbst?

Wirtschaftsminister Robert Habeck

Habeck will bald mit Bauern sprechen

"Protestieren in Deutschland ist ein hohes Gut", sagte der Vizekanzler am Freitag. "Nötigung und Gewalt zerstören dieses Gut. In Worten wie Taten sollten wir dem entgegentreten." Er bedankte sich bei der Polizei vor Ort und bei den Mitreisenden auf der Fähre sowie der Crew für ihre Geduld. Zudem bedauerte er, dass kein Gespräch mit den Protestierenden zustande gekommen sei. Das will er nun nachholen mit Bauern aus der Region und auch auf Bundesebene.

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