Die ganze Reaktion ist klassisch UV-katalysiert. Also führt man das ganze am besten an einem sonnigen Sommertag am Fenster durch, oder man benutzt eine UV-Lampe. Die kann man für teures Geld bei jedem Laborausstatter käuflich erwerben, aus meiner Erfahrung heraus tun es aber auch Terrarium-Lampen, die es im gutsortierten Haustier- und Zoohandel viel billiger gibt. Der erste Reaktionsschritt ist also die homolytische Spaltung von Halogen durch UV-Licht. Danach folgen die Progagationsschritte: Angriff des Radikals und Bildung eines Kohlenstoff-Radikals -- Bildung des Substitutions-Produktes unter Spaltung eines weiteren Moleküls Halogen, dass dann wiederum und soweiter. Das ganze ist als Gleichungen unten abgebildet.

Die Summe dieser Gleichungen ist die Gesamtgleichung der Radikalischen Substitution:

Das ist bis hierhin das wichtigste. Nun zu den Feinheiten: Es gibt deutliche Unterschiede im Reaktionsverhalten der verschiedenen Halogene. Die Verwendung von Fluor führt aufgrund der enorm hohen Reaktivität des Fluors zu einem unvorhersehbaren Gemisch von Produkten. Alles wird wild durchfluoriert. Anders die Reaktivität von Chlor oder gar Brom. Hier ein paar Beispiele, die den Unterschied und den Zusammenhang zwischen Reaktivität und Selektivität deutlich machen sollen:

Die Chlorierung von Propanol (1) führt zu einem Gemisch aus 55% Isopropylchlorid (2) und 45% n-Propylchlorid (3), wohingegen die Bromierung ein deutlich anderes Verhältnis der beiden möglichen Produkte liefert: 97% Isopropylbromid (4) und nur 3% n-Propylbromid (5). Der Unterschied ist wohl auch für den Laien sichtbar ;-)

Nun folgende Überlegung zum Thema Orientierung, Reaktivität und Selektivität: Die Chlorierung von Propan liefert rein theoretisch 2 verschiedene Produkte, (2) und (3). Die Abspaltung (siehe Mechanismus) eines sekundären H liefert (2), die eines primären H liefert (3). In Propan finden wir nur zwei verschiedene Sorten H: die zwei Stück in der Mitte (sekündäre H) und die 6 Stück am Ende (primäre H). Rein mathematisch/statistisch könnte man man also ein Produkteverhältnis (2):(3) von etwa 2:6 erwarten oder 1:3. Der Befund ist aber ein Verhältnis von nahezu 1:1. Es wird also etwa 3 mal so viel Isopropylchlorid (3) gebildet, wie erwartet. (Noch alles klar??? Jetzt nicht nachlassen!!).

Woran liegt das? Die Antwort finden wir in den Aktivierungsenergien für die H-Abspaltung. Die Aktivierungsenergie für die Abspaltung eines sekundären H ist kleiner als die Aktivierungsenergie für die Abspaltung eines primären H. Allgemein gilt für SR : Reaktivität der Wasserstoffe:

tertiär > secundär > primär > CH4

Ähnlich verhält es sich mit der Stabilität von Radikalen:

tertiär > secundär > primär > CH3

Vorsicht: dies gilt nur im Hinblick auf das Alkan, welches das Radikal bildet! Es handelt sich also nicht um absolute Stabilität, sondern mehr um relative Stabilität!!!!!!!

Nun zum Brom: das Brom ist wesentlich selektiver als das Chlor, und auch wesentlich weniger reaktiv. Das ist ein Zusammenhang, der öfters in der Chemie auftaucht: je weniger reaktiv ein Reaktionspartner gegenüber einem anderen ist, je selektiver läuft die Reaktion ab. Wenn man die Reaktivität von Chlor gegenüber Alkanen in einer relativen Geschwindigkeitskonstanten angibt, kommt man etwa zu einem Verhältnis zu: 5:3,8:1 für tert.:sek.:prim.Wasserstoffe. Brom ergibt etwa 1600:82:1. Damit dürfte der folgende Befund niemanden mehr erstaunen:

Die Chlorierung von 2-Metyhlpropan (6) liefert die beiden Möglichen Produkte 2-Chlor-2-methylpropan (7) und 1-Chlor-2-methylpropan (8) im Verhältnis 1:2. (Die reine Statistik hätte 1:9 vorausgesagt, macht einen Faktor von 4,5!!!). Die Bromierung liefert 2-Brom-2-methylpropan (9) und 1-Brom-2-methylpropan im Verhältnis naja, sagen wir mal 99,9:0,1 oder so.

Liebe Leute! Bitte seht diese Ausführungen nur als groben Einblick. Wer genaueres wissen will oder muss, der kommt  nicht umhin, jetzt eines diesen renomierten Lehrbücher aufzuschlagen, die in jeder Bibliothek zu finden sind. Ich habe aus Gründen der besseren Verständlichkeit einiges weggelassen und einiges vereinfacht. Ich bin auf der Suche nach einem Mittelweg zwischen wissenschaftlich korrekten Ausführungen und noch für relative Laien verständlichen Formulierungen....

Wer sich auch mal daran versuchen möchte, kann gerne mal eine kurze Abhandlung über eine Reaktion in der OC schreiben und mir mailen!

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