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Published on May 16,2022
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Published on May 16,2022
Stammzellforschung und Erkrankungen III | GSCN Jahresmagazin 2021/22, Bluterkrankungen, Neurodegeneration Read More
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 www.gscn.org Stammzellforschung und Erkrankungen III Jahresmagazin des GSCN 2021/22 drug testing leukemia translation stem studies clinical disease modelling cells ethics degenerative diseases ISSN (Print) 2198-7831 ISSN (Online) 2198-784X for English version p turn over parkinsonʽs disease stem cell therapies organoids basic research neuro networks blood

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IMPRESSUM German Stem Cell Network e.V. Jahresmagazin 2021/22 © 2022 GSCN Herausgeber German Stem Cell Network (GSCN) c/o Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Robert-Rössle-Str. 10 13125 Berlin Tel.: +49 30 9406 24-87/-88 Fax: +49 30 9406 2486 E-Mail: [email protected] Web: www.gscn.org Redaktion Stefanie Mahler, Antje Veldhues, Daniel Besser (Geschäftsstelle des GSCN) GSCN-Fotos von Arne Sattler und Stefanie Mahler Übersetzung Baker & Company Gestaltung und Layout unicom Werbeagentur GmbH Druck Buch- und Offset-Druckerei H. Heenemann Auflage: 1.000 Exemplare Copyright Das Magazin ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des GSCN. Es kann gegen eine Schutzgebühr von 2 € (inklusive Porto) von der GSCN-Geschäftsstelle bezogen werden; der Weiterverkauf ist untersagt. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion sowie Angabe der Quelle. Belegexemplar wird erbeten. Anmerkung: Wie bei allen Schriften des GSCN sind Personenbezeichnungen gegendert oder zugunsten eines besseren Leseflusses immer geschlechtsneutral zu verstehen. ISSN (Print) 2198-7831 ISSN (Online) 2198-784X Stammzellforschung und Erkrankungen III 2

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Grußwort GRUSSWORT THOMAS SATTELBERGER Die Stammzellforschung birgt ein enormes Entwick- lungspotenzial – nicht nur für die therapeutische Anwendung, sondern auch für die Grundlagen- forschung. Dieses Potenzial wird nicht mehr nur auf der Erde, sondern auch im Weltraum untersucht. Mittlerweile wurden Stammzellen zur Internationalen Raumstation ge- bracht, um die Einflüsse des geringeren Gravitationsfeldes in der Erdumlaufbahn zu untersuchen und zu nutzen. So könnte die Schwerelosigkeit als Werkzeug genutzt werden, um verbesserte Verfahren für die Entwicklung und Züch- tung von Organoiden zu erforschen. Aber auch in irdischen Gefilden wurde im vergangenen Jahr der Weg für neue Forschungsfelder geebnet. So wer- den auch in Deutschland immer wieder neue und kreative Lösungsansätze für klinisch relevante Problemstellungen entwickelt. Mit dem Pilotinnovationswettbewerb zur Er- forschung von Organersatzmethoden aus dem Labor för- dert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Projekte, die verschiedene neuartige Technologien kombinieren. Es wird zum Beispiel versucht, implantier- bare Herzunterstützungssysteme zu entwickeln oder auch Diabetes mittels Stammzelltherapie zu behandeln. Auch im Schwerpunkt Translationsprojekte für die personalisierte Medizin wird u.a. daran gearbeitet, stammzellbasierte The- rapien zur Behandlung von Kardiomyopathien für den kli- nischen Einsatz zu entwickeln. Deutschland zählt zu den führenden Wissenschaftsstand- orten – allerdings finden Ergebnisse der Forschung noch zu selten den Weg in die Anwendung. Der Transfer der bahn- brechenden Erkenntnisse aus der Stammzellforschung muss weiter gestärkt werden, damit das große Potenzial der Zelltherapien zukünftig auch umfänglich den Patientin- nen und Patienten zur Verfügung steht. Sowohl regional als auch national gilt es daher Kompetenzen zu bündeln und das Zusammenspiel von Wissenschaft, Wirtschaft und Po- litik weiter voranzutreiben. Ein wichtiger Baustein für den Austausch und auch die Entwicklung von stammzellbasier- ten Therapeutika aus Deutschland ist dabei das Deutsche Stammzellnetzwerk. Ich danke Ihnen für Ihre wertvollen Initiativen und wünsche Ihnen viel Erfolg und einen frucht- baren Dialog, um die Ziele der kommenden Jahre weiterhin gewinnbringend umzusetzen. Dr. h.c. Thomas Sattelberger, MdB Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung Ähnlich innovative Stammzellforschung fördert das BMBF auf dem Gebiet der Alternativen zum Tierversuch. Hierbei wird nach dem 3R-Prinzip „Verbessern (Refine), Verringern (Reduce), Vermeiden (Replace)“ geforscht. Tierversuche sollen durch In-vitro-Kulturen mit humanen induzierten pluripotenten Stammzellen oder durch Organoide ersetzt werden. In Hannover wird in diesem Rahmen eine stamm- zellbasierte, industriekompatible Produktion von huma- nen Monozyten entwickelt. Bei der Bewertung und Zulas- sung von Arzneimitteln und Medizinprodukten können so ohne Tierversuche validierte Monozyten-Aktivierungstests genutzt werden, um die Abwesenheit von Keimen und Py- rogenen nachzuweisen. In einem anderen Zusammenhang fördert das BMBF die innovative Kombination von Stamm- zelltechnologien und Mikrofluidik-Chip-Technologie, um Miniaturmodelle von Organen zu entwickeln. Beispiels- weise kann durch die Kombination von Leber-Organoiden mit anderen Mini-Organen auf einem Chip die potenzielle Toxizität neuer Medikamente und ihrer Abbauprodukte verlässlich untersucht werden. Jahresmagazin des GSCN 2021/22 3 Foto: BMBF

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We are the GSCN 4 Stammzellforschung und Erkrankungen III

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Endlich konnten sich die GSCN Wissenschaftler*innen im letzten Jahr wieder persönlich im Rahmen unserer Stammzellkonferenz treffen. Nach etwa anderthalb Es gibt aber auch darüber hinaus eine Reihe von erwäh- nenswerten Dingen, die seit meinem Antritt als GCSN Prä- sident im Jahr 2020 auf den Weg gebracht werden konnten: Wie bereits im letzten Jahr berichtet, ist durch den uner- müdlichen Einsatz und die Arbeit vieler eine Partnerschaft des GSCN mit dem Berlin Institute of Health (BIH) zu Stan- de gekommen, wodurch das GSCN in eine stabile und er- folgversprechende Zukunft sehen kann. Das GSCN und das BIH bündeln inzwischen ihre Kräfte in einer neuen „Dialog- plattform Stammzellforschung“. Der Lenkungsausschuss hat seine Arbeit aufgenommen, erste Arbeitsgruppen mit Initiator*innen aus BIH und GSCN wurden etabliert und es gibt bereits gemeinsame Projekte im Bereich der Öffent- lichkeitsarbeit und der Nachwuchsförderung. Wie in den letzten Jahren dürfen wir Ihnen hier das neue GSCN Jahresmagazin mit dem Thema „Stammzellforschung und Erkrankungen III“ mit den Schwerpunkten Neurowis- senschaften und Forschung mit Blutstammzellen vorstel- len. So hat sich die Vortragsreihe der „BIH Lecture“ in Kollabo- ration mit dem GSCN als großer Erfolg gezeigt. Masayo Ta- kahashi vom RIKEN CDB in Japan gab im Rahmen ihrer BIH Lecture am 28. Mai 2021 einen faszinierenden Einblick in den aktuellen Stand und die Zukunftsvision der Netzhaut- Zelltherapie – mit dem Ziel, Patienten Stammzelltherapien zur Verfügung zu stellen. Am 17. Dezember 2021 konnten wir Matthias Lütolf vom EPFL Lausanne und Roche Ins- titute for Translational Bioengineering, Basel, für einen Vortrag zu den Fortschritten im Bioengineering von Or- ganoiden im Rahmen der BIH Lectures gewinnen. Erwäh- nenswert aus der GSCN-Arbeit ist zudem, dass die neuen ISSCR Guidelines ins Deutsche übersetzt wurden, um so diese wichtigen Informationen Wissenschaftler*innen und Entscheidungsträger*innen zur Verfügung zu stellen. Ich würde mich freuen, wenn die Lektüre Ihnen einige neue Erkenntnisse und Anregungen aufzeigen würde. VORWORT HANS SCHÖLER Vorwort Jahren Pandemie sich nicht nur am Computer zu „begeg- nen“, tat schlichtweg gut. Zu unserem Glück konnte die 9. GSCN Konferenz in Dresden organisiert werden. Die kurzfristige und erfolgreiche Realisierung war ein Mam- mutprojekt unter erschwerten und sich ständig ändernden Voraussetzungen und ist in erster Linie Daniel Besser und seinem wunderbaren Team der GSCN Geschäftsstelle und natürlich den Verantwortlichen am Center for Regenerative Therapies Dresden (CRTD) zu verdanken. Dank eines aus- geklügelten Hygieneplans konnte eine sichere und großar- tige GSCN Konferenz vom 6. bis 8. Oktober real stattfinden. Die GSCN Konferenz war ein großer Erfolg: Mit sechs inter- nationalen „Keynotes“, 68 Vorträgen in parallel laufenden Sitzungen, mehr als 100 Postern, 26 Industrieausstellern, dem GSCN Non-PI-Meeting und dem Start des GSCN Men- toring Program mit fünf neu ausgewählten Mentees. Es war ein volles und faszinierendes wissenschaftliches Pro- gramm und es freut mich ganz besonders, dass das neue Projekt der „GSCN Mentoring Group“ sehr positiv aufge- nommen wurde. Nach der erfolgreichen Konferenz in Dresden hoffen wir, Sie vom 13. bis 16. September 2022 zur 10. GSCN Konfe- renz persönlich in Münster (NRW) treffen zu können. Die Tagung wird dieses Jahr um einen Tag verlängert, weil wir unser Jubiläum der 10. GSCN Konferenz zusammen mit dem Stammzellnetzwerk.NRW, welches sein 20-jähriges Bestehen begeht, feiern möchten. Dieses Netzwerk besteht somit doppelt so lange wie das GSCN und widmet sich ne- ben der Stammzellforschung in Nordrhein-Westfalen auch ethischen, rechtlichen und sozialwissenschaftlichen As- pekten für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Thematik. Bitte drücken Sie die Daumen, dass wir dieses doppelte Jubiläum gebührend und persönlich in Münster feiern können! Schon heute lade ich Sie dazu herzlich ein! Jahresmagazin des GSCN 2021/22 Hans Schöler Amtierender Präsident Alles Gute wünscht Ihnen Ihr 5 Foto: GSCN

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INDEX Thomas Sattelberger (BMBF) 3 Vorwort Neue Leitlinien rücken aktuelle Entwicklungen der Stammzellforschung in den Fokus 8 Grußwort Hans Schöler, Amtierender Präsident 5 14 18 Ethik: 8 aus der Geschäftsstelle14 9. GSCN Konferenz GSCN News des German Stem Cell Network 202118 34|35 Tiefer Blick ins Blutzell-Universum HÄMATOPOESE UND BLUTERKRANKUNGEN 40|41 MODERNE BIOPROZESSTECHNIKEN 46|47 NEUROBIOLOGISCHE STAMMZELLFORSCHUNG Frisches Blut aus dem Labor Krankheitsmodelle von Gehirn und Geist 6 Stammzellforschung und Erkrankungen III

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Hoffnung auf den Booster fürs Gehirn INDEX 54|55 ZELLERSATZTHERAPIE BEI PARKINSON 62|63 ARTIKEL AUS DEM BIH „Leukämie besser verstehen“ 68| GSCN MENTORING PROGRAMM Eigene Karrierewege ausloten und Erfahrungen teilen Mehr Jobsicherheit für eine erfolgreiche Wissenschaft? #ICH BIN HANNA – ODER, WAS BEDEUTET DAS WISSENSCHAFTSZEITVERTRAGSGESETZ FÜR NACHWUCHSWISSENSCHAFTLER*INNEN INTERVIEW MIT SIMON HAAS 70| Jahresmagazin des GSCN 2021/22 7 GSCN-Jahresbericht 202174

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Neue Leitlinien rücken aktuelle Entwicklungen der Stammzell- forschung in den Fokus 2021 hat die Internationale Gesellschaft für Stammzell- forschung (International Society for Stem Cell Research, ISSCR) eine Aktualisierung der „ISSCR-Leitlinien für Stammzellforschung und klinische Translation“ veröffentlicht – mit weitreichenden Änderungen. Das German Stem Cell Network (GSCN) hat im Interview mit dem amtierenden GSCN Präsidenten Hans Schöler (Münster) und den Initiator*innen der GSCN Fachgruppe „ELSA“, Tobias Cantz (Hannover) und Sara Gerke (Carlisle, USA) um eine Einschätzung gebeten, was sich aus den neuen Richtlinien für Deutschlands Stammzellforscher*innen ableitet. Ihr Fazit: Eine Harmonisierung der deutschen Regularien in Hinblick auf die internationalen Entwicklungen ist wichtig für unsere Forschungslandschaft. 8 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: GSCN

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Welche neuen Implikationen gibt es für die Stamm- zellforschung in Deutschland und für das GSCN? In Deutschland gibt es für die Stammzellforschung einschlägige Gesetze. Welche Regelungen setzen die ISSCR-Leitlinien denn international voraus und welche Aufsichtsprozesse werden vorgeschlagen? Sara Gerke Hans Schöler: Die Leitlinien befas- sen sich im Allgemeinen mit der Grundlagenforschung, aber auch mit der klinischen Umsetzung von Therapi- Sara Gerke: Bei uns in Deutschland regelt das Em- bryonenschutzgesetz in erster Linie die künst- liche Befruchtung und andere Aspekte der Fortpflanzungsmedizin. Eine Verwendung von In-vitro-Embryonen für Forschungszwe- cke ist darin verboten. Daher ist beispiels- weise die inländische Gewinnung von huma- nen embryonalen Stammzellen aus lebenden menschlichen Embryonen von vornherein in Deutschland rechtlich ausgeschlossen und strafbar. Das deutsche Stammzellgesetz re- gelt die Einfuhr und die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen aus dem Ausland für hochrangige Forschungsprojekte in Deutschland. Es ist als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt konstruiert, sodass es für die Einfuhr und die Verwendung von humanen embryonalen Stammzel- len einer Genehmigung durch das Robert Koch-Institut bedarf, das bei seiner Ent- scheidung die Stellung- nahme einer Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) berücksichtigt. Eine Genehmigung wird Tobias Cantz: Als Mitglieder der Fachgesell- schaft ISSCR und bei der Registrierung zu deren Kongressen und Symposium werden wir aufgefordert, die Leitlinien der ISSCR einzuhalten. Daher betreffen uns die Leit- linien schon sehr unmittelbar. Wenn ich als Forscher also Empfehlungen der ISSCR miss- achte, sollte dies von der Forschungsgemein- schaft nicht nur kritisiert, sondern ggf. auch mit Sanktionen belegt werden. Hans Schöler Sara Gerke: Es ist allerdings hervorzuheben, dass es sich bei den ISSCR-Leitlinien im juristischen Sinne um unverbindliche Empfehlungen handelt. Sie sind rechtlich nicht bindend. Sie können daher nicht die jeweili- gen nationalen gesetzlichen Vorgaben ersetzen. Den- noch haben die ISSCR- Leitlinien – wie es Tobi- as bereits betonte – für Forscher*innen einen hohen Stellenwert und praktischen Einfluss. Leitlinienempfehlungen wie die der ISSCR, die auf einer Reihe von weit ver- breiteten ethischen Grund- sätzen in der Medizin, Wis- senschaft und der Forschung mit Menschen aufbauen (z.B. dem Nürnber- ger Kodex oder der Deklaration von Helsinki), können zu- dem bestehende rechtliche Rahmenbedingungen ergänzen (soweit sie im Einklang mit der nationalen Gesetzeslage stehen) und im Rahmen von Gesetzesreformen zur Erar- beitung von Vorschlägen herangezogen werden. erteilt. Zum Beispiel dürfen Forscher*innen von vornher- ein nur solche humanen em- bryonalen Stammzellen verwen- den, die vor dem 1. Mai 2007 gewonnen wurden. Das Stammzellgesetz findet dabei keine direkte Anwendung auf die Forschung mit humanen induzier- ten pluripotenten Stammzellen. In Deutschland gibt es kein gesondertes Gesetz für die Forschung mit diesen Stammzelltypen. Die Forschung mit und Anwendung von humanen induzierten pluri- potenten Stammzellen in Deutschland wird allerdings in Teilaspekten durch Vorschrif- ten beispielsweise des Arzneimittelgesetzes, Transplantationsgesetzes oder Gentechnik- allerdings nur strengen Voraussetzungen unter ETHIK en mit Stammzellen in einem internationalen Kontext. Seit der Ver- öffentlichung der vor- herigen Leitlinien im Jahr 2016 gab es eine Reihe diskussionswürdi- ger Forschungsergebnisse, etwa zu embryoähnlichen Entitäten, die aus Stammzellen gewonnen wurden, zu chimären Embryonen und Föten von Mensch und Tier sowie zur Genomeditierung, wie etwa der Fall der CRISPR-Editierung an menschlichen Embryonen durch He Jiankui im Jahre 2018, der zu weltweiter Empö- rung führte. Tobias Cantz gesetzes geregelt. Jahresmagazin des GSCN 2021/22 Hans Schöler: Das 2002 verabschiedete Stammzellgesetz ist ein gutes Beispiel, denn der damals prognostizierte Dammbruch bei der Emb- ryonenforschung ist nicht eingetreten. Die Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung hatte seit ihrem Bestehen vor etwa 20 Jahren bis Ende 2021 ins- gesamt 173 Anträge zu bearbeiten, also im Durchschnitt 8–9 pro Jahr. Dabei haben die im Jahre 2007 erstmals be- schriebenen humanen induzierten pluripotenten Stamm- zellen das Leben der Forscher*innen in Deutschland sehr erleichtert. Wie es Sara bereits erläutert hat, werden 9 Fotos: GSCN, privat, MPI Molekulare Biomedizin Münster

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ETHIK KATEGORIE 1 KATEGORIE 2 KATEGORIE 3 1A – Ausgenommen von der Überprüfung durch einen spezifischen Aufsichtsprozess – Die meiste In-vitro-Forschung an pluripotenten Stammzellen – Die meiste In-vitro-Forschung an Organoiden – Transfer von menschlichen Stammzellen in postnatale tierische Empfängerorganismen 2 – Überprüft durch einen spezifischen Aufsichtsprozess – Beschaffung von Embryonen oder Gameten zur Erzeugung von Embryonen für die In-vitro- Forschung – Gewinnung von Zelllinien aus menschlichen Embryonen – Genetische Veränderung von Embryonen oder Gameten – In-vitro-Kultivierung menschlicher Embryonen für die Forschung bis zur Bildung des Primitivstreifens oder 14 Tage nach der Befruchtung, je nachdem, was zuerst eintritt – Menschliche Zellen transplantiert in nichtmenschliche Embryonen, die in einer nichtmenschlichen Gebärmutter ausgetragen werden – Integrierte stammzellbasierte Embryomodelle – Übertragung menschlicher Embryonen durch MRT* in eine menschliche Gebärmutter 3A – Nicht zulässig: derzeit nicht sicher – Vererbbares Genome-Editing – Transfer von mtDNA-modifizierten (ausgenommen MRT) Embryonen in eine Gebärmutter – Verwendung von aus menschlichen Stammzellen differenzierten Gameten zur Reproduktion 1B – Meldepflichtig, aber in der Regel nicht durch einen spezifischen Aufsichtsprozess überprüft – Nichtintegrierte stammzellbasierte Embryomodelle – In-vitro-Kultur von chimären Embryonen (menschliche Zellen in nichtmenschlichen Embryonen) – In-vitro-Gametogenese ohne Befruchtung oder Erzeugung von Embryonen 3B – Nicht zulässig: keine überzeugende wissenschaftliche Grundlage oder ethisch bedenklich – Übertragung menschlicher stammzellbasierter Embryomodelle in eine Gebärmutter – Reproduktives Klonen beim Menschen – Züchtung von Mensch-Tier-Chimären, sofern menschliche Keimzellen vorhanden sein könnten – Übertragung von Mensch-Tier-Chimären- Embryonen in eine menschliche Gebärmutter oder die eines Primaten – Übertragung menschlicher Embryonen, ungeachtet ihrer Herkunft, in eine tierische Gebärmutter Neue Kategorisierung der Forschungsprojekte in den aktualisierten ISSCR-Leitlinien; * MRT – Mitochondrial Replacement Techniques humane induzierte pluripotente Stammzellen vom deut- schen Stammzellgesetz nicht direkt erfasst. Sie spielen nur in seltenen Fällen indirekt eine Rolle, etwa wenn im AntragsowohlanhumanenembryonalenStammzellenals auch an humanen induzierten pluripotenten Stammzellen geforscht werden soll. Ein weiteres Beispiel ist, wenn man zwar in erster Linie an humanen induzierten pluripoten- ten Stammzellen forschen möchte, etwa beim Modellieren von Krankheiten, aber humane embryonale Stammzellen als wichtigen Vergleichsstandard (Gold-Standard) ver- wenden möchte. Tobias Cantz: In Bezug auf die klinische Forschung haben die lokalen Ethik-Kommissionen an den medizinischen Einrichtungen eine wichtige Aufsichtsfunktion. Für die präklinische Forschung mit Stammzellen und anderen Patienten-Materialien ließe sich also schon jetzt ein Be- gutachtungsgremium auch für die Arbeit mit humanen in- duzierten pluripotenten Stammzellen abbilden. Allerdings bleiben dabei möglicherweise Aspekte ohne unmittelbaren Patientenbezug unter dem Radar, insbesondere wenn mit frei verfügbaren Stammzelllinien gearbeitet wird, die gar nicht in den jeweiligen Instituten generiert wurden. Tobias Cantz: Die ISSCR-Leitlinien sehen für die vorge- schlagenen Aufsichtsprozesse eine Kategorisierung der Forschungsaktivitäten von „unproblematisch bzw. nur be- richtspflichtig“ (Kategorie 1A / 1B) über „Begutachtung und Genehmigung durch ein Expertengremium“ (Kate- gorie 2) bis hin zu „Verbot – gegenwärtig unsicher bzw. – ohne stringente wissenschaftliche Grundlage, ethisch nichtverantwortbar“(Kategorie3A/B)vor.Manchedieser Aufsichtsprozesse und Verbote bilden sich in unseren Re- gulierungen ziemlich ähnlich ab, manche aber auch nicht. Diskrepanzen gibt es aber nicht nur bei uns, sondern wahr- scheinlich auch in vielen anderen Ländern. Sara Gerke: In den USA kennt man seit langem Embryo- nic Stem Cell Research Oversight (ESCRO)-Gremien und in vielen Einrichtungen fungieren diese nun allgemei- ner als Stem Cell Research Oversight (SCRO)-Gremien, die auch bestimmte Forschungsaktivitäten mit anderen Stammzellen als humanen embryonalen Stammzellen überprüfen wie beispielsweise Forschungsvorhaben mit humanen induzierten pluripotenten Stammzellen, die Gameten hervorbringen sollen. Entsprechende Gremien sind mir in Deutschland in dieser Ausprägung nicht be- kannt. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass es aufgrund der restriktiven Gesetzgebung zu humanen embryonalen Stammzellen weniger Anlass dazu gab, und die Arbeiten mit importieren humanen embryonalen Stammzellen ja schon durch das Robert Koch-Institut unter Berück- sichtigung der Stellungnahme der ansässigen Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung genehmigt 10 Das heißt also, die ISSCR-Leitlinien lassen sich gar nicht so einfach in die jeweiligen regulatorischen Rahmen einfügen. Welche Anpassungsprozesse wären denn bei uns in Deutschland notwendig? Stammzellforschung und Erkrankungen III

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werden müssen. Es gibt allerdings sehr verbreitet enge Interaktionen von Geisteswissenschaftler*innen mit Stammzellforscher*innen, wie sich in vielen Forschungs- projekten zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten (ELSA) der Stammzellforschung zeigt. Nicht zuletzt deswe- gen haben wir im GSCN die Fachgruppe „ELSA“ gegründet, um den gegenseitigen Austausch zu normativen Aspekten zu fördern. auch gar keine Aufsichtsprozesse gibt. Anderes bleibt aber weitgehend unreguliert, so dass wir schon Lücken zu den Empfehlungen der Leitlinien sehen. Hans Schöler: Die deutschen Forscher*innen machen dies- bezüglich ihre Hausaufgaben sehr gründlich. Die Berlin- Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat sich beispielsweise intensiv mit der Forschung an Organoiden auseinandergesetzt und auch Empfehlungen für einen re- gulatorischen Rahmen (2020) abgegeben. Die Leopoldina hat ebenfalls sehr aktuelle Stellungnahmen zur Fortpflan- zungsmedizin (2019) und zur Forschung mit Embryonen (2021) veröffentlicht und viele Stammzellforscher*innen sind – wie von Sara bereits erwähnt – sehr aktiv in der öf- fentlichen Debatte und im fachlichen Austausch engagiert. Aber die bestehenden gesetzlichen Regelungen im Em- bryonenschutzgesetz von 1990 und dem Stammzellgesetz von 2002 bilden diese neueren Aspekte nur unzureichend ab und mit Blick auf die ISSCR-Leitlinien sehen wir, dass manches bei uns schlicht verboten ist, weswegen es dann Hans Schöler: Aus der Reproduktionsmedizin hören wir Forderungen zur Neufassung der gesetzlichen Regeln in ei- nem novellierten Gesetz zur Fortpflanzungsmedizin. So ist es für viele Menschen beispielsweise unverständlich, dass sie ins Ausland gehen müssen, um ihre Embryonen untersu- chen zu lassen, weil in Deutschland die Präimplantations- diagnostik ausgesprochen restriktiv ist. Ob neuere Aspekte zur Forschung mit menschlichen In-vitro-Embryonen dann wieder in einem solchen Gesetz reguliert werden sollten oder ob diese Aspekte nicht besser in einer umfassenderen Neuregelung der Stammzellforschung eingebettet wären, will ich nicht ad hoc beurteilen. Aber eine Weiterentwick- lung unserer Gesetze von 1990 bzw. 2002 und eine Har- monisierung unserer rechtlichen Rahmenbedingungen mit denen der wichtigsten internationalen Forschungspartner in der Stammzellforschung wünsche ich mir schon sehr. Wie könnte denn eine Anpassung des regulatorischen Rahmens gelingen, um die Stammzellforschung in Deutschland in Bezug auf die Leitlinien der ISSCR fit zu machen? ETHIK Jahresmagazin des GSCN 2021/22 11

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ETHIK Tobias Cantz: Vielleicht muss auch nicht alles durch eine zentrale Kommission wie die am Robert Koch- Institut ansässige Zentrale Ethik-Kom- mission für Stamm- zellenforschung be- gutachtet werden, sondern ähnlich wie in Tierversuchsvorhaben könnten ethische Bewer- tungen auch durch lokale Gremien erfolgen. An vielen Stellen sind solche Interaktio- nen durchaus schon gelebte Pra- xis. Beispielsweise gibt es in großen Forschungsverbünden häufig auch norma- tive Begleitforschung zu ethisch und rechtlichen Fragestellungen, so dass dort entsprechende Beratungs- möglichkeiten durchaus schon angelegt sind. entweder SCRO-Gremien an den medizinischen Einrichtungen gegründet oder die lokalen Ethik- Kommissionen diese Aufgabe zusätzlich übernehmen würden, damit ethisch unver- tretbare Forschungs- Sara Gerke: Wie bereits erwähnt gibt es in den USA Em- bryonic Stem Cell Research Oversight (ESCRO) bzw. Stem Cell Research Oversight (SCRO)-Gremien. Diese haben den Vorteil, dass sie in der Regel mit Expert *innen in den Berei- chen der Stammzellforschung, Biologie, Genetik, Bioethik und dem Recht besetzt sind. Die meisten ESCRO-Gremien haben über die Jahre ihre Arbeit beispielsweise ausgewei- tet, sodass diese mittlerweile auch andere wissenschaftlich und ethisch komplexe Forschungsvorhaben mit humanen induzierten pluripotenten Stammzellen wie die Gameten- forschung oder mit humanen neuronalen Stammzellen prüfen. Sie sind daher sehr flexibel und können sich der aktuellen Entwicklung der Stammzellforschung anpassen. In Deutschland haben wir nur die am Robert Koch-Institut ansässige Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenfor- schung, die auf die Forschung mit importierten humanen embryonalen Stammzellen spezialisiert ist. Ich kann mir vorstellen, dass es in Deutschland hilfreich wäre, wenn Hans Schöler: Es gibt in Deutsch- land eine Reihe von Beschränkungen, die es hiesigen Forscher*innen nicht erlau- ben, international mitzuhalten. Ein Beispiel ist die Forschung mit überzähligen menschlichen Embryonen, die in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz nicht erlaubt ist. In einer Reihe von Ländern wie etwa Dänemark, Schweden, den USA oder Japan ist die Forschung mit sol- chen Embryonen möglich. Derzeit wird in einigen Ländern, wie in den ISSCR-Leitlinien dargelegt, sogar die 14-Tage- Regel hinterfragt. Man möchte nämlich prüfen, ob es nicht sinnvoller wäre, Forschenden die Kultivierung von Embry- onen in vitro für bis zu 28 Tage zu erlauben, um so wichti- ge medizinische Fragen zu klären. Solche Untersuchungen könnten zudem dazu beitragen, Alternativen zu den durch Befruchtung erzeugten Embryonen zu entwickeln. Es be- steht aber auch Diskussionsbedarf über embryoähnliche Gebilde, die aus Stammzellen gewonnen werden. Diese können zwar entwicklungsbiologische oder medizinische Fragen beantworten, aber was ist, wenn diese Entitäten das Potenzial haben, sich zu Föten zu entwickeln? Daher ist es meines Erachtens außerordentlich wichtig, dass in Deutschland die ISSCR-Leitlinien mit gesellschaftlichen Vertreter*innen unterschiedlichster Expertise besprochen Mit Hilfe von Transkriptionsfaktoren von humanen iPS-Zellen ‘vorwärts programmierte’ sensorische Neurone, welche das Intermediärfilamentprotein Peripherin (grün) und den Natriumkana Nav1.8 (rot) exprimieren. vorhaben ohne telbaren Patientenbezug werden. – wie dies Tobias auch bereits erwähnt hat – nicht möglicherweise unter dem Radar bleiben. unmit- Max-Planck-Institut für molekulare Genetik (MPIMG) Das Max-Planck-Institut für molekulare Genetik (MPIMG) beschäftigt sich mit der Untersuchung der Funktion und Kontrolle des Genoms – insbesondere bei der Embryonalentwicklung, bei Differenzierungsprozessen, der Organ- entwicklung und der Entstehung von Krankheiten. Typisch für das MPIMG ist Auswertung und Interpretation der Daten durch bioinformatische Methoden. Die Forschenden beschäftigen sich mit Fragen der epigenetischen Regulation und arbeiten daran, genetische Regelnetzwerke der Gewebeentstehung und Homöostase besser zu verstehen, deren Störungen zahlreiche Erkrankungen nach sich zieht. Die Stammzellforschung gewinnt dabei zunehmend die enge Verbindung von Experiment und Bioinformatik. Gene und Genome werden mit automatisierten Verfahren, Hochdurchsatz- Technologien und verschiedenen Modell- systemen untersucht; darauf folgt die an Bedeutung. In dem 1964 in Berlin-Dahlem gegründeten Forschungsinstitut arbeiten ungefähr 300 Personen, die eine Kultur der Interdisziplinarität und Innovation pflegen. Max-Planck-Institut für molekulare Genetik Ihnestraße 63-73 · 14195 Berlin www.molgen.mpg.de 12 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: Oliver Brüstle, Uni Bonn

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ETHIK Was ist neu an den aktualisierten ISSCR-Leitlinien 2021? Die Aktualisierung der ISSCR-Leitlinien von 2021 nimmt neue Fortschritte bei stammzellbasierten Embryonenmo- dellen, Genome Editing und Chimären sowie beim Einsatz humaner induzierter Stammzellen in der Forschung ver- stärkt in den Fokus. In den letzten Jahren gab es bemerkenswerte Schlüsselent- wicklungen in der Stammzellforschung und einen rasan- ten Fortschritt in verschiedenen Bereichen der Forschung an menschlichen Embryonen, wie z. B. Technologien zur erweiterten In-vitro-Kultur. Eine internationale Arbeits- gruppe von rund 50 Expert*innen aus 14 Ländern aus den Bereichen Wissenschaft, Klinik, Politik, Ethik und Juris- ten haben auf diese Fortschritte mit einer Überarbeitung der ISSCR-Leitlinien reagiert. Die Änderungen beinhalten Empfehlungen für die Verwendung von menschlichen Embryonenmodellen, im Labor gewonnenen Gameten und Mensch-Tier-Chimären sowie den Vorschlag einer Modifizierung des weithin akzeptierten Zwei-Wochen- Maximums für das Wachstum menschlicher Embryonen in Kultur. Auch wenn die Leitlinien selbst lediglich Empfeh- lungen und keine Gesetze sind, gelten sie als Standard für dieinternationaleForschungundwerdenalsGrundlagefür Wissenschaftler*innen, Ärzt*innen und Aufsichtsbehör- densowiediebreiteÖffentlichkeitherangezogen.Darüber hinaus können sie in Ländern ohne bestehende Aufsichts- systeme eine Grundlage für einen regulatorische Rahmen bieten. DAS ERSTE 4DGERÜST FÜR ORGANOIDFORSCHUNG ● BiosilkTM ist ein natürliches Biomaterial aus rekombinanter Seide, das leicht mit verschiedenen ECM-Proteinen wie Lamininen bio- funktionalisiert werden kann, um die natürliche, zellspezifische Umgebung besser nachzuahmen ● Die feine Konstruktion bietet eine 3D-Struktur mit sofortiger und gleichmäßiger Integration und Anlagerung lebensfähiger Zellen zwischen den Biosilk-Mikrofasern. ● Keine Einkapselung erforderlich. Im Gegensatz zu in einem Hydrogel eingekapselten Zellen, überleben die in Biosilk aus- gesäten Zellen, und sind stark proliferativ und wandern, um den Zell-Zell-Kontakt zu initiieren. ● Mit Laminin 521 (Biosilk 521) gemischtes Biosilk ist ideal für die Integration, Proliferation und anschließende linienspezifische Differenzierung von menschlichen PSCs und Vorläuferzellen. ● In Biosilk ausgesäte hPSC überleben, vermehren sich effizient, expandieren und bilden formbare 3D-Konstrukte in Makro- größe mit einer gleichmäßigen Verteilung eines homogenen Pluripotents, das langfristig in situ differenziert werden kann ● Effiziente Diffusion von Sauerstoff, Nährstoffen und Strukturi- erungsfaktoren, die es ermöglichen, größere Organoide ohne das Risiko nekrotischer Zentren zu erhöhen ● Stimuliert die zelluläre Selbstorganisation und Morphogenese ● Elastisches Material, das zu verschiedenen Strukturen geformt werden kann ● Biokompatibel und nicht immunogen ● Biologisch abbaubar ● Definiert und tierfrei 13 Jahresmagazin des GSCN 2021/22

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AUS DER GSCN-GESCHÄFTSSTELLE GSCN News Übersetzung der neuen ISSCR Guidelines BIH in Kooperation mit dem GSCN diese erfolgreichen On- line-BIH Lectures fort, sie werden auf der GSCN Webseite angekündigt. Mitte 2021 publizier- te die International Society for Stem Cell Research (ISSCR) ihre überarbeiteten Leitlinien für Stamm- zellforschung und ihre Translation in neue Therapieansät- ze. Die Aktualisierung berücksichtigt neue Fortschritte wie stammzellbasierte Embryonenmodelle, Forschung an menschlichen Embryonen, Chimären, Organoide und das Genom-Editing. Das GSCN und das Stammzellnetzwerk NRW haben nun gemeinsam das Werk ins Deutsche über- setzt. Somit steht nun der weltweit geltenden Ethikkodex in der Stammzellforschung Wissenschaftler*innen und Entscheidungsträger*innen auch in deutscher Sprache zu Verfügung. Der Download ist auf der GSCN Webseite unter www.gscn.org/german-stem-cell-network/isscr-guidelines zu finden. Zwei Jubiläen = vier Tage GSCN Konferenz in Münster: 13. – 16. September 2022 BIH-GSCN Lectures 2021 Das GSCN hat ein neues Programm der Arbeitsgruppe „Ca- reer Development“ aufgelegt: 2021 startete mit der GSCN Konferenz das neue GSCN Mentoring Program mit fünf Mentees und ihren Mentor*innen. Ziel des Programms ist es, junge Wissenschaftler*innen mithilfe eines/r Mentor*in bei der Suche nach einem Karriereweg zu unterstützen, der den persönlichen Visionen, Fähigkeiten und Bedürfnissen entspricht. Dafür treffen sich Mentees und Mentor*innen mehrfach im Mentoring-Jahr und besprechen sich. Zu- sätzlich gibt es Workshops mit einem Coach zum Start für Mentees als auch für die Mentor*innen sowie einen Halb- jahres-Workshop, der über Erfolge, Ziele und Erfahrungen reflektieren soll. Wer sich für das Programm interessiert, kann sich bis zum 1. Juli 2022 für die nächste Mentoring Runde anmelden, weitere Informationen stehen auf der GSCN Webseite. Seit der Gründung der gemeinsamen Dialogplatt- form Stammzellforschung veranstalten das Berlin In- stitute of Health (BIH) und das GSCN Lectures mit Stammzellforscher*innen. So gab Matthias Lütolf (EPFL Lausanne/Roche Institute for Translational Bioenginee- ring) am 17. Dezember 2021 einen Vortrag über „Enginee- ring Organoid Development“. Masayo Takahashi (Riken, Japan) sprach am 28. Mai 2021 über „Current status and future vision of retinal cell therapy”. Auch 2022 setzt das Save the date: Die 10. GSCN Konferenz findet in Münster dieses Jahr an vier Tagen statt. Denn es gibt viel zum Ju- bilieren: das GSCN zelebriert die 10. Jahreskonferenz und kollaboriert mit dem Stammzellnetzwerk.NRW, das sogar schon auf stolze 20 Jahre Bestehen zurückblicken kann. Da- her verlängert sich die Konferenz um einen Tag, da es ein spezielles NRW Symposium geben wird. Weitere Highlights finden sich auf der Webseite: www.gscn-conferences.org. Neues GSCN Mentoring Program Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierfor- schung (IZW) ist eine international renommierte Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft. Mit den Forschungszielen „Anpassungsfähigkeit verstehen und verbessern“ untersucht es die evolutionären Anpassungen von Wildtieren und ihre Belastungen durch den globalen Wandel und entwickelt neue Konzepte und Maßnahmen für den Artenschutz. Dafür setzt es seine breite interdisziplinäre Kompetenz in Evolutionsökolo- gie und -genetik, Wildtierkrankheiten, Reproduk- tionsbiologie und -management im engen Dialog mit Interessensgruppen und der Öffentlichkeit ein. Die IZW-Abteilung „Reproduktionsmanagement“ unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas B. Hildebrandt entwickelt zelluläre Techniken für den Einsatz im Artenschutz. Dieser neue Weg ist für den Erhalt von hoch bedrohten Wildtierarten eine essentiel- le, vielversprechende Option. Dafür baut das IZW internationale Netzwerke zu „Zellulären Techniken“ auf, inklusive Expertentreffen weltweit führender WissenschaftlerInnen auf dem Feld der „Zellulären Techniken“, und entwickelt neue Wege der Entnahme und langfristigen Lagerung von Gewebeproben. Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. Alfred-Kowalke-Straße 17 · 10315 Berlin www.leibniz-izw.de 14 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: GSCN

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AUS DER GSCN-GESCHÄFTSSTELLE Erfolgreiches Non-PI-Meeting Das Non-PI-Meeting fand einen Tag vor der GSCN Konfe- renz am 5. Oktober 2021 im Zentrum für Regenerative Therapien in Dresden (CRTD) mit 18 Teilnehmer*innen aus Deutschland und Ungarn statt. Die Organisator*innen schreiben dazu: „Das Treffen ermöglichte eine lebhafte Diskussion zwischen Nachwuchswissenschaftler*innen in einem informellen Rahmen über konzeptionelle und technische Herausforderungen auf dem Gebiet der Stammzellforschung sowie über methodische Problem- lösungen. Das Kennenlernen anderer Forscher*innen aus einem ähnlichen Fachgebiet vor der GSCN Kon- ferenz ist von entscheidender Bedeutung, da es den Teilnehmer*innen ermöglicht, an den folgenden Konfe- renztagen viel leichter zusammenzukommen. In den Ein- führungsgesprächen tauschten die Teilnehmer*innen die wichtigsten Ideen ihres Forschungsprojekts aus, erhielten wichtige Informationen über Protokolle und Verfahren, neueste Technologien, Reagenzien für die Zellkultur und die Molekularbiologie und baten um Rat bei offenen Fragen. Darüber hinaus widmeten wir einen wesentlichen Teil des Tagungsprogramms der Diskussion über das aktu- elle Wissenschaftszeitvertragsgesetz und seine Auswir- kungen auf die berufliche und soziale Entwicklung von Forschenden in Deutschland. Wir haben einen Vertreter der Gewerkschaft, GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften) eingeladen, der über die aktuellen Her- ausforderungen und geplanten Änderungen der Novelle im kommenden Jahr berichtete. Alles in allem sind die In- formationen, die die Teilnehmer*innen durch das Treffen erhalten haben, von unschätzbarem Wert für die Karriere von Nachwuchswissenschaftler*innen und werden ihnen und ihren Labors sicherlich helfen, ihre Ziele zu erreichen. Seid beim Non-PI-Treffen 2022 dabei und diskutiert über Eure Projekte, neue Technologien, Probleme im Labor oder Unsicherheiten bei der Karriereplanung – merkt Euch den Termin am 12. und 13. September 2022 in Münster!“ Mehr Informationen zur Diskussion über das Wissenschaftszeitgesetz finden sich auf S. 70. MINT-EC fördert den MINT-Nachwuchs. Werden auch Sie Teil des Netzwerks! Das nationale Excellence-Netzwerk von Schulen mit Sekundarstufe II und ausgeprägtem Profil in MINT Breites Veranstaltungs- und Förderangebot für Schüler*innen Fortbildungen und fachlicher Austausch für Lehrkräfte und Schulleitungen Netzwerk mit derzeit 339 zertifizierten Schulen, 360.000 Schüler*innen sowie 29.500 Lehrkräften Jahresmagazin des GSCN 2021/22 Mehr erfahren auf 15 www.mint-ec.de Über 100 Partner*innen aus Hochschulen, Verbänden und Unternehmen Foto: Verena Börger

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AUS DER GSCN-GESCHÄFTSSTELLE GSCN Frauenförderung-Bericht GSCN Awards 2021 2021 unterstützte das GSCN über die Christiane Nüsslein- Volhard-Stiftung (CNV) Dr. Pa- raskevi Kritsiligkou vom DKFZ Heidelberg. Die junge Wissen- schaftlerin schreibt dazu „Ich bin sehr dankbar, dass ich das Stipendium der CNV-Stiftung er- halten habe, das vom GSCN ge- sponsert wird. Die CNV-Stiftung hat ihre Unterstützung außer- gewöhnlichen Wissenschaft- lerinnen gewidmet und ermöglicht es ihnen, ihre beiden Rollen als Forscherinnen und Mütter zu verbinden. Ich bin derzeit Postdoktorandin am DKFZ in Heidelberg und au- ßerdem Mutter eines 1,5 Jahre alten Jungen. Wir sind für meinen Postdoc von Großbritannien nach Deutschland ge- zogen und haben keine Familienangehörigen in der Nähe, die uns im Bedarfsfall hätten unterstützen können, da die Pandemie unsere engsten Familienangehörigen am Reisen hinderte. Ich kehrte zwei Monaten nach der Geburt zur Arbeit zurück, aber da die Kitas geschlossen waren, war mein Mann einen großen Teil des Jahres 2021 zuhause in Elternzeit. Die Mittel aus dem Stipendium kamen uns sehr zugute. Das Geld wurde für zusätzliche Betreuungsstunden und den Kauf von Haushaltsgeräten verwendet, die uns das Leben zu Hause erleichtern, damit ich nicht noch mehr Zeit mit der Hausarbeit verbringen muss. Das Geld wurde auch dazu verwendet, Fahrräder zu kaufen, um meine Pendelzeit zu verkürzen und somit mehr Zeit für die Arbeit habe. Ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig solche Initiativen für Mütter und Wissenschaftler sind, und ich bin sehr dank- bar für diese Auszeichnung, die es mir ermöglicht hat, mit demselben Engagement und derselben Entschlossenheit wie vor der Pandemie und dem Baby Vollzeit zu arbeiten.“ Der „GSCN 2021 Young Investigator Award“ ging an El- vira Mass vom Life and Medical Sciences Institut (LIMES) der Universität Bonn. Den „GSCN 2021 Hilde Mangold Award“ erhielt Katja Schenke-Layland vom Naturwissenschaftlichen und Me- dizinischen Institut an der Universität Tübingen. Virtueller UniStem Day 2021 Neue GSCN Filme auf Deutsch und Englisch Auch in 2021 hat das GSCN wieder Videos über Stamm- zellforscher*innen in Deutschland gedreht: Hans Schöler (Münster) zeigt seine Faszination über Gehirnorganoide und Heiko Lickert (München) erklärt stammzellbasierte Ansätze für Zelltherapien gegen Diabetes (siehe Foto). Bei- de Videos sind auf Deutsch und Englisch frei verfügbar in der GSCN Mediathek und im GSCN YouTube Kanal (https:// www.youtube.com/c/GscnOrg) zu finden. Der UniStem Day 2021 am 5. März 2021 fiel weltweit in eine Corona-Welle, in Deutschland und überwiegend im restli- chen Europa war zu der Zeit Lockdown und Homeschoo- ling angesagt. Während viele Länder den UniStem Day ab- sagten, hielten sich in Deutschland etliche Institute wacker und veranstalteten virtuelle UniStem Days – mit großem Erfolg. In Berlin hielten drei Wissenschaftler*innen Kurz- Public Outreach bei der Berlin Science Week 2021 Den „GSCN 2021 Publication of the Year Award“ beka- men Katharina Scheibner und Heiko Lickert zusammen mit Silvia Schirge und Ingo Butscherer vom Institut für Diabetes- und Regenerationsforschung am Helmholtz Zen- trumMünchen für die Publikation „Epithelial cell plasticity drives endodem formation during gastrulation“ im Journal Nature Cell Biology (23: 692-703). vorträge und Diskussi- onen mit begeisterten Schüler*innen aus Ber- lin und Thüringen ab, in NRW gab es ebenfalls an zahlreichen Instituten Online-Formate. Das BIH und das GSCN haben bei der Berlin Science Week im November 2021 im Naturhistorischen Museum die Besucher*innen über Stammzellforschung und ihre Trans- lation informiert. Mit der GSCN Posterausstellung, einem Stammzellen-Quiz, Kurzvorträgen, Wissenschaftler*innen im Gespräch und viel Engagement gelang es, Besucher*innen für Stammzellforschung zu begeistern. 16 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: GSCN

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Are You Thinking of Scaling Up Your Stem Cell Cultivation? Today’s bioprocess professionals need to stay on top of many things: Scale-up parameters and equipment capabilities, control strategies and automation, validation requirements and documentation to name a few. New fields of applications like stem cell technology are evolving into powerful tools of the future. Become an expert in bioprocessing. Join us at https://eppendorf.group/cell-handling-GCSN Eppendorf® and the Eppendorf Brand Design are registered trademarks of Eppendorf SE, Germany. https://eppendorf.group/cell-handling-GCSN All rights reserved, including graphics and images. Copyright © 2021 by Eppendorf SE

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9. GSCN KONFERENZ Konferenzbericht 2021 9. GSCN Konferenz 6. bis 8. Oktober 2021 Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) an der TU Dresden 26 11 6 6 » It was so nice to be able to approach everyone in person again.« QUELLE: GSCN-ONLINE-UMFRAGE Öffentlichkeits- veranstaltung im Deutschen Hygiene Museum Dresden am 8.10.2021 Podiumsdiskussion mit Kurzfilmen und Wissenschaftler*innen über „Zelltherapien mit Stammzellen? Aktuelle Forschung und Zukunftsaussichten“ Prof. Dr. Michael Brand, CRTD, Dresden Prof. Dr. Claudia Waskow, FLI, Jena Prof. Dr. Hans Schöler, MPI Münster Prof. Dr. Heiko Lickert, Helmholtz Zentrum München Moderation: Dr. Stefanie Seltmann, BIH, Berlin Stammzellforschung und Erkrankungen III Es war ein besonderes Ereignis: 350 Wissenschaft- ler*innen trafen sich vom 6. bis 8. Oktober 2021 auf der GSCN Konferenz in Dresden und die Atmosphäre 46 war geprägt von großer Herzlichkeit und Freude, sich nach anderthalb Jahren Pandemie (und unzähligen Videotref- fen) endlich wieder persönlich zu treffen. „Finally we meet again“ war die erfreute Begrüßung unter Freund*innen und Kolleg*innen. Das Besondere an der Konferenz war die Überwindung zweier Hürden im Vorfeld: Das Wagnis einer realen On-Site-Konferenz zu Zeiten einer weltweiten Pande- mie und die coronabedingte Absage der Ulmer Universität an das GSCN sechs Wochen vor Beginn. Mit einem Kraftakt verschob das GSCN die Konferenz daraufhin in das Zent- rum für Regenerative Therapien (CRTD) in Dresden, das glücklicherweise bereitwillig die Stammzellforscher*innen bei sich aufnahm. Mit einem 2G+-Hygienekonzept: Zusätz- lich zu doppeltem Impf- oder Genesenen-Status ergab sich eine tägliche Testpflicht, die im Innenhof bei mobilen Coro- na-Teststationen erfolgen konnte. Mit großem Erfolg konn- ten so die insgesamt 350 Stammzellwissenschaftler*innen in Dresden sicher und geschützt tagen, sich treffen, sich austauschen und es entstand eine intensive Vortrags- und Diskussionskultur sowie auch große Begegnungsfreude über die drei Tage hinweg. Dabei besuchten entsprechend dem Hygienekonzept nie mehr als 300 Personen gleichzei- tig die Konferenz. 8 Die Industrie war platzbedingt nur mit 26 Ständen ver- treten und bildeten mit ihren Produkten, Informatio- nen, Quiz und Sessions einen wichtigen Bestandteil. Im Vorfeld trafen sich am 5. Oktober beim Non-PI-Meeting 25 Nachwuchswissenschaftler*innen aus Deutschland und Ungarn und führten einen Tag lang rege Diskussio- nen über ihre Forschungsarbeiten, das Arbeitsumfeld, Kommunikationsprobleme und Karriereplanungen. Das neue GSCN Mentoring Program startete auf der GSCN Konferenz mit fünf Mentees und ihren Mentor*innen in ihren Jahreszyklus. Auftakt für die Mentees war ein Workshop mit einer Coachin über ihre Zielsetzung, The- menfindung und Kommunikation mit den Mentor*innen. GSCN-Präsident Hans Schöler eröffnete die Konferenz und Christopher Baum, Vorstand des Berliner Institut für Ge- sundheitsforschung in der Charité (BIH), begrüßte per Zoom die Konferenzteilnehmer*innen und betonte 16 3 18 die Unabhängigkeit des GSCN auch innerhalb des BIH. Nach dem Grußwort von CRTD-Di- rektor Federico Ca- legari startete das wissenschaftli- che Programm mit zahlrei- chen Höhe- punkten. e t l e e l l u i A - g s h k t i t t r s I e n s s l H e g n l t s a r e K a L s o - t g y l e c t e u r e x Hi g l s i s l l i o h h h o n T a l s t n a n k a i u T n e M r - a i T t n t o I a r e a d t n n a o T e a I p b r h S s l e s k E N d t i r a - t t i w s e n A e N C S G

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9. GSCN KONFERENZ Extras • GSCN-Mitgliederversammlung • GSCN-Vorstandstreffen • Netzwerkabend im Carolaschlösschen • GSCN Get-Together • ePoster-Terminals • Corona-Teststationen vor Ort • Hygienekonzept 2G+ 101 10 Deutschland » Collegial, personal and informal atmosphere. Lots of energy. Good, open discussions following talks and going on into the breaks. I think the relatively small venue helped here.« QUELLE: GSCN-ONLINE-UMFRAGE » Well done as every year! Glad that you take the risk to have a personal meeting.« QUELLE: GSCN-ONLINE-UMFRAGE » Great organization regarding testing and controls, almost no delays and good communication during the conference.« QUELLE: GSCN-ONLINE-UMFRAGE 3 Dresden Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD) an der TU Dresden 1 1 344 KONFERENZ- TEILNEHMER*INNEN (300 Corona-Limit, 2G+) 30 311 International » The evenings were great!« Europa QUELLE: GSCN-ONLINE-UMFRAGE Auswertung der Online-Befragung 2021 der Teilnehmer (Ø) Wie bewerten Sie ... 4,21 4,35 Skala 5 (sehr gut) bis 1 (unbefriedigend) für die Bewertungen das Präsidenten-Symposium 4,24 die Meet-the-Expert-Tables 4,87 die Industrieausstellung den Netzwerkabend 4,16 4,33 4,00 4,21 das wissenschaftliche Programm die Organisation der Konferenz die Industrie-Session das GSCN Get-Together » It was a great atmosphere and people looked at topics outside their box, lots of networking! And awesome to have such a cool meeting in person.« QUELLE: GSCN-ONLINE-UMFRAGE Jahresmagazin des GSCN 2021/22 19 r e t s o - P n i m r e a l s T r e t s o P e Regulär (VIPs, Exhibitors, TAs etc) Student*innen 73 % = 251 27 % = 93 k s o o r k p W r o P - S n o N g n i r o t n 0,87 % e W s h h o M p m I N a C r g G o r P 8,72 % 90,41 %

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9. GSCN KONFERENZ Konferenzbericht 2021 Die internationalen Keynotes auf der GSCN Konferenz 2021 Die Keynotes stellen die Highlights der GSCN Jah- reskonferenzen dar und geben der Konferenz die Einordnung in den internationalen Kontext. Trotz Auffallend ist jedoch, dass epitheliale Stammzellen in der Lage sind, extreme Verformungen zu tolerieren, ohne Scha- den zu erleiden sowie langfristigen mechanischen Belas- tungen ohne Anzeichen von Genomschäden oder Verlust der Lebensfähigkeit standzuhalten. Diese Fähigkeit von Epithelien, mechanische Belastungen auszuhalten, steht in starkem Kontrast zu Krebszellen, bei denen mechanische Verformungen nachweislich zu Kernbruch und DNA-Schä- den führen. Wickström erläuterte ihre jüngsten Arbeiten, die zeigen, wie dynamische Veränderungen in der Chro- matinorganisation als Reaktion auf Kraft die rheologischen Eigenschaften des Zellkerns und des Heterochromatins in epidermalen Stammzellen verändern, um DNA-Schäden zu verhindern. Sie zeigte außerdem, wie auf diese relativ der Pandemie-bedingten Einschränkungen konnten auch für Dresden wieder exzellente Wissenschaftler*innen als Vortragende gewonnen werden. Natürlich konnte nicht jeder der Redner vor Ort sein, da es aufgrund der Reise- beschränkungen im internationalen Verkehr nicht für alle möglich war. Ein erfolgreich aufgebautes technisches Sys- tem der Firma LDT-Veranstaltungstechnik (Schwendi, Ba- den-Württemberg) und ein Zoom Set-up, welches von Lien Dettmann (MDC Berlin) exzellent betreut wurde, erlaubte nichtsdestotrotz die Vorträge in die Lec- ture Hall und vor die versammelten Wissenschaftler*innen zu brin- gen. schnellen, minutenlangen Schutzreaktionen eine stabi- lere Anpassung an unterschiedliche Kräfte folgt, indem zunächst das Transkriptionsprofil durch Mechanis- men verändert wird. Dies erfolgt über Aktin vermit- telte Veränderungen der RNA-Polymerase-II-Aktivität und anschließendes Gen-Silencing, welches durch den Polycomb-Repressionskomplex-2 vermittelt wird. An- haltender mechanischer Stress führt zu einer weiteren Anpassung durch Veränderung der strukturellen Eigen- schaften der Zellen und des gesamten Gewebes, wodurch die Zellen mit den hohen mechanischen Kräften umgehen können und die Wiederherstellung der stabilen Chroma- tinarchitektur ermöglicht wird. Insgesamt unterstreichen Sara Wickström von der Sara Wickström Universität Helsinki, die sich 2022 dem Max-Planck-Institut in Münster als Direktorin an- schließt, eröffnete den Reigen der Keynotes. Zellen sind stän- dig einem Spektrum mechanischer Reize ausgesetzt, wie z. B. Scherkräfte, Druck, unterschiedliche Steifheit und Dehnung des Gewe- bes, auf die sie mit Mechanotransduktionsmechanismen reagieren. Das Labor von Sara Wickström untersucht die Rolle mechanischer Kräfte als wichtiges morphogeneti- sches Signal, das an den Zellkern weitergeleitet wird und genetische Programme reguliert, die das Stammzellschick- sal bestimmen. Übermäßige mechanische Belastungen ha- ben allerdings auch das Potenzial, Zellen und Gewebe zu schädigen. Epithelgewebe, wie die Lunge oder die Haut und damit auch die darin lebenden Stammzellpopulationen, unterliegen während der Morphogenese und im erwach- senen Organismus großflächigen, kraftbedingten Verfor- mungen. Eine Anhäufung von mechanischem Stress kann diese Arbeiten die Rolle der mechanischen Kraft bei der Regulierung des Zu- stands von Stammzellen auf meh- reren Zeit- und Längenskalen. zu Gewebedefekten oder zum Verlust der zellulären Takanori Takebe Die zweite Keynote des ers- ten Konferenztages wurde von Takanori Takebe (Cinncina- ti Children‘s Hospital Medical Center, USA) virtuell per Zoom gehalten. Die Gruppe von Takanori Takebe hat Organoide des Leber-Gal- le-Pankreas-Systems für die Erforschung der menschlichen Organogenese und zum Verständnis von Krankheiten angewendet. Trotz der kontinuierlichen Fort- schritte bei der Erzeugung von Organoiden verschiedener Systeme stellen biologische Anwendungen von in vitro erzeugten Organoiden nach wie vor eine große Herausfor- derung dar, was zum Teil auf einen erheblichen Mangel an komplexen Strukturen zurückzuführen ist. Das Labor von Takebe überträgt das Wissen über Entwicklung und Rege- neration in die In-vitro-Modellierung, um die wesentliche Rolle hochdiverser nicht-epithelialer Populationen wie Mesenchym und Endothel bei der Steuerung von Spezi- Integrität führen. 20 Stammzellforschung und Erkrankungen III fikation des Zellschicksals, Morphogenese und Reifung zu verstehen. Solche humanen Organoide ermöglichen die Untersuchung direkter und indirekter Wechselwir- Fotos: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ kungen zwischen den Organen, die das Verhalten bei Gesundheit und Krank- heit widerspiegeln. Zum Beispiel konnte gezeigt werden, dass in vitro eine Rekapi- tulation der koordinierten Spezifizierung sowie der Invagination des menschlichen hepato-biliären-pankreatischen (Multi-Organ-) Systems (HBP-System) in 3D-Stammzellkulturen erreicht werden kann. Die HBP-Domänen bildeten sich spontan und ohne äußere Faktoren an den Grenzen der aus humanen pluripotenten Stammzellen abgeleiteten Vorderdarm-Mitteldarm-Sphäroide, so dass sich die vier Organdomänen parallel entwickeln konnten. Die HBP- Spezifikation wurde durch eine endogene Aktivierung des Retinsäure-Signalwegs (RA) erreicht, die durch das sich mitentwickelnde Mesenchym induziert wurde, und die HBP-Domänen entstanden aus den Mitteldarm-Sphäroi- den. Möglicherweise kann dieses System als manipulier- bare Plattform dienen, in der Zellen nachverfolgt werden können, und somit die HBP-Organogenese aufklären. Die- se Studien stellen die Organoid-Technologie auf Zell-, Ge- webe-, Organ- und Systemebene mit einem Schwerpunkt auf Endoderm-Derivaten dar und ebnen den Weg für die Untersuchung von Interaktionsstörungen zwischen Zelltypen eines Organismus. Dies geschieht jedoch unko- ordiniert und ohne die für einen Embryo charakteristi- sche räumliche Organisation, was zu einer Vermischung der verschiedenen Zelltypen führt. Vor einigen Jahren fand die Gruppe Bedingungen, unter denen Aggregate von Mäuse-ESCs einen Symmetriebruch erfahren, der zu einer räumlichen Organisation der Zelltypen führt, welche die eines Embryos nach der Gastrulation nachahmt. Diese Strukturen, die sie wegen ihrer Reproduktion des Gastru- diesen Organen, wie z. B. Gallenatresie. lationsprozesses „Gastruloide“ nennen, hängen von der anfänglichen Anzahl der Zellen im Aggre- gat ab, die bei etwa 300 liegt. Die Ausbil- dung von Mustern der Gastruloide beginnt, wie die des Embryos, mit Alfonso dem Auftreten der Brachyury-Ex- Martinez Arias pression an einem Ende des Aggre- gats. Von diesem Zeitpunkt an folgt sie genau dem Verlauf der Prozesse im Em- bryo. Nach 5 Tagen in der Kultur weisen Gastruloide die Merkmale eines Embryos auf, d. h. ein Koordinatensystem und eine axi- ale Organisation der Gewebe- und Organansätze. Es hat sich auch gezeigt, dass die Gastruloide eine Reihe von genetischen Abläufen rekapitulieren können. Aus diesem Grund sind sie vielversprechende Modelle für die Untersuchung der frühen Säugetierentwicklung. Kürzlich hat die Gruppe ein Gastruloid-System für menschliche ESCs entwickelt, das bedeutende Forschungsmöglichkei- ten für die Untersuchung der menschlichen Entwicklung eröffnet hat, die ansonsten nicht erforscht werden könnte. Am Abend des ersten Konferenztages wird traditionell eine Keynote gehalten, die Re- levanz für ethische Fragestellungen der Stammzellforschung hat. Hier konnte 2021 Alfonso Martinez Arias (University Pom- peu Fabra, Barcelona) für einen Vortrag ge- wonnen werden. Das Team von Martinez Arias verwendet embryonale Stammzellen (ESCs) als Modellsystem, um die Beziehung zwischen Genen und Zellen bei der Bildung von Embryonen zu untersuchen. Seine Gruppe konzentriert sich auf die Gastrulation, den Prozess, bei dem die Zellmasse, die aus der Vermehrung der Zygote hervorgeht, ein Koordinatensystem erhält, das als Referenz für die Organisation der Primordien (Anla- gen) der verschiedenen Gewebe und Organe dient. In adhärenter Kultur steuert die Exposition von ESCs mit spezifischen Signalen ihre Differenzierung in viele der Jahresmagazin des GSCN 2021/22 21 Fotos: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ Am Nachmittag des dritten Kon- ferenztages (Freitag) waren zwei weitere Keynote Vorträge ge- plant. Beide Keynotes wurden aufgrund von Reisebeschrän- kungen per Zoom gehalten. Das Labor von Janet Rossant (SickKids Research Insti- tute, Toronto, Canada) untersucht die zellulären und mole- kularen Vorgänge, die der Bildung der drei verschiedenen Abstammungslinien der Mausblastozyste zugrunde liegen. Sie haben durch genaue Verfolgung der Entwicklungslini- en und Chimärenstudien gezeigt, dass es während der Prä- implantationsentwicklung zu einem fortschreitenden Ver- lust der Totipotenz kommt, der zur endgültigen Trennung der inneren Zellmasse und des Trophektoderms im spä- ten Morula- bzw. frühen Blastozystenstadium führt. Die Forscher*innen haben die Funktionen einiger wichtigsten Transkriptionsfaktoren wie Cdx2 und Gata3 identifiziert, die für die Spezifizierung des Zellschicksals des Trophek- toderms erforderlich sind, und haben gezeigt, dass das Zellschicksal durch die nukleäre Lokalisierung des Yap- Koaktivators durch den Hippo-Signalweg reguliert wird. Rossant berichtete über die Entwicklung einer neuartigen Yap-GFP-Fusionsreporter-Mauslinie, die eine Echtzeit-In- vivo-Darstellung der Hippo-Signalübertragung im frühen Embryo und in anderen Geweben ermöglicht. Das Labor hat Pionierarbeit bei der Entwicklung von Trophoblasten- Stammzellen (TS) und Zellen des extraembryonalen En- doderms (XEN) aus der Blastozyste der Maus geleistet. Diese Zelllinien behalten die Potenz der Trophektoderm- und primitiven Endoderm-Linien in einer ausgedehnten Kultur in vitro bei. Die Kombination von embryonalen Stammzellen (ES) mit TS- und XEN-Zellen (ETX) hat es anderen Laboren ermöglicht, aus Stammzellen abgeleitete In-vitro-Embryomodelle wie ETX-Embryoide und Blastoi- de zu entwickeln, die zumindest einige Aspekte des Emb- ryos nachahmen. Rossant erörterte ebenfalls, ob ihre Er- kenntnisse über den Mausembryo und seine Stammzellen direkt auf das menschliche System übertragbar seien. Es scheint klar zu sein, dass, obwohl viele der bei der Maus gefundenen Gene und Signalwege auch beim Menschen konserviert sind, sich der Zeitpunkt der Zellbindung im frühen menschlichen Embryo von dem der Maus unter- scheidet. Sowohl die inneren als auch die äußeren Zellen der vollständig expandierten menschlichen Blastozyste können offenbar ihre Plastizität behalten und den jeweils anderen Zelltyp regenerieren. Diese Plastizität scheint in naïven menschlichen ES-Zellen erhalten zu bleiben und wurde von mehreren Laboren genutzt, um mutmaßliche menschliche Blastoide direkt aus ES-Zellen zu erzeugen, ohne TS-Zellen einbeziehen zu müssen. Dies ist zwar sehr interessant, aber es ist wichtig, diese Strukturen vollstän- dig zu charakterisieren und mit In-vivo-Embryonen zu ver- gleichen, bevor ihre Gültigkeit als Modell für die Embryo- nalentwicklung bestätigt werden kann. Es wird immer deutlicher, dass die Entwicklung von Mäusen und menschlichen Embryonen und Stammzellen wichti- Janet Rossant Die zweite Keynote am Frei- tag wurde von Prisca Liberali (Friedrich Miescher Institute, Basel, Schweiz) gehalten. Das Team von Prisca Liberali verwendet eine Kombination aus fortschrittlicher Bildgebung, Einzel- zellsequenzierung und computergestützten Ansätzen, um die Mechanismen zu untersuchen, die der Entstehung kom- plexer Zellmuster zugrunde liegen, darunter Prozesse wie Selbstorganisation, Symmetriebrechung und kollektives Zellverhalten. Sie verwenden verschiedene dreidimensio- nale Kultursysteme, darunter Maus-Gastruloide, bei denen es sich um Ansammlungen pluripotenter Stammzellen han- delt, die die Merkmale der Gastrulation in vitro rekapitu- lieren. Gastruloide durchlaufen nach einer Aktivierung des Wnt-Signalweges in einer homogenen Kulturumgebung ei- nen Symmetriebruch, d. h. eine Differenzierung in verschie- dene spezialisierte Zelllinien und eine axiale Organisation aus einer einheitlichen Zellkugel. Während die Rolle einiger Signalwege bei ihrer Bildung untersucht wurde, fehlte bis- her eine umfassende Analyse der zellulären Zustände und des Verhaltens während des Symmetriebruchs. Die Gruppe Liberali entwickelte die erste Hochdurchsatz-Pipeline zur quantitativen Untersuchung der gastruloiden Entwicklung. Mithilfe eines aus Bildgebungsdaten abgeleiteten Verlaufs der Entwicklung von Tausenden von einzelnen Gastruloi- den und einem scRNAseq-Zeitverlauf identifizierten sie drei Schritte, die dem Symmetriebruch vorausgehen und ihn ermöglichen: (1) die räumlich variable Expression des Pluripotenz-Transkriptionsfaktors Sox2, die (2) die Diffe- renzierungsreaktion auf eine einheitliche Wnt-Aktivität in zwei unterschiedliche Zellpopulationen aufteilt, (3) deren axiale Organisation die Streckung und den morphologi- schen Symmetriebruch antreibt. Variable Sox2-Zustände spiegeln Unterschiede im Entwicklungsverlauf wider, wel- che die Reaktionen auf die Wnt-Aktivierung unterscheiden, indem sie entweder die Mesoderm-Differenzierung oder die Expression eines Pluripotenz-Genprogramms induzie- ren. Ein Screening von ca. 9.000 Gastruloiden, das speziell auf diese drei Schritte abzielte, deckte genregulatorische Module auf, die das Brechen der Symmetrie steuern, und identifizierte FGF-vermittelte MAPK-Signale als Hauptre- gulator der gastruloiden Entwicklung und des Bruchs der Symmetrie. Diese Arbeit zeigt, wie räumlich organisierte Prisca Liberali ge Unterschiede aufweist, die verstanden werden müssen, wenn stammzellbasierte Embryomodel- le routinemäßig zur Modellierung der menschli- Domänen und Gewebemuster aus selbst- organisierten zellulären Zuständen entstehen, die unterschiedlich auf Signalreize reagieren, was zum Bruch der Symmetrie und zur Bildung komple- xer multizellulärer Syste- 22 chen Entwicklung eingesetzt werden sollen. me führt. Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: Gairdner Foundation / Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research (FMI)

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Das Präsidentensymposium: Vortrag auf Einladung des Präsidenten und die jährlichen GSCN Awards 2021 Der GSCN Präsident hatte zum Auftakt Cédric Blan- pain (Université Libre de Bruxelles, Brüssel) ein- geladen, das Präsidentensymposium am zweiten Die Häufigkeit der Metastasierung war bei SCC mit EMT wesentlich höher als bei SCC ohne EMT, was zur Annah- me führt, dass ein gewisses Maß an EMT erforderlich ist, Konferenztag zu eröffnen. Das Labor von Cédric Blanpain untersucht die Mechanismen, die die Heterogeni- tät von Tumoren steuern. Der Übergang von Epithel zu Mesenchym (EMT) in Krebszellen um die Metastasierungskaskade bei primären SCC der Haut in Gang zu setzen. Die meisten Lungenme- tastasen wiesen hingegen keine EMT auf, was zeigt, dass der Übergang von Mesenchym zu Epithel für die metastatische Besiedlung wichtig ist. Durch das Screening eines gro- ßen Panels von Zelloberflächenmarkern konnten das Forscherteam mehrere Tumor-Subpopulationen in Haut- Cédric Blanpain tumoren identifizieren, die mit ver- schiedenen EMT-Zuständen assoziiert sind, von epithelialen bis hin zu vollständig mesen- chymalen Zuständen und dazwischen liegenden Hy- bridzuständen. Die verschiedenen EMT-Subpopulationen weisen ein unterschiedliches Metastasierungspotenzial 9. GSCN KONFERENZ wird mit Metastasierung, der Bildung von Krebsstammzellen und Therapieresistenz in Verbindung gebracht. Indem sie onkogenen Mutationen in unterschiedlichen Komparti- menten der Haut regulierten, konnte gezeigt werden, dass zelltypspezifische Chromatin- und Transkriptionszustände Tumore unter- schiedlich auf EMT vorbereiten. Plattenepithelkar- zinome (SCCs), die aus der interfollikulären Epidermis stammen, sind gut differenziert, während SCCs, die aus Haarfollikel-Stammzellen stammen, eine EMT aufweisen. Maaxximimizizeeyyoourr Maximize your Maximize your SStetemCeelllCultlturre Stem Cell Culture Stem Cell Culture Anyone who has ever cultured stem cells knows AnAyonynoenwehwohhoahsaesvevrecrucltuultruerdedstsetmemceclelsllsknknoowws s Anyone who has ever cultured stem cells knows that it requires a tremendous investment in time, thatthiattrietqreuqirueisreastaretrmemenednoduosuisnivnevsetsmtmenetnitnintitmimee, , that it requires a tremendous investment in time, energy, and expense. You just can’t leave anything enenrgeyr,gayn, adnedxepxepnesnes. eY.oYuojujsutsctacna’nt ’ltelaevaeveanayntyhthiningg energy, and expense. You just can’t leave anything to chance. That’s why so many scientists choose to tcohcahnacnec. Teh. Taht’astw’shwyhsyosmo manaynsycsiceinetnistitstschchooosese to chance. That’s why so many scientists choose Sartorius’ NutriStem® Media. Sartorius’ NutriStem® Media. Sartorius’ NutriStem® Media. Sartorius’ NutriStem® Media. From isolation and reprogramming through From isolation and reprogramming through From isolation and reprogramming through Fromexipsoanlastiiontaoncdryroepreosgerravmatmioin,gNtuhtroiSutgehm® is expansion to cryopreservation, NutriStem® is expansion to cryopreservation, NutriStem® is expadnesiiognetod ctoryporpormeosetervsautpioenri,oNr ugtroriwStehmin®a ifslexible designed to promote superior growth in a flexible designed to promote superior growth in a flexible desicgunletudretofoprrmoamt osoteysoupcearnioarcghrioewvethminorae frlelxiaiblle, culture format so you can achieve more reliable, culture format so you can achieve more reliable, consistent cell health. cultucorensfoisrtmenatcseollyhoeuacltahn. achievemorereliable, consistent cell health. consistent cell health. Serum-free, xeno-free culture systems | Produced Serum-free, xeno-free culture systems | Produced Serum-free, xeno-free culture systems | Produced under cGMP | FDA Drug Master File (DMF) | Serumnd-ferreceG,xMenPo|-FfrDeAeDcurultguMreassytsetreFmiles(|DPMroFd)u|ced under cGMP | FDA Drug Master File (DMF) | Scale-up options available undSecraclGe-MupPo|pFtDioAnsDarvuagilaMbalesterFile(DMF) | Scale-up options available Scale-up options available www.sartorius.com www.sartorius.com Jahresmagazin des GSCN 2021/22 www.sartorius.com www.sartorius.com 23 Foto: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ auf und sind in verschiedenen Nischen lokalisiert. FAT1, ein Protocadherin, gehört zu den am häufigsten mutierten Genen bei menschlichen Krebserkrankungen. Die Gende- letion von Fat1 förderte den hybriden Phänotyp des EMT. Transkriptions- und Chromatin-Profiling in Kombination mit Proteomanalysen und mechanistischen Studien er- gaben, dass der Funktionsverlust von FAT1 eine CAMK2/ CD44/SRC-Achse aktiviert, die die YAP/ZEB1-Kerntrans- lokation fördert und den mesenchymalen Zustand anregt. Weiterhin wird eine CAMK2-EZH2-Achse reguliert, welche die Aktivierung von SOX2 fördert, das den epithelialen Zu- stand aufrechterhält. Insgesamt haben die Studien gezeigt, dass der Funktionsverlust von FAT1 die Tumorentstehung, -progression, -invasivität, -stammzellenbildung und -me- tastasierung durch die Induktion eines hybriden EMT- Zustands fördert. Die nicht-genetischen Mechanismen, die für die Aufrechterhaltung eines bösartigen Tumorzustands erforderlich sind, sind nur unzureichend bekannt. Mithil- fe von genetischem Funktionsgewinn und -verlust in vivo konnten die Forscher*innen außerdem zeigen, dass nuk- leäre Rezeptor NR2F2 die Proliferation von Tumorzellen, den epithelial-mesenchymalen Übergang (EMT) und inva- sive Merkmale fördert, während er die Tumordifferenzie- rung und die Infiltration von Immunzellen unterdrückt, in- dem es ein gemeinsames Transkriptionsprogramm in SCCs sowohl in der Maus als auch im Menschen reguliert. Makrophagen typischerweise bei Entzündungen rekrutiert. Das Vorhanden- sein und die homöostatischen Funktionen von TRM in verschiedenen Organen sind für deren Funktionalität von wesentlicher Bedeutung; so zeigte Mass beispielsweise, dass ein Mangel an Osteoklasten in der perinatalen Kno- chenmarkshöhle zu einer früh einsetzenden Osteopetrose führt, und präsentierte Arbeiten über mutierte Mikroglia, die bei Mäusen eine Neurodegeneration verursachen. Wei- terhin konnte ihr Forscherteam zeigen, dass von Monozy- ten abgeleitete Makrophagen für das Abklingen von Ent- zündungen wichtig sind, da sie mit Mikroglia kooperieren, um Sekundärschäden und neuronale Dysfunktion nach einem Schlaganfall zu begrenzen. Im zweiten Teil ihres Elvira Mass (LIMES-Institut, Bonn) wurde in Dresden mit dem GSCN 2021 Young Investigator Award ausgezeichnet. In ihrem Vortrag präsentierte sie die unterschiedlichen Rollen von Mak- rophagen in Gesundheit und Krank- Elvira Mass heit. Sie stellte zunächst die beiden entwicklungsunabhängigen Zweige der Hämatopoese vor, aus denen unterschiedli- Vortrags stellte sie die Hypothese der entwicklungsbe- dingten Ursprünge von Gesundheit und Krankheit vor, bei der Makrophagen eine entscheidende Rolle bei der Verursachung oder Mitwirkung an unterschiedlichen Erkrankungen spielen können. Sie stellte zwei Beispiele vor, zum einen die westliche Ernährung, zum anderen die unfreiwillige Aufnahme von Nanoplastik aus der Umwelt während der Fötalentwick- lung, die die gewebsresidente Makrophagen der Nachkommen umprogrammieren könnten, was zu deren chronischer Aktivierung und zu metabolischen oder neurologischen Störungen führen kann. Zusammen- fassend lässt sich feststellen, dass die präsentierten frühe- ren und laufenden Studien zentrale Aussagen für medizini- che Makrophagenpopulationen hervorgehen: Während sich gewebsresidente (tissue-resident) Makrophagen (TRM) schon früh während der Embryoge- nese aus Dottersackvorläuferzellen entwickeln und alle sich entwickelnden Organe besiedeln, werden monozytäre Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) Forschungszentrum der TU Dresden Am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der TU Dresden widmen sich Spitzenforscher:innen aus mehr als 30 Ländern neuen Therapieansätzen. Sie entschlüsseln die Prinzipien der Zell- und Geweberegeneration und ergründen deren Nutzung für Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten. Das CRTD verknüpft Labor und Klinik, vernetzt Wissenschaftler:innen mit Ärzt:innen, nutzt Fach- wissen in Stammzellforschung, Entwicklungs- und Regenerationsbiologie, um letztlich die Heilung von Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson, hämatologischen Krankheiten wie Leuk- ämie, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes sowie Augen- und Knochenerkrankungen zu erreichen. Durch das neu eingeworbene Transfer-orientierte BMBF Zukunftscluster SaxoCell ergibt sich ein Fokus auf Zell- und Gentherapien. Das CRTD wurde 2006 als Forschungszentrum der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gegründet und bis 2018 als DFG-Forschungszentrum, als auch Exzellenzcluster gefördert. Seit 2019 wird das CRTD mit Mitteln der TU Dresden und des Freistaates Sachsen finanziert. Zentrum für Regenerative Therapien TU Dresden (CRTD) Fetscherstraße 105 · 01307 Dresden www.tu-dresden.de/cmcb/crtd 24 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: Arne Sattler

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sche Grundlagen liefern, da organspezifische Defekte mit schlecht funktionierenden gewebeansässigen Makropha- gen aus dem Dottersack in Verbindung gebracht werden könnten. wichtiges ECM-Protein für die frühe kardiovaskuläre Ent- wicklung des Menschen identifiziert wurde, das Überleben und die Regeneration von Zellen/Geweben unter hypoxi- schen/ischämischen Bedingungen fördert und damit ein ideales Biomaterial für verschiedene Anwendungen in der Gewebezüchtung und regenerativen Medizin darstellt. So konnte sie beispielsweise zeigen, wie die NID1-Funktio- nalisierung die Insulinproduktion von aus menschlichen β-Zellen bestehenden Pseudo-Inseln etablieren kann, die Der GSCN 2021 Hilde Mangold Award wurde an Katja Schenke-Layland, Direktorin des Naturwissenschaftli- chen und Medizinischen Instituts (NMI) in Reutlingen und Professorin für Medizinische Technologien und Regenera- tive Medizin an der Medizinischen Fakultät der Eberhard Karls Universität in Tübingen, verliehen. Mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit hat sie maßgeblich zu in einem Pankreas-on-a-Chip In-vitro-Modell kulti- viert wurden, das die ischämische Umgebung nach einer β-Zelltransplantation nachahmt. Zur nicht-invasiven Analyse und Quan- tifizierung der Reaktion der Zellen und zur Überwachung von artefaktfreien phänotypischen und funktionellen Veränderungen innerhalb des In-vitro- Modells wurden markerunabhängige Raman-Mikrospektroskopie, Raman- Imaging und Fluoreszenz-Lebensdauer- Imaging-Mikroskopie (FLIM) auf der Basis von metabolischem Mapping eingesetzt. Die vorge- stellten Daten deuten darauf hin, dass NID1 ein leistungsfä- higer therapeutischer Kandidat ist, der in Zukunft zahlrei- 9. GSCN KONFERENZ einem besseren Verständnis der frühen menschlichen Entwicklung beigetragen und ihre Erkenntnisse in Anwendun- Katja gen für die regenerative Medizin und Schenke-Layland das Tissue Engineering umgesetzt. Ihr For- schungsschwerpunkt liegt auf Proteinen der extrazellulären Matrix (ECM) und der Frage, wie die ECM in der Entwicklung Entscheidungen über das Zellschicksal steuert und die Physiologie und Pa- thophysiologie menschlicher Zellen beeinflusst. In ihrem Vortrag zeigte Schenke-Layland, dass das Basalmembran- Glykoprotein Nidogen-1 (NID1), das von ihrer Gruppe als Komponente in der Nische der Bauchspeicheldrüse und che klinische Anwendungen haben könnte. Unless otherwise specifically indicated, Miltenyi Biotec products and services are for research use only and not for therapeutic or diagnostic use. The Miltenyi Biotec logo and StemMACS are registered trademarks or trademarks of Miltenyi Biotec and/or its affiliates in various countries worldwide. Copyright © 2021 Miltenyi Biotec and/or its affiliates. All rights reserved. Jahresmagazin des GSCN 2021/22 25 StemMACSTM PSC-Brew XF The new generation of cell culture medium for efficient maintenance and expansion of high-quality hPSCs • Reliable every-other-day and weekend-free feeding schedules • Enables cutting-edge techniques like gene editing or cell sorting • Xeno- and serum-free medium Foto: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ Der GSCN 2021 Publication of the Year Award ging an Katharina Scheibner, Sil- via Schirge, Ingo Burtscher und Hei- ko Lickert für die Veröffentlichung „Epithelial cell plasticity drives en- doderm formation during gastrula- faktors (TF) Snail1, die Herabregulierung des Zell-Zell- Adhäsionsproteins E-Cadherin und den Erwerb einer mesenchymalen Identität umfasst. Interessanter- weise stellten sie fest, dass die Vorläufer des distalen Endoderms nicht die klassischen Katharina Merkmale einer EMT aufwiesen, wie die Scheibner Aufregulierung von Snail1 und die Herabre- gulierung von E-Cadherin. Wichtig ist, dass Foxa2 tion“ in der Zeitschrift Nature Cell Biology (Scheibner, K. et al. 2021. Nature Cell Biology 23(7): 692–703.). Katharina Scheibner (Helmholtz Zen- trum München) stellte in ihrem Preisvor- während der Endodermbil- dung als EMT-Suppressor trag die Ergebnisse ihrer Arbeit vor, in der sie nachweisen konnte, dass die Endoderm- Keimschicht durch epitheliale Zellplasti- zität gebildet wird, was der gängigen Annahme widerspricht, dass En- doderm-Vorläuferzellen wäh- rend der Mausgastrulation einen epithelialen-to-me- senchymalen Übergang (EMT) durchlaufen. Scheibner et al. beob- achteten, dass Endo- derm und Mesoderm bereits vor Beginn der Gastrulation im Epiblast spezi- fiziert werden und dass während der Induktion des Pri- mitivstreifens (PS) und der Elongation Endodermvorläufer zwischen dem Epiblast und dem viszeralen En- doderm (VE) distal zum PS zu finden sind. Wie erwartet, wird während der Ausbildung des Mesoderms ein klassischer EMT-Prozess aktiviert, der die Auf- regulierung des EMT-Transkriptions- fungiert, indem es in- direkt die Expression des EMT-TF Snail1 und damit ein EMT-Programm hemmt. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die apikal- basale Polarität und die Zell-Zell- Adhäsion auf der posterioren Seite des Embryos herun- terreguliert werden, was die Ablösung der Endoderm-Vorläufer vom Epiblast ermöglicht. Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass sich das Endoderm ohne einen klassischen EMT-Prozess bildet und seine Bildung durch eine epitheliale Zellplastizität vorangetrieben wird, die es den Endoderm-Vorläufern ermöglicht, den Epiblast zu verlassen und zu migrieren, aber einen mesenchyma- len Übergang verhindert. Diese Entdeckungen revidieren das Konzept der Gastrulation und haben weiterreichende Auswirkungen auf Zellersatztherapien. Darüber hinaus deuten neuere Studien auf einen EMT-unabhängigen Me- chanismus der Krebsmetastasierung hin, der einem Epi- thelzell-Plastizitätsprogramm ähnelt, so dass ein besseres Verständnis dieses Prozesses neue Krebsbehandlungen ermöglichen könnte. Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) Exzellente Stammzellforschung am MDC in Berlin Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin gehört zu den führenden biomedi- zinischen Forschungszentren weltweit. Viele Teams forschen an den beiden Berliner MDC- Standorten mit Stammzellen und Organoiden. Sie verändern zum Beispiel Muskelstammzellen mithilfe CRISPR-Cas, um Therapien für bislang unheilbare Muskelschwächen zu finden. Sie züchten aus Krebsstammzellen Mini-Tumore, um die Wirksamkeit von Medikamenten zu testen, und sie versuchen sogar, aus Hautzellen des Nördlichen Breitmaulnashorns Eizellen zu schaffen, um die bedrohte Tierart zu retten. Eine Technologieplattform stellt Know-how zu iPS-Zelllinien bereit, eine weitere zu Organoiden. „Wir bieten exzellente Infrastrukturen und bauen sie weiter aus“, sagt Professor Thomas Sommer, der Wissenschaftliche Vorstand des MDC (komm.). „Unsere Organoid-Plattform bündelt Expertise und eröffnet neue Wege, um die Entwicklung von Orga- nen, etwa der Niere, des Darms und der Leber, oder neuronale Erkrankungen zu erforschen.“ Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) Robert-Rössle-Str. 10 · 13125 Berlin www.mdc-berlin.de 26 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: Katharina Bohm/MDC Fotos: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ Explore stem cell solutions to support COVID-19 Drug Discovery hiPSC-based viral infection models Efficiently generate & study viral infection models using our hiPSC-derived hepatocytes, beta cells, cardiomyocytes, intestinal epithelial cells, & complete culture systems. ADME-Tox studies iPSC-based Use our functional and mature hiPSC-derived hepatocytes and cardiomyocytes—plus our breakthrough long-term primary hepatocyte culture medium for safety ADME-Tox evaluation of candidate COVID-19 drugs. Therapeutics Research We provide xeno-free human mesenchymal stem cell (MSC) culture medium and extracellular vesicle purification kits to support researchers developing human MSC secretome based COVID-19 therapies. Learn more at: https://bit.ly/TakaraBio-COVID19-Drug-Discovery Jahresmagazin des GSCN 2021/22 www.takarabio.com 27 Fotos: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ Die wissenschaftlichen GSCN Sessions Die parallelen wissenschaftlichen Sessions geben den GSCN Forscher*innen die Möglichkeit, ihre spannenden aktuellen Daten zu zeigen und sich mit den Expert*innen vor Ort auszutauschen. Die Koordinator*innen der wissen- schaftlichen GSCN Fachgruppen begutachten die Beiträge und wählen diese für Vorträge in den Sessions aus. Auch in Dresden wurden wieder ein Vielzahl exzellenter Stu- dien vorgestellt, die hier aus Platzgründen nicht in ihrer Gesamtheit beschrieben werden können. Einige Highlights aus den wissenschaftlichen Sessions sind im Folgenden er- wähnt. Johanna Siehler (Helmholtz Zentrum München) stellte in der Session „Stem cells in disease modeling and drug development“ Daten zur Funktion eines neuartigen Insu- lin-Inhibitor-Rezeptors (Inceptor) in menschlichen iPSC- abgeleiteten beta-ähnlichen Zellen (SC-beta cells) vor. Mittels CRISPR/Cas9-Engineering wurde eine Inceptor- Knock-out (KO)-iPSC-Linie erzeugt, die zusätzlich ein C- Peptid-mCherry-Fusionsprotein exprimierte, um die Dif- ferenzierung der SC-beta-Zellen und die Homöostase der insulinhaltigen sekretorischen Granula zu verfolgen. Die Differenzierung dieser Zelllinie zu SC-beta-Zellen zeigte ein verbessertes Überleben der Zellen in Abwesenheit (KO) des Inceptors, was zu einer erhöhten Differenzierungsef- fizienz der SC-beta-Zellen führte. Darüber hinaus war der Insulingehalt der SC-beta-Zellen stark erhöht, was mög- licherweise auf einen gestörten Insulinabbau zurückzu- führen ist. Mechanistisch gesehen regulierte Inceptor den Insulinrezeptor und die mTORC1-Signalübertragung in SC- beta-Zellen negativ. Insgesamt ist Inceptor ein neuartiger Regulator der Insulinsignalisierung, der Insulinsynthese und des Insulinabbaus in Betazellen, und ein pharmakolo- gisches Targeting des Inceptors könnte den Schutz oder die Regeneration der Betazellmasse und -funktion bei Diabeti- kern ermöglichen. In der Session „Hematopoietic stem cells“ präsentierte Gülce Percin (Leibniz-Institut für Alternsforschung, Jena) Daten, welche die Bedeutung von Knochenmarksmakro- phagen unterschiedlicher ontogenetischer Herkunft für die Bildung des Pools an hämatopoetischen Stammzellen (HSC) zeigen. Interessanterweise waren die Anzahl der embryonalen Makrophagen und HSC im Dottersack, in der Aorta-Gonaden-Mesonephros (AGM)-Region dem Ort der HSC-Entstehung im Embryo – und in der fetalen Leber nor- mal, während die HSC-Anzahl im Knochenmark kurz vor und nach der Geburt abnahmen, was auf eine gewebespe- zifische Rolle der embryonalen Makrophagen bei der Etab- lierung und Erhaltung von HSC hindeutet. 28 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ Der Beitrag von Shubhankar Sood (DKFZ/HI-STEM, Heidelberg) wurde für die Session „Stem cells in regenerative“ ausge- wählt. Er zeigte Daten zu einer neuartigen Subpopulation knochenbelegender mesenchymaler Stromazellen (iM- SCs), die im Gegensatz zu ihrem Gegenstück im Stroma direkt und dynamisch auf entzündlichen Stress reagiert. Durch die Erstellung eines globalen Genexpressionsprofils der Stressreaktion in iMSCs über einen Zeitverlauf konnten verschiedene Transkriptionszustände identifiziert werden, die mit biologischen Prozessen wie der frühen Entzün- dungsreaktion, Veränderungen im Stoffwechsel und dem späten Umbau der extrazellulären Matrix verbunden sind. Weiterhin zeigten Einzelzellanalysen die Heterogenität von iMSCs innerhalb von Stromazellclustern. Auf der Grundla- ge dieser Daten schlägt das Forscherteam eine neuartige iMSC-Signatur vor, die direkt zur Entschlüsselung der Ent- zündungsdynamik in der Nische des Knochenmarks beitra- Melania Barile (University of Cam- bridge, Cambridge, UK) präsentierte in ih- rem Vortrag in der Session „Computational stem cell biology“ einen quantitativen Rahmen zur Analyse der Transkriptionskinetik von Genen, die an der fötalen Erythropoese beteiligt sind. Unter Verwendung des theoretischen Modells der RNA Produkti- onsgeschwindigkeit wurden zunächst Gene mit nicht kon- stanter Kinetik auf der Grundlage eines Einzelzell-Gastrula- tionsatlas-Datensatzes identifiziert; anschließend wurden solche Gene mit einem angepassten Modell, das die nicht konstante Kinetik berücksichtigt, neu analysiert und so als Gene mit einem entwicklungsabhängigen Transkriptions- schub klassifiziert. Um den Mechanismus der Transkripti- on zu untersuchen, wurde ein Gata1-Chimären-Datensatz erstellt. Es wurde eine signifikante Überlappung zwischen Genen, die Gata1 nachgeschaltet sind, und Bursting-Genen, welche in starken Wellen (Bursts) exprimiert werden, festgestellt. Schließlich wurde ein weiteres quantitatives Modell vorgestellt, das die scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse der verschiedenen Kartierungsexperimente zu Zellschicksalen berücksichtigt, diese Widersprüche auflöst und eine zuverlässigere Schätzung der Populationsdyna- gen kann. mik ermöglicht. DID YOU KNOW WE HAVE A PSC SCALE-UP SOLUTION FOR YOUR PROCESS DEVELOPMENT WORKFLOW? GibcoTM StemScaleTM PSC Suspension Medium uses a spheroid self-assembly method to promote maximum expansion of pluripotent stem cells (PSCs) in suspension via an easy-to use, scalable protocol without the need for microcarriers. Find out more at thermofisher.com/stemscale hiPSC Zellen) aus Suspensionskultur in hiPSC-Zellaggregate (undifferenzierte Bioreaktoren generiert trademarks are the property of Thermo Fisher Scientifi c and its subsidiaries unless otherwise specifi ed. COL017247 1121 Jahresmagazin des GSCN 2021/22 29 For Research Use Only. Not for use in diagnostic procedures. © 2021 Thermo Fisher Scientifi c Inc. All rights reserved. All Fotos: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ Die strategischen GSCN Sessions InderSitzungzumThema„Clinicaltrialsandregulatory affairs“ luden die Vorsitzenden Zoltán Ivics und Andreas Kurtz die drei Vortragenden Marieke Essers (HI-STEM und DKFZ, Heidelberg), Niels-Bjarne Woods (Universi- tät Lund, Schweden) und Selim Corbacioglu (Universität Regensburg) ein. Marieke Essers beschrieb in ihrem Vor- trag „Inflammation-responding mesenchymal stromal cells modulate the bone marrow microenvironment response to stress over time“ neue Daten zur Rolle des Stoffwechsels bei der Steuerung der Blutbildung. Darüber hinaus ging sie auf die entzündlichen Auswirkungen auf im Knochen- mark ansässige iMSC und deren Entzündungsreaktion ein, die bereits von Shubhankar Sood (DKFZ Heidelberg) in der Sitzung „Stem cells in regenerative therapies“ vorgestellt wurden. In ihrem Vortrag beschrieb sie, wie Stoffwechsel- umstellungen hämatopoetische Zellen und deren Regene- rationsfähigkeit beeinflussen. Niels-Bjarne Woods präsen- tierte einen neuen Ansatz zur Kontrolle der Festlegung zur hämatopoetischen Entwicklung während der Differenzie- rung von iPSC. In seinem Vortrag „Metabolism guides de- finitive lineage specification during endothelial to hema- topoietic transition“ beschrieb er, dass die Abstammung von iPSC-abgeleiteten hämogenen Endothelzellen (HE) stoffwechselsensitiv ist. Durch die Modulation zwischen mitochondrienabhängigen OXPHOS- und Glykolyse-Wegen wurde der Übergang von hämatopoetischen zu endothe- lialen Zellen (EHT) dahingehend beeinflusst, dass sie sich überwiegend entweder in lymphoide oder erythroide Lini- en differenzieren, was Auswirkungen auf die Zellhomöos- tase in vivo haben kann. Es wurde vorgeschlagen, dass die Modulation von Stoffwechselwegen dazu beitragen könnte, endgültige transplantierbare HSCs in vitro zu erzeugen. Der dritte Vortrag der Sitzung von Selim Corbacioglu zum Thema „Advanced curative options for hemoglobinopathies in the era of gene editing“ präsentierte spannende neue kli- nische Studiendaten. Mit Hilfe von Gene-Editing-Ansätzen wurde der Gehalt an erythrozytärem fetalem Hämoglobin HbF erhöht. HbF ist von Mutationen, die zu bestimmten Ar- ten von Hämoglobinopathien wie der Sichelzellkrankheit (SCD) oder der transfusionsabhängigen Thalassämie (TdT) führen, nicht betroffen. Es wurde ein Ex-vivo-Gen-Editing von BCL11A in autologen HSC (CTX001) durchgeführt und die Zellen wurden myeloablierten Patienten transplantiert. Die vorgestellten ersten Ergebnisse sind sehr vielverspre- chend: stabil erhöhte funktionelle Hb-Werte bei TdT-Pati- enten und normalisierte Erythrozytenform bei SCD-Patien- ten ohne unerwünschte Nebenwirkungen. diskutieren. Die Teilnehmer*innen und die Coachin dis- kutierten lebhaft über Fragen von erfolgreicher Kommunikation, geeigneter Vorbereitung für Vorstellungsge- spräche und Treffen mit Vorgesetzten und Manövern, um aus unerwarteten Gesprächsverläufen heraus zu finden. Mit vielen praktischen Ratschlägen, wie man sich auf schwierige Diskussionen vorbereiten und auf andere zuge- hen kann, lernten die Teilnehmer*innen Kommunikations- fähigkeiten, die für die erfolgreiche Karriereentwicklung junger Forscher*innen von grundlegender Bedeutung sind. In der diesjährigen strategischen Sitzung zum The- ma „Karriereentwicklung“, die von Insa Schröder und Germán Camargo Ortega geleitet wurde, konnten die Teilnehmer*innen mit Nele Haasen von Konteam (Mün- chen), einer Expertin für Coaching, Führung/Teamentwick- Andreas Bosio und Sebastian Diecke organisierten die Session zum Thema „Technologies in stem cell research“, die sich mit der Gewinnung von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) in GMP-Qualität und Konzepten zur Umgehung der Immunogenität von aus menschlichen iPS- Zellen gewonnenen spezialisierten Zelltypen befasste. Die GSCN-Fachgruppe lud mit Boris Greber (RheinCell Thera- peutics GmbH, Langenfeld (jetzt Teil von Catalent)), Malte Tiburcy (Universitätsklinikum Göttingen) und Ulrich Martin (Medizinische Hochschule Hannover) drei Refe- renten aus dem akademischen Bereich und der Industrie ein, über dieses Thema zu reflektieren. Boris Greber erläu- terte das Konzept und zeigte erste Ergebnisse der Erzeu- gung von humanen iPS-Zellen in klinischer Qualität mit Im- munverträglichkeit für die kaukasische Bevölkerung unter Verwendung von HLA-homozyogenen CD34+ Zellen aus Nabelschnurblut. Malte Tiburcy und Ulrich Martin stellten weitere Konzepte vor, wie iPSC-Linien für die regenerative Medizin erzeugt werden können, die darauf zugeschnit- ten sind, dem Immunsystem zu entgehen, einschließlich verschiedener genetischer Manipulationen des humanen Leukozytenantigensystems (HLA). Sie dehnten die Dis- kussion auf allgemeine Überlegungen zu autologen und allogenen Zellersatztherapien aus und berichteten über jüngste Ergebnisse bei der Herstellung von Zellprodukten in klinischer Qualität für die Regeneration des Herzens. Die lebhafte Diskussion zwischen den drei Referenten und den Zuhörer*innen zeigte deutlich, dass die verschiedenen Optionen je nach Zelltyp, Zielorgan und zu behandelnder Krankheit von Fall zu Fall geprüft werden müssen. Der Auf- wand für die Herstellung allogener, autologer, HLA-homo- zygoter oder gentechnisch veränderter Zellen sollte gegen das Risiko der Immunsuppression des Patienten und der Abstoßung des Transplantats im Falle allogener Zellen, der Wiedereinführung eines krankheitsverursachenden Geno- typs im Falle autologer Zellen und einer verminderten Im- munüberwachung von Krebszellen oder infizierten Zellen im Falle vollständig HLA-abgereicherter Zellen abgewogen 30 lung und Mentoring, über „Erfolgreiche Kommunikation“ werden. Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: Arne Sattler

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Posterpreise und Reisestipendien 9. GSCN KONFERENZ Posterpreise im Wert von 500 Euro gingen an: • Yung Su Kim, MPI for Molecular Biomedicine, Münster: De novo formation of apical-basal polarity by Rap1 regulates epiblast patterning (Session “Pluripotency and reprograming”) • Ellen Späth, Leibniz Institute of Aging (FLI), Jena: Proteome dynamics during myogenesis identify the cytoskeletal protein Leiomodin 1 as a promoter of muscle stem cell differentia- tion (Session “Stem cells in regenerative thera- pies”) • Moritz Thomas, Helmholtz Center Munich, Ins- titute for AI for Health: Systematic chimeric anti- gen receptor (CAR) target selection in acute myeloid leukemia leveraging single cell transcriptomic atlases (Session ”Computational stem cell biology and systems biology”) • Alessia Urzi, Max Delbrück Center for Molecular Me- dicine (MDC), Berlin: An efficient 2D model to generate functional neuromuscular junctions from human pluri- potent stem cells through a neuromesodermal proge- nitor intermediate state (Session ”Stem cells in disease modelling and drug development“) Das GSCN gratuliert an dieser Stelle der Gewinnerin des Reisestipendiums in Höhe von 400 Euro: • Jennifer Steens, Institute of Cell Biology (Cancer Re- search), University Hospital Essen Öffentliche Podiumsdiskussion In guter Tradition veranstaltet das GSCN am jeweiligen Kon- ferenzort eine Öffentlichkeitsveranstaltung über Chancen und Risiken der Stammzellforschung für die interessierte lokale Bevölkerung am Abend des letzten Konferenztages. In Dresden lud das GSCN am 8. Oktober 2021 ins Deutsche Hygienemuseum Dresden ein, auf dem Podium sprachen Hans Schöler (Münster), Heiko Lickert (München), Clau- dia Waskow (Jena) und Michael Brand (Dresden) mit der Moderatorin Stefanie Seltmann (BIH, Berlin). Es wurde ein spannender Abend rund um die Themen Diabetes, Ge- hirnorganoide und Grundlagenforschung an Tiermodellen wie Mäusen und Zebrafischen. Zu jedem Podiumsgast zeig- te das GSCN eigene Videos. Die sehr anregende Diskussion mit dem Publikum führten Wissenschaftler*innen und Gäs- te anschließend bei Brezeln und Getränken in der Wandel- halle fort. Jahresmagazin des GSCN 2021/22 31 Fotos: Arne Sattler

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9. GSCN KONFERENZ Netzwerken auf den gesellschaftlichen Events Die gesellschaftlichen Events auf einer Konferenz haben als Ziel das Netzwerken in einem gelösten Rahmen. In Dresden fand das Get-together am ersten Konferenzabend im CRTD statt und bot allen Konferenzteilnehmer*innen eine gute Gelegenheit, sich beim leckeren Essen auszutauschen. Der Network-Evening am zweiten Konferenztag lud ins Carola- schlösschen, idyllisch gelegen an einem See inmitten eines großen Parks, ein. Mit Bussen fuhr die gesamte Konferenz in den exklusiv gemieteten Raum und ließ bei Drinks, aus- gezeichnetem Buffet und an festlich geschmückten Tischen drinnen oder draußen die Vorträge, die Postersession und die vielen Themen Revue passieren. Es wur- de ein Fest in großer Herzlichkeit. Diese ge- sellschaftlichen Begegnungen sind für das Entstehen von Kollaborationen und wis- senschaftlicher Kollegialität ähnlich wichtig wie die wissenschaftlichen Diskussionen, bieten sie doch ei- nen anderen Rahmen, um sich zu begegnen und auszutauschen auf beruflicher, aber auch persönli- cher Ebene. 32 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: Arne Sattler

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www.gscn.org 10th GSCN Conference & 20 Years Stem Cell Network NRW 13 – 16 September 2022 Münster · Messe und Congress Centrum Halle Münsterland International keynote speakers Elena Cattaneo (Milan, IT) · Fiona Doetsch (Basel, CH) · Katsuhiko Hayashi (Fukuoka, JAP) · Heiko Lickert (Munich, GER) · Hanna Mikkola (Los Angeles, USA) · Shinya Yamanaka (Kyoto, JAP) Presidential Symposium GSCN Awardees: Young Investigator, Hilde Mangold Award, Publication of the Year Anniversary Symposium 20 Years Anniversary Symposium Stem Cell Network NRW Early registration deadline: 10 June 2022 Abstract submission deadline for oral presentations: 10 June 2022 Oral presentations chosen from the best abstracts Scientific sessions • Pluripotency and reprograming • Somatic stem cells and development • Hematopoietic stem cells • Stem cells in aging and diseases Program committee • Stem cells in regenerative therapies • Stem cells in disease modeling and drug development • Organoids: new models for diseases • Computational stem cell biology Ivan Bedzhov (Münster) · Daniel Besser (Berlin) · Oliver Brüstle (Bonn) · Tobias Cantz (Hannover) · Hartmut Geiger (Ulm) · Sira Groscurth (Düsseldorf) · Hans Schöler (Münster) · Claudia Waskow (Jena) · Sara Wickström (Münster) Supported by Photos: Presseamt Münster / MünsterView; Arne Sattler / GSCN

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Milz einer humanisierten Maus, 30 Wochen nach der Humanisierung mit einer Färbung von hCD3 (rot), hCD20 (blau)

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Hämatopoese und Bluterkrankungen Tiefer Blick ins Blutzell-Universum Ein Leben lang sorgen Blutstammzellen im Knochenmark dafür, dass unser Körper ausreichend mit einer Vielfalt aus- gereifter Blutzellen versorgt wird. Blutstammzellen gehören zu den besterforschten Gewebestammzellen. Zudem sind sie die einzigen Stammzellen, die seit Jahrzehnten erfolgreich in der Klinik eingesetzt werden. Neue Technologien wie die Einzelzellanalyse, aber auch bessere Tiermodelle, revo- lutionieren derzeit das Wissen über die Stammzellnische Ruder läuft. Im Knochenmark sorgen sie ständig für Nach- schub an neuen Blutzellen. Sie sind der Ursprung und die ultimative Quelle aller Blut- und Immunzellen des Körpers. Wie für Stammzellen typisch, besitzen sie zum einen die Fähigkeit, sich selbst zu erneuern und ihre Anzahl konstant zu halten, zum anderen können sie in alle hämatopoeti- schen Zelllinien differenzieren. im Knochenmark und die Entstehung unseres Blut- und Immunsystems. Das hilft, Bluterkrankungen besser zu ver- stehen und ebnet den Weg für die Entwicklung innovativer Zell- und Gentherapien. Blutstammzellen in Forschung und Klinik Unser Blut ist der Superlative. Die Blutzellbildung, die Hämatopoese, bringt ein ganzes Ihr enormes Regenerationspotenzial hat den Blutstamm- zellen eine Sonderstellung in der Medizin beschert: Bis heute ist die Blutstammzelltransplantation (HSCT) die einzige etablierte Zelltherapie bei Erkrankungen ein regeneratives System des Blut- und Immunsystems. Das macht die HSC zu der am besten er- HÄMATOPOESE UND BLUTERKRANKUNGEN Universum spezialisierter Zelltypen her- vor: Rote Blutkörperchen (Erythrozy- ten), Blutplättchen, aber auch sämtliche Immunzellen der angeborenen und der erworbenen Körperabwehr. Pro Sekunde produziert der menschliche Körper Milli- onen von Blutzellen. Pro Tag werden bis zu 1012 Blutzellen erneuert. Bei Verletzungen oder Infektionen wird die Zellproduktion deut- lich hochgefahren. forschten Gewebestammzelle. Dennoch gibt die Biologie der Blutstammzellen Simon Haas noch viele Rätsel auf, viele grundlegende Mechanismen sind noch nicht verstan- den. Doch neue molekulare Technolo- gien, Messmethoden und smarte Bio- informatik haben in den vergangenen Einige tausend hämatopoetische Stammzellen (HSCs) sor- gen dafür, dass diese Turbo-Regeneration unseres „flüs- sigen Organs“ kontinuierlich erfolgt und nicht aus dem ständnis der Blutzellbildung geführt. Jahren der Erforschung der Hämatopoese einen Schub verliehen und zu einem neuen Ver- Zu den Forschenden, die die Vorgänge der Blutbildung mit- hilfe neuester Technologien durchleuchten wollen, gehört Simon Haas. Er leitet am Berlin Institute of Health (BIH) in Einzelzell-Proteo-Genomik zur Kartierung des Ökosystems Knochenmark Jahresmagazin des GSCN 2021/22 35 Fotos: Emilie Coppen, Lab Waskow, FLI Jena / Felix Petermann, MDC; Grafik: Simon Haas/ MDC-BIH

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HÄMATOPOESE UND BLUTERKRANKUNGEN der Charité die Nachwuchsgruppe Blutkrebs, Stammzellen und Präzisionsmedizin. „Wir setzen auf Einzelzellanalysen der neuesten Generation und Künstliche Intelligenz, um die humane Blutbildung und Erkrankungen zu studieren“, sagt Haas, dessen Team am Berliner Institut für Medizini- sche Systembiologie (BISMB) des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin angesiedelt ist. sentlich genauere Unterscheidungen zwischen den verschie- denen Zelltypen erlauben. Für eine Präzisionsmedizin von Blutkrebserkrankungen eröffnet das neue Möglichkeiten. „Wir können mit unserer Technolo- gie quasi in die Stadien einer Leukämie rein- zoomen“, sagt Haas. Hier zeige sich, dass bei einer akuten myeloischen Leukämie (AML) die Leukämiezellen in einem Patienten sehr heterogen seien. „Es existiert allerdings eine Hierarchie, die von einer relativ inaktiven Leukä- miestammzelle angeführt wird“, sagt Haas. Vermutlich sei- en das gerade jene Zellen, die Chemotherapien überleben können und somit für Therapieresistenzen und Rückfälle verantwortlich sind. „Damit wir diese Zellen zielgerichtet bekämpfen können, ist es notwendig, sie genau zu kennen und von gesunden Blutzellen unterscheiden zu können.“ Hochpräzise Karte der Blutentwicklung Zu den wichtigsten Technologien zählt derzeit die Einzel- zell-RNA-Sequenzierung. Mit dieser Methode lässt sich über die vorhandenen Boten-mRNA-Moleküle messen, welche Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer ein- zelnen Zelle aktiv sind. So lässt sich das molekulare Profil einer Zelle ermitteln. „Wir verfolgen einen Multi-Omics- Ansatz, da wir uns neben dem Transkriptom auch rund 200 verschiedene Oberflächenproteine auf den Blutzellen anschauen“, sagt Haas. Auf diese Weise hat sein Team zusammen mit Forschenden aus Heidelberg (HI-STEM und EMBL) und Barcelona (CRG) hunderttausende von Blutzellen verschiedener Stadien im Labor per Einzelzellanalyse vermessen, sowohl von gesun- den Spendern als auch von Leukämiepatienten. Entstan- den ist ein Atlas der humanen Blutzellbildung mit Karten von bislang unerreicht hoher Auflösung. Damit lassen sich nicht nur normale Entwicklungspfade der Hämatopoese nachvollziehen, die Referenzkarten machen auf neue Wei- se anschaulich, wie aus Stammzellen Leukämiezellen ent- stehen. Die Ergebnisse hat das Konsortium im Fachjournal „Nature Immunology“ veröffentlicht. Die Einzelzell-Sequenzierung ist für einen Einsatz in der klinischen Diagnostik noch zu teuer. Das Team um Haas verknüpft daher das neue Wissen um die molekularen Profile der verschiedenen Zellstadien mit den etablierten Oberflächenmarkern, die beim FACS zum Einsatz kom- men. Ergänzt um die neu identifizierten Markerproteine können die Forschenden mithilfe von KI-basierten Algo- rithmen die Ergebnisse aus den Einzelzellanalysen mit den FACS-Ergebnissen kombinieren. „Wir benutzen jetzt neue Kombinationen von Antikörpern, die uns die KI vorschlägt, um ganz bestimmte Zellstadien besser iden- tifizieren zu können“, erklärt Haas. Derzeit lote man am BIH aus, wie sich dieser innovative Ansatz in die Anwen- dung überführen und kommerzialisieren lasse, so Haas. Update für das klassische Modell der Hämatopoese Die Daten liefern weitere Hinweise darauf, dass das klas- sische Modell der Hämatopoese dringend ein Update braucht. Nach der klassischen Vorstellung fächern die unterschiedlichen Entwicklungslinien auf wie ein Stamm- baum, eine Blutstammzelle entwickelt sich stufenweise in Vorläuferzellen und diese dann in die verschiedenen Blut- und Immunzelltypen. In den letzten Jahren häuf- Blutbildung im lebenden Organismus verstehen Auch Claudia Waskow ist über- zeugt: Die Einzelzell-Techno- logien haben die Hämato- poese-Forschung in den vergangenen Jahren ent- scheidend geprägt und eine neue Tiefe in der Analytik dieses Prozesses ermöglicht. „Allerdings ist diese Technik bisher eher deskriptiv. Wir möchten viel- mehr die Mechanismen der Blut- bildung im lebenden Organismus ver- stehen“, sagt die Immunologin und Stammzellforscherin, die am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz Lip- mann Institut (FLI) in Jena die Abteilung Immunologie des Alterns leitet. Mit ihrem Team hat sie Tiermodelle für die ten sich jedoch die Zweifel an diesem Modell, das vor allem auf Daten der gut etablierten Durchfluss- Claudia zytometrie basiert. Bei dieser auch FACS-Analyse genanntenTechnikwerdendieBlutzellenaufdie Waskow Existenz einiger charakteristischer Oberflächenmolekü- le hin analysiert. „Mit unserem Multi-Omics-Ansatz haben wir ein Vielfaches mehr an relevanten Daten und wir kön- nen so eine hochdimensionale Karte der Blutentwicklung erstellen“, erläutert Haas. Daraus lasse sich ablesen: „Die Blutentwicklung verläuft nicht in Sprüngen, sondern dy- namisch. Es ist ein System im Fluss“, sagt Haas. Außerdem deute vieles darauf hin, dass die Zellen schon früher als bisher angenommen wüssten, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen. In die Leukämie hineinzoomen „Mich fasziniert das unglaubliche regenerative Potenzial der Blutstammzellen“, sagt Waskow. Eine einzelne Stamm- zelle könne transplantiert in einen entsprechend vorbe- handelten Empfängerorganismus das gesamte blutbilden- Die Forschenden haben auch neue Markerproteine auf 36 den Zelloberflächen der Blutzellen identifiziert, die we- de System ersetzen. Stammzellforschung und Erkrankungen III Erforschung der Blutbildung entwickelt. Fotos: FLI, Jena / Uniklinik Heidelberg

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Es ist die Schnittstelle von Stammzellforschung und Immu- nologie, die Claudia Waskow besonders reizt. „Wenn man das Immunsystem verstehen will, muss man die Schick- salsentscheidungen von Blutstammzellen und ihre Diffe- renzierung in die verschiedenen Blutzellen mit in die Be- trachtungen einbeziehen“, sagt sie. zwischen den menschlichen Immunzellen untereinander und mit den Mauszellen funktionieren erstaunlich gut“, sagt Waskow. Das gelte sowohl für Mechanismen, welche die Erhaltung der Stammzellen regulieren, als auch für die Hämatopoese – es werden alle Blutzelltypen gebildet. Dies ist einmalig in den Modellen, mit denen das Team um Waskow arbeitet. „Deshalb eignen sich diese humanisier- ten Tiere dafür, wichtige Fragestellungen beispielsweise in der Xenotransplantation und in der Sepsisforschung zu beantworten“, sagt Waskow. In beide Richtungen forscht ihr Team gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der Klinik. Humanisierte Mausmodelle entwickelt Solche komplexen biologischen Vorgänge könne man auch in Zukunft nicht in vitro nachstellen, betont Waskow. Ihr Team setzt daher auf sogenannte humanisierte Maus- modelle. „Wir transplantieren humane Blutstammzellen in Mäuse, die genetisch so vorbereitet sind, dass sich die Spenderstammzellen gut im Knochenmark einnisten kön- nen,“ so Waskow. Der Vorteil: Die Tiere müssen nicht mehr wie bisher bestrahlt werden oder eine Chemotherapie durchlaufen, damit die körpereigenen Maus-Blutstamm- zellen zerstört werden. Es findet entsprechend keine Ent- zündungsreaktion statt, sodass die Spenderzellen weniger gestresst und dadurch fitter sind, um allmählich ein huma- nes Blut- und Immunsystem aufzubauen. Die humanisierten Mäuse hätten auch das Zeug dazu, das Wissen über Alterungsprozesse in humanen Stammzel- len deutlich zu vertiefen. Die Frage nach dem funktionel- len Potenzial humaner Blutstammzellen lasse sich nur im Kontext ihrer Mikroumgebung beantworten. Hier erwartet Claudia Waskow in naher Zukunft spannende Ergebnisse. Doch wie gut funktioniert dieses humane Immunsystem in den Mäusen? „Viele interzellulären Kommunikationswege Um das regenerative Potenzial von Blutstammzellen zu er- schließen, ist seit einigen Jahren die Stammzellnische im Knochenmark verstärkt in den Fokus geraten. Damit ist die Stammzellnische als Ökosystem HÄMATOPOESE UND BLUTERKRANKUNGEN Jahresmagazin des GSCN 2021/22 37

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HÄMATOPOESE UND BLUTERKRANKUNGEN Das humanisierte Mausmodell in seiner Entstehung womöglich auch, eine ewige technische Hürde zu überwinden: „Obwohl HSCs schon seit Jahrzehnten in der Klinik ein- Carsten gesetzt werden, lassen sie sich im Labor bis- her nicht gut kultivieren und vermehren“, sagt Waskow. In dem Leibniz-Verbundprojekt XpandHSC versuchen die Forschenden genau das: In dem interdisziplinären Konsortium inte- grieren die Mitwirkenden das gesammelte Wissen über zentrale Faktoren und Moleküle der Blutstamm- zellnische, um diese in innovativen 3D-Zellkultursystemen nachzubauen. Die Medizinische Universitätsklinik in Heidelberg hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem führenden Zentrum für Blutstammzelltransplantationen (HSCT) ent- wickelt. „Wir werden jährlich besser darin, die mit einer Stammzelltransplantation verbundenen Nebenwirkungen zu verringern und die Verträglichkeit zu verbessern“, sagt Carsten Müller-Tidow, Ärztlicher Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie. Auch immer mehr ältere oder geschwächte Patienten würden inzwi- schen von diesem Eingriff profitieren. Mikroumgebung aus benachbarten Zellen und Gewebestruk- turen gemeint, in die die Stammzellen im Knochenmark ein- gebettet sind. „Die Nische ist ein eigenes Ökosystem, dessen molekulare Akteure und Kommunikationsmechanismen wir entschlüsseln wollen“, sagt Waskow. Gerade bei der allogenen Blutstammzelltransplantation, bei der die transplantierten Stammzellen von fremden Spendern stammen, habe es spürbare Ver- besserungen gegeben. Eine Innovation, die sich in den vergangenen fünf Jah- ren durchgesetzt habe, sei die hap- loidentische HSCT. Durch diesen Ansatz kommen auch Eltern und besondere bei den GSCN-Jahreskonferenzen neueste Ent- wicklungen diskutiert. Im September 2022 wird Claudia Waskow GSCN-Präsidentin werden. Blutstammzelltransplantationen immer sicherer Diese Erkenntnisse helfen ihrer Arbeitsgruppe Kinder als Spender infrage. Müller-Tidow “Bei der haploidentischen HSCT wird nach der Transplantation noch einmal eine Chemotherapie gege- ben, um die frisch aktivierten T-Zellen zu zerstören“, sagt Müller-Tidow. Damit könne man der Graft-versus-Host-Disease, ei- Ihre Faszination für Blutstammzellen vermittelt Claudia Waskow tatkräftig im German Stem Cell Network (GSCN). Zusammen mit Timm Schroeder leitet sie seit vielen Jah- ren die wissenschaftliche Fachgruppe „Grundlagen der Hämatopoese, deren Translation und Anwendung“, die ins- ner gefährlichen Immunreaktion, wirksam vorbeugen. Mit genom-editierten Stammzellen heilen Riesiges Potenzial für die personalisierte Medizin der Zu- kunft sieht Müller-Tidow in den Gentherapien der neuesten Generation. Als ein Paradebeispiel nennt er therapeutische Ansätze zur Heilung der Sichelzellanämie und Beta-Tha- Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) Forschung für ein gutes Altern Das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz- Lipmann-Institut (FLI) in Jena widmet sich seit 2004 der biomedizinischen Alternsforschung. Rund 350 Mitarbeiter aus ca. 40 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krank- heiten. Ziel der Forschungsaktivitäten ist es, die Mechanismen des Alterns und ihre Auswirkun- gen auf die Entwicklung von Fehlfunktionen Wandels entstehen, minimiert und das Wissen und die Erfahrung alter Menschen in die Gesellschaft integriert werden. und Krankheiten im Alter aufzuklären. Wenn es gelingt, die Zeit des gesunden Alterns der Men- schen zu verlängern, können Belastungen der Gesellschaft, die aufgrund des demografischen Das FLI ist eines von 96 Instituten der Leibniz-Ge- meinschaft und wird gemeinschaftlich von Bund und Land gefördert. Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) Beutenbergstraße 11 · 07745 Jena www.leibniz-fli.de 38 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: Uniklinik Heidelberg / Grafik: Julia Froebel, BioRender.com, FLI Jena

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lassämie. Den Bluterkrankungen liegt ein erblich bedingter Gendefekt zugrunde, durch den die Hämoglobinbildung ge- stört ist. Betroffene sind lebenslang auf Bluttransfusionen und Medikamente angewiesen, es sei denn sie unterziehen sich einer allogenen Stammzelltransplantation. von Anti-CD33-Antikörpertherapien oder CAR-T-Zellthe- rapien wirksamer attackieren. Für die Entwicklung der Blutstammzellen scheint der ausgeschaltete CD33-Marker indes keine negativen Auswirkungen zu haben, worauf Ex- perimente in Tiermodellen hinweisen. Dank präziser Genome-Editing-Werkzeuge wie CRISPR-Cas ergeben sich völlig neue Möglichkeiten. Denn nun lässt sich die Erbsubstanz der patienteneigenen HSCs im Labor so verändern, dass der Gendefekt direkt in den Zellen repa- riert wird. Mit dieser Technologie sind weltweit seit 2019 bereits 15 Patienten behandelt worden, unter anderem am Universitätsklinikum Regensburg. Die Ergebnisse sind vielversprechend. „Auch in Heidelberg starten dazu dem- nächst an der Kinderklinik erste klinische Studien“, sagt Müller-Tidow. Um vielversprechende Ansätze wie diesen schneller in die klinische Praxis zu überführen, treibt Müller-Tidow ge- meinsam mit Stammzellexperten vom Deutschen Krebsfor- schungszentrum, dem European Molecular Biology Labo- ratory (EMBL) und der Universität Heidelberg derzeit die Heidelberger Initiative iBLOOD voran. „Wir möchten mit diesem Netzwerk die klinische Translation von Erkennt- nissen der Hämatopoese- und Stammzellforschung voran- treiben“, so Müller-Tidow. Der Hämatologe ist überzeugt: „Wir versammeln hier die geballte Expertise und die Res- sourcen, um klinische Studien durchzuführen, die unser Forschungsfeld in Zukunft prägen werden.“ Für eine verbesserte Krebstherapie arbeitet Müller-Tidows Team ebenfalls an einem Ansatz auf der Basis genom-edi- tierter Blutstamm- und Vorläuferzellen. „Wir verändern die HSCs genetisch so, dass fortan der Oberflächenmarker CD33 ausgeschaltet ist“, erklärt Tidow. „Damit erzeugen wir einen Stammzellschutz vor zukünftigen Tumortherapi- en.“ Der Clou: Auf den Leukämiestammzellen ist der Mar- ker CD33 weiterhin vorhanden. Sie lassen sich nun mithilfe Neue Technologien, Tiermodelle und Therapiekonzepte – sie helfen den Forschenden, das Blutzell-Universum zu er- gründen und das faszinierende regenerative Potenzial der Blutstammzellen weiter zu erschließen. HÄMATOPOESE UND BLUTERKRANKUNGEN Text: Philipp Graf Jahresmagazin des GSCN 2021/22 39

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Hämatopoetische Vorläuferzellen aus dem Knochenmark, die Lifeact exprimieren, um die Dynamik des Zytoskeletts und der Membranen zu untersuchen.

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Moderne Bioprozesstechniken Frisches Blut aus dem Labor Blutzellen im Labor herstellen und damit einen unerschöpf- lichen Vorrat an Blutersatzprodukten erzeugen, davon träumen Stammzellforschende schon lange. Dank neuer Zelltechnologien und moderner Bioprozesstechnik ist stammzellen aus dem körpereigenen Gewebe eines Pati- enten oder anderem gesunden Gewebe herstellen, wären Transplantatempfänger nicht länger auf einen passenden das Ziel in greifbare Nähe gerückt. Insbesondere zellbasierte Immuntherapien sind als klinische Anwendung für die biotechnisch erzeugten Blutzellen ins Visier der Arzneimittelent- wickler gerückt. Der Wunsch, Blutstammzellen im Labor zu erzeugen zieht sich wie ein roter Faden durch die Karriere von George Daley. Der bekannte US-Stammzellforscher leitet ein Labor am Boston Children‘s Hospital und ist zudem Dekan der Har- vard Medical School. Als er in den späten 1980er Jahren die genetischen Ursachen der chronischen myeloischen Leukämie (CML) erforschte, begann Daley sich für die Knochenmarktransplantation zu interessieren – seinerzeit die einzige Therapie mit Aussicht auf Heilung. „Die zentrale Hürde für eine Transplantation war die immungenetische Spenderauswahl – und nur bei einer Minderheit der Patienten passten die Gewebemerkmale Spender angewiesen. MODERNE BIOPROZESSTECHNIKEN Allein in Deutschland wurden im Jahr 2020 rund 3,2 Millionen Beutel mit Konzentraten von roten Blutkörperchen, den Erythro- George Daley zyten, gebraucht. Es sind vor allem Krebspa- tienten, die heute auf das gespendete Blut ange- wiesen sind. Auch Menschen, die durch einen Unfall oder bei einer Operation große Mengen Blut verlieren, brauchen die Transfusionen, um die Sauerstoff-Versorgung im Körper zu sichern. des Spenders gut“, sagt Daley. Doch das Lebenselixier aus dem Kunststoffbeutel ist ein knappes Gut. Weil die Menschen in Industrienationen im- mer älter werden, steigt auch die Zahl der Operationen und damit der Bedarf an Blutkonserven. Und in Kriegen, bei Terroranschlägen oder nach Naturkatastrophen brau- chen besonders viele Patienten gleichzeitig Blutkonserven. Auch in der Corona-Pandemie kommt es immer wieder zu Engpässen in den Blutbanken. Nur etwa drei Prozent der Deutschen spenden allerdings regelmäßig Blut. In zwei Schritten zur Blutstammzelle Transfusionsmediziner träumen deshalb seit Jahrzehnten von einem künstlichen Blutersatz, der einfach zu handha- ben ist und als robuste Massenware zur Verfügung steht. Dank moderner Zelltechnologien und raffinierter Biopro- zesstechnik gelingt es mittlerweile immer besser, Blutzel- len im Labor heranzuzüchten. Mittels Zellreprogrammie- rung lassen sich aus Körperzellen induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) herstellen. Aus ihnen lassen sich mit dem richtigen Rezept nahezu alle Blutzelltypen erzeu- gen. Doch wie und wann werden daraus innovative Thera- pien? „Ich fing an mir auszumalen, wie die Wissenschaft mithilfe embryonaler Stammzellen den ‚Perfect Match‘ entwickeln könnte. Seitdem streben wir danach, HSCs zu erzeugen – damit jeder Patient eine Chance auf ein Transplantat und damit auf Heilung bekommt.“ Als Shinya Yamanaka etwa 20 Jahre später die bahnbrechende Zellreprogrammierung vorstellte, zählte Daleys Arbeitsgruppe zu den ersten, die iPS-Zellen aus humanen Zellen sowie patientenspezifische iPS-Zellen erzeugte. Im Jahr 2017 kam das Daleys Team dann dem großen Ziel so nah wie nie, menschliche Blutstammzellen im Labor he- ranzuzüchten. In einem Artikel im Fachjournal „Nature“ stellten die Forschenden ihr mehrstufiges Pro- tokoll vor: In einem ersten Schritt brach- ten sie iPS-Zellen mit Signalstoffen dazu, sich in ein frühembryonales Gewebe zu differenzieren, das hämogene Endothelium. In ei- Maßgeschneiderte Transplante aus dem Labor nem zweiten Schritt schleus- te das Team die Baupläne für fünf Transkriptions- faktoren in die Zellen ein. Diese hatten sie zuvor Blutstammzellen in der Kulturschale zu erzeugen, und zwar möglichst aus patienteneigenem Gewebe, ist so etwas wie der Heilige Gral in der klinischen Hämatologie. Eine solche personalisierte Hämatopoetische Stammzelle (HSC) wäre in der Lage, das gesamte Spektrum an Blutzellen zu produzieren – von den roten Blutkörperchen und den Blut- plättchen bis hin zu allen weißen Blutzellen des Immunsys- tems. Zellen, die Betroffene mit Leukämien oder anderen Bluterkrankungen dringend benötigen. Könnte man Blut- Jahresmagazin des GSCN 2021/22 in einem Screen nach der Yamanaka-Methode entdeckt. Die Transge- ne wandelten die HSC- Vorläuferzellen in der Kulturschale in HSCs. 41 Fotos: Germán Camargo Ortega, ETH Zürich, D-BSSE / privat / Halvard Bönig, Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, Frankfurt am Main

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Molekulare Unterschiede MODERNE BIOPROZESSTECHNIKEN onstüchtiges Blut- und Immunsystem. Für die klinische Translation stellen sich andere iPS- basierte Blutzellprodukte als vielversprechender heraus. „Forschende in meinem Labor konzentrieren sich der- zeit auf die Entwicklung andere Blutzelllinien, wie rote Blutkörperchen oder T-Zellen, die im klinischen Maßstab produziert werden können“, sagt Daley. Der Stammzellfor- scher verweist auf einige führende Akteure in diesem Feld. So hat das US-Unternehmen Fate Therapeutics bereits er- folgreich iPS-basierte Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) in Patienten mit Blutkrebserkrankungen transfundiert. Das japanische Unternehmen Megakaryon hat einem Pa- tienten iPS-abgeleitete Blutplättchen verabreicht. „Es gibt also schon erste Erfolge in der klinischen Translation von Blutzelllinien, die aus pluripotenten Stammzellen gewon- nen wurden“, sagt Daley. „Ich bin zuversichtlich, dass hier noch mehr Fortschritte folgen werden.“ Vorläuferzellen aus Blutstammzellen Dann transplantierten die Forschenden die gentechnisch veränder- ten Zellen in Mäuse. Hier verhielten sich die huma- nen Zellen tatsächlich so, wie es für Blutstammzellen typisch ist: sie erneuerten sich selbst und einige Tiere entwickelten ein funkti- Erste iPS-basierte Blutzellen in der Klinik Das Genexpressionsmuster der erzeugten Zellen stimmten jedoch nicht exakt mit dem der natürlichen Pendants über- ein. „Wir haben es noch nicht geschafft, HSCs zu produzieren, die den molekularen Merkmalen von HSCs aus dem Kno- chenmark vollständig entsprechen“, betont Daley, der einst Präsident der International Society for Stem Cell Research (ISSCR) und auch eine treibende Kraft hinter den ISSCR- Richtlinien zur Stammzellforschung und Klini- Makrophagen im Labor herstellen schen Translation war. Auch in Deutschland wird unter Hochdruck daran gearbeitet, Blutzellen aus dem Bio- reaktor in die klinische Anwendung zu bringen. Einer der führenden Akteure hierzulande ist Nico Lachmann von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Der Biomediziner ist Professor in der Klinik für Pädiatrische Pneumo- logie, Allergologie und Neonatologie am „Aus funktioneller Sicht produzie- ren unsere iPS-abgeleiteten HSCs alle relevanten Blutzelllinien. Aber die Nico Transplantate nisten sich nicht so gut ein Lachmann wie frisch isolierte humane HSCs“, sagt er. „Und nur sehr selten entstehen Zellen, die sich wie HSCs verhalten.“ Daleys Team im Boston Children‘s Hospital hat in den vergan- genen Jahren intensiv an der Verfeinerung des Protokolls gearbeitet. So gelang es, die Ergebnisse des Papers von 2017 auch mit episomalen Genexpressionsvek- toren zu wiederholen. Hierbei handelt es sich um Genfäh- ren, die nicht in das Genom eingebaut werden. „Diese trans- genfreien Strategien sind jedoch sehr ineffizient“, so Daley. Sein ultimatives Ziel, Blutstammzellen in vitro zu erzeugen und in großer Menge für Anwendungen in Forschung und Therapie herzustellen, bleibt also vorerst unerreicht. Exzellenzcluster RESIST der MHH. Vor zehn Jahren begann Nico Lachmann nach seiner Doktorarbeit erfolgreich damit, ein Proto- koll zu entwickeln, mit dem sich aus iPS-Zellen Fresszellen des Immunsystems – sogenannte Makrophagen – herstel- len lassen. Mit diesem Werkzeug wollte er die pulmonale Alveolarproteinose (PAP) erforschen, bei der durch einen Gendefekt die Bildung der Makrophagen in den Atem- wegen gestört ist. „Damals hatte sich noch kaum jemand für Makrophagen interessiert. Das hat sich in den ver- REBIRTH – Forschungszentrum für translationale regenerative Medizin Von Regenerativer Biologie zu Rekonstruktiver Therapie REBIRTH wurde im Rahmen der Exzellen- zinitiative seit 2006 als Exzellenzcluster gefördert. Ziel des Forschungszentrums für translationale regenerative Medizin ist es, innovative Therapien für Blut, Herz, Leber und Lunge zu entwickeln und diese in die klinische Anwendung zu überführen. Dafür arbeiten Mediziner, Biologen, Chemiker, Physiker, Ingenieure, Juristen und Ethiker in den Forschungsschwerpunkten Stammzell- biologie, Reprogrammierung von Zellen für Zelltherapien, Krankheitsmodelle und Tissue Engineering zusammen. • Medizinische Hochschule Hannover • Leibniz Universität Hannover • Laser Zentrum Hannover • Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover • Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Beteiligte Partner Experimentelle Medizin Hannover • Friedrich-Loeffler-Institut, Institut für Nutztiergenetik Mariensee • Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig • Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin Münster REBIRTH – Forschungszentrum für translationale regenerative Medizin Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 · 30625 Hannover www.rebirth-hannover.de 42 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: George Daley, Boston, MHH Hannover

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MODERNE BIOPROZESSTECHNIKEN May-Grünwald Giemsa Färbung von iPSC-abgeleiteten humanen Makrophagen gangenen Jahren schlagartig geändert“, sagt Lachmann. Hochrangige Veröffentlichungen förderten neues Wissen über die Biologie, Vorkommen und Rolle der Makrophagen zutage. Hinzu kommt der derzeitige Boom der Zell- und Gentherapien. innerhalb der Hemanoids differenzieren. „Man kann sich das wie Schneekugeln vorstellen, die ständig Makropha- gen in den Überstand freigeben“, erläutert Lachmann. Die Zellen können dann wöchentlich über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten geerntet werden. Nicht nur in der biomedizinischen Forschung, auch in der Pharmaindustrie ist das Interesse an den im Labor gewach- senen Blutzellen aus Hannover erwacht. „Heute ist es eine glückliche Fügung, dass wir uns so früh auf Makrophagen spezialisiert haben.“ Den Prozess haben die Forschenden aus Hannover schritt- weise bis zu einem Bioreaktor-Volumen von bis zu 250 Millilitern skaliert. Derzeit sei man in der Lage, in einem Prozessvolumen von 100 Millilitern etwa 50 Millionen Makrophagen pro Woche zu produzieren, so Lachmann. Künftig wolle man die Ausbeute noch deutlich erhöhen. Vor Kurzem hat das Team die Massenproduktion im Fachjour- nal „Nature Protocols“ beschrieben. Wöchentlich wird geerntet Aufbauend auf einer einzigartigen Herstellungstechnologie hat Lachmann zusammen mit dem Team von Robert Zwei- gerdt von den Leibniz Forschungslaboratorien für Biotech- nologie und künstliche Organe (LEBAO) eine iPS-basierte Plattform entwickelt, mit der sich Makrophagen und an- dere Immunzellen massenweise in einem kontinuierlichen Herstellungsprozess erzeugen lassen. Lachmann nennt den Prozess „Immunzell-Farming“. Hierbei werden die iPS-Zel- len zunächst zu Zellaggregaten, den sogenannten Hemano- ids differenziert. Die Zugabe von zwei Botenstoffe ins Kul- turmedium genügt, damit sich die gewünschten Zelltypen Erzeugte Zellen sind schlagkräftig Fluoreszenzbild (grün, GFP) von genetisch veränderten humanen Makrophagen aus IPSC in 10-facher Vergrößerung Die iPS-basierten Makrophagen besitzen einen hohen Reinheitsgrad und sind sehr gut standardisiert. Auch ihr molekulares Profil kommt den natürlichen Vorbildern sehr nahe. Die Forschenden haben zudem beobachtet, dass die produzierten Zellen in der Kulturschale stärker auf ihre Umwelt reagieren und Pathogene effektiver attackieren als Makrophagen aus dem peripheren Blut. „Unsere Zellen ma- chen einen exzellenten Job“, betont Lachmann. Mikroskopische Aufnahme von humanen Makrophagen, welche von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) generiert wurden. Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin Humane Organmodelle und Implantate treffen auf Stammzellprozesstechnik Der Lehrstuhl Tissue Engineering & Regenerative ähnlicher Bedingungen in vitro. Darüber hinaus Medizin des Universitätsklinikums Würzburg arbeiten wir mit dem Fraunhofer Projektzentrum arbeitet eng mit dem Translationszentrum Regenerative Therapien des Fraunhofer Instituts für Silicatforschung Würzburg zusammen. Im Mittelpunkt unserer Forschung stehen humane Organmodelle, die ihre Anwendung als alternative Testsysteme zum Tierversuch finden. Basis der Modelle sind synthetische oder biologische Trägerstrukturen, die unter anderem mit iPS-abgeleiteten Zelltypen besiedelt werden. Die Kultivierung in spezifischen Bioreaktoren die Bereiche der Zellexpansion, Differenzierung und gewährleistet zudem die Simulation in vivo- Kryokonservierung zu verbessern. für Stammzellprozesstechnik zusammen, dessen Kerninstitute Fraunhofer Institut für Biomedizi- nische Technik IBMT und Fraunhofer Institut für Silicatforschung ISC ein Kompetenzzentrum im Bereich Stammzellprozesstechnik bilden. Gemeinsa- mes Ziel ist es Stammzellprozesse durch Automati- sierungslösungen in einen industriellen Maßstab zu überführen und mit Hilfe von neuartigen Materialien Lehrstuhl Tissue Engineering und Regenerative Medizin (TERM) Universitätsklinikum Würzburg Röntgenring 11 · 97070 Würzburg www.term.ukw.de Jahresmagazin des GSCN 2021/22 43 Fotos: Nico Lachmann, MHH Hannover

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MODERNE BIOPROZESSTECHNIKEN Diese Fähigkeit haben die Stammzellfor- schenden genutzt, um eine innovative Makrophagen-basierte Immunthera- pie zu entwickeln. Im Visier haben sie hierbei insbesondere bakterielle Lun- geninfektionen, die klassischerweise Meilenweit von der klinischen Praxis entfernt mit Antibiotika behandelt werden. Im Tiermodell war das schon vielverspre- chend: Verabreichten die Forschenden Mäusen mit einer bakteriellen Lungenin- fektion die Makrophagen, so besserte sich der Krankheitszustand innerhalb weniger Stunden nach Gabe der Zellen. 20 Stunden nach dem Zelltransfer waren die Krankheitssymptome nahezu verschwunden, wie Lachmanns Team unter anderem im Jahr 2018 im Fachjournal „Nature Communications“ be- richtete. Von iPS-Zellen abgeleitete HSCs oder ande- re Blut- oder Immunzellen – für Halvard Bönig sind dies Werkzeuge mit großem Wert für die biomedizinische Grundla- genforschung. Doch was die klinische An- wendung der Blutzellen aus dem Labor angeht, so bleibt der Medi- Halvard Bönig ziner vom Institut für Transfusi- onsmedizin und Immunhämatologie in Frank- furt am Main „skeptisch“. Das Forschungsinstitut wird vom DRK Blutspendedienst Baden-Württemberg Seither interessiert sich sowohl die Pharma- als auch die Diagnostik-Industrie brennend für die Makrophagen aus Hannover. Mit dem dänischen Pharmaunternehmen Novo Nordisk A/S haben Nico Lachmann und Robert Zweigerdt seit Anfang 2021 eine hochdotierte Forschungsallianz ge- schlossen. „Im Rahmen der dreijährigen Forschungskoope- ration entwickeln wir unsere Plattform gezielt weiter, da- mit es bald möglich sein wird, die Makrophagen in einer klinischen Phase-1-Studie zu erproben“, so Lachmann. Dazu zählt, einen Prozess nach den Anforderungen der guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP) für Arzneimittel zu etablieren. „Für unsere tägliche Arbeit bei Bluttransfusionen wird das auch weiterhin keine Rolle spielen“, ist sich Bönig sicher. „Die Herstellungstechnologien können derzeit mit dem echten Spenderblut einfach nicht mithalten – sowohl in Sa- chen Quantität und Qualität“, sagt Bönig. Novo Nordisk investiere mittlerweile für mehrere Indika- tionen in die klinische Translation iPS-basierte Zellersatz- therapien, sagt Lachmann. „Wir sind stolz, dass wir die Forscherpartner für Blutzellen sind“, sagt er. Strategisch visiere man ein allogenes Zellprodukt an, das Patienten per Bronchioskopie verabreicht werden kann. Denkbar sei aber auch der Einsatz eines Immunzell-Sprays. Lachmann ist überzeugt: „Wir haben das Potenzial, bei den klinischen Translation von Blutzellen aus dem Bioreaktor vorne mit- zuspielen.“ Er nennt das Beispiel rote Blutkörperchen: „In einem Blut- beutel mit Erythrozyten-Konzentrat stecken 2x 1012 Zellen, das ist eine gewaltige Menge.“ Um eine vergleichbare An- zahl Erythrozyten im Labor zu erzeugen, bedürfe es einer äußerst kostengünstigen und effizienten Massenprodukti- on von Zellen mit hohem Reinheitsgrad. „Davon sind wir meilenweit entfernt“, sagt Bönig, der auch Professor an der Goethe-Universität ist. Bei anderen Blutzellen wie etwa den Blutplättchen erschwerten HLA-Gewebemerkmale den späteren klinischen Einsatz. – Hessen getragen. Innovative Zell- und Gentherapien Als Experte für translationale Zelltherapeutika-Entwick- lung konstruiert Bönig Zellen im Labor so um, dass sie fort- an als Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) ein- gesetzt werden können. Zusammen mit Forschenden von der Universität Würzburg und vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen entwickelt er derzeit eine Technologie, mit der sich sogenannte CAR-T-Zellen im Labor wesentlich kosten- günstiger und dazu sicher herstellen lassen. CAR-T-Zellthe- Sonderforschungsbereich 873 Aufrechterhaltung und Differenzierung von Stammzellen Der Sonderforschungsbereich SFB 873 „Aufrecht- erhaltung und Differenzierung von Stammzellen” an der Universität Heidelberg zielt darauf ab, die regulatorischen Prinzipien aufzuklären, die der Balance zwischen Aufrechterhaltung, Proliferati- on und Differenzierung von Stammzellen zugrun- de liegen. Die 21 Arbeitsgruppen des SFB 873 untersuchen ein weites Spektrum von Modelsys- temen von Pflanzen bis hin zum Menschen. So sollen die Eigenschaften individueller Stammzell- systeme analysiert und ein universeller molekula- rer „Stammzellcode“ identifiziert werden. Unser Konsortium weist daher eine breite, international ausgewiesene Expertise von Entwicklungsbiologie bis hin zur mathematischen Modellierung auf. Mit unseren Ergebnissen hoffen wir, maßgeblich zu einem besseren Verständnis grundlegender Stamm- zellbiologie beizutragen und so das Fundament für anwendungsorientierte Forschung zu legen. Centre for Organismal Studies (COS) Im Neuenheimer Feld 230 · 69120 Heidelberg www.sfb873.de 44 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: privat

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rapien haben in den vergangenen Jahren die Behandlung von Blut- und Krebserkrankungen revolutioniert. Ein Weg besteht darin, patienteneigene T-Zellen mit einem künst- lichen Molekül auszustatten, dem chimeric antigen recep- tor, kurz CAR. Die Herstellung der CAR-T-Zellen erfolgt im Labor mit gentechnischen Methoden, in der üblicherweise Viren als Gentaxis eingesetzt werden. Ausgerüstet mit dem Rezeptor können die CAR-T-Zellen gezielt Krebszellen im Patienten aufspüren und sie nachhaltig bekämpfen. „In dem EU-Projekt CARAMBA haben wir zur Herstellung von CAR-T-Zellen eine virusfreie Gentransfer-Technologie ent- wickelt“, sagt Bönig. Mit den Zellen hat das Konsortium in klinischen Studien erprobt, die seltene Blutkrebserkran- kung namens Multiples Myelom zu behandeln. Andere Zelltherapeutika, die Bönig entwickelt, zählen zu den Gentherapien der neuesten Generation, die auf der Transplantation von genetisch veränderten Blutstamm- zellen basieren (vgl. Artikel zur Hämatopoeseforschung S. 35ff). So ist Bönigs Team an einem Konsortium beteiligt, das eine stammzellbasierte Gentherapie zur Heilung von HIV in die klinische Anwendung bringen will. Federführend ist das Heinrich Pette-Institut in Hamburg und das Start- up Provirex. Der Therapieansatz basiert auf Genscheren, die den Bauplan des AIDS-Erregers HIV aus dem Erbgut infizierter Zellen herausschneiden können und das Virus eliminieren. Erstmals könnte es so gelingen, das Virus zu entfernen, statt es in Schach zu halten, wie bei bisherigen Behandlungsformen üblich. „Wir entwickeln dafür nun einen GMP-kompatiblen Herstellungsprozess“, erläutert Bönig. Bluttransfusionsbeutel Blutzellen aus dem Labor – sie werden auch in Zukunft si- cher nicht das etablierte Blutspendesystem ersetzen. Doch insbesondere bei den maßgeschneiderten Immun- und Gentherapien der neuesten Generation spielen sie eine zunehmend größere Rolle für die Präzisionsmedizin der Zukunft. Text: Philipp Graf MODERNE BIOPROZESSTECHNIKEN NABEL ... WAS? FÜR EINE GESUNDE ZUKUNFT VORSORGEN Zellen aus dem Nabelschnurblut sind ein Schlüssel für medizinische Therapien der Zukunft. Sie können nur zur Geburt gesichert werden. Jetzt mehr erfahren: Jahresmagazin des GSCN 2021/22 45 www.vita34.de Foto: Halvard Bönig, Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, Frankfurt am Main

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Querschnitt durch ein ganzes Gehirnorganoid

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Neurobiologische Stammzellforschung Krankheitsmodelle von Gehirn und Geist Um Erkrankungen wie Alzheimer, Hirntumoren oder vorge- burtliche Entwicklungsstörungen zu modellieren, können Neuroforscher*innen heute auf vielfältige stammzellba- sierte Methoden zurückgreifen. Das Repertoire reicht von gezielt gezüchteten Subtypen menschlicher Neurone über zerebrale Organoide bis zu Versuchstieren mit chimärischen Gehirnzellmosaiken. Mit den avancierten Krankheitsmodel- len könnten sich ganz neue Therapieansätze finden lassen. dardisiert hergestellten Subtypen menschlicher Neurone über zweidimensionale Gewebekulturen und zerebrale Organoide bis hin zu genetisch veränderten Versuchstie- ren und chimärischen Mäusen mit gemischten, tierisch- menschlichen Gehirnzellmosaiken. Das Werden und Vergehen des mensch- lichen Geistes gehört zu den großen Rätseln der Medizin. Wenig verwun- Ana Martin-Villalba vom Deutschen Krebsforschungszen- trum in Heidelberg beispielsweise untersucht mit ihrem Team seit Jahren die Alterungs- und Regenerations- vorgänge im Gehirn von Mäusen – mit erstaun- lichen Resultaten. Ihr Augenmerk richtet die Forscherin unter anderem auf einen spezi- fischen Teil des limbischen Systems, den Hippocampus (der lateinische Name be- deutet „Seepferdchen“ und spielt auf die eigentümlich geschwungene Form des Hirngebiets an). Man Ana Martin-Villalba weiß, dass der Hippocampus für Lern- und Gedächtnisvorgänge eine herausragende Bedeutung besitzt und dass dort bei Nagetieren lebenslang neue Neurone derlich ist das Erstaunen über das Gehirn und seine Funktionen, seine embryonale Entstehung – oder altersbedingte De- generation. In den vergangenen Jahren haben Stammzellforscher jedoch viele Türen geöffnet, um Einblick in eben jene Prozesse zu nehmen, die über Gesundheit und Krankheit der neuronalen Netze bestim- men. Dadurch sind auch neue Ansätze für künf- tige Therapien in den Blick gerückt. aus noch undifferenzierten Stammzellen entstehen. NEUROBIOLOGISCHE STAMMZELLFORSCHUNG Wie wirken sich etwa Virusinfektionen oder genetische Mutationen auf die neurale Architektur beim Ungeborenen aus? Welche zellulären Veränderungen kommen bei Alte- rung, Hirntumoren oder Alzheimer ins Spiel? Besitzt das Gehirn ein Potenzial sich zu regenerieren – und kann es gezielt stimuliert werden? Neugeborene Neurone im „Seepferdchen“? Forschende verfügen mittlerweile über eine breite Palette von stammzellbasierten Methoden, um sich diesen Fragen zu nähern und dabei unterschiedlichste Krankheitsprozes- se im Labor zu modellieren. Das Repertoire reicht von stan- Wie Martin-Villalbas Team in einer Serie von Zellanalysen und Verhaltensexperimenten beobachtete, geht diese Neu- rogenese bei alternden Mäusen zwar zurück – wodurch sich gleichzeitig auch ihr räumliches Lernvermögen beispiels- weise in Testlabyrinths reduziert. Die nachlassende Erneu- erungsfähigkeit scheint damit zu tun zu haben, dass ein zentraler zellulärer Signalmechanismus (der sogenannte Wnt-Signalweg) mit zunehmendem Alter durch eine Gegen- spielersubstanz gehemmt wird. Jedoch lässt sich die Bildung Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) nichten. Gemeinsam mit der Dietmar Hopp Stiftung ist das DKFZ Gesellschafter des Heidelberger Stamm- zellinstituts HI-STEM gGmbH und richtet alle zwei Jahre das internationale Heinrich Behr-Symposium zu „Stammzellen und Krebs“ aus, das renommierte Experten aus aller Welt anzieht. Gemeinsam mit exzellenten Partnern aus der Universitätsmedizin hat das DKFZ das Deutsche Konsortium für translatio- nale Krebsforschung (DKTK) sowie die Nationalen Centren für Tumorerkrankungen (NCT) eingerichtet, wo Ergebnisse aus der Krebs- und Stammzellfor- schung in die Klinik übertragen werden. Forschen für ein Leben ohne Krebs Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, eine Einrichtung der Helmholtz- Gemeinschaft, ist die größte biomedizinische For- schungseinrichtung in Deutschland. Über 1.000 Wissenschaftler erforschen, wie Krebs entsteht, erfassen Risikofaktoren und entwickeln neue Methoden für Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen. Mehrere Arbeitsgrup- pen befassen sich mit normalen Stammzellen, Krebsstammzellen oder der Stammzellnische. Ziel ist es, die Ausgangszellen von Tumoren und Metastasen zu identifizieren und gezielt zu ver- Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 280 · 69120 Heidelberg www.dkfz.de Jahresmagazin des GSCN 2021/22 47 Fotos: IMBAKnoblich Lab, Wien / GSCN / Grafik: Oliver Brüstle, Uni Bonn

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NEUROBIOLOGISCHE STAMMZELLFORSCHUNG von „neugeborenen“ Nervenzellen im Hip- pocampus ebenso wiederherstellen, wenn dieser antagonistische Einfluss durch eine genetische Veränderung bei den Tieren ausgeschaltet wird. Tatsächlich schnit- ten entsprechende Mäuse-Mutanten bei Gedächtnistests noch im Alter ebenso gut wie Jungtiere ab. „Ganz offensichtlich hängt die Neu- rogenese im Hippocampus eng mit der Lernfähigkeit der Tiere zusammen“, sagt Martin-Villalba. „Die Frage ist natürlich: Was lässt sich daraus für Alterungsprozesse beim Menschen oder für Erkrankun- gen wie Alzheimer lernen?“ Wäre es zum Beispiel möglich, Stammzellen im Gehirn zu aktivieren, um den Abbau ko- gnitiver Fähigkeiten aufzuhalten? Freilich berühren diese Fragen eine lange be- stehende Kontroverse: In welchem Maße sich beim erwachsenen Menschen überhaupt noch neue Nervenzellen bilden – und ob dies für die Funk- tion des Gehirns irgendeine Bedeutung besitzt. Unstrittig ist, dass sich ausgereifte Neurone nicht mehr teilen und selbst erneuern können, Fachleute sprechen auch von post- mitotischen Zellen. Allerdings scheint es zumindest um- schriebene Bereiche zu geben, etwa im Hippocampus oder in der sogenannten subventrikulären Zone, die als „neuro- gene Nischen“ einen gewissen Nachschub an Nervenzellen produzieren und damit zur dynamischen Veränderlichkeit – der Plastizität – des Gehirns beitragen könnten. Während manche Forscher jedoch glauben würden, dass die Stamm- zellaktivität spätestens bei Teenagern versiegt, seien ande- re überzeugt, dass sich die Neurogenese – wie bei Mäusen – ins weitere Leben fortsetzt, schildert Martin-Villalba die widerstreitenden Positionen. Eine vielbeachtete, 2019 veröffentlichte Studie ihrer Kolle- gin María Llorens-Martín von der Universidad Autónoma in Madrid hat mittlerweile neues Licht auf das Phänomen geworfen. Das Madrider Team untersuchte mit speziellen Immun-Färbemethoden das Gewebe aus dem Hippocam- pus von fast 60 verstorbenen Menschen zwischen 43 und 97 Jahren, um eventuell noch unreife, sich neu entwickeln- de Hirnzellen anhand spezifischer Oberflächenmarker zu entdecken. Manche der Personen waren vor ihrem Tod neurologisch gesund, andere dagegen von der Alzheimer- Krankheit betroffen. Schematische Darstellung der direkten Gewinnung von induzierten neuralen Stammzellen und Neuronen (iNSC) aus peripheren Blutzellen. Die Fluoreszenzfärbungen markieren für die einzelnen Zelltypen typische Proteine. Bild des menschlichen Gyrus dentatus mit unreifen (rot) und reifen (blau) Neuronen in der Körnerzellenschicht des Hippocampus 48 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: María Moreno-Jiménez, LlorensLab, Madrid/ Grafik: Oliver Brüstle, Uni Bonn

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Bemerkenswert genug: Bei Gesunden konnten die For- scher bis ins allerhöchste Alter noch Tausende neu entste- hender Neurone im Hippocampus identifizieren – während die Nervenzell-Neubildung bei den Alzheimer-Patienten im Zuge der Erkran- Fehlentwicklungen des Gehirns – beobachtet im Labor „Ist die Alzheimer-Krankheit eine Stö- rung der Neurogenese?“, spitzten die Harvard-Neurologen Se Hoon Choi und Rudolph Tanzi in einer Besprechung der Madrider Studie die eigentliche Grundfrage zu. Tatsächlich legen Befunde verschiedenster Teams heute nahe, dass sich bei unterschiedlichen neurodegenerati- ven Erkrankungen die Balance und Dynamik der Stammzellpopulationen im Gehirn verändert. Nach einer Hypothese,dieauchMartin-VillalbamitihrenForschungen verfolgt, hängt das Nachlassen der Neurogenese dabei stark von altersbedingten Entzündungsprozessen und veränder- ten Botenstoff-Signalen in den Stammzellnischen ab. Die- se „Neuroinflammation“ könnte sich beispielsweise durch Bewegung und Sport, aber auch durch pharmakologische Substanzen positiv beeinflussen lassen – was Krankheits- prozessen vorbeugen würde. neurobiologische Forschung hindurch. NEUROBIOLOGISCHE STAMMZELLFORSCHUNG kung immer mehr nachließ. Die Krux: Viele dieser faszinierenden Zusam- menhänge sind durch Maus-Modelle expe- rimentell belegt – aber deshalb noch nicht unbedingt auf den Menschen übertrag- bar. Das Problem betrifft keineswegs nur die neurodegenerativen Erkran- Jürgen Knoblich kungen, sondern zieht sich durch die „Manche Prozesse laufen im Gehirn der Maus einfach anders ab als beim Men- schen“, sagt Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Beispielsweise entstünden während der menschlichen Embryonalent- wicklung im Schnitt alle vier Stunden genauso viele Neu- rone, wie sie das Mausgehirn insgesamt besitzt, verdeut- licht Knoblich. Bei Mäusen fehlt die typische Faltung der Großhirnrinde. Zudem stellen sich zahlreiche genetische Zusammenhänge anders dar. Für manche der bekannten Risiko-Gene, etwa bei Alzheimer, finden sich nicht einmal Entsprechungen bei der Maus. Your Partner for Stem Cell Research Jahresmagazin des GSCN 2021/22 49 Foto: IMBA, Wien

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NEUROBIOLOGISCHE STAMMZELLFORSCHUNG Knoblich selbst und sein Team nutzen als Modellsysteme humane Hirnor- ganoide – wenige Millimeter große dreidimensionale Gewebekulturen, die aus menschlichen Stammzel- len gezüchtet werden. „Es ist nicht so, dass Organoide als Modelle per se besser sind als eine Maus – aber wir können damit andere Fragestel- lungen bearbeiten“, stellt Knoblich klar. Mit den 3D-Geweben lässt sich beispielsweise bis zu einem gewissen Grad in der Petrischale imitieren, wie Hirnstrukturen beim menschlichen Em- bryo entstehen oder Nervenzellen von ei- nem Bereich in einen anderen wandern. Ge- rade um zerebrale Entwicklungsstörungen zu erforschen, scheinen Organoide wie geschaffen. In einer Studie aus dem Jahr 2020 untersuchte das Team zum Beispiel die Entstehungsmechanismen der Tu- berösen Sklerose, einer seltenen Erbkrankheit, die zu ange- borenen Fehlbildungen in der Hirnrinde, mitunter auch zu Hirntumoren führt. Dazu züchteten die Forscher aus repro- grammierten Stammzellen betroffener Patienten zerebrale Organoide: Nach einigen Monaten in der Kulturschale, ent- sprechend der Zeit um die Schwangerschaftsmitte, ließen sich tatsächlich krankheitstypische Fehlentwicklungen feststellen. Offenbar spielen zuvor unbekannte neuronale Vorläuferzellen eine Schlüsselrolle für den Krankheitspro- zess, der – anders als im Maus-Modell – bereits dann an- gestoßen wird, wenn nur eine von zwei im Chromosomen- satz vorhandenen Kopien eines wichtigen Regulator-Gens defekt ist. „Damit sind die Forschungsmöglichkeiten noch keineswegs erschöpft“, kommentiert Knoblich, dem eine Art Liste von Krankheitsprozessen vorschwebt, die sich mit den Hirnor- ganoiden gezielter und naturgetreuer als mit anderen Me- thoden untersuchen lassen. Beispielsweise hatte Knoblichs Kollege Jay Gopalakrishnan von der Universität Düssel- dorf bereits vor einigen Jahren die Effekte von Zikavirus- Infektionen anhand der 3D-Gewebe modelliert. Die Viren können bei Ungeborenen zur Fehlbildung des Gehirns, ei- ner sogenannten Mikrozephalie, führen. Ebenso gelang es Gopalakrishnans Team vor kurzem, die Entstehung der Au- genanlagen, die sich beim Embryo aus dem Zwischenhirn entwickeln, an zerebralen Organoiden teilweise nachzu- vollziehen. Da sich selbst elektrische Erregungsmuster in den neuralen Modellgeweben ableiten lassen, könnten sie zudem ganz neue Einsichten in die Krankheitsmechanis- men bei Epilepsien eröffnen. 50 Stammzellforschung und Erkrankungen III Selbst das Wachstum von Tumoren ließ sich in den Orga- noiden verfolgen – und mit einem bestimmten Wirkstoff zudem unterdrücken. Die aus der Krebsmedizin bekannte Substanz (Afatinib), die in den Zellzyklus eingreift, soll nun auch klinisch als Alternative zur bisherigen Standardthera- pie getestet werden. 90 Tage alte neuronale Stammzellen in einem Organoid. Aus den länglichen, strahlenförmigen neuronalen Stammzellen entstehen mit der Zeit Neuronen. Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) Innovative Lösungen für die Stammzellforschung und -produktion Als produktionstechnisches Forschungsinstitut thematisieren wir neben Produktionsprozessen und messtechnischen Systemen auch die Pro- zessautomatisierung und das Qualitätsmanage- ment. Durch die interdisziplinäre Zusammenar- beit mit Partnern aus Forschung und Industrie eröffnen sich Anwendungsbereiche in der Herstellung strukturierter Zellaussaatflächen zur gezielten mechanotransduktiven Induk- tion der Differenzierung bis zur Entwicklung vollautomatisierter Plattformen für die adaptive Stammzellproduktion. Aufgrund unserer langjährigen Projekterfahrung in der Konzeptionierung, dem Bau und der Vernetzung automatisierter Zellproduktionsplattformen freuen wir uns darauf, Ihnen unsere Kompetenz in unse- rem Laborautomatisierungsaudit nahezubringen. Wir unterstützen Sie gerne in Ihrem Automatisie- rungsvorhaben – sowohl in der Konzeptionierungs- phase als auch bei technischen Fragestellungen in der Geräteauslegung oder Implementierung eines Gesamtsystems. Für innovative und speziell zuge- schnittene Lösungen zu Ihren Ideen stehen wir als Ansprechpartner bereit! Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT Steinbachstraße 17 · 52074 Aachen www.ipt.fraunhofer.de/LSE Fotos: IMBA, Knoblich Lab, Wien

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Ein junges zerebrales Organoid (Bild mit ca. 2,5 mm), das für FOXG1 (rot) und TUJ1 (grün) angefärbt wurde, wobei FOXG1 das Vorderhirn und die TUJ1-Neuronen, die an der Außenseite der neu- ronalen Rosetten entstehen, kennzeichnet. Die gesamte Rosette auf der linken Seite hat einen Durchmesser von fast 0,9 mm. Eben diesem Umstand könnte ein noch junger Ansatz Rech- nung tragen: die Krankheitsmodellierung mit chimärischen Mäusen. Ein Pionier in dem Feld ist der belgische Neuro- forscher Bart De Strooper von der Katholischen Universität Löwen, der mit seinem Team erstmals vor einigen Jahren aus Stammzellen gewonnene menschliche Kortex-Neurone in das Hirn von Alzheimer-Mäusen verpflanzte. Die Idee dabei liegt auf der Hand: Während die transplantierten Zellen durch ihr menschliches Genom viele humanspezifi- schen Aspekte des Krankheitsprozesses spiegeln können, liefert das lebende Tiermodell den Gesamtzusammenhang des Gehirns. Maus-Mensch-Chimären als Alzheimer-Modell NEUROBIOLOGISCHE STAMMZELLFORSCHUNG Gleichwohl taugen Organoide als Modell nicht für alles und jedes. „Ein Hirnorganoid ist kein Gehirn“, unterstreicht Knoblich. Ganz abgesehen von ihrer geringen Größe besit- zen die bisherigen zerebralen Gewebekulturen etwa keine Blutgefäße und enthalten deutlich weniger Zelltypen als das ausgereifte Nervensystem. Tatsächlich gehen heute vie- le Fachleute davon aus, dass gerade für komplexe Erkran- kungen wie Alzheimer das Zusammenspiel unterschiedli- cher Zellpopulationen, Signal- und Stoffwechselprozesse im Gehirn entscheidend ist. PICK THE RIGHT TOOLS FOR YOUR STEM CELL 2D/3D RESEARCH Discover now more than competence for your stem cell research. PELOBiotech offers all relevant Stemgent and ReproCell products. Broad portfolio of Stem Cells, ES/iPS Cells, MSCs, HSCs, NSCs&more. Also specific Coating&ECMs, Reprogramming, Recombinant Proteins, Small Molecules&Antibodies. • ES/iPS Cells&Media • Adult Stem Cells&Media • Customized Cells&Media • Xeno-, Serum-free&Defined Stem Cell Culture Media • • • • Cold-& Cryo-Preservation Stem Cell Media&Tools Pure&Enriched Enzymes R&D Quality, also GMP quality broadest Portfolio of human Platelet Lysate, Fibronectin, A/AB-Serum www.pelobiotech.com ORDER via Email: [email protected] or FAX: + 49 (0)89 517 286 59-88 Jahresmagazin des GSCN 2021/422 More than Competence Cells 51

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NEUROBIOLOGISCHE STAMMZELLFORSCHUNG Die StemCellFactory – Anlage für die automatisierte Zellreprogrammierung Mittlerweile haben De Strooper und Kollegen weitere Maus-Mensch-Chimären geschaffen und dabei auch nicht- neuronale Gehirnzellen (sogenannte Astrozyten und Mi- kroglia-Zellen) verpflanzt, die bekanntermaßen eine bedeutende Rolle bei der Alzheimer-Krankheit spie- Das Schicksal von neuralen Zellen lenken len. In allen Fällen zeigte sich, dass die humanen Zellen in das Mausgehirn integriert werden, je- doch anders und teilweise empfindlicher auf den Erkrankungsprozess reagieren als die tierischen Hirnzellen selbst. Er selbst und sein Team haben in den vergangenen Jahren insbe- sondere Technologien weiter- entwickelt, mit denen sich aus pluripotenten mensch- lichen Stammzellen die unterschiedlichsten Hirn- zelltypen erzeugen lassen. „Heute können wir zelluläre Reifungsprozesse gezielt in verschiedene Bahnen lenken“, sagt Brüstle. Zunehmend nutzen die Forscher hierzu die Programmie- rung von Zellen mithilfe von Transkripti- onsfaktoren – einer großen Familie von Proteinen, die die Genaktivität und Zelldifferenzierung steuern. Damit lassen sich pluripotente Stammzellen beispielsweise zu „Der Ansatz bietet enorme Vorteile für Krankheitsmodellierung“, bekräftigt Oliver Brüstle vom Institut für Rekonstruktive Neurobiolo- gie am Uniklinikum Bonn. Ein grundsätzliches Ziel beste- he darin, Erkrankungsvorgänge und zelluläre Prozesse so authentisch wie möglich in den experimentellen Modellen abzubilden. „Letztlich möchten wir die humanen Zellen und ihre Interaktionen im komplexen Zusammenhang ei- nes erkrankten Gehirns erforschen“, sagt Brüstle. die Oliver Brüstle Hirnrinden- oder Schmerzneuronen weiterentwickeln. Institut für Rekonstruktive Neurobiologie Von der Krankheitsforschung zur Therapie Das an der Medizinischen Fakultät der Univer- neue Zelltherapieansätze. Es interagiert dabei eng sität Bonn angesiedelte Institut fokussiert auf mit der LIFE & BRAIN GmbH, ein universitätsnahes die Nutzung pluripotenter Stammzellen für die Translationsunternehmen in Bonn, das stammzell- Erforschung und Behandlung neurologischer Er- basierte Produkte und Dienstleistungen für Pharma, krankungen. Das eingesetzte Methodenspektrum Biotech und akademische Institutionen anbietet. reicht von der Zellreprogrammierung über Verfah- ren zur neuralen Differenzierung und direkten Zellumwandlung bis hin zur Industrialisierung von Stammzellapplikationen und zur Neuro- transplantation. Darauf aufbauend entwickelt das Institut stammzellbasierte Modelle für Krank- heitsforschung und Wirkstoffentwicklung sowie Institut für Rekonstruktive Neurobiologie LIFE & BRAIN Center Universitätsklinikum Bonn Venusberg-Campus 1, Geb. 76 · 53127 Bonn www.stemcells.uni-bonn.de 52 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: Oliver Brüstle, Uni Bonn / privat

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Darüber hinaus können aber etwa auch Blut- oder Bin- degewebszellen in neurale Zelltypen umgewandelt wer- den – eine als Transdifferenzierung bezeichnete Methode. Häufig gehen Stammzellforscher so vor, dass sie bestimmte Körperzellen zunächst in einen undifferenzierten Stamm- zellzustand zurückversetzen, um aus diesen induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) verschiedenste Zelllinien zu züchten. Bei der Transdifferenzierung entfällt jedoch dieser Umweg, und die Zellidentität wird direkt durch geeignete Transkriptionsfaktoren verändert. patentierten Verfahren die Immunzellen des Nervensys- tems – die Mikroglia-Zellen – massenhaft herstellen. Ihr Verhalten kann in der Zellkultur modelliert werden, um etwa Entzündungsprozesse bei neurodegenerativen Er- krankungen besser zu erforschen. Darüber hinaus hat das von Brüstle mitgegründete Bonner Translationsunter- nehmen LIFE & BRAIN eine vollautomatisierte Produk- tionsplattform, eine Art „Stammzellfabrik“, etabliert, um spezifische Stammzelllinien in großer Zahl standardisiert zu gewinnen. Die Idee ist, dass dadurch umfangreiche Gen- analysen oder serielle Medikamententests einfacher und reproduzierbarer werden. Die Ergebnisse ließen sich dann mit komplexeren Krankheitsmodellen, wie den Hirnorga- noiden oder Maus-Modellen, abgleichen. Dadurch könnten etwa patientenspezifische Zellen aus ei- ner Blutprobe zügig in neurale Vorläuferzellen überführt und für individualisierte Krankheitsmodellierungen ge- nutzt werden, schildert Brüstle. Bemerkenswert ist, dass die Zellen im Zuge der Umprogrammierung einen Verjün- gungsprozess durchlaufen. „Womöglich eignen sie sich zu- künftig sogar für regenerative Zellersatztherapien“, speku- liert Brüstle. Insgesamt, so Brüstle, seien die Möglichkeiten der stamm- zellbasierten Neuroforschung erstaunlich gewachsen – deutlich mehr, als dies noch vor zehn Jahren absehbar war. Fraglos mutet das Rätsel des menschlichen Gehirns und seiner Erkrankungen immer noch an wie ein unfertiges Puzzle. Doch die Lücken im Verstehen sind beträchtlich kleiner geworden. Unterdessen verwendet sein Team bereits viele der fortge- schrittenen Technologien für eine gezielte Serienprodukti- on neuraler Zellen. So lassen sich mit einem mittlerweile Text: Martin Lindner NEUROBIOLOGISCHE STAMMZELLFORSCHUNG DEVELOPING CELL & GENE THERAPIES IS SCIENCE. ORCHESTRATING RAPID SCALE-UP IS ART. Successful cell & gene therapies are built on innovative cellular science, viral technologies and the art of orchestrating fast and scalable manufacturing processes. Catalent’s proven expertise across multiple cell and viral modalities, development technologies and accelerated scale-up to commercial supply, help turn your science into approved treatments. autologous | allogeneic | viral vectors | advanced vaccines | oncolytic viruses Jahresmagazin des GSCN 2021/22 US + 1 888 SOLUTION (765-8846) EUR 00800 8855 6178 biologics.catalent.com/cellandgene © 2021 Catalent, Inc. All rights reserved. WHERE SCIENCE MEETS ART. 53 Foto: XYZ

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Lysosomen (magenta) und Mikrotubuli (grün) in hämatopoetischen Vorläuferzellen des Knochenmarks

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Zellersatztherapie bei Parkinson Hoffnung auf den Booster fürs Gehirn Bisher wird die Parkinson-Krankheit vor allem mit Medi- kamenten behandelt, die den Dopaminspiegel im Gehirn erhöhen. Allerdings lässt ihre Wirkung im Laufe der Zeit oft nach, oder es treten überschießende Bewegungen – soge- nannte Dyskinesien – sowie psychische Nebenwirkungen durch ungewollte Effekte in anderen Hirnbereichen auf. Manchen Patienten kann auch mit einem Hirnschrittma- cher, einer tiefen Hirnstimulation, geholfen werden, doch hat die Methode ebenfalls ihr Für und Wider. Die Parkinson-Krankheit geht mit einem Verlust speziali- sierter Neurone im Hirnstamm einher. Die Dopamin-pro- duzierenden Zellen lassen sich heute jedoch in großem Stil nachzüchten – und gezielt ins Gehirn transplantieren. Erste klinische Versuche laufen bereits. Einige Stunden in Narkose, ein dünnes Bohrloch durch den Schädel, Hunderttausende verpflanzter menschli- cher Neurone: Für die Handvoll Frauen und Männer, die sich dieser Behandlung unterziehen, liegt darin ein Ver- sprechen auf Linderung ihrer Krankheit, vielleicht gepaart mit vorsichtigem Optimismus oder einfach nüchternem Abwarten. Es handelt sich um einen der ersten klinischen Versuche, um gezüchtete Gehirnzellen bei Patienten mit Parkinson auf die Probe zu stellen. Unter MRT-Kontrolle in den Nervenkern „Möglicherweise stehen wir am Anfang einer neuen Ära – zumindest hoffen wir das“, sagt Lorenz Studer, Neurobio- loge und Stammzellforscher am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York. Studer ist einer der Initiatoren der Studie und zählt zu den Pionieren der stammzellba- sierten Parkinson-Therapie. Die von ihm mitgegründete amerikanisch-kanadische Firma BlueRock Therapeutics – mittlerweile Teil der Bayer AG und Sponsor der laufen- den Versuche – treibt seit einigen Jahren die Entwicklung von Zelltherapien voran. Die Parkinson-Krankheit ist dabei ein fortgeschrittenes Feld. Rund zehn Milliarden Neurone, die aus embryonalen Stammzellen kultiviert wurden, habe das Unternehmen bereits vorproduziert, berichtet Studer. Tiefgefroren warten sie auf eine mögliche zukünftige Ver- wendung. „Wenn sich der Ansatz als sicher und erfolgreich erweist, ließe er sich schnell auf eine größere Zahl von Pa- tienten ausweiten“, sagt Studer. Die kühn anmutende Idee, neue Dopamin-Neurone ins Gehirn zu transplantieren, liegt daher prinzipiell auf der Hand. Im Mai vergangenen Jahres übertrug Studers Kol- legin, die New Yorker Neurochirurgin Viviane Tabar, dem ersten Studienpatienten rund eine Million der speziali- sierten Nervenzellen in jede Hirnhemisphäre. Mittlerweile haben weitere Teilnehmer ein Zelltransplantat erhalten, insgesamt sollen zwölf Patienten zwischen 50 und 76 Jah- ren in den USA und Kanada behandelt werden. Die chirur- gischen Teams nutzen dabei eine feine Kanüle, die unter MRT-Kontrolle direkt in einen Teil des Corpus striatum (das sogenannte Putamen) vorgeschoben wird, um die Zel- len exakt zu platzieren. „In erster Linie geht es bei unserer Studie darum, die Si- cherheit und Verträglichkeit der Behandlung zu belegen“, stellt Studer klar. Daneben wollen die Forscher untersu- chen, ob sich die motorischen Störungen bei den Patienten mildern – und welche Dosis an Zellen die geeignetste sein könnte. So erhalten Teilnehmende im späteren Teil der Studie ZELLERSATZTHERAPIE BEI PARKINSON Einige Hunderttausend Menschen sind allein in Deutsch- land von der Parkinson-Krankheit betroffen, die zu den bekanntesten neurodegenerativen Leiden gehört. Der Krankheitsprozess beginnt oft im siebten Lebensjahrzehnt und schreitet über Jahre fort. Die Muskeln werden steif, die Bewegungen spärlich und langsam, der Gang unsicher. Ty- pisch ist zudem ein rhythmisches Zittern – daher der alte Name „Schüttellähmung“. statt einer knapp drei Millionen Hirn- zellen pro He- misphäre. Zur Analyse der transplantierten Stammzellen werden Schnitte von Rattengehirnen bearbeitet. Der eigentliche Grund für die Bewegungsstörungen liegt im Verlust von hochspezialisierten Neuronen im Hirnstamm. Jeder Mensch hat lediglich etwa 500.000 von ihnen. Sie bil- den den Botenstoff Dopamin und setzen ihn an Millionen von synaptischen Verschaltungen in einem besonderen Kerngebiet des Großhirns – dem Corpus striatum – frei. Diese neuronale Informationsübertragung ist für flüssige motorische Abläufe unabdingbar, und wenn mehr als 50 bis 80 Prozent der Dopamin-produzierenden Zellen durch degenerative Vorgänge absterben, friert die Bewegungsfä- higkeit förmlich ein. Jahresmagazin des GSCN 2021/22 55 Fotoa: Germán Camargo Ortega, ETH Zürich, D-BSSE / Malin Parmar, Lund

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ZELLERSATZTHERAPIE BEI PARKINSON Zellquellen, die für die klinische Zellersatztherapie bei der Parkinson-Krankheit erprobt werden. a) Transplantierbare dopaminerge (DAerge) Vorläuferzellen, die aus dem fötalen ventralen Mesencephalon isoliert wurden, wurden erstmals in den 1980er Jahren getestet und werden auch in der laufenden TRANSEURO-Studie verwendet. b) DAerge Vorläuferzellen mit gleicher Funktionalität und Potenz können aus humanen embryonalen Stammzellen (fESCs) isoliert werden, die aus der inneren Zellmasse der Präimplantationsblastozyste gewonnen werden. c) Somatische Zellen, in der Regel Hautbiopsie- oder Blutzellen (iPSCs), „Konkret handelt es sich bei den Zellen um direkte Vorläu- fer der Dopamin-produzierenden Neurone, wie sie auch in der Schwangerschaft beim Embryo entstehen“, be- schreibt Studer. „Sie sind noch entwicklungsfä- die eine ähnliche Fähigkeit wie hESCs haben, transplantierbare DAerge Vorläuferzellen zu bilden. hig, aber bereits spezifiziert – gerade in dem Stadium, sich in funktionale Dopamin- Neurone umzuwandeln.“ Die Hoffnung ist, dass die übertragenen Zellen im Pu- tamen Fuß fassen und dort ausreifen, Parmar und ihr Team stehen selbst kurz davor, zusammen mit Forschern aus Cambridge eine klinische Studie mit acht Patienten zu star- ten und ihnen neuronale, aus embryonalen Stammzellen gezüchtete Vorläuferzel- len in das Putamen zu übertragen. „Wir warten auf grünes Licht von den Regu- lierungsbehörden“, sagt Parmar. Bei der Versuchsreihe handle es sich, anders als im Fall der BlueRock-Studie von Studer und Kollegen, um ein akademisches Forschungs- projekt. Allerdings gebe es bereits eine Koope- ration mit der dänischen Pharmafirma Novo Nordisk, um die Stammzelltherapie für den globalen Markt weiter- zuentwickeln. In Deutschland sind solche Bestrebungen dagegen deutlich eingeschränkt, da das hiesige Stammzell- gesetz lediglich erlaubt, embryonale Stammzelllinien unter bestimmten Bedingungen zu Forschungszwecken zu ver- wenden, nicht aber für kommerziell verfügbare Therapien. Malin Parmar zurück.“ Genau deshalb bietet sich die Parkinson-Krankheit als Kandidat für den Zellersatz geradezu an. um direkt an Ort und Stelle neuen Botenstoff zu bilden. Mindestens hunderttausend, so schätzt man, müs- sen überleben, um einen merklichen kli- nischen Effekt zu produzieren. Dies wäre in der Tat ein Dopamin-Booster für das erkrank- te Gehirn. „Was die Zelltherapie angeht, ist Parkinson in gewisser Weise eine einfache Krankheit“, kommentiert Malin Par- mar, Stammzellforscherin an der schwedischen Universi- tät Lund. „Denn die motorischen Störungen gehen auf ei- nen kleinen Hirnbereich und eine definierte Zellpopulation Bayerischer Forschungsverbund ForInter in rechtlichen und ethischen Aspekten der Gentechnik ein Fundament für eine anwendungsorientierte Forschung des menschlichen Gehirns legen. ForInter´s neuartige Plattform der Funktionsanalyse des Gehirns soll langfristig zu Interventions- strategien und Therapien von Erkrankungen des Nervensystems beitragen. Interaktion von humanen Gehirnzellen Der interdisziplinäre, bayernweit einmalige Forschungsverbund ForInter untersucht die komplexen zell- und molekularbiologischen Interaktionen verschiedener Zelltypen des menschlichen Gehirns in multidimensionalen hochinnovativen Zellkultursystemen. Unter der Federführung der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg wollen Wissenschaftler/innen mit grundlagenbiologischer und translationaler Expertise in der Neurobiologie, Neurologie, Neuropathologie, Bioinformatik sowie Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Gefördert durch: Bayerischer Forschungsverbund ForInter Universitätsklinikum Erlangen Stammzellbiologische Abteilung Glückstr. 6 · 91054 Erlangen www.forinter.de 56 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: Kennet Ruona; Grafiken: GSCN

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Vorteile von PSCs gegenüber fötalem ventralem Mesencephalon- Gewebe als Zellquelle für die Transplantation. a) Fötale Zellen können aus dem sich entwickelnden ventralen Mesencephalon isoliert und direkt in das Gehirn von Patienten mit Parkinson- Krankheit transplantiert werden. b) Die Verwendung pluripotenter Stammzellen (PSCs) wird derzeit als therapeutischer Ansatz entwickelt, der eine Herstellung und Kyrokonservierung in großem Maßstab und eine robuste Qualitätskontrolle (QC) ermöglicht. Der Prozess dauert nur 16 Tage und führt zu Hunderten von Patientendosen, die kryokonserviert werden können, was umfangreiche In-vitro- und In-vivo-Tests auf Sicherheit und Wirksamkeit vor der klinischen Transplantation ermöglicht. Unterdessen haben auch in einer japanischen Pilotstudie, die bereits 2018 gestartet war und vom Neurochirurgen Jun Takahashi von der Universität Kyoto geleitet wird, ei- nige Patienten ein neuronales Stammzellpräparat erhalten. Anders als in den Versuchsreihen von Studer und Parmar, stellt das japanische Team seine Neurone allerdings nicht aus embryonalen, sondern aus induzierten pluripotenten Stammzellen her. Dabei werden gespendete Blutzellen in einen Stammzellzustand zurückprogrammiert, um sie dann zu neuronalen Vorläuferzellen zu kultivieren. Dar- über hinaus verfolgen noch weitere Forschungsgruppen weltweit die Idee der zellbasierten Parkinson-Therapie. „Ich bin überzeugt, dass der Ansatz gegenüber anderen Behandlungsmethoden konkurrenzfähig ist“, bemerkt Par- mar. „Aber wir müssen das natürlich beweisen.“ ZELLERSATZTHERAPIE BEI PARKINSON Stem Cell Synergy Solution iMatrix Laminin 511 The innovative stem cell culture substrate StemFit® The superior feeder free stem cell culture medium STEM-CELLBANKER® Cryopreservation media optimized for stem cells AMSBIO ist ein etablierter Anbieter hochwertiger Forschungsreagenzien und Technologien für die Stammzellforschung. Unsere umfangreiche Produktpalette umfasst jeden Aspekt der Stammzellforschung von Stammzellen unterschiedlichen Ursprungs, über Produkte zur Programmierung von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) bis hin zu xeno-freien Kulturmedien und Mediumzusätzen sowie GMP- konformen Kryokonservierungsmitteln. Neben Produkten für die Stammzell-Charakterisierung und – Differenzierung und speziellen Testsystemen, bietet AMSBIO die größte Auswahl an sowohl natürlichen als auch rekombinanten 2D- und 3D-Matrizes, einschließlich xeno-freien Kulturmedien, welche die Koloniebildung mit höher Effizienz erlauben. Im Zentrum der AMSBIO Kernprinzipien stehen Qualität und Innovation, weshalb wir uns ständig um neue, innovative Produkte bemühen, die helfen Ihr Stammzellprojekt voranzutreiben. Zur technischen Unterstützung unserer Produkte steht Ihnen unser Expertenteam zur Verfügung. Wir sind in der Lage unsere Fachkompetenz zur Unterstützung Ihrer Forschungsprogramme direkt durch unsere Auftragsforschungslabors umzusetzen und können dadurch spezifisch auf Produktanforderungen und Kundenwünsche eingehen. Besuchen Sie www.amsbio.com oder schreiben Sie an [email protected] Jahresmagazin des GSCN 2021/22 57

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ZELLERSATZTHERAPIE BEI PARKINSON Erfolg und Misserfolg: Was lässt sich von den Föten lernen? Tatsächlich haben Stammzellforscher bei der Behandlung der Parkinson- Krankheit bereits einen langen Weg hinter sich – nicht immer mit er- mutigenden Ergebnissen. Bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren begannen Mediziner, menschliche Dopamin-Neurone, die aus fötalem Gewebe bei Schwangerschaftsab- brüchen gewonnen wurden, in das Putamen von Parkinson-Patienten zu transplantieren. Die Methode wurde seinerzeit an der Universität Lund entwickelt und von verschiede- nen Teams aufgegriffen. Auch er selbst sei zu Beginn seiner Karri- ere in der Schweiz an den klinischen Versu- chen beteiligt gewesen, berichtet Studer. „Ei- nige der Patienten konnten ihre Medikamente nach der Zelltransplantation über viele Jahre ganz weglassen.“ Diese beeindruckenden Beobachtungen belegten die grundsätzliche Machbarkeit der Methode. „Dennoch war schnell klar, dass der Ansatz nicht für eine breite Anwendung taugt“, fügt Studer hinzu. Denn die Verwendung menschlicher Föten warf nicht nur erhebliche ethische Fragen auf. Auch die logistischen Schwierigkeiten erwiesen sich als enorm. Pro Patient müs- sen mindestens sechs Föten zur Verfügung stehen, um ge- nügend Dopamin-Zellen in beide Hirnhälften übertragen zu können. Dadurch ließ sich die Behandlung oft nicht mit einem einzelnen Eingriff bewältigen, manche Operationen wurden auch gänzlich abgesagt. US-amerikanische Teams jeweils einer Reihe von Patienten die Zellpräparate ins Gehirn – während eine Vergleichs- gruppe nur zum Schein operiert wurde. Das ernüchternde Ergebnis war, dass die Transplantation kaum Vorteile be- sitzt und zugleich das Risiko beeinträchtigender Dyskinesi- en mit sich bringt. Was, so die naheliegende Frage, konnte dann für die Behandlungen sprechen? Hinzu kam: Anfang der 2000er-Jahre schürten zwei aufse- henerregende Studien gewichtige Zweifel am Sinn der fö- talen Transplantate. Bei den Untersuchungen übertrugen Intensiv hat sich ein europäisches Forschungskonsorti- um (TRANSEURO) bemüht, diese offensichtlichen Wi- dersprüche in den über viele Jahre gemachten klinischen Beobachtungen zu klären. Die beiden durch Scheinope- ISAR Bioscience GmbH ISAR Bioscience ist ein translationales Unter- Bei degenerativen Erkrankungen (z.B. Alzheimer, nehmen, das Technologien und neue Therapien chronische Herzschwäche nach Herzinfarkt) reicht für degenerative Erkrankungen entwickelt. Wir arbeiten eng mit Forschungseinrichtun- gen und Firmen aus der Biotechnologie- und Pharmaindustrie zusammen. Dabei agieren wir als Brückenbauer zwischen diesen Institutio- nen und schaffen so eine direkte Verbindung zwischen Grundlagenforschung und neuen Therapien und Produkten. die natürliche Fähigkeit der Organe, sich aus eige- nen Stammzellen zu regenerieren, nicht mehr aus. Es kommt zum Verlust von Zellen und schließlich zum Verlust der Organfunktion. In vielen Gesell- schaften stellen sie die größte Krankheitsbelastung dar und sind die häufigsten Todesursachen. Gelingt es, degenerative Krankheiten zurückzudrängen, rückt die Vision des gesunden Alterns in greifbare Nähe. Unser Schwerpunkt liegt auf dem krankhaften Funktionsverlust von Organen infolge von Alte- rung, unzureichender Durchblutung oder durch ISAR Bioscience GmbH wird initial mit 20 Mio. € ein fehlgesteuertes Immunsystem. durch den Freistaat Bayern unterstützt. ISAR Bioscience GmbH Semmelweisstraße 5 · 82152 Planegg www.isarbioscience.de 58 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: Parmar Lab, Lund/ Oliver Brüstle, Uni Bonn

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rationen kontrollierten US-Studien hätten die Frage nicht geklärt, argumentiert Parmar, selbst Mitglied des TRAN- SEURO-Konsortiums. So wurden in den verschiedenen Untersuchungen die Transplantatempfänger nach unter- schiedlichen Kriterien ausgewählt, und auch das Operati- onsverfahren und der Einsatz von immununterdrückenden Medikamenten variierten, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert. Allerdings legen die Befunde nahe, dass gerade etwas jüngere Patienten von der Zelltherapie profitieren könnten, bei denen die Erkrankung noch nicht zu weit fortgeschritten ist. ZELLERSATZTHERAPIE BEI PARKINSON Mit Hilfe von Transkriptionsfaktoren von humanen iPS-Zellen ‘vorwärts programmierte’ sensorische Neurone, welche das Intermediärfilamentprotein Peripherin (grün) und den Natriumkana Nav1.8 (rot) exprimieren. Vor allem aber sei die zelluläre Zusammensetzung der Transplantate schlicht nicht immer dieselbe gewesen, fügt Parmar hinzu. Typischerweise wurden die übertragenen Zellsuspensionen aus leicht unterschiedlich weit entwi- ckelten Föten gewonnen und enthielten neben Dopamin- Neuronen auch einen schwankenden Anteil von Zellen, die den Botenstoff Serotonin produzieren. Viele Fachleute nehmen inzwischen an, dass die erheblichen Dyskinesien bei einer Reihe von Patienten hauptsächlich auf diese unge- wollt übertragenen serotoninbildenden Zellen zurückgin- gen. Die Hoffnung auf Heilung fußte in den Anfängen der Zelltherapie auf einem unstandardisierten, heterogenen fötalen Produkt. Zytokine und Wachstumsfaktoren HumanKine Zytokine und Wachstumsfaktoren werden alle in HEK293 Zellen exprimiert. Gegenüber der Herstellung in E. coli haben diese Proteine eine höhere Aktivität und sind länger aktiv. Überzeugen Sie sich selbst und fordern Sie noch heute ein kostenloses HumanKine Protein Testmuster an. Exprimiert in humanen Zellen (HEK293)? Authentische humane Proteine? Native Faltung & Glykosylierung? Frei von tierischen Komponenten, XF (Xeno Free), Endotoxin und Tags? Zytokine & Wachstumsfaktoren mit hoher Aktivität? Hohe Reinheit? In den USA hergestellt? Kostengünstig? Scannen Sie den QR-Code! Scannen Sie den QR-Code, um ein kostenloses HumanKine Muster anzufordern. JahArnestmibaogadziiensd|esEGLSISCAN 2k0it2s1/|2P2roteins ptglab.com59

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ZELLERSATZTHERAPIE BEI PARKINSON Die Ära der Zell-Ingenieure Eben dies, so machen Forscher geltend, hat sich grundle- gend gewandelt. Mit Zelltechnologien, die überhaupt erst in der letzten Dekade entwickelt wurden, lassen sich heu- te definierte Neuronen-Populationen in großem Stil aus Stammzellen züchten – was auch entsprechende Qualitäts- kontrollen erst praktikabel macht. des hat das Team von Parmar darüber hinaus gezeigt, dass transplantierte Dopamin-Neurone keineswegs nur neuen Botenstoff bilden, sondern sich über neu entstehende Zell- fortsätze und Synapsen in funktionstypische Schaltkreise integrieren und dadurch die neuronalen Netze teilweise sogar reparieren könnten. Beispielsweise konnten Studer und Kollegen in eingehen- den Untersuchungen nachweisen, dass das von ihnen ent- wickelte Stammzellprodukt nicht nur gezielt hergestellt, sondern auch ohne nennenswerte Qualitätsverluste einge- froren und wiederaufgetaut werden kann. Zellübertragun- gen scheinen bei Versuchstieren experimentell verursach- te Parkinson-Symptome zuverlässig zum Verschwinden zu bringen und führen insbesondere nicht zu erkennbaren Nebenwirkungen oder unkontrolliertem Zellwachstum. In- „Diese Entwicklungen bei den Zelltechnologien haben Standards gesetzt“, stimmt Oliver Brüstle vom Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Uniklinik Bonn zu. Ge- rade die Möglichkeit, gut charakterisierte Neuronen-Typen mit stabilen Verfahren zu kultivieren, sei für einen geziel- ten Zellersatz unverzichtbar. „Für den klinischen Einsatz braucht man ein etabliertes und verlässliches Produkt“, be- Daniella Ottosson aus der Parmar-Gruppe führt Patch-Clamp-Aufnahmen durch, um die neuronalen Eigenschaften der Zellen zu bewerten. Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP schung zu optimieren und so die Behandlung von Patienten qualitativ und wirtschaftlich zu verbes- sern. Ein Schwerpunkt des ITMP ScreeningPorts liegt auf der Assay-Entwicklung für biochemische und zellbasierte Formate, in der Entwicklung und Anwendung von Wirksamkeits- und Toxizi- tätsassays basierend auf humanen pluripotenten Stammzellen, im Bereich Assay-Miniturisierung, Hochdurchsatz- und High Content-Screening und in der Chemie- und Bioinformatik. Der Indikationsfo- kus liegt hierbei auf den Infektions- und Immuner- krankungen. Fraunhofer ist mit über 25.000 Mitarbeiter*in- nen die größte anwendungsorientierte For- schungseinrichtung Europas und betreibt in Deutschland über 70 Institute und Forschungs- einrichtungen. ScreeningPort ist eine Abteilung des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP mit Sitz an den Standorten Frankfurt und Hamburg. Das Fraunhofer ITMP betreibt Gesundheitsforschung im Sinne des Fraunhofer 4D-Konzepts (Drugs, Diagnostics, Devices, Data), welches zum Ziel hat die inter- und transdisziplinäre Gesundheitsfor- Fraunhofer-Institut ITMP ScreeningPort Schnackenburgallee 114 · 22525 Hamburg www.itmp.fraunhofer.de 60 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: Parmar Lab, Lund

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tont Brüstle, der selbst mit seinem Team Technologien vor- antreibt, um verschiedenste Zellpopulationen im Gehirn möglichst authentisch nachzüchten zu können. schen Symptome zu lindern, wären zukünftig kombinierte Zelltransplantationen mit verschiedenen Neuronen-Typen denkbar“, spekuliert Parmar. Eine Idee ist, gleichzeitig mit den Dopamin-Bildnern auch Zellen zu übertragen, die den Botenstoff Acetylcholin produzieren. Denn das Absterben von Acetylcholin-Neuronen im Gehirn ist womöglich eine Hauptursache der Parkinson-Demenz. Für die Zukunft schwebt Brüstle noch eine weitere Idee vor: So ließen sich neuronale Netze womöglich nicht nur durch transplantierte Zellen von außen – sondern auch aus kör- pereigenen Zellreserven regenerieren. Bestimmte nicht- neuronale Zellen im Gehirn beispielsweise, sogenannte Astrozyten, können direkt in Dopamin-Neurone umgewan- delt werden, wenn man sie auf geeignete Weise genetisch beeinflusst. „Im Maus-Modell ist das bereits machbar“, be- kräftigt Brüstle. Wann – und ob – solche Ansätze auf den Menschen übertragbar wären, lässt sich derzeit allerdings noch nicht sagen. „Mit den derzeitigen Zelltransfers zielen wir auf die Be- wegungsstörungen bei Parkinson ab und können nicht die Krankheit als Ganzes heilen“, gesteht auch Studer zu. Gleichwohl dürften die Resultate der Transplantationen in- ternational mit Spannung erwartet werden. In ein bis zwei Jahren rechnet Studer mit ersten Ergebnissen. Die übertra- genen Neurone brauchen diese Zeit, um zu reifen und ihre Funktion ganz aufzunehmen. Unterdessen denken auch die Zelltransplanteure schon weiter. Man nimmt heute an, dass der Krankheitsprozess bei Parkinson nicht nur die Dopamin-Neurone im Hirn- stamm, sondern auch andere Hirnbereiche und Zellpopu- lationen einbezieht. So leiden viele Patienten neben den ty- pischen motorischen Einbußen etwa unter vermindertem Riechvermögen, gestörtem Schlaf, depressiver Verstim- mung oder kognitivem Abbau. „Um solche nicht-motori- Klar ist freilich, dass auch dann noch viele Fragen offen bleiben werden und weitere Studien folgen müssen, um den Wert der Zelltherapie zu beweisen. Die jetzigen Versu- che mit einer Handvoll Frauen und Männer sind lediglich ein erster, vorsichtiger, aber wichtiger Schritt. Jahresmagazin des GSCN 2021/22 61 ZELLERSATZTHERAPIE BEI PARKINSON Texte: Martin Lindner

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Mit GFP-H2B (blau) und SiR-Tubulin (rot) markierte Sphäroide des menschlichen Brustepithels MCF10A

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Interview mit Simon Haas „Leukämie besser verstehen“ Simon Haas erkundet in seiner Forschung immer neue Wege. Seine wissenschaftliche Neugier hat das Lehrbuchwis- sen über Blutbildung umgeworfen, hierfür hat er weltweit als einer der ersten neuartige Einzelzell-Technologien einge- setzt. Wo eine Methode fehlt, entwickelt er sie, jetzt Einzel- zell-Multi-Omics, um räumlich aufgelöst Leukämiestamm- zellen zu enttarnen – und therapeutisch anzugehen. Sie leiten den Juniorverbund LeukoSyStem im e:Med Konzept, der großen Forschungs- und Fördermaß- nahme des BMBF zur Systemmedizin. Welche Ziele hat LeukoSyStem? Durch Einzelzell-Methoden können wir ein Gewebe in die einzelnen Zellen zerlegen und dadurch verstehen, welche Komponenten das gesunde oder das Krebsgewebe aus- machen. Insbesondere hat unser Konsortium verschiede- ne Einzelzell-Multi-Omics Methoden entwickelt, welche es erlauben, aus einzelnen Zellen mehrere Informationen gleichzeitigzubestimmen.Sokönnenwirz.B.dieAktivität von Tausenden von Genen, DNA-Schäden (z. B. Mutationen) und Zelloberflächenmolekülen gleichzeitig in einzelnen Zellen detektieren. Das ist besonders vielversprechend, weil viele zielgerichtete Therapien häufig an den Zellstruk- turen der Oberfläche wirken. Die von uns entwickelten Me- thoden setzen wir nun ein, um ganz gezielt molekulare Tar- gets zu identifizieren, um Krebszellen spezifisch angreifen und beseitigen zu können. Simon Haas: Unser Hauptziel in diesem Verbund ist, Leu- kämien (Blutkrebs) besser zu verstehen, indem wir die Stammzellen in den Fokus nehmen, um mit Einzelzellan- sätzen neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Leukä- mien werden häufig immer noch mit der klassischen Che- motherapie behandelt. Diese kann man sich vorstellen, wie einen Bulldozer, der zwar effektiv Krebszellen bekämpft, aber auch gesunde Zellen schädigt. Es ist natürlich eine Kombination aus beidem, man hat im Idealfall ein Ziel vor Augen, bekommt aber tagtäglich neue Ergebnisse und ori- entiert sich basierend hierauf neu. Man sieht, was mit ei- ner neuen speziellen Methode überhaupt möglich ist und macht, was zuvor noch nicht möglich war. Eindeutig lebt man in der Wissenschaft von unerwarteten Ergebnissen. Es ist etwas ganz Tolles, diese zu verfolgen und so vielleicht zu noch viel spannenderen Erkenntnissen zu gelangen, als die Ursprungsfrage zu Beginn vermuten ließ. Eine Einschränkung der Einzelzell-Methoden ist allerdings, dass die räumliche Information verloren geht. Man ver- steht zwar die einzelnen Zellen, die das Grundgerüst eines Gewebes bilden, kann aber nicht mehr nachvollziehen, wo diese räumlich zu verorten sind. Klassischerweise hat man die räumliche Anordnung von Zellen in Geweben durch Mikroskopie untersucht, wobei man aber nur wenige Para- meter gleichzeitig betrachten kann. Gehört die Entdeckung, dass die Mikroumgebung die sog. Nische so wichtig ist, zu den Überraschungen, oder war das zu erwarten? In den letzten Jahren haben wir und andere daher soge- nannte „Spatial-Omics“ Methoden entwickelt, mit denen man auch räumlich aufgetrennt Tausende molekulare In- formationen visualisieren kann. Die Idee ist, diese zwei Welten, die räumlichen und die Einzelzell-Omics Metho- den, miteinander zu verbinden. So können wir besser ver- stehen, wie ein Organ oder wie Krebs aufgebaut und struk- turiert ist. Dass die zelluläre Umgebung bei Krebserkrankungen eine wichtige Rolle spielt, ist schon länger bekannt. Insbeson- dere das Immunsystem ist ständig damit beschäftigt dem Krebs entgegenzuwirken. Wir haben Methoden entwickelt, die es erlauben, diese Mikroumgebung genauer zu betrach- ten, zunächst um das gesunde Stammzellsystem zu verste- hen. Jetzt wenden wir diese auch an, um Leukämien besser zu verstehen. Was sind das für Methoden und warum funktionieren sie besonders gut? ARTIKEL AUS DEM BIH Dr. Simon Haas BIH, Charité, MDC Berlin DKFZ, HI-STEM gGmbH Heidelberg Simon Haas entwickelt Einzelzell- Multi-Omics, um räumlich aufgelöst Leukämiestammzellen zu enttarnen – und therapeutisch anzugehen. [email protected] https://www.bihealth.org/de/forschung/arbeitsgruppe/ blutkrebs-stammzellen-praezisionsmedizin Jahresmagazin des GSCN 2021/22 63 Fotos: Christian Conrad, BIH / Felix Petermann, MDC

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ARTIKEL AUS DEM BIH (Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0301472X20302678) Abbildung 1: A) Klassisches Modell der Blutbildung (Hämatopoese), B) Revidiertes Modell der Blutbildung Das ist wirklich wahnsinnig spannend! Tragen diese neuartigen Methoden auch zu einem besseren Verständ- nis von physiologischen Prozessen bei? In welchen Me- thoden sehen Sie das größte Potential? keit ist es KEIN schrittweiser Prozess, sondern wir konnten zeigen, dass a) sich die Stammzellen schon sehr früh ent- scheiden, in welche Blutlinien sie gehen, und b) diese Diffe- renzierung ein kontinuierlicher Fluss ist. Dieses Modell hat jetzt sozusagen das alte Modell abgelöst. Wir konnten vor kurzem zeigen wie sich Blutstammzellen entwickeln, die für die lebenslange Neubildung von Blut- und Immunzellen verantwortlich sind. Durch die weltweit erstmalige Charakterisierung dieser seltenen Zellen mittels Einzelzell-Multi-Omics Technologien konnten wir nicht nur ein genaues molekulares und zelluläres Verständnis dieses wichtigen Prozesses erlangen, sondern auch ein neues Mo- dell zur Blutbildung beitragen, das mittlerweile als Stan- dardmodell anerkannt ist. Es gab ein Textbuch-Verständnis davon, wie Blut und Immunzellen im Knochenmark gebil- det werden, in Zellpopulationen, die sich von einer Stamm- zelle ausgehend nach und nach verzweigen, wie ein Baum. Bevor wir die Einzelzell-Methoden dafür verwendet haben, konnte sich das niemand genauer anschauen. In Wirklich- Durch die Anwendung der von uns entwickelten Spatial- Omics Methoden konnten wir darüber hinaus die Knochen- marksumgebung, in der sich Blutstammzellen befinden, mit einer enorm hohen Auflösung untersuchen. Dabei ha- ben wir mehrere neue Zelltypen entdeckt, die die Stamm- zellen in ihrer Funktion unterstützen. Das größte Potential für die Zukunft sehe ich in den Ein- zelzell-Multi-Omics Analysen, mit denen wir Hunderte von Oberflächenmarkern analysieren können, auf Grund des großen therapeutischen Potentials der Methode. Wir arbei- ten derzeit daran, sie auch im klinischen Kontext anzuwen- den. Das wäre ein entscheidender Schritt! Heidelberg Institute for Stem Cell Technology and Experimental Medicine Die HI-STEM-Forschungsgruppen: • Hematopoetische und leukämische Stammzellen Die HI-STEM gGmbH ist eine gemeinnützige öffent- lich-private Partnerschaft des Deutschen Krebsfor- schungszentrums (DKFZ) und der Dietmar Hopp Stiftung. Angesiedelt am DKFZ in Heidelberg, betreibt das HI-STEM innovative Forschung an Stammzel- (A. Trumpp) • Stammzellen an der Schnittstelle von Hematopoese, len und überführt die Ergebnisse in neue klinische Anwendungen. Diese beinhalten die Entwicklung neuartiger Diagnose-Verfahren und Strategien, um Tumorstammzellen in Blutkrebs und soliden Tumoren sowie Metastasen zu verfolgen und gezielt zu bekämpfen. Prof. Dr. Andreas Trumpp und sieben Forschungsgruppenleiter führen ein internationales Team von mehr als fünfzig Wissenschaftlern. Immunsystem und Krebs (S. Haas) • Mustererkennung und digitale Medizin (D. Hübschmann) • Experimentelle Hämatologie (M. Milsom) • Stress-induzierte Aktivierung von HSCs (M. Essers) • Krebs-Stammzellen und Metastasierung (M. Sprick & A. Trumpp) • Metastatische Nischen (T. Oskarsson) • Tumorprogression und Metastasierung (R. Jackstadt) HI-STEM gGmbH im Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ Im Neuenheimer Feld 280 · 69120 Heidelberg www.hi-stem.de 64 Stammzellforschung und Erkrankungen III Grafik: Simon Haas

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Das menschliche Knochenmark, der natürliche Lebensraum hämatopoetischer Stammzellen, mit Knochen in grün, Zell- kerne von Knochenmarkzellen in blau und stromale Nischenzellen in rot Sind die Bedingungen hierfür in Berlin an der Charité besonders günstig? Sie sind ja erst seit gut einem Jahr in Berlin, was waren Ihre Gründe für diese Wahl? auch über die Institute hinweg mit großer In- terdisziplinarität. Die Förderung des BMBF Berlin ist momentan ein extrem hei- ßes Pflaster, viel Umbruch, spannender Forschungsstandort, neue Institutionen. Hier bin ich mit drei Institutionen assozi- iert: Mit dem BIH, das sich auf die medizinische Translation spezialisiert hat, mit der Charité, einem der größten Universitätskrankenhäuser Europas, und dem MDC, das in der Entwicklung von Einzelzell-Technologien federführend ist. In dem Fokusschwerpunkt „Single-Cell- Ansätze für die personalisierte Medizin“, der von Prof. Dr. Angelika Eggert und Prof. Dr. Nikolaus Rajewsky initiiert wurde, finden die Institute eine Plattform, auf der sie ge- meinsam Einzelzell-Methoden entwickeln. In der Charité bin ich auch Teil der Kliniken für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie. Dies ermöglicht eine enge Inter- aktion mit den Klinikern und die direkte Integration der neu entwickelten Methoden in den klinischen Alltag. Was mir in Berlin besonders gefällt, ist die Energie und Wil- lensbereitschaft, gemeinsam Bedeutendes zu erreichen, über e:Med hat zu ei- nem guten Start in Berlin beigetragen. Vor allem die spezielle Förderung für junge Wissenschaftler ist wertvoll, um kreativen Ideen Platz zu geben. Die Systemmedizin wird in allen Bereichen der modernen Medizin wichtig sein und ei- nen bedeutenden Beitrag für eine bessere medizinische Versorgung leisten. Sie sind in der Heidelberger Wissenschaftsszene „aufge- wachsen“, waren dort bis vor Kurzem beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und HI-STEM tätig. Welche Rolle hat das für Sie gespielt? Ich habe in Großbritannien, den USA und Deutschland stu- diert und geforscht. Die Heidelberger Forschungsumge- bung hat mich aber sicher am meisten geprägt. Heidelberg ist ein hervorragender Forschungsstandort, besonders in der Biomedizin und Krebsforschung, insbesondere durch ARTIKEL AUS DEM BIH Programmed identity in every cell Are you tired of long, complicated, stem cell differentiation protocols? At bit.bio we understand the challenges of traditional differentiation methods and have the solution. Our human iPSC-derived ioCells are defined, functional – and with our simple protocols – ready within days. Now you can focus on making discoveries, not complicated cell culture. TO LEARN MORE, VISIT WWW.BIT.BIO Defined Characterised by protein and gene expression, both whole population and at the single cell level. Easy-to-use ‘Thaw and go’, one medium and a simple protocol. Scalable Consistent at scale, with industrial quantities at a price point that allows the cells to be used from research to HTS. Quick Cells arrive programmed to rapidly mature into functional cells within days. Consistent opti-oxTM precise reprogramming of cells results in batch- to-batch homogeneity and reproducibility. Cost effective Available in two vial sizes, tailored to suit your experimental needs with minimal waste. Jahresmagazin des GSCN 2021/22 65 Foto: R. Lutz, Simon Haas, BIH-MDC

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ARTIKEL AUS DEM BIH Abbildung 2: Einzelzell-Sequenzierungen ermöglichen das Studium von Leukämien. Gesunde hämatopoetische Stammzellen im Knochen- mark produzieren Blut- und Immunzellen. Die zelluläre Umgebung im Knochenmark (Nische) ist für die Blutbildung von großer Bedeutung. Leukämien entwickeln sich aus hämatopoetischen Stamm- oder Vorläuferzellen durch die Anhäufung von DNA-Schäden (z.B. Mutationen). Einzelzell-Sequenzierungen ermöglichen das genaue Verständnis der molekularen Prozesse, die sich während der Transformation von gesunden Stammzellen in Leukämiezellen abspielen. Auch die Interaktion zwischen den Leukämiezellen und der zellulären Knochenmarks- umgebung kann untersucht werden. (Quelle: © Simon Haas, Created with BioRender.com) das DKFZ, das EMBL und die Uniklinik. Diesem Umfeld habe ich unglaublich viel zu verdanken. Schon während des Studiums wurde ich dort in Forschungsaktivitäten einge- bunden, wie z.B. in das von Prof. Dr. Roland Eils koordinier- te iGEM Programm im Bereich der synthetischen Biologie. Am DKFZ habe ich unter Dr. Marieke Essers meine Dok- torarbeit absolviert, und im von Prof. Dr. Andreas Trumpp geleiteten Heidelberg Institute for Stem Cell Technology (HI-STEM) habe ich meine erste eigene Forschungsgruppe etabliert. Auch derzeit leite ich dort noch eine Forschungs- gruppe und habe viele Kooperationen mit dem Standort Heidelberg. Das wird sicher auch in Zukunft so bleiben. tätsklinik Heidelberg. Ich bin sehr zuversichtlich, dass man viele Aspekte der Grundlagenforschung nutzen kann, um die Prognose, Diagnose und Therapie von Patienten erheb- lich zu verbessern. Sehen Sie das Übertragen Ihrer Arbeit in die Klinik? Wenn ein Krebspatient derzeit in die Klinik kommt, wird er mit einer Batterie von unterschiedlichen diagnostischen Assays untersucht. Basierend auf den Einzelzell-Multi- Omics Analysen versuchen wir diagnostische Tests zu ent- wickeln, die alle Tests in einem verbinden, um so möglichst präzise Vorhersagen geben zu können, welcher Patient am besten auf welche zielgerichtete Therapie anspricht. Noch Zukunftsmusik, aber hoffentlich nicht mehr lange. Definitiv. Es ist kein leichter Weg, aber das ist unser Ziel. Wir arbeiten daran, bis es klappt – und das mit Hochdruck, vor allem in enger Zusammenarbeit mit den Kliniken der Hämatologie und Onkologie der Charité und der Universi- Das Gespräch führte Dr. Silke Argo, e:Med Systemmedizin Geschäftsstelle am DKFZ Heidelberg (www.sys-med.de). Das Interview ist ein leicht gekürzter Abdruck aus gesundhyte.de, das Magazin für digitale Gesundheit in Deutschland, Ausga- be 14, erschienen im Dezember 2021 (www.gesundhyte.de). BIH Center for Regenerative Therapies BCRT Das BIH Center for Regenerative Therapies (BCRT) ist ein interdisziplinäres Translationszentrum. Wir forschen zu körpereigenen Heilungsprozessen und entwickelt darauf aufbauend neue Therapien und Diagnostika für die klinische Anwendung. Kliniker, Forscher und Ingenieure arbeiten am BCRT Hand in Hand für die Medizin der Zukunft: eine patienten- gerechte Medizin, bei der die Erkrankung frühzeitig erkannt wird, um die individuellen Heilungspoten- tiale des Patienten optimal zu nutzen. Insbesondere forschen wir zu Erkrankungen des Immunsystems, des Bewegungsapparates und des Herz-Kreislauf- Systems, die bisher nur unbefriedigend behandelt werden können, unterstützt durch die übergreifenden Forschungsfelder Gewebehomöostase & Kachexie sowie Molekulare Analysen/Seltene Erkrankungen. Eine Schlüsselstellung bei der erfolgreichen Wiederher- stellung der Gewebehomöostase nimmt nach unseren Ergebnissen die Analyse und Kontrolle von Entzün- dung/Immunität ein. Frühzeitige Kooperationen mit Industrieunternehmen, Krankenkassen und Zulassungs- behörden sowie weiteren Partnern erhöhen die Innova- tion und Verwertungschancen der neuen Ansätze und ermöglichen zudem flexible Finanzierungsoptionen. BIH Center for Regenerative Therapies BCRT Charité – Universitätsmedizin Berlin Augustenburger Platz 1 · 13353 Berlin www.bihealth.org/de/regeneration 66 Stammzellforschung und Erkrankungen III Foto: Peer Schröder

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Automatisierung für die Einzelzellklonierung mit Überprüfung der Monoklonalität in einem kompakten System Effiziente Zelllinienentwicklung mit optimaler und leistungsstarker Automatisierung iotasciences.com

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GSCN MENTORING PROGRAMM GSCN Mentoring Program Eigene Karrierewege ausloten und Erfahrungen teilen Auf der GSCN Konferenz in Dresden startete am 7. Oktober 2021 das neue GSCN Mentoring Program mit fünf Mentees, ihren Mentor*innen und den Initiator*innen der Arbeits- gruppe „Nachwuchsförderung“. Das Ziel des neuen Pro- gramms ist klar: Nachwuchswissenschaftler*innen werden erfahrene Mentor*innen aus unterschiedlichen Instituten zur Seite gestellt. Die Mentor*innen stehen in vertraulichen Gesprächen Rede und Antwort auf schwierige Fragen der persönlichen Karriereplanung. Soll es eine Zukunft in der Forschung sein? Oder in der Industrie? Oder etwas ganz anderes? Und wie gelingt das Verhandeln von Verträgen, der Aufbau eines Labors, das Ausloten der nächsten Schritte? Jeder Mentee entscheidet sich im Vorfeld für den eigenen Mentor – im GSCN gab es große Begeisterung unter den PIs, sich als Mentor*in zur Verfügung zu stellen, da es viele gute eigene Erfahrungen mit Förderprogrammen dieser Art gibt. ein großer Schritt, da viele neue Herausforderungen außer- halb der Forschung auf mich zukommen werden.“ Sein Men- tor Cédric Blanpain hat ihm schon wertvolle Tipps für den Aufbau von Labor und Arbeitsgruppe gegeben. So hatten sich die Organisator*innen des Programms die Interaktion zwischen Mentor*in und Mentee auch erhofft. „Das GSCN- Mentoring unterstreicht die Idee, ein Netzwerk innerhalb der Gemeinschaft zu schaffen, Wissen von einer Generation von Wissenschaftler*innen an die nächste weiterzugeben und Einzelpersonen dabei zu unterstützen, in ihrem Fach- gebiet zu wachsen und den richtigen Weg für ihre individu- ellen Fähigkeiten und Talente zu finden“, beschreibt Karin Höhne, Gleichstellungsbeauftrage des Berlin Institute of Health (BIH) ihre Vision des GSCN Mentoring Programs. Initiator Germán Camargo Ortega achtet auf die nachhalti- gen positiven Effekte des Mentoring. „Das Programm kann die erfolgreiche Entwicklung der nächsten Generation von deutschen Stammzellforschern fördern. Dies wird langfris- tig einen bedeutenden Einfluss auf unser Netzwerk haben... daran teilzunehmen ist sehr spannend und hat mich moti- viert, das Programm ins Leben zu rufen.“ Für die Mentees des ersten GSCN-Jahrgangs gab es ganz unterschiedliche Gründe, sich für das Programm zu bewerben. Tianliang Sun etwa sucht den Schritt zu- rück von der Industrie in die akademische Forschung: „Ich forschte als Postdoc bei Novartis, strebte aber eine akade- mische Laufbahn an. Novartis stellte mir erstklassige Res- sourcen zur Verfügung, die ich für mein Forschungsprojekt benötigte, aber einige Schlüsselfaktoren für eine akade- mische Laufbahn, wie z. B. die Erfahrung in der Lehre, das Schreiben von Förderanträgen und die wissenschaftliche Freiheit, fehlen im industriellen Umfeld weitgehend. Außer- dem ist der Übergang vom Postdoc zum unabhängigen PI Das Mentoring Program zielt auch darauf ab, die persön- lichen Weichenstellungen in der Karriereplanung mithilfe des erfahrenen Forschenden an der Seite zu definieren und die passenden Schritte zu bestimmen. Mentee Anja Trillhaase stellt sich die Frage nach der Ausgewogenheit in ihrem beruflichen Werdegang: „Ich habe mich für das Pro- gramm entschieden, um mein eigenes Potenzial zu bewer- ten und eine Beratung für den Spagat zwischen Arbeit und Familienleben, administrativer und experimenteller Arbeit sowie der gleichzeitigen Rolle als Führungskraft und Team- kollege zu erhalten.“ So gab Mentor Michael Rieger sei- nem Mentee Oumaima Stambouli bereits erste Hilfe- stellungen in einem vertraulichen Gespräch. „Mir haben die Einzelgespräche mit meinem Mentor sehr gut gefallen. Ich habe wertvolle Tipps be- Die Mentees des ersten Jahrgangs 2021/22 Oumaima Stambouli, Anja Trillhaase, Tianliang Sun, Jennifer Steens, Mohamed Mabrouk (v. li.) mit ihren Mentor*innen 68 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: Arne Sattler

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kommen, die ich ohne dieses Programm nicht bekommen hätte.“ Das sieht auch der Mentor Michael Rieger als sei- ne Verpflichtung gegenüber seinem Mentee. „Ich halte es für ausgesprochen wichtig, aber auch reizvoll, die nächste Generation an Wissenschaftler*innen bestmöglich auszu- bilden. Dazu gehört nicht nur die Weitergabe von prakti- schem und theoretischem Wissen, sondern auch das Teilen von eigenen Erfahrungen aus dem Alltag.“ Das GSCN Mentoring Program besteht aus mehreren Ge- sprächen zwischen Mentee und Mentor*in im Jahresver- lauf, die die Nachwuchswissenschaftler*innen selbstän- dig vorbereiten und strukturieren sollen. Daneben gibt es zum Anfang und in der Mitte des Jahres Workshops für die Gruppe der Nachwuchswissenschaftler*innen, bei denen sie mithilfe von Coaches über ihr Kommunikationsverhal- ten, ihre Ziele und ihre Wünsche reflektieren und Metho- den erlernen, sich effektiv und für ihre eigenen Belange einzusetzen. Initiatorinnen Insa Schröder und Marieke Es- sers setzen dabei auf nachhaltige Wirkung für die Mentees – ein Netzwerk an Nachwuchswissenschaftler*innen, die sich gegenseitig stärken und unterstützen: „Das Mentoring Program ist eine einzigartige Gelegenheit, eigene wissen- schaftliche Netzwerke aufzubauen, von denen das gesamte GSCN profitieren wird.“ GSCN Mentoring Programm Das einjährige GSCN Mentoring Program ist bevorzugt für GSCN-Mitglieder zugänglich. Anmeldeschluss: 1. Juli 2022 Die Bewerbung beinhaltet: · ein Motivationsschreiben · einen Lebenslauf · eine kurze Beschreibung Ihrer Forschung · die Auswahl eines Mentors aus der GSCN- Mentor*innenliste Benachrichtigung über die Annahme des Antrags: 22. Juli 2022 Programmstart: GSCN Konferenz, 13. – 16. Sept. 2022 in Münster Programm-Ende: GSCN Konferenz 2023 Noch Fragen? Mail an [email protected] GSCN MENTORING PROGRAMM Jahresmagazin des GSCN 2021/22 69 Foto: XYZ

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#ICH BIN HANNA – ODER, WAS BEDEUTET DAS WISSENSCHAFTSZEITVERTRAGSGESETZ FÜR NACHWUCHSWISSENSCHAFTLER*INNEN #Ich bin Hanna – oder, was bedeutet das Wissenschaftszeitvertragsgesetz für Nachwuchswissenschaftler*innen Mehr Jobsicherheit für eine erfolgreiche Wissenschaft? Karriereplanung in der Wissenschaft ist oft schwieriger als in anderen Berufen – viele Orts- und Länderwechsel, hohe Flexibilität der Arbeitszeiten, ein hoher inhaltlicher Anspruch verbunden mit viel Druck sind herausfordernde Kennzeichen eines Forschenden. Dazu kommt in Deutsch- land das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das viele Stellen für Nachwuchswissenschaftler*innen befristet und so nachhaltig und gezielt für Verun- sicherung sorgt. Diese Unsicherheit war Thema im Non-PI-Meeting 2021 Mein Name ist Gülce Percin und ich bin eine 29-jährige internatio- nale Forscherin. Ich habe letztes Jahr im Juni im Waskow Lab pro- moviert und arbeite dort seitdem als Postdoc. In diesen letzten 7,5 Jahren hatte ich 4 Verträge zwi- schen 6 Monaten und 2 Jahren. Ge- rade direkt nach der Promotion stellte ich mir auch die Frage, ob ich langfristig in der Forschung bleiben möchte. Meine Antwort ist: ja. Ich finde es sinnvoll, die Grundlagen der Biologie zu ler- nen und zu verstehen. Deshalb möchte ich in der Wis- senschaft bleiben und weiter forschen. Mir ist aber auch bewusst, dass dieser akademische Weg voller Ungewiss- heiten ist. Einer der größten Nachteile ist der Mangel an langfristigen Verträgen für Forscher*innen aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Intermediate-Postdocs und Tenure-Track-PI-Stellen. Aufgrund fehlender langfristiger oder unbefristeter Verträge verlässt eine große Anzahl von Forscher*innen die Wissenschaft auf der Suche nach finanzieller Stabilität (2021 Report of the GSCN Non-PI- Meeting). Glücklicherweise ist mit der #IchbinHanna- Bewegung die begrenzte Verfügbarkeit der langfristigen Verträge für Forscher derzeit in die Diskussion geraten und hoffentlich wird für die Zukunft eine Lösung gefunden. Andreas Keller und zeigt sich auch in den Lebens- läufen und Wünschen der drei Nachwuchswissenschaftler*innen Gülce Perin, Verena Börger und Constantin Berger. Sie befragten Andreas Keller, den stellvertreten- den Vorsitzenden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) zu seiner Sicht auf das Gesetz. Was sind die Vor- und Nachteile des Wissenschafts- zeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) für Nachwuchswis- senschaftler*innen aus den Lebenswissenschaften? Abweichend vom normalen Arbeitsrecht, das von einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Regel ausgeht und Zeitverträge nur unter engen Voraussetzungen er- laubt, gibt das WissZeitVG Hochschulen und Forschungs- einrichtungen weitreichende Befristungsoptionen in die Hand. Vor der Promotion können Arbeitsverträge bis zu sechs Jahre befristet werden, nach der Promotion um weitere sechs Jahre, in der Medizin sogar neun Jahre. Darüber hinaus können nahezu beliebig viele Zeitver- träge abgeschlossen werden, wenn die Stelle überwie- gend drittmittelfinanziert ist. Die Folge: 92 Prozent aller Wissenschaftler*innen unter 45 ohne Professur haben einen Zeitvertrag, die durchschnittliche Laufzeit der Ver- träge beträgt 22 Monate vor der Promotion, 28 nach der Promotion, so die Angaben des offiziellen Bundesberichts Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung (MPI-HLR) Das Max-Planck-Institut für Herz- und Lungen- Das Institut kooperiert eng mit benachbarten forschung in Bad Nauheim erforscht die Ent- Universitäten in Frankfurt, Gießen und Marburg wicklung der Organe des Herz-Kreislaufsystems und ist essentieller Bestandteil zahlreicher Exzel- und der Lunge im Embryo sowie die molekula- lenzinitiativen und zweier Gesundheitsforschungs- ren und zellulären Mechanismen bei der Entste- zentren. hung von Herz-Kreislauferkrankungen. Von be- sonderem Interesse sind die hierbei ablaufenden Umbauprozesse, das sogenannte Remodeling. So suchen die Wissenschaftler am Institut nach Wegen, die Reparatur und Regeneration geschä- digter Organe auch im Rahmen des Remodelings in die Wege zu leiten bzw. zu optimieren. Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung W.G. Kerckhoff-Institut Ludwigstr. 43 61231 Bad Nauheim www.mpi-hlr.de 70 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: privat

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#ICH BIN HANNA – ODER, WAS BEDEUTET DAS WISSENSCHAFTSZEITVERTRAGSGESETZ FÜR NACHWUCHSWISSENSCHAFTLER*INNEN Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021. Dauerhafte Berufs- perspektiven neben der Professur gibt es kaum, die Lauf- zeiten sind zumeist so kurz, dass Qualifizierungsziele nicht erreicht werden. Das ist nicht nur unfair gegenüber den betroffenen Wissenschaftler*innen, sondern unterminiert auch die Qualität von Forschung und Lehre sowie die At- traktivität des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung, gerade in MINT-Fächern wie den Lebenswissenschaften, wo die Konkurrenz mit Arbeitgebern im Ausland oder in der Industrie sehr groß ist. Insofern hat das WissZeitVG große Nachteile für Wissenschaftler*innen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland. Mein Name ist Constantin Berger, ich bin 30 Jahre alt und mo- mentan als Postdoc am an ei- ner universitären Einrichtung in Würzburg angestellt. Während meiner Promotion wurde meine Stelle in den ersten drei Jahren über ein Stipendium finanziert. Was ich zu Anfang als eine sichere Mög- lichkeit ansah meinen Lebensunterhalt zu finanzieren, stellte sich bei genauerer Betrachtung als nicht allzu komfortabel heraus. Denn neben der steuer- freien finanziellen Unterstützung, deckt das Stipendium keine Beiträge zur Kranken-, Renten- oder Arbeitslosen- versicherung ab. Das hat zur Folge, dass, rechnet man die Abgaben zur freiwilligen Krankenversicherung mit ein, das monatliche Einkommen weniger als 50% einer normalen Stelle entspricht. Hinzukommt, dass bei aus- bleibender Anschlussfinianzierung kein Arbeitslosengeld gezahlt wird, man ergo mit Abschluss der Promotion in Hartz IV rutscht. Vor diesem Hintergrund war es mein großes Glück, dass mein Arbeitgeber bereit war mich mit kurzfristigen Nebenverträgen während meines Sti- pendiums zu unterstützen und einen Anschlussvertrag zu gewähren. Seit Beginn meiner Promotion habe ich bislang 11 Arbeitsverträge erhalten. Kürzlich habe ich meinen bisher langfristigsten Vertrag, abgesehen vom Stipendium, unterzeichnet – Laufzeit: 18 Monate. Vor dem Hintergrund vertraglicher Befristungen fällt es mir schwer meine Zukunft langfristig zu planen. Geht es nach meinem inneren Antrieb und meiner Leidenschaft für Forschung würde ich mich ohne weiteres für den Rest meines Lebens der akademischen Wissenschaft ver- schreiben. Gleichzeitig ist es mir wichtig mein soziales Umfeld zu behalten und mir eine berufliche und finan- zielle Sicherheit aufbauen. Die prekäre Vertragssituation an den Universitäten, sowie die Voraussetzung von Fle- xibilität was Arbeitsort und -Umfeld angeht, machen es mir jedoch schwer, eine solche Zukunft zu gestalten. Da Sie auch nach Vorteilen fragen: Positiv ist die in § 2 Ab- satz 5 WissZeitVG vorgeschriebene automatische Verlänge- rung von Qualifizierungsverträgen um die Zeiten des Mut- terschutzes und der Elternzeit und bei einer Reihe weiterer Tatbestände, etwa im Falle einer Freistellung für den Be- triebs- und Personalrat oder die Arbeit als Gleichstellungs- beauftragte. Im allgemeinen Arbeitsrecht gibt es diese Re- gelung nicht – allerdings ist dort auch der Befristungsanteil viel geringer. Leider gilt die Regelung nicht für Drittmittel- verträge und auch nicht im Falle der familienpolitischen Komponente, die lediglich eine Verlängerungsoption um zwei Jahre pro Kind vorsieht, von der die Arbeitgeber zö- gerlich und nur willkürlich Gebrauch machen. In welche Richtung wird eine Reform gehen und welche Entwicklung wird das WissZeitGV nun nehmen? Die GEW macht sich für eine radikale Reform des Wiss- ZeitVG stark. Für alle Daueraufgaben in Forschung und Lehre muss es Dauerstellen geben. Soweit Zeitverträ- ge insbesondere zur Qualifizierung gerechtfertigt sind, muss es verbindliche Mindestlaufzeiten geben. Die GEW schlägt vor, die bisherige Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren als Regellaufzeit vorzugeben. Promovierte Wissenschaftler*innen dürfen nur noch befristet beschäf- tigt werden, wenn mit ihnen gleichzeitig vereinbart wird, dass ihr Beschäftigungsverhältnis bei Erreichen der verein- barten Qualifizierungsziele entfristet wird (Tenure Track). Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt Das Institut für Epigenetik und Stammzellen (IES) gehört zum Stammzellzentrum von Helmholtz Munich, dem Deutschen Zentrum für Gesundheit und Umwelt. Die Forschenden des IES wollen verstehen, wie sich eine Zelle an ihre Funktion und Identität erinnern kann, um dann das Zellge- dächtnis so weit zurückzusetzen, dass sie wieder die Identität einer totipotenten Zelle annimmt. Das Verständnis der Zellidentität hat daher ein enormes Potenzial, künftige regenerative Thera- pien zu revolutionieren. schiedenen Ländern ihre Forschung den Mechanis- men, die der (Stamm-) Zellidentität zugrunde liegen, und der Aufdeckung der Prozesse, die der Umpro- grammierung von Zellen und der Genomstabilität zugrunde liegen. Dafür untersuchen sie wie Zellen ihr Genom verpacken, wie sie ihre Chromosomen schützen und wie sie Fitness erwerben, um in der Lage zu sein, Zellen zu erzeugen, die jeden Zelltyp eines Organismus bilden können. Das IES besteht aus insgesamt vier Forschungsgruppen und einer Mikroskopieabteilung, die durch ihre originelle und komplementäre Forschungslinien bahnbrechende Entdeckungen am IES ermöglichen. Unter der Leitung von Maria-Elena Torres-Padilla widmen die Wissenschafter:innen aus 20 ver- Institut für Epigenetik und Stammzellen (IES) Stammzellzentrum von Helmholtz Munich Feodor-Lynen-Straße 21 · 83177 München www.helmholtz-munich.de/ies Jahresmagazin des GSCN 2021/22 71 Foto: privat

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#ICH BIN HANNA – ODER, WAS BEDEUTET DAS WISSENSCHAFTSZEITVERTRAGSGESETZ FÜR NACHWUCHSWISSENSCHAFTLER*INNEN Die im Gesetz enthaltene familienpolitische, behinderten- politische und Corona-Komponente müssen verbindlich ausgestaltet werden: Eine Vertragsverlängerung bei Kin- derbetreuung, Beeinträchtigungen und pandemiebeding- ten Verzögerungen darf nicht nur eine Option für die Ar- beitgeber sein, sondern muss ein Rechtsanspruch für die Beschäftigten werden. Schließlich muss die Tarifsperre aus dem Gesetz gestrichen werden, damit Gewerkschaften und Arbeitgeber für die Beschäftigten günstigere Befristungs- regelungen aushandeln dürfen, was derzeit verboten ist. Ich bin Verena Börger, 42, und seit 10 Jahren als Wissenschaftli- che Mitarbeiterin/ Postdoc tätig. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Industrie bin ich seit 8 Jahren an der Uniklinik in Essen tätig. Seit dem Ende meines Studiums als Di- plom-Biologin habe ich 18 Verträge gehabt, wovon der kürzeste 1 Monat und der längste 3 Jahre lief. Alle Verträge sind im Rahmen von Drittmittelprojekte gewesen. Dadurch ent- steht ein enormer Druck, da wir nur durch die Produktion neuer Daten und Ergebnisse und den damit verbundenen Publikationen unsere Drittmittel rechtfertigen und erhal- ten. Dazu kommt das sich ständig wiederholende Einwer- ben von Drittmitteln, was kraftraubend und mühsam ist. Die Situation ist im Laufe der Jahre belastender gewor- den: Am Anfang ist die Flexibilität gut und der Wettbe- werb um Projekte belebend. Im Laufe der Jahre wächst aber der Wunsch nach Planungssicherheit für Familie und Eigentum, die uns im akademischen Umfeld leider kaum in Aussicht gestellt wird. Ich habe mich während der Doktorarbeit bereits sehr für die Herstellung von Arzneimitteln und die damit verbun- den regulatorischen Anforderungen interessiert. Diese Nische habe ich im Laufe meiner Karriere genutzt, mein Wissen erweitert und kann somit für viele Projekte die notwendige Expertise für Translation darstellen. Diese Expertise ist nicht an die Wissenschaft gebunden, so dass ich mir hierdurch viele Einsatzmöglichkeiten offenhalte. Mein Wunsch wäre es, langfristige Planungssicherheit für einen sicheren Arbeitsplatz im akademischen Umfeld an der Schnittstelle zur Translation zu finden bzw. meinen jetzigen dahingehend umzugestalten. Erfreulicherweise haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Ko- alitionsvertrag eine Reform des WissZeitVG in Aussicht ge- stellt und sogar den GEW-Slogan „Dauerstellen für Dauer- aufgaben“ zitiert. Spätestens nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der Evaluation des WissZeitVG, die wir im Früh- jahr erwarten, wird es im Bundestag eine entsprechende Debatte geben. Darauf wird die GEW Einfluss nehmen und eigene Vorschläge für eine Reform des Gesetzes vorlegen. Was raten Sie Nachwuchswissenschaftler*innen? Guter Rat ist teuer, aber nicht für Mitglieder der GEW. Mitglieder der GEW erhalten kostenlosen Rechtsschutz, was eine unverbindliche Rechtsberatung, aber auch finan- zielle Unterstützung im Falle einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung einschließt. Eine GEW-Mitgliedschaft ist aber auch wichtig, um die Stimme der GEW in wissen- schaftspolitischen Auseinandersetzungen mit Bund und Ländern, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, sowie in Tarifverhandlungen und im Arbeitskampf zu stärken. Aber auch die Mitglieder in Betriebs- und Perso- nalräten, in denen sich viele GEW-Kolleg*innen engagie- ren, wichtige Ansprechpartner*innen, um Beratung und Unterstützung zu gewähren. Es sollte in einer pluralisti- schen Demokratie selbstverständlich sein, eigene Inter- essen zu artikulieren und sich mit anderen Betroffenen zusammenzuschließen. Insofern lautet meine Empfehlung an Wissenschaftler*innen, sich Industriearbeiter*innen, Lokomotivführer*innen oder Klinikärzt*innen zum Vorbild zu nehmen: Get organized! Informationen im Netz zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz: Der Link zum Gesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/wisszeitvg/ Der Link zu Informationen des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/wissenschaftli- cher-nachwuchs/wissenschaftszeitvertragsgesetz/wissen- schaftszeitvertragsgesetz_node.html Der Link für die #Ich bin Hanna-Kampagne: https://ichbinhanna.wordpress.com GEW-Ratgeber „Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft“ In deutscher Sprache: https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/gew-ratgeber- befristete-arbeitsvertraege-in-der-wissenschaft/ In englischer Sprache: https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/fixed-term-con- tracts-in-higher-education-and-research-gew-guide-now- available-in-english-language 72 Stammzellforschung und Erkrankungen III Fotos: privat / Mohamed Mabrouk, Lab Wagner, RWTH Aachen

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iPSCs, die unter geometrisch eingeschränkten Bedingungen plattiert wurden, zeigen die räumliche Anordnung der Pluripotenzmarker: OCT4 (rot), E-Cadherin (grün), DAPI (blau).

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GSCN JAHRESBERICHT GSCN Jahresbericht Vorstände Geschäftsführender Vorstand Nach § 8 Absatz 1 der Satzung des German Stem Cell Network (GSCN) e.V. gehören dem geschäfts- führenden Vorstand (Präsidium) der amtierende Präsident (Vorsitzender), der Seniorpräsident (1. stellvertretender Vorsitzender), der designierte Präsident (2. stellvertretender Vorsitzender), der Schatzmeister und der Beisitzer an. Im aktuellen Vereinsjahr (Sept. 2021 – Sept. 2022) setzt sich der geschäftsführende Vorstand aus folgenden Personen zusammen: Prof. Dr. Hans Schöler (MPI für mol. Biomed.) [email protected] Amtierender Präsident (Vorsitzender) Seniorpräsident (1. stellvertretender Vorsitzender) Designierte Präsidentin (2. stellvertretende Vorsitzende) Schatzmeister Beisitzer Mitglieder des erweiterten und geschäftsführendem Vorstand: (v.li., vordere Reihe) Oliver Brüstle, Elvira Mass, Robert Zweigerdt, Uli Martin, Hans Schöler, Hartmut Geiger; (v.li., hintere Reihe) Nico Lachmann, Tobias Cantz, Claudia Waskow, Mina Gouti, Helen Morrison, Michael Cross 74 Stammzellforschung und Erkrankungen III Prof. Dr. Hartmut Geiger (Universität Ulm) [email protected] Prof. Dr. Claudia Waskow (Leibniz Inst. für Alterns- forschung, Jena) [email protected] Dr. Michael Cross (Universität Leipzig) [email protected] Prof. Dr. Andreas Trumpp (DKFZ Heidelberg) [email protected]

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Erweiterter Vorstand Dem erweiterten Vorstand, § 9 Punkt 1 der Satzung des GSCN e.V., gehören im Berichtszeitraum folgende Personen an: Dr. Sina Bartfeld (TU Berlin) [email protected] Prof. Dr. Dr. Thomas Braun (MPI Herz- und Lungenforschung, Bad Nauheim) [email protected] Prof. Dr. Oliver Brüstle (Universität Bonn) [email protected] Dr. Nina Cabezas Wallscheid (MPI Immun- biologie und Epigenetik, Freiburg) [email protected] GSCN JAHRESBERICHT Dr. Micha Drukker (Leiden University) [email protected] Dr. Marieke Essers (DKFZ Heidelberg) [email protected] Prof. Michaela Frye (DKFZ Heidelberg) [email protected] Dr. Mina Gouti (MDC Berlin) [email protected] Prof. Dr. Cornelia Kasper (Universität für Bodenkultur Wien) [email protected] Dr. Nico Lachmann (MH Hannover) [email protected] Prof. Dr. Ulrich Martin (MH Hannover) [email protected] Prof. Dr. Ana Martin-Villalba (DKFZ Heidel- berg) [email protected] Prof. Dr. Helen Morrison (Leibniz Inst. für Alternsforschung, Jena) [email protected] Dr. Francesco Neri (University of Turin) [email protected] Dr. Robert Zweigerdt (MH Hannover) [email protected] Die langjährigen Vorstandsmitglieder Frank Buchholz, Tobias Cantz, Ira Herrmann, Elvira Mass und Wolfgang Wagner schieden 2021 aus dem Erweiterten Vorstand aus. Das GSCN bedankt sich für ihr Engagement und hofft, dass sie sich auch als reguläre Mitglieder weiterhin für die Belange des Netzwerks eintreten und für die Aktivitäten zur Verfügung stehen. Fachgruppeninitiatoren Wissenschaftliche Fachgruppen Pluripotenz und Re-Programmierung Gewebestammzellen und Entwicklungsbiologie Grundlagen der Hämatopoese, deren Translation und Anwendung Stammzellen in Krankheiten (Krebs-Stammzellen) Stammzellen in regenerativen Therapien Dr. Micha Drukker, Prof. Dr. Hans Schöler Prof. Dr. Mathias Treier [email protected] Prof. Dr. Dr. Thomas Braun Prof. Dr. Federico Calegari (CRTD Dresden) [email protected] Prof. Dr. Ana Martin-Villalba Prof. Dr. Elly Tanaka (IMP Wien) [email protected] Dr. Nina Cabezas-Wallscheid (MPI Freiburg) Prof. Dr. Timm Schroeder (ETH Zürich, Basel) [email protected] Prof. Dr. Claudia Waskow Prof. Dr. Thomas Brabletz (Universität Erlangen Nürnberg) [email protected] Prof. Dr. Hartmut Geiger (Uni. Ulm) Prof. Dr. Michael Rieger (Goethe Universität Frankfurt) [email protected] Prof. Dr. Andreas Trumpp Dr. Michael Cross Prof. Dr. Ulrich Martin Prof. Dr. Wolfgang Wagner Jahresmagazin des GSCN 2021/22 75

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GSCN JAHRESBERICHT Stammzellen als Modellsysteme für Krankheitsforschung und Wirkstoffsuche Mathematische und informatische Methoden der Stammzellbiologie Strategische Fachgruppen Förderprogramme und -maßnahmen Nachwuchsförderung Klinische Studien und regulatorische Prozesse Öffentlichkeitsarbeit und Outreach-Aktivitäten Ethische, rechtliche und soziale Aspekte – ELSA Patienteninformation (z.B. Stammzelltherapien) Technologien in der Stammzellforschung Prof. Dr. Oliver Brüstle Dr. Bert Klebl (Lead Discovery Center, Dortmund) [email protected] Prof. Dr. Karl-Ludwig Laugwitz (Klinikum r.d.I. TU München) [email protected] Dr. Harald Stachelscheid (Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité, Berlin) [email protected] Prof. Dr. Georg Füllen (IBIMA Rostock) [email protected] Dr. Carsten Marr (Helmholtz Zentrum München) [email protected] Prof. Dr. Ingo Röder (TU Dresden) [email protected] N.N. Prof. Dr. Ulrich Martin Dr. Germán Camargo Ortega (ETH Zürich, Basel) [email protected] Karin Höhne (Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité, Berlin) [email protected] Dr. Marieke Essers Dr. Insa Schröder (GSI Helmholtzz. f. Schwerion.forsch.) [email protected] Dr. Andreas Kurtz (BCRT Berlin) [email protected] Prof. Dr. Torsten Tonn (Inst. f. Transfus.med. Dresden) [email protected] Prof. Dr. Hans-Dieter Volk (BCRT Berlin) [email protected] Dr. Zoltán Ivics (Paul-Ehrlich-Institut Langen) [email protected] Prof. Dr. Tobias Cantz [email protected] Ira Herrmann [email protected] Prof. Dr. Tobias Cantz Sara Gerke (Carlisle, USA) [email protected] Ira Herrmann Richard Schäfer (Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Transfusionsmedizin und Gentherapie) [email protected] Dr. Andreas Bosio (Miltenyi GmbH, Bergisch Gladbach) [email protected] Dr. Sebastian Diecke (Max-Delbrück-Centrum, Berlin) [email protected] 76 Prof. Dr. Frank Emmrich (Fraunhofer IZI, Leipzig) Stammzellforschung und Erkrankungen III

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Daten und Fakten Sitzungen GSCN JAHRESBERICHT Der Vorstand des GSCN e.V. trifft sich in regelmäßigen Abständen und führt Telefonkonferen- zen durch. Die Sitzungen werden durch die Geschäftsstelle koordiniert und organisiert. Im Jahr 2021 fanden die folgenden Sitzungen des geschäftsführenden Vorstands sowie die Mitgliederver- sammlung aufgrund der Corona-Pandemie zum Teil online statt: Sitzungen des geschäftsführenden Vorstands • 8. Feb. 2021 • 22. Juli 2021 • 5. Okt. 2021 in Dresden • 8. Feb. 2021 • 5. Okt. 2021 in Dresden Sitzung des erweiterten Vorstands • 6. Okt. 2021 in Dresden Übersicht der Mitglieder 2021 Mitgliederversammlung Natürliche Personen Vollmitglieder 273 Juniormitglieder 129 Juristische Personen Forschungsinstitute 17 Unternehmen > 20 Mitarbeiter in Vollzeit 5 Unternehmen < 20 Mitarbeiter in Vollzeit 15 Partnergesellschaften 1 Kündigungen von Mitgliedern zu 2021* 29 Mitglieder insgesamt 393 Wissenschaftliche Pluripotenz und Re-Programmierung 227 Mitglieder der Fachgruppen Fachgruppen Gewebestammzellen und Entwicklungsbiologie 177 Grundlagen der Hämatopoese, deren Translation und 103 Anwendung Stammzellen in Krankheiten (Krebs-Stammzellen) 182 Stammzellen in Krankheitsmodellen und Entwicklung von 211 Wirkstoffen Stammzellen in regenerativen Therapien 238 56 Mathematische und informatische Methoden der Stammzellbiologie Strategische Förderprogramme und -maßnahmen 162 159 144 Fachgruppen Nachwuchsförderung Klinische Studien und regulatorische Prozesse Öffentlichkeitsarbeit und Outreach-Aktivitäten Patienteninformation (z.B. Stammzelltherapien) Ethische, rechtliche und soziale Aspekte – ELSA Technologien in der Stammzellforschung * Das GSCN nimmt Abschied von dem Mitglied Dr. Bernd Denecke (RWTH Aachen), der bereits am 17. Dezember 2020 verstorben ist. 70 28 42 250 Jahresmagazin des GSCN 2021/22 77 Stand 31.12.2021

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GSCN JAHRESBERICHT 78 Stammzellforschung und Erkrankungen III • Bayerischer Forschungsverbund ForInter – BayFOR • BIH Regeneration – BIH Center for Regenerative Therapies (BCRT), Berlin • Center for Regenerative Therapies Dresden (CRTD) • Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg • Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP, Hamburg, • Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT), Aachen • Fraunhofer Translationszentrum Regenerative Therapien (TERM), Würzburg • Helmholtz Zentrum München, German Research Center for Environmental Health • Institut für Rekonstruktive Neurobiologie, Universität Bonn • ISAR Bioscience, München • Leibniz-Institut für Alternsforschung/Fritz-Lipmann-Institut (FLI) e.V., Jena • Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. • Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Berlin-Buch • Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung (MPI-HLR), Bad Nauheim • Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik (MPIMG), Berlin • REBIRTH Exzellenzcluster, Medizinische Hochschule Hannover (MHH) • SFB 873, COS, Universität Heidelberg Mitgliedsinstitute • Active Bioscience GmbH • AMSBIO • Biolamina • Biopharma Excellence GmbH • bit.bio Mitgliedsunternehmen • Catalent Düsseldorf • denovoMATRIX • Eppendorf AG • HI-STEM gGmbH • iota Sciences • Miltenyi Biotec B.V. & Co. KG • NIPPON Genetics EUROPE GmbH • OLS – OMNI Life Science GmbH & Co. KG • PELOBiotech GmbH • PeproTech GmbH • Proteintech Europe • Sartorius • Takara Bio Europe SAS • Thermo Fisher Scientific – LSG • Vita 34 AG • Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) e.V. Partnergesellschaften Mitgliederversammlung des GSCN Am 6. Okt. 2021 fand im Rahmen der 9. GSCN Konfe- renz die ordentliche GSCN Mitgliederversamm- lung 2021 mit 79 Teilnehmer*innen statt. Das Protokoll und die Präsentation zur Mitgliederversammlung stehen im GSCN Intranet HumHub im Ord- ner Membership Documents zur Verfügung.

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Jahresmagazin des GSCN 2021/22 79 Aktivitäten 2021/2022 GSCN JAHRESBERICHT Auch 2021 war von der Pandemie und ein- schneidenden gesellschaftlichen Einschrän- kungen wie die Beschränkung bzw. Absage öffentlicher Veranstaltungen in den ersten Monaten und den Wintermonaten geprägt. Dennoch hat das GSCN dieses erste Jahr der institutionalisierten Kooperation mit dem BIH genutzt, um die dazugehörigen Umstrukturie- rungen und Anpassungen an das Verwaltungs- system der Charité in der GSCN Geschäftsstelle vorzunehmen. Lickert zusammen mit Silvia Schirge und Ingo Butscherer vom Institut für Diabetes- und Re- generationsforschung am Helmholtz Zentrum- München verliehen. Die Publikation Scheibner, Schirge, Burtscher et al., 2021: Epithelial cell plasticity drives endoderm formation during gastrulation. DOI: 10.1038/s41556-021-00694-x wurde in Nature Cell Biology veröffentlicht. Übersetzung der ISSCR Richtlinien 2021/2022: Die „International Society for Stem Cell Re- search (ISSCR)“ veröffentlichte 2021 ihre Ak- tualisierung ihrer Richtlinien für Stammzell- forschung und klinische Translation (https:// www.isscr.org/policy/guidelines-for-stem-cell- research-and-clinical-translation). Das GSCN hat die Richtlinien gemeinsam mit dem Kom- petenznetzwerk NRW ins Deutsche übersetzt, damit diese international bedeutsamen ethi- schen, politischen und praktischen Richtlinien allen deutschsprachigen Politiker*innen und Wissenschaftler*innen zur Verfügung stehen (www.gscn.org/german-stem-cell-network/ isscr-guidelines). Das GSCN beteiligte sich 2021 mit Sessions, Öf- fentlichkeitsveranstaltungen und finanzieller Unterstützung an vielen erfolgreichen Online- und Onsite-Veranstaltungen: Das Netzwerk Die 9. GSCN Konferenz fand vom 6. bis 8. Okt. 2021 in Dresden am Center for Regenerative Therapies (CRTD) in Dresden statt. Ursprüng- lich war die Konferenz wie bereits 2020, als die GSCN Konferenz virtuell stattfinden musste, in Ulm geplant worden, jedoch entschied sich die Ulmer Universitätsleitung im August 2021 ge- gen die Umsetzung. Mit großer Energie gelang es der GSCN Geschäftsstelle, das CRTD in Dres- den als Konferenzort für den Oktober zu ge- winnen. Die Corona-Auflagen beschränkten die Teilnehmer*innenzahl jedoch auf 300 vor Ort und forderte ein Hygienekonzept, das neben 2G (geimpft und genesen) eine tägliche Tes- tung mit Schnelltests vorsah – dazu wurde eine eigene Teststation über drei Tage errichtet. Die Konferenz war ein voller Erfolg mit über 300 Teilnehmer*innen, 6 internationalen Key- notes, 68 Vorträgen in parallelen Sessions, mehr als 100 Poster an iPoster-Stationen sowie 26 Industrie-Ausstellern. GSCN Konferenz 2021: Das Non-PI-Meeting fand am 5. Okt. 2021 am CRTD statt. Die 18 Teilnehmer*innen diskutier- ten neben ihren eigenen wissenschaftlichen Ar- beiten und Problemstellungen im Arbeitsalltag auch das Wissenschaftsfreiheitsgesetz unter dem Stichwort „#IchbinHanna“ mit Herrn Steidten, einem Vertreter der Gewerkschaft Er- ziehung und Wissenschaft (GEW) Sachsen. Die Organsisator*innen Germán Ortega Camargo (Basel), Verena Börger (Essen), Meike Hoh- wieler (Ulm), Mona Vogel (Ulm), Gülce Percin (Jena) und Julieta Aprea (Dresden) haben das Treffen eigenständig und hervorragend organi- siert, je eine Übernachtung und ein gemeinsa- mes abendliches Dinner finanzierte das GSCN. GSCN beim virtuellen ISSCR Jahresmeeting 2021: Das GSCN war beim virtuellen ISSCR Meeting vom 21. bis 26. Juni 2021 sehr präsent. Zum ei- nen initiierte das GSCN einen Online-Talk von Hans Schöler, MPI for Biomolecular Medicine, Münster und GSCN President, über „Stem Cell Derivation by Directed Programming: Prob- lems and Solution“ am 24. Juni 2021. Am 25. Juni 2021 sprach als GSCN-BIH-Lecture Simon Haas, BIH/MDC, über „Single-Cell Proteo-Ge- nomic Reference Maps of the Hematopoietic System Enable the Purification and Massive Profiling of Precisely Defined Cell States”. Non-PI-Meeting 2021: Der „GSCN 2021 Young Investigator Award“ ging an Elvira Mass vom Life and Medical Sci- ences Institut (LIMES) der Universität Bonn. Mit dem „GSCN 2021 Hilde Mangold Award“ wurde Katja Schenke-Layland vom Naturwis- senschaftlichen und Medizinischen Institut an der Universität Tübingen ausgezeichnet. Als europäischen Booth „Euronet“ vereinten sich unter der Organisation des GSCN nahezu alle europäischen Stammzell-Netzwerke und präsentierten über den kompletten Zeitraum der Konferenz ihre Arbeit und standen für Ge- spräche zur Verfügung. Statt des traditionel- len GSCN Wunderbar Events bot das deutsche Netzwerk online Escape Room Spiele als ge- meinsame Aktivität an. Wissenschaftspreise „GSCN Awards“ 2021: Der „GSCN 2021 Publication of the Year Award“ wurde an Katharina Scheibner und Heiko Die Tagung der GSCN-Partnerorganisation In- terdisziplinäre Gruppe für Labor und Durch- flusszytometrie (IGDL), die 2020 gerade noch vor dem ersten Pandemie-bedingten Lock- down stattfand, musste 2021 und auch 2022 leider entfallen, da sich eine on-site Tagung nicht organisieren ließ. IGDL-Tagung 2021:

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GSCN JAHRESBERICHT 80 Stammzellforschung und Erkrankungen III Finanzielle Unterstützung der virtuellen Jah- restagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) vom 22. bis 24. Sept. 2021. In der joi- ned Session des GSCN am Freitag den 24. Sept. waren hochkarätige Wissenschaftler*innen beteiligt. Die Session, unter dem Vorsitz von Hannes Klump (Essen) und Daniel Besser (Ber- lin), startete mit einem Vortrag von Elly Tanaka (IMBA Wien, Österreich) zu „Learning regene- rative strategies from regenerative animals”. Die zwei weiteren Präsentationen wurden von Frank Edenhofer (Uni. Innsbruck, Österreich) zu „Turning blood into brain: Biomedical ap- plications of cellular reprogramming” und Wolfram Zimmermann (Uniklinik Göttingen): „Translating tissue engineered heart repair“ gehalten. Die Session fand reges Interesse der versammelten Online Community und führte zu interessanten Diskussionen. Die Wissenschaftskommunikation DGTI-Jahreskongress 2021: ÖffentlichkeitsarbeitundPublicOutreachste- hen in einer Organisation für das Initiieren und Organisieren verschiedener Formate, um Inhalte und Themen zielgerecht gesellschaft- lichen Gruppen anzubieten. Bei der Stamm- zellforschung sind das für das GSCN politi- sche und andere Entscheidungsträger*innen, Schüler*innen, Patient*innen und die interes- sierte Öffentlichkeit. Der geplante EuroStemCell Workshop musste infolge der Pandemie ebenfalls entfallen. Über das Jahr 2021 gab es allerdings eine Reihe von Online-Treffen zum neuen Programm EuroGCT (Gene and Cell Therapie, https://www.eurogct. org) welches mit 47 europäischen Partneror- ganisationen dem EuroStemCell Programm nachfolgt. EuroGCT kümmert sich um den weiten Bereich der Gen- und Zelltherapie und Informationsmaterialien zum Thema für Pati- enten, Angehörige und die interessierte Öffent- lichkeit. 2022 ist nun wieder ein Workshop des EuroGCT Konsortiums geplant. Wissenschaftliche Öffentlichkeits- veranstaltung 2021: Online BIH-Lecture in Kooperation mit dem GSCN am 23. Mai 2021: „Current Status and Future Vision of Retinal Cell Therapy“ by Dr. Masayo Takahashi, Riken Center for Developmental Biology (Japan) Online BIH-Lecture in Kooperation mit dem GSCN am 17. Dez. 2021: „Engineering Organoid Development“ by Prof. Matthias Lütolf, Scientific Director of the Ro- che Institute for Translational Bioengineering and a Professor of Bioengineering at the Swiss Federal Institute of Technology in Lausanne (EPFL) EuroStemCell-Workshop 2021: Dr. rer. nat. Jennifer Steens Universitätsklini- kum Essen (AöR), Institut für Zellbiologie (Tu- morforschung) GSCN-Reisestipendien 2021: Aufgrund der Pandemie war der UniStem Day 2021 ein virtuelles Event, das am 5. März 2021 von 8 bis 10 Uhr morgens per Zoom abgehal- ten wurde. Die Sprecher*innen Sina Bartfeld (Würzburg), Nico Lachmann (Hannover) und Christopher Stamm (Berlin) sprachen vor rund 165 Schüler*innen über Organoide, Forschung an Makrophagen und den Einsatz von Stamm- zellen in der Herzchirurgie. Trotz des virtuel- len Formats entstand eine lebhafte Diskussion mit den Jugendlichen – übrigens nahmen nicht nur Schüler*innen aus Berlin teil, sondern auch aus Jena. In Deutschland wurden bundesweit an vielen Standorten mit großem Erfolg virtu- elle UniStem Days, tatkräftig unterstützt durch die GSCN Geschäftstelle, abgehalten. Öffentlichkeitsveranstaltung Hygiene-Museum Dresden 2021: Am 8. Okt. 2021 fand im Hygiene Museum Dresden die Öffentlichkeitsveranstaltung des GSCN zum aktuellen Stand der Stammzell- forschung statt. Der Abend startete um 18:30 Uhr mit der Posterausstellung in der Wandel- halle des Museums. Um 19 Uhr begann die Podiumsdiskussion unter der Moderation von Stefanie Seltmann mit den Podiumsgästen Michael Brand (CRTD Dresden), Heiko Lickert (Helmholtz Zentrum München), Hans Schöler (MPI Münster) und Claudia Waskow (FLI Jena). Im Anschluss an die Diskussion gab es um 20:30 Uhr einen kleinen Empfang mit Geträn- ken, Brezeln und Austausch zwischen Publi- kum und Wissenschaftler*innen. UniStem Day 2021: Zusammen mit dem BIH präsentierte das GSCN am 5. und 6. Nov. 2021 im Naturkundemuseum Berlin im Rahmen der Berlin Science Week ihre Posterausstellung über Stammzellforschung und Möglichkeiten zukünftiger Stammzellthe- rapien. Mit Quiz, Gewinnspielen, Vorträgen von Wissenschaftler*innen und viel Interaktion mit dem Publikum gelang es, viele Besucher*innen über das Thema Stammzellforschung zu infor- mieren. Berlin Science Week 2021:

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Jahresmagazin des GSCN 2021/22 81 Die modulare und interaktive Posterausstel- lung „Zellen fürs Leben“ bzw. „Stem Cells for Life“ mit ihren digitalen „Informationsräumen“ kam 2021 bei diversen Gelegenheiten zum Einsatz und hat viel Zustimmung gewonnen. Bei der GSCN Konferenz wurde sie zum ersten Mal als englische Ausstellung gezeigt, bei den Öffentlichkeitsveranstaltungen informierte sie die Besucher*innen und gab in Kombination mit dem Quiz viel Anlass zu Gespräch und Dis- kussion. GSCN Unterrichtsmaterial „Stammzellen- verstehen.de“ und „Understanding-stem- cell.info“ Das Unterrichtsmaterial des GSCN hat sich viel- fältig bewährt und steht in beiden Sprachen aktualisiert zur Verfügung für die Allgemein- heit, insbesondere Lehrer*innen sowie Fort- bildungsmaßnahmen für Biologielehrer*innen nutzen sie besonders gerne. GSCN Videos über Diabetes und Gehirnorganoide Das GSCN produzierte 2021 Videos auf Deutsch und Englisch. Eines mit Heiko Lickert vom Helmholtz Zentrum München über seine Dia- betesforschung und ein Video mit Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Bio- medizin in Münster über die serielle Produk- tion und Forschung an Gehirnorganoiden. Bei- de Filme stehen sowohl auf der GSCN Webseite als auch auf dem GSCN YouTube Kanal der All- gemeinheit zur Verfügung. Veranstaltung zu Stammzellen mit Medizin- student*innen an der Charité im Online Format, Berlin 29. April, 18. und 25. Nov. 2021 Posterausstellung „Zellen fürs Leben“: Weitere GSCN-Veranstaltungen in Berlin: Das GSCN wurde auch 2021 ganzjährig von Journalisten für Interviews und Hintergrund- gespräche angefragt, herausragend war sicher die Zuarbeit in Form von Information und In- terview (Daniel Besser) für das Projekt Schul- film über Stammzellforschung von André Rehse im Sommer 2021. Herausgestochen hat auch der Rundfunkbeitrag „Schon reif für die Klinik“ am 11. Nov. 2021 im Deutschlandfunk mit Daniel Besser über Risiken von ungeprüf- ten Stammzelltherapien. Einen besonderen Beitrag lieferte das GSCN auch zu dem Artikel „Unter die Haut der Zuckerkranken: Stamm- zell-Implantate produzieren Insulin“ im Tages- spiegel vom 3. Dez. 2021. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Kündigung der GSCN-Mitgliedschaft ein- fach und formlos per E-Mail an die GSCN-Ge- schäftsstelle ([email protected]) vor- genommen werden kann. Das Schreiben muss bis zum 30. Nov. des Jahres vorliegen, um die Mitgliedschaft für das nächste Geschäftsjahr (ab 1. Jan.) zu kündigen. Herausragende Journalistenkontakte: Das GSCN nutzt für seine Kommunikation vie- le Kanäle: Über Humhub, Newsletter, Twitter, LinkedIn, die neu gestaltete englische GSCN Webseite und Facebook erreicht das GSCN sei- ne Mitglieder und interessierte Follower. Auch Patient*innen melden sich ganzjährig und su- chen Einschätzungen zu klinischen Studien und Aussichten von Stammzelltherapien. Finanzen Social Media GSCN: Das GSCN ist ein gemeinnütziger Verein und finanzierte sich 2021 aus Mitgliedsbeiträgen sowie über die gemeinsame Dialogplatt- form Stammzellforschung des Berlin Ins- titute of Health (BIH) in der Charité. Nach § 4 der Satzung des GSCN wird die Höhe der Mitgliedsbeiträge in einer von der Mitglieder- versammlung erlassenen Beitragsordnung ge- regelt. Die Mitgliedsbeiträge sind auf dem Bei- trittsformular des GSCN aufgeführt. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Die Mitgliedsbeiträge werden zu Beginn des Ge- schäftsjahres fällig. Dem geschäftsführenden Vorstand obliegt die Erarbeitung des Jahres- abschlusses des Vereins und die Vorlage an die Mitgliederversammlung. Die detaillierte Dar- stellung der Finanzen erfolgt in den Mitglie- derversammlungen. GSCN JAHRESBERICHT

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