Zusammenfassung
Kapitel 2 bietet als inhaltlichen Einstieg ins Thema eine ausführliche Erörterung von Plancks sowie Einsteins Schritten hin zur Quantisierung, auch im historisch-kontrastiven Vergleich der beiden Denker und ihrer jeweiligen Motive und Heuristiken. Abschnitt 2.2 diskutiert Einsteins Gedankenführung bis zum Aufsatz von 1905 und den Zusammenhang der vielen bedeutenden Arbeiten seines annus mirabilis 1905 und der Folgejahre bis 1909, während (in 2.4) als Kontrastfolie dazu Plancks zweite Quantentheorie 1909–13 besprochen wird. Planck versuchte damals (erfolglos), die von ihm selbst 1900 zaghaft eingeführte Quantisierung der Energie auf die materiellen Resonatoren des schwarzen Körpers zurückzuführen, damit das in seinen Augen kontinuierliche (also auch energetisch nicht-quantisierte) Strahlungsfeld in dessen Innerem selbst uneingeschränkt weiter den Maxwell-Gleichungen genügen kann. Mit weiteren Arbeiten Einsteins, die zeigen konnten, dass die Plancksche Formel zur Strahlungsverteilung bereits die Energiequantisierung auch des Strahlungsfeldes selber voraussetzt, war diese Interpretations-Option dahin. Abschnitt 2.5 erörtert die Vielfalt einschlägiger Begriffe in statu nascendi im Werk von Einstein und seinen Zeitgenossen. Die meisten der damals erwogenen Begriffsalternativen wie z.B. ‚Lichtkorpuskel‘ oder ‚Energieprojektile‘ sind heute vergessen. Abschnitt 2.6 belegt u.a. mithilfe einer google n-gram Statistik den langsamen Aufstieg des Terminus ‚Photon‘, der in der heute verwendeten Form auf den Physikochemiker G.N. Lewis (1926) zurückgeht.
Notes
- 1.
- 2.
- 3.
Vgl. Hentschel & Tobies (Hrsg.) 2. Aufl. 2003, S. 254 ff. für die wohlmeinenden, aber wenig begeisterten Gutachten.
- 4.
- 5.
- 6.
Zu Kirchhoffs Stil siehe den Beitrag von Hentschel in Hentschel & Zhu (Hrsg.) 2016.
- 7.
Diese Abstraktheit wurde Planck gelegentlich auch angekreidet, so z. B. von Niels Bohr in einem Vortrag vor der dänischen Physikalischen Gesellschaft am 20. Dez. 1913: „no one has ever seen a Planck’s resonator, nor indeed even measured its frequency of oscillation; we can observe only the period of oscillation of the radiation which is emitted“ (in Engl. Übers. von 1922, zit. nach Kragh (2014c) S. 16). Eine Visualisierungshilfe (freilich nicht im Planckschen Sinne!) bietet Giuliani (2011) S. 118.
- 8.
Planck (1897/99) Teil V, S. 479–480, vorgetragen in der Sitzung der Preußischen Akademie der Wissenschaften vom 18. Mai 1899.
- 9.
Achtung: in früheren Arbeiten trägt das spätere Wirkungsquantum noch die Bezeichnung b, ab 1900 dann h, numerisch angesetzt zu 6, 5510−27 erg s – ich habe die Nomenklatur hier der besseren Lesbarkeit halber durchgehend vereinheitlicht zu h.
- 10.
Letztlich geht es auch auf Planck und seinen Schüler Max von Laue zurück, dass Einstein ab 1914 in Berlin eine äußerst komfortable Position als Direktor eines eigens für ihn gegründeten und bis 1937 nur auf dem Papier bestehenden Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik ernannt wurde. Siehe dazu Kirsten & Treder (Hrsg.) 1979.
- 11.
- 12.
Über diese Grundlagen der Theorie und Praxis der Spektroskopie siehe Kirchhoff (1860) sowie Hentschel (2002) und dort zit. weitere Primärquellen. Über kleinste Abweichungen in der Lage dieser Spektrallinien, die durch Relativbewegung von Lichtquelle oder Empfänger sowie durch die Gravitationsrotverschiebung herrühren, siehe Hentschel (1996) u. dort gen. Primärlit.
- 13.
Kirchhoff (1860) S. 300, Orthogr. orig.
- 14.
- 15.
Einstein (1913), S. 1078 bzw. CPAE 4: 562.
- 16.
Siehe Wien (1896). Wiens b entspricht h/k in heutiger Nomenklatur.
- 17.
- 18.
- 19.
- 20.
- 21.
- 22.
- 23.
Einstein (1927) S. 546.
- 24.
Planck (1900b) S. 240.
- 25.
Einstein (1927) S. 546 (Referat eines Vortrags von Einstein), aber diese Passage ist am Auslassungszeichen ausdrücklich markiert mit „wie Einstein sich ausdrückt“, somit ein fast wörtliches Zitat.
- 26.
Siehe dazu erneut den oben zitierten Brief von Planck an Robert W. Wood (zit. u. a. bei Hermann (1969/71a) S. 31.
- 27.
Hund (1984) S. 29.
- 28.
- 29.
- 30.
Diese Gutachten sind leider nicht erhalten, aber alle Aufsätze Einsteins aus dieser Zeit liegen mittlerweile mehrfach kommentiert und annotiert vor: Siehe die Collected Papers of Albert Einstein, im Folgenden abgekürzt CPAE, inzwischen 14 Bände.
- 31.
So Einsteins Definition der Lichtquanten 1905, S. 133; vgl. z. B. Pais (1982) S. 373 oder Fölsing (1993), für den dieser Satz Einsteins sogar der „revolutionärste“ in der gesamten Physik des 20. Jahrhunderts ist. Siehe ferner Rigden (2005) S. 18 für fünf allg. Kriterien, die einen naturwissenschaftlichen Aufsatz ‚revolutionär‘ werden lassen: (i) allumfassend („a big idea“), (ii) provokativ bzw. gegenwärtigen Auffassungen widersprechend, (iii) zunächst fast einmütig abgelehnt, (iv) dann zögerlich akzeptiert, und (v) zuletzt breit akzeptiert.
- 32.
So Einstein vier Jahre später an H.A. Lorentz, 30. März 1909, CPAE 5, Nr. 146, S. 166.
- 33.
- 34.
- 35.
Planck an Einstein, 6. Juli 1907 (Phys. Abh. II, 292 ff.).
- 36.
Planck (1910b) S. 242 f.
- 37.
Siehe dazu S. 155. Diese zweite Quantentheorie ist nicht zu verwechseln mit der in Abschn. 3.12 später ebenfalls zu besprechenden ‚zweiten Quantisierung‘ in der QED.
- 38.
- 39.
M. Besso an A. Einstein, 17. Jan. 1928, in Speziali (Hrsg.) 1972, S. 237–238.
- 40.
So Einstein (1905) S. 132, datiert Bern, 17. März 1905 und erschien im Heft vom 9. Juni 1905 der Annalen der Physik, zu dieser Zeit herausgegeben von Wilhelm Wien und Max Planck, also genau den beiden theoretischen Physikern, an deren Werk Einstein direkt anknüpft.
- 41.
- 42.
- 43.
So z. B. Debye & Sommerfeld (1913) sowie Millikan (1913) S. 123; vgl. dazu hier Abschn. 4.7.
- 44.
- 45.
A. Einstein an J. Laub, 17. Mai 1909, CPAE 5, S. 187.
- 46.
- 47.
Heute wird die Nullpunktsenergie mit der Heisenbergschen Unschärferelation Δp · Δq ≥ ћ begründet, die erst 1927 von Werner Heisenberg formuliert wurde.
- 48.
- 49.
Einstein (1916a) S. 318.
- 50.
Einstein (1927) S. 546. Freilich sagte er damals auch, dass andere Eigenschaften wie die Interferenzfähigkeit des Lichts, durch die „Quantenauffassung nicht erklärt werden“. Siehe Abschn. 3.8 zum Welle-Teilchen-Dualismus, insbesondere Sommerfeld (1919d) [4. Aufl. 1924]: „Ein Strahl, in dem Energie und Impuls punktförmig lokalisiert sind, unterscheidet sich sachlich nicht mehr von einem korpuskularen Strahl; wir haben Newtons Korpuskuln wiederbelebt.“
- 51.
- 52.
So z. B. bei L.T. Troland 1917, bei Ornstein und Zernike 1920, und noch 1926 bei C.D. Ellis, als er in der Londoner Royal Institution drei Vorlesungen über „The atom of light and the atom of electricity“ hielt.
- 53.
- 54.
Siehe Comstock & Troland (1917) § 10, S. 46 – der Teil I dieses Lehrbuches, aus dem dieses Zitat stammt, wurde von Comstock verfasst. Im gleichen Absatz übersetzte Comstock übrigens den Ausdruck „Licht Quanta“ [sic], den er fälschlicherweise Planck und nicht Einstein zuschrieb, als „Light Quantities“.
- 55.
Siehe Compton (1925) S. 246: „light bullets“: „light as consisting of streams of little particles“.
- 56.
Siehe Millikan (1935b) S. 259.
- 57.
- 58.
Hughes (1914) S. 5.
- 59.
Möglicherweise war es eine Anspielung auf William H. Braggs damalige Spekulationen über γ-Strahlung als neutrales bipolares Teilchen: siehe dazu hier Abschn. 4.6.
- 60.
- 61.
Alle nachfolgenden Zitate sind aus Einstein (1905), datiert Bern, 17. März 1905 und erschienen im Heft vom 9. Juni 1905 der Annalen der Physik, annotiert und kommentiert wieder abgedruckt u. a. auch in den Collected Papers of Albert Einstein (nachfolgend abgekürzt CPAE), Bd. 2, hier aber stets zitiert nach der Originalpaginierung von 1905.
- 62.
- 63.
Habicht war Mitglied in der informellen Runde, scherzhaft auch „Akademie Olypmpia“ genannt, in der Einstein, Habicht und Besso grundlegende Texte über Mechanik und Elektrodynamik von Ernst Mach, Hermann von Helmholtz, Heinrich Hertz, Ludwig Boltzmann u.v.a. führenden Physiker-Philosophen der Zeit lasen und diskutierten. Zu Einsteins damaligen Kontexten und Kontakten siehe Ann M. Hentschel & Grasshoff (2005).
- 64.
A. Einstein an C. Habicht, Bern, 18. oder 25. Mai 1905, publ. in CPAE Bd. 5 (1993) S. 31 f.
- 65.
Webster’s Dictionary: „providing aid and direction in the solution of a problem but otherwise unjustified or incapable of justification“; Oxford English Dictionary (nachfolgend abgekürzt OED), Bd. 7 (2. Aufl. 1989), S. 193: „heuristic, serving to find out or discover“ mit ältestem Nachweis von 1821 in einem Brief von Samuel Taylor Coleridge (1772–1834).
- 66.
Zur Fluidität von Konzepten in der Phase ihres Entstehens siehe programmatisch Hofstadter (1995).
- 67.
Kragh (2014b) S. 263: „when it [the term ‚photon‘, KH] was originally introduced, it was with a different meaning. It can be traced back to 1916, when it was proposed as a unit for the illumination of the retina, and ten years later the name was revived in still another non-Einsteinian context.“
- 68.
Über Troland, der neben Physik und Psychologie auch Biochemie studiert hatte, 1915 an der Harvard University über visuelle Adaptation promoviert worden war, und 1922–24 Präsident der Optical Society of America war, siehe Kragh (2014b) S. 271 f.
- 69.
Troland (1917) S. 1, 5 und 32 (Hervorhebungen orig.).
- 70.
Comstock & Troland (1917) S. 182–189. Der Ko-Autor Comstock hatte nach seiner Promotion 1906–07 kurze Zeit bei J.J. Thomson in Cambridge gearbeitet und war Anhänger einer Emissionstheorie des Lichtes.
- 71.
So z. B. Millikans Plenarvortrag von 1913 vor der American Association for the Advancement of Science.
- 72.
Joly (1921) S. 26.
- 73.
Joly (1921) S. 29.
- 74.
Über Wurmser, der 1921 mit „Recherches sur l’assimilation chlorophylienne“ promoviert worden war, später Präsident der Société française de chimie und Gründungsmitglied der Société française de biochimie et de biologie moléculaire wurde, siehe http://cths.fr/an/prosopo.php?id=112958 und dort genannte weiterführende Quellen.
- 75.
Siehe dazu Henri & Wurmser (1913).
- 76.
Wurmser (1925a) S. 60 (Hervorhebung orig.). Dieser Aufsatz war im Sept. 1924 eingereicht worden, erschien aber erst 1925. Analog auch Wurmser (1925b) S. 375: „cette activité particulière des radiations vertes pouvait être expliquée en admettant que l’activation d’une molécule […] exige l’absorption d’un nombre entier, mais variable, de photons.“
- 77.
Wurmser (1987) S. 92: „This paper of 1925 contains some considerations which remain of interest from a modern point of view“ – wie wahr!
- 78.
Zu Wolfers liegt nur sehr wenig biographische Information vor, insbesondere auch keine gesicherten Geburts- und Todesjahre. 1920–40 arbeitete er an der Universität von Algiers, später wurde er Prof. der Physik in Paris. Möglicherweise starb er 1969 in Kalifornien, USA.
- 79.
- 80.
- 81.
Wolfers (1926) S. 276 (Hervorhebung orig.) und S. 277.
- 82.
Siehe Small (1981) Bd. 1, Sp. 1892 sowie Kragh (2014b) S. 274 und das Web of Science, einem Konsortium wissenschaftlicher Online-Zitations- und Literaturdatenbanken, ursprünglich eingeführt vom Institute for Scientific Information (ISI), 1992 von Thomson Reuters sowie 2016 von Clarivate Analytics übernommen.
- 83.
- 84.
Zu den Forschungskontexten und Fragestellungen, die G.N. Lewis verfolgte, als er 1926 dieses Konzept einführte, siehe Stuewer (1975) und dort genannte weiterführende Texte.
- 85.
- 86.
Siehe z. B. Nisio (1973), Pais (1991) Kap. 10, Kragh (2012), Eckert (2014), hier Abschn. 3.9 u. dortige Primärlit.
- 87.
Siehe z. B. Hentschel (2009b, c).
- 88.
- 89.
- 90.
Lewis (1926b) S. 238.
- 91.
- 92.
Für eine anschauliche Erläuterung jener Vorstellung siehe Paul (1985) S. 70–86.
- 93.
Lewis (1926c) S. 875 (Hervorhebung orig.).
- 94.
- 95.
Siehe Électrons et Photons/Electrons and Photons (1927/28), sowie Bacciagaluppi & Valentini (Hrsg.) 2009 (inkl. Dokumentation und engl. Übersetzung jener Proceedings).
- 96.
Kragh (2014b) S. 276 schreibt: „Most likely the name entered the title of the proceedings only during the last phase of preparation, reflecting that several of the speakers and discussants used ‚photons‘ rather than ‚light quanta‘ in their reports. Among them were Lorentz, Louis de Broglie, Paul Dirac, Léon Brillouin, Paul Ehrenfest, and Arthur Compton.“
- 97.
- 98.
Über derartige Neologismen durch Entlehnung aus anderen Sprachen siehe Caso (1980) S. 107, nach ihm die zweithäufigste Form wissenschaftlicher Wortprägung nach semantischer Erweiterung.
- 99.
Compton (1927b) S. 84.
- 100.
- 101.
Vorsicht: die naive Suche nach light quantum (ohne Anführungszeichen), die auf 2.060.000 Treffer führt, beinhaltet durch andere Worte getrennte Vorkommnisse von ‚light‘ und ‚quantum‘.
- 102.
Unter anderem aufgrund der durch den google-Suchalgorithmus auch mit Anführungszeichen usw. nicht unterdrückbaren Zusammenziehung von Satzende und nachfolgendem Satzanfang, unterdrückte Satzzeichen etc.
- 103.
Annähernd 0,0007 % relativ zum Gesamtvokabular des in den n-gram viewer eingehenden samples von google gescannter Texte.
- 104.
Dieses Absinken bis auf 0,0005% kann bereits ein Artefakt der für die letzten Jahre nicht mehr so breiten Datenbasis des n-gram viewers sein, in den alle von google gescannten Bücher eingehen, denn Neuerscheinungen werden von den Verlagen oft etliche Jahre nicht bereitgestellt. Daher ist die Voreinstellung des n-gram-viewers auch so, dass nur Texte bis zum Jahr 2000 berücksichtigt werden; spätere Jahre sollten nicht ausgewählt werden.
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Hentschel, K. (2017). Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung. In: Lichtquanten. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-55273-5_2
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