Sauerstoffaufnahme

Autor:

Billy Sperlich

Evidenzpyramide:

Sauerstoffaufnahme

Die Sauerstoffaufnahme (VO2) ist die Menge an Sauerstoff (O2), die vom Organismus aus der Umgebungsluft pro Minute aufgenommen wird. Die VO2 erlaubt als Absolutwert (ml∙min-1) oder in Bezug zum Körpergewicht (ml∙min-1∙kg-1) eine Abschätzung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit. Die maximale Aufnahme des kardiopulmonalen Systems an O2 wird als maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max bzw. VO2peak) bezeichnet. Die Abkürzungen VO2peak und VO2max werden unterschiedlich gebraucht. Die VO2peak wird dabei als höchster gemessener Wert der O2-Kinetik bei Ende eines Ausbelastungstests (z.B. Ergometertest) bezeichnet. Bei der VO2max hingegen kann ein Abflachen der VO2 (Plateaubildung) bei kardiopulmonaler Ausbelastung ersichtlich sein.

Kinetik der Sauerstoffaufnahme während eines Rampentests auf einem Fahrradergometer.

Die VO2max ist wohl einer der am häufigsten gemessenen Atemgasparameter, da dieser Wert die maximale aerobe ATP-Resynthese definiert und daher eine enge Korrelation zwischen der Ausdauerleistungsfähigkeit und der Höhe der VO2max besteht [1].

“Maximum oxygen uptake (VO2max) […] sets the upper limit for endurance performance.” Archibald Vivian Hill – Nobelpreisträger 1922

Mittlerweile ist auch sehr gut dokumentiert, dass eine hohe VO2max das Risko für koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfall, Krebserkrankung deutlich minimiert [2, 3].

Zusammenhang zwischen der maximalen sauerstoffaufnahme (VO2max) und der 5-km Geschwindigkeit.

Limitierende Faktoren

Die VO2max wird durch eine Vielzahl zentraler und peripherer Faktoren limitiert [1]. Der Physiologe Adolf Fick zeigte recht früh die wesentlichen Komponenten der Sauerstoffaufnahme, die er in der Fick‘schen Gleichung zusammengefasst hat:

Zu den drei Hauptkomponenten zählen die Herzfrequenz uns das Schlagvolumen (SV) des Herzens. Zusammen bilden beide Größen das Herzminutenvolumen ((HZV; engl. „cardiac output“ (Q)). Die dritte wichtige Größe für die Sauerstoffaufnahme ist die arterio-venöse Sauerstoffdifferenz (avDO2). Diese gibt die Differenz zwischen dem O2-Gehalt im sauerstoffreichen Blut (Arterien) und den abfließenden Gefäßen (Venen) dar. Je höher die Differenz desto mehr Sauerstoff steht der Muskulatur zur Energieumwandlung zur Verfügung.

Zu den wesentlichen limitierenden Faktoren der avDO2 zählt die mitochondrialen Enzymaktivität und die muskuläre Kapillardichte [1]. Es ist gut dokumentiert, dass die Steigerung der  VO2max mit einer Steigerung der Kapillar- [4, 5] und Mitochondriendichte [6-8] in der Arbeitsmuskulatur einhergeht. Im Vergleich zum untrainierten Muskel weist der ausdauertrainierte Muskel eine dreifach höhere Kapillardichte, eine drei- bis vierfach höhere Aktivität von aeroben Enzymen sowie eine höhere Anzahl an Typ I Muskelfasern (Slow Twitch) auf [9] [7]. Sämtliche dieser stoffwechselbedingten Verbesserungen ermöglichen eine hohe avDDO2 (= Sauerstoffausschöpfung) und damit eine Steigerung der mitochondralen ATP-Synthese. Alle zuvor genannten Mechanismen erlauben integrativ eine verzögerte muskuläre Ermüdung.

Da der Verlauf der Sauerstoffaufnahme bei ansteigender Belastung eng mit dem Herzfrequenzverlauf zusammenhängt, ist es möglich über den Verlauf der Herzfrequenz die Sauerstoffaufnahme, die sonst aufwendig im Labor erhoben werden müsste abzuschätzen. Diese Funktion ist mittlerweile in der Software vieler Smartwatches eingebaut und je nach künstlicher Intelligenz (mit entsprechenden Abweichungen zur Labormessung) für die Trainingspraxis recht brauchbar.

Zusammenhang von Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme während einem Rampentest.

Normwerte

Die Normwerte für die VO2max bei untrainierten Erwachsenen liegen je nach Alter,  Geschlecht und Muskelmasse zwischen 30 bis 50 ml·min-1·kg-1, wobei Frauen eine um ca. 10 bis 15% geringere VO2max aufweisen als Männer [10]. Für beide Geschlechter ist generell ab dem 30. Lebensjahr mit einer jährlichen Abnahme von ca. 1% der Maximalwerte zu rechnen. Trainierte Ausdauerathleten, wie bspw. Radfahrer oder Ruderer, können maximale Werte von bis zu 90 ml·min-1·kg-1 erreichen. Einen guten Überblick über Normwerte unterschiedlicher Kaderathleten*innen zeigt nachstehende Abbildung [11].

In einem Trainingsexperiment wurden 96.7 mL/min/kg Sauerstoffaufnahme eines Radsportlers gemessen [12]. Lance Armstromg hatte mit unerlaubten Mittel eine VO2max von ca. 85 mL/min/kg

Submaximale Sauerstoffaufnahme – Bewegungsökonomie

Ein häufig vergessener Parameter in der spirometrischen Leistungsdiagnostik stellt die Bewegungsökonomie dar [13]. Bei stufenförmigen Belastungstests wird bei gleichbleibender submaximaler Belastungsintensität (entsprechend ca. ≤ 80% der VO2max) die Sauerstoffaufnahme als Maß für die Bewegungsökonomie definiert[14][18][19]. Die Laufökonomie wird als (steady state) Sauerstoffaufnahme in ml·min-1·kg-1 bei standardisierten Laufgeschwindgkeiten [14, 15] oder als Sauerstoffverbrauch pro Meter (ml·min-1·m-1) [16] definiert. Eine Verbesserung der Laufökonomie um 5% geht mit einer Verbesserung der Leistung um 3,8% einher.

Quellen

  1. Bassett, D.R., Jr. and E.T. Howley, Limiting factors for maximum oxygen uptake and determinants of endurance performance. Med Sci Sports Exerc, 2000. 32(1): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10647532
  2. Lee, D.C., et al., Mortality trends in the general population: the importance of cardiorespiratory fitness. J Psychopharmacol, 2010. 24(4 Suppl): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20923918
  3. Mandsager, K., et al., Association of Cardiorespiratory Fitness With Long-term Mortality Among Adults Undergoing Exercise Treadmill Testing. JAMA Netw Open, 2018. 1(6): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30646252
  4. Pringle, J.S., et al., Oxygen uptake kinetics during moderate, heavy and severe intensity „submaximal“ exercise in humans: the influence of muscle fibre type and capillarisation. Eur J Appl Physiol, 2003. 89(3-4): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12736837
  5. Kirkendall, D.T. and W.E. Garrett, Jr., The effects of aging and training on skeletal muscle. Am J Sports Med, 1998. 26(4): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9689386
  6. Hoppeler, H. and E.R. Weibel, Structural and functional limits for oxygen supply to muscle. Acta Physiol Scand, 2000. 168(4): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10759581
  7. Tonkonogi, M., et al., Mitochondrial function and antioxidative defence in human muscle: effects of endurance training and oxidative stress. J Physiol, 2000. 528 Pt 2: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11034627
  8. Bizeau, M.E., W.T. Willis, and J.R. Hazel, Differential responses to endurance training in subsarcolemmal and intermyofibrillar mitochondria. J Appl Physiol (1985), 1998. 85(4): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9760317
  9. Henriksson, J., Effects of physical training on the metabolism of skeletal muscle. Diabetes Care, 1992. 15(11): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1468304
  10. Rapp, D., et al., Reference values for peak oxygen uptake: cross-sectional analysis of cycle ergometry-based cardiopulmonary exercise tests of 10 090 adult German volunteers from the Prevention First Registry. BMJ Open, 2018. 8(3): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29506981
  11. Zinner, C., et al., Classification of selected cardiopulmonary variables of elite athletes of different age, gender, and disciplines during incremental exercise testing. Springerplus, 2015. 4: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26413450
  12. Ronnestad, B.R., et al., Case Studies in Physiology: Temporal changes in determinants of aerobic performance in individual going from alpine skier to world junior champion time trial cyclist. J Appl Physiol (1985), 2019. 127(2): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31194601
  13. Foster, C. and A. Lucia, Running economy : the forgotten factor in elite performance. Sports Med, 2007. 37(4-5): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17465597
  14. Conley, D.L. and G.S. Krahenbuhl, Running economy and distance running performance of highly trained athletes. Med Sci Sports Exerc, 1980. 12(5): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7453514
  15. Costill, D.L., H. Thomason, and E. Roberts, Fractional utilization of the aerobic capacity during distance running. Med Sci Sports, 1973. 5(4): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/4774203
  16. di Prampero, P.E., et al., The energetics of endurance running. Eur J Appl Physiol Occup Physiol, 1986. 55(3): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3732253