Hägendorf
Ein ungewöhnliches Haustier - trotzdem: «Alle fragen immer nach ‹Lotti›»

Andrea Richner aus Hägendorf hat das einzige Braunborsten-Gürteltier der Schweiz als Haustier.

Bruno Kissling (Text und Fotos)
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Braunborsten-Gürteltiere leben hauptsächlich im südlichen Bereich von Südamerika, östlich der Anden.
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Hägendörferin hat als einzige Schweizerin ein Braunborsten-Gürteltier als Haustier
Gürtelitiere fressen Früchte, Gemüse, aber auch Insekten. Hier schnabuliert Lotti gerade ein hartgekochtes Ei
Für Leckereien streckt sich Lotti auch ganz gern
Lotti ist verspielt. Egal ob Fussball...
... einen roten Ball
... oder einen Korb.
«Gugus»

Braunborsten-Gürteltiere leben hauptsächlich im südlichen Bereich von Südamerika, östlich der Anden.

Bruno Kissling

Die einen haben als Haustier einen Hund, andere Katzen, Meerschweinchen oder Hamster. Die Hägendörferin Andrea Richner hatte die Meisten davon auch schon – und noch viele andere mehr wie über 25 Jahre hinweg Chinchillas und später auch Stinktiere.

Seit mittlerweile einem Jahr gesellt sich bei ihr mit «Lotti» das einzige offiziell registrierte Braunborsten-Gürteltier der Schweiz als Haustier dazu.

Wie aber kommt jemand auf die Idee, ein derart eigenartiges, spezielles und in unseren Gefilden auch exotisches Tier als Hausgenosse halten zu wollen? «Nachdem unsere Stinktiere gestorben sind und der Garten für diese bereits wildtiergerecht eingezäunt war, machte ich mich als grosse Tierliebhaberin im Internet auf die Suche nach einem neuen Haustier, das die bestehende Anlage im Garten brauchen können sollte, gleichzeitig ein Allesfresser sein musste, stubenrein erziehbar und Einzelgänger ist und dazu eine hohe Lebenserwartung hat», gibt Richner Auskunft.

Mit dem Braunborsten-Gürteltier und nur genau diesem Borstentier und keiner anderen Gattung dieser Tierfamilie wurde Andrea Richner denn auch fündig. Doch in der Schweiz selbst war kein solches zu finden. Selbst die Zoos und Tierparks der Schweiz konnten hier nicht weiterhelfen. Fündig wurde die Hägendörferin schliesslich in Deutschland, wo sie in den Zoos von Duisburg und Erfurt per Mail nachfragte, ob sie hier ihr mögliches späteres Haustier mal direkt vor Ort beobachten und persönlich kennen lernen könnte.

Der Erfurter Zoo bot dazu schliesslich mit einem unentgeltlichen Praktikum von vier Tagen Hand. Wobei die zuständigen Pfleger anfänglich allerdings nicht sonderlich begeistert gewesen seien, so Andrea Richner. Und so bot sich im entsprechenden Tierbereich nebst der Affenpflege, Kranichfütterung und dem Misten der Antilopen letztlich auch Gelegenheit, die unterhalb der Klammeraffen einquartierten Gürteltiere, die gerade ein Junges auf die Welt brachten, kennen zu lernen und auch mit der Nase zu erriechen.

Die Liebe zum neuen Haustier war schnell geschlossen, ganz im Gegensatz zu den hiesigen Behörden. Gürteltiere gelten als Wildtiere mit besonderen Ansprüchen an Haltung und Pflege. Das Gesetz verlangt deshalb eine fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung, deren Dauer sich mindestens über 3 Monate erstreckt.

Diese Ausbildung umfasst einen theoretischen wie auch praktischen Teil sowie ein Praktikum auf einem dazu zertifizierten Betrieb. Dieses Praktikum absolvierte die Tierliebhaberin dann auch in Erfurt – doch den theoretischen Teil dazu konnte ihr denn auch dort mangels tieferer Kentnisse niemand richtig erteilen.

So befasste sich Andrea Richner anhand von Internetrecherchen selbst mit der Spezies und schrieb zuhanden des kantonalen Veterinäramtes eine gut 50-seitige Arbeit über die Bedürfnisse, Haltungsformen, Krankheiten, Aufzucht und weitere Aspekte der Braunborsten-Gürteltiere. Erst danach und nach der Abnahme des Geheges und des Hauses wurde ihr vom kantonalen Veterinäramt die Einfuhr- und Haltebewilligung erteilt.

Nach aufwendigem Formularkrieg, Ausfuhr-, Transport- und Einfuhrverfahren inklusive Vorstellen des Tieres bei der Artenschutz-Kontrollstelle beim Veterinäramt am Flughafen Zürich konnte Andrea Richner im letzten Oktober ihr Gürteltier in Erfurt im Zoo abholen. Aus dem gewünschten «Lanzelot» wurde dann aber letztlich eine Sie. Und die junge Dame, die offiziell «Lanzelotte von und der Furt» (da aus dem Zoo von Erfurt) getauft wurde, hört heute kurzum auf den Namen «Lotti».

Bei unserem Besuch hält sich Lotti zuerst bedeckt und lässt sich nicht aus ihrer Röhre locken. Als Andrea Richner dann aber mit einem halben Ei und Nüssen lockt, lässt die Dame nicht lange auf sich warten. Zuerst noch etwas «kalt» und ungelenk, gehts nach der kleinen Stärkung gradlinig und ohne jegliche Scheu direkt zum Besuch, der sofort rundum beschnuppert und genau studiert wird. «Alles Neue ist sowieso höchst spannend für Lotti», meint Andrea Richner.

Und so wird die Fotokamera, kaum am Boden platziert, höchst interessiert beschnuppert, ehe ein kleiner Korb das Interesse weckt. Die Ohren sind gestellt, was ein gutes Zeichen und obendrein eines bester Gesundheit ist. Doch nach ein paar Nüsschen und Kernen, Gemüse und Beeren geht es über ein Bett direkt in eine mit Decken und Rohwolle gefüllte Kiste in der Wohnwand, wo sich Lotti richtiggehend tief einmummelt, um wieder eine Zeit lang zu dösen.

Dies kann auch gut mal einen ganzen Tag dauern, ehe beispielsweise der Staubsauger, den sie extrem liebt, ihr Interesse weckt und sie aus dem warmen «Bau» lockt.

Auch wenn der Boden nass aufgenommen wird, wird Lotti quicklebendig und «surft» hinter dem Wischmob her. Wird es dem stubenreinen Mädchen mal zu heiss, besucht es in der Dusche seine eigene, stets verfügbare kleine Badewanne zur Abkühlung.

Und frisch gebadet, kann das lebendige Tier auch schon mal stundenlang in der Wohnung herumsurren, Treppen auf und ab steigen, den Garten besuchen, selbst mit Hunden spielen und durchaus auch mal auf Streicheleinheiten bestehen. Kein Wunder also, wenn Besucher – insbesondere die jüngeren – nach anfänglicher Skepsis später dann immer auch wieder nach Lotti fragen.