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Strafprozessordnung, Strafrecht, Wirtschaftskriminalität, Korruption, Kronzeuge, Zeugenstatus, Österreich § 209a StPO i. d. g. F. (Österreich) Die „Kronzeug:innen-Regelung“ in Österreich Eine strafprozessuale Bestandsaufnahme aufgrund aktueller Entwicklungen in Österreich In Österreich besteht die strafprozessuale Option, einen sog. „Kronzeug:innen-Status“ einzunehmen. Dies ergibt sich primär aus § 209a StPO. Seit Jahren steht diese Möglichkeit unter Jurist:innen und Wissenschaftler:innen in Kritik und wird zunehmend kontrovers diskutiert. Da die Thematik des „Kronzeug:innen-Status“ auch medial häufig unzureichend dargestellt wird, verfolgt dieser Kommentar das Ziel, den Leser:innen einen kompakten Überblick über die strafprozessrechtlichen Dimensionen der Möglichkeit des „Kronzeug:innen-Status“ zu geben, wobei im Speziellen auf aktuelle (politische) Ereignisse in Österreich Bezug genommen wird. Im letzteren Fall eröffnet sich vor allem die Frage nach der Möglichkeit des Führens mehrerer „Kronzeug:innen“ in einer Causa. Strafprozessrecht Doz. Mag., M.Sc., M.A. Marlon POSSARD Marlon Possard, geb. 1995, ist Dozent, Lehrbeauftragter und Lehrgangsleiter für Externes Rechnungswesen, Steuerrecht und Unternehmensrecht. Er lehrt und forscht an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Seine Dissertation verfasste er u. a. im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Neben seinen Schwerpunkten in Forschung und Lehre beschäftigt er sich mit strafrechtlichen und strafprozessualen Aspekten. Seit 2022 ist er zudem Präsident des Akademischen Börsenvereines Innsbruck (ABVI). A. Einleitung Aktuelle (politische) Geschehnisse in Österreich zeigen einerseits die Wichtigkeit der Funktion von „Kronzeug:innen“ auf, andererseits rückt damit auch die kontroverse Diskussion einer solchen rechtlichen Möglichkeit in den Mittelpunkt. Die Regelung von „Kronzeug:innen“ ist seit ihrer Einführung in Österreich juristisch umstritten, wenngleich ein solcher Status damals von vielen Jurist:innen (Richter:innen, Staatsanwält:innen, Wissenschaftler:innen, etc.) befürwortet wurde. Im Jahr 2011 wurde eine solche Option sodann eingeführt. Demnach kann von der sog. „Kronzeug:innen-Regelung“ seit dem Jahr 2011 in Österreich Gebrauch gemacht werden. Eine Verlängerung dieser Regelung wurde durch den Gesetzgeber im Jahr 2016 vorgenommen. Die Möglichkeit, als „Kronzeug:in“ geführt zu werden, regelt die österreichische Possard | Die „Kronzeug:innen-Regelung“ in Österreich | November 2022 1 Strafprozessordnung i. d. g. F. in § 209a ausdrücklich. Für die Zuerkennung werden bestimmte Voraussetzungen gefordert. Da mancherorts, häufig in der medialen Sphäre, prioritäre Begrifflichkeiten verwechselt, missverstanden oder unzureichend ausgelegt werden, verfolgt dieser Beitrag das Ziel, den „Kronzeug:innen-Status“ kompakt zu erläutern und darzulegen. B. Gesetzliche Einordnung Verfassungsrechtlich geschützt ist das Faktum, sich selbst nicht belasten zu müssen. Im Falle einer „Kronzeug:innenschaft“ verzichtet die jeweilige Person jedoch auf genau ebendieses Recht und belastet sich, wenn notwendig, selbst. Hieraus leitet sich die strafprozessuale Möglichkeit ab, dass solchen Personen ein gewisser rechtlicher Schutz zukommt. In § 209a StPO i. d. g. F. (Österreich) finden sich wesentliche Normierungen hinsichtlich des Status als „Kronzeug:in“. Für Einzelpersonen ist § 209a StPO von Relevanz, während sich in § 209b die „Kronzeug:innen-Regelung“ auf kartellrechtliche Aspekte bezieht. In diesem Beitrag wird aufgrund aktueller Ereignisse nur auf § 209a StPO Bezug genommen. (1) Der Täter einer Straftat, 1. 1. die der Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht (§ 31 Abs. 2 und 3) unterliegt, 2. 2. die der Zuständigkeit der WKStA (§ 20a) unterliegt oder die Kriterien des § 20b erfüllt, oder 3. 3. nach den §§ 277, 278, 278a oder 278b StGB oder einer Tat, die mit einer solchen Verabredung, Vereinigung oder Organisation im Zusammenhang steht, hat nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 das Recht, ein Vorgehen nach den §§ 199, 200 bis 203 und 205 bis 209 zu verlangen, wenn er freiwillig an die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei herantritt, ein reumütiges Geständnis (§ 34 Abs. 1 Z 17 StGB) über seinen Tatbeitrag ablegt und sein Wissen über neue Tatsachen oder Beweismittel offenbart, deren Kenntnis wesentlich dazu beiträgt, die umfassende Aufklärung einer in den Z 1 bis 3 genannten Straftaten über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern oder eine Person auszuforschen, die an einer solchen Verabredung führend teilgenommen hat oder in einer solchen Vereinigung oder Organisation führend tätig war (Z 3). Possard | Die „Kronzeug:innen-Regelung“ in Österreich | November 2022 2 (2) Soweit der Täter wegen seiner Kenntnisse über in Abs. 1 genannte Taten noch nicht als Beschuldigter vernommen (§§ 48 Abs. 1 Z 2, 164, 165) und wegen dieser Taten kein Zwang gegen ihn ausgeübt wurde, hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat dieser Person vorläufig zurückzutreten, es sei denn, das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 ist von vornherein ausgeschlossen. (3) Sobald feststeht, dass die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen und eine Bestrafung unter Berücksichtigung des Gewichts des Beitrags der Informationen zur Aufklärung oder Ausforschung im Verhältnis zu Art und Ausmaß seines Tatbeitrages nicht geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten, hat die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§ 200 bis 203 und 205 bis 209 die Erbringung der dort vorgesehenen Leistungen und die weitere Zusammenarbeit bei der Aufklärung aufzutragen. Abweichend von § 200 Abs. 2 darf der zu entrichtende Geldbetrag einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen entsprechen. Liegen jedoch die Voraussetzungen nicht vor, so hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren fortzusetzen und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 41a StGB dessen Anwendung zu beantragen und dies auch dem Beschuldigten mitzuteilen. (4) Nach Erbringung der Leistungen hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren unter dem Vorbehalt späterer Verfolgung einzustellen. (5) Wenn 1. 1. die eingegangene Verpflichtung zur Zusammenarbeit bei der Aufklärung verletzt wurde oder 2. 2. die zur Verfügung gestellten Unterlagen und Informationen falsch waren, keinen wesentlichen Beitrag im Sinn des Abs. 1 zu liefern vermochten oder nur zur Verschleierung der eigenen führenden Tätigkeit in einer in Abs. 1 Z 3 genannten Verabredung, Vereinigung oder Organisation gegeben wurden, kann die nach Abs. 4 vorbehaltene Verfolgung wieder aufgenommen werden, es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft die für die Wiederaufnahme erforderlichen Anordnungen nicht binnen einer Frist von vierzehn Tagen ab Zustellung der das Verfahren beendenden Entscheidung gestellt hat, in der einer der in Z 1 oder 2 umschriebenen Umstände festgestellt wurde. (6) Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anordnung nach Abs. 4 dem Rechtsschutzbeauftragten samt einer Begründung für das Vorgehen zuzustellen. Der Rechtsschutzbeauftragte ist berechtigt, binnen drei Monaten die Fortführung des Verfahrens zu beantragen. Auf sein Possard | Die „Kronzeug:innen-Regelung“ in Österreich | November 2022 3 Verlangen ist ihm der Ermittlungsakt zu übersenden, in welchem Fall der Fristenlauf mit dem Einlangen des Aktes beginnt. §§ 195 Abs. 3 und 196 gelten sinngemäß. (7) Im Verfahren gegen Verbände nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, ist sinngemäß mit der Maßgabe vorzugehen, dass die Bestimmungen des § 19 Abs. 1 Z 1 bis 3 VbVG anzuwenden sind. Der zu entrichtende Geldbetrag darf abweichend von § 19 Abs. 1 Z 1 VbVG einer Verbandsgeldbuße von 100 Tagessätzen entsprechen. Die „Kronzeug:innen-Regelung“ beschränkt sich in Österreich auf bestimmte Deliktsformen. Einerseits kann der Status im Kontext von Wirtschaftskriminalität zuerkannt werden, andererseits bei Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedroht sind. Nur wenn bestimmte Voraussetzungen vollumfänglich erfüllt sind, kann die Strafverfolgungsbehörde von der Verfolgung der Straftat(en) zurücktreten. Folgt man den gesetzlichen Vorgaben, so zeigt sich: Der:die Täter:in, die einen „Kronzeug:innen-Status“ anstrebt, muss wesentlich zur Aufklärung der Straftat(en) beitragen. Hier ist also die Wesentlichkeit der Information(en) wichtig. Diese ergibt sich daraus, dass neue Tatsachen bzw. Sachverhalte dargelegt werden müssen, ein reiner Bezug auf bereits bestehendes bzw. geoffenbartes Wissen über kriminelles Agieren reicht nicht aus. Der:die Täter:in muss also eine maßgebliche Hilfestellung für die ermittelnden Organe darstellen. Bezugnehmend auf § 209a StPO kann festgehalten werden, dass der:die jeweilige Täter:in die Möglichkeit besitzt, durch den „Kronzeug:innen-Status“ mit keiner Strafe belangt zu werden. Eine Voraussetzung bzw. das zentrale Kriterium diesbezüglich ist jedoch, dass der:die Täter:in mit der Staatsanwaltschaft, d. h. bei wirtschaftskriminellen Handlungen mit der zuständigen WKStA, von sich aus kooperiert (= Kooperation mit StA bzw. Kriminalpolizei). Ein solches Vorgehen kann unter den Terminus der „Freiwilligkeit“ subsumiert werden. Es ist auch möglich, direkt an die Kriminalpolizei heranzutreten, anstatt sich an die StA zu wenden. Jedenfalls muss es sich dabei um eine zuständige Strafverfolgungsbehörde handeln mit der klaren Intention, freiwillig zur Aufklärung beizutragen. Daraus resultiert sodann ein Geständnis im Kontext einer persönlichen „Reumütigkeit“. Possard | Die „Kronzeug:innen-Regelung“ in Österreich | November 2022 4 Bezüglich des Herantretens an die Staatsanwaltschaft bzw. Kriminalpolizei im Rahmen des § 209a StPO stellte der OGH in einer Entscheidung1 aus dem Jahr 2020 fest (= AZ 14 Os 108/20v vom 03.11.2020), dass dieses ausdrücklich und ernstlich durch den:die Täter:in zu erfolgen hat. Eine einfache Kontaktaufnahme mit den Strafverfolgungsbehörden genügt, gemäß der höchstrichterlichen Entscheidung, demnach nicht. Wenngleich von Täter:innen selbst an die Strafverfolgungsbehörden herangetreten wird, besteht kein (automatischer) Anspruch auf Gewährung eines solchen spezifischen Zeug:innen-Standes. Demnach kennt das Gesetz zwar die Möglichkeit des „Kronzeug:innen-Status“, eine solche Option schließt jedoch einen Anspruch darauf nicht grundsätzlich mit ein. § 209a StPO fordert weiters ein, dass noch keine Einvernahme des:der Täters:in durch die Strafverfolgungsbehörden erfolgte. Weiters darf der:die Täter:in bisher noch nicht verhaftet worden sein. Auch mit anderen Zwangsmaßnahmen durfte der:die Täter:in gem. § 209a StPO noch nicht belegt worden sein. Eine Hausdurchsuchung beispielsweise wird unter eine solche Zwangsmaßnahme subsumiert. Wird einem:r Täter:in der Status des:der „Kronzeug:in“ zuerkannt, so entgeht diese:r einer strafrechtlichen Verurteilung durch das Strafgericht, wobei der:die Täter:in zur Zahlung einer Geldstrafe aufgefordert werden kann. Weitere Möglichkeiten bilden die Erbringung gemeinnütziger Leistungen. Hierbei spricht man von einer sog. „diversionellen Erledigung“2 des Sachverhaltes. Selbst nach Zuerkennung des „Kronzeug:innen-Status“ kann die Strafverfolgungsbehörde eine Verfolgung später wieder aufnehmen, auch wenn das Verfahren vorerst eingestellt wurde. C. Bezugnahme zu aktuellen Fällen in Österreich Der österreichische Fall, mit den Beteiligten Frau B., Herr S., Herr K., u. a., der vorwiegend die Frage einer möglichen Bestimmungstäterschaft eines ehemaligen Bundeskanzlers beinhaltet (basierend auf Fälschungen von Meinungsumfragen mittels Finanzierungen durch Gelder des Finanzministeriums), weist im rechtlichen Sinne einige Spezifika auf. Folgende Punkte können hierbei exemplarisch genannt werden: 1 OGH 14 Os 108/20v vom 03.11.2020 (European Case Law Identifier (ECLI): ECLI:AT:OGH0002:2020:RS0133340); Online aufrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20201103_OGH0002_0140OS00108_20V0000_000/JJT_2020 1103_OGH0002_0140OS00108_20V0000_000.pdf [abgerufen am: 18.11.2022] 2 Hierbei liegt die Kompetenz der Beurteilung bei der zuständigen StA. Possard | Die „Kronzeug:innen-Regelung“ in Österreich | November 2022 5 1. Es gab bereits eine Beschuldigte (Frau B.), ehe sich Herr S. den Strafverfolgungsbehörden als „Kronzeug:in“ zur Verfügung stellte. Auch wurde Frau B. bereits mit Zwangsmaßnahmen konfrontiert, u. a. wurde bei ihr durch die Ermittlungsbehörden eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Weiters wurde Frau B. zunächst verhaftet und erst später wieder aus der Haft entlassen. 2. Frau B. wurde in weiterer Folge in der aktuellen Causa der „Kronzeug:innen-Status“ zuerkannt, selbst wenn sie bereits mit rechtlichen Maßnahmen belegt wurde. Ich sehe hier insofern eine Problematik gegeben, da Frau B. ein solcher Status nicht hätte zuerkannt werden dürfen, da bereits gegen sie ermittelt wurde und Zwangsmaßnahmen bereits umgesetzt wurden. Häufig wird dies damit begründet, dass es sich dabei um neue Erkenntnisse gehandelt hätte, die so noch nicht verfolgt wurden. Eine solche Entscheidung ist m. E. vor dem Hintergrund ausdrücklicher strafprozessrechtlicher Bestimmungen jedoch nicht nachzuvollziehen. 3. Neben Frau B. bat nun auch Herr S. um Zuerkennung eines „Kronzeug:innen-Status“. Somit würde es mehrere solcher Zeug:innen im selbigen Sachverhalt geben. Wird auch Herrn S. ein solcher Status zuteil, wäre dies m. E. juristisch ebenso zu hinterfragen, da nicht eindeutig bestimmt ist, ob es überhaupt mehrere „Kronzeug:innen“ in einer Causa geben kann. Kert argumentiert in diesem Zusammenhang, dass er es grundsätzlich für möglich hält, mehrere „Kronzeug:innen“ in einem Verfahren zu führen, wenngleich der aktuelle Anlassfall in Österreich juristisches Neuland darstellt.3 Der Option, mehrere „Kronzeug:innen“ in einem gleichen Verfahren zu führen, würde ich ebenso zustimmen. Problematisch sehe ich aber auch hier, wie bereits unter Pkt. 2 ausgeführt, dass auch bei Herrn S. bereits Hausdurchsuchungen stattgefunden haben. Ob trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen ein „Kronzeug:innen-Status“ überhaupt gewährt werden kann, bleibt offen und gleichzeitig juristisch disputabel. 3 vgl. Kert, R. (2022): Analyse der Schmid-Aussagen (TV-Interview mit dem ORF in der Zeit im Bild (ZIB 2) vom 18.10.2022); Online aufrufbar unter: https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211/ZIB-2/14153619/Analyse-derSchmid-Aussagen/15254550 [abgerufen am: 18.11.2022] Possard | Die „Kronzeug:innen-Regelung“ in Österreich | November 2022 6 D. Fazit Bei der Zuerkennung des „Kronzeug:innen-Status“ kann hervorgehoben werden, dass in der österreichischen Rechtsordnung diesbezüglich noch juristischer Verbesserungsbedarf besteht. Das zeigt sich u. a. an aktuellen Beispielen in Österreich. Auch diesbezüglich sind noch Fragen offen, die einer juristischen Klärung bedürfen. Die kritischen Stimmen gegenüber einem solchem Regelwerk sollten nicht unerhört bleiben, sondern sukzessive in eine mögliche Nachjustierung miteinfließen. Des Weiteren kann aufgezeigt werden, dass eine solche Zeug:innen-Stellung auch Gefahren für die Zeug:innen selbst mit sich bringen kann. Im aktuellen politischen Fall in Österreich ist ein solches Risiko zwar gering, bei anderen Delikten und i. V. m. anderen kulturellen Hintergründen der beteiligten Personen können Rachegedanken jedoch nie ausgeschlossen werden. Hier müssen auch die Instrumentarien bezüglich des Schutzes solcher Personen (= „Kronzeug:innen“) effizienter gestaltet werden. Als äußerst problematisch kann jedenfalls die Stellung des Staates, d. h. der Strafverfolgungsbehörden, im Rahmen der „Kronzeug:innen- Stellung“ eingestuft werden. Der Staat tritt als eine Art „Anbieter“ auf, der Straflosigkeit verspricht, wenn durch Zeug:innen entsprechende (neue) Hinweise geliefert werden. Solche „Angebote“ bzw. Zugeständnisse können auch dazu verleiten, andere Menschen zu Unrecht zu beschuldigen, um einer eigenen Bestrafung zu entgehen. Auch in diesem Bereich sollten entsprechende Regelungen durch den Gesetzgeber neu überdacht bzw. verschärft werden, um dem Gedanken einer rechtsgeschäftsähnlichen Handlung, vor dem Hintergrund des Verzichts verfassungsrechtlicher Aspekte durch den:die Zeug:in, vorzeitig Einhalt zu gebieten. Im Übrigen: Trotz einiger Vorteile für die jeweiligen Zeug:innen, die § 209a StPO manifestiert, sieht beispielsweise Schwaighofer eine Erhöhung der Aufklärungsquote bestimmter Straftaten durch den „Kronzeug:innen-Status“ als schwierig an, da die Voraussetzungen gem. § 209a StPO, die vom Gesetzgeber für eine solche Zuerkennung gefordert werden, nur schwer zu verwirklichen seien.4 Es ist also fraglich, inwiefern der Staat bzw. die Strafverfolgungsbehörden von einer solchen Regelung tatsächlich profitieren. 4 vgl. Schwaighofer, K. (2010): Anmerkungen zum strafrechtlichen Kompetenzpaket (sKp, JSt), S. 211 Possard | Die „Kronzeug:innen-Regelung“ in Österreich | November 2022 7