Mangel an Lkw-Fahrern: Auch der Raum Ingolstadt spürt bereits die Folgen

14.10.2021 | Stand 23.09.2023, 21:18 Uhr
Ein Lastwagenfahrer aus Bulgarien hat vor seinem Sattelzug einen Grill aufgebaut, auf dem er Fleisch brät. Das Leben als "Kapitän der Landstraße" ist oft beschwerlich, sodass immer weniger junge Menschen diesen Beruf ergreifen wollen. −Foto: Gentsch, dpa

Ingolstadt - Die Bilder von den Lieferengpässen in Großbritannien haben ein ernsthaftes Problem aufgezeigt: Es fehlen Lastwagenfahrer, nicht nur im Land der EU-Abtrünnigen, sondern auch bei uns.

Selbst wenn wir noch ein gutes Stück von den Verhältnissen im Vereinigten Königreich entfernt sein mögen, besteht Handlungsbedarf, sagen Experten. "Bereits heute fehlen 60000 bis 80000 Berufskraftfahrer", warnte der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) vorige Woche. In Deutschland drohe in zwei, drei Jahren ein Versorgungskollaps wie in England. Bayern und die Region Ingolstadt bilden da keine Ausnahme, ergab eine Nachfrage.

Im Logistikunternehmen von Alfred Amenda aus Hohenwart (Kreis Pfaffenhofen) etwa arbeiten 500 Fahrer, um die rund 280 Brummis der Firma zu bewegen. Aber er muss schon mal bis zu zehn Sattelzüge stehen lassen und Aufträge ablehnen, weil Personal fehlt. "Wir haben deshalb im Betrieb seit zwei, drei Jahren kein Wachstum mehr. Der Fahrermangel ist ein fast europaweites Problem, sogar in Osteuropa", berichtet Amenda. 65 bis 70 Prozent seiner Brummilenker stammten aus dem Ausland, deutsche Kräfte seien kaum zu finden. Dabei sei die Bezahlung gut. "Heute bestimmen oft die Fahrer das Gehalt, seit die Nachfrage nach ihnen steigt". Amenda spricht von 2200 bis 2800 Euro netto im Monat. Zum Vergleich: Die Gewerkschaft Verdi geht im Schnitt von nur 2450 Euro brutto aus.

Trotz mittlerweile besserer Entlohnung ist die Lage ernst. Ungünstige Fahrzeiten, Bürokratie und schwierige Arbeitsbedingungen machen den Beruf unattraktiv. "Aufgrund der Altersstrukturen haben wir bundesweit 30000 Lkw-Fahrer, die jedes Jahr in Ruhestand gehen. Es kommen aber nur 15000 bis 17000 neue nach", sagt Martin Birling, Branchenbetreuer für Verkehr und Logistik bei der IHK Schwaben. "Das Ganze wird sich noch aufschaukeln." Seine Kollegin Almut Burkhardt von der IHK für München und Oberbayern stimmt ihm bei. "Es fehlt am Nachwuchs und an Wertschätzung für die Berufskraftfahrer. Durch Corona hat das noch ganz andere Dimensionen bekommen."

Quereinsteiger, die den Lkw-Führerschein als Wehrpflichtige gemacht haben, gibt es nicht mehr. Elke Christian, Leiterin der IHK-Geschäftsstelle Ingolstadt, spricht von einem seit Jahren erkennbaren Mangel an Lkw-Fahrern in der Region 10. "Die Situation für Speditionen, Verkehrsunternehmen, aber auch Entsorger oder Betriebe aus der Baubranche verschärft sich zusehends", sagt sie. Eine bayernweite IHK-Studie von 2019 zeige: Vier von fünf Unternehmen suchen mindestens einen bis fünf Fahrer.

Hinzu kommt ein Image-Problem: Der einst geschätzte "König der Landstraße" gilt heute in der Volksmeinung allenfalls als Hindernis auf der Straße, Luftverpester oder Verursacher von Staus. "Dabei brauchen wir diese Fachkräfte dringend, die Ware muss in die Läden kommen. Dieser Job hat Zukunft, er wird selbst durch autonomes Fahren nicht überflüssig. Das müssen wir nach außen vermitteln", fordert IHK-Mann Birling.

Die Ausbildung ist jedoch teuer und dauert sehr lange. Laut der IHK-Umfrage von 2019 zum Thema Kraftfahrermangel stellen die hohen Gebühren ein großes Hindernis dar. "Einstiegskosten von circa 7000 Euro für den Güterverkehr und circa 10000 Euro für den Personenverkehr können vom Fahrer mit seinem späteren Verdienst nur schwer erwirtschaftet werden", heißt es da. Im Ausland erworbene Fahrlizenzen gelten hierzulande meist nicht, sodass weitere Ausgaben für die Anerkennung anfallen. Viele Speditionen übernehmen solche und andere Kosten angesichts der Personalnot - mitunter ohne Garantie, dass die Begünstigten ihnen tatsächlich bleiben.

David Merck, bei Verdi in Bayern als Landesbezirksfachbereichsleiter für Postdienste, Speditionen und Logistik zuständig, fordert zur Lösung des Fahrermangels unter anderem "knallharte Strafen und Kontrollen", um diejenigen aus dem Markt zu nehmen, die gegen geltende Gesetze agieren. "Es darf kein Platz für Schmutzkonkurrenz auf deutschen Autobahnen sein. Wir brauchen fairen Wettbewerb, Tariflöhne als unterste Lohngrenzen und bessere Arbeitszeiten für die Fahrer."

Eine pauschale Lösung weiß selbst der eingangs erwähnte BGL nicht. Der Verband setzt bei diesem Thema auf nationale und europäische Kooperation. In seinem "Aktionsplan Fahrermangel" forciert er die zügige Umsetzung von fünf Punkten: mehr Wertschätzung für den Beruf, bessere Arbeitsbedingungen, Bürokratieabbau, mehr Förderung bei der Nachwuchsgewinnung und nicht zuletzt Erleichterungen bei der Fachkräftezuwanderung.

DK

Horst Richter