Brexit: London muss zwei Milliarden Euro extra für EU-Renten zahlen

Die jüngsten Finanzberichte der EU-Kommission weisen einen deutlichen Anstieg der Nettoverbindlichkeiten im EU-eigenen Pensionssystem seit 2018 aus. [EPA-EFE/STEPHANIE LECOCQ]

Das Vereinigte Königreich muss wohl rund zwei Milliarden Euro zusätzlich zu seinen bestehenden Verpflichtungen im EU-Pensionsrecht zahlen. Die Pensionszahlungen für EU-Beamte haben sich deutlich erhöht.

Die Zusage, seinen Anteil an den Renten für EU-Beamte zu zahlen, ist Teil der rund 39 Milliarden Euro an Verpflichtungen, die London im Rahmen des im Januar verabschiedeten Austrittsabkommens vereinbart hat.

Bereits im Januar 2019 hatte die britische Regierung erklärt, man rechne mit Kosten in Höhe von rund 9,75 Milliarden Euro für die Pensionen von EU-Beamten.

Die jüngsten Finanzberichte der Europäischen Kommission weisen jedoch einen Anstieg der Nettoverbindlichkeiten im EU-eigenen Pensionssystem seit 2018 aus: diese seien bis Dezember 2019 um 17,2 Milliarden auf 97,66 Milliarden Euro gestiegen. Damit würde sich auch der Anteil, den das Vereinigte Königreich zu zahlen hat, auf insgesamt 11,6 Milliarden Euro erhöhen.

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Die Kosten des Pensions-Haftungsgesetzes der Kommission sind seit der Abstimmung über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU im Juni 2016 um mehr als 30 Milliarden Euro gestiegen.

Da die Zahlung dieser Verbindlichkeiten formell vereinbart und in britisches Recht übernommen wurde, scheint die Regierung von Boris Johnson keine andere Wahl zu haben, als die korrigierte, höhere Rechnung zu begleichen.

Die Zahlungen im Rahmen des „Pensionsplans für europäische Beamte (PSEO)“ hätten sich „hauptsächlich wegen des versicherungstechnischen Verlusts aufgrund von Änderungen der finanziellen Annahmen, die durch einen starken Rückgang des nominalen Diskontsatzes verursacht wurden, zugenommen“, heißt es im Rechenschaftsbericht. „Da der nominale Diskontsatz um die Inflation angepasst wird, um den realen Diskontsatz zu erhalten, war der reale Diskontsatz in diesem Jahr zum ersten Mal negativ – was bedeutet, dass ein bestimmter Betrag heute mehr wert ist als in der Zukunft. Dadurch erhöht sich die Höhe der Verbindlichkeiten zum Jahresende erheblich.“

Weitere Steigerung möglich

Die im Austrittsabkommen zugesagten Zahlungen sollen auf Grundlage der Zusammensetzung des Pensionsfonds für EU-Personal am 31. Dezember 2020 – wenn also die Übergangsperiode nach dem Brexit endet – berechnet und geleistet werden.

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John Clancy, Gastprofessor am Centre for Brexit Studies der Universität Birmingham City, warnt in dieser Hinsicht, dass die endgültigen Zahlungen von britischer Seite somit noch weiter steigen könnten.

Das liege daran, dass ein weiterer Anstieg angesichts der erneuten quantitativen Lockerungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie denkbar ist. Das Virus werde demnach „zweifellos weitere Auswirkungen auf die Rechnungen haben, und die diesjährige Zahl wird im kommenden Jahr um diese Zeit erneut nach oben korrigiert werden,“ ist sich Clancy sicher.

Er meint daher: „Es könnten noch einmal drei Milliarden Euro mehr sein.“

Die Zahlungen des Vereinigten Königreichs für seinen Anteil an den EU-Pensionen erfolgen in zehn Tranchen; die erste wird am 31. Oktober 2021 fällig. Mit den Geldern werden die Renten ehemaliger Beamter der Europäischen Verteidigungsagentur, dem Institut für Sicherheitsstudien der EU und dem Satellitenzentrum der Europäischen Union sowie ehemaliger Europaabgeordneter und anderer Beamter abgedeckt.

[Bearbeitet von Sam Morgan und Tim Steins]

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