The Project Gutenberg EBook of Seekriege und Seekriegswesen, Erster Band, by 
Rudolph Rittmeyer

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Title: Seekriege und Seekriegswesen, Erster Band

Author: Rudolph Rittmeyer

Release Date: November 22, 2020 [EBook #63853]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SEEKRIEGE UND SEEKRIEGSWESEN, ERSTER BAND ***




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Michael de Ruyter.


Seekriege und Seekriegswesen

in ihrer

weltgeschichtlichen Entwicklung

Mit besonderer Berücksichtigung der großen Seekriege des XVII. und XVIII. Jahrhunderts

von

Rudolph Rittmeyer
Kontre-Admiral z. D.

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Erster Band
Von den Anfängen bis 1740
Mit zahlreichen Porträts, Abbildungen und Skizzen

Berlin 1907
Ernst Siegfried Mittler und Sohn
Königliche Hofbuchhandlung

Alle Rechte aus dem Gesetz vom 19. Juni 1901 sowie das Übersetzungsrecht sind vorbehalten.


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Vorwort.

D

ie Literatur über Seekriegsgeschichte ist in deutscher Sprache sehr gering. In fremden Sprachen ist sie reichhaltiger und besonders in den letzten Jahren angewachsen. Aber auch hier gibt es kaum ein Werk, das die gesamte Seekriegsgeschichte behandelt. Es sind Geschichten der einzelnen Marinen, Lebensbeschreibungen berühmter Seeleute, Bearbeitungen einzelner Kriege, Betrachtungen über das Wesen und die Bedeutung des Seekrieges an der Hand einzelner Kriege oder kriegerischer Ereignisse; Arbeiten der letzten Art finden wir jetzt auch häufiger in Deutschland.

Als Sammelwerk besteht nur das des französischen Autors du Sein: „Histoire de la marine de tous les peuples“, in dem zwar alle Kriege und ihre wichtigsten Ereignisse aufgenommen sind, jedoch mehr aufzählend, nur selten genau beschreibend. Ein ähnliches Werk, Randaccio: „Storia navale universale antica e moderna“ ist noch kürzer gefaßt.

Ein vollständigeres derartiges Werk habe ich besonders während meiner Tätigkeit als Lehrer der Seekriegsgeschichte an der Marine-Akademie sehr vermißt. Auch sonst ist der Mangel empfunden worden. So griff ich gern die mir im Jahre 1898 von seiten der Inspektion des Bildungswesens der Marine zu teil gewordene Anregung auf, eine allgemeine Geschichte der Seekriege zu verfassen. Um so mehr wuchs mir die Arbeit ans Herz, als der Herr Staatssekretär des Reichs-Marine-Amts, Admiral v. Tirpitz, der Verwirklichung des Planes, von seiner Nützlichkeit überzeugt, lebhaftes Interesse und wertvolle Förderung schenkte.

Eine Seekriegsgeschichte aller Völker und aller Zeiten würde eine Arbeit erfordert haben, die nur in langen Jahren von einer Person zu bewältigen gewesen sein würde. Deshalb habe ich mir in dem vorliegenden Buche engere Grenzen gesteckt und die Hauptaufgabe gestellt, die großen[iv] Kriege der Segelschiffszeit von der Mitte des 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts genauer zu schildern, die von den seemächtigen Staaten dieser Zeiten um die Herrschaft auf dem Meere geführt sind: von Holland, England und Frankreich. Diese Kriege haben eine große Rolle in der Weltgeschichte gespielt und den größten Einfluß auf das Seekriegswesen geübt, denn ihnen verdanken die modernen stehenden Marinen ihren Ursprung und zugleich den Antrieb zu ihrer Entwicklung auf allen Gebieten: im Schiffbau, in der Bewaffnung, dem Personal und der Taktik. Die Kenntnis dieser Kriege ist mithin am notwendigsten, ihre Betrachtung am lehrreichsten.

Um den Leser in den Stand zu setzen, zu jeder Zeit die Kriegsmittel, ihre Gefechtskraft und (auf Grund dessen) die Kriegstaten beurteilen zu können, schicke ich jedem Abschnitt eine Betrachtung des Standes des Seekriegswesens und jedem Kriege eine Schilderung des jeweiligen Zustandes der beteiligten Marinen voraus.

Bei dem großen Mangel in unserer Literatur erschien es jedoch wünschenswert, sowohl auf die früheren Zeiten zurückzugreifen als auch die kleineren Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts in die Darstellung mit hineinzuziehen, ja die Kriege Englands und Hollands gegen Spanien von 1588 (der Zug der „Armada“) bis 1648 schon genauer zu behandeln, weil in ihnen eine neue Kriegführung zur See auftritt und durch diese Kriege die bisherige Seeherrschaft Spanien-Portugals gebrochen wird. So wird das Buch doch gewissermaßen eine Gesamt-Seekriegsgeschichte und vermag Anregung und Fingerzeige zu Sonderstudien über andere Kriege oder Fragen des Seekriegswesens zu bieten. Zu diesem Zweck füge ich ein Verzeichnis aller mir bekannten wichtigeren Quellen bei.

In den Auslassungen über die Entwicklung des Seekriegswesens mußte auf Kürzung und Zusammenfassung besonderes Gewicht gelegt werden, so daß Unvollständigkeiten sich hier nicht vermeiden ließen. Auch ist der Anlage des Buches entsprechend die Entwicklung der Marinen nur für die drei großen Seemächte genauer durchgeführt, über die der anderen Staaten sind nur die notwendigsten Angaben gebracht.

Um noch größere Nachsicht muß ich in Betreff der Betrachtungen bitten, die sich auf die politischen Verhältnisse beziehen. Dem Einfluß, den die Seekriege auf die Geschichte gehabt haben, wird in den allgemeinen Geschichtswerken kaum je genügend Rechnung getragen, anderseits sind in den Werken über Seekriegsgeschichte die politischen Verhältnisse meist völlig übergangen; erst in neuerer Zeit ist jene Wirkung der Seekriege zum Gegenstand eingehender Forschung geworden, wie vor allem die bekannten[v] Werke des Captain Mahan über den „Einfluß der Seemacht auf die Geschichte“ bezeugen. Seinem Beispiel folgend habe ich versucht, die politischen Verhältnisse, unter denen die Seekriege geführt sind, und ihre Folgen klarzulegen; wohl wissend, daß meine Kenntnisse nicht hinreichen, hierin Vollkommenes oder auch nur Neues zu bieten.

Bei der Bearbeitung der Kriege war ich bestrebt, die Quellenwerke — englische, französische und auch holländische — die häufig national gefärbt erscheinen, sorgfältig gegeneinander abzuwägen, um ein unparteiisches Urteil zu gewinnen; waren Auslassungen oder Angaben in zwei sonst schätzbaren Werken nicht in Einklang zu bringen, so gebe ich sie aus beiden. Außergewöhnlich hohe Angaben über Stärke und Verluste der Streitkräfte, wie sie besonders in den ersten großen Kriegen von einigen Autoren der gegnerischen Seite gemacht werden, schließe ich von der Wiedergabe ganz aus.

Den zweiten Band, der die Zeit von 1740–1815 umfassen wird, hoffe ich in nicht zu langer Frist folgen lassen zu können.

Wenn auch der Inhalt des Werkes in erster Linie allen denen, die in enger Beziehung zu maritimen Berufen stehen, Interesse bieten dürfte, so geht mein Wunsch doch auch dahin, daß es gleichfalls im Laienpublikum, dessen Verständnis für alle maritimen Fragen in erfreulichem Wachsen begriffen ist, Aufnahme finden und Belehrung und Aufklärung ermöglichen möchte.

Hannover, Herbst 1906.

Rittmeyer
Kontre-Admiral z. D.


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Inhaltsverzeichnis.

  Seite
Vorwort III
Wichtigste Quellen-Literatur XVIII
Verzeichnis der Abbildungen XXIX
 
Erster Abschnitt.
Altertum und Mittelalter.
 
Erstes Kapitel: Das Seewesen Im Altertum 1–25

Einleitung S. 3. — Ausdehnung der Schiffahrt. Nautik S. 4–6. — Schiffe im allgemeinen S. 7–9. — Kriegsschiffe der Phönizier und Griechen S. 9–13. — Zur römischen Zeit S. 13–17. — Die Seekriege S. 17–21. — Kampfweise und Taktik S. 21–24. — Schlußbemerkung S. 25.

 
Zweites Kapitel: Das Seewesen im Mittelalter 26–52

Ausdehnung der Schiffahrt. Die ersten Entdeckungsfahrten der Portugiesen. Nautik (Kompaß, Karten, Instrumente) S. 26–31. — Die Schiffe: im Mittelmeer S. 32–34; im Norden bis 1300 S. 34–35. — Entwicklung der Segelschiffe 1300–1500. Werften S. 36–40. — Waffen (Auftreten der Pulverwaffen) S. 40–42. — Die Seekriege: im Mittelmeer, der Hansa S. 42–43. — Englisch-französische Kriege S. 44–47. — Kampfweise und Taktik S. 47–49. — Stärke und Zusammensetzung der Flotten S. 50–51. — Bemannung. Admirale S. 51–52.

 
 
Zweiter Abschnitt.
Die Zeit von 1492–1648.
 
Erstes Kapitel: Einleitung. Die großen Entdeckungen. Das Heraustreten der Engländer und Holländer (Franzosen) in die Ozeane. Die Unsicherheit auf den Meeren 55–95

Einleitung S. 55. — Die großen Entdeckungen: Stand der Geographie um 1492 S. 57–58. — Der Weg der Portugiesen nach Südosten. [viii] Teilung der Welt; Vertrag von Tordesillas. Vasco de Gamas erste Reise S. 59–60. — Das Festsetzen der Portugiesen im Osten. Ausdehnung ihrer Macht bis 1540. Ihr Rückgang S. 61–64. — Der Weg der Spanier nach Westen. Die Reisen des Kolumbus S. 65–68. — Spanische Entdeckungen und Kolonien in Westindien und Südamerika; ihre Verwaltung S. 69–70. — Der Südwestweg nach Indien. Magalhaes' Weltumsegelung S. 71–73. — Kolonien der Portugiesen in Brasilien, der Spanier in den La Plata-Staaten, auf den Molukken und Philippinen S. 74–75. — Der Nordwest- und der Nordostweg, Entdeckungen und Niederlassungen in Nordamerika, Weißen Meer, Spitzbergen (Fischerei) S. 76–77.

 

Das Heraustreten der Engländer und Holländer (Franzosen) in die Ozeane. Niedergang der Hansa. Engländer und Holländer gehen nach dem Süden S. 78–79. — Fahrten und Freibeuterei der Engländer (Francis Drake); ihre Niederlassungen in Indien (ostindische Kompagnie), Nordamerika und Westindien S. 80–85. — Die Holländer in Indien (ostindische Kompagnie); in Afrika, Nordamerika, Westindien und Südamerika (westindische Kompagnie) S. 85–88. — Die Franzosen in Brasilien, Nordamerika, Westindien und Afrika. Dänen und Schweden S. 89–90.

 

Die Unsicherheit auf den Meeren: Seeraub, Korsaren der Barbareskenstaaten, Flibustier S. 91–92. — Freibeuter und Kaper; das Convoiwesen. Einfluß der Unsicherheit auf Schiffe und Seeleute S. 93–95.

 
Zweites Kapitel: Schiffe, Waffen, Nautik 96–106

Die Schiffe von 1492–1648. Weiterentwicklung an Größe und Gefechtskraft (Beispiele „Regent“ und „Great Harry“) S. 96–97. — Schiffsbestand Englands 1522, 1548, 1603, 1649 (die ersten Zwei- und Dreidecker „Royal Prince“ und „Royal Sovereign“) S. 98–101. — Galeren und Galeassen S. 102. — Staatswerften S. 103.

 

Die Waffen. Vermehrung der schwereren Artillerie (die Kaliber Englands 1580). Handwaffen S. 104–105.

 

Fortschritte der Nautik im 16. Jahrh. (Karten, Instrumente usw.) S. 106.

 
Drittes Kapitel: Die Seekriege, Kampfweise und Taktik, die wichtigsten Kriegsmarinen 1492–1648 107–154

Die Seekriege von 1492–1648. Was muß man unter einem Seekriege verstehen? (Kennzeichnung der älteren Kriegführung) S. 107. — Kriege im Mittelmeer: Türkei, Venedig, Frankreich, Spanien S. 108–109. — Kriege in der Ostsee: Hansa, Schweden, Dänemark S. 109–111. — Kriege Englands und Frankreichs S. 111–112. — Kriege Englands und Hollands gegen Spanien. Aufstand der Niederlande S. 113. — Vorgeschichte der Armada (Drake gegen Cadiz) S. 114–116. — Die Instruktion für die Armada S. 117 bis 118. — Stärke und Zusammensetzung der Armada, Hollands und Englands Rüstungen (die englische Flotte) S. 119–122. — Abwägung der Kräfte der Gegner S. 123–124. — Die Armada-Woche: Beabsichtigte Strategie und Taktik der Gegner S. 124. — Fahrt der Armada zum Kanal S. 125. — Gefechte bei Plymouth (21. Juli 1588), bei Portland (23. Juli) S. 126 bis 127. — Gefecht bei Wight (25. Juli), Armada ankert vor Calais (27. Juli), wird von dort durch Branderangriff vertrieben (28. Juli) S. 128–130. — Niederlage [ix] der Armada bei Gravelines (29. Juli) S. 130. — Rückfahrt der Armada, ihre Verluste S. 131–132. — Gründe des Mißerfolges der Armada S. 132.

 

Die Kriegführung Englands nach Abwehr der Armada: England in den spanischen Gewässern; Belagerung von Lissabon; Cliffords Züge; die Cadiz-Expedition; Frieden mit Spanien 1604 S. 133–137. — Hugenottenkriege; zweite Expedition gegen Cadiz; die englische Marine bei Ausbruch der Revolution 1649 S. 138–139. — Die Kriegführung Hollands nach Abwehr der Armada: Expeditionen gegen Spanien; Waffenstillstand 1609–1621 S. 139. — Blutiger Krieg mit Dünkirchen von 1621 ab (Streitkräfte Dünkirchens); Sieg über die Spanier auf der Schelde (1631) und in den Downs (Tromp über d'Oquendo 1639, eine zweite Armada-Affäre) S. 140–141. — Unterstützung Portugals 1641; Holland in der Ostsee S. 142. — Schlußbetrachtung über die Seekriege 1492–1648: Anfang einer neuen Seekriegführung S. 143.

 

Kampfweise und Taktik 1492–1648: Ruderschiffe; die Schlachten bei Lepanto (1571) und Genua (1638) S. 144–145. — Segelschiffe: der Kampf in der Querabrichtung, die Kiellinie, Gefechtsgruppen S. 146.

 

Die wichtigsten Kriegsmarinen 1492–1648. Portugal-Spanien, Schweden, Dänemark S. 147–148. — Holland S. 149–150. — England S. 151–152. — Frankreich S. 153. — Kriegsschiffspersonal dieser Zeit S. 154.

 
 
Dritter Abschnitt.
Die Zeit von 1648–1739.
 
Erstes Kapitel: Geschichtlicher Überblick über den Abschnitt 157–159

Bedeutung des Abschnittes für die Entwicklung des Seekriegswesens S. 160.

 
Zweites Kapitel: Die Entwicklung des Seekriegswesens 161–188

Weiterentwicklung der Schiffe von 1648–1739: Zunahme und Vervollkommnung des Kriegsschiffbaues („Constant Warwick“, „Speaker“, „Royal Louis“). Beiboote. Wichtige Verbesserungen (Zwischendeck, Schiffsbodenschutz, Ruderrad). Nautische Hilfsmittel S. 161–167.

 

Waffen: Geschützarten. Geschosse. Handwaffen. Aufstellung und Verteilung der Geschütze an Bord S. 168–170. — Planmäßige Armierung der Schiffe S. 171–172. — Brander und Mörserboote S. 173–174.

 

Schiffsklassen: Ihre Entwicklung, Schiffsbestände der englischen Marine nach solchen um 1624, 1653, 1688, 1727. Das Linienschiff und Schiffe zu besonderen Zwecken (Kreuzer) S. 174–179.

 

Das Personal: Entstehung des Seeoffizier-, Deckoffizier- und Unteroffizier-Korps; letztere beide für die verschiedenen Dienstzweige. Die Mannschaft (Werben, Pressen, Seesoldaten) S. 180–182. — Geist des Personals S. 183.

 

Kampfweise und Taktik. Weiterentwicklung: Kampf in der Querabrichtung, Luvstellung, Flottenkiellinie aus Gruppen, Einteilung [x] einer Flotte, Gruppentaktik. Kiellinie aus Einzelschiffen, Einteilung einer Flotte, Kiellinie beim Winde S. 184–187. — Das Gefecht nimmt einen andern Verlauf. Wert der Brander S. 188.

 
Drittes Kapitel: Der erste englisch-holländische Krieg 1652–1654 189–235

Die Kriegsgründe (Navigationsakte, Flaggengruß, der erste Zusammenstoß) S. 189–191.

 

Die Streitmittel der Gegner (Entwicklung der holländischen und englischen Marine). Holland: Die ersten Rüstungen, Schiffsbestand, Neubauten, Personal S. 192–194. England: Vergleichende Angaben. Abwägung S. 195–197. — Verwendung der Flotten Englands und Hollands 1648–1652 S. 198.

 

Der Verlauf des Krieges. Mängel in den Quellen über die Kriege S. 199. — Das Gefecht bei Dover 29. Mai 1652 (Tromp gegen Blake) S. 200–203. — Ereignisse vor der Kriegserklärung S. 204. — Das Gefecht bei Plymouth 26. August 1652 (Ruyter gegen Ayscue) S. 205–207. — Blake vernichtet ein französisches Geschwader 7. September 1652 S. 208. — Der Krieg im Mittelmeer. Gefecht bei Elba 6. September 1652 (van Galen gegen Badiley). „Phönix“ vor Livorno durch Boote genommen S. 208–209. — Die Schlacht bei Kentish Knock 8. Oktober 1652 (Witte de Witt gegen Blake) S. 210–211. — Niederlage der Engländer bei Dungeness 10. Dezember 1652 (Tromp gegen Blake) S. 212–213. — England räumt das Mittelmeer. Gefecht vor Livorno 14. März 1653 (van Galen gegen Appleton) S. 214. — Die Schlacht bei Portland 28. Februar 1653 (Tromp gegen Blake), die Engländer verfolgen Tromp mit seinem Convoi S. 215–218. — Rüstungen und Unternehmungen im Frühjahr 1653 S. 219–220. — Zusammensetzung der engl. Flotte im Juni 1653 (als Beispiel einer großen Flotte jener Zeit) S. 220–221. — Die Schlacht bei Northforeland-Nieuport 12./13. Juni 1653 (Tromp gegen Monck), die erste Schlacht mit taktischen Bewegungen S. 222–224. — Die Gegner suchen den Entscheidungskampf, Gefecht bei Kattwijk 8. August und Schlacht bei Scheveningen 10. August 1653 (Tromp gegen Monck). Tromps Tod S. 225–227. — Folgen der Schlacht. Frieden von Westminster 1654 S. 228–229.

 

Bemerkenswertes im ersten Kriege, Umschwung in der Kriegführung S. 229–231. — Über Strategie, Rückblick auf den Krieg. Schlußfolgerung S. 232–235.

 
Viertes Kapitel: Nebenkriege 1654–1665 236–247

England: Krieg mit Spanien 1654–1659. Penn erobert Jamaica (1655) S. 236. — Blake vernichtet eine tunesische Flotte (1655) und die Silberflotte vor Teneriffa (1657), beide im Schutz von Befestigungen S. 237–238. — England bei Dünkirchen, in der Ostsee, in Tanger S. 238.

 

Holland: Krieg mit Portugal 1656–1661 S. 239.

 

Der schwedisch-polnische (-brandenburg-dänische) Krieg 1655–1660. Allgemeiner Verlauf des Krieges. (Das Haager-Koncert. Frieden von Roeskild 1658. Frieden von Kopenhagen 1660) S. 240. — Beteiligung Hollands: Entsatz Danzigs 1656. Die Schlacht im Sunde 8. November 1658 (Wassenaer gegen Wrangel). England in der Ostsee S. 241–244. — Eroberung Fünens, Beschießung Nyborgs (Ruyter) 1659 S. 245.[xi]

 

Holland im Mittelmeer 1661–1664 S. 246.

 

Krieg Frankreichs gegen Spanien 1635–1659. Dünkirchen in spanischem, englischem, dann französischem Besitz. Der Pyrenäische Frieden S. 246–247.

 

Venedig und die Türken 1645–1669 S. 247.

 
Fünftes Kapitel: Der zweite englisch-holländische Krieg 1665–1667 248–306

Die politische Lage um 1662. Kriegsgründe S. 248–250. — Die äußeren Anlässe zum Kriege. Gegenseitige Angriffe in den Kolonien (Holmes und Ruyter in Westafrika und Nordamerika 1663–1665) S. 251–253. — England greift den Smyrna-Convoi an 1664. Die Kriegserklärung S. 254.

 

Die Streitmittel der Gegner (Entwicklung der holländischen und englischen Marine). Holland: Neubauten von 1654–1666; Verbesserung der Armierung; Personal (Vermehrung der Admirale) S. 255–257. — England: Schiffsbestand 1654, 1665, 1666. Vergleich der Armierungs- und Bemannungsstärke. Werften S. 258–260. — Stand der Taktik (Gefechtsinstruktionen) S. 260–261. — Abwägende Beurteilung des Personals S. 262. — Hinweis auf die Marine Frankreichs S. 263.

 

Der Verlauf des Krieges. Die ersten Bewegungen S. 263–265. — Die Schlacht bei Lowestoft 13. Juni 1665 (Herzog von York gegen Wassenaer), die erste Schlacht mit Kiellinien beim Winde, Schilderung und Beurteilung S. 266–268. — Weitere Ereignisse 1665. (Verdienste Jan de Witts; Ruyter Oberbefehlshaber) S. 269–270. — Englischer Angriff auf Kauffahrer in Bergen 12. August 1665 S. 271. — Verhalten Frankreichs und Dänemarks S. 272. — Stärke der Flotten 1666 S. 273. — Die Viertage-Schlacht 11. bis 14. Juni 1666 (Ruyter gegen Prinz Rupert und Monck): Strategischer Fehler der Engländer, Schilderung der Schlacht (Moncks berühmter Angriff am 11., Tromps Fehler am 12., Verfolgungsgefecht am 13., Niederlage der Engländer am 14. S. 273–282. — Die zweite Schlacht bei Northforeland 4. bis 5. August 1666 (Schlacht vor der Themse; St. James Fight. Die gleichen Führer wie vorher): Ruyter erkundet die Themse; Niederlage der Holländer am 4., Ruyters Rückzug am 5. S. 283–286. — Weitere Ereignisse 1666: Die Engländer im Vlie-Strome 19. August; Ruyters Versuch, sich mit den Franzosen zu vereinigen; erfolglose Friedensverhandlungen S. 287–289. — Das Jahr 1667. England beabsichtigt, nur Kreuzerkrieg zu führen, Holland die Themse anzugreifen S. 289–291. — Ruyters Angriff auf Themse und Medway 17./23. Juni (Order, Disposition und Ausführung) S. 292–294. — Blockade der Themse und Beunruhigung der englischen Küsten, Sommer 1667 S. 295 bis 296. — Frieden zu Breda 21. Juli 1667. S. 296.

 

Bemerkenswertes beim zweiten Kriege: Unterlegenheit Hollands in Material und Personal. Fortschritte in der Taktik (die Kiellinie beim Winde) S. 297–299. — Über Strategie in diesem Kriege, Rückblick S. 300–304. — Militärischer Wert des Kreuzerkrieges S. 305. — Über die Angriffe auf das feindliche Land S. 305.

 

Vergleich des ersten und zweiten Krieges S. 305.

 
Sechstes Kapitel: Der dritte englisch-holländische Krieg 1672–1674 307–361

Die politischen Verhältnisse vor dem Kriege: Ludwigs XIV. Devolutionskrieg, Dreibund gegen ihn, seine strategische Politik [xii] zu dessen Lösung und zur Isolierung Hollands. (Leibniz' Concilium Aegyptiacum.) Kriegserklärung Englands und Frankreichs gegen Holland S. 307 bis 312.

 

Die Streitmittel der Gegner (Entwicklung der englischen, holländischen und französischen Marine). Holland und England: Bestand der Flotten 1666 und 1672; Organisationsänderungen; Disziplin und Geist S. 312 bis 314. — Die französische Marine: Schnelle Entwicklung unter Colbert (Colberts Wohlfahrtspolitik); Schiffsbestand 1640, 1666, 1669; Schiffe, Armierung, Bemannung; das Kontingent zum Kriege 1672; Kennzeichnung des Offizierkorps S. 315–319. — Verwendung der drei Marinen 1667–1672 S. 319.

 

Der Verlauf des Krieges. Kriegspläne der Verbündeten (Landung). Holland in Not S. 320. — England greift vor Kriegserklärung den Smyrna-Convoi an 23. März 1672 S. 321. — Hollands Pläne und Unternehmungen im Frühjahr 1672 S. 322–324. — Die Schlacht bei Solebay 7. Juni 1672 (Ruyter gegen York und d'Estrées) verhindert Landungsversuch S. 325–328. — Verlauf des Landkrieges 1672 (neuer Landungsversuch). Innere Zustände Hollands (Volkserhebung, Ermordung de Witts, Deiche durchstochen) S. 329–332. — Wendepunkt im Landkriege, Holland erhält Hilfe S. 333. — Das Jahr 1673. Neue Bedrängnis Hollands. Ruyter versucht, die Themse zu sperren, nimmt dann eine offensive Defensive auf S. 334–335. — Erste Schlacht bei Schooneveld 7. Juni 1673 (Ruyter gegen Prinz Rupert und d'Estrées) S. 336–338. — Zweite Schlacht bei Schooneveld 14. Juni; beide Schlachten strategische Erfolge Ruyters S. 339–341. — Die Schlacht bei Texel 21. August 1673; Ruyter vor der Themse, dann wieder in Defensivstellung, Verbündete haben Landung vorbereitet; werden bei Texel geschlagen (Ruyters überlegene Taktik) S. 342–348. — Verhalten der Franzosen (d'Estrées) S. 349. — Die Schlacht führt zum Frieden S. 350. — Der kleine Krieg S. 350. — Verlauf des See- und Landkrieges 1673–1674. Der Frieden von Westminster Februar 1674 S. 351–352.

 

Bemerkenswertes im dritten Kriege in Hinsicht auf Material und Taktik (Ruyters Verdienste) S. 353–355. — Verhalten der Franzosen. Schwächen von Bündnissen S. 356. — Über Strategie: Wie die Gegner ihre Aufgaben lösten (ihre Kriegführung; Ruyters Strategie) S. 357–360. — Zusammenstellung der Hauptereignisse des Krieges S. 361.

 
Siebentes Kapitel: Nebenkriege 1674–1688 362–409

Verlauf des zweiten Eroberungskrieges Ludwigs XIV. von 1674 bis zu dem Frieden von Nymwegen 1678 und Fontainebleau 1679; er bringt zwei große Nebenkriege S. 362–363.

 

Der französisch-holländische (spanische) Krieg 1674–1678 (die Fortsetzung des Krieges 1672–1674 seitens Frankreichs und Hollands). Tromp an der französischen Küste und im Mittelmeer 1674 S. 364–367. — Ruyter in Westindien 1674 (Martinique) S. 368–369. — Westindien 1676–1677. Der Kampf um Tabago. Angriffe auf die Insel (Binckes gegen d'Estrées) S. 370–371. — Der Krieg im Mittelmeer 1675–1678. Kampf der Franzosen und Spanier um Sicilien (Gefecht bei Stromboli 1675) S. 372 bis 373. — Holland (Ruyter) unterstützt Spanien. Die Schlacht bei Stromboli 8. Januar 1676 (Ruyter gegen du Quesne, Vorteile der Leestellung) S. 374 bis 380. — Der Kampf um Messina. Schlacht bei Agosta 22. April 1676 [xiii] (Ruyter gegen du Quesne. Ruyters Tod. Angaben über Ruyter) S. 381–384. — Die Schlacht bei Palermo 2. Juni 1676 (den Haen und d'Ybarra gegen Graf v. Vivonne. Größter Erfolg der Brander) S. 385–386. — Die weiteren Ereignisse 1676–1678 (der Seekrieg lau) S. 387. — Frankreich räumt Sicilien S. 388. — Der kleine Krieg gegen den Handel (Dünkirchen) S. 389. — Rückblick auf den Krieg 1674–1678: Über die Kriegführung der Gegner. Mittelbare Folgen des Krieges für England, Holland, Frankreich S. 390–393.

 

Der schwedisch-dänische (holländisch-brandenburgische Krieg) 1675–1679. Stand der dänischen, schwedischen und brandenburgischen Marine; Stärke der holländischen Hilfsgeschwader (Tromp in dänischen Diensten) S. 394–395. — Die Schlacht bei Bornholm 5. Juni 1676 (de Almonde und Niels Juel gegen Creutz und Ugla) S. 396. — Schlacht bei Ertholm 11. Juni (Tromp gegen Creutz). Dänische Landung in Schonen S. 397. — Dänische Siege unter Niels Juel bei Gjedser und in der Kjögebucht 1677 S. 398. — Tromp und Niels Juel greifen Kalmar an. Verwüstung der Küsten 1677. Dänemark beherrscht die Ostsee S. 399. — Der Krieg in Pommern 1677–1678: Erste Eroberung Rügens unter Christian V. und Tromp. Tätigkeit der brandenburgischen Flottille 1676–1677. Holland tritt zurück, Tromp entlassen S. 400. — Die zweite Eroberung Rügens 1678 (der Große Kurfürst, Derfflinger, Tromp, Niels Juel) und seine Folgen. Friedensschluß S. 401. — Weitere Geschichte der brandenburgischen Marine S. 402.

 

Kämpfe gegen die Barbaresken 1674–1688. Vorgehen Englands (gibt Tanger auf) und Hollands S. 402–403. — Unternehmungen der Franzosen: du Quesne vernichtet Schiffe in Chios 1681; bombardiert Algier 1682 und 1683 (neue Mörserboote von Renau-d'Eliçagarey) S. 403–407. — d'Estrées gegen Tunis, Tripolis und Algier 1685–1688 S. 408.

 

Angriff der Franzosen auf Genua 1684 S. 408.

 

Venetianisch-türkischer Krieg 1684–1699. S. 409.

 
Achtes Kapitel: Der französisch-englisch-holländische Krieg 1688–1697 d. i. die Kriegführung zur See im Pfälzischen Erbschaftskriege 410–485

Die politischen Verhältnisse, die den Krieg herbeiführten. Ludwigs XIV. Reunionen und Ansprüche auf die Pfalz; der Augsburger Bund 1686; Wilhelm von Oranien König von England; die Wiener Allianz 1689 S. 410–412. — Fehler der Könige Ludwig und Jakob S. 413. — Allgemeiner Verlauf des Pfälzischen Erbschaftskrieges, Frieden von Ryswijk (Gründe der Erschöpfung Frankreichs). Die Verwendung der Flotten S. 413–417.

 

Die Streitmittel (Entwicklung der englischen, holländischen und französischen Marine). England: Mißstände in der Verwaltung; Stellung der Marine zur Revolution; Schiffsbestand 1688 und 1692 S. 417–419.

 

Holland: Neubauten unter Wilhelm von Oranien; Bestand 1692; Armierung; Indienststellungen während des Krieges; über den Vorwurf, Oranien habe die Marine vernachlässigt S. 419–422.

 

Frankreich: Fortschritte unter Colbert, Bestand 1681; Beginn des Verfalls nach 1683; die Amtstätigkeit der Minister de Seignelay und de Pontchartrin; Schiffsbestände bis 1696 S. 422–425.

 

Der Verlauf des Seekrieges. Wilhelm von Oraniens Übergang nach England 1688 S. 425–427. — Jakobs II. Einfall in Irland und die [xiv] Operationen 1689 S. 428–429. — Gefecht bei Bantrybay am 11. Mai 1689 (Herbert gegen Château-Renault). Rooke in der Irischen See. Laue Tätigkeit der Gegner im Kampfe um Irland S. 430–431. — Das Jahr 1690: Rüstungen der Gegner; Admiral Killigrew versucht vergeblich das Toulongeschwader festzuhalten; Wilhelm III. landet in Irland (Sorglosigkeit beider Gegner in Hinsicht auf Verbindung mit Irland) S. 432–434. — Tourville sucht die Flotte der Verbündeten, Herbert weicht aus, bis er Befehl zum Schlagen erhält (seine Einwendungen) S. 435–436. — Die Schlacht bei Beachy Head 10. Juli 1690 (Tourville gegen Herbert); Gründe der Niederlage der Verbündeten; Tourville nutzt seinen Sieg nicht aus S. 437–439. — Folgen der Schlacht; weitere Ereignisse 1690 S. 440. — Das Jahr 1691: Tourvilles Hochsee-Kreuztour und ihre Folgen. Frankreich im Mittelmeer S. 441–444. — Ludwig XIV. plant Einfall in England 1692, Vorbereitungen und Befehle an Tourville; Rüstungen der Verbündeten S. 445–446. — Die Schlacht bei Cap Barfleur 29. Mai 1692 (Tourville gegen Russell). Gegenbefehle erreichen Tourville nicht; Stärke der Gegner; Tourvilles Gründe zum Angriff; Beschreibung der Schlacht. Rückzug der Franzosen S. 447–453. — Vernichtung vieler französischer Schiffe bei La Hogue und Cherbourg 1.–3. Juni 1692 S. 454–455. — Die Ereignisse der Jahre 1693–1697 — Art der Kriegführung. Vertrag der Verbündeten mit Spanien S. 456. — 1693: Rüstungen; Tourville vernichtet den Smyrna-Convoi bei Lagos; die Engländer vor St. Malo (Infernals) S. 457–460. — 1694: Die Verbündeten im Mittelmeer und vor französischen Häfen (Brest, Dieppe, Dünkirchen, Calais) S. 461–462. — 1695: Ähnliche Unternehmen (St. Malo, Dünkirchen [Rauchschiffe und Infernals] Calais) S. 463–464. — 1696: Die Verbündeten geben das Mittelmeer auf. Ludwig XIV. plant Landung in England. Die Verbündeten greifen Frankreichs Westküste an S. 465–466. — 1697: Friedensunterhandlungen. Frankreichs Erfolge in Spanien und Westindien (de Pointis vor Cartagena) S. 466 bis 467.

 

Der kleine Krieg: Dünkirchen; Eigenart des französischen Kreuzerkrieges (Taten Jean Barts) S. 467–470. — Über das Wesen des Kreuzerkrieges S. 471–472. — Die Zusammenstöße in den Kolonien (Westindien, Nordamerika) S. 472–473.

 

Bemerkenswertes in diesem Kriege (Material und Taktik S. 474.)

 

Über Strategie: Rückblick auf die Kriegführung zur See (Herberts Verhalten bei Beachy Head), Schlußbetrachtungen S. 475–485.

 
Neuntes Kapitel: Der Spanische Erbfolgekrieg 1702–1713 486–576

Die politischen Verhältnisse vor dem Kriege: Verhandlungen über die Thronfolge in Spanien; Philipp von Anjou König von Spanien; Bund der Seemächte und des Kaisers gegen Ludwig XIV., Kriegsplan; Karl von Österreich als Gegenkönig aufgestellt, Änderung im Kriegsplan; Stellung Portugals (Methuen-Vertrag) und Savoyens S. 486–491. — Der allgemeine Verlauf des Krieges und die Tätigkeit der Seestreitkräfte in ihm S. 491–496. — Die Bedingungen des Friedens von Utrecht S. 497.

 

Die Streitmittel (innere Geschichte der drei großen Marinen
bis 1739).

 

Die holländische Marine: Beginn des Verfalls; Indienststellungen während des Krieges; Verfall nach Utrecht; Schiffsbestand 1740; über Personal S. 498–501. — Die französische Marine: Amtstätigkeit Jerôme de Pontchartrins von 1699; Tätigkeit der Flotte während des Krieges; Entwertung [xv] des Personals; Schiffsbestand 1712. Weiterer Rückgang während der Regentschaft (1715–1723; Schiffsbestand 1729) und unter Minister Maurepas (1723 bis 1742); Stärke 1742 S. 502–504. — Die englische Marine: Schiffsbestände 1688, 1702, 1727, 1740. Personal (Kennzeichnung der Seeoffiziere des 18. Jahrh.) S. 505–507.

 

Der Verlauf des Seekrieges. 1701: Rüstungen, Absichten und Bewegungen der Gegner S. 507–509. — Das Jahr 1702: Der Angriff auf Cadiz, Vorgeschichte S. 509–510. — Rüstungen der Verbündeten (lau; Hinhalten der Unternehmungen durch Rooke), Rüstungen der Franzosen S. 511–512. — Erfolgloser Angriff der Verbündeten auf Cadiz (unter Rooke); Rooke beschließt Heimkehr; Befehle für ihn S. 513–515. — Vernichtung der Silberflotte in Vigo 23. Oktober 1702. Wirkung dieses Erfolges S. 516–518. — Die Jahre 1703–1704: Plan der Verbündeten für 1703, laue Tätigkeit und geringe Erfolge, Verluste durch Sturm S. 519–521. — 1704: Vertrag der Seemächte mit Portugal; Karl III. nach Portugal; Rüstungen und Pläne der Gegner (letzte große Rüstung Frankreichs) S. 522–523. — Angriff der Verbündeten auf Barcelona; Graf Toulouse vereinigt die Brest- und Toulon-Flotte S. 524–525. — Rooke erobert Gibraltar 3. August 1704. Beurteilung Rookes S. 526–528. — Graf Toulouse naht zur Wiedernahme, Rooke deckt Gibraltar S. 529–530. — Die Schlacht bei Malaga 24. August 1704 (Rooke gegen Toulouse): Stärke der Flotten; Bedeutung der Schlacht für die Taktik (Corbett über den Stand der Taktik); die Schlacht und ihre Folgen S. 530–536. — Gibraltar belagert, durch Leake 1704 verstärkt und 1705 entsetzt (de Pointis vernichtet) S. 536–539. — Die Jahre 1705–1706: Barcelona durch Prinz von Hessen, Peterborough und Shovel erobert 1705 S. 540–541. — Die Stadt von Marschall Tessé und Toulouse belagert, durch Leake entsetzt 1706. Eine Landung in Rochefort geplant S. 541–544. — 1706: Erfolge der Verbündeten im Mittelmeer S. 545. — Die Jahre 1707–1708: Angriff auf Toulon (Shovel und Prinz Eugen); Gefecht am Var; Erfolglose Belagerung Toulons (Shovels Unglück bei den Scillys) 1707 S. 546–549. — Die Verbündeten besetzen Sardinien und erobern Port Mahon (Leake und Stanhope) 1708 S. 550–552. — Einfallsversuch der Franzosen in Schottland (Forbin) 1708 S. 552. — Die letzten Kriegsjahre 1709–1712: Stilles Wirken der Seestreitkräfte; Mißerfolge der Franzosen gegen Sardinien, der Verbündeten gegen Cette 1710 — Ende des Seekrieges im Mittelmeer 1712 S. 553–555. — Französische Expedition gegen Rio (Trouin) 1712 S. 556. — Der Verlust an Schiffen im Kriege S. 557.

 

Der kleine Krieg: Tätigkeit, Verluste und Erfolge der Gegner; Taten berühmter französischer Freibeuter (Saint Pol; Forbin; Trouin; du Casse; Cassard) S. 558–562. — Die Zusammenstöße in den Kolonien: Westindien (Gefecht vor Cartagena: Benbow gegen du Casse 29. August bis 3. September 1702), Nordamerika (Walkers Angriff auf Quebec 1711) S. 562–566.

 

Schlußbetrachtungen: Unzulänglichkeit der Streitmittel für die Aufgaben; Englands Klage über Hollands geringe Leistung; Stand der Taktik S. 566–567. — Über Strategie: die Aufgaben der Marinen und wie sie diese lösten (Rückblick auf den Krieg), Frankreichs Kriegführung S. 568–570. — Die Kriegführung der Verbündeten S. 570–574.

 

Die Ergebnisse des Krieges für die Teilnehmer S. 575–576.

 
Zehntes Kapitel: Nebenkriege 1689–1739 577–593

Die Quadrupel-Allianz zur Aufrechterhaltung des Friedens von Utrecht 1718–1720: Spanien (Kardinal Alberoni) [xvi] will die verlorenen Provinzen wiedergewinnen, besetzt Sardinien; Bund Englands, Frankreichs, Hollands und des Kaisers S. 577–578. — Spanien besetzt Sicilien; Admiral Byng vernichtet die spanische Flotte bei Cap Passaro 11. August 1718. Spanien aus Sicilien vertrieben; spanische Unternehmen gegen englische und französische Küsten, Einfälle dieser Staaten in Spanien; der Haager Frieden 1720 S. 581–582.

 

Der Nordische Krieg 1700–1721: Die dänische und schwedische Marine S. 582–583. — Gründung der russischen Marine (Peter der Große) S. 583–585. — Der Verlauf des Krieges 1700: Rußland, Polen, Dänemark bedrohen Schweden; Karl XII. wirft Dänemark mit Hilfe einer englisch-holländischen Flotte nieder (Belagerung Kopenhagens, Frieden von Travendal) S. 585–586. — Karls XII. Landkrieg 1700–1709 (sein Aufenthalt in der Türkei) S. 587. — Erfolge der Gegner Karls 1709–1715 (Beteiligung der Seestreitkräfte in diesen Jahren; Schweden verliert seinen festländischen Besitz) S. 588–589. — Karls XII. Feldzüge gegen Norwegen 1716–1718 (Karls Tod; Tordenskiold) S. 589. — Rußlands Einfälle in Schweden 1719 bis 1721 S. 589. — Die Haltung Englands und Hollands im Nordischen Kriege. Tätigkeit ihrer Flotten 1715–1721 S. 590–591.

 

Venedig und die Türken: Kriege 1645–1669 um Kreta, 1684–1699 und 1714–1718 um Morea. Venedig auf das Adriatische Meer beschränkt S. 591–592.

 

Die Barbaresken-Staaten 1715–1740: Hollands, Englands und Frankreichs Maßnahmen gegen den Seeraub S. 592.

 

Hinweis auf: Angriff Spaniens auf Gibraltar (1727) und Polnischer Erbfolgekrieg (1733–1735) S. 593.

 
Elftes Kapitel: Die Zeit von 1721–1739. (Übergang zum Abschnitt IV, Band II) 594–598

Die politischen Verhältnisse bleiben gespannt: Gründe (Pragmatische Sanktion); Friedenspolitik Fleurys und Walpoles (Wirken Laws in Frankreich) S. 594–595.

 

Bedrohung des Friedens 1725: Bund Österreich-Spanien gegen Frankreich-England-Holland-Preußen; wirkungsvolles Auftreten Englands zur See (spanischer Angriff auf Gibraltar 1727) S. 596.

 

Der Polnische Thronfolgekrieg und seine Folgen S. 597.

 

Der Bourbonische Familienvertrag und die Spannung Spaniens und Englands in Westindien führen zum nächsten großen Seekriege 1739S. 598.

 
Zwölftes Kapitel: Geschichte der Kolonien von 1648–1740 599–622

Mittel- und Südamerika, Westindien. Die spanischen Kolonien: Schlechte Verwaltung; Belästigung durch die Kriege; Flibustier; englischer Schmuggelhandel; Stärke der Bevölkerung; der spanische Besitz um 1740 S. 599–601. — Die englischen Kolonien: Angaben über ihre Entwicklung, Einwohnerzahl und Handel S. 602. — Die französischen Kolonien: desgleichen S. 603–604. — Holland, Dänemark, Portugal S. 604–605.

 

Nordamerika. Die englischen Kolonien: Innere Entwicklung; Ausbreitung; Stärke der Bevölkerung zu den Zeiten der Kriege mit Frankreich [xvii] S. 605–607. — Die französischen Kolonien in Kanada und Louisiana: desgleichen S. 608–611.

 

Ostindien. Niedergang der Macht Portugals, Wachsen der Hollands (holländisch-ostindische Kompagnie) S. 611–614. — Kurze Geschichte der englisch-ostindischen Kompagnie S. 614–616. — Die Ostender Kompagnie des deutschen Kaisers S. 616. — Frankreichs Kolonien in Indien S. 617–618. — Spanien auf den Philippinen S. 618.

 

Afrika. Verlust der Portugiesen an Kolonien S. 619. — Besitzungen Hollands (Kapland) S. 619–620. — Niederlassungen Englands (westafrikanische Kompagnien) S. 620. — Besitzungen Frankreichs (Senegambien; Mißerfolg in Madagaskar; Bourbon und Isle de France) S. 621–622.

 
Verzeichnis der Seekriege und Seeschlachten 623
Sach- und Namensverzeichnis 627
Berichtigungen 642
deco

[xviii]

deco

Wichtigste Quellen-Literatur.

A. Werke allgemeinen Inhalts.

  Abkürzung, im
Text gebraucht:
[1]A. du Sein, Professeur de l'école navale: Histoire de la Marine de tous les peuples depuis les temps les plus reculés jusqu'à nos jours. Paris 1879. 2 Bde. du Sein.
Nach Völkern geordnet; Aufzählung sämtlicher Operationen, Beschreibung einiger Schlachten usw.; die Unterabteilungen der Geschichte einer jeden Marine durch kurzen Überblick der politischen Verhältnisse eingeleitet. Im ersten Kapitel „du Navire“ Angaben über die Schiffe des Altertums und Mittelalters, besonders die verschiedenen Ansichten über Einrichtungen der mehrreihigen Ruderschiffe betreffend, mit Abbildungen. Geeignet für allgemeinen Überblick; nicht immer zuverlässig.  
C. Randaccio: Storia navale universale antica e moderna. Roma 1891.  
Übersicht aller Seekriege, der Zeit nach durchlaufend geordnet. Kürzer als du Sein, Aktionen nicht beschrieben.  
[1]L. v. Henk, Vizeadmiral z. D.: Die Kriegführung zur See in ihren wichtigsten Epochen. Berlin 1881. v. Henk.
Nach Zeitaltern und Völkern geordnet, eine kurze Schilderung der Tätigkeit aller Marinen; Hauptschlachten beschrieben.  
[1]W. Laird Clowes; The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. London 1897/1901. 6 Bde. Nach Zeitabschnitten geordnet: Bd. I 60 v. Chr. bis 1603; Bd. II 1604–1714; Bd. III 1715–1783. Clowes.
Neueste, genaueste und unparteiischste Geschichte der englischen Marine; die Unterabschnitte — Military History, Voyages and Discoveries, Civil History — jedes Zeitraumes schildern die Tätigkeit der Marine an der Hand der englischen Geschichte, mit Benutzung früher nicht zugänglicher amtlicher Urkunden, sowie ihre innere Entwicklung und damit die des Seewesens überhaupt; reiche Quellenangabe besonders über das Material (Schiffe, Artillerie usw.).  [xix]
[1]P. H. Colomb, Rearadmiral: Naval Warfare. Its ruling principles and practice historically treated. London 1891. Colomb.
Abhandlungen über die Kriegführung zur See. Die Kapitel I–IV, „Struggle for the command of the sea,“ und VI–IX, „Attempts to gain command of the sea with definite ulterior purpose“, beschreiben die großen Seekriege oder besondere Lagen in diesen. Die Kapitel X–XV, „The conditions under which attacks on territory from the sea succeed or fall,“ geben die Schilderung des Armadazuges sowie vieler Unternehmungen gegen feindliches Land im 17. und 18. Jahrh. Im Kapitel V, „The differentiation of naval force“, die Entwicklung der Schiffsklassen für die verschiedenen Kriegszwecke.  
Julian S. Corbett: England in the Mediterranean, a study of the rise and influence of British power within the streets. London 1904. Corbett
„Mediterranean“.
Die Betrachtungen umfassen die Zeit von 1603–1713, zeigen das Bestreben Englands, im Mittelmeer festen Fuß zu fassen; lesenswert und wichtig für die Kriege des 17. Jahrh., aber besonders für den Spanischen Erbfolgekrieg 1702–1713. (Nach früher nicht zugänglichen Urkunden in englischen Archiven.)  
[1]J. C. de Jonge: Geschiedenis van het Nederlandsche Zeewezen. Haarlem 1858. 10 Bde. de Jonge.
Wohl das bedeutendste Werk über die holländische Marine, beginnend im Mittelalter, genau von 1665 (zweiter englisch-holländischer Krieg) an. Kriege unparteiisch behandelt; innere Geschichte der Marine (Material und Personal) sehr eingehend und lehrreich; reiche Quellenangabe. Für Deutsche nach einiger Übung leicht zu lesen.  
Comte de Lapeyrouse Bonfils: Histoire de la Marine Française. Paris 1845. 3 Bde. Bonfils.
Genaue Geschichte von 1643 an.  
C. Chabaud-Arnault, Capitaine de Frégate: Histoire des flottes militaires. Paris et Nancy 1889. Chab.-Arnault.
Kurze (500 Seiten) aber sehr übersichtliche Geschichte der wichtigsten Marinen, ihre Entwicklung und Verwendung; gut für Überblick, genauer und sehr lesenswert in Hinsicht auf die französische Marine.  
[1]O. Troude (publié par P. Levot): Batailles navales de la France. Paris 1867–1868. 4 Bde. Troude.
Seeschlachten vom Jahre 520 an; in der Einführung Angaben über Artillerie und Schiffsklassen der französischen Marine zu verschiedenen Zeiten.  
A. T. Mahan, Captain U. S. Navy: Der Einfluß der Seemacht auf die Geschichte. Erster Band 1660–1783. 2. Aufl. Übersetzung Berlin 1898. Mahan.
Lehrreich in Hinsicht auf die politischen Verhältnisse vor, während und nach den großen Seekriegen sowie auf die Strategie in diesen; die Kriege werden mehr in großen Zügen behandelt, jedoch auch verschiedene Schlachten beschrieben.  [xx]
P. Hoste, Kaplan des französischen Admirals Tourville: L'art des armées navales, ou traité des évolutions navales. Lyon 1697. Hoste.
Dieses erste Werk über Seetaktik, nach Anweisung Tourvilles geschrieben, gibt den Stand der Taktik um 1700 nach den Erfahrungen der großen Kriege des 17. Jahrh. Es enthält Regeln über: Marsch- und Gefechtsordnungen, Übergänge; Manövrieren um die Luvstellung; Kampf vermeiden, den Gegner zum Kampf zwingen; Dublieren und dieses hindern; Durchbrechen usw. (ein Flotten-Exerzier-Reglement). Zur Erläuterung der Lehren sowie zum Beweise aufgestellter Grundsätze sind verschiedene Schlachten beschrieben.  
Julian S. Corbett: Fighting Instructions 1530–1816. Publications of the Navy Records Society. Vol. XXIX. London 1905.  
Die Entwicklung der Gefechtsvorschriften in der englischen Marine.  
E. K. Rawson: Twenty famous naval battles, Salamis to Santiago. London 1900.  
Für den ersten Band: Salamis; Aktium; Lepanto; Gravelines (Armada); Dungeness; Kap Barfleur-La Hogue.  
[1]Francis Steinitz: The Ship, its origin and progress. Being a general history from its first invention to the latest improvements; forming a complete account of the naval events of the ancients, the middle ages and the modern epochs, to the close of 1848. London 1898. Troude.
Bemerkenswert durch zahlreiche Abbildungen von Fahrzeugen aller Zeiten, durch einen Anhang mit Erklärung der Namen vieler Schiffsarten aller Völker. In Hinsicht auf die „naval events“ nur genauer für die englische Marine und für die Kriege Venedigs mit den Türken, die sonst selten zu finden sind.  
J. Campbell und seine Fortsetzer: Lives of the British admirals and naval history of Great-Britain from the day's of Caesar to the present time. London 1873.  
>Von neueren Schriftstellern oft angezogenes Werk schon frühen Ursprungs, mehrfach neu herausgegeben. (In der Bibliothek der Marineakademie eine deutsche Übersetzung von 1755, Leipzig, und eine englische Ausgabe von 1813.)  
R. Southey: Lives of the British admirals with an introductory view of the naval history of England. London 1833–1840. (5 Bände.)  
Isaac Schomberg[2], Captain R. N.: Naval chronology; or an historical summary of naval and maritime events, from the time of the Romans to the treaty of peace 1802. London 1802. 5 Bde.  [xxi]
Joseph Allen[2], R. N.: Battles of the British navy. London 1852. Von 1200 an. Allen.
C. D. Yonge[2]: The history of the British Navy from the earliest period (700) to the present time. 2. ed. London 1866. Allen.
[1]Ch. de la Roncière: Histoire de la Marine française. Paris. Teil I 1899, Teil II 1900. Roncière.
Teil I, „Les Origines,“ umfaßt die Zeit vom Altertum (römische Zeit) bis 1360; Teil II, „La guerre de cent ans,“ die Zeit bis 1483 und „Révolution maritime,“ d. i. die Veränderungen im Seewesen, durch die großen Entdeckungen und die Einführung der Artillerie hervorgerufen. Verspricht bei Fortsetzung das genaueste Werk über die französische Marine zu werden.  
E. Chevalier: Histoire de la marine française depuis les débuts de la monarchie jusqu'au traité de paix de 1763. Paris 1902.  
>Nur 405 Seiten.  
Eugène Sue: Histoire de la marine française. Paris 1835–1837. Fünf Teile. Sue.
Von neueren, besonders französischen, Schriftstellern oft angezogen, aber auch mehrfach als ungenau in einzelnen Angaben (romantisch) bezeichnet.  
L. Guérin: Histoire maritime de France. Paris 1851. 6 Bde.  
Wird oft angezogen, besonders z. B. von de Jonge[3].  
Prince de Joinville: Histoire générale de la marine, comprenant les naufrages célèbres, les voyages autour du monde, les découvertes et colonisations, l'histoire des pirates et corsaires; exploits des marins illustres, guerres et batailles navales jusqu'au bombardement de Tanger et la prise de Mogador. Paris. 4 Teile in 2 Bdn.  
Das Werk gibt die Geschichte der Schiffahrt aller Völker, die der Marinen unter Hauptberücksichtigung der französischen.  
A. Barbou: Les Grands Marins de France. Histoire populaire de la marine française depuis les temps anciens jusqu'à nos jours. Paris 1885.  
Kurz gefaßt (377 Seiten), gut illustriert.  [xxii]
F. C. Duro: Armada Española desde la unión de los reinós de Castilla y de Léon et Aragon. Madrid 1895–1903. 9 Bde.  
Genaueste Geschichte der spanischen Marine.  
C. A. Gyllengranat: Sveriges sjökrigs-historia i sammandrag. Carlskrona 1840. 2 Bde. Gyllengranat.
H. G. Garde: Den Danske og Norske Sömagts historie 1535 bis 1814. Kjöbenhavn 1852–1861. 2 Bde. Garde.
J. G. Tuxen: Den Danske og Norske Sömagt fra de aeldste Tider indtil vose Dage. laere Skildringer. Kjöbenhavn 1875. Tuxen.
Nauticus: Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen. Berlin. Nauticus.
Aufsätze im Jahrgang 1900: Entwicklung der englischen Seemacht; Blüte und Verfall der holländischen Seemacht; die skandinavischen Völker als Seemächte; aus der Geschichte Venedigs. Jahrgang 1901: Frankreichs Blütezeit als See- und Kolonialmacht; Blüte und Verfall der spanischen Seemacht. Jahrgang 1902: Blütezeit der dänischen Seemacht; Seemacht Rußlands unter Peter dem Großen.  
Carl Rodenberg, Professor der Geschichte an der Universität Kiel: Seemacht in der Geschichte. Stuttgart 1900.  
Bespricht kurz (33 Seiten), aber fesselnd den Einfluß des Besitzes der Seemacht durch eine starke Marine auf die Geschichte von der Zeit der Hansa an; die hohe Bedeutung der großen Seekriege wird veranschaulicht.  
Dr. A. Zimmermann: Die Europäischen Kolonien. Schilderung ihrer Entstehung, Entwicklung, Erfolge und Aussichten. Band I: Portugal und Spanien. Band II und III: England. Band IV: Frankreich. Band V: Holland. Berlin 1896 (I), 1898/9 (II, III), 1902 (IV), 1903 (V). Zimmermann.
Bemerkenswert für die zunehmende Ausdehnung der Schiffahrt und für die Kämpfe um die Kolonien.  
L. Arenhold, Marinemaler und Kapitänleutnant der Reserve: Die historische Entwicklung der Schiffstypen vom römischen Kriegsschiff bis zur Gegenwart. Kiel und Leipzig 1891. Arenhold.
30 Heliogravüren mit erläuterndem Text veranschaulichen die Entwicklung des Schiffbaues, der Takelage und der Armierung.  
J. Charnock: A History of marine architecture, including an enlarged and progressive view of the nautical regulations and naval history, both civil and military, of all nations, especially of Great-Britain. London 1800–1802. 3 Bde.  
In den besten Werken über Seekriegsgeschichte als Quelle für Entwicklung des Seewesens vielfach benutzt.  
A. Jal: Archéologie navale. Paris 1840. 2 Bde.  

[xxiii]

B. Werke besonderen Inhalts.

1. Altertum und Mittelalter.

  Abkürzung, im
Text gebraucht:
Adolf Ermann: Ägypten und ägyptisches Leben im Altertum. Tübingen 1885.  
In den Kapiteln XIX und XX bemerkenswerte Angaben über das Seewesen der alten Ägypter.  
Dr. F. C. Movers: Die Phönizier. Berlin 1856. Movers.
Band II, Teil III, Kapitel VIII: Seehandel, Seewesen und Schifffahrt der Phönizier.  
Otto Meltzer: Geschichte der Karthager. Berlin 1896. 2 Bde. Meltzer.
Band II, Kapitel VII: Angaben über die Kriegsflotte der Karthager.  
Dr. Iwan von Müller: Handbuch der klassischen Altertums-Wissenschaft. München 1893.  
Band IV, Abteilung I, Hälfte II: Seite 330 ff. Angaben über die Flotte Spartas und seiner Bundesgenossen (Korinth). Seite 359 ff. sehr genau über die Flotte Athens, Organisation, Taktik, Schiffbau (ähnlich wie in du Sein eine Zusammenstellung aller Ansichten über die Rudereinrichtung auf mehrreihigen Schiffen). Seite 417 die Flotte Siciliens (Syrakus). Seite 440 die Marine zur Zeit Alexanders des Großen und Seite 458 zur Zeit seiner Nachfolger (größere Schiffe als Penteren). Band IV, Abteilung II: Seite 425 Angaben über die römische Flotte.  
A. Cartault: La trière athénienne. Paris 1881.  
Dr. A. Breusing: Die Nautik der Alten. Bremen 1866. Breusing,
Nautik.
Schiffahrt, Steuermannskunst, Bau und Takelung, die Reise des Paulus (als Schilderung einer Seereise, aus der man Schlüsse über Handhabung der Schiffe ziehen kann).  
Dr. A. Breusing: Die Lösung des Trierenrätsels. Bremen 1889. Breusing,
Triere.
Berichtigungen zu vorstehendem Werke, Ansicht des Verfassers (sehr bemerkenswert) über die Rudereinrichtung der Trieren.  
R. Haak: In Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Jahrgang 1895: Über attische Trieren. R. Haak.
Seite 165–174 die Rudereinrichtung eingehend besprochen.  
Serre, Kontreadmiral: Les marines de guerre de l'antiquité et moyen age. 2 Bde. Paris 1885, 1891. Serre.
Teil I: Die verschiedenen Ruderschiffstypen des Altertums (seine Ansicht über Rudereinrichtung); Galeren des Mittelalters (mit einem Auszug aus Fincati). Teil II: Eingehender über dasselbe Thema; Angaben über Takelung und Ausrüstung.  
Fincati, Kontreadmiral: Triremi Veneziani. Roma 1881. Fincati.
Schiffe des späteren Mittelalters; über Rudereinrichtung im Altertum (hiervon ein Auszug in Serre).  [xxiv]
Dr. E. Heyk: Genua und seine Marine im Zeitalter der Kreuzzüge. Innsbruck 1886.  
Über die Schiffe zur Zeit der Kreuzzüge, ihre Besatzung und Kampfweise.  
[1]Jurien de la Gravière: La marine des anciens, la bataille de Salamine et l'expédition de Sicile. Paris 1886/87.  
Die Hauptschlachten der griechischen Zeit (auch z. B. karthagische Expeditionen nach Sicilien) mit vergleichenden Schlüssen zu späteren Zeiten.  
[1]Derselbe: La marine des Ptolémées et des Romains. Paris 1885. 2 Bde.  
Die römische Marine und ihre Haupttaten vom Punischen Kriege bis Aktium; einiges über die Kaiserzeit und die gotischen Flotten.  
[1]C. Manfroni: Storia della Marina Italiana dalle invasioni barbariche al trattato di Ninfeo. Livorno 1899.  
Die maritimen Verhältnisse im Mittelmeer 400–1261; Begebenheiten bei der Völkerwanderung, zwischen den neuen Reichen, Araber und Normannen, Aufblühen der Städte und ihre Kämpfe, Kreuzzüge; über Schiffe, Personal, Nautik, Taktik usw.  
G. de Veer: Prinz Heinrich der Seefahrer und seine Zeit. Danzig 1864.  
Kurz die Unternehmungen und Kriege Portugals zur See von 1100 an; die Entdeckungen unter Prinz H. 1420–1460.  
Th. Lindner: Die deutsche Hansa. Leipzig 1899. Lindner.
Ihre Geschichte und Bedeutung; kurz ihre Kriege gegen Dänemark und Schweden.  
Dr. A. Schaefer: Die Hansa und die Norddeutsche Marine. Bonn 1869. Schaefer.
Gründung, Stellung und Kriege der Hansa. Von demselben Autor auch spätere Werke über die Hansa.  

2. Neuere Zeit bis 1740.

Dassié: L'Architecture navale, contenant la manière de construire des navires, galères et chaloupes et la definition de plusieurs autre espèces de vaisseaux. Paris 1677.  
Mit Plänen und Bildern; Erklärung technischer Ausdrücke; alte Segelanweisungen.  
Jos. Furttenbach: Architectura navalis. Ulm 1629.  
Über Galea, Bergantino, Fregatta, nave usw., alte Schiffstypen.  
[1]Jurien de la Gravière: Les marins du XVe et du XVIe siècle. Paris 1879. 2 Bde. Jurien:
Les marins
du XV.
Ausdehnung der Schiffahrt im 15. und 16. Jahrh. Angaben über Schiffbau, Nautik, Personal verschiedener Marinen; „Die Grundlegung zu den modernen Marinen.“  [xxv]
[1]C. Manfroni: Storia della marina italiana dalla caduta di Constantinopoli alla battaglia di Lepanto. Roma 1897.  
Kurzer Rückblick auf das 13. Jahrh., dann Fortsetzung des vorigen Werkes (siehe Seite XXIV), Kriege der Städte untereinander und gegen die Türken im 15. und 16. Jahrh.; Angaben über das Seekriegswesen.  
Jurien de la Gravière: Doria et Barberousse. Paris 1886.  
Teil I: Ereignisse im Mittelmeer 1250–1500: Kampf der Städte, Vordringen der Türken. Teil II: Franzosen und Spanier in Italien, Türken in Afrika (Kampf um die Herrschaft im Mittelmeer), repräsentiert durch Doria (Genua) und Barberousse (Herrscher in den Raubstaaten und türkischer Großadmiral).  
Derselbe: Les corsaires barbaresques et la marine de Soliman le Grand. Paris 1887. Jurien:
Türken.
Blicke auf die Ereignisse im Mittelmeer um die Mitte des 16. Jahrh.  
Derselbe: Les chevaliers de Malte et la marine de Philipp II. Paris 1887. Jurien:
Malta.
Ebenso, besonders die Belagerung Maltas durch die Türken.  
Derselbe: La guerre de Chypre et la bataille de Lepante. Paris 1888. Jurien:
Lepanto.
Ebenso, besonders die Schlacht bei Lepanto 1571.  
M. Richer: Vie d'Andrée Doria, Général des Armées de François I ensuite de l'Empéreur Charles-Quint. Paris 1789.  
J. Mitchell: The history of the maritime wars of the Turks. Translated from the Turkish. London 1831.  
J. P. Contarino, verdeutscht von G. v. Bartfeld. Historie von dem Krieg, welchen der türkische Kaiser Selim II. wider die Venediger erzeugt hat. Basel 1623.  
Lepanto 1571 usw.  
Jurien de la Gravière: Les Anglais et les Hollandais dans les mers polaires et dans la mer des Indes. Paris 1890. 2 Bde.  
Rivalität beider Völker auf dem Nordwege nach Indien, 16. und 17. Jahrh. und in Ostindien.  
Derselbe: Les gueux de mer. Paris 1893. 2. Ed. Jurien:
Geusen.
Abfall der Niederlande bis 1573.  
Derselbe: Le siège de la Rochelle. Paris 1891. Jurien:
Rochelle.
Hugenottenkrieg 1628.  
W. Stebbing: Sir Walter Raleigh, a biography. Oxford 1891.  
Die Zeit 1552–1618.  
C. F. Duro: La Armada invencible. Madrid 1884/85.  
Genaue Schilderung der Armada-Expedition, der Laird Clowes viele Briefe und Berichte wörtlich entnommen hat.  [xxvi]
Sheltema: De uitrusting en ondergang der onoverwinnelijke vloot.  
Eine Schilderung der Armada-Expedition, die de Jonge oft anzieht.  
Julian S. Corbett: Drake and the Tudor navy. With a History of the Rise of England as a maritime power. London 1898. 2 Bde.  
Derselbe: The successors of Drake. London 1900.  
Robert Southey: English Seamen. London 1904.  
Teil I: Howard, Clifford, Hawkins, Drake, Cavendish. Teil II: Hawkins, Greenville, Devereux, Raleigh.  
J. W. v. Archenholz: Die Geschichte der Flibustier. Tübingen 1803.  
Veranlassung des Entstehens der Republik der Flibustier im 17. Jahrh.; ihr Wesen usw.  
H. Pyle: The buccaneers and marooners of America. London 1892.  
Taten berühmter Flibustier.  
J. Bourney: History of the buccaneers of America. London 1891.  
Les Flibustiers au XVII siècle. Limoges 1884.  
Dr. E. Baasch: Hamburgs Konvoyschiffahrt und Konvoywesen. Ein Beitrag zur Geschichte der Schiffahrt im XVII. und XVIII. Jahrhundert. Hamburg 1896.  
G. Brandt[4]: Leben und Thaten des fürtrefflichen und sonderbahren Seehelden Michael de Ruyter. Amsterdam 1687. „Leben
Ruyters.“
Ursprünglich in holländischer Sprache geschrieben, von den Söhnen des Verfassers ins Deutsche (und ins Französische) übersetzt, gibt nicht nur die Biographie Ruyters sondern auch eine genaue Beschreibung der Kriege Hollands von 1652–1676 (Seitenangaben im Text beziehen sich auf diese deutsche Ausgabe).  
La vie de Corneille Tromp[4] (Verfasser nicht genannt). Haag 1694. „Vie de
Tromp.“
Auch ursprünglich in holländischer Sprache, ins Französische (darauf beziehen sich die im Text angezogenen Seitenzahlen) und auch ins Englische übersetzt. Neben der Biographie eine genaue Schilderung der holländischen Kriege von 1652–1692.  [xxvii]
Dr. O. Klopp: Leben und Taten des Admirals de Ruiter. Hannover 1852.  
Von Laird Clowes öfters angezogen.  
H. Dixon: Robert Blake, Admiral and General at sea. London 1852.  
Führer der englischen Flotte 1649–1657 (erster englisch-holländ. Krieg).  
G. Penn: Memorials of the professional life and times of Sir William Penn. London 1833. 2 Bde.  
Englischer Admiral 1650–1670 (erster und zweiter englisch-holländischer Krieg).  
S. R. Gardiner: Letters and papers relating to the First Dutch War (1652–1654). London 1899/1900. 2 Bde.  
Chabaud-Arnault, Revue maritime et coloniale, Jahrgang 1885. Revue
maritime 85.
Im Teil II, Seite 497, und Teil III, Seite 74, Aufsätze: Les batailles navales au milieu du XVII. siècle; Die Schlachten der drei englisch-holländischen Kriege, kritisch bearbeitet nach den hier angeführten Quellen, aber auch nach alten, erst kürzlich aufgefundenen Urkunden.  
A. Jal: Abraham du Quesne et la marine de son temps. Paris 1873. Jal:
„du Quesne.“
Leben des Admirals und die Kriegsereignisse 1630–1688; Aktenauszüge, Privatbriefe und Notizen über Leben und Laufbahn anderer französischer Seeoffiziere gewähren Einblicke in die Verhältnisse der Marine.  
J. Delarbre: Tourville et la marine de son temps; notes, lettres et documents 1642–1701. Paris 1889. Delarbre:
„Tourville“.
Auch hierin lesenswerte Einblicke in die Verhältnisse der Marine, besonders wichtig für den Krieg 1688–1697.  
A. Badin: Jean Bart. Paris 1887.  
Zeit 1672–1679.  
Mémoires de monsieur Duguay Trouin (1672–1736), lieutenant général des armées navales de France. Amsterdam 1740.  
Enthält u. a. ein kurzes Verzeichnis technischer Ausdrücke und Angaben über Anzahl der Offiziere und der verschiedenen Besatzungsteile auf den damaligen Schiffen.  
Le Baron R. du Casse: L'Admiral du Casse 1646–1715. Etude sur la France maritime et coloniale. Paris 1876.  
Burchett: Mémoires de tout ce, qui s'est passé sur mer, durant la guerre avec la France 1688–1697. Amsterdam 1704.  
Aus dem Englischen übersetzt.  
H. C. Garde: Niels Juel. Kjöbenhavn 1842.  
J. C. Tuxen: Niels Juel og Tordenskjold. Kjöbenhavn 1875.  [xxviii]
Leben des berühmten königl. dänischen Vizeadmirals Herrn Just v. Juels, nebst einer Nachricht von dem Bombardement dreyer feindlicher Flotten gegen die dänische Flotte Anno 1700. Kopenhagen und Leipzig 1756.  
A. Petersen: Om Orlogsskibet Dannebrogs. Deeltagelse i Kampen i Kjöge Bugt den 4. October 1710. Kjöbenhavn 1867.  
C. A. G. Bridge: History of the Russian Fleet during the reign of Peter the Great by a contemporary Englishman (1724). London 1899. Bridge.
Sir G. S. Clarke: Russia's Sea-Power past and present or the Rise of the Russian navy. London 1898.  
Zählt kurz Rußlands Engagements zur See auf.  
O. Wesselajo: Kurze Geschichte der russischen Flotte. St. Petersburg 1893/95.  
Zwei Bände in russischer Sprache.  
Dr. P. F. Stuhr: Die Geschichte der See- und Kolonialmacht des Großen Kurfürsten. Berlin 1839.  
B. E. K.: Die Marine des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und die erste deutsche Expedition nach Westafrika. Leipzig 1895.  
Graf von Borcke: Die brandenburg-preußische Marine und die Africanische Compagnie. Köln 1864.  
Roeßel, Generalleutnant a. D.: Die erste brandenburgische Flotte im schwedisch-polnischen Kriege 1658–1660. Berlin 1903.  

Fußnoten:

[1] Die auf diese Weise gekennzeichneten Werke seekriegsgeschichtlichen Inhalts enthalten auch bemerkenswerte Angaben über das Seekriegswesen.

[2] Diese älteren englischen Werke sind wohl von Laird Clowes überholt, der z. B. Schomberg den Vorwurf großer Ungenauigkeit macht, aber immerhin noch bemerkenswert.

[3] Von anderen Schriftstellern werden ferner noch folgende französische Werke angezogen: de Boismélé: histoire générale de la marine; Poncet de la Grave: précise histoire de la milice française; Daniel: histoire de la milice française.

[4] „Leben Ruyters“ und „Vie de Tromp“ sind die wichtigsten alten Quellen über die drei großen englisch-holländischen Kriege. Aus ihnen haben die meisten späteren Schriftsteller geschöpft; insbesondere soll „Vie de Tromp“ einem wichtigen alten englischen Werke, „Columna rostrata by Samuel Colliber, London 1783,“ als Hauptquelle gedient haben, das wiederum für spätere englische Autoren die Grundlage gewesen ist. In beiden Werken finden wir auch die Beteiligung Hollands am schwedisch-polnischen Kriege 1655–1660 und im „Vie de Tromp“ am schwedisch-dänisch (brandenburgischen) Kriege 1675–1679.

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[xxix]

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Verzeichnis der Abbildungen.

Bildnisse.

  Seite
Michael de Ruyter. Nach G. Brandt, Leben und Taten des fürtrefflichen und sonderbaren Seehelden Michael de Ruyter (Holl.) Amsterdam 1687 Titelbild
Prinz Heinrich der Seefahrer. Nach dem Miniaturgemälde in der 1448–1453 entstandenen Handschrift „Chronica do descobrimento e conquista de Guiné etc.“ in der National-Bibliothek zu Paris. Nach Ruge, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Berlin 1881, G. Grotesche Verlagsbuchhandlung 28
Vasco de Gama. Nach Ruge, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Berlin 1881, G. Grotesche Verlagsbuchhandlung 59
Christofel Colonus (Christoph Columbus). Nach einem Stich in einer alten Porträtsammlung der Königl. Bibliothek zu Hannover 65
Ferdinand Magellanus. Ebendaher 71
Francis Drake. Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. I. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 80
Lord Howard of Effingham. Nach J. Campbell, Life of the British admirals and naval history of Great-Britain from the days of Casear to the present time. London 1873 121
Robert Blake. Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 200
Martin Tromp, der Ältere. Nach J. C. de Jonge, Geschiedenis van het Nederlandsche Zeewezen, Teil I. Haarlem 1858 201
Jacob van Wassenaer. Ebendaher, Teil II 241
Herzog von York. Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 264
Herzog von Albemarle (Monck). Nach J. Campbell, Life of the British admirals and naval history of Great-Britain from the days of Caesar to the present time. London 1873 274
Prinz Rupert (Ruprecht von der Pfalz). Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 337
Cornelis Tromp. Nach J. C. de Jonge, Geschiedenis van het Nederlandsche Zeewezen, Teil I. Haarlem 1858 365
Abraham du Quesne. Nach Girard Edelinck gezeichnet von Th. Gide. Nach A. Jal, Abraham du Quesne et la marine de son temps. Paris 1873, Henry Plon 377[xxx]
Niels Juel. Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 398
Marschall de Tourville. Nach Delarbre, Tourville et la marine de son temps; notes, lettres et documents 1642–1701. Paris 1889 432
Edward Russell (Earl of Oxford, Viscount Barfleur). Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 447
Jean Bart. Nach L. Guérin, Histoire maritime de France. Teil III. Paris 1858. Dufour, Mulat et Boulanger 470
John Leake. Nach Fabers Mezzotinto-Bildnis nach dem Porträt von G. Kneller (1712) in Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 549
George Byng (Viscount Forrington). Ebendaher Bd. III. 580

Abbildungen von Schiffen.

  Seite
Segelschiff der ältesten Zeit mit halbem Winde. Nach D. A. Breusing, Die Nautik der Alten. Bremen 1886. Verlag von Carl Schünemann 8
Triere. Längsschnitt, Teil des Längsschnittes, Teil des Querschnittes. Nach der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Berlin 1895. Selbstverlag des Vereins deutscher Ingenieure 11
Kleines römisches Kriegsschiff um etwa 50 v. Chr. Nach L. Arenhold, Die historische Entwicklung der Schiffstypen vom römischen Kriegsschiff bis zur Gegenwart. Kiel und Leipzig 1891. Lipsius und Tischer 16
Galere des XVI. Jahrhunderts. Nach Jurien de la Gravière, Les Marins du XV. et du XVI. siècle. Paris 1879. Plon & Cie. 33
Wikingerschiff etwa 1000 n. Chr. Nach L. Arenhold, Die historische Entwicklung der Schiffstypen vom römischen Kriegsschiff bis zur Gegenwart. Kiel und Leipzig 1891. Lipsius und Tischer 34
Englisches Fahrzeug um etwa 1190 (Kreuzfahrer). Ebendaher. 36
Hansa-Kogge um etwa 1380. Ebendaher 37
Holländische Kogge des XV. Jahrhunderts. Ebendaher 38
Karavelle des XV. Jahrhunderts. Nach Jurien de la Gravière, Les Marins du XV. et du XVI. siècle. Paris 1879. Plon & Cie. 39
Galeon des XV. Jahrhunderts. Ebendaher 39
Englisches KriegsschiffHenry Grace à Dieu“. Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 97
Englisches KriegsschiffThe Royal Prince“. Nach J. Charnock, A history of marine architecture. London 1800–1802 100
Englisches KriegsschiffThe Sovereign of the Seas“. Nach W. van der Velde. Ebendaher 101
Englisches SchlachtschiffThe Speaker“. Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 164
Französisches LinienschiffRoyal Louis“. Nach Arenhold, Die historische Entwicklung der Schiffstypen vom römischen Kriegsschiff bis zur Gegenwart. Kiel und Leipzig 1891. Lipsius und Tischer 166[xxxi]
Geschützaufstellung bei Drei- und Zweideckern. Nach einer Skizze des Verfassers 169
Englischer DreideckerRoyal Charles“. Nach Wm. Laird Clowes, The Royal Navy. A history from the earliest times to the present. Bd. II. London 1897. Sampson, Low, Marston & Co. 172
Französischer DreideckerLe Soleil Royal“. Ebendaher 172

Schlachtpläne und Übersichtsskizzen.
(Nach Skizzen des Verfassers.)

  Seite
Hafen von Cadiz 1596 136
Gefecht bei Dover, 29. Mai 1652 202
Schlacht bei Kentish Knock, 8. Oktober 1652 210
Schlacht bei Portland, 28. Februar 1653. Erster Zusammenstoß 215
Schlacht bei Portland, 28. Februar 1653. Hauptmoment 217
Schauplatz des ersten englisch-holländischen Krieges 1652–1654 233
Der 11. Juni der Viertageschlacht 1666 275
Der 12. Juni der Viertageschlacht 1666 278
Der 14. Juni der Viertageschlacht 1666 281
Ruyter im Medway, 20.–23. Juni 1667 293
Schauplatz des zweiten und dritten englisch-holländischen Krieges 301
Schlacht bei Solebay, 7. Juni 1672 326
Schlacht bei Texel, 21. August 1673 346
Angriff auf Tabago, 3. März 1677 371
Schlacht bei Stromboli, 8. Januar 1676 378
Bombardement von Algier, 1683 405
Schlacht bei Beachy Head, 10. Juli 1690 437
Schlacht bei Kap Barfleur, 29. Mai 1692 451
Vigo, 23. Oktober 1702 517
Bai von Gibraltar 526
deco

[1]


Erster Abschnitt.
Altertum und Mittelalter.

[3]

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Erstes Kapitel.
Das Seewesen im Altertum.

Einleitung.

D

m Altertum hat sich das Seewesen zu einer hohen Blüte entwickelt. Der Seehandel verband alle Völker am Mittelmeer auf das engste, die Herrschaft auf ihm spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte der Staaten, und infolgedessen wurden auch Seekriege geführt, die von großer Bedeutung waren. Der Bau von Kriegsschiffen — Ruderschiffen — erreichte eine bemerkenswerte Höhe, stehende Marinen wurden geschaffen, in denen die Ausbildung des Personals und die Taktik eine gewisse Vollendung erlangten.

Im Mittelalter tritt das Seekriegswesen gegen das Altertum zurück. Es stand im allgemeinen nicht auf gleicher Höhe, Seekriege von solcher Bedeutung wie dort sind im Mittelalter nicht geführt worden.

Zwischen dem Altertum und dem Mittelalter wurde die Entwicklung des Seewesens durch die Völkerwanderung gewaltsam unterbrochen; es mußte sich fast ganz von neuem ausbilden. Von dort an aber geht die Entwicklung ununterbrochen weiter bis zur Gegenwart, und es tritt, besonders auch für die Kriegsschiffe, die Segelschiffahrt nach und nach in den Vordergrund.

In den letzten Jahrhunderten (dem 14. und 15.) dieses Zeitabschnittes bereitet sich die Ausdehnung der Schiffahrt auf die Ozeane vor. Es erscheinen die Völker auf dem Meere, die seit der neueren Zeit als Seemächte eine Rolle spielen; es wird schließlich gegen das Ende des Mittelalters die Hauptwaffe der Gegenwart, die Artillerie, in größerem Maße an Bord der Schiffe eingeführt. So wird der Abschluß des Mittelalters auch in Hinsicht auf das Seewesen ein Zeitpunkt von höchster Bedeutung.

[4]

Die Ausdehnung der Schiffahrt. Schon in der frühesten Zeit haben die Phönizier den Grund zu einer umfangreichen Schiffahrt gelegt. Von etwa 1500 bis 1100 v. Chr. blühte ihr Handel unter der Führung der Stadt Sidon im Ostmittelmeer, sie waren aber auch schon ins Westmittelmeer vorgedrungen; von 1100 bis 800, zur Zeit der Vorherrschaft der Stadt Tyros, beherrschten sie die Seefahrt im Westmittelmeer durch harte Maßregeln. Von etwa 1100 an wurden sie im Osten nach und nach von den Griechen überflügelt, und als sie sich von 800 an, geschwächt durch beständige Kriege im Heimatlande, im Westmittelmeer nicht mehr halten konnten, traten dort ihre Pflanzstädte, besonders Karthago, an ihre Stelle. — Aber auch über das Mittelmeer hinaus erstreckte sich die Seefahrt. Die Phönizier schon und später ihre sowie griechische Pflanzstädte im Westen befuhren die Küsten des Atlantik, nach Süden bis zum Senegal und Gambia, wobei auch die Kanarischen Inseln entdeckt wurden (Karthago), nach Norden bis zum Englischen Kanal. Im weiteren Verlauf ging die Schiffahrt bis zum Norden Englands und in die Nordsee (der Massilier Pytheas umsegelte bereits um die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. Großbritannien).

Im Osten besuchten die Ägypter schon um 2100 v. Chr. die Küsten Afrikas südlich vom Roten Meere; dieser Verkehr, durch Verfall des Reichs unterbrochen, wurde in der 18. Dynastie, etwa 1600 v. Chr., wieder aufgenommen und später durch Phönizier unter dem Schutz arabischer und ägyptischer Herrscher nach Osten bis Indien ausgedehnt; zur Ptolemäerzeit betrieben die griechischen Kaufleute Ägyptens regelmäßigen Seehandel nach Indien, sie sind wahrscheinlich sogar im 1. Jahrh. n. Chr. bis zur Mündung des Jangtsekjang vorgedrungen. Dieser Seeverkehr mit den Küsten Asiens — dem „Indien“ des Altertums und Mittelalters — ist bis in die byzantinische Zeit aufrecht erhalten, der von den Ptolemäern vollendete Kanal zwischen dem Mittelmeere und dem Roten Meere war mindestens bis ins 6. Jahrh. n. Chr. in brauchbarem Zustande; erst die Eroberung Ägyptens durch die Araber 640 n. Chr. brach die unmittelbare Seeverbindung der Byzantiner und damit auch des Abendlandes mit Indien ab.

Beim Ausgang des Altertums war den Kulturvölkern durch diesen Seeverkehr nach Norden und Osten, durch die Eroberungszüge Alexanders und der Römer und durch den uralten Landhandel über Persien usw. in das Innere Asiens ein großer Teil der Alten Welt bekannt; freilich hatte man infolge der mangelhaften Ortsbestimmungen von vielen Ländern und Küsten, besonders im Osten, nur unklare geographische Vorstellungen.

Die Nautik im Altertum.[5] Die Schiffahrt war zunächst reine Küstenfahrt, nur tiefe Buchten kürzte man ab und wagte Überfahrten nur, wo eine Insel in absehbarer Ferne lag. Diese Küstenfahrt erforderte umsichtige und tüchtige Seeleute, um den Gefahren der Untiefen und des Wetters beim[5] Fahren auf Legerwall (d. h. Land gefahrdrohend in Lee)[6] zu begegnen. Zeitig kam der Gebrauch des Lotes auf, das Bezeichnen von Untiefen durch eingerammte Pfähle in eigenen oder oft besuchten und die Verwendung von Eingeborenen als Lotsen in fremden Gewässern, ferner die Benutzung von Landmarken, deren auch künstliche, z. B. Türme, auch Leuchttürme vor den Häfen, errichtet wurden. Frühzeitig auch gab es Segelanweisungen, welche die Entfernungen von Ort zu Ort, Beschreibungen der Küste, Angaben über Häfen, Rheden, Strandverhältnisse, Ankerplätze, Ankergrund, Wasserversorgung u. dgl. enthielten.

Zum Landen lief man anfangs, auch wohl später noch häufig, auf den Strand und schleppte bei längerem Aufenthalt die Fahrzeuge auf; wenn die Größe und Belastung der Schiffe oder sonstige Verhältnisse, z. B. Beschaffenheit des Strandes, Verhalten der Einwohner usw., solches verboten, wurde geankert; zweifellos hat es in einzelnen Häfen bald Bollwerke zum Festmachen gegeben; später wurden, besonders für Kriegszwecke, künstlich geschützte Häfen mit eingeteilten Bassins (Docks), Magazinen, Arsenalen und Einrichtungen zum Trockenlegen der Fahrzeuge gebaut.

Als man das ganze Mittelmeer kannte, sich vom Lande freizumachen verstand und kürzende weitere Überfahrten wagte, bei denen das Land aus Sicht kam, bestimmte man den Kurs nach dem Stand der Sonne und der Gestirne. Schon die Phönizier benutzten den Polarstern und schätzten die Fahrt nach dem Bugwasser und nach der Schnelligkeit des am Schiff vorbeifließenden Wassers, wie man es bei der Küstenfahrt zu beurteilen gelernt hatte. Da keine genauen Stundenmesser vorhanden, wurde die Fahrt für Tage angegeben; um einen Begriff von der Leistungsfähigkeit der Schiffe zu erhalten, sei erwähnt, daß das Etmal (d. h. der Weg in 24 Stunden) im Durchschnitt bei guten Schiffen zu 120 Seemeilen (1200 Stadien) angegeben ist, es entspricht dies einer Fahrt von 5 Knoten für die Stunde, auch solche zu 7 Knoten werden aufgeführt, doch der allgemeine Durchschnitt ist nur 2 bis 3 Knoten. Diese Art der Besteckführung war natürlich sehr ungenau und versagte ganz bei anhaltend trübem oder stürmischem Wetter, deshalb wurde die Schiffahrt im allgemeinen während der Wintermonate geschlossen. Zur Unterstützung dieser ungenauen Besteckführung sammelte man jedoch auch Erfahrungen, man nahm Tieflotungen mit Grundproben vor wie jetzt, man beobachtete die Wasserfarbe bei Annäherung an die Küste namentlich vor großen Strömen usw. Durch die Fahrten im Atlantik lernte man Ebbe und Flut und durch die nach Indien die Monsune kennen; die Schiffe nach Indien fuhren im Sommer mit N.W.-Monsun vom Roten Meere ab und kehrten, auch wenn sie dort im ersten Winter ihre Geschäfte erledigt hatten, erst im nächsten Herbst mit S.O.-Monsun von Indien zurück.

Die wissenschaftliche Nautik konnte aber erst größere Fortschritte machen, als ihre Hilfswissenschaften, die messende Erd- und Himmelskunde,[6] zu einer gewissen Reife gelangt waren; auch hierzu ist im Altertum der Grund gelegt. Thales (600 v. Chr.), Pythagoras (550), Aristoteles (350) entwickelten die Theorie von der Kugelgestalt der Erde; Eratosthenes (Alexandria 250), Posidonius (Rhodus 100) berechneten den Erdumfang und Hipparch (Alexandria 150) überzog die Erdoberfläche mit dem Gradnetze von Meridianen und Breitenparallelen, dessen wir uns noch jetzt bedienen. Letzterer drang darauf, die Lage der Orte nach Länge und Breite festzustellen, bestimmte selbst mehrere Polhöhen und empfahl zur Längenbestimmung die genaue Beobachtung der Sonnen- und Mondfinsternisse. Wenn es bis dahin nur möglich war, rohe Darstellungen der Ländergestaltung und der Lage bekannter Orte nach ihrer ungefähren Richtung und Entfernung voneinander herzustellen, so konnten jetzt einigermaßen richtige Karten angefertigt werden.

Aber erst Marinus (Tyrus 100 n. Chr.) entwarf Karten nach wissenschaftlichen Grundsätzen und einer ihm eigentümlichen Projektion. Er zog Breitenparallele und Meridiane als gerade Linien aus, die sich rechtwinklig schnitten. Der Kugelgestalt der Erde trug er dadurch Rechnung, daß er den Abstand der Meridiane voneinander so ordnete, wie es dem Breitenparallel von 36° N. — im Altertum als die Mittelbreite der bewohnten Welt angesehen — entsprach, und sammelte sorgfältig aus den Tagebüchern der Reisenden Angaben zur Berechnung der Länge und Breite vieler Orte. Er ist also der Schöpfer der platten Karte.

Ptolemäus (Alexandria 150 n. Chr.) berichtigte und erweiterte diese Arbeit; an 8000 Orte sind in seinem geographischen Buche mit Länge und Breite verzeichnet, und 27 Karten sind ihm beigegeben; bei den Spezialkarten hat er als Mittelbreite die des betreffenden Landes angenommen; es sind dies die einzigen uns überlieferten Karten des Altertums. Mit Ptolemäus erreichte die messende Erd- und Himmelskunde für lange Zeit ihren Höhepunkt. Sein geographisches Werk hat leider während des ganzen Mittelalters in Vergessenheit geruht; sein zweites, astronomisches Werk (Almagest) aber, in dem er das nach ihm benannte astronomische System, das erst nach anderthalb Jahrtausenden vom Kopernikanischen verdrängt wurde, niederlegte, hat beim Wiederaufleben der Wissenschaft im Mittelalter der Erdkunde die größten Dienste geleistet.

Die praktische Navigation konnte jedoch im Altertum aus allen diesen wissenschaftlichen Fortschritten noch keinen Nutzen ziehen, solange wegen mangelnder Instrumente keine astronomischen Beobachtungen auf See (an Land wurden die Breitenbestimmungen mit dem Gnomon, dem Schattenzeiger, angestellt) gemacht werden konnten und man kein Mittel hatte, den Kurs jederzeit mit Sicherheit zu bestimmen — nämlich ohne Kompaß; man blieb auf ein nur ungenau geschätztes Besteck und somit auf Küstenfahrt angewiesen.

Es sei hier vorgreifend noch erwähnt, daß im Altertum die Ausdehnung der Alten Welt von West nach Ost auf den bekannten Breiten — also von Spanien bis China —[7] viel zu groß angenommen wurde infolge der ungenauen Längenbestimmungen namentlich in Asien. Marinus nahm sie zu 225°, Ptolemäus zu 180° an gegen etwa 130° in Wirklichkeit; die erstere Zahl hat wesentlich dazu beigetragen, Kolumbus zu seinem Plane zu ermutigen, die Ostküste Asiens auf dem Wege nach West zu erreichen.


Die Schiffe im allgemeinen und die Handelsschiffe.[7] Wie die Phönizier das erste Volk gewesen sind, das seine Seefahrt über das ganze Mittelmeer ausdehnte, so waren sie auch grundlegend für die Entwicklung des Seewesens aller Völker am Mittelmeer; auch die Ägypter, die schon früh das Rote Meer usw. befuhren, bildeten ihr Seewesen nicht weiter aus, sondern bedienten sich später ebenfalls in diesen Gewässern der Phönizier und dann der Griechen. Wenn auch wohl naturgemäß die anderen Küstenvölker, ehe sie mit den Phöniziern in Berührung kamen, aufs Wasser gegangen sind, so haben doch zweifellos die frühzeitiger technisch entwickelten Fahrzeuge der letzten überall zur Ausbildung des Schiffbaues den Anstoß gegeben.

Die Griechen haben sodann allerdings viel zur Entwicklung, besonders der Kriegsschiffe, beigetragen, aber alle griechischen Schriftsteller von Homer bis auf die spätesten stellen die Phönizier als Vorbild hin, was deren Schiffe, seemännische Umsicht, Genauigkeit und Erfahrung sowie ihre nautischen Kenntnisse anbetrifft; noch Xenophon lobt die praktische Einrichtung, die musterhafte Ordnung und Disziplin, die er auf phönizischen Schiffen — und zwar Handelsschiffen — gesehen hat. Im Westmittelmeer haben dann später auch die phönizischen Pflanzstädte (Karthago) im Verein mit den Griechen Siciliens die Entwicklung des Seewesens beeinflußt.

Die ersten Fortschritte im Schiffbau betrafen die Handelsschiffe. Aus den einfachen offenen Booten zum Rudern und Segeln, mit denen die Phönizier die ersten Fahrten an naher Küste und im Ägäischen Meer unternommen hatten, entwickelten sich gedeckte, größere Seeschiffe, namentlich als man die Fahrten nach Spanien aufnahm. (Die Tharsisfahrten, daher ist „Tharsisschiffe“ bald die Bezeichnung für alle größeren Seeschiffe.)

Diese Schiffe wurden tiefergehend, voller und somit seefähiger, hochbordiger, breiter und seefester gebaut, sogenannte „runde Schiffe“ im Gegensatz zu den später ausgebildeten „langen“ Kriegsschiffen; bei ihnen wurde die Menschenkraft an den Riemen (Rudern) als Hauptmotor zu teuer und nahm zu viel Platz fort; so waren die größeren in erster Linie zum Segeln bestimmt und besaßen nur einige Riemen, hauptsächlich zum Ein- und Auslaufen beim Besuch der Häfen; kleinere Handelsschiffe für kurze Küstenfahrt blieben wohl mehr Ruderfahrzeuge.

Die Takelage der Segelschiffe war während des ganzen Altertums sehr einfach. Die Schiffe hatten anfangs und lange Zeit nur einen Mast mit einem[8] breiten, viereckigen Raasegel,[8] später trat bei den größeren Schiffen ein zweiter Mast hinzu, ganz vorn im Schiff, stark vornübergeneigt, mit losem (gewissermaßen breitfockähnlich) Raasegel; erst in der römischen Kaiserzeit ist noch eine Art dreieckigen Toppsegels über dem Raasegel des Hauptmastes hinzugekommen. Gesteuert wurden die Segelschiffe wie auch die Ruderschiffe mit zwei Riemen am Heck.

Verbesserungen kleinerer Art werden nach und nach in der Takelage und im Schiffbau stattgefunden haben, immerhin aber haben die Segelschiffe sich wenig entwickelt und gestatteten, unvollkommen in Bau, Takelage und Steuervorrichtung, keine gründliche Ausnutzung des Windes; man nimmt an, daß sie höchstens 8 Strich beim Winde (also mit halbem Winde) steuern konnten, auch müssen Steuervorrichtung und Takelage bei stürmischem Wetter bald versagt haben.

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Segelschiff der ältesten Zeit mit halbem Winde.

Der Grund dieser geringen Entwicklung des Segelschiffbaues und der Segelkunst ist wohl in den besonderen Verhältnissen des Mittelmeeres zu suchen. Bei dem niedrigen Stande der Nautik mußte die Schiffahrt mehr oder weniger Küstenfahrt bleiben, und die begrenzten Gewässer des Mittelmeeres mit ihren vielen Inseln und langvorgestreckten Halbinseln erlaubten dies; die vielen Zufluchtsorte, die die Küsten boten, sowie die im größten Teile des Jahres günstigen Wetter- und Seeverhältnisse zwangen nicht so dringend zur Erfindung von Verbesserungen, durch die langwierige und[9] beschwerliche Seereisen leichter zu überwinden gewesen wären; in der schlechten Jahreszeit legte man die Schiffe ja schon aus navigatorischen Gründen auf.

Was die Größe der Handelsschiffe anbetrifft, so kann man nach der Größe der Kriegsschiffe, die uns besser bekannt ist, nach den Angaben über Ladung, Passagiere und Truppentransporte wohl annehmen, daß solche von 100 bis 600 tons Deplacement gebräuchlich waren; man findet aber auch in späterer Zeit Angaben, die auf gelegentliche Verwendung (regelmäßige Getreide- und Passagier-Fahrten, Transporter) weit größerer Schiffe, ja bis zu 2000 tons, schließen lassen.

Um endlich noch einen Begriff von der Stärke alter Handelsflotten zu geben, seien die Mitteilungen Herodots über den Zug des Xerxes gegen Griechenland erwähnt. Die Kriegsflotte bestand aus 1200 Trieren und 3000 kleineren Kriegsfahrzeugen, die meisten waren gerade für diese Expedition außergewöhnlich stark bemannt. Da nun Herodot für die begleitende Transportflotte „mindestens“ die gleiche Besatzung wie für die Kriegsschiffe annimmt, und da das einzelne Handelsschiff doch schwächer bemannt gewesen sein wird als das einzelne Kriegsschiff, muß die Zahl der Handelsschiffe eine ungeheuere gewesen sein; nach dem Verhältnis der Trieren, von 1200 waren 300 phönizische, fällt mindestens ein Viertel der Transporter allein auf die phönizischen Städte des Mutterlandes.


Die Kriegsschiffe der Phönizier und Griechen. Die Kriegsschiffe der Alten waren Ruderschiffe, deren Bau eine hohe Blüte erlangte. Ihr Typ hat zu verschiedenen Malen große grundsätzliche Änderungen erfahren.

Die Phönizier besaßen anfangs keine eigentliche Kriegsflotte, da sie in den ersten Zeiten ihrer Macht nicht mit seetüchtigen Gegnern zu rechnen hatten; die größeren Handelsschiffe waren zu ihrem Schutz gegen Seeräuber und sich feindlich stellende Einwohner der besuchten Küsten genügend bemannt und armiert. Sie hatten aber auch in ihrer Begleitung große flache Ruderboote, denn sie selbst waren wegen ihres Tiefgangs nicht überall zur Küstenfahrt und zum Löschen und Laden der Waren geeignet; diese stärker bemannten Ruderfahrzeuge dienten gleichzeitig zur Bedeckung und zur Ausführung von Gewaltstreichen: See- und Küstenraub. Ähnliche Ruderschiffe waren auch wohl an den eigenen Küsten vorhanden, um die Städte gegen Seeräuber zu schützen.

Als nun aber die phönizischen Städte vom 9. Jahrh. an in die assyrisch-babylonischen und ägyptischen Kriege verwickelt wurden und von diesen Völkern, die sich selbst eine Seemacht zu gründen bestrebt waren, mittels der Ionier, Karier und schon unterworfenen Phönizier auch zur See bedroht wurden, bedurften beide Parteien einer wirklichen Kriegsflotte, und jetzt machte bei ihnen, im Verein mit den zu derselben Zeit aufblühenden Seestaaten der Griechen, besonders den asiatischen Kolonien, der Kriegsschiffbau schnelle Fortschritte.

[10]

Die erwähnten Ruderboote wurden im Vergleich zu den Kauffahrteischiffen weniger tiefgehend, länger, leichter, schlanker mit immer schöneren Wasserlinien gebaut; während die Frachtschiffe dreimal so lang als breit waren, wird bei den Kriegsschiffen das Verhältnis mindestens das Doppelte gewesen sein, wie man aus den Maßen der griechischen Schiffsschuppen schließen kann; mit diesen „Langschiffen“ erreichte man unter Riemen eine große Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit. Zunächst waren es offene, niederbordige, leicht zu rudernde und leicht aufzuschleppende Fahrzeuge, also große Boote, aber schon mit einem Deck vorn und hinten, zum Kampf und zur Unterkunft, versehen. Sie hatten eine Reihe Riemen auf jeder Seite und wurden benannt nach der Anzahl der Rudermannschaften: Eikosoren, Triakontoren, Pentekontoren. Die Pentekontore, den Fünfzigruderer, nimmt Kontre-Admiral Serre an als ein Fahrzeug von 18 m Länge, 22 tons Deplacement, 13 Ruderbänken = 26 Riemen, an jedem Riemen 2 Mann (am Bugriemen nur 1 Mann), also: (24 ⨉ 2) + (2 ⨉ 1) = 50 Ruderer.[9] Sie führte am Bug einen Sporn über Wasser. Diese Einreihenschiffe, besonders die Pentekontoren, die zuerst von den Phokäern erbaut sein sollen, blieben auch bei späterer Vergrößerung der Schlachtschiffe stets als Schiffe für Aufklärungs- und Nachrichtendienst im Gebrauch.

Mit zunehmender Größe der Fahrzeuge fügte man die Einrichtung für eine zweite und später für eine dritte Riemenreihe hinzu, so entstanden die Dieren und Trieren. Letztere sollen zuerst um 700 v. Chr. von den Korinthern erbaut sein, doch schreiben einige Forscher die Erfindung sowohl der Trieren wie auch der Pentekontoren den Phöniziern zu. Die Triere war in den Perserkriegen und im Peloponnesischen Kriege das Hauptschlachtschiff und erreichte im letzteren durch die Athener ihre höchste Vollendung, was Leichtigkeit, Formenschönheit und somit Schnelligkeit und Manövrierfähigkeit anbelangt.

Die Trieren waren anfangs auch nur vorn und hinten, später jedoch ganz gedeckt; die Takelage, sonst wie bei den Handelsschiffen der entsprechenden Zeit, war nur eine Hilfstakelage für den Marsch, zum Gefecht wurde sie niedergelegt,[10] auch oft von Bord gegeben; die Schiffe konnten leicht aufgeschleppt werden, häufig sind sie sogar kurze Strecken über Land transportiert oder auch zur Herstellung befestigter Stellungen am Lande (Lager) benutzt.

Nach Serre war die gebräuchlichste attische Triere im 5. Jahrh. ein Fahrzeug von 40 m Länge über Deck, 4,4 m größter Breite und 1,1 m Tiefgang,[11] 130 tons mit 200 Mann Besatzung. Sie hatte an jeder Seite und in jeder Reihe 24 Riemen, also = 144 Riemen und ebensoviel Ruderer. Andere Quellen geben die Triere etwas größer an bis zu 230 tons, 150 Ruderer, ganze Besatzung 220 Mann; doch hat es wohl auch größere und kleinere gegeben, besonders in anderen Staaten. Der geringe Rest der Besatzung nach Abzug der Ruderer enthielt die Offiziere, Matrosen und Soldaten (Hopliten). Zur Zeit des Peloponnesischen Krieges war eben das Schiff selbst, die schnelle und manövrierfähige Triere, die Hauptwaffe; der Sporn befand sich eine Zeitlang unter Wasser, wurde aber später aus seemännischen Gründen wieder über Wasser gelegt.

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Triere, Längsschnitt.

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Triere, Teil des Längsschnittes.

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Triere. Teil des Querschnittes.
Zeichnung der Rudereinrichtung nach R. Haack.

Die Bedeutung der Namen der Vielreiher, Trieren, Penteren usw. richtig zu lösen, hat seit langem die Forscher beschäftigt. Die Schwierigkeit, festzustellen, wie die Ruderer, namentlich bei den Fünf- und noch höheren Ruder-Reihern, übereinandergesessen haben, hat zu der[12] Annahme anderer Anordnung der Riemen als gerade in parallelen Reihen übereinander geführt, um den betreffenden Namen zu erklären: Eine der Namenszahl entsprechende Anzahl von Gruppen der Riemen an verschiedenen Stellen des Schiffes in gleicher Höhenlage, in verschiedener Höhenlage, aber nicht übereinander, und Kombinationen davon mit teilweiser Lage von Reihen übereinander. Seemännisch erfahrene Forscher heben aber außerdem die Schwierigkeit, ja teilweise Unmöglichkeit, mit verschieden langen Riemen übereinander in gleichem Takt zu rudern und ihre Kraft gleichmäßig auszunutzen, hervor.

Es darf wohl als bewiesen angesehen werden, daß die Vielreiher mehrere Einrichtungen zum Gebrauch der Riemen übereinander gehabt haben, aber nicht mit dem Zweck, sie gleichzeitig zu benützen; man wollte sich vielmehr mit ihnen verschiedenen Verhältnissen anpassen können.

Nach Breusing hatte die Triere für einen jeden Riemen jeder der drei Reihen einen Ruderer, es wurde aber stets nur eine Reihe bemannt, den Verhältnissen entsprechend, d. h. je nach dem Seegang, oder der Geschwindigkeit, die man erzielen wollte: bei ganz glattem Wasser oder bei wenig Eile die unterste Reihe mit den kurzen, leicht zu bedienenden Riemen; bei etwas Seegang, wenn die Riemen und vor allem auch die Öffnungen für sie in der Schiffsseite zu nahe über Wasser kamen, die höher liegende zweite Reihe; bei viel Seegang oder wenn die höchste Fahrt erwünscht war, also stets im Gefecht, die oberste Reihe mit den längsten Riemen. Bei den Penteren glaubte man sich durch Einführung von noch mehr Reihen den Verhältnissen noch besser anschließen zu können.

Serre's Ansicht ist fast dieselbe, doch läßt er die unterste Riemenreihe von einem, die zweite von zwei und die oberste von drei Mann an jedem Riemen bedient werden. Bei den Penteren nimmt er auch nur drei Riemenreihen an und bezieht den Namen darauf, daß zur Bedienung der obersten Reihe fünf Mann am Riemen verwendet seien; ebenso bei noch höheren Riemenreihen, hier gibt er aber zu, daß mehrere Reihen gleichzeitig benutzt seien, da es infolge der Größe der Schiffe möglich gewesen sei, aber nie über drei Reihen.

Die Hypothesen Breusings und Serres sind auch insofern bemerkenswert, als durch sie andere, sonst zweifelhafte Punkte befriedigende Antwort erhalten. So ist bei ihnen eine regelmäßige Ablösung der Ruderer auf längeren Fahrten möglich, die sonst bei gleichzeitigem Gebrauch aller Riemen ausgeschlossen wäre, und es ist zu erklären, namentlich nach Breusing, daß Staaten imstande waren, so viele Trieren zu bemannen, wie es in einzelnen Fällen angegeben wird; wenn man in der Nähe der eigenen Küste focht, konnte man von Ablösung ganz oder teilweise absehen und brauchte nicht den vollen Etat der Ruderer einzuschiffen. Alte Reliefs zeigen zwar Schiffe mit drei Ruderreihen im Gebrauch, es ist aber möglich, daß man diese hierdurch nur als Dreireiher kennzeichnen wollte, oder daß „zur Parade“ alle Riemen ausgelegt wurden.[11]

Mit Beginn des 4. Jahrh. fing man an, die Schiffsseiten gegen den Rammstoß zu verstärken, ferner führte man die nach dem Peloponnesischen Kriege erfundenen Wurfmaschinen (Katapulte: große Bogen, die Lanzen,[13] Pfeilbündel, Balken schossen; Ballisten: Vorrichtungen, die mit Hebelkraft schwere Gewichte warfen) auch nach und nach an Bord ein, es mußten jetzt die Decks sowohl behufs deren Aufstellung als auch zum Schutz gegen ihre Projektile verstärkt werden. Die Schiffe wurden größer und schwerer; man schritt zum Bau von Tetreren und Penteren; letztere ist wahrscheinlich zuerst in Syrakus, wo auch die Konstruktion der Wurfmaschinen besonders ausgebildet wurde, etwas nach 400 v. Chr. erbaut; jetzt wird die Pentere das Hauptschlachtschiff.

Nach Serre war die Pentere ein Schiff von 300 tons, 50 m Länge, 6,2 m Breite, 1,5 m Tiefgang mit 400 bis 500 Mann Besatzung, darunter 300 Ruderer für 60 Riemen in jeder Reihe. Andere Angaben sagen 550 tons, 168' lang. 26' breit 13 bis 14' tiefgehend; sie mögen auch später größer geworden bzw. verschieden groß gewesen sein; auch die Besatzungsangaben schwanken, doch mehr was die Nichtruderer anbetrifft, die Anzahl der einzuschiffenden Soldaten war aber wohl überhaupt nicht unbedingt festgestellt. Die Pentere war nicht so handlich und schnell wie die attische Triere, so bleibt denn auch, abgesehen von der Einführung der Wurfmaschinen, der Sporn nicht mehr allein Hauptwaffe wie bei dieser, und wir sehen die Zahl der Kämpfer an Bord bedeutend gewachsen.

Zu noch höheren Ruderreihern sind die Griechen wahrscheinlich nicht gegangen; in Ägypten aber, wo unter den Ptolemäern das Seewesen sehr gepflegt wurde, sind im 3. Jahrh. Vielreiher bis zu Okteren und Dekeren (nach Serre 800 tons, 840 Mann, 560 Ruderer bzw. 1000 tons, 1080 Mann, worunter 800 Ruderer) gebaut; noch größere Schiffe, die erwähnt werden, waren wohl nur unpraktische Luxusbauten, auch die Okteren verschwanden wieder.

Die größeren Schiffe waren aber sehr unbeholfen, weil sie allmählich mit Schutz- und Trutzwaffen überlastet wurden; denn die Wurfmaschinen und ihre Projektile, die man anfangs nur gegen Menschen verwendete, wurden immer schwerer, weil sie später auch zum Durchschlagen der Decks und Schiffswandungen bestimmt waren. Bei ihrem verstärkten Bau reichten auch Menschen als Triebkraft nicht mehr aus, den Gegner mit dem Sporn zu durchstoßen. So waren aus der Triere mit höchstem Offensivzweck Schiffe mehr defensiven Charakters geworden.

Die Kriegsschiffe zur römischen Zeit.[12] Phönizier und Griechen sind auch auf die Entwicklung des Kriegsschiffbaues im Westmittelmeer von Einfluß gewesen. Die Karthager und sonstigen phönizischen Pflanzstädte haben die Errungenschaften des Seewesens von Phönizien mitgebracht, und bei ihrer ständigen Verbindung mit dem Mutterlande und mit den griechischen Städten Siciliens und Unteritaliens sind sie natürlich auch in betreff der späteren Vervollkommnungen und Veränderungen auf diesem Gebiet im[14] Ostmittelmeer auf dem laufenden geblieben, ebenso die ebenerwähnten griechischen Kolonien; beide haben die Wandlungen mitgemacht, wenn auch vielleicht mit kleinen Abweichungen, wie auch in Griechenland die Schiffstypen, Trieren z. B., nicht immer in allen Staaten ganz gleich gewesen sind. Es ist wahrscheinlich, daß die Karthager ihre Trieren nicht so schnell, so formvollendet gebaut haben wie die Griechen im Laufe des 5. Jahrh., sondern mehr auf größere Seetüchtigkeit und größeres Fassungsvermögen Gewicht gelegt haben. Zur Zeit des höchsten Standes der attischen Triere wurde den Karthagern die Seeherrschaft in ihrem Bereich von keinem ebenbürtigen Nebenbuhler streitig gemacht, seefähigere Fahrzeuge waren dort aber erwünschter, namentlich bei den Expeditionen außerhalb des Mittelmeeres.

Von Syrakus nahmen die Punier frühzeitig die Penteren an, einen Schiffstyp, den der Tyrann dieser Stadt (Dionysius I.) gerade gegen sie selbst um 400 zuerst erbaut hatte. Auch bei ihnen wird die Pentere im 4. und 3. Jahrh. das Hauptschlachtschiff, wie aus den Angaben über die Zusammensetzung karthagischer Flotten hervorgeht. Zum Bau noch höherer Reihenschiffe zu schreiten, hat auch sie ihr seemännisch-praktischer Sinn gehindert; das Flaggschiff bei Mylae, eine Heptere, wird ausdrücklich als vorher dem König Pyrrhus abgenommen erwähnt. Die Karthager widmeten ihrer Flotte große Sorgfalt, die Bemannung scheint sich im Gegensatz zum Landheere stets der Hauptsache nach aus Stadt-Karthagern ergänzt zu haben, namentlich die Chargen und die Kämpfer.

Die Römer hatten während der ersten Jahrhunderte ihres Bestehens keine nennenswerte Kriegsflotte, sondern nur kleinere Fahrzeuge für den Küstendienst; die Unterwerfung Italiens vollzog sich ganz durch Landkriege. Als der Zusammenstoß mit Karthago sie zwang, eine Flotte zu schaffen, standen ihnen der Hauptsache nach nur die Schiffe der süditalienischen Bundesgenossen zur Verfügung, auch nur solche bis zur Größe der Trieren. Sie bauten deshalb nach dem Muster einer gestrandeten punischen Pentere die ersten Schiffe dieser Art. Daß sie diesen Typ nicht von ihren Bundesgenossen, den Syrakusern, entlehnten, muß politische Gründe gehabt haben, vielleicht wichen auch die punischen[13] Penteren etwas von den griechischen ab, und man wollte dem Feinde mit gleichen Waffen entgegentreten.

Aber unerfahren auf dem neuen Gebiet, war man dem Feinde in der Führung der Schiffe nicht gewachsen und unterlag der Taktik des seegewandten Gegners, nämlich der Ausnutzung des Manövrierens zum Riemenzerbrechen[15] und Rammen. Um diese Schwäche auszugleichen, erfanden die Römer die Enterbrücke (manus genannt, vulg. corvus). Es war dies eine im Bug aufgestellte, drehbare Fallbrücke, die nach vorn und den Seiten fallen gelassen werden konnte, mit einem schweren, eisernen Haken in das Deck des sich nähernden feindlichen Schiffes einschlug und dies festhielt; über die Brücke hin stürmten die Legionäre. Wenn die Pentere (Quinquereme der Römer) bis dahin ungefähr dieselbe Besatzung gehabt hatte wie bei den Griechen, so erhöhten die Römer zu dieser neuen Kampfweise die Zahl der Soldaten bedeutend, nämlich auf 120 Mann Schwerbewaffnete. Diesem Vorgang wurde auch dort gefolgt, wo man die Enterbrücke nicht einführte; somit trat der Enterkampf in den Vordergrund.

Mit der weiteren Ausbreitung der Weltherrschaft der Römer ist dann wohl die Entwicklung des Kriegsschiffbaues im ganzen Mittelmeer dieselbe gewesen. Wie schon (Seite 12) gesagt, bildeten sich die Schiffe im allgemeinen in der Hinsicht weiter aus, daß Schutz- und Ferntrutzwaffen stetig verstärkt wurden. Der Fernkampf gewinnt an Bedeutung.

Der Schutz der Schiffsseiten wurde immer mächtiger, die Schiffe wurden behufs Überhöhung und Erschwerung des Enterns hochbordiger. Man schützte die Kämpfer und die Wurfmaschinen durch Brustwehren und Türme, vorn und hinten sowie an den Seiten auf Deck erbaut. Die Wurfmaschinen wurden vergrößert und vermehrt, neben Pfeilen und Lanzen gegen Leute sowie Balken und schweren Gewichten zum Durchschlagen der Schiffsseiten und Decks auch Brandprojektile eingeführt. Zum Heranholen des feindlichen Schiffes schleuderte man auch Enterdraggen, mit Leinen versehen, aus den Maschinen (harpax).[14]

Ganz stetig war diese Richtung in ihrer Entwicklung jedoch nicht. Als die Römer nach dem Falle Karthagos (146 v. Chr.) die Seeherrschaft unbestritten errungen hatten, vernachlässigten sie die Marine. Bei der durch Pompejus (67 v. Chr.) zur Ausrottung der Seeräuber neu ausgebauten Flotte wurde dem Zweck entsprechend wieder mehr auf Schnelligkeit der Schiffe gegeben; sie waren kleiner.

Auch Cäsar baute gegen die Veneter in der Bretagne eine besondere Art von Schiffen. Wenn sie auch kleine Türme hatten, so scheinen sie doch ähnlich den alten Pentekontoren gewesen zu sein; niedrig über Wasser, die Schiffe der Veneter überhöhten sie. Sie können nur klein gewesen sein, denn bei der Landung in Britannien liefen sie auf den Strand, um mit ihren Wurfmaschinen die Ausschiffung zu decken.

Gegen diese Flotte, die später der pompejanischen Partei diente, baute Oktavian sehr schwere Schiffe, solche, wie sie vorhin in ihrer höchsten Vollendung geschildert sind; diese wurden dann auch im Osten der Haupttyp. Wahrscheinlich waren es Penteren, jedoch baute Kleopatra auch wieder Okteren und Dekeren. Aber schon wenige Jahre später ist Agrippa (der Feldherr Oktavians) im Besitz ganz anderer Schiffe, der Liburnen, die er bei einem Seeräubervolk an der illyrischen Küste kennen gelernt hatte. Es waren leichtere, kleinere, sehr bewegliche Schiffe — nicht so schnell wie die attische Triere, aber segel- und seefähiger als diese — mit starker Besatzung und namentlich[16] mit Brandprojektilen ausgerüstet; mit ihnen schlägt Agrippa bei Aktium (31 v. Chr.) die Kolosse des Antonius.

Die Liburnen waren nach einigen Ansichten Zwei- höchstens Dreireiher, nach anderen sogar nur Einreiher mit einem Mann am Riemen. Nach letzterer Annahme (Admiral Fincati) haben sich aus ihnen schon im Altertum die Ruderboote à zenzile entwickelt, die wir im Mittelalter bei den italienischen Staaten wiederfinden; bei solchen wurden bei schräg eingebauten Ruderbänken mehrere Riemen von einer Bank aus bedient. Serre rekonstruiert danach die Liburnen der späteren Kaiserzeit: Länge 31 m; Breite 4,4 m; Tiefgang 1,3 m; Deplacement 80 tons; Besatzung 120 Mann; 84 Ruderer auf 14 Ruderbänken, 42 Riemen an jeder Seite.

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Kleines römisches Kriegsschiff um etwa 50 v. Chr.

Nach Aktium verschwinden die großen Schiffe. Zur römischen Kaiserzeit bestand die Flotte nur aus Trieren und Liburnen, da der Marine nur noch Nebenaufgaben zufielen (vgl. Seite 21), besonders die Liburnen waren zur Ausübung der Seepolizei geeignet; bis zum Untergange des weströmischen Reiches ist sonst keine wichtige Änderung im Schiffbau zu verzeichnen.

Erwähnt sei noch, daß bei den Römern der Dienst in der Flotte nie dem im Heere an Ansehen gleichgestellt war. Die Mannschaft, seit dem zweiten Punischen Kriege besondere Seesoldaten, war stets die schlechtest[17] besoldete und wenigst geachtete; bis zur späteren Kaiserzeit gab es keine eigene Laufbahn für die höheren Offizierstellen, erst Claudius hat die Marine militärisch organisiert.

Vorstehender kurzer Abriß gibt die Erklärung für den häufigen auffallenden Wechsel der Schiffstypen bei den Römern. Bis zur Kaiserzeit bauten sie, im allgemeinen dem Seewesen fremd gegenüberstehend, ihre Flotte immer nur aus, wenn sie ihrer bedurften, und dann dem augenblicklichen Zwecke entsprechend.

Die Seekriege des Altertums.[15] Entsprechend der Lage der Völker am Mittelmeer zueinander spielte bei ihren Kriegen auch die Kriegführung zur See eine große Rolle.

Die Phönizier haben zwar eigentlich als selbständiges Volk militärisch nie die See beherrscht. Als ihr Handel und ihre Gründung von Niederlassungen in der Hauptblüte standen, hatten sie keine Nebenbuhler zur See; im Osten sind sie dann von den Griechen hauptsächlich durch friedlichen Wettbewerb verdrängt; im Westen nahmen in ähnlicher Weise die eigenen Pflanzstädte (Karthago) ihre Stelle ein, als das Mutterland infolge innerer Wirren und äußerer Kriege diese nicht mehr halten konnte. So fallen in die ältesten Zeiten nur Raubzüge zur See und Völkerbewegungen, die auch zur See unterstützt wurden.

Aber mit den assyrisch-babylonisch-ägyptischen Kriegen, deren Kampfobjekt nicht zum geringsten Teil gerade Phönizien war, indem alle aufblühenden Staaten des Orients dieses reiche und seemächtige Land in ihre Gewalt zu bekommen und sich mit ihm und den sonstigen kleinasiatischen Küstenländern, Karien und Ionien, selbst eine Seemacht zu gründen strebten, beginnt die regelrechte Kriegführung zur See. Jetzt beginnt die Entwicklung des Seekriegswesens. Flotten beteiligen sich in den genannten Kriegen an den Heereszügen längs der Küste besonders zur Eroberung von Küstenstädten und Inseln und spielen auch gleichzeitig eine Rolle in den Fehden der griechischen Staaten und Kolonien. Hier sei nur auf die wichtigsten Kriege und Schlachten hingewiesen.

Bei den Ereignissen, die uns genauer überliefert sind, treten Seestreitkräfte zum ersten Male mit besonderer Wichtigkeit hervor, als die Flotte der ionischen Städte der gescheiterten Expedition des Darius gegen die Skythen (513 v. Chr.) den Rückzug über die untere Donau sichert; als die erste, in ihren Einzelheiten bekannte Seeschlacht gilt die Schlacht bei der Insel Lade (vor Milet, 494 v. Chr.), in der die phönizische Flotte im Dienst der Perser die der ionischen Städte schlägt. Durch sie wird die völlige Unterwerfung der Städte nach ihrem Aufstande gegen die persische Oberherrschaft[18] besiegelt. Diese Schlacht ist noch insofern bemerkenswert, als hier zum ersten Male von der damals üblichen Kampfweise und Taktik berichtet sowie hervorgehoben wird, daß ein genialer Führer es versucht, die schwächere ionische Flotte durch Übungen dem überlegenen Feinde gewachsen zu machen.

Bekannt ist die Mitwirkung und Wichtigkeit der Flotten in den Perserkriegen. Wenn der erste Zug der Perser unter Mardonius (493 v. Chr.) an den Grenzen Griechenlands zum Stillstande kam, so hat der Verlust eines großen Teils der Flotte durch höhere Gewalt nicht wenig dazu beigetragen; das Landheer war in hohem Maße auf die Unterstützung der Flotte angewiesen, auch besonders was Zufuhren anbetraf. Der zweite Zug des Darius unter Datis und Artaphernes (490 v. Chr.) war ganz auf die Flotte gegründet. Daß es den Persern gelang, völlig unbehindert bis Euböa zu kommen und dort zu landen, ist nur der Uneinigkeit der Griechen, ihrer Schwäche zur See und vielleicht noch mehr ihrem Mangel an Vertrauen auf ihre schwachen Seestreitkräfte gegenüber dem übermächtigen Feinde zuzuschreiben; dieser teilweise Erfolg der Perser gab aber den Anlaß zur Verstärkung und Vervollkommnung der griechischen Flotten namentlich in Athen.

Der große Heereszug des Xerxes (480 v. Chr.), zwar für den Marsch des Landheeres durch Anlage fester Stützpunkte und Verpflegungsstationen gut vorbereitet, war wieder auf die Mitwirkung einer großen Flotte aufgebaut, indem diese die rückwärtigen Verbindungen aufrecht erhalten und die Offensive unterstützen sollte. Bei energischerer und richtigerer Verwendung der Flotte hätte der Kriegszug wohl einen günstigeren Verlauf genommen. Mit ganzer Kraft hatten die Perser schon bei Artemisium die Vernichtung der griechischen Flotte anstreben und später durch Einmarsch in den Peloponnes die Griechen aus der günstigen Stellung bei Salamis herausziehen und zur Schlacht im offenen Wasser zwingen müssen. Die Gefechte bei Artemisium und die Schlacht bei Salamis, jene die Feuertaufe der griechischen Flotten, diese die den Krieg entscheidende Schlacht, sind außerdem von hoher Bedeutung, da sie die Überlegenheit schnellerer und beweglicherer Schiffe und den Wert genialer Führer durch Wahl geeigneter taktischer Formationen und günstiger Aufstellung einem sonst überlegenen Feinde gegenüber zeigen.

Die weiteren Perserkriege (479 bis 449 v. Chr.), in denen die Griechen angriffsweise vorgehen und ihre Stammesgenossen auf den Inseln und an den Gestaden Asiens von der Oberhoheit Persiens befreien, wurden naturgemäß auf See und über See geführt. In diesen und den sie unterbrechenden Fehden der griechischen Staaten untereinander gewann Athen als Vorort des Seebundes der meisten Küsten- und Inselstädte des Ägäischen Meeres die Hegemonie zur See in Griechenland und überhaupt eine außerordentliche Macht im Verhältnis zu der Größe des Landes. Die Entwicklung Athens in dieser Hinsicht ist sehr lehrreich. Der Schöpfer der athenischen Flotte, der weitsehende Themistokles, hatte trotz der Erfolge der Perser unter Datis und Artaphernes schwer zu kämpfen, seine Pläne zu verwirklichen, da sonst[19] einsichtige Männer das Heil des Landes nur in den Lanzen der Hopliten sahen, die bis dahin und so auch bei Marathon alles entschieden hatten; auch war es anfangs schwer, das Volk zu einer Weltpolitik zu begeistern. Als Athen sich nachher überall Stützpunkte für maritime Unternehmungen und für den Handel errungen hatte, war sein Einfluß auf die Politik aller Staaten des Ostmittelmeeres ein ungeheuerer; wir haben für alle diese Verhältnisse Analogien in der Jetztzeit.

Von höchster Bedeutung für die Seekriegsgeschichte ist aber die größte innere Fehde der Griechen, der Kampf Athens und Spartas um die Hegemonie, in den die gesamte griechische Welt verwickelt war, der Peloponnesische Krieg (431 bis 404 v. Chr.). In diesem Kriege fällt die Entscheidung in erster Linie dem Seekriege zu, man kann wohl sagen, daß in ihm Seekriegswesen und Seekriegführung ihren höchsten Stand im Altertum erreichen. Mit Hilfe der Flotten, großer Expeditionen (z. B. Athens Unternehmung gegen Syrakus 415 bis 413 v. Chr.) wird der Krieg auf verschiedenen weit auseinanderliegenden Kriegstheatern geführt; viele Gefechte zeigen den Wert einer ausgebildeten Taktik der Flotten und der Güte und Schulung des Einzelschiffs. (Das Schiff selbst ist Hauptwaffe.)

In den weiteren inneren und äußeren Kriegen der Griechen während des 4. Jahrh. und der makedonischen Zeit bis zur Herrschaft der Römer über die griechische Welt wird die erreichte Höhe nicht gehalten, wenn auch die Flotten immer eine wichtige Rolle spielen und einzelne größere Unternehmungen vorkommen.

Im Westmittelmeer beginnen die Seekriege für genaue Betrachtung gerade zu der Zeit wertvoll zu werden, zu welcher sie im Ostmittelmeer hierfür an Interesse verlieren, etwa von 400 v. Chr. an.

Zwar wird die karthagische Flotte von der Zeit an, in der Karthago im Westen an die Stelle des Mutterlandes trat und die phönizischen Kolonien zusammenfaßte (etwa 600 v. Chr.), schon eine Rolle gespielt haben zur Erringung und Erhaltung der Handelsherrschaft, zur Bekämpfung griechischer Pflanzstädte im Westen und vor allem in den Kämpfen gegen das Vordringen der Griechen auf Sicilien; aber genauere Aufzeichnungen über Stärke und Verwendung der karthagischen Flotten finden wir erst für die Kämpfe mit Syrakus (480, 405, 310 v. Chr.) und mit dem, von dieser Stadt zur Hilfe gerufenen König Pyrrhus von Epirus (278 v. Chr.). (Aus den Kriegen mit Syrakus um 400 v. Chr. stammen die Penteren in der punischen Flotte.)

Beim Zusammenstoß der Karthager mit den Römern tritt die bemerkenswerte Erscheinung auf, daß eine Landmacht, eigentlich dem Seewesen abgeneigt, gezwungen wird, zur Seemacht zu werden. Als Rom eine gebietende Macht in Italien geworden war, mußte es in Nebenbuhlerschaft mit der herrschenden Seemacht des Westens treten; wenn man die Karthager nicht in Sicilien angriff, mußte man gewärtig sein, sich ihrer in Italien zu erwehren, jedenfalls aber seine Interessensphäre in jeder Hinsicht auf Italien beschränkt zu sehen.

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Rom schafft sich eine Flotte, und schon der erste Punische Krieg (264 bis 241 v. Chr.) wird der Hauptsache nach zur See entschieden; in ihm brechen die Römer, wenn auch mit ungeheuren Verlusten infolge ihrer seemännischen und militärisch-seemännischen Ungeübtheit, eigentlich schon die Seemacht Karthagos und eröffnen sich damit den Eintritt in die damalige Welt.

Auch hier kostete es der Partei, die den weitersehenden Standpunkt vertrat, große Mühe, durchzudringen und eine zur Ausführung ihrer Pläne nötige Flotte zu beschaffen; eine am Alten hängende Partei warnte nachdrücklich vor dem Hinaustreten in nicht ganz klar und nahe vor ihr liegende Verhältnisse. Ja, als die Flotte geschaffen war, aber nach anfangs großen militärischen Erfolgen bei der Unerfahrenheit auf dem neuen Gebiet ungeheure Verluste, besonders durch höhere Gewalt, erlitten hatte, wurde ihre Unterhaltung sogar wieder aufgegeben; sechs Jahre ungünstigster Kriegführung waren die Folge, bis eine Anzahl reicher Privatleute aus eigenen Mitteln eine Flotte baute, die die Entscheidung brachte und den ersten Grund zur Beherrschung des Mittelmeeres durch Rom legte.

Im ersten Punischen Kriege werden große Seeschlachten mit wechselndem Erfolge geschlagen, darunter Eknomos, die größte Schlacht des Altertums nach Salamis, zugunsten der Römer infolge der Einführung einer neuen Kampfweise: des Enterkampfes mittels der Enterbrücke an Stelle des Kampfes mit dem Sporn als Hauptwaffe.

In den späteren Punischen Kriegen, in den makedonischen und den sonst zur Erringung der Weltherrschaft von den Römern geführten Kriegen werden Seeschlachten von solcher Bedeutung wie im ersten Punischen Kriege nicht geschlagen, da so starke Gegner zur See nicht wieder gegenüberstanden; immerhin waren diese Unternehmungen solche über See zum Teil mit Landungen in größtem Maßstabe und erforderten die Beihilfe einer starken Flotte.

Der zweite Punische Krieg gibt aber auch ein Beispiel für die strategische Wichtigkeit der Herrschaft über die See. Captain Mahan führt in seinem Werke „Der Einfluß der Seemacht auf die Geschichte“ (S. IV und 14 ff.) eingehend und sehr einleuchtend aus, welche Rolle jene in genanntem Kriege gespielt hat. Er beweist, daß die römische Flotte die Meere nördlich einer Linie beherrscht hat, die man von Tarragona in Spanien nach Lilibaeum auf Sicilien, von da um die Nordseite der Insel herum bis Syrakus und endlich bis Brindisi ziehen kann. Er schließt dann, daß möglicherweise Hannibal dadurch gezwungen worden sei, seinen verlustreichen Zug durch Gallien und über die Alpen zu machen, daß jedenfalls die Römer infolge dieser Seeherrschaft imstande waren, den Krieg mit wichtigem Erfolge nach Spanien zu tragen, während es Karthago nur gelegentlich glückte, Hannibal in Italien kleinere Verstärkungen über See zuzuführen.

Zum zweiten Male aber tritt die Kriegführung zur See wieder besonders hervor zur Zeit der inneren Bürgerkriege unmittelbar vor der Schaffung des Kaiserreiches. Nach der Zerstörung Karthagos (146 v. Chr.) war die Flotte vernachlässigt, und ein Seeräuberunwesen herrschte im ganzen Mittelmeer. Es war im 3. Jahrh. an der Küste Ciliciens aufgetaucht und[21] erstreckte sich anfangs auf das Ostmittelmeer, dehnte sich aber dann, besonders nach dem Niederwerfen der anderen Seemächte im Westen wie im Osten durch die Römer, noch auf das Westmittelmeer aus. Die Seeräuber hatten große Flotten, Heere, Städte, Arsenale und legten schließlich den ganzen Seehandel lahm. Im Jahre 87/86 v. Chr. schritten die Römer zum ersten Male gegen sie ein, erzielten jedoch trotz großer Opfer nur Teilerfolge. Als aber sogar der Stadt Rom die nötigen Zufuhren abgeschnitten wurden, reorganisierte Pompejus die Flotte (leichte Schiffe) und säuberte in kurzer Zeit (67 v. Chr.) durch eine sehr geschickte Verwendung seiner, wenn auch noch immer an Zahl den Seeräuberschiffen nicht gleichkommenden, Seestreitkräfte das ganze Mittelmeer. Auf diese Flotte stützte sich später die pompejanische Partei in den Kämpfen gegen Caesar, und Sextus Pompejus gründete mit ihr eine Seemacht von Sicilien aus gegen Oktavian.

Diese Macht wird durch Agrippa, den auch zur See tüchtigen Feldherrn Oktavians, in der Schlacht bei Mylae (Naulochus 36 v. Chr.) vernichtet, und derselbe Führer bringt durch den Sieg bei Aktium (31 v. Chr.) über Antonius und Kleopatra die Bürgerkriege zum Abschluß. Lehrreich ist, daß Agrippa bei diesen beiden Vorgängen ganz verschiedene Schiffstypen benutzte (vergl. S. 15). Der Entwicklung des Schiffbaus entsprechend hat nach dem ersten Punischen Kriege nach und nach der Fernkampf mit Wurfmaschinen an Bedeutung gewonnen und tritt in diesen letzten Schlachten sogar in den Vordergrund.

Während der Kaiserzeit wurden zwar stehende und jetzt in jeder Hinsicht wohl organisierte Flotten unterhalten, aber ihre Verwendung war nur untergeordneter Natur; von zwei Hauptstationen aus, Neapel und Ravenna, üben Geschwader und Flottillen in allen Meeren und Flüssen die Seepolizei aus, sichern den Handel durch Konvoiieren und unterstützen die Heere durch Transporte und Verbindungen. Infolgedessen fehlt von dieser Zeit an eine weitere Entwicklung des Schiffbaus und der Kampfweise.

Kampfweise und Taktik. Die ursprünglichste Kampfweise war wohl der Kampf der starken Besatzungen mit Bogen, Speer und Schwert Bord an Bord, die Ruderer beteiligten sich nach dem Zusammenstoß am Kampf, wie dies auch später beim wiedereingeführten Enterkampfe teilweise gebräuchlich war; die Schiffe bildeten also nur den Kampfplatz. Schon frühzeitig wurde aber auch versucht, gelegentlich zu rammen, die Buge der Fahrzeuge waren stets zum Schutz beim Aufschleppen verstärkt gebaut bezw. auch mit Metall beschlagen; bald trat der Sporn hinzu. Diese Kampfweise mit dem Sporn bildeten die Griechen aus; schon bei Artemisium wird die Aufstellung mit besonderer Rücksicht darauf genommen, mit dem Sporn anzugreifen, denn schon um die Zeit der Perserkriege waren die neuen griechischen Schiffe den kleinasiatischen und phönizischen Schiffen an Manövrierfähigkeit überlegen. Im Peloponnesischen Kriege steht das Schiff selbst, die ganz auf Manövrierfähigkeit und Schnelligkeit gebaute Triere, als Hauptwaffe da;[22] man strebt zunächst nur dahin, das feindliche Schiff zu rammen oder ihm die Riemen zu zerbrechen und das dann unbewegliche mit dem Sporn zu vernichten; die Zahl der Kämpfer an Bord ist bedeutend geringer geworden. Bug und Heck sind offensiv und defensiv wesentlich stärker als die Seiten; sie sind stärker gebaut und hier ist der Platz für die Kämpfer, am Bug auch noch der Sporn. Die Seiten sind schwächer gehalten, um ein leichtes Schiff zu haben, an ihnen liegt der leicht verletzliche Motor; der Angegriffene versucht deshalb, den Stoß durch Ausweichen oder Entgegendrehen des eigenen Buges zu parieren. Die Kampfrichtung liegt also in der Kielrichtung. Gerammte Schiffe sanken oder fielen den Siegern in die Hände, da sie ohne Riemen und voll Wasser oder genötigt, auf den Strand zu laufen, leicht genommen werden konnten.

Mit der Verstärkung der Seiten, mit der Vergrößerung der Schiffe, mit der Aufstellung von Wurfgeschützen nimmt die Wirkung des Spornes ab; die Schiffe werden widerstandsfähiger gegen ihn und ungeeigneter zu seiner Verwendung. Im Westmittelmeer trat noch ein anderer Umstand hinzu, der in derselben Hinsicht wirkte. Die geübten karthagischen Seeleute gebrauchten den Sporn mit großem Erfolge, wenn auch ihre Schiffe wohl nicht von der Güte der attischen Trieren waren. Die seemännisch unerfahrenen Römer erfanden dagegen die Enterbrücke; wenn das feindliche Schiff zum Stoß herankam, fiel sie, hielt den Feind fest, Pilum und Schwert der Legionäre entschieden. Die Römer verpflanzten die Landkampfweise auf die Schiffe; die kämpfende Besatzung wurde naturgemäß nun auf beiden Seiten wieder wesentlich vermehrt.

Auch hier im Westen wurden die Schiffe mächtiger; Wurfgeschütze aller Art, auch auf weitere Entfernungen leistungsfähig, wurden eingeführt, die Vorrichtungen zur Ermöglichung des Enterkampfes vermehrt. (Enterhaken zum Festhalten, Wurfenterdraggen zum Heranholen des Feindes.) Gleiche Schiffe dieser Art fochten also auf weitere Entfernung mit Fernwaffen und versuchten die Entscheidung dann durch Entern herbeizuführen, vom Sporn nur mehr gelegentlich Gebrauch machend.

Mit solchen Schiffen besiegt Agrippa bei Naulochus die kleineren Schiffe des S. Pompejus; seine Schiffe sind defensiv stärker, mit Gürtelpanzer, hohem Bord und hohen Türmen, sie eröffnen das Gefecht mit Wurfgeschossen auf weitere Entfernungen, holen die feindlichen Schiffe heran und entern sie. Derselbe Führer erringt aber wenige Jahre später bei Aktium mit einem ganz anderen Typ den Sieg. Hier hat Antonius in seiner ägyptischen Flotte die schweren Schiffe und Agrippa in den Liburnen leichte, manövrierfähige und schnelle Fahrzeuge, allerdings auch stark bemannt. Diese, an Zahl überlegen, umschwärmen die schwerfälligen Kolosse, zerbrechen ihre Riemen und bekämpfen sie mit Wurfgeschossen, besonders Brandprojektilen. Zum Entern kam es weniger, da die großen Schiffe zu hochbordig waren, auch weniger zum Rammen, weil sie zu schwerfällig dazu waren und die Liburnen nicht schwer genug, um einen Erfolg gegen die massiven Kolosse zu versprechen. In beiden Schlachten haben wohl die Fähigkeit des Führers, die Güte und Schulung[23] der Besatzungen das meiste zum Siege beigetragen, aber man muß doch annehmen, daß der einsichtige Agrippa den Vorteil von wieder zur Offensive geeigneten Schiffen erkannt hatte.

So haben wir von den Trieren bis zu den Liburnen gewissermaßen einen Kreislauf; die Triere führte den offensiven Nahkampf, dann folgen Schiffe mit zunehmend defensivem Charakter, die Liburne ist für den offensiven Fernkampf, Sporn und Entern gelegentlich benutzend. Stets aber blieben Bug und Heck defensiv und offensiv stärker, die Seiten schwächer, hauptsächlich wegen der Lage des Motors hier, und dementsprechend mußte der Taktik des Einzelschiffes und der Verbände von Schiffen der Hauptsache nach stets der Kampf in der Kielrichtung zu Grunde liegen.

Die Gefechtsformation der Schiffsverbände war deshalb bei den Ruderschiffen des Altertums grundsätzlich eine breite, die „Dwarslinie“ oder mehrere solcher hintereinander, in der alle Schiffe dem Feinde den Bug zukehrten und sich gegenseitig die Seiten deckten. Tiefe Aufstellungen würden ein Umfassen seitens des Feindes leichter möglich gemacht und mehr schwache Schiffsseiten dem Angriff ausgesetzt haben. Bei numerischer Überzahl wurden häufig die Flügel vorgezogen, um den Feind zu umfassen (die Sichelformation symbol); der Schwächere versuchte sich dadurch zu schützen, daß er die Flügel zurückzog (die Halbmond- oder Kreisformation symbol, welche die Deckung des einzelnen Schiffes durch seinen Hintermann erleichtert). Die Taktik bestand im übrigen darin, daß die Flotte auf Signal zugleich angriff, die feindliche Linie durchbrach, zurückwendete und wieder durchbrach; die Schiffe benutzten beim Passieren jede Gelegenheit zum Rammen, Riemenzerbrechen und in späteren Zeiten zum Bekämpfen mit Wurfgeschossen. Diese Kampfart mußte stets bald zur Mêlée führen, d. h. zu Einzel- oder Gruppenkämpfen mit allen Kampfweisen, bei denen jede Gefechtsleitung aufhörte. Zum Marsch wurden eine oder mehrere Kolonnen in Kiellinie formiert, da man aus dieser Aufstellung durch Wendung um 90° sofort die breite Gefechtsformation herstellen konnte.

An dieser Taktik ist im allgemeinen während des Altertums (und auch noch im Mittelalter) starr festgehalten, doch wichen auch geniale Führer davon ab in dem Bestreben, eigene Schwächen (Minderzahl, Deckung von Transportern u. s. w.) aufzuheben, eigene Stärken zur Geltung zu bringen (gute Schulung ihrer Schiffe), oder um das Gefecht möglichst lange nach bestimmtem Plane durchzuführen, indem sie ihre Kräfte länger in der Hand behielten oder einzelnen Unterverbänden besondere Aufgaben zuteilten. Solche Ausnahmen finden wir in den Gefechten bei Artemisium (480 v. Chr.), in den Gefechten bei Rhium (429 v. Chr.), in der Schlacht bei Eknomos (256 v. Chr.). Bemerkenswert, aber nicht zu verwundern, ist, daß Befehlshaber der Völker, die weniger seetüchtig und mehr Landkrieger sind, häufig defensiv stärkere Formationen einnehmen; aus Mangel an seemännischer[24] Erfahrung solche, bei denen sie eine Hauptkraft aller Seestreitkräfte — die Bewegung — aus der Hand geben, oder solche, die sich infolge von Wind- oder Seegangseinflüssen nicht halten lassen; sie übertragen die Gefechtsweise des Landkrieges — damals auch vorzugsweise defensiven Charakters — auf die Seeschlacht. Zuweilen geschieht dies mit Erfolg (z. B. der Spartaner Eurybiades bei Artemisium), meist zum Nachteil (z. B. der Spartaner Brasidas im ersten Gefecht bei Rhium; die Römer bei Eknomos).

Die Schiffe des Altertums waren als Ruderschiffe nicht imstande, Proviant und Wasser etc. in genügender Menge an Bord zu nehmen, die Einrichtung zum Rudern und die große Zahl der Ruderer beanspruchten im Verhältnis zur Größe des Fahrzeuges zu viel Platz. Sie konnten deshalb größere Expeditionen nicht ohne Transporter oder Anlaufen von Ausrüstungspunkten ausführen, mußten überhaupt öfters ankern oder anlegen schon zur Erholung der Besatzungen namentlich der Ruderer; deshalb sind die meisten Seeschlachten in der Nähe der Küsten geschlagen.

Auch dieser Umstand wird von befähigten Führern verschieden verwertet. Bei Salamis wählt Themistokles das enge Gewässer zur Schlacht, um die Kenntnis der Örtlichkeiten, der Strömungen, der Windverhältnisse auszunutzen und um den übermächtigen Feind an der Entfaltung seiner Kräfte zu hindern, obgleich er die beweglicheren und besser geschulten Schiffe hat. In beiden Gefechten bei Rhium sucht Phormio den Kampf im freien Wasser herbeizuführen, um die Tüchtigkeit seiner Schiffe zu verwerten, obgleich er weit in der Minderzahl ist. Er erläßt folgenden Befehl an seine Kommandanten, um seine Kräfte in der Hand zu behalten: „Weil ich an Zahl stärkere, aber wenig geübte Gegner habe, werde ich nicht in engen Gewässern fechten, in welchen ich nicht manövrieren kann. Dort kommt es bald zum ungeordneten Kampf und die Überzahl siegt. Ich fechte im freien Wasser; an euch ist es, euere Plätze zu halten und auf Befehle zu achten. Ordnung und Ruhe ist stets die Losung im Kriege, ganz besonders in der Seeschlacht.“ Im zweiten Gefecht bei Rhium erringt sein Gegner Brasidas anfangs Erfolge dadurch, daß er durch Manövrieren einen Teil der athenischen Schiffe auf den nahen Strand drängt. Agrippa lockt bei Aktium den Feind aus der durch Land geschützten Stellung, um die größere Zahl und größere Beweglichkeit seiner kleineren Schiffe auszunutzen.

Die Transporter folgten den Kriegsschiffen, wenn angängig, unter Segel, bei ungünstigem Winde griffen sie zu den Riemen; da sie damit aber weit langsamer waren, mußten sie oft von den Kriegsschiffen in Schlepp genommen werden. Sie waren also eine große Last für die Flotte, ihre Begleitung und die Notwendigkeit, sie zu schützen, hat oft die betreffende Flotte beim Angriff des Feindes in ungünstige Lage gebracht; hiermit zusammenhängend sei noch darauf hingewiesen, daß sich schon im Altertum mehrfach zeigt, wie schwierig es ist, größere Expeditionen über See zu unternehmen, solange aktionsfähige feindliche Streitkräfte, wenn auch sonst schwächer als die eigenen, auf dem Meere vorhanden sind.

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Die Seekriegsgeschichte des Altertums birgt wertvolles Material für ein eingehenderes Studium. Auch bieten die Verhältnisse in ihr manche Vergleichspunkte mit denen der Dampfschiffszeit. Die Führer der Ruderschiffe und -Flotten waren weit mehr Herr über die Bewegungen ihrer Streitkräfte auf dem Marsch und im Gefecht, als zur Zeit der Segelschiffahrt, da sie wie bei den Dampfschiffen unabhängiger vom Winde waren. Anderseits waren die Ruderschiffe abhängig von Transportern, Stützpunkten und Ausrüstungsstellen zur Auffüllung von Proviant, Wasser und zur Erholung der Besatzungen, wie es jetzt die Dampfschiffe zur Ergänzung von Kohlen und Maschinenmaterial sind; die Segelschiffe späterer Zeiten konnten weit leichter für längere Dauer mit allen Vorräten versehen werden und unabhängig von Transportern und Stützpunkten ihre Aufgaben durchführen.

Fußnoten:

[5] Hauptquelle: Breusing, Nautik.

[6] Lee (leewärts): die Seite, wohin der Wind bläst, im Gegensatz von Luv (zu Luward), woher der Wind kommt.

[7] Hauptquellen: Breusing, Nautik; Movers.

[8] Die sogenannten „lateinischen“ Segel des Mittelmeeres stammen erst aus dem Mittelalter.

[9] Andere Forscher nehmen an: 25 Ruderbänke und nur 1 Mann am Riemen; die Fahrzeuge müßten dann wohl länger gewesen sein.

[10] Der kleinere vordere Mast blieb stehen, um von ihm schwere Gewichte (Delphine) auf das Deck des Feindes fallen zu lassen, auch diente sein leicht zu setzendes Segel zur Unterstützung der Ruderer besonders bei der Verfolgung oder der Flucht.

[11] Hauptquellen: Breusing, Trierenrätsel; Serre mit dem Auszuge Fincatis, der annimmt, daß die Vielreiher des Altertums vielleicht die gleiche Rudereinrichtung gehabt haben wie die späteren Galeren à zenzile (vgl. Mittelalter Seite 32); Arenhold, der sich Breusing anschließt; L. Müller; du Sein, Teil 1, Kapitel 1. Die beiden letztgenannten Verfasser geben eine Zusammenstellung der verschiedenen sonstigen Annahmen über die Rudereinrichtung der Trieren sowie vieler Quellen darüber. Die vielen verschiedenen Ansichten zeigen, wie wenig wir von den Schiffen des Altertums wissen; vollständige Beschreibungen sind nicht überliefert, und den künstlerischen Darstellungen ist nicht unbedingt zu trauen.

[12] Die Angaben über Karthager nach Meltzer; im übrigen die auf S. 12 angegebenen Quellen.

[13] Serre nimmt die punische Quinquereme zur Zeit des ersten Punischen Krieges als einen rein karthagischen Typ an: zu 50 tons, 70 Mann, 40 Ruderern, also Fahrzeuge von sehr geringen Abmessungen. Es widerspricht dies allen anderen Angaben. Außerdem sagen die Verfasser von Spezialgeschichtswerken unabhängig voneinander, daß die Pentere von Syrakus nach Griechenland und von Syrakus nach Karthago zur Vergrößerung des bis dahin dort üblichen Schiffstyps gekommen sei, was doch auf gleiche Penteren und auf gleiche vorherige kleinere Schiffe im Ost- und Westmittelmeer schließen läßt.

[14] Draggen, ein kleiner Anker mit 3 oder 4 Armen zum Greifen.

[15] Es ist eine reiche Literatur über die Seekriege im Altertum vorhanden vom Vater der Geschichte Herodot (Perserkrieg) an über Tukydides (Peloponnesischer Krieg) bis in die neueste Zeit. Von neueren Schriftstellern seien hervorgehoben: Jurien de la Gravière mit verschiedenen Werken (vgl. Quellenverzeichnis), und du Sein, die eine reiche Quellenangabe der klassischen Autoren enthalten; v. Henk gibt die Beschreibung der Hauptereignisse. Über Karthago auch Meltzer.

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Zweites Kapitel.
Das Seewesen im Mittelalter.

Ausdehnung der Schiffahrt.[16] Das im Altertum zu hoher Blüte entwickelte Seewesen wurde durch die Völkerwanderung größtenteils vernichtet. Die weströmische Kriegsflotte war verschwunden, die germanischen Staaten in Italien, Spanien und Afrika haben wohl Flotten besessen, doch sind sie bei der kurzen Lebensdauer der Reiche kaum zu hohem Stande gelangt, wenigstens wissen wir nicht viel davon. Schiffbau und Nautik waren im Westen verlernt; wenn diese Wissenschaften sich auch bei den Byzantinern erhalten hatten, so wachte man hier eifersüchtig darüber, sie nicht zu verbreiten, um sich die Herrschaft über das Meer zu bewahren. Ihre Kriegsflotten spielten weiter eine Rolle in dem Kampfe gegen die germanischen Staaten und später gegen mohammedanische Feinde, aber Seekriege von solcher Bedeutung für die Seekriegsgeschichte, wie sie von der griechischen Zeit bis Aktium geführt waren, kamen nicht vor, es handelte sich nur um Expeditionen über See und Abwehr solcher. Auch der Seehandel, der im Altertum alle Länder am Mittelmeer eng verknüpfte, war wesentlich zurückgegangen. Die Verbindung des Westens mit dem Osten war nur noch schwach, die Fahrten außerhalb des Mittelmeeres durch die Straße von Gibraltar hatten ganz aufgehört, der von den Byzantinern noch länger aufrecht erhaltene Handel nach Indien brach mit der Besetzung Ägyptens durch die Araber um 640 ab. Die Araber übernahmen zwar den Seehandel mit Indien bis China und längs der afrikanischen Ostküste von Ägypten und Persien aus, sie entlehnten manche nautischen Verbesserungen — so den Gebrauch der Magnetnadel — von China, aber es hatte dies vorläufig keinen Einfluß auf die Verhältnisse und geographischen Kenntnisse des Abendlandes.

Die Schiffahrt im Mittelmeer wurde wieder belebt mit dem Auftreten der italienischen Handelsstädte: Amalfi, Pisa, Genua, Venedig etwa im 9. und 10. Jahrh., sowie durch die Araber in Spanien, als im 10. Jahrh. das Kalifat von Cordova mächtig dastand, hier trat[27] später dann noch Aragonien (Barcelona) hinzu. Auch im Norden fing um diese Zeit das Seewesen an sich zu regen, beginnend mit den Raub- und Eroberungszügen der Normannen, die um das Jahr 1000 schon in Italien erscheinen. Vor allem nehmen die italienischen Städte während der Kreuzzüge die Verbindung mit dem Osten auf, und die Kriegszüge der nordischen Nationen zum heiligen Lande, auch zur See ausgeführt, bringen den Norden und das Mittelmeer einander näher, was gewiß durch Austausch der Erfahrungen dem Seewesen auf beiden Seiten von großem Nutzen wurde; ebenso werden Nord- und Ostsee, besonders in der Hand der Hansa, bald Wege für den Seehandel.

Aber immer noch blieb die Seefahrt der Hauptsache nach auf die Binnenmeere beschränkt. Zwar hatten Streifzüge der Normannen um das Nordkap geführt, die Faröer, Island und Grönland entdeckt, selbst Amerika (an der Küste von Massachusetts) berührt; der Atlantische Ozean belebte sich in Anlehnung an Legenden des Altertums mit phantastischen Inselgebilden; es mögen auch Fahrten, wie die der Normannen im hohen Norden, ins Ungewisse nach solchen „ins Dunkelmeer hinein“ unternommen worden sein; greifbare Ergebnisse mußten jedoch ausbleiben, solange man eines sicheren Führers im freien Meer entbehrte: war doch selbst der Verkehr am Rande des Ozeans nur ein gefährliches Tasten die Küsten entlang.

Erst als die polare Richtkraft des Magneten erkannt war und gegen das Ende des 13. Jahrh. als Magnetnadel allgemeiner verwendet wurde, konnte sich der Seemann freier bewegen. So ist um 1300 ein wichtiger Ausgangspunkt für die Entwicklung des Seewesens zu datieren. Denn nun erwacht allmählich der Verkehr auf dem Ozean, die Völker des Nordens treten mit denen des Mittelmeeres auf dem Seewege in engere Verbindung, überall hebt sich der Seehandel, man beginnt neue Länder zu suchen; alles dieses ist wiederum von großem Einfluß auf die Ausbildung der Segelschiffahrt.

Zunächst eröffnen um diese Zeit die italienischen Städte den unmittelbaren Seeweg nach den Niederlanden, sie berühren dabei Portugal, Frankreich und England, ihr Beispiel spornt hier zur Nacheiferung an. Die Kanaren, Madeira und die Azoren werden gefunden, zuerst von verschlagenen Schiffen durch Zufall entdeckt, dann planmäßig wieder aufgesucht; die italienischen Städte Genua und Venedig dringen von Konstantinopel aus ins Schwarze Meer ein; von hier und von Syrien aus ziehen Missions- und Handels-Reisen in das Innere Asiens. Die berühmteste ist die 25 jährige Handelsreise des Venetianers Marco Polo 1271–1295 nach China, Japan und Indien. Sie bringen die verloren gegangene Kenntnis vom südlichen und östlichen Asien wieder, so daß man um 1350 den Stand der Kenntnis der Alten Welt, wie er im Altertum vorhanden gewesen war, wieder erreicht hatte.

Im weiteren Verlauf des Mittelalters nimmt nun der Seeverkehr in den bekannten Gewässern zu. In Nord- und Ostsee betreiben vor allem die Hansastädte mit ihren Kontoren an allen wichtigen Hafenstädten des Auslandes[28] die Seefahrt, aber auch Engländer, Holländer und Dänen befahren schon eifrig diese Meere. Alle diese Völker liegen in großem Maßstabe der Seefischerei in den nordischen Gewässern bis nach Island hin ob. Wie die italienischen Städte zum Norden, so gehen auch die nordischen Nationen nach Portugal und selbst ins Mittelmeer — 1413 das erste englische Schiff nach Marokko, 1458 nach der Levante —, ihre Schiffe, besonders die Hansen, versorgten ganz Europa mit getrockneten Fischen und brachten vom Süden die Waren des Orients heim; schon im 14. Jahrh. sollen in Lissabon 400–500 Schiffe der verschiedenen Nationen des Nordens und Südens im Jahre verkehrt haben.

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Prinz Heinrich, der Seefahrer.

Der Hauptseehandel mit dem Orient im Mittelmeer lag in den Händen Genuas über Konstantinopel und Kleinasien und Venedigs über Ägypten und brachte diesen Städten großen Gewinn, bis die Eroberung Konstantinopels 1453 und Ägyptens 1517 durch die Türken den Verkehr mit dem Innern Asiens und Afrikas sehr erschwerten, wenn auch Venedig mit seinen Besitzungen im Ostmittelmeer noch längere Zeit großen Nutzen aus dem Orienthandel zog. Indien und Ostafrika waren durch weitere Missions- und Handelsreisen bekannter geworden, letzteres bis Sansibar, vielleicht bis zu den Komoren hin, wodurch später die Hoffnung, Afrika umschiffen zu können, wesentlich bestärkt wurde.

Denn auch mit der planmäßigen Aufsuchung neuer reicher Länder wurde schon im Mittelalter begonnen und zwar war es Portugal, das den Drang dazu erweckte. Die ersten Unternehmungen gingen hier nicht von Kaufleuten aus, sondern von einem einzelnen, weitblickenden Manne, dem Infanten Dom Enrique. Prinz Heinrich, der Seefahrer, 1394 als fünftes Kind des Königs João I. geboren, beschäftigte sich eingehend mit mathematischen und geographischen Studien, er zog alle erreichbaren Nachrichten alter und neuerer Zeit ein und faßte den Plan, das goldreiche Guinea, das allerdings nur durch dunkle Gerüchte bekannt war, zu erreichen; politische und religiöse Erwägungen bestärkten ihn hierin. Er fand zunächst wenig Beifall. Den Seeleuten schienen die Gefahren an der Nordwestküste Afrikas zu groß — Portugals Schiffahrt war erst im Entstehen —, die Kaufleute versprachen sich nichts von Entdeckungen weiter im Süden, da nach den Überlieferungen des Altertums (Aristoteles, Ptolemäus) angenommen wurde,[29] daß der heiße Erdgürtel unbewohnbar sei. Die ersten Fahrten schienen diese Einwürfe zu bestätigen: Mangel an Häfen, unsichtige Atmosphäre (Dunkelmeer), trauriges, dürres Aussehen des Landes, je weiter man nach Süden kam. Man hielt es für unmöglich, das Kap Bojador zu umschiffen.

Aber der Prinz ließ sich nicht abschrecken; seine Mittel als Großmeister des Christusordens setzten ihn in den Stand, immer neue Expeditionen auszurüsten, wenn auch die ersten wenig Erfolg brachten. Seine Ausdauer wurde belohnt: 1434 wurde Kap Bojador umschifft, 1441 Kap Branco erreicht, 1443 brachte man aus der Bucht von Arguin reiche Produkte und auch Goldstaub heim. Nun schlug die Stimmung um, und schon 1444 wurde eine Handelsgesellschaft für Westafrika gegründet. 1445 erreichte man Kap Verde, und die tropische Pracht, die man hier vorfand, stieß die alte Theorie von der Unwirtlichkeit der Tropenländer um, die Entdeckungen wurden nun eifrig weiter gefördert. Die Tatsache, daß sich die Küste vom genannten Vorgebirge nach Südosten zieht, scheint nun auch dem Prinzen Heinrich die Überzeugung gegeben zu haben, daß es möglich sei, auf diesem Wege Indien zu erreichen; ob ihn dieser Gedanke schon vorher geleitet, ist fraglich. Der Prinz starb 1460, er hatte seine Mittel völlig erschöpft, aber wahrlich nicht vergeudet: Portugal war zu einer leitenden Seemacht geworden, und schon João II. (1481–1495) bezog ansehnliche Einkünfte aus Afrika.

Päpstliche Bullen von 1441, 1454 und 1481 sprachen alle Entdeckungen zwischen Kap Bojador und Indien den Portugiesen zu, diese bauten an geeigneten Stellen Forts und errichteten Steinkreuze als Zeichen ihrer Hoheit, so 1484 am Kongo und bei Kap Croß; an dieser Reise nahm der deutsche Kosmograph Martin Behaim teil, man kam bis zu 22° Süd-Breite. 1486/87 passierte Bartolomeu Dias mit zwei kleinen Karavellen von 50 tons, von der St. Helenabucht weiter segelnd, das Kap der Guten Hoffnung, ohne es zu sichten. In einem Sturm südlich vertrieben, suchte er bei besserem Wetter die Küste mit Ostkurs wieder zu treffen, da er sie nicht fand, steuerte er nördlich und erreichte so die Fleshbay. Dann segelte er östlich weiter, errichtete auf der Insel St. Cruz in der Algoabay den letzten Wappenpfeiler und gelangte noch bis zum Greatfishfluß. Hier mußte er wegen Mangel an Proviant und wegen Unzufriedenheit seiner Mannschaft infolge der schweren Stürme bei Umsegelung des Kaps umkehren, bei der Rückfahrt sichtete er dieses und taufte es Cabo tormentoso. Aber der König änderte den Namen in Cabo da boa esperanza, denn der Umstand, daß sich die Küste vom Greatfishfluß nach Norden zog, gab ihm die feste Überzeugung, daß der Weg nach Indien — zu den Gold- und Gewürzländern — nun offen stehe; bald darauf eingehende Berichte von Portugiesen, die im Auftrage des Königs von Aden aus auf arabischen Schiffen Indien und die Ostküste Afrikas bis Sofala hin besucht hatten, bestätigten dies.

Indien“ war im Altertum und Mittelalter ein sehr weiter und unbestimmter Begriff, er umfaßte eigentlich alle Länder am Indischen Ozean bis nach China hin, die Ostküste Afrikas eingerechnet; der Hauptwunsch aller[30] Entdeckungsfahrten war, die „Gewürzinseln“ zu erreichen. Neuen Anstoß, auf dem beschrittenen Wege fortzuschreiten, gaben für Portugal die ersten Entdeckungen Spaniens im Westen, es galt nun, diesem in Indien zuvorzukommen. Mit den Fahrten der Spanier und den nun weiter folgenden der Portugiesen treten wir in die eigentliche Epoche der großen Entdeckungen; die Seefahrt der westlichen Völker Europas verläßt die Küsten und durchquert die Ozeane, eines der Kennzeichen des nächsten Zeitabschnittes.

Die Nautik. Mit der Vernichtung des Seewesens im Westen des Mittelmeeres war auch die bisher erreichte Kenntnis der Nautik und ihrer Hilfswissenschaften verloren gegangen. Die Byzantiner, bei denen sie erhalten blieb, hielten sie geheim, und die Fortschritte der Araber in dieser Wissenschaft waren zunächst den Völkern am Mittelmeer noch nicht zugänglich. So stand die Nautik derjenigen Nationen, die erst mit der Seefahrt begannen, wohl lange auf der niedrigsten Stufe und entwickelte sich nur langsam aufs neue wie im Altertum, bis die Völker des Ostens, des Westens und des Nordens mehr miteinander in Verbindung traten und ihre Erfahrungen austauschten. Hierzu kam dann bald die Entdeckung der Richtkraft des Magneten.

Sicher dürfte sein, daß die Chinesen diese Kraft seit langer Zeit kannten und benutzten, und daß die Araber von ihnen am Indischen Ozean frühzeitig, vielleicht schon im 8. Jahrh., den Gebrauch übernahmen. Aber nicht sicher ist, ob diese Kenntnis dem Abendlande durch die Araber überkommen ist. Denn zum ersten Male wird ihrer in Frankreich um 1200 Erwähnung getan. Möglich ist also, daß die Entdeckung selbstständig auch im Westen der Alten Welt gemacht ist, wo um diese Zeit mit der Aufnahme des Studiums der Schriften des Aristoteles den Naturwissenschaften wieder Aufmerksamkeit zugewandt wurde. Die Verwendung des Magneten als Nadel mit Windrose findet sich zuerst Ende des 13. Jahrh. und um die Mitte des 14. ist der Kompaß, zunächst mit dem holländischen Ausdruck „Bussole“ bezeichnet, auf großen Schiffen vielfach im Gebrauch. Um diese Zeit scheint Flavio Gioja aus Amalfi irgend eine wesentliche Verbesserung, wohl zum praktischen Gebrauch an Bord, eingeführt zu haben, und deshalb wurde er lange als Erfinder des Kompasses genannt. Daß aber die Magnetnadel schon vor seiner Zeit benutzt ist, geht aus genauen Karten des Mittelmeeres, von 1320 überliefert, hervor; sie können nur mit diesem Hilfsmittel in längerer Zeitdauer aufgenommen sein.

Der Kompaß war ein großer Gewinn für die Navigation, aber auch in anderen Hinsichten machte diese große Fortschritte. Das Studium der Alten, besonders des Ptolemäus (vergl. S. 6) brachte die Erdkunde und die Astronomie wieder auf den Standpunkt des Altertums und bildete die Grundlage zur weiteren Entwicklung, auch der Nautik; durch diese Wissenschaften im Verein mit dem Kompaß wurde die Kartographie wesentlich gefördert, besonders zunächst bei den Portugiesen.

Bereits im 13. Jahrh. war man nach den Schwankungen im früheren Mittelalter wieder allgemein zur Annahme der Kugelgestalt der Erde zurückgekehrt. Von den Arabern hatte man den Gebrauch des Astrolabs — zur Messung von Höhen der Gestirne, schon von Hipparch erfunden — kennen gelernt; Regiomontanus verbesserte dieses Instrument und berechnete Ephemeriden für die Sonnendeklination von 1473–1505, ebenso wurden in[31] Portugal um diese Zeit Hilfstabellen zur Berechnung der Breite nach Polarsternhöhen und, als die Portugiesen weiter nach dem Süden vordrangen, auch Deklinationstabellen für südliche Breiten ausgearbeitet. Gute Breitenbestimmungen am Lande und der Kompaß ermöglichten die Herstellung immer besserer Seekarten, bei denen wieder die Marinische Projektion (durch die Portugiesen im 15. Jahrh.) benutzt wurde. Bei diesen „platten Karten“ wählten die Portugiesen den Äquator als Mittelbreite, da sich ihre Reisen etwa gerade soweit südlich wie nördlich von ihm erstreckten. Für Spezialkarten nahm man die entsprechende Mittelbreite als solche, für Karten der gesamten europäischen Gewässer behielt man nach Marinus den 36. Breitengrad bei, wohl weil das Verhältnis des Breiten- zum Längengrade, 4:5, am einfachsten war.

Die Ausrüstung der Schiffe mit Seekarten wurde mehr und mehr gebräuchlich. Zuerst erwähnt werden sie bei Mittelmeerschiffen um die Mitte des 12. Jahrh.; in Spanien sollte um 1359 jedes Kriegsschiff solche besitzen; von 1448 sind uns die älteste englische Karte von den britischen Inseln bis zu den Kapverden sowie Segelanweisungen für die Küsten von Schottland bis Gibraltar erhalten.

Bei Fahrten über die hohe See wurde aber noch länger dem Globus der Vorzug gegeben wegen der durch die Fehler der platten Karte hervorgerufenen Gefahren, bis diese durch Einführung der Mercator-Projektion (1537) gehoben wurden; auch ist erwähnenswert, daß die Hanseaten ihre Fahrten in den nordischen Gewässern scheinbar nur nach Segelanweisungen und Küstenbeschreibungen vornahmen. Seit etwa 1480 wurde das Astrolab, zu diesem Zwecke von Behaim verbessert, auch an Bord verwendet, und bald darauf konstruierte derselbe Gelehrte den Jakobsstab (croßstaff; auch schon von Regiomantanus erfunden) als ein für den Bordgebrauch einfacheres und geeigneteres Instrument für Höhenmessungen.

Mit allen diesen Hilfsmitteln wurde die Seefahrt frei von der Küste und konnte ins Weltmeer hinausgehen. Größere Sicherheit gewann sie allerdings erst durch Verbesserung der Karten und Instrumente im nächsten Zeitabschnitt; zeigten doch die Breitenbestimmungen auf See immer noch unvermeidliche Fehler bis zu 3 Graden.

Die Schiffe.[17] Der Mangel an zuverlässigen Überlieferungen läßt uns die Entwicklung des Schiffbaues, besonders der Segelschiffe, erst etwa vom Jahre 1000 an verfolgen, genauere Angaben erst von weit späterer Zeit machen; erschwert wird die Aufgabe dadurch, daß bei den verschiedenen Völkern und zu verschiedenen Zeiten die Namen für ähnliche Schiffstypen verschieden sind oder umgekehrt die gleiche Bezeichnung für verschiedene Typen gebraucht wird. Es soll hier deshalb nur soweit darauf eingegangen werden, wie nötig ist, um den Wert der in den Kriegen zu den verschiedenen Zeiten[32] gebräuchlichsten größeren Schiffe beurteilen und außerdem verfolgen zu können, wie sich aus den Haupttypen des Mittelalters nach und nach das spätere Segelkriegsschiff herausgebildet hat.

Im Mittelmeer war, wie erwähnt, das Seewesen nach der Völkerwanderung nur im Osten auf dem Standpunkt des Altertums stehen geblieben, im Westen war es vernichtet, die Kunst des Schiffbaues verlernt. Der Haupttyp der Kriegsschiffe im Osten (Byzanz) wurde die Dromone. Sie ist scheinbar ein Mittelding zwischen dem griechischen Vielreiher und der römischen Liburne gewesen, in der Größe mehr der letzteren entsprechend: Länge 36 m; Breite 4,4 m; Tiefgang 1,1 m Deplacement 100 tons. Zwei Ruderreihen zu 25 Riemen an jeder Seite, also in Summa 100 Ruderer, die obersten Ruderer waren nicht gedeckt; Gesamtbesatzung 130–150 Mann. Die Dromone war noch im Gebrauch bis ins 10. Jahrh., dann wurde sie verdrängt durch die Galere des Westmittelmeers, ein Erzeugnis des hier bei den italienischen Städten wieder gehobenen Seewesens.

Die Galere wird uns bekannt als das Kriegsfahrzeug dieser Städte, zunächst Venedigs, etwa seit dem Jahre 1000. Auch sie ist als eine Tochter der römischen Liburne anzusehen. Sie verdankt vielleicht ihren Ursprung den Überlieferungen aus altrömischer Zeit, es haben ja auch zur Zeit der Völkerwanderung in den germanischen Staaten am Mittelmeer Flotten bestanden, aber zu größerer Ausbildung ist der Schiffbau wohl nicht gekommen. Gerade das Seewesen braucht geordnete Verhältnisse, um zu gedeihen, und so blieb der Bau tüchtiger Kriegsschiffe erst wieder den aufblühenden Städten vorbehalten. Die Galere war ein Ruderfahrzeug mit einer Reihe Riemen. Zur Blütezeit Venedigs im 13. und 14. Jahrh. hatte sie sich dort zur Galere à zenzile ausgebildet (vergl. Liburnen und Anm. dazu S. 15), d. h. von jeder der schräg zur Kielrichtung eingebauten Ruderbänke wurden mehrere Riemen von verschiedener Länge bedient. Die gebräuchlichste Galere dieser Art war, nach Serre, 41 m lang, 5 m breit, 180–200 tons, 25 Ruderbänke mit je einer Gruppe von 3 Riemen, für letztere je ein Ruderer. Da auf jeder Seite eine Gruppe ausfiel — an B. B. zur Unterbringung des Beibootes, an St. B. zur Aufstellung der Kombüse —, hatte man 48 Gruppen, also 144 Ruderer; Gesamtbesatzung etatsmäßig 220, jedoch wurden häufig mehr Soldaten eingeschifft.

Die an anderen Orten gebräuchliche, gewöhnliche Galere war im allgemeinen von denselben Größenverhältnissen. Sie führte auf jeder Bank nur einen langen Riemen, Summa 50 bezw. 48, der von 3 Mann bedient wurde. Sie war leichter durch weniger geübte Mannschaften oder angekettete Sklaven zu rudern, deshalb kehrten auch die Venetianer notgedrungen zu ihr zurück, als sie im 16. Jahrh. Mietlinge an Stelle der Bürger als Ruderer verwenden mußten. Die Galere à zenzile verschwand ganz im 17. Jahrh. Alle Ruderer der Galere waren von oben unbeschützt, nur seitlich durch eine leichte Brustwehr gedeckt; zum Schutz gegen das Wetter wurde bei Ruhe ein Zelt ausgespannt. Vorn und hinten hatten die Fahrzeuge eine Plattform für[33] die Kämpfer und die Wurfmaschinen, später die Kanonen; wie im Altertum waren sie mit einem Sporn, später mit einem weit vorspringenden Gallion versehen, das als Enterbrücke, aber auch wohl weiter zum Rammen diente. Die Takelage bestand aus zwei Masten mit großem Lateinsegel, später trat ein kleiner dritter hinzu (mezzana, daher wohl der englische mizzen-mast); die Fahrzeuge waren sehr wenig stabil. Gegen Ende des Mittelalters, namentlich auch infolge der Einführung der Artillerie, wurden auch vereinzelt größere Galeren gebaut, bei denen die Riemen von 5 Mann, ja sogar bis zu 8, bedient wurden, auch à zenzile mit 4 Riemen kamen vor; sie hatten 500–600 Mann Besatzung, führten etwa 3 schwere Geschütze (36- und 24-Pfünder) und 4 leichte (6-Pfünder) auf den Plattformen, besonders nach vorn, und nach und nach auch eine große Zahl leichter Geschütze an den Seiten, die zwischen den Riemen durch Pforten feuerten. Ihre Takelage ist nur als Hilfsmotor anzusehen. Die Galeren waren wie die Kriegsschiffe im Altertum vorwiegend Ruderschiffe; unter Riemen liefen sie 3–4 Seemeilen, sie sollen aber 10–12 Stunden haben rudern können, ja bis zu 20 Stunden wird angegeben (ohne Ablösung? oder wurden dann die Riemen nicht voll besetzt?).

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Galere des XVI. Jahrhunderts.

Die Galeren blieben im Mittelmeer noch lange Zeit im Gebrauch, sie spielen aber auch in den Kämpfen der ersten Periode der neueren Zeit eine Rolle im Atlantik und Kanal, obgleich sie sich stets in der Nähe der Küste halten mußten. Hier waren es zunächst von den italienischen Städten gemietete, aber auch die Franzosen und selbst die Engländer bauten sie nach. Erstere hatten vom Ende des 15. Jahrh. bis 1749 im Mittelmeer eine Galerenflotte mit eigener Organisation, Etat und Offizierskorps. Die erwähnten, vollständiger armierten Galeren gehören diesen späteren Zeiten[18] an, die[34] Armierung im Mittelalter entsprach natürlich der der anderen Schiffe dieser Zeit. Die Galeasse, die sich aus der Galere entwickelte, behandle ich im nächsten Abschnitt.

Über den Stand der Segelschiffe, Kauffahrer, im Mittelmeer Anfang des Mittelalters sind Angaben nicht vorhanden. Da Byzanz während der Völkerwanderung den Seehandel aufrecht erhielt, ist anzunehmen, daß das über die Segelschiffe im Altertum Gesagte auch für diese Zeit zunächst noch Gültigkeit hat. Verbesserungen mögen eingetreten sein, so die Einführung der lateinischen Segel. Wesentliche Fortschritte scheinen erst gemacht zu sein, als man mit dem Norden mehr in Verbindung trat. Jedenfalls haben die Nordvölker einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Segelschiffahrt gehabt, waren sie doch durch Wetter- und Seeverhältnisse ihrer Gewässer mehr auf diese hingewiesen; bei ihnen ist eine vorwiegende Ruderschiffsperiode nur sehr kurz gewesen. Die Segelschiffe von 1300 an sollen deshalb später gemeinschaftlich betrachtet werden.

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Wikingerschiff etwa 1000 n. Chr.

Die Schiffe im Norden bis 1300. Von den ältesten Fahrzeugen des Nordens haben wir durch Ausgrabungen einige Originale erhalten, so das 1863 in Nydam ausgegrabene Boot, das sich im Vaterländischen Museum zu Kiel befindet (Abbildung in Arenhold). Es wird als aus dem 3. Jahrh. n. Chr. stammend angenommen, ist 22,5 m lang, 3,2 m breit, 1,2 m hoch und führt 30 Riemen. Fast dieselben Größenverhältnisse hat ein am Sandfjord gefundenes[35] Boot aus der Zeit etwa 900 n. Chr. stammend (Abbildung in Clowes I). Jenes hat sehr elegante Formen und ist nicht zum Segeln eingerichtet, dieses ist merklich breiter und hat einen Mast mit Raasegel. Übereinstimmend mit anderen Überlieferungen geben uns diese Boote einen Begriff von den Fahrzeugen, auf denen die Normannen (Wikinger) ihre Raub- und Eroberungszüge bis zum 11. Jahrh. unternommen haben. Sie benutzten die Riemen zum Ein- und Auslaufen sowie im Kampf, der Mast wurde dann niedergelegt. Die Fahrzeuge waren ungedeckt, hatten aber vorn und hinten ein Halbdeck für Aufstellung der Krieger im Gefecht, die Reeling wurde durch die dort aufgehängten Schilde erhöht und verstärkt. Ihre Besatzung betrug 50–100 Mann; größer waren sie nicht, ein Beweis dafür dürfte sein, daß Wilhelm der Eroberer 60000 Mann auf 700–1400 Fahrzeugen — soweit schwanken die Angaben — nach England hinüberführte.

Ähnlich bleiben die Schiffe des 12. und 13. Jahrh. Durch ihren spitzen Bau vorn und hinten zeigen sie immer noch ihren Ursprung aus Ruderbooten an, noch sind sie auf den Gebrauch von Riemen angewiesen, sobald es auf sicheres Manövrieren ankommt. Jedoch werden auch schon größere Schiffe gebaut, plumper und nun wohl schon ganz gedeckt und, wenn sie vorzugsweise zum Kampf bestimmt sind, mit Plattformen auf Pfählen für Kämpfer und Wurfmaschinen versehen; diese Gerüste wurden um 1300 zu festen Kastellen, die gleichzeitig der Besatzung als Unterkunftsräume dienten.

Dieser Art waren die 9 „größeren Schiffe“, die neben etwa 200 anderen in Richard Löwenherz' Kreuzfahrerflotte genannt werden. Sie hatten eine Besatzung von 1 Kapitän, 14 Seeleuten, 40 Rittern mit ihren Pferden, 14 Dienern, 40 Fußknechten und konnten für längere Zeit Proviant nehmen.

Auch die Takelage wurde verstärkt, der Mast war nicht mehr zum Niederlegen, sondern trug feste Mastkörbe zur Aufnahme von Schützen; die Zahl der Riemen wurde nicht vermehrt. Im Norden blieb noch länger nur ein Mast mit einem oder mehreren viereckigen Segeln in Gebrauch, während im Mittelmeer um diese Zeit schon zwei Masten mit lateinischen Segeln vorkommen, von denen der vordere sehr weit vorn stand und starken Fall nach vorn hatte.

Diese größeren Schiffe, wie sie der auf Seite 36 abgebildete Kreuzfahrer zeigt, müssen wir wohl als den Typ der Hochseeschiffe betrachten, auf dem sich die Entwicklung des Segelschiffes im Norden weiter aufbaut; ihre Größe war um die Mitte des 13. Jahrh. auf 80 tons, gegen das Ende vereinzelt schon bis zu 200 tons gewachsen. Neben diesem Typ gab es verschiedene andere für kleinere Fahrzeuge der Küstenfahrt und Fischerei u. s. w., und muß besonders erwähnt werden, daß auch im Norden die wenigen Schiffe, die die Staaten ausschließlich für ihre Zwecke — Kriegsdienst, vor allem aber Zolldienst, Seepolizei, Hafenverteidigung — bauten und hielten, vorwiegend noch Ruderfahrzeuge waren. Dementsprechend waren sie länger im Verhältnis zur Breite als die großen Segelschiffe und stärker bemannt; auch Richards Kreuzfahrerflotte enthielt 50 solcher galleys (Galeren?).

[36]

Die Entwicklung der Segelschiffe von 1300–1500. Eine Trennung der Schiffe in Kriegs- und Handelsschiffe erscheint in dieser Zeit nicht mehr am Platze. Die Staaten des Altertums, die Städte und Staaten des Mittelalters am Mittelmeer unterhielten große stehende Flotten von Ruderkriegsschiffen. Größere stehende Flotten von Segelkriegsschiffen werden in den jetzt aufblühenden Staaten des Westens und Nordens erst langsam im Laufe der nächsten Periode geschaffen. Zu Kriegszwecken griff man hier hauptsächlich auf Kauffahrer zurück, die man aushob, kaufte oder mietete. Wenn nötig, wurden sie dazu hergerichtet, indem man sie verstärkte, Kastelle aufbaute, sie stärker armierte. Der eigens für den Krieg gebauten Segelschiffe waren nur wenige und sie unterschieden sich zunächst kaum von den Handelsschiffen, da auch diese, wenigstens die größeren, zum eigenen Schutz stets armiert waren. Die Schiffe des Staates für sonstige Hoheitszwecke waren auch nach 1300 noch lange vorwiegend Ruderfahrzeuge. Zeitweilig wächst die Zahl der Kriegsschiffe in einzelnen Staaten, aber immer geht sie bald wieder zurück. So ist denn vorläufig die Entwicklung der Segelkriegsschiffe die gleiche wie die der Kauffahrteischiffe, erst im Laufe der nächsten Periode geht sie einen andern Weg.

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Englisches Fahrzeug um etwa 1190 (Kreuzfahrer).

Bedeutendere Fortschritte machte der Segelschiffbau von 1300 an aus den S. 27 u. 34 angeführten Gründen. Eine große Errungenschaft war zunächst die Erfindung des festen Ruders mit der Pinne am Achtersteven etwa um 1300.[37] Mit den alten Steuerriemen an der Seite des Schiffes hinten war das Steuern eines von den Segeln gepreßten Schiffes bei einigermaßen bewegter See nicht möglich, erst mit dem neuen Ruder konnte an eine Vergrößerung der Takelage gegangen werden. Die neue Rudereinrichtung hat sich sehr schnell allgemein eingeführt, schon um 1356 war sie auf allen größeren englischen Schiffen im Gebrauch. Nun werden zwei Masten mit viereckigen Raasegeln und einem Toppsegel gebräuchlich; bald schon kommen drei Masten vor, am hintersten Mast ein lateinisches Segel, um das Schiff besser am Winde zu halten. Es ist dies der Vorläufer des Besan; das Bugspriet führt noch keine Segel, es dient nur zur Stütze des weit nach vorn stehenden Fockmastes. Die Schiffe werden höher und seefähiger, die Kastelle wachsen; die Mitte des Schiffes blieb niedrig, solange man noch nicht ganz vom Gebrauch der Riemen absehen konnte. Auf den Kastellen standen kleine Wurfmaschinen, mittschiffs schwerere. Das gebräuchlichste Hochseeschiff im Norden war die Kogge, als Beispiel ist eine Hansa-Kogge von 1380 hier abgebildet: ca. 250 tons, 50 Seeleute, 100 Bewaffnete, 20 Pferde.

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Hansa-Kogge um etwa 1380.

Um die Mitte des 14. Jahrh. werden im Mittelmeer die ersten leichten Geschütze an Bord eingeführt. Ende des Jahrhunderts auch im Norden. Im 15. Jahrh. nimmt mit ihrer Vervollkommnung die Verwendung der[38] Artillerie zu, allerdings zunächst hauptsächlich nur an Anzahl der leichten Geschütze. Die Schiffe werden nun größer und tragfähiger, sie werden vorn und hinten rund. Die Kastelle, bisher turmähnlich, werden länger und reichen vom Heck bis zum Großmast, vom Bug bis zum Fockmast, das vordere ragt weit über den Vorsteven hinaus, sie erhalten Etagen mit Geschützpforten: alles, um die Artillerie vermehren zu können, besonders in der Breitseite.

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Holländische Kogge, 15. Jahrh., 600 tons, 300 Mann.

Die Takelage wird weiter vervollständigt durch Stängen mit kleinen Marssegeln, der dritte Mast wird allgemeiner. Aber der Ausbau der Kastelle, ihre Höhe besonders, beeinträchtigte sehr die Segel- und Seefähigkeit; die Schiffe trieben stark vor ihnen. Wegen des hervorragenden Vorderkastells und des so weit vorn stehenden Fockmastes waren sie schlecht am Winde zu halten, man findet deshalb nun oft 4 Masten, an den beiden letzten Lateinsegel. 400–700 tons dürfte die Größe der großen Schiffe Ende des 15. Jahrh. gewesen sein. Die Namen dieses Typs der großen Seeschiffe waren, allgemein gesagt: im Norden „Kogge“ (engl. Cog), später bald „Schiff“ (Ship), in Spanien und Portugal „Galeon“ (auch Gallion), in Venedig und Genua „Karrak“. Vereinzelt kommen schon Fahrzeuge bis zu 1000 tons vor; Spanien (vorläufig[39] Kastilien) und Portugal gingen hierin voran, doch müssen wir solche besser zur nächsten Periode rechnen.

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Karavelle des 15. Jahrhunderts.

Segel- und Seefähigkeit der größeren, stark armierten Schiffe war sehr gering. Portugiesen und Spanier benutzten zu ihren ersten Entdeckungsreisen nicht einmal Fahrzeuge der sonst schon allgemeiner gebräuchlichen Größen sondern kleinere. Die „Karavellen“ des Kolumbus waren Fahrzeuge von 120–130 tons, 80–90' lang, 50 Mann, 3 oder 4 Masten, nur der Fockmast mit Raaen.

Kolumbus rühmt sie als gute Segler, auch beim Winde, als handliche und bequeme Seeschiffe.

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Galeon des 15. Jahrhunderts.

Die vorzugsweise leichten Geschütze — noch 1514 führte der „Great Harry“, wenn man von den schweren Geschützen seiner zweiten Batterie absieht, nur 8 Geschütze über 3-Pfünder bei einer ungeheueren Zahl leichterer — waren also mit ihrer Vermehrung auf dem Deck, besonders aber in den Etagen der verlängerten Kastelle aufgestellt und zwar so, daß man nach vorn, nach hinten, nach den Seiten und gegen Entern über das Mittschiffsdeck feuern konnte; diese Verteilung ist gut zu ersehen aus der auf Seite 97 wiedergegebenen Abbildung des ebengenannten Schiffes. Noch im Mittelalter begann man aber, die Schiffe mit schwereren Geschützen zu armieren, scheinbar besonders in den südlichen Ländern. Diese fanden jetzt Aufstellung auf dem Hauptdeck des Schiffes, zuerst vorn und hinten, dann nach den Seiten, ja bald brachte man sie auch im Schiffsrumpf unter und feuerte durch Pforten in der Schiffswand. Wie durch die Verlängerung der Kastelle, so wird auch hierdurch die Kraft der Artillerie immer[40] mehr in die Breitseiten verlegt, die neue Waffe wird durch ihre Vermehrung und Verstärkung mehr und mehr zur Hauptwaffe: zwei Punkte, die für den nächsten Zeitabschnitt kennzeichnend sind. Schiffe der neueren Art waren im Mittelalter noch sehr selten, im Norden kamen sie kaum vor; der Beginn der Fortbildung in dieser Hinsicht (vergl. Abschnitt II „Schiffe“) fällt aber schon an das Ende des 15. Jahrh. Die Abbildung auf S. 39 zeigt eine Galeon um die Wende des Jahrhunderts.

Wie auf die Belebung der Seefahrt überhaupt, so haben die italienischen Städte auch großen Einfluß auf die Entwicklung des Schiffbaues gehabt. Schon die christlichen Königreiche Spaniens zogen Genuesen und Venetianer zur Anlage von Werften heran, als sie im 12. Jahrh. anfingen, Schiffe für den Seehandel und seinen Schutz zu bauen, ebenso waren solche die Lehrmeister der Portugiesen, als diese im 14. Jahrh. zur See gingen. Die Schiffe der italienischen Städte werden auch als Muster zur Vervollkommnung der größeren Seeschiffe im Norden gedient haben, als sie von 1300 an häufiger in diesen Gewässern erschienen. Lange noch galten ihre Schiffe als besonders gut und wurden häufig nach dem Norden vermietet oder verkauft. Zu Ende des Mittelalters hatten die Niederländer im Norden einen hohen Ruf im Schiffbau errungen, ihre Schiffe und ihr Schiffbaupersonal waren jetzt gesucht, besonders in Schweden und Frankreich in der nächsten Periode, als in diesen Ländern das Seewesen staatlich begünstigt wurde.

Von staatlichen Werften hören wir im Mittelalter wenig; dies erklärt sich daher, daß keine Kriegsmarinen von Bedeutung bestanden. Wo größere stehende Ruderschiffsflotten vorhanden waren, also in erster Linie wieder in den italienischen Städten, hatte man natürlich auch Werftanlagen für diese, wie wir sie für das Altertum erwähnten: künstliche Häfen mit eingeteilten Liegebassins (nasse Docks), Vorrichtungen zum Trockenlegen der Schiffe, Arsenale für die Ausrüstung. Ähnliches wird auch in den anderen Staaten für die wenigen Regierungsschiffe vorhanden gewesen sein. So wissen wir von England, daß hier schon etwa um 1300 nasse Docks, schützende Schuppen und Ausrüstungshäuser für die königlichen Galleys in Portsmouth, Rye, Winchelsea, Storeham bestanden. Von eigentlichen Kriegswerften ist aber auch mit dem zunehmenden Gebrauch größerer Segelschiffe noch nicht die Rede, der Bau der staatlichen Schiffe blieb wohl fast ganz in Privathänden; überall werden nur Arsenale für Geschütze, Ausrüstungs- und Kriegsmaterial erwähnt, so in Portugal das Arsenal Heinrich des Seefahrers in Sagres, in England seit Heinrich VIII. die Arsenale in Woolwich und Deptford an der Themse, in Portsmouth, in Frankreich dort, wo die Küstenadmirale ihren Sitz hatten, und ähnlich in Holland; Kriegswerften erscheinen erst im nächsten Zeitabschnitt.

Waffen. Im Mittelalter finden wir, auch im Norden, sobald hier die erste Zeit des Kampfes nur mit Handwaffen überstanden war, überall die Waffen des Altertums wieder. Kleinere und größere Wurfmaschinen, größere Armbrüste, die sämtlich brennende Pfeile, Lanzen, Steine, eisenbeschlagene Pfähle und Wurfdraggen schleudern, sind auf den Kastellen, die schwereren Maschinen bei Segelschiffen auch mittschiffs, aufgestellt; Stinktöpfe und Gefäße mit ungelöschtem Kalk werden, besonders aus den Mastkörben, auf das feindliche Deck geworfen. Manche der Wurfmaschinen scheinen[41] durch die Kreuzzüge nach dem Norden gekommen zu sein, wie denn auch erwähnt wird, daß die Schiffe von Richard Löwenherz das berühmte griechische Feuer[19] verwendet hätten. Die Bewaffnung der Kriegsleute war wie am Lande. Ritter und Knappen, durch Helm, Harnisch und Schild geschützt, führten Schwerter, Lanzen und Äxte, die Leichtbewaffneten Armbrüste, Hand- und Fußbogen. Berühmt waren die venetianischen und genuesischen Armbrustschützen, oft von anderen Ländern (Frankreich) gemietet, sowie die englischen Bogenschützen, die jenen noch überlegen gewesen sein sollen.

Die seit etwa 1325 im Landkriege verwendeten Pulvergeschütze wurden auch bald auf den Schiffen in Gebrauch genommen. Sie finden zuerst Erwähnung im Westmittelmeer, 1333 in einem Gefechte des Bey von Tunis gegen spanische Mauren, und bei den italienischen Städten, bald darauf auch bei den Hanseaten. Für England sind 1338 einige wenige Schiffe mit 2 bis 3 Geschützen, für Holland die ersten um 1396 angeführt. Die ersten schwereren Geschütze am Lande waren Mörser, dann etwas verlängert Bombarden, die mit geringer Ladung Steinkugeln bis zu 100 Pfund warfen. Lange Feuerwaffen waren zunächst nur kleineren Kalibers, eigentlich unbehilfliche Handfeuerwaffen von 1–2 Mann zu bedienen. Beide Arten wurden anfangs aus der Länge nach zusammengeschweißten und dann umringten Eisenstäben hergestellt, sie wurden von hinten geladen und durch Keile oder eine Ladebüchse, ein besonderes Verschlußstück, geschlossen. Um 1400 kam der Guß der Rohre aus Bronze auf, und die Stabeisengeschütze wichen mehr und mehr den später auch aus Eisen gegossenen. Nun konnte man den hinteren Abschluß des Rohres mit dem vorderen Teil in einem Gusse herstellen, infolgedessen die Ladung verstärken, und es entwickelten sich die längeren Geschütze auch schwereren Kalibers, die Kanonen. Bei leichteren Geschützen blieb die Hinterladung noch länger im Gebrauch, oft waren dann zur schnelleren Bedienung zwei Bodenverschlußstücke mit Ladekammer vorhanden.

Während des 14. Jahrh. machte die Einführung der Artillerie an Bord nur sehr geringe Fortschritte; 1421 hatten englische Schiffe von 400 bis 700 tons nur 3–6, kleinere nur 2 Geschütze, und wenn auch von der Mitte des 15. Jahrh. an überall häufiger solche — von Bronze und Eisen, mit Stein, Blei- und Eisengeschossen — erwähnt werden, sowie auch Handfeuerwaffen, so hatten doch die neuen Waffen die alten noch nicht verdrängt. Pulvergeschütze und Wurfmaschinen stehen nebeneinander auf den Schiffen, Handfeuerwaffen und Bogen werden gleichmäßig gebraucht. Die alten Waffen waren noch lange, bis ins 16. Jahrh. hinein, an Schußweite und Treffähigkeit überlegen; Geschütze, Lafetten und Pulver waren noch mangelhaft.

Wie gering die Bedeutung der Artillerie noch im Anfange des 15. Jahrh. war, kann man daraus ersehen, daß um diese Zeit zuweilen besonders hervorgehoben wird, es seien[42] in einem Gefecht auch Kanonen verwendet; sowie auch daraus, daß bei der Schlacht von Harfleur 1416 alle Waffen erwähnt werden, nur diese nicht, obgleich einige englische Schiffe dabei sicher Geschütze führten und vor allem die beteiligten genuesischen Karraks; von diesen wird nur gesagt, daß sie durch ihre Höhe im Gefecht Bord an Bord im Vorteil gewesen seien.

Immerhin aber nahm die Verwendung der Artillerie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. bedeutend zu; wir haben gehört, daß zu Ende des Mittelalters erbaute Schiffe eine große Zahl leichter Geschütze führten, und daß auch schon schwerere an Bord genommen wurden. Da aber die Artillerie eigentlich erst eine Waffe des nächsten Zeitabschnittes ist, so soll erst von dort ab näher auf sie eingegangen werden.

Ebenso verhält es sich mit einer Spezialwaffe, den Brandern. Auch diese werden schon im Mittelalter vereinzelt verwendet, so z. B. 1304 in einem Gefecht zwischen Franzosen und Flamändern gegen festgelaufene Schiffe, doch scheinen sie noch wenig Erfolg gehabt zu haben; ihre Blüte fällt gar erst in die Zeit unseres Abschnitts III.

Die Seekriege.[20] Daß im Mittelalter keine Seekriege von großer Bedeutung vorkommen, ist erklärlich. Das Seewesen im Mittelmeer war durch die Völkerwanderung größtenteils vernichtet, es konnte sich erst wieder heben, als die Völker zur Ruhe und wieder zu einer gewissen Kultur kamen; im Norden Europas wurde es jetzt erst geboren. Seemächte im eigentlichen Sinne gab es nicht. Die Kriegführung zur See beschränkte sich auf allerdings oft ganz bedeutende Eroberungszüge über See, sowie auf Raubzüge; später, als der Handel wieder eine größere Rolle spielte, wurde sie auch ein Mittel, um durch Störung der Schiffahrt und durch Brandschatzung von Küstenstädten dem Feinde Abbruch zu tun oder um für erlittene Unbill Repressalien zu nehmen. Auch hierbei kam es zu Kämpfen zur See, ja großen Seeschlachten, aber über ihren Verlauf bieten die Quellen selten genaueres.

Im Mittelmeer[21] fand die oströmische Flotte, die die Völkerwanderung überdauert hatte, im 5. und 6. Jahrh. Verwendung bei den großen Expeditionen gegen Vandalen und Goten in Italien und Afrika, die zu ihren Eroberungen ebenfalls Flotten geschaffen hatten; sie wirkte mit zur Abwehr der Barbaren im Osten und vor allem später gegen Araber und Türken, als diese auf den Inseln und längs der Küste sich ausbreiteten; sie mußte endlich auch den nach Osten vordringenden Normannen und den aufblühenden Seemächten Venedig und Genua entgegentreten. Während der Kreuzzüge und der Kämpfe der Türken gegen das oströmische Reich hatte sich Venedig eines großen Teils Griechenlands und der griechischen Inseln bemächtigt.[43] Mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1452 ging das oströmische Reich zu Ende.

Seestreitkräfte, besonders Fahrzeuge der italienischen Städte, aber auch französische und selbst nordische — englische und hanseatische — spielten eine Rolle während der Kreuzzüge durch Überführung der Heere, durch Unterstützung der Belagerungen von Küstenstädten und durch Abwehr sarazenischer Flotten.

Als die wichtigsten Seekriege im Mittelmeer sind die Kämpfe der italienischen Städte unter sich — besonders Genuas gegen Pisa; Venedigs gegen Genua — im 12., 13. und 14. Jahrh. anzusehen, weil sie vorwiegend zur See und um die Vormacht auf der See ausgefochten wurden; sodann später die Kämpfe Venedigs mit den Türken um ihre Besitzungen im Osten, die noch in dem nächsten Zeitabschnitt, in den die Glanzzeit der türkischen Seemacht fällt, weitergeführt werden, ferner Kriege Genuas gegen die Mauren in Spanien, gegen die Raubstaaten in Afrika und gegen Aragonien.

Schließlich sind noch die Staaten auf der Pyrenäischen Halbinsel zu erwähnen. Als sich im 10. Jahrh. der Seehandel des Kalifats von Cordova entwickelte, wurde dort eine Kriegsflotte nötig, um ihn gegen die Seeräuber, die das Mittelmeer von Sardinien, Sizilien und der Nordküste Afrikas aus unsicher machten, zu schützen. Etwa zwei Jahrhunderte später entstanden aus demselben Grunde Flotten in den christlichen Reichen Kastilien und Aragonien, die Verwendung fanden in den Kämpfen der christlichen Staaten untereinander und mit den Mauren, bei der Eroberung der Balearen, Sardiniens und Siziliens durch das Königreich Aragonien, in Fehden mit den italienischen Städten und mit den Franzosen, von Kastilien aus sogar im Atlantik im Kampfe mit England als Nachbar der englischen Besitzungen in Frankreich. Auch Portugal bedurfte der Seestreitkräfte gegen die Ungläubigen.

Alle Kriegsschiffe im Mittelmeer waren Ruderschiffe, nur Portugal und die baskischen Provinzen Kastiliens verwandten, weil am Ozean gelegen, schon einige Segelschiffe; größere stehende Kriegsflotten besaßen eigentlich nur die Genuesen und Venetianer.

Im Norden Europas kann zunächst von einer Kriegführung zur See nicht die Rede sein. In die frühesten Zeiten vom 9. bis 11. Jahrh. fallen die Raub- und Eroberungszüge der Skandinavier, besonders von Dänemark und Norwegen ausgehend, nach allen Küsten der Ost- und Nordsee, nach England und Frankreich, nach Spanien und Portugal und bis ins Mittelmeer. Diese Volksflotten fanden im Norden nirgends nennenswerte gegnerische Seestreitkräfte vor, bis die Hansa sich des Handels im Norden bemächtigte, und in ihr ihnen ein überlegener Gegner erwuchs. Erst mit dem allmählichen Erstarken der nordischen Reiche war die Hansa gezwungen, um ihre wirtschaftliche Herrschaft zu kämpfen. Nur durch blutige Fehden zur See und über See, besonders gegen Dänemark, konnte sie diese behaupten; durch geschickte Einmischung in die inneren Kämpfe der Völker, hauptsächlich durch Unterstützung Schwedens gegen den Plan einer skandinavischen[44] Union unter Dänemarks Führung, errang sie sogar eine politisch leitende bedeutende Stellung im Norden; diese Zeit der aufreibenden Kämpfe der beiden nordischen Nationen um die Aufrechterhaltung der Union, an denen sich auch schon niederländische Städte, anfangs auf seiten der Hansen, später auf der der nordischen Herrscher beteiligten, war die Periode der höchsten Blüte der Hansa. Über stehende Flotten geboten aber weder die nordischen Reiche noch die Hansa. Für besondere Gelegenheiten wurden die Streitkräfte erst aufgebracht, und so haben auch diese Kriege mehr den Charakter von Expeditionen, Überrumpelungen, Brandschatzungen und Repressalien.[22]

In der Geschichte Englands und Frankreichs wird der Seekrieg von Bedeutung in den Kriegen zwischen beiden Nationen um die Besitzungen Englands auf dem Festlande während des 13., 14. und 15. Jahrh. Die dänische Invasion vorher, der Alfred der Große durch eine bedeutende, aber bald wieder verfallende Flotte ein Ende machte, und die Eroberung Englands durch die Normannen sind gleichfalls unter die Eroberungszüge der Skandinavier zu rechnen. In diesen Kriegen, mit kürzeren oder längeren Pausen und wechselnden Erfolgen fast drei Jahrhunderte hindurch geführt, finden wir eine fortlaufende Reihe von Expeditionen über See. In erster Linie gehen diese natürlich von England aus, aber auch die Franzosen unternehmen oft größere Einfälle an der englischen Küste; der kleine Krieg, Brandschatzungen an den Küsten und Wegnahme von Schiffen, läuft durch die ganze Zeit; von 1243 an sind auch die ersten Freibriefe an einzelne Schiffe zur Schädigung des Feindes zu Wasser und zu Lande bekannt. Die Kriegsführung zur See ist des öfteren von großem Einfluß auf den Verlauf der Kriege. Es zeigt sich hier schon früh, daß große Ziele über See nur erreicht werden können, wenn man die See beherrscht, die feindlichen Seestreitkräfte vernichtet oder völlig lahm gelegt hat: französische Expeditionen scheitern oder werden im Keime erstickt, wenn englische Flotten, oft nur verhältnismäßig kleine, ihnen entgegentreten; der englische Krieg auf dem Festlande erlahmt infolge unsicherer Verbindung mit der Heimat, sobald die französischen Seestreitkräfte die mächtigeren sind.

Einige hervorragende Beispiele[23] aus dem 13. Jahrh. seien angeführt: 1212 sammelte Philipp II. in der Seine eine große Flotte von 1700 Segeln und führte sie nach Damme in Flandern, um von dort eine Exekutionsarmee gegen den vom Papst in den Bann getanen Johann nach England überzusetzen. Eine englische Flotte von nur 500 Segeln überraschte[45] sie im Hafen und auf der Rhede, zum Teil von Mannschaften entblößt, vor Anker liegend und tat ihr solchen Abbruch, daß Philipp II. sein Unternehmen aufgeben mußte. 1216 dagegen, als Johann, mit seinen großen Vasallen im Streit, über keine Schiffe gebot, gelingt es den Franzosen, mit 700 Fahrzeugen ein Heer zur Unterstützung der Empörer und zur Einsetzung des von ihnen herbeigerufenen Prinzen Louis von Frankreich überzuführen; wiederum aber wird 1217 ein Transport von 180 Schiffen, der nach einer Niederlage der Barone und der Franzosen (bei Lincoln, nach Johanns Tode) Verstärkungen nach England bringen soll, von nur 40 englischen Schiffen unter Hubert de Burgh bei South-Foreland vollständig vernichtet. Dieses erste große Gefecht auf offener See, auch sonst in Hinsicht auf Taktik und Kampfweise bemerkenswert, zwang den Prinzen Louis zum Rückzug aus England und führte zu einem für England günstigen Frieden.

In den weiteren Kriegen Heinrichs III. und Eduards I. 1217–1307 gegen Frankreich finden wir keine so wichtigen Ereignisse. Die Seestreitkräfte wurden nur in dem allgemein gekennzeichneten Sinne verwendet; gegen Ende genannter Zeit und unter Eduard II. war England vorwiegend mit Schottland und Irland beschäftigt. Einige Begebenheiten seien aber angeführt, da sie einen Blick in die eigentümlichen damaligen Verhältnisse auf der See geben. Die Cinque-Ports Englands, der Hauptrückhalt der Krone in Beziehung auf Seestreitkräfte, trieben zur Zeit der Kämpfe der Barone gegen den König offene Piraterie und führten Privatkriege in Handelsinteressen gegen andere Nationen, auch wenn sonst Friede war; im Jahre 1275 herrschte sogar ein Freibeuterkrieg zwischen ihnen und den Bayonnesen, obgleich diese auch Untertanen Englands waren. Infolge eines Privatstreites englischer Seeleute in einem Hafen der Normandie wurde im Jahre 1293 in der Mitte des Kanals eine Seeschlacht geschlagen, in der 60 englische Schiffe — teilweise in Holland und Irland geworben — unter dem Gouverneur von Nottingham-Castle 240 normannische, französische, flämische und genuesische Schiffe unter dem Grafen von Valois, Bruder des Königs von Frankreich, völlig besiegten und reiche Beute machten. Die Folgen dieses Ereignisses, Verhandlungen und Repressalien, führten zu einem neuen Kriege.

Seeraub und völlige Nichtachtung fremden Eigentums auf See war überhaupt bei fast allen Küstenvölkern gebräuchlich; man liest von Seeräubern der Schotten und Iren, der Niederlande, der Bretagne, der Normandie und der Basken. Unterdrückung des Seeraubes war die Hauptaufgabe der wenigen Kriegsschiffe.

In den englisch-französischen Kriegen des 14. und 15. Jahrh.dem sog. Hundertjährigen Kriege — zeigt sich aufs neue der Einfluß der jeweilig überlegenen Seemacht. In der ersten Zeit seiner Regierung führte Eduard III., selbst ein Seemann, den Seekrieg energisch. Während vor und zu Beginn des Krieges (1339) die Franzosen zur See stark gewesen zu sein und den Engländern viel Schaden getan zu haben scheinen, hob Eduard 1340 eine große Flotte aus und versetzte den Feinden einen schweren Schlag. Frankreich hatte im Hafen von Sluys, jetzt einer holländischen Binnenstadt, nach den niedrigsten Angaben eine Macht von 190 Segeln, deren Kern eine größere Abteilung genuesischer Galeren bildete, und 35 000 Mann versammelt. Der Platz war als geeignet gewählt, um dem in Flandern stehenden englischen Heere die rückwärtigen Verbindungen abzuschneiden und auch um einen Einfall nach England zu unternehmen.[46] Eduard griff diese Flotte mit 250 Fahrzeugen aller Größen am 24. Juni 1340 an und vernichtete sie. Ein kurzer Friede war die unmittelbare Folge, aber wichtiger noch war das durch den Sieg gewonnene Übergewicht zur See. Nun gelang es den Engländern, 1347 Calais zu erobern und sich hierdurch, sowie durch einen neuen Sieg im Kanal 1350 über die 40 große und reichbeladene Schiffe starke Flotte des kastilischen Freibeuters Don Carlos de la Cerda die Seeherrschaft wieder dauernd zu sichern. Ihr Besitz, das Zusammenwirken von See- und Landstreitkräften hat viel zu dem günstigen Verlauf des Krieges in Frankreich bis zum Jahre 1360 beigetragen.

Lehrreich ist, daß Eduard — ähnlich wie wir es im Altertum in Athen und in Rom fanden — erst den Widerstand des Parlaments überwinden muß, als er die Flotte zu großen Offensivunternehmungen, dem Angriff auf Calais, heranziehen will; das Parlament ist anfangs noch der Ansicht, diese sei nur zur Verteidigung der Küsten da.

Nach diesen Erfolgen vernachlässigte aber Eduard III. die Kriegführung zur See, und die Folge davon war, daß sich schon 1360 die Franzosen wieder regten und die englische Küste brandschatzten.

Laird Clowes sagt darüber, dem Sinne nach: der Krieg von 1359–1360 zu Lande war nur eine Reihe von bei der Erschöpfung Frankreichs leicht errungenen Triumphen. Dies entsprach dem hitzigen Charakter Eduards mehr, als durch eine langsame, systematische Kriegführung auf dem Wasser, ohne große ruhmreiche Ereignisse, den Feind zur See weiter bis zur völligen Vernichtung niederzuwerfen. Trotz der Erkenntnis der Wichtigkeit der Seeherrschaft für England vernachlässigte er den Seekrieg und die Seestreitkräfte.

In den letzten Kriegen Eduards III. von 1369 an, wo Frankreich in Kastilien einen trefflichen Bundesgenossen zur See hat, zeigen sich dann weiter die Folgen dieses schweren Fehlers. Eine englische Flotte, die 1372 das belagerte La Rochelle entsetzen soll, wird dort von einer 40 Schiffe starken kastilischen Flotte vernichtet, und die Blockade der Stadt durch den inzwischen um 8 Galeren verstärkten Sieger beschleunigt ihren Fall. 1374 durfte eine nach Guyenne bestimmte Armee es nicht wagen, dorthin zu segeln, sondern war gezwungen, in Calais zu landen und einen verlustreichen Marsch durch Frankreich zu machen; so gingen denn auch bis 1374 fast alle englischen Besitzungen in Südfrankreich, außer Bordeaux und Bayonne, verloren.

Seit 1374 baute nun Frankreich auf Anregung Jeans de Vienne sogar zum ersten Male selbst eigens für den Krieg bestimmte Schiffe und erhielt dadurch ein Übergewicht, das sich während der lässig und ergebnislos geführten Kriege Richards II. besonders im kleinen Kriege im Kanal zeigte, wo Franzosen und Spanier die bei weitem größeren Erfolge aufzuweisen haben. Sie beherrschen soweit die See, daß es den Engländern oft nicht mehr möglich ist, Verstärkungen nur über den Kanal zu werfen. Während der Friedenszeit unter Heinrich IV. muß sogar die Verfügung erlassen werden, daß englische Schiffe nach Bordeaux nur in größeren Konvois segeln dürfen.

Noch einmal endlich spielt die englische Flotte unter dem tatkräftigen Heinrich V. (1413–1422) eine Rolle. Er geht im August 1415 mit[47] 1400 Fahrzeugen aller Größen nach Harfleur, belagert und nimmt es im September, wobei die gefechtsfähigen Schiffe durch Blockade und Aufrechterhaltung der Verbindung mit England mitwirken — am 25. Oktober wird die Schlacht von Agincourt geschlagen. Als die Franzosen 1416 ihrerseits Harfleur belagern, wird ihre Blockade-Flotte vor dem Hafen durch die englische vernichtet.

Von besonderem Interesse ist eine Expedition Heinrichs V. im Jahre 1417. Eine Transportflotte von 230 Schiffen war in Southampton versammelt, aber vor dem Absegeln sendet der König erst ein Geschwader aus, um ein auf See befindliches feindliches zu suchen und zu schlagen. Die Schlacht fand am 25. Juli statt (Ort des Zusammentreffens und Stärke der Gegner ist unbekannt). Die Engländer siegten, und sofort nach Eintreffen der Nachricht geht die Transportflotte am 29. Juli in See und landet wohlbehalten in Frankreich. Heinrich zeigt hierbei volles Verständnis für die Wichtigkeit der Seeherrschaft und für die Schwierigkeit eines größeren Einfalles in Feindesland, solange eine feindliche Flotte die See halten kann. Um sich nicht mit dem Transport einer Schlacht auszusetzen, in der dieser gefährdet und seine Streitkräfte behindert gewesen wären, läßt er sich vorher den Weg freimachen; Clowes bezeichnet (Tl. I, S. 380) diese Expedition als das erste derartige Unternehmen, das auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhe. Mit der neu errungenen Seeherrschaft stellten sich auch die Erfolge am Lande wieder ein.

Nach des Königs frühem Tode 1422 trat völliger Verfall der Seemacht Englands ein, 1423 wurden sogar alle königlichen Schiffe bis auf zwei verkauft. Die englischen Besitzungen in Frankreich gingen bis 1456 mit Ausnahme von Calais sämtlich verloren. Die Bürgerkriege der beiden Rosen taten das übrige; England war ohnmächtig zur See, Einfälle von allen Seiten gelangen. 1472 plünderte auch eine hanseatische Flotte die Küsten und erzwang den Städten weitgehende neue Vergünstigungen. Erst unter den Tudors sollte sich die englische Seemacht wieder heben.

Kampfweise und Taktik. Die Kampfweise der Ruderschiffe im Mittelmeer war naturgemäß dieselbe wie im Altertum. Mit dem Motor an den Seiten, den Kämpfern und Wurfmaschinen hauptsächlich auf Bug und Heck, der Bug selbst durch Sporn oder langes Entergallion armiert — also die Seiten offensiv und defensiv schwach, die Schiffsenden stark —, lag die Kampfrichtung in der Kielrichtung. Da die Fahrzeuge nicht auf der Höhe der attischen Triere standen und auch sonst mit ihrer Armierung und starken Besatzung mehr den Schiffen des Altertums zur römischen Zeit entsprachen, so war ihre Kampfweise mehr dieser gleich: Eröffnungsgefecht mit Fernwaffen; Versuch, beim Anlauf die feindlichen Riemen zu zerbrechen, baldiges Entern, Verwendung des Rammstoßes, wenn die Gelegenheit günstig. Auch die Einführung der Artillerie, während des Mittelalters ja nur in geringem Maße, änderte nichts an der Kampfweise; die wenigen Geschütze waren gleichfalls im Bug und Heck aufgestellt.

[48]

Eine Taktik für Schiffsverbände gab es nach Ansicht aller Schriftsteller noch nicht. Wir finden die vom Altertum überlieferten breiten Gefechtsformationen — Dwarslinie, Sichel, Halbmond — formal angewendet mit dem Bestreben, möglichst bald ins Gefecht und zur Mêlée zu kommen. Von Beispielen angewandter Taktik, wie sie das Altertum zeigt, eine vorzügliche Ausbildung der Schiffe zu benutzen, um an einer Stelle das Übergewicht zu erringen, oder im Gefecht eigene eigentümliche Waffen (z. B. besondere Schiffstypen) mit Vorteil zu verwenden, wird nirgends berichtet. Alte Erfahrungen scheinen verloren zu sein, der Sinn für Taktik geschlummert zu haben. Vielleicht ist der Grund darin zu suchen, daß den jeweilig starken Seemächten, erst den oströmischen Flotten, später denen der italienischen Städte, keine ebenbürtigen Gegner gegenüberstanden, oder auch darin, daß sich die Kriegführung mehr auf Expeditionen über See als auf Schlagen auf See erstreckte.

Im Norden standen Kampfweise und Taktik am niedrigsten; die Flotten des Mittelmeeres waren wenigstens stehende Marinen mit größerer Erfahrung der Führer und mit beweglicheren Schiffen. Noch lange brauchten die Schiffe des Nordens auch im Gefechte die Riemen, ohne aber den Galeren als Ruderschiffe gleichzukommen; die ersten Segelschiffe aber waren für eine entsprechende Kampfweise und Taktik noch zu unbeholfen und unhandlich. Ihre Kraft lag allein in ihrer Größe, ihrer Höhe — je höher, desto günstiger für den Enterkampf, offensiv wie defensiv —, ihrer starken Besatzung. Auch ihre Kampfrichtung lag in der Kielrichtung; man trachtete danach, so schnell wie möglich den Nahkampf mit Rammen, Indengrundsegeln und vor allem Entern herbeizuführen.

Die Flottentaktik bestand auch nur darin, die Streitkräfte, in drei oder vier Geschwader geteilt, nach Möglichkeit geordnet an den Feind zu bringen; das vierte diente als Reserve und Verstärkung. Dann suchte sich jedes Schiff seinen Gegner, gebrauchte Enterdraggen und Enterhaken, und das blutige Handgemenge, bei dem kein Pardon gegeben wurde, begann. Es ist also derselbe Gefechtsverlauf wie bei den Ruderschiffen, ja bei den unhandlicheren Fahrzeugen wird von einer Verwendung der Schiffe selbst als Waffe noch mehr abgesehen, sie bilden eigentlich nur den Kampfplatz.

De Jonge gibt (I, S. 17) nach dem Bericht eines Zeitgenossen über den Verlauf einer Schlacht auf der Maas im Jahre 1351 etwa folgende Schilderung: „Das Anstimmen des Kriegsgeschreis — bei den Holländern: Holland! Holland! — gab das Zeichen zum Beginn des Kampfes. Unter dem Kampfruf, dem Schmettern der Trompeten und dem Schall der Posaunen gingen die Schiffe aufeinander los. Nach Abschießen der Wurfmaschinen sucht jedes Schiff einen Gegner; die Armbrüste und Bogen spielen, Draggen und Enterhaken werden geworfen und so der Feind festgehalten. Von diesem Augenblick an hörte sozusagen der Kampf auf ein Schiffskampf zu sein; nun mußte Zahl und Tapferkeit der Besatzung im Kampfe Mann gegen Mann entscheiden. Das Schwirren der Armbrüste, das Klirren der Schwerter, das Aneinanderschlagen der Schilde, das Brechen der Lanzen, das Krachen der geschleuderten Steine und das Kriegsgeschrei der Streitenden war schrecklich.“ — Da kein Pardon gegeben wurde, so war der Verlust in den Schlachten weit größer als in den späteren Zeiten.

[49]

Aber einige lehrreiche Ereignisse überliefert uns die Geschichte doch. Zunächst eins, das den wichtigsten Einfluß der Segel auf die Kampfweise zur See zeigt, nämlich den Vorteil des Gegners, der „zu Luward“ steht — d. h. „über dem Winde“, der den Wind zuerst empfängt. Dieser hat Beginn und Entfernung des Gefechtes in der Hand, ein Vorteil, der bald erkannt werden mußte. Daß ein Flottenführer auf das Gewinnen der Luvstellung vor dem Gefechte manövriert, wird uns zum ersten Male bei der Schlacht von Southforeland 1217 berichtet. In dieser ersten Schlacht, die England auf offener See ausfocht, steuerte Hubert de Bourgh so, daß die Franzosen glaubten, er wolle den Kampf vermeiden. Als er aber den Wind gewonnen hatte, hielt er ab und griff mit seinen Ruder- und Segelschiffen vor raumem Winde zunächst die feindliche Nachhut an, wobei mehrere feindliche Schiffe gerammt und übersegelt wurden. Er benutzte also die Luvstellung zur Verstärkung seines Stoßes und zur Wahl des Angriffspunktes in der feindlichen Aufstellung.

In der großen Schlacht bei Sluys 1340 ereignete sich ähnliches. Die französische Flotte, die in und vor dem Hafen gelegen hatte, lichtete bei Annäherung der Engländer Anker und ging in See. Sie war in vier Geschwader formiert, die einzelnen Schiffe der Geschwader waren miteinander durch Ketten und Kabel verbunden, um nicht durchbrochen zu werden — ein Beweis, wie sehr die Schiffe als Kampfplatz und nicht als Waffe angesehen wurden. Als Eduard III. auf das Gewinnen der Luvstellung manövrierte, nahmen die Franzosen auch hier wieder an, er wolle das Gefecht vermeiden, warfen die Ketten los und folgten.

Eduard wirft sich nun von Luward aus auf die Vorhut des Feindes, die aus den stärksten Schiffen besteht, und vernichtet diese; auch das zweite und dritte Geschwader, die anstatt einzugreifen entmutigt fliehen, werden einzeln geschlagen, nur das Geschwader der genuesischen Galeren entkommt. Bemerkenswert ist bei dieser Schlacht eine zweite taktische Maßnahme Eduards. Er hatte in seine erste Schlachtlinie die schwersten Schiffe gestellt, abwechselnd bemannt mit einer großen Zahl Bogenschützen und mit Schwerbewaffneten; jene erschütterten den Feind durch ihr Feuer, diese schritten dann zum Entern. Die leichteren Schiffe mit Bogenschützen standen in einer zweiten Linie als Reserve und griffen ein, sobald der erste Anprall erfolgt war. Endlich sollen auch bei dieser Schlacht zum ersten Male im Norden Wurfgeschütze in großem Maßstabe verwendet sein, dagegen keine Ruderschiffe mit Sporn.

Der Angriff von Luward in derselben Weise, d. h. zum Stoß, wird von jetzt an öfter erwähnt. Es fehlen aber alle Andeutungen, daß der Wind sonst zu taktischen Zwecken ausgenützt sei oder daß die aufkommende Artillerie Einfluß auf Kampfweise und Taktik gehabt habe. Wie gering die Bedeutung dieser noch im 15. Jahrh. war, ist schon früher (S. 42, Bemerkung über die Schlacht bei Harfleur) gekennzeichnet; Artillerie und Segelmanöver gewannen erst Einfluß, als die Geschütze in den Breitseiten aufgestellt waren und die Schiffe größere Segel- und Manövrierfähigkeit besaßen.

[50]

Stärke, Zusammensetzung und Bemannung der Flotten. Es ist verschiedentlich hervorgehoben, daß es im Mittelalter stehende Flotten nur in den italienischen Städten und vielleicht in einzelnen anderen Staaten am Mittelmeer gab.

Diese Städte, insbesondere Genua und Venedig, bedurften solcher, da ihre Interessen vorwiegend und andauernd auf der See lagen. Sie hielten ständig eine Flotte von Galeren im Dienst. Um 1472, die Zeit der höchsten Blüte, besaß Venedig einen festen Bestand von 45 Galeren mit 11000 Mann (daneben 3300 Kauffahrer mit 25000 Matrosen), doch haben sowohl Venedig wie Genua zu großen Unternehmungen 100, ja bis zu 200 Galeren aufgestellt. Auch die wohl nur kleinen Flotten Aragoniens und Kastiliens im Mittelmeer setzten sich, was die wirklichen Kriegsschiffe anbetrifft, aus Galeren und einigen kleineren Schnellseglern zusammen.

Bei den Völkern des Westens und Nordens kann vorläufig von stehenden Marinen nicht die Rede sein. Die Hansa, die einzige Macht mit großem Interesse auf See, gebot über keine feste einheitliche Marine, sie konnte selbst ihren Städten rechtlich nicht die Gestellung von Seestreitkräften auferlegen; freiwillige Bündnisse scharten die zum Kampf geeigneten Schiffe der einzelnen Gemeinwesen im Bedarfsfalle zusammen. In den anderen Staaten verfügte man über einzelne staatliche Schiffe für gewisse Zwecke — Hafenschutz, Zoll- und Polizeidienst —, kaum aber in erster Linie für den Krieg. Zunächst waren es meist Ruderschiffe, aber auch als sich später die Segelschiffahrt von 1300 an mehr entwickelte, sind Kriegsschiffe nur in geringer Zahl vorhanden gewesen.

So hören wir in England zwar frühzeitig von „Kings“-Schiffen, zuerst galleys, die indessen auch an Private vermietet wurden, selbst „the Kings great ship“. Viele können es nicht gewesen sein, denn anderseits wurden wieder von den Städten Schiffe für den königlichen Dienst ausgehoben, und nicht nur für den Kriegsdienst, sondern auch für den Transport von Passagieren und Gütern. Für den Kriegsdienst war man nahezu ganz auf die Einstellung von Kauffahrern angewiesen; selbst schon zum Küstenschutz und gegen Seeraub brauchte man ihre Unterstützung. In erster Linie lag ihre Gestellung bei den Cinque Ports, den wichtigsten Häfen: Dover, Sandwich, Hythe, Romney, Hastings (später traten noch andere hinzu), die seit Wilhelm dem Eroberer gegen Bewilligung verschiedener Vorrechte verpflichtet waren, eine bestimmte Anzahl von Schiffen zu stellen (einige fünfzig). Bei Mehrbedarf wurden noch andere Fahrzeuge geheuert oder man legte Beschlag auf alle in den Häfen befindlichen, selbst fremde.

Die ungeheure Zahl von Fahrzeugen, aus denen die Flotten in den englisch-französischen Kriegen bisweilen bestanden, darf uns nicht verwundern. Wenn es sich um eine Expedition mit einer Armee über den Kanal oder um Abwehr eines solchen Einfalls handelte, wurden die Fahrzeuge bis zu 50 tons, ja selbst bis zu 20 tons hinunter, ausgehoben. Handelte es sich um eine Flotte zum Schlagen, so finden wir weit kleinere Zahlen (z. B. Engländer bei Southforeland 1217 und Kastilier bei La Rochelle 1372 nur 40 Schiffe); zu solchem Zweck waren eben nur größere Schiffe zu gebrauchen. Gewaltige[51] Flotten größerer Schiffe, aber immerhin doch weit kleiner als die erwähnten Expeditionsflotten, treten erst im 17. Jahrh. auf, als die Schiffahrt und damit der Bestand größerer Kauffahrer ungemein zugenommen hatte.

Wie gering die Zahl der königlichen Kriegsschiffe war, zeigt der kleine Bestand um 1421 (vergl. Clowes I., S. 347), als Heinrich V. großen Wert auf die Kriegführung zur See legte, nämlich: 17 ships, darunter nur 6 von 400–1000 tons; 7 Karraks von 500–600, Schiffe südlichen Ursprungs, dem Feinde abgenommen; 14 kleinere Fahrzeuge von 50–120 tons. Die 1416 vor Harfleur genommenen Karraks sollen als Muster beim Bau größerer Schiffe in England gedient haben. 1417 war nur etwa die Hälfte dieser Schiffe vorhanden gewesen und 1423 wurden nach Heinrichs Tode wieder alle bis auf zwei verkauft, so daß unter Heinrich VI. selbst die Aufrechterhaltung der Sicherheit an den Küsten und in den Küstengewässern kontraktlich an Private vergeben und dann wieder die Städte zu ihrer Unterstützung herangezogen werden mußten. Möglich, daß im 14. Jahrh. schon mehr Kriegsschiffe vorhanden gewesen waren, das Haus Lancaster hat im allgemeinen Seefahrt und Handel vernachlässigt. Erst unter den Yorks baute man wieder Kriegsschiffe, bis 1485 werden nach und nach 11 aufgeführt. Heinrich VII. übernahm (1485) 7 „große“Schiffe und baute selbst das erste epochemachende Schiff des Nordens „Regent“ (vergl. S. 97).

In Frankreich hört man bis 1374 gar nichts von königlichen Kriegsschiffen. Das Land war ja auch häufig ganz oder doch fast ganz von den Küsten abgeschnitten, so daß selbst die Aufstellung von Flotten aus Kauffahrern schwierig und beschränkt war. Zur Verstärkung mußte man Schiffe in Holland und Flandern heuern, und eine Hauptkraft bildeten vielfach genuesische Kriegsgaleren, im 15. Jahrh. auch Karraks. 1374 begann der Admiral Jean de Vienne in Rouen die ersten Kriegsschiffe zu bauen und trat schon 1377 mit 35 für damalige Zeit großen und wohl armierten auf. Diese erste königliche Marine hat jedoch keine Dauer gehabt, erst unter Richelieu wurde eine neue geschaffen.

Auch Portugal und Kastilien scheinen keine nennenswerte Zahl von Segelkriegsschiffen besessen zu haben. Die Schiffe Prinz Heinrichs des Seefahrers trieben, wie wir sahen, bei ihren Entdeckungsreisen Handel; die von den Engländern 1350 geschlagene Flotte de la Cerdas befand sich „reich beladen“ auf der Rückreise von Flandern; die vor La Rochelle 1372 mit Erfolg tätige kastilische Flotte war (vergl. du Sein II, S. 450) mit französischer Besatzung bemannt. Alle diese Schiffe waren also wohl geheuerte Kauffahrer.

Über die Bemannung der Schiffe im Mittelalter haben wir wenig genaue Angaben, einige sind bei der Besprechung der Schiffe angeführt. Wie es keine stehenden Marinen gab, so gab es auch kein Marinepersonal im Sinne der späteren Zeit. Die seemännische Führung und die Bedienung der Fahrzeuge lagen in der Hand des kleinen seemännischen Personals, das wohl meist mit den Schiffen geheuert oder ausgehoben wurde. Zum Kampf schifften sich Kriegsleute — Ritter, sonstige Schwerbewaffnete und Leichtbewaffnete,[52] besonders Bogenschützen — ein. Die Seeleute beteiligten sich wohl am Kampf, doch war es eben nicht ihre Hauptaufgabe. Nach Quellen aus verschiedenen Nationen dürften im Durchschnitt geführt haben:

Schiffe von 120 tons: 25 Seeleute, gesamt   75 Mann
200 50 150
250 60 200
300 80 250

In den Seeleuten waren inbegriffen: Der Schiffer, ein oder zwei Steuerleute und Zimmerleute, Matrosen und Schiffsjungen; Kriegsleute waren etwa doppelt so viel vorhanden. Mit dem Größerwerden der Schiffe wuchs die Besatzung nicht in demselben Verhältnis wie in vorstehender Tabelle weiter; ein Schiff von 600 tons hatte am Ende der Periode nur etwa 300 Mann. Wir werden sehen, daß die Besatzung relativ immer geringer wird, daß dagegen die Zahl der Seeleute mit Zunahme der Armierung mit Geschützen, und wohl auch infolge der Entwicklung der Takelage, absolut und im Verhältnis zur Gesamtbesatzung wächst.

Eingeschiffte Landungstruppen nahmen natürlich bei einem Zusammenstoß auf See am Kampfe teil, aber auch sonst findet man öfters eine beträchtliche Vermehrung der Kriegsleute an Bord, wenn eine Flotte zu einem Schlage auf See entsendet wird, wie z. B. auf der englischen, die 1416 zur Vernichtung der französischen Blockadeflotte vor Harfleur in See ging. Die Soldaten wurden wie zu den Landheeren ausgehoben oder geworben. Es ist anzunehmen, daß, da auch die Kauffahrer dieser Zeit zum eigenen Schutz meist mit Kriegern besetzt waren, sich unter den Soldaten der Schiffsbesatzung viele befanden, die gewerbsmäßig vorwiegend zur See dienten.

Die Schiffe standen unter dem militärischen Kommandanten, dem Kapitän; dem Schiffer fiel nur die seemännische Leitung zu. Den Befehl über mehrere Schiffe führten Admirale. Dieser Titel, aus dem Mittelmeer schon seit den Kreuzzügen übernommen und vom arabischen Amir oder Emir stammend, bezeichnet zunächst nur die Tätigkeit für bestimmte Gelegenheiten; auch Kauffahrteischiffe waren, wenn sie im Konvoi segelten, einem der Schiffsführer als Admiral unterstellt.

In England standen die Küsten und der Küstenschutz unter einem Admiral des Nordens und einem des Westens (seit 1300 mit diesem Titel, die Einrichtung ist älter; vorher werden derartige Stellungen Captain of the kings sailors oder keeper of the sea coast genannt), die Grenze der Machtbefugnisse beider war die Themse. Sie mobilisierten die Flotte ihres Bereichs und führten sie; doch wurden für besondere Zwecke auch andere Admirale bestellt, und zeitweise stand über ihnen ein Admiral von England. Seit 1406 war ein solcher stets vorhanden und wurde später Lordhighadmiral benannt, ihm unterstanden das ganze Seewesen und alle sonst zeitweis bestellten Admirale; die festen Küstenadmirale fielen weg. Auch in Frankreich finden wir stets einen Admiral von Frankreich und unter ihm solche für die verschiedenen Küstenbezirke.

Die Admiralstellungen bekleideten wie die Feldherrnstellungen der Landheere im Mittelalter im allgemeinen hochgestellte Edelleute. Es finden sich bei großen Flotten, entsprechend der Einteilung in Geschwader, schon die Funktionen der Vize- und Kontre-Admirale als Führer der Vorhut (rechter Flügel) und der Nachhut (linker Flügel); diese Stellungen wurden durch den Flottenchef mit den geeignetsten Kommandanten besetzt. Die Kommandanten der größeren Kriegsschiffe waren aber gleichfalls selten Seeleute von Beruf.

Fußnoten:

[16] Besonders benutzte Quellen: Oncken, Bd. IX. Zeitalter der Entdeckungen; Zimmermann, Bd. I; Nauticus, 1900 und 1901: Clowes, Tl. I.

[17] Hauptquellen: Arenhold; du Sein; Serre; Jurien; Clowes Tl. I; The ship. In allen Angaben von mehr technischen Quellen, aus denen sie geschöpft haben, so besonders Clowes. — Bei Clowes und in The Ship finden sich Angaben über die vielen Schiffstypen der verschiedenen Völker, die hier nicht erwähnt werden.

[18] Genauere Angaben über die Galeren des 16. und 17. Jahrh., auch über den Dienst an Bord derselben u. s. w. in Jurien: „Les derniers jours“.

[19] „Griechisches Feuer“: wahrscheinlich eine flüssige Masse aus Schwefel, Salpeter, Naphtha, Pech gemischt, entzündlich durch Zutritt von Luft; durch Wasser nicht zu löschen, nur durch Essig oder Erde. Verwendet: Aus Spritzen; mittels umwickelter Pfeile; in Gefäßen als Handgranaten oder mit Wurfmaschinen geworfen.

[20] Quellen: Das Sammelwerk du Seins gibt den besten Überblick aller wichtigen Ereignisse; Henk führt die Hauptereignisse auf.

[21] Hauptquellen: Jurien, „gotische Flottillen“, „Doria“; Manfroni, I und II, über Zeit der Völkerwanderung, neue Reiche, Kreuzzüge, italienische Städte; The Ship über Venedig; de Veer über Portugal; Nauticus 1900 und 1901 über Venedig und die spanischen Königreiche; Clowes I, England in den Kreuzzügen; in Roncière über die Franzosen im Mittelmeer.

[22] Quellen: Über die Hansa: Schäfer, Lindner. Über die skandinavischen Völker: Tuxen (dänische), Gyllengranat (schwedische Flotte); über beide: Nauticus 1900.

[23] In Clowes I sind die kriegerischen Ereignisse der englischen Marine im Mittelalter sämtlich behandelt. Gerade vom Beginn des 13. Jahrh. an werden die Quellen für diese Marine reichhaltiger. In Clowes auch die Verwendung der Seestreitkräfte in den Kämpfen mit Schottland und zur Eroberung Irlands. Französischerseits für die Geschichte der Marine im Mittelalter Roncière I und II sehr eingehend.


[53]

Zweiter Abschnitt.
Die Zeit von 1492–1648.

[54]

Kennzeichen des Abschnittes.

Die großen Entdeckungen erschließen die Erde, Seefahrt und Seehandel treten in die Weltmeere. Die Völker Westeuropas werden die Träger der Schiffahrt; wesentliche Vervollkommnung der Segelschiffe; die Ruderschiffe verschwinden auch als Kriegsschiffe. Die Artillerie wird, auch als schwere in den Breitseiten aufgestellt, die Hauptwaffe der Schiffe. Der Seehandel auf den Weltmeeren und die fernen Kolonien werden Angriffsobjekte des Seekrieges.

[55]

deco

Erstes Kapitel.
Einleitung. Die großen Entdeckungen. Das Heraustreten der Engländer und Holländer (Franzosen) in die Ozeane. Die Unsicherheit auf den Meeren.

Einleitung.

D

Der Anfang der „Neueren Zeit“ ist auch ein Wendepunkt von höchster Bedeutung für die Entwicklung des Seewesens. Mit dem Beginn der großen Entdeckungen gegen Ablauf des 15. Jahrh. tritt die Seefahrt, die bis dahin in ihrer Allgemeinheit nur in „Küstenfahrt“ und in „kleiner Fahrt“ innerhalb begrenzter Gewässer bestanden hatte, ins offene Weltmeer hinaus. Die großen Entdeckungen gehen aus von den Völkern an der Westküste Europas, deren Staaten gerade um diese Zeit genügend in sich entwickelt und gefestigt sind; diese Völker werden nun die Hauptträger der Schiffahrt, die des Mittelalters, die Städte Italiens und der Hansa, verlieren an Bedeutung. Die Segelschiffahrt, die sich, solange es sich um Fahrten in den begrenzten Gewässern des Mittelmeeres, der Ost- und Nordsee oder um Küstenfahrten an den Ostgestaden des Atlantik handelte, nur in geringem Maße im Vergleich zu ihrem Stand im Altertum eigentlich erst seit dem 13. Jahrh. entwickelt hatte, tritt im 16. Jahrh. aus den Kinderschuhen. Das Hinausgehen auf den Ozean stellte andere Anforderungen an das Material und zeitigte eine schnelle Vervollkommnung des Schiffbaues und der Takelung; see- und segeltüchtigere Schiffe werden geschaffen und in der Nautik, Geographie, Kartographie und ähnlichen Hilfswissenschaften bedeutsame Fortschritte gemacht.

Auf dem Ozean unbrauchbar, verschwinden mit der Vervollkommnung der Segelschiffe die Ruderkriegsschiffe bei den jetzt führenden Staaten allmählich, nur im Mittelmeer bleiben sie neben Segelschiffen noch weiter im Gebrauch. Die Artillerie, die allerdings schon vom 14. Jahrh. an mehr und mehr an Bord verwendet wurde, wird Hauptwaffe und erhält infolge ihrer[56] Vermehrung und Freiwerdens der Schiffsseiten durch Wegfall der Riemen eine andere Aufstellung: Die Breitseitaufstellung an Stelle der Bug- und Heckaufstellung auf den Ruder- und unvollkommneren Segelschiffen. Hierdurch ändert sich die ganze Kampfweise und Taktik zur See.

Die Gründung von Kolonien und die Ausbreitung des Seehandels über die ganze Erde tragen zur schnellen Weiterentwicklung der dabei beteiligten Staaten bei, sie führen aber auch zu großen Kämpfen zwischen den Nebenbuhlern. Diese Kriege werden in erster Linie, ja fast ausschließlich, zur See ausgefochten; der Sieger erreicht das Ziel des Krieges — dem Feinde seinen Willen aufzuzwingen — durch die Folgen seiner Übermacht zur See, Momente, die wir in den älteren Zeiten, namentlich im Mittelalter, nur in beschränktem Maße vorfanden. Seekriege, Beschützung des Seehandels und der Kolonien rufen endlich große, wohlorganisierte Kriegsflotten ins Leben; in ihnen findet die Weiterausbildung des Seewesens ihre Hauptpflege.

Vom Beginn der neueren Zeit an spielt das Seewesen eine hervorragende Rolle in der Geschichte und hat sich von hier ab bis zur Gegenwart ununterbrochen weiterentwickelt, zunächst in der Segelschiffahrt und durch diese. In dem Zeitabschnitt von 1492 bis 1648 entstehen allmählich die politischen Verhältnisse, die später zu den großen Seekriegen des 17. und 18. Jahrh. führten. An größeren kriegerischen Unternehmungen zur See ist er arm, da Angriffsobjekte und Waffen noch fehlen, ebenso wie das Verständnis für Anlage und Durchführung eines Seekrieges, das sich erst während der nächsten Periode ausbildet. Wir werden sehen, wie zunächst die Seefahrt in die Ozeane hinaustritt, welche Ergebnisse und Folgen dies hat und wie sich die Seestreitkräfte der beteiligten Völker vervollkommnen. Die kriegerischen Ereignisse der ersten Hälfte sollen, weil weniger wichtig, nur kurz behandelt werden; erst auf die Kriege Englands und Hollands gegen Spanien von der „Armada“ an muß näher eingegangen werden, weil sich in ihnen der Übergang zu einer neuen Kriegführung zeigt.

Das Heraustreten der Seefahrt auf die Ozeane und die Zunahme der Seefahrt überhaupt läßt sich in drei Phasen zerlegen.

In die erste fallen die großen Entdeckungen der Portugiesen und Spanier. Beide Nationen werden durch die Ausbeutung dieser, durch Handel oder Kolonialgründung, reich und zu ansehnlichen Seemächten; Spanien im besonderen gewinnt die Mittel, seine europäische Großmachtspolitik zu treiben. Aber auch Hollands und Englands Handel nimmt zu; diese Völker, zumal Holland, dehnen ihn auf Kosten der Hansa in der Nord- und Ostsee aus, doch fühlen sie sich im allgemeinen noch nicht stark genug, den beiden südlichen Nationen das beanspruchte Monopol in deren Gewässern streitig zu machen, und versuchen deshalb, auf eigenen Wegen Indien, d. h. reiche Länder in Asien, zu erreichen. Auch Frankreich beteiligt sich zeitweise an solchen Bestrebungen.

In der zweiten Phase erscheinen aber auch diese Völker häufiger in den südlichen Gewässern, um ihren Anteil an Handel und Besitz dort zu nehmen:[57] der heftige Widerstand, der ihnen überall entgegengesetzt wird, führt zu blutigen Zusammenstößen. Besonders die Engländer schlagen sich in Westindien mit den Spaniern (die Franzosen in Brasilien mit den Portugiesen) herum und greifen ihren Handel im Atlantik an, ohne daß erklärter Krieg herrscht. Die Holländer führen um diese Zeit zunächst ihren Unabhängigkeitskrieg an der eigenen Küste. Nachdem aber 1585 der offene Krieg zwischen Spanien und England ausgebrochen war — schon lange hatte er gedroht, da England unter Elisabeth überall in der äußeren Politik als protestantische Macht der katholischen Vormacht Spanien entgegentrat, so auch zugunsten der Niederlande — und nachdem in diesem Kriege die spanisch-portugiesische Seemacht — beide Länder seit 1580 vereinigt — durch die Vernichtung der Armada an Macht und Schrecken verloren hatte, wird das Übergreifen der Engländer in die feindlichen Gewässer planmäßiger und kräftiger betrieben, und auch die Holländer suchen ihre Unterdrücker auf dem Ozean auf.

In der dritten Phase endlich, der ersten Hälfte des 17. Jahrh., führen in erster Linie die Holländer den offenen Krieg auf den Weltmeeren weiter, England tritt nach dem Frieden 1604 und dem Tode Elisabeths, der eifrigen Förderin des Seewesens, unter den Stuarts mehr zurück. Macht und Ansehen der südlichen Völker auf dem Meere sind aber schon gebrochen, so daß es den anderen Nationen gelingt, in den fernen Ländern jener festen Fuß zu fassen und den eigenen Welthandel auszudehnen. Holland legt in dieser Zeit Portugal in Ostindien sogar schon lahm, und England gründet seine Kolonien in Amerika.

Die großen Entdeckungen.

Gegen das Ende des 15. Jahrh. war die Geographie soweit vorgeschritten, daß der Wunsch, mit Indien — d. h. zunächst den Gewürzinseln, aber auch dem Festland Indiens, mit China und Japan — über See in Verbindung zu treten, wohl erfüllbar erschien. Karten und Globen (Behaim 1492) berühmter Gelehrter zeigten die Erde als eine Kugel, auf der die Alte Welt, roh der Wirklichkeit entsprechend, von einem großen Weltmeer umflutet dargestellt war. Da Nautik und Seemannschaft ebenfalls derartige Fortschritte gemacht hatten, daß der Seemann es wagen konnte, die Küsten zu verlassen und ins offene Meer zu steuern, mußten Pläne auftauchen, nun auch von der Westküste Europas quer über diesen Ozean hin nach West segelnd Indien zu erreichen und nicht nur wie die Portugiesen bisher, nach mittelalterlicher Weise in langer Küstenfahrt um Afrika herum, den Weg zu suchen. Diesem neuen Wege wendete man jetzt um so größere Aufmerksamkeit zu, als man die Ausdehnung der Alten Welt nach Osten hin weit größer als in Wirklichkeit annahm. Auf dem Globus von Behaim liegt Japan auf der Länge von Mexiko; man hätte demnach also von den Azoren und Kapverden dahin nur etwa 60 Längengrade zu segeln gehabt; alte, unter Seeleuten und Gelehrten laufende Gerüchte erzählten von gar nicht fern im Westen liegenden Inseln, so z. B. von einer großen Insel „Antilia“, die auf genanntem Globus in etwa 60° W.[58] Greenwich unter dem Wendekreis des Krebses eingezeichnet war. Es war auch wohl anzunehmen, daß Portugal, das auf dem betretenen Wege weiter ging und sich auf diesem alle Rechte durch päpstliche Bullen hatte sichern lassen, hier keine Mitbewerber dulden würde.

Wieder haben die Italiener großen Einfluß auf den Aufschwung der Nautik und Seefahrt geübt. Italiener wurden als theoretische und praktische Lehrmeister herangezogen, als Portugal zur See ging, in anderen Staaten gleichfalls; ein Italiener, der Gelehrte Toscanelli in Florenz, gab den Hauptanstoß zu der Westfahrt nach Indien. Er unterbreitete schon etwa um 1474 dem König von Portugal einen Plan dafür nebst einer Weltkarte, die auch wahrscheinlich Behaim bei seinem Globus vielfach benutzt hat; Plan und Karte übersandte er später dem Kolumbus auf seine Bitte. Dieser, wiederum ein Italiener, führte das kühne Unternehmen im Dienste Spaniens aus. Italiener wurden die Leiter der ersten Unternehmungen Englands und Frankreichs nach Nordwesten. Aber außer den Fahrten in den Ozean nach dem Kanal und nach den Kapverden im 14. Jahrh. haben die italienischen Seestädte selbst keine Rolle mehr bei dem Eröffnen der Meere gespielt, es blieb dies den Völkern am Atlantik vorbehalten. Wie nun diese in einer verhältnismäßig kurzen Zeit durch kühne Seefahrten fast die ganze Erde erschlossen, den Welthandel schufen und sich in den fernen Ländern festsetzten, soll nur soweit geschildert werden, als nötig ist, um die großen seemännischen Leistungen, die erreichte Ausdehnung der Schiffahrt, die Macht der europäischen Staaten in fernen Ländern und Gewässern sowie die ersten Reibungen und Zusammenstöße dort kennen zu lernen.[24]

Da diese Unternehmungen überall zuerst nur von dem Gedanken, Indien zu finden, geleitet wurden, sollen sie an der Hand der Wege betrachtet werden, auf denen die verschiedenen Völker das Ziel zu erreichen strebten. Wenn nun auch der Zeit nach die Spanier auf dem Wege nach Westen zuerst und vor Fortsetzung der bisherigen portugiesischen Entdeckungen einen großen Erfolg durch die Auffindung Amerikas erzielten, so beginnen wir doch mit den Portugiesen, da wir ihren Weg nach Südosten schon bis zum Eintritt in den Indischen Ozean verfolgt haben und sie auch tatsächlich „Indien“ als erste erreichten. Ihnen war also der Plan Toscanellis vorgelegt worden, und auch Kolumbus hat ihnen seine Dienste angeboten. Daß sie beides ablehnten, ist ihnen vorgeworfen worden; man muß aber bedenken, daß sie schon viel zur See erreicht hatten, aus ihrem Handel mit Guinea bereits Vorteil zogen, daß ihr Weg ihnen begründete Aussicht auf Erfolg bot, und daß sie endlich schon zu sehr in Anspruch genommen waren, um sich auf weitere, vorläufig noch unsichere und kostspielige Unternehmungen einlassen zu können.

Der Weg der Portugiesen nach Südosten. Der Erfolg des Kolumbus spornte Portugal an, nach einer Pause von einigen Jahren die Entdeckungsfahrten wieder aufzunehmen, jedoch der Tod des Königs Joao II. verzögerte[59] sie noch einige Zeit. Dagegen war es diesem noch gelungen, eine vorläufige Einigung mit Spanien über die beiderseitigen Rechte auf die zu entdeckenden Länder — die Teilung der Welt zwischen Portugal und Spanien — herbeizuführen. Spanien hatte sich gleich nach der Rückkehr des Kolumbus von seiner ersten Reise 1493 vom Papste die gefundenen und noch zu findenden transatlantischen Gebiete zusprechen lassen. Da man aber allgemein die Entdeckungen des Kolumbus für „Indien“ hielt, so verstieß dies gegen die Rechte Portugals nach den älteren Bullen (Seite 29), und Portugal ging deshalb sogar damit um, weitere Fahrten Spaniens durch seine Seestreitkräfte zu verhindern. Nach längeren Verhandlungen, in denen Portugal seine Forderungen mehr und mehr abschwächte, kam 1494 der Vertrag von Tordesillas zustande, wonach Spanien die Länder westlich von etwa 48½° W. Greenwich erhielt; diese Grenzlinie überlieferte, wie sich später zeigen sollte, auf der noch unbekannten Erdhälfte durchgeführt, den Portugiesen ganz Indien und den indischen Archipel, führte aber bei den noch lange unsicheren Längenbestimmungen zu manchen Verwicklungen.

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Vasco de Gama.

Im Jahre 1497, unter der Regierung Dom Manoels, gingen dann 3 Schiffe je von 100–120 tons mit 150–170 Mann Gesamtbesatzung, und ein Proviantschiff unter dem Kommando Vasco de Gamas aufs neue in See. Nach vier- oder gar sechsmonatiger, beschwerlicher Fahrt wurde im November das Kap der Guten Hoffnung passiert; das schon geleerte Proviantschiff hatte man an der Westküste Afrikas, wahrscheinlich in der St. Helenabay, wo man zu Breitenbestimmungen gelandet war, als seeuntüchtig verbrannt. Ende Januar 1498 erreichte man den Sambesi, wo ein längerer Aufenthalt zur Ausbesserung der Schiffe und Erholung der Mannschaft genommen wurde, am 1. März Mozambique und Ende April Mombas. Vom Sambesi an war man in den Bereich des arabischen Handels getreten, in beiden Städten traf man auf arabische Niederlassungen und fühlte hier schon, daß die Araber einen Handelswettbewerb nicht ohne Kampf zulassen würden. Es kam auch zu Zusammenstößen, und der in Mozambique aufgenommene arabische Lotse versuchte mehrfach, die Schiffe auflaufen zu lassen. Erst in Melinde, einer damals reichen Stadt, fand Vasco de Gama freundliche Aufnahme. Er traf hier auch die ersten Schiffe aus Indien und erhielt genaue Nachrichten über dieses Land; von hier erreichte er nach Verlassen der Küste unter Führung eines zuverlässigen Lotsen nach einer Fahrt von 25 Tagen am 20. Mai Kalikut, die wichtigste Handelsstadt Indiens.

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Indien zerfiel damals in eine größere Zahl selbständiger mohammedanischer oder Hindu-Reiche. Eines davon war Malabar, der Küstenstrich vom Südkap Vorderindiens bis zum Mount Dellij auf 8° N. Breite; es bestand aus verschiedenen kleineren Herrschaften unter Radschahs, über die der Samorin (Herr der See) von Kalikut die Oberhoheit besaß. Das Übergewicht dieser Stadt lag in ihrem Handel nach Ägypten und Persien. Ihn vermittelten in der Hauptsache arabische Kaufleute und Schiffer, doch auch Mauren aus Tunis und Algier sowie Juden des Mittelmeeres waren daran beteiligt. Im Mittelmeer aber standen sich Christen und Mohammedaner feindlich gegenüber, und die Verdrängung dieser von der Pyrenäischen Halbinsel hatte die ganze mohammedanische Welt bis nach Indien hin erregt.

Da die Portugiesen hier in den Mohammedanern Erbfeinde vorfanden, war es begreiflich, daß diese überall ihr bisheriges Handelsmonopol gegen die christlichen Eindringlinge verteidigten. Die Fremdlinge wurden beim Samorin, der ihnen zuerst günstig gesinnt war und die Erlaubnis zum Handel gegeben hatte, und bei den Indern überhaupt als Seeräuber und Kundschafter für spätere Eroberungen verdächtigt. Die Lage der Portugiesen wurde hierdurch in Kalikut bald unhaltbar; nicht nur der Handel mußte wieder abgebrochen werden, sondern man ging auch gewalttätig gegen sie vor, und Vasco selbst wurde hier kurze Zeit gefangen gehalten. Man verließ deshalb den Hafen, besuchte noch die Stadt Kananor, deren Herrscher, auch ein Vasall des Samorin, die Fremden gut aufnahm, und rüstete dann auf den Anjediven-Inseln die Schiffe zur Rückreise aus. Auch hier wurde vom benachbarten Goa, dem Haupthafen des Reiches Bidschapur, ein durch Wachsamkeit jedoch glücklich vereitelter Überfall auf sie versucht. Im Dezember 1498 wurde mit dem Einsetzen des NO.-Monsune die Rückreise über Mogdischuh, Melinde, Sansibar angetreten und im Hochsommer 1499 Lissabon erreicht.

Der Jubel in Portugal war groß. Der Weg nach Indien war gefunden, und die mitgebrachten Waren versprachen reichen Handelsgewinn; man sah aber auch, daß der Handel wegen der Mohammedaner nur mit den Waffen in der Hand und mit Rüstungen für ernste Kriegsfälle betrieben werden könne. Dementsprechend wurden die nächsten Expeditionen ins Werk gesetzt.[25]

Schon am 9. März 1500 lief ein Geschwader von 13 Schiffen unter Pedro Alvarez Cabral aus. Nach Anweisung Vascos beabsichtigte Cabral, von der Guineaküste direkt südlich bis zur Breite des Kaps zu steuern und dieses dann mit den Westwinden zu umsegeln. Durch den Äquatorialstrom und östliche Winde stark nach Westen versetzt, sichtete er im April unter 14° S. Breite die Küste Brasiliens; er nahm das Land in Besitz und sandte ein Schiff mit der Meldung heim, worauf auch schon 1501 eine Expedition zur näheren Erforschung dahin abging. Auf dem Wege zum Kap kenterten in einem Sturme 4 Schiffe, 2 wurden versprengt, und nur mit 6 Schiffen langte man Ende August in Kalikut an. Hier spielte sich derselbe[61] Vorgang wie bei der ersten Fahrt ab; zuerst wurde man gut aufgenommen, dann aber führten die Umtriebe der Araber wieder zu Feindseligkeiten, die schließlich die Zerstörung von 13 großen arabischen Schiffen, das Bombardement der Stadt und den Abbruch aller Verhandlungen zur Folge hatten. Aber verschiedene Fürsten der Malabarküste, Vasallen vom Samorin und eifersüchtig auf ihren Oberherrn, erlaubten nun gerade den Handel in ihren Städten, ja sogar die Anlage von Faktoreien, so in Kananor und Cochin. Mit reichen Gewürzladungen trafen die Schiffe am 31. Juli 1501 in der Heimat ein, so daß die Reise trotz der großen Verluste — auf der Rückreise blieb noch ein Schiff — ungeheuren Gewinn abwarf. Einem kleinen, auch im ganzen erfolgreichen Geschwader von 4 Schiffen, das bereits im März 1501 abgegangen war und auf seiner Fahrt Ascension und die wichtige Trinkwasserstation St. Helena entdeckt hatte, folgte nun im Frühjahr 1502 eine mächtige Flotte von 20 wirklichen Kriegsschiffen mit 800 Soldaten unter Vasco de Gama, um in Indien dauernd festen Fuß zu fassen. Auf der Hinreise wurden Faktoreien an der Ostküste Afrikas in Sofala, Mozambique und Kilwa gegründet, in Indien wurden die erlittenen Schädigungen an Kalikut und Goa gerächt, die portugiesische Stellung in Kananor und Cochin gestärkt, der arabische Handel nach Möglichkeit geschädigt und bei der Rückkehr 1503 zu diesem Zwecke und zum Schutz der Faktoreien zum ersten Male eine Flottenabteilung als ständige Macht in den indischen Gewässern zurückgelassen. Die Unternehmungen der nächsten Jahre brachten die Erbauung von steinernen Forts in den genannten Städten Ostafrikas, die Besetzung der Insel Socotora (jetzt Sokotra) am Eingang des Roten Meeres, Festungsbauten auch in Kananor, Cochin, Kollum, deren Radschahs sich von Kalikut losgesagt und sich zu Vasallen Portugals erklärt hatten, sowie die Inbesitznahme der Anjediven-Inseln, die einen besonders günstigen Platz als Treff- und Sammelpunkt der Schiffe bildeten; damit waren auch Stützpunkte für den Handel und die weitere Ausdehnung der Macht geschaffen, und in derselben Weise schritt man nun durch Anlage neuer Stützpunkte über Malabar hinaus nach Norden und nach Osten in den indischen Archipel hinein fort.

Eine Gründung eigentlicher Kolonien, d. h. die Inbesitznahme weiter Ländereien, ist fast nirgend erfolgt, es blieb nur das Bestreben maßgebend, den Gewürzhandel ganz in die Hand zu bekommen. Dazu war es vorteilhaft, mit den einheimischen Fürsten nach Möglichkeit in Frieden zu leben, aber notwendig, die Araber zu verdrängen. Diejenigen indischen Herrscher, die die Errichtung von Forts in ihren Städten zuließen oder sich doch den Anordnungen Portugals fügten und die Anlage von Faktoreien erlaubten, traten in das Verhältnis der Bundesgenossenschaft, die anderen waren beständigen Belästigungen und Angriffen ausgesetzt. In den von Portugal beherrschten Häfen wurden Handelsvorschriften erlassen, Maße, Gewichte und Preise für die Waren festgesetzt und die Araber vom Geschäft ausgeschlossen. Man hob den Handel dieser Plätze dadurch, daß man ihre Schiffahrt schützte,[62] die Schiffe aller indischen Städte zuließ, ja sie sogar, wenn sie auch für andere Häfen bestimmt waren, zum Anlaufen zwang, während man den Handel der Orte, die sich widerspenstig zeigten und wo die Araber noch Zutritt hatten, schädigte.

Der ausgedehnte Sicherheitsdienst zum Schutz des eigenen Handels und des der begünstigten Städte in den indischen Gewässern, die Vernichtung des arabischen Handels und die Unternehmungen zur Gründung neuer Stützpunkte zur Erweiterung und Erhaltung der Macht erforderten ständige Seestreitkräfte; die Besetzung der Forts und die Kämpfe am Lande machten die Einrichtung von Garnisonen und die Aufspeicherung von Kriegsmaterial notwendig. Die Mittel zu allem diesem zu liefern, war die Aufgabe der Flotten, die mit immer größeren Schiffen nun ununterbrochen nach Indien ausliefen und die Waren des Ostens heimbrachten.

Verhältnismäßig schnell, in etwa 40 Jahren, aber in ununterbrochenen Kämpfen mit bedeutenden Streitmitteln auf beiden Seiten, erweiterte sich die portugiesische Macht bis zur höchsten Blüte. Flotten von 30–40 Kriegsschiffen wurden zur Eroberung großer Städte, wie z. B. Goas, Malakkas, zusammengezogen; gegen das Reich Kambaya, nördlich vom Reiche Bidschapur, wurde im Jahre 1529 eine Expedition von 400 Fahrzeugen aufgeboten. Einheimische Fürsten stellten ähnliche Flotten und Heere bis zu 40000 Mann, einmal sogar 90000, zur Vertreibung der Portugiesen auf. Außer den Eingeborenen zeigte sich auch ein anderer mächtiger Feind, die Ägypter. Nach der Festsetzung der Portugiesen in Malabar konnten die arabischen und persischen Händler die Gewürze nur auf dem viel weiteren Wege aus Malakka und Sumatra beziehen, jedoch auch am Eingang zu diesen Gewässern, vor den Malediven und Ceylon, erschienen schon 1505 die Eindringlinge; den Eingang zum Roten Meere hatten sie besetzt und 1507 den ersten Versuch gemacht, sich der Stadt Ormuz am Eingang des persischen Golfes zu bemächtigen. Da wandten sich die Herrscher von Kalikut, Kambaya, Ormuz und Aden um Beistand an Ägypten und fanden hier, unterstützt durch die Genueser und Venetianer, volles Entgegenkommen, denn Ägypten, Venedig und Genua litten gleichfalls unter dem Abschneiden des alten Verkehrsweges mit Indien. Der Sultan Ägyptens führte infolgedessen beim Papst Klage über „Verfolgung des Mohammedanismus durch die Portugiesen“ unter Androhung von Gewaltmaßregeln in Palästina. Der Papst schickte den Brief nach Lissabon, aber Portugal antwortete, es sei Ägypten lediglich um seinen Handel zu tun, und im übrigen sei es nur Christenpflicht, den Ungläubigen alle früheren Greueltaten zu vergelten. Da sandte 1508 Ägypten eine Flotte von 12 Schiffen nach Indien; sie wurde jedoch, trotz Vereinigung mit der Flotte vom Kambaya und nach einem ersten Erfolge einer schwächeren portugiesischen gegenüber, im Februar 1509 bei Diu durch 19 portugiesische Schiffe vollständig vernichtet. Auch spätere Unterstützungen von ägyptischer Seite in den Jahren 1510 und 1515 (27 Schiffe) und 1538 eine Expedition — nunmehr türkische, da die Türken inzwischen Ägypten unterworfen hatten —[63] von 70 Segeln mit 7000 Mann konnten die Fortschritte Portugals nicht aufhalten. Zwar blieben Rückschläge infolge von Empörungen und mißglückte Unternehmungen nicht aus: in Malabar selbst mußte bis 1540 immer wieder mit dem Samorin gekämpft werden; manche Niederlassungen in Vorder- wie Hinterindien und im Archipel gingen zeitweise wieder verloren; die endgültige Festsetzung im Reiche Kambaya erforderte andauernde Kämpfe, bis sie schließlich auf friedlichem Wege durch Unterstützung des Landes gegen das sich im Norden ausbreitende Reich der Mongolen (des Großmoguls in Delhi), gelang — um das Jahr 1540 konnte sich Portugal aber doch als Herr des Handels im Indischen Ozean ansehen.

Seit 1505 waren Vizekönige von Indien bestellt; von ihnen haben am meisten zur Gründung der Macht beigetragen: Almeida 1505–1509, Alfonso d'Albuquerque („der Große“ genannt) 1509–1515 und Nuño da Cunha 1529–1539. Bei dem Tode des letztgenannten lag der Mittelpunkt der portugiesischen Macht im Osten auf der Westküste Vorderindiens, wo starke Festungen in Kananor (1504), Cochin (1504), Kalikut (1514), Goa (1511), Bassein und Diu (1534) erbaut waren und alle Küstenstaaten die Oberherrschaft anerkannt hatten.

Bassein, mit der Insel Salsette und Goa waren sogar abgetretener Landbesitz. Goa war eine nach allen Regeln der Kunst befestigte Stadt mit Magazinen und Werften und die Hauptstation der Seestreitkräfte für den Spezialdienst in den indischen Gewässern. Man hielt zu diesem Zweck eine beträchtliche Kriegsflotte, schon 1515 war sie 50 Segel stark von teilweise für die damaligen Zeiten großen Schiffe; englische und holländische Quellen sagen wenigstens, als ihre indischen Kompagnien dort im Anfange des 17. Jahrh. mit Schiffen von 500–800 tons aufgetreten seien, hätten die Portugiesen weit größere gehabt. Es ist allerdings dabei zu bemerken, daß die portugiesisch-spanischen Kriegsschiffe an Gefechtskraft den englischen und holländischen, auch den Schiffen der großen Kompagnien, dem Größenverhältnis entsprechend nicht gleichwertig waren, wie wir auch später sehen werden. Außerdem besaßen die Portugiesen eine große Zahl großer, offener Ruderschaluppen, Fregatten genannt, mit starker Bemannung von Eingeborenen; wenn auch ohne Geschütze, konnten diese Fahrzeuge bei Windstille dem Feinde sehr gefährlich werden.

Der Indische Ozean wurde im Westen beherrscht durch den Besitz von Ormuz (1516 erobert), durch die Stützpunkte in Kilwa, Mozambique, Sofala (1504) und auf der Insel Sokotora (1506); auch der Emir von Aden hatte (1530) die Oberherrschaft anerkannt. Im Osten und im indischen Archipel stützte sich die Macht Portugals auf den Besitz von Malakka (1511 erobert), von festen Plätzen auf Ceylon (z. B. Kolombo 1513), Sumatra, Java und auf den eigentlichen Gewürzinseln, den Sundainseln und Molukken (erste Niederlassung auf Ternate 1522).

Die Molukken waren von den Portugiesen 1513 zuerst erreicht worden, aber bald darauf (1521) auch von den Spaniern durch Magalhaes' Expedition. Beide Nationen betrachteten sie als in ihrem Machtbereich liegend und versuchten, sich festzusetzen, bis durch Vertrag von 1529 die Inseln gegen eine Abschlagssumme an Portugal fielen (vergl. Seite 77).

Den damaligen Machtbereich Portugals zeigen ferner seine Faktoreien an der Westküste Afrikas, an den Küsten Guineas, der Goldküste, Benins, Kongos,[64] Anguelas und Benguelas — das Kapland war nicht besiedelt —, und auch Brasilien war vom Amazonenstrom bis zum La Plata in Besitz genommen.

Auch Siam, China und Japan besuchten die Portugiesen. Mit Chinesen war man in Malakka zusammengetroffen, China selbst wurde 1515 zuerst erreicht, doch hatten die Versuche, einen regeren Verkehr mit China und Japan anzuknüpfen, keinen Bestand, weil diese Länder ihnen immer wieder verschlossen wurden; nur in Macao hielt sich eine Niederlassung. Auch die durch Zufall herbeigeführte Entdeckung Neu-Guineas, das man für die Nordküste eines großen Südpolkontinents hielt, hatte für den Handel keine weiteren Folgen.

Auf dem Südostwege waren also die Küsten und Gewässer Afrikas und Asiens bis nach China hin bekannt geworden; die Spanier hatten schon auf dem Südwestwege die Philippinen erreicht sowie einen Teil der Südseeinseln entdeckt, und der Schleier des fernsten Ostens war gelüftet. Von diesem, von China und Japan bis zu den Kurilen hinauf und von Australien der Welt nähere Kenntnis zu geben, blieb den Holländern im 17. Jahrh. beschieden.

Die Blüte der Macht Portugals in Indien war von keiner langen Dauer, schon von der Mitte des 16. Jahrh. an kann man den Rückgang erkennen.

Seine Ursachen sind zurückzuführen auf die Mißwirtschaft in der Verwaltung infolge zu häufigen Wechsels der Vizekönige und der Beamten, auf die Besetzung dieser Stellen mit unfähigen und unredlichen Günstlingen; ferner auf eine falsche, engherzige Handelspolitik, die nur auf Ausbeutung der Kolonien im Interesse der Regierung — und der Beamten! — bedacht war. Einfuhr und Ausfuhr hatte die Regierung zu ihrem Monopol gemacht und betrieb sie nur mit verhältnismäßig wenigen großen Schiffen, auch der Handel der Eingeborenen war stark eingeschränkt, was neben anderen Übergriffen ihren Haß erregen mußte. Mit der inneren Schwächung der Verwaltung nahmen deshalb auch die Empörungen, die Versuche zur Vertreibung der Bedrücker, zu. Schon in den Jahren 1570/71 stellte ein Aufstand in fast allen Besitzungen die ganze Herrschaft in Frage und wurde nur mühsam niedergeworfen. Im Norden wurde das Reich des Großmoguls immer mächtiger, die Türken entsandten wieder Flotten nach Indien und drangen gegen die Besitzungen in Ostafrika vor; ein Seeräuberunwesen nahm überhand. Auch das Glück verließ die Portugiesen; in den Jahren 1579–1591 gingen 22 Schiffe von bis dahin unerhörter Größe auf den Fahrten nach Indien unter. Alle diese Mißstände, verbunden mit kostspieligen Kriegen in der Heimat gegen Marokko, erschöpften das kleine Mutterland.

Von 1580 an war Portugal mit Spanien vereinigt; wenn ihm nun auch die Verwaltung seiner Kolonien und selbst das Handelsmonopol mit diesen belassen wurde, so mußte es doch die Folgen der spanischen Politik mit tragen. Es erschienen die Engländer und Holländer in seinen Gewässern, anfangs als Freibeuter, später, im Anfang des 17. Jahrh., mit ihren großen indischen Kompagnien als Nebenbuhler im Handel und als Eroberer. Nun hatten sich die Portugiesen auch dieser zu erwehren, und dies ging vollends über ihre Kräfte. Der Geldmangel wurde immer größer, Schiffe und Festungen konnten nicht mehr im Stande gehalten werden, oft fehlten selbst die Mittel, Waren aufzukaufen. Von 1640 vermochte der Vizekönig wegen Mangels an Geld und Schiffen keine Frachtenflotte mehr nach Hause zu senden, und am Ende unseres Zeitabschnittes hatten die genannten Nationen den Handel der Portugiesen in Indien völlig lahmgelegt, von den Holländern war ihnen sogar[65] schon ein großer Teil der Besitzungen abgenommen (vgl. Seite 82 und Seite 86).

Der Weg der Spanier nach Westen. Während man in Portugal seit der Zeit Prinz Heinrichs des Seefahrers schon planmäßig mit Erweiterung des Handels und der Schiffahrt, mit dem Suchen nach fernen Ländern vorgegangen war, wo man Gold, Edelsteine und kostbare Gewürze zu finden hoffte, dachte man in Spanien zu Ende des 15. Jahrh. noch nicht an große überseeische Unternehmungen. Das Land war schwach bevölkert, Industrie und Handel waren wenig vorhanden, und der Ackerbau deckte kaum den eigenen Bedarf. Es ist wohl unbedingt dem Auftreten und Drängen des Kolumbus zuzuschreiben, daß Ferdinand und Isabella sich unter diesen Umständen plötzlich und frühzeitig auf ein so weit aussehendes Unternehmen, den Seeweg nach Indien auf dem Westwege zu suchen, eingelassen haben, in der Hoffnung, dieselben Vorteile über See einzuheimsen wie Portugal.

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Die Überlieferung erzählt, daß Kolumbus, ein tüchtiger und befahrener Seemann, mit besonderer Vorliebe allen Sagen und Gerüchten über im Westen liegende Inseln gelauscht, mit Eifer die geographischen Werke seiner Zeit studiert habe und den Fortschritten der Portugiesen mit Aufmerksamkeit gefolgt sei. Toscanellis Plan[26] scheint ihn zuletzt, vor allem von einer verhältnismäßig leichten Ausführung seines Vorhabens, überzeugt zu haben. Von verschiedenen Staaten, wahrscheinlich von Genua, Venedig, England, Frankreich, sicher von Portugal abgewiesen, gelang es ihm, aber erst nach längerer Zeit, die Herrscher Spaniens für sich zu gewinnen; die hohen Forderungen, die er für seine Person im Falle des Gelingens stellte, haben ihm wohl überall geschadet.

Im Jahre 1492 erhielt Kolumbus 3 kleine Karavellen von je 120–130 tons mit insgesamt 120 Mann Besatzung und ging am 3. August von Palos aus in See. Zunächst steuerte er die Kanaren an, um dann auf der Breite dieser Inseln über die sagenhafte Insel Antilia und über Cipangu (Japan) Indien zu erreichen. Bei den Kanaren mußte man wegen Ruderausbesserung des einen Fahrzeuges vier Wochen liegen und konnte erst am 6. September, nun aber[66] bald im günstigen Nordost-Passat, die Reise fortsetzen. Vom 9. September an gab der Admiral in dem jedermann zugänglichen Schiffsjournal die an einem Tage abgelaufene Meilenzahl um ein Viertel geringer an, als er sie in der Tat schätzte, um die Besatzungen nicht durch die Größe der Entfernung von Europa zu erschrecken. Schon vom 16. September an, als die Schiffe ins Sargassomeer eintraten, glaubte er Anzeichen von der Nähe eines Landes zu bemerken, wie im Journal verzeichnet ist: dunkler Horizont, ohne Wind eintretender Nebel, selbst die schwimmenden Tangmassen wurden als Anzeichen dafür gehalten; man glaubte sogar einmal, Antilia gesehen zu haben, und hielt einen Tag daraufhin ab. Es unterliegt keinem Zweifel, daß, je länger die Fahrt dauerte, die Mannschaft um so lauter ihre Besorgnisse äußerte; gerade der günstige Wind ließ eine Rückkehr schwierig, wo nicht unmöglich, erscheinen. Es mögen auch Drohungen laut geworden sein, aber die Erzählung von dem Vertrage des Admirals mit der Mannschaft, nach drei Tagen umzukehren, falls das gesuchte Land nicht gesichtet sei, ist doch wohl später erfunden. Durch den Zug zahlreicher Vögel bewogen, steuerte er vom 7. Oktober an südwestlich, weil er wußte, daß die Portugiesen diesem Umstande häufig die Entdeckung von Inseln verdankt hatten. Am 9. Oktober glaubte man den Duft von Blütenbäumen in der Luft zu spüren, am 11. fischte man einen frischgrünen Zweig, einen weiteren mit Beeren und einen mit Feuer bearbeiteten Stab auf; am Abend desselben Tages sah man einen Lichtschein und einige Stunden später, am 12. Oktober 2 Uhr morgens, im Mondschein einen flachen sandigen Strand, dem man sich schon bis auf 2 Seemeilen genähert hatte. Es war eine der Bahama-Inseln, von den Eingeborenen Guanahani genannt, von Kolumbus S. Salvador getauft, wahrscheinlich das jetzige Watlings-Island. Die Insel bot nichts, aber aus den Gebärden der harmlosen Einwohner, von denen man kärgliche Goldschmuckstücke erhandelte, schloß Kolumbus auf die Nachbarschaft größerer goldreicher Inseln im Südwesten. So fuhr er am 14. weiter und fand verschiedene andere Eilande mit üppiger Vegetation; jedoch nirgends zeigten sich Spuren der erwarteten indischen Kultur, auch nicht, als er am 28. Oktober Cuba und am 4. Dezember Haiti erreichte. Aber immer noch waren Kolumbus und auch seine Kapitäne der Ansicht, in den indischen Gewässern zu sein; verschiedene falsch gedeutete Namen bestärkten diese Annahme. An der Küste von Haiti, von Kolumbus Hispaniola getauft, lief das Flaggschiff am 24. Dezember auf und mußte verlassen werden, jedoch wurden Mannschaft und Ladung an Land geborgen. Da man auf dieser Insel größere Mengen Gold bei den Indianern fand, die Bewohner sehr gutmütig erschienen und der Boden des Küstenlandes üppige Fruchtbarkeit zeigte, beschloß der Admiral, hier eine Niederlassung zu gründen, zumal da er nicht alle Leute an Bord seines letzten Schiffes nehmen konnte. Das dritte Fahrzeug hatte sich nämlich einige Zeit zuvor heimlich entfernt, um auf eigene Hand das Goldland zu suchen, doch wurde es am dritten Tage der Rückreise wieder angetroffen; auch dieses hatte viel Gold auf Haiti eingetauscht.

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Es wurde eine kleine Befestigung, Navidad genannt, erbaut und mit 40 Freiwilligen besetzt. Kolumbus selbst trat am 4. Januar 1493 die Rückreise nach Europa an, auf der er noch bis zum 16. längs der Küste Haitis weitere Forschungen anstellte. Nach einem mehrtägigen schweren Sturme dicht vor den Azoren wurde am 18. Februar Santa Maria erreicht, wo der portugiesische Gouverneur an Land gesandte Leute verhaften ließ und erst nach einigen Tagen freigab; am 4. März zwang ein neuer Sturm, Lissabon anzulaufen, und am 15. März ankerte man im Ausgangshafen Palos. Kolumbus begab sich zum Hoflager in Barcelona; seine Reise durch Spanien glich einem Triumphzuge. Nach seinen glänzenden Schilderungen der Neuen Welt blieb man überall mit ihm überzeugt, daß der Weg nach Indien gefunden sei, wenn auch die mitgebrachten Gegenstände — nur zweifelhafte Gewürze und auch nicht allzuviel Gold — noch nicht den gehegten Erwartungen entsprachen und auch die gesuchten Kulturländer noch nicht angetroffen waren. Während noch die Verhandlungen (Seite 59) mit Portugal über die „Teilung der Welt“ schwebten, wurde sofort eine neue Expedition ausgerüstet, um auf dem betretenen Wege schleunigst Fortschritte zu machen und die entdeckten Länder in Besitz zu nehmen.[27]

Es sei hier gleich auf einen großen Unterschied zwischen dem Vorgehen Spaniens und Portugals hingewiesen. Während Portugal eigentlich nur Stützpunkte für den Handel und die Beherrschung des Meeres schuf, gründete Spanien wirkliche Kolonien. Die spanische Rasse nahm die entdeckten und mit Waffengewalt eroberten Länder völlig in Besitz und in Kultur; sie wurde dort zur Hauptbevölkerung, indem sie die Eingeborenen entweder durch Kriege und schlechte Behandlung vernichtete oder sich zum Teil mit ihnen vermischte; sind doch aus den ehemaligen spanischen Kolonien die jetzigen süd- und mittelamerikanischen Staaten mit spanischer Bevölkerung hervorgegangen.

Schon die zweite Expedition des Kolumbus, die im Herbst 1493 Spanien verließ, führte auf 14 Karavellen und 3 großen Lastschiffen außer den Matrosen und Soldaten 1500 Auswanderer — Ackerbauer mit Sämereien, Weinreben, Zuchtvieh — mit sich. Auf Haiti, wo die zurückgelassenen Kolonisten der ersten Reise infolge ihrer Ausschreitungen gegen die Eingeborenen ermordet waren, wurde aufs neue fester Fuß gefaßt, indem man eine größere Niederlassung, Isabella, gründete. Als sich der Ort später gesundheitlich ungeeignet erwies, verlegte man den Sitz der Regierung nach St. Domingo. Die Insel Haiti wurde nun gewaltsam in Besitz genommen und hier zuerst eine Kolonie, die eigene Einkünfte brachte, geschaffen.

Ein jeder Eingeborene Haitis wurde verpflichtet, vierteljährlich eine gewisse Menge Goldstaub (in den Minenbezirken) oder Baumwolle (in den anderen Bezirken) abzuliefern; Saumselige oder Empörer wurden zur Zwangsarbeit auf den von Spaniern in Besitz genommenen Ländereien verurteilt oder als Sklaven nach Spanien gesandt. — System der Repartimientos. — Als bei dem Wachsen der spanischen Einwanderung[68] und der Urbarmachung des Landes Arbeitskräfte mangelten, wurde einfach ein Teil der Indianer als Sklaven an die weißen Besitzer verteilt — System der Encomiendas —, obgleich von Spanien aus der Befehl gegeben war, die Eingeborenen als Freie zu behandeln, sie zur Arbeit nur durch ihre Kaziken anhalten zu lassen und sie zu löhnen. Ähnlich ist später bei der Inbesitznahme der anderen Inseln und der Länder des Festlandes verfahren worden. Mit unerbittlicher Härte wurden die beiden Systeme nebeneinander durchgeführt, wenn auch weiterhin die Regierung im Mutterlande häufig auf den Rat und die Vorstellung einsichtiger und menschlich fühlender Männer Gesetze und Bestimmungen erließ, um das Los der Indianer zu mildern. Diese Härte und die Grausamkeit, mit der Empörungen niedergeschlagen wurden, haben die Abnahme der eingeborenen Bevölkerung, auf den westindischen Inseln sogar ihre völlige Vernichtung, zur Folge gehabt. Der Mangel an Arbeitern veranlaßte dann die Einführung von Negersklaven, schon von 1501 an für die Goldwäschereien auf Haiti, die bekanntlich später nach allen Kolonien in großem Maßstabe betrieben wurde.

Kolumbus kehrte im Herbst 1496 von seiner zweiten Reise, auf der er noch Cuba genauer erforscht und Guadeloupe, Puerto Rico, Jamaica gefunden hatte, nach Spanien zurück. Für kurze Zeit erlahmte hier das Interesse an der Sache, da ein Teil der Auswanderer unbefriedigt mit ihm zurückgekommen war. Sie hatten sich in ihrer Erwartung, schnell ungeheuren Reichtum zu erlangen, getäuscht gesehen: Nur Ackerbauer fanden ihre Rechnung, nicht aber Goldsucher; die Einwanderer litten, besonders an der Küste, unter dem Klima; die Verhältnisse der neuen Kolonie entwickelten sich nur langsam infolge der häufigen Empörungen der Eingeborenen, der Unbotmäßigkeit der Kolonisten selbst und der Intriguen der Beamten gegeneinander. So konnte Kolumbus für seine dritte Expedition, auf der er bei der Ausreise Trinidad entdeckte, nur wenig Kolonisten gewinnen, obgleich die Auswanderung allen Spaniern erlaubt und denjenigen sogar ein Jahr Verpflegung zugesichert war, die sich zur Abgabe von 2/8 des zu findenden Goldes und 1/10 der sonstigen Produkte verpflichteten.

Nun wurde aber, gegen das dem Kolumbus versprochene Recht, von 1499 an auch anderen Männern die Erlaubnis zu Entdeckungen erteilt, sowie der Handel nach den Kolonien unter Aufsicht der Regierung und gegen Abgaben vom Gewinn überhaupt freigegeben. Alonso de Hojeda, begleitet vom Italiener Amerigo Vespucci, erreichte 1499 Südamerika beim Amazonenstrom und erforschte von dort die Küste bis Venezuela; Pedro Niño brachte bald darauf von hier eine reiche Perlenladung heim; Rodrigo de Bastidas entdeckte den Spuren Hojedas folgend den Golf von Darien und kehrte mit Gold, Brasilholz und Sklaven zurück. Da um dieselbe Zeit auch in Haiti reichere Goldlager gefunden wurden, stieg der Unternehmungsgeist wieder, und es begann jetzt eine Periode von Entdeckungsfahrten, Auswanderungszügen und Kolonisierungen, unternommen von Abenteurern, oft auch Verbrechern, aber auch besseren Elementen mit Familie, in der sich in verhältnismäßig kurzer Zeit die Macht Spaniens ungemein ausdehnte. Kolumbus selbst besuchte auf seiner vierten und letzten Reise 1502 Yucatan, Honduras und die Bai von Chiriqui, wo er von neuen Goldländern und zuerst vom Stillen Ozean hörte; er war überzeugt, hier[69] in der Nähe einer Wasserstraße nach Westen zu sein, wie er denn überhaupt bis zu seinem Tode glaubte, Ostasien gefunden zu haben.

Bald wurden auf vielen westindischen Inseln, besonders den Großen Antillen, an den Küsten Süd- und Mittelamerikas Niederlassungen gegründet; von einer dieser erreichte Balbao am 25. September 1513 den Stillen Ozean beim Golf von St. Miguel und erhielt hier genauere Kunde über das Goldland Peru.

Seit 1511 war die Kolonisation Kubas energisch in die Hand genommen und brachte reichen Gewinn, aber nirgends war man mit dem Ertrage zufrieden, sondern suchte neue Goldländer. Von Kuba aus wurden die Küsten von Florida und Mexiko erforscht und dieses 1519–1521 durch Cortez erobert. An der Westküste Mittelamerikas wurden Schiffe erbaut, mit denen man weiter vordrang, bald auch über den Stillen Ozean, was später bei Schilderung des Südwestweges mit betrachtet werden soll. Von Mexiko aus wurde Kalifornien aufgesucht, von Panama aus, wohin Kolonisten vom Golf von Darien hinübergegangen waren, strebte man nach Peru. Pizarro erforschte 1524 die Küste Kolumbiens, erreichte 1526 die Bucht von Guayaquil und eroberte 1531–1536 das langersehnte Peru; von hier aus wurde Chile in Besitz genommen.

So sehen wir um die Mitte des 16. Jahrh. Westindien, Mittelamerika, die nördlichen und westlichen Küstenländer Südamerikas bis Patagonien hinunter in den Händen der Spanier. Waren die Eroberungen der wichtigen Reiche des Festlandes auch nur mit geringen Streitmitteln ausgeführt, so folgten doch bald Ströme von Einwanderern. Ein wahres Auswanderungsfieber, das das Mutterland zu entvölkern drohte, hatte Spanien ergriffen, und die Forschung und die Kolonisation drangen schnell von den Küsten ins Innere vor. Schon 1541 wurde der Amazonenstrom zum ersten Male von Peru aus bis zur Mündung befahren und von Chile aus stieß man bald auf die von dem La Plata ausgehenden Kolonisten (vgl. Seite 74).

Anfangs war Haiti der Haupt- und Mittelpunkt der Verwaltung der Kolonien gewesen; später stellte man die einzelnen selbständigen Verwaltungsbezirke unter Vizekönige (Gouverneure, Generalkapitäne), die unmittelbar unter dem „Amt (Rat) von Indien“ in Sevilla standen.

Die Spanier haben durch ihre verkehrte Kolonialpolitik während der ersten Jahrhunderte die reichen überseeischen Besitzungen lange nicht zu einer ihren Anlagen entsprechenden Blüte gebracht. Für sie war nur die dauernd sichere Ausbeutung der Metallschätze im Interesse der Krone die Hauptsache, eine planmäßige Entwicklung der Kolonien war weder beabsichtigt noch erwünscht. Bald schon wurde die Auswanderung nicht mehr begünstigt, sondern sehr erschwert, und der Handel der Kolonien mit Spanien und unter sich durch allerhand Maßnahmen eingeschränkt: Durch hohe Ein- und Ausfuhrzölle hüben und drüben, durch eine lästige Kontrolle der Regierung und durch Ausschluß aller fremden Schiffe vom Handel, die bis zur Mitte des 17. Jahrh. ohne weiteres als feindlich behandelt wurden; gestrandete Seeleute tötete man sogar oder sandte sie in die Bergwerke.

Trotzdem ist diese Kolonialpolitik nicht ausschließlich auf Unfähigkeit oder Kurzsichtigkeit zurückzuführen, sie dürfte den Verhältnissen und Bedürfnissen des Mutterlandes[70] lange Zeit entsprochen haben. Spanien war durch die reichen Erwerbungen eine Großmacht geworden und hatte eine Weltpolitik begonnen, die nur weiter durchgeführt werden konnte, wenn die Geldquellen in gleicher Stärke weiter flossen; im übrigen besaß das Land weder eine Überproduktion an Waren noch an Menschen, brauchte also keine großen Absatzmärkte und Auswanderungsgebiete, ja durfte diese nicht einmal voll ausnutzen. Es kam wie gesagt nur darauf an, möglichst große Einkünfte für die Krone aus dem Minenbetrieb und dem Handel zu ziehen, sowie dafür zu sorgen, daß die Länder dem Mutterlande erhalten blieben. Eine Folge dieser Politik war zunächst, daß die westindischen Kolonien und auch die an der Nordküste Südamerikas, die in ihren Erträgen nicht mit Mexiko, Peru usw. zu vergleichen waren, für lange Zeit vernachlässigt wurden und zurückgingen. Viele der Weißen zogen nach dem Festlande, Arbeitermangel trat mit Ausrottung der Indianer ein, und Neger wurden nicht genug eingeführt. Die westindischen Gewässer wurden der Tummelplatz von Schmugglern, Seeräuber machten Meer und Küsten unsicher, und andere Nationen setzten sich ungehindert in Besitz von noch nicht oder nur schwach besiedelten Inseln. Für die reichen Festlandsbesitzungen lag aber die Gefahr nahe, daß sich hier bei zu großer selbständiger innerer Entwicklung Unabhängigkeitsgelüste regen könnten: deshalb griff man zur Beschränkung der Einwanderung. Aus demselben Grunde wurden die Klassen der Kreolen (d. h. Eingeborene von spanischen Eltern stammend) und der Mischbevölkerung, die ständig zunahmen und zum Teil über große Vermögen verfügten, soweit möglich in Unbildung erhalten, der Gegensatz und die Eifersucht zwischen den verschiedenen Klassen (Spanier, Kreolen, Mischlinge der verschiedenen Grade) genährt und die amtlichen Stellungen, besonders die höheren Posten, fast nur mit Spaniern besetzt. Die Ansiedelung Fremder wurde tunlichst erschwert, wo sie nicht zu vermeiden war, wurde ihnen durch die Inquisition das Leben verbittert. — Alles Maßnahmen, um Intelligenz, Einigkeit und Selbstbewußtsein von der Bevölkerung fern zu halten; die Regierung der Länder lag in den Händen der wenigen Spanier.

Über die Durchführung dieser Politik wachte der „Rat von Indien“ mit unnachsichtlicher Strenge, in seiner Hand lag die oberste Gerichtsbarkeit und die ganze Verwaltung der Kolonien; selbst die Inquisition wirkte in seinem Dienste, wie denn wie überall unter spanischem Zepter auch in den Kolonien die Kirche eine übergroße Macht darstellte und ungeheure Reichtümer erwarb. Die Stellung der Vizekönige war zwar mit großen Ehren und reichen Einkünften bedacht, aber ihre Machtbefugnisse waren sehr durch die ihnen beigegebenen Gerichts- und Verwaltungshöfe beschnitten. Wie die Vizekönige, so wechselten auch die Mitglieder dieser Höfe häufig; waren für jene Bestimmungen erlassen, daß sie nicht zu populär wurden, so durften auch diese keine Familienbeziehungen und keinen Grundbesitz in den Kolonien haben. Alle Einrichtungen zielten darauf hin, die Beamten nicht selbständig walten und auch nicht zu festen Fuß fassen zu lassen. Diese Bevormundung führte zur Verknöcherung der Verwaltung und hinderte doch nicht, daß bei den Beamten Willkür und Unredlichkeit einrissen. Die Kolonien haben aber lange Zeit ihren Zweck erfüllt; allein die Gewinnung von Gold und Silber soll von 1493–1600 einen Wert von 4027 Millionen Mark gehabt haben.

Von der 2. Hälfte des 16. Jahrh. an wurden auch die spanischen Kolonien und der Handel mit ihnen, wie die der Portugiesen in Indien, durch die Angriffe der Engländer und Holländer schwer geschädigt. Die Absperrung und die feindliche Behandlung der Fremden führten diese zu Versuchen, den Verkehr durch Gewaltmaßregeln zu erzwingen, was sich zunächst und hauptsächlich durch Überfälle und Wegnahme der mit den Schätzen Amerikas heimkehrenden Schiffe zeigte. Der Verkehr Spaniens mit Amerika durch nur einmal jährlich ausgesandte Flotten hatte bei der Unsicherheit der Meere eine gewisse Berechtigung. Aber gerade die Regelmäßigkeit dieser Fahrten[71] gab den Feinden die Möglichkeit, große Operationen zum Abfangen dieser Flotten vorzubereiten und durchzuführen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahre versammelten sich in Sevilla zwei starke Geschwader, aus den größten Schiffen der Zeit bestehend, zur Verschiffung von Waren nach Amerika. Die eine (Galeonenflotte) ging mit Ausfuhrartikeln für Mexiko und Mittelamerika nach Veracruz, die andere (Silberflotte) mit Waren für Peru und Chile, die auf Maultieren über den Isthmus nach Panama geschafft wurden, nach Portobello (oder Nombre de Dios). Am Bestimmungsort hielten beide Flotten große Messen ab, nahmen die dort aufgespeicherten Naturerzeugnisse und Metallschätze als Rückfracht ein und vereinigten sich in Havanna, von wo aus sie als Silberflotte gemeinsam die Rückreise antraten.

FERDINAND MAGELLANUS

Der Südwestweg nach Indien. Auf der zweiten portugiesischen Reise nach Indien (Cabral 1500; vgl. Seite 60) war Brasilien entdeckt und in Besitz genommen. In Lissabon erkannte man sofort, daß dieses Land als Station für die Reisen nach Indien von großem Vorteil sein würde, und sandte 1501 eine Expedition, für die Vespucci als Teilnehmer gewonnen war, zur näheren Erforschung aus. Aus einer Küstenfahrt vom Kap S. Roque bis zu 32° S. Breite und der der Spanier vom Amazonenstrom bis zum Golf von Darien (Seite 68) gewann man die Überzeugung, daß man einen großen Kontinent vor sich habe, und Vespucci wies zuerst auf die Möglichkeit hin, durch seine Umsegelung Indien zu erreichen. Er unternahm selbst in portugiesischem Dienst 1503 eine Reise zu diesem Zweck, kam jedoch nur bis zur Bai von Bahia, veranlaßte aber 1508, als Reichspilot in spanischen Dienst zurückgetreten, ein gleiches Unternehmen von dort aus. Ungünstige Umstände, besonders Unfähigkeit und Uneinigkeit der Führer, vereitelten den Erfolg; man kam nicht viel weiter als früher. Es war aber doch festgestellt worden, daß die Küste Südamerikas bis 40° S. südwestlich lief. Dies und die Entdeckung des Stillen Ozeans durch Balbao 1513 ließ den Plan Vespuccis durchführbar erscheinen und ermutigte den Spanier Dias de Solis zu einem neuen Versuch; er kam indes nur bis zum La Plata, wo er von Eingeborenen getötet wurde. Ihm folgte Fernao de Magalhaes.

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Magalhaes, ein Portugiese, hatte mehrfach Fahrten nach Indien ausgeführt und als Offizier in Marokko gefochten; in Ungnade gefallen, trat er aus dem Dienste und beschäftigte sich mit Kosmographie und Nautik. Er verfolgte mit Aufmerksamkeit die ebengenannten Expeditionen sowie die Fahrten der Portugiesen in Indien nach Osten, auf denen diese die Molukken erreicht hatten. Da die portugiesischen Seeleute aus Ruhmredigkeit die Entfernung von Malakka nach den Molukken sehr übertrieben, kam Magalhaes auf den Gedanken, daß die allseitig ersehnten Inseln schon in spanischem Machtbereich lägen, und erbot sich, sie für Spanien auf dem Südwestwege aufzusuchen.

Am 20. September 1519 trat Magalhaes mit 5 Schiffen — 2 zu 130 tons, 2 zu 90 tons, 1 zu 60 tons — die Reise an. Er verfolgte die brasilianische Küste vom Kap Augustin ab südlich und erforschte sie genauer — besonders die Bucht von Rio de Janeiro und die La Platamündung —, in der Hoffnung, eine Straße nach dem von Balbao gefundenen Westmeere anzutreffen. Vom 31. März bis 24. August 1520 überwinterte er im St. Julian-Hafen (49° 15' S.). Wie alle seine Vorgänger auf ihren ersten großen Entdeckungsfahrten hatte auch er mit der Zaghaftigkeit seiner Besatzungen zu kämpfen; während des Winterquartiers kam es sogar zur offenen Meuterei eines Teiles. Am 21. Oktober erreichte er nach Verlust eines Schiffes durch Strandung das Kap Virgines und damit den Eingang der nach ihm benannten Straße, deren Tiefenverhältnisse es bald nach dem Einsegeln wahrscheinlich erscheinen ließen, daß man es diesesmal nicht mit einer Bucht, sondern mit einer Durchfahrt zu tun habe. Wiederum verlangte jetzt ein Teil seiner Untergebenen umzukehren und die weitere Lösung der Aufgabe einer neu und besser ausgerüsteten Expedition zu überlassen, aber Magalhaes blieb fest und setzte die Reise fort. Eines seiner besten Schiffe, das er zur Untersuchung eines Nebenkanals entsendet hatte, verließ ihn hier und kehrte nach Spanien zurück, während der Admiral schon nach zwölf Tagen — den Zeitverbrauch durch Untersuchung der verschiedenen Wasserstraßen und Wiedersammeln der Flottille abgerechnet —, am 28. November, bei Kap Pillar den Stillen Ozean erreichte.

Vom Kap Pillar aus richtete Magalhaes seinen Kurs gerade nach Norden, behielt bis zu 47° S. Breite die Küste in Sicht und setzte erst auf 37° S. seinen Kurs nach Nordwesten. Die westliche Begrenzung des südamerikanischen Festlandes war hierdurch erkannt.

Bei schönem Wetter und günstigem Winde, deshalb „Stiller Ozean“ benannt, aber unter harten Entbehrungen wurde das große Weltmeer durchfahren. Wasser und Proviant wurden knapp und kaum noch genießbar; Ratten und selbst das zum Schutz in der Takelage angebrachte Schamfielingsleder wurden gegessen, Skorbut trat infolgedessen auf und forderte Opfer. Der Kurs führte zwischen den Paumotu- und Markesas-Inseln hindurch; von den ersten wurde am 24. Januar 1521 ein unbewohntes Eiland (Puka-Puka?) besucht und am 4. Februar auf einem zweiten (Flint?) eine zweitägige Rast zum Fischen gemacht. Dann wurde die Reise zwischen den Gilbert- und Marschall-Inseln und zwischen diesen und den Karolinen hindurch fortgesetzt und nun der Kurs wieder nach Westen aufgenommen,[73] bis man am 6. März auf die Ladronen (Guam und St. Rosa) stieß. Wohl wußte Magalhaes, daß sein Ziel, die Molukken, unter dem Äquator lag, aber er zog es vor, sich zunächst an Orten zu verproviantieren, die Schiffe auszubessern und auszuruhen, wo er voraussichtlich noch nicht die Portugiesen antraf. Er behielt deshalb den Westkurs bei und gelangte nach Ansegelung einiger kleinen Inseln zu den Philippinen (Zebu). Die Kaufleute dort waren bereits mit Portugiesen zusammengekommen, und man fand auch schon arabische Händler vor. Obgleich von den Arabern als Portugiese verdächtigt, wurde der Admiral doch von dem malaiischen Häuptling gut aufgenommen, fiel aber beim Versuche, hier festen Fuß zu fassen und den Häuptling als Vasallen Spaniens zum Oberherrscher der benachbarten Inseln zu machen, in einem Kampfe auf der kleinen Insel Mactun.

Wenn Magalhaes auch sein Ziel nicht mehr erreicht hat, so ist seine Expedition doch wohl die größte nautische Tat jener Zeit. Vasco da Gamas Reise bildete nur den Abschluß einer Reihe von Unternehmungen, die ihm schon tüchtig vorgearbeitet hatten, und die einzige große Fahrt über See unternahm er mit Hilfe geübter Lotsen. Kolumbus fuhr zwar wagemutig ins offene Meer, aber mit frischen Kräften und von Anfang bis zu Ende unter günstigen Wind- und Wetterverhältnissen. Magalhaes dagegen trat seine Reise in ein unbekanntes Weltmeer mit Schiffen an, die schon eine für damalige Zeit ungeheuere Leistung hinter sich hatten. So steht er von den drei kühnen Seeleuten wohl am höchsten da, und er fand auch, während die Fahrten der beiden anderen sofort und dann ununterbrochen wiederholt wurden, erst 50 Jahre später einen Nachfolger in Drake durch dessen Weltumsegelung.

Nach des Admirals Tode verließ das Glück die Expedition, deren Führung Sebastian de Elcano übernommen hatte. Infolge Verrates mußten die Schiffe nach großem Verluste Zebu verlassen; das seeuntüchtigste Schiff wurde wegen Mannschaftsmangels verbrannt, die beiden letzten Fahrzeuge erreichten unter Führung Eingeborener Borneo (Stadt Brunei). Trotz guter Aufnahme zuerst mußten sie auch von hier mit Zurücklassung einiger Gefangener fliehen, segelten östlich um die Insel und kamen am 8. November 1521 bei den Molukken (Insel Tidor) an. Hier stießen sie mit den Portugiesen, die um diese Zeit auf der benachbarten Insel Ternate Fuß faßten, zusammen, doch setzte man sich vorläufig friedlich auseinander, und die beiden Schiffe nahmen reiche Ladung an Bord. Als man Mitte Dezember die Weiterfahrt antrat, mußte ein Schiff wegen Seeuntüchtigkeit zurückbleiben. Das letzte, die „Viktoria“, segelte am 21. Dezember mit einer Besatzung von 47 Spaniern und 13 Indiern ab, erreichte über Timor und Neu-Amsterdam die afrikanische Küste, umschiffte am 18. und 19. Mai 1522 das Kap und traf, nach den größten Strapazen und Entbehrungen, Verlusten an Toten durch Krankheit und an Gefangenen (zuletzt noch beim Besuch der Kapverden von den Portugiesen gemacht), am 6. September in Spanien ein. Die erste Erdumsegelung war vollführt, nur 18 Europäer hatten die nahezu drei Jahre dauernde Reise überstanden, jedoch soll die Fracht an Gewürznelken des einen Schiffes die Kosten der ganzen Expedition gedeckt haben.

Das auf Tidor zurückgebliebene Schiff verließ die Insel am 6. April 1522 mit einer Besatzung von 50 Spaniern. Man beabsichtigte, durch den Stillen Ozean zurückzukehren,[74] und steuerte nach Nordosten. Nach monatelangem Umherirren war man aber genötigt, zu den Molukken zurückzugehen und sich in den Schutz der Portugiesen zu begeben. Das Schiff war wrack und nur noch 17 Spanier lebten. Sie und 12 Mann, die als Ansiedler auf Tidor zurückgelassen und bei der endgültigen Inbesitznahme Ternates durch die Portugiesen gefangen genommen waren, wurden absichtlich in ungesunden Orten festgehalten und erst nach langer Zeit nach Europa befördert. Nur drei Mann erreichten nach mehreren Jahren Spanien.

Die Kolonisation der auf dem Südwestwege entdeckten Länder war zunächst ziemlich bedeutungslos. Brasilien wurde von den Portugiesen im wesentlichen nur als eine Station für ihre indischen Flotten geschätzt. Der Handel dorthin war nur gering und wurde mehr von Franzosen betrieben, die sogar um 1516 auf kurze Zeit festen Fuß gefaßt hatten. Erst als 1530 die Spanier am La Plata reiche Minen entdeckten, wuchs in Portugal das Interesse für Brasilien. Man trat schärfer gegen fremden Handel auf und gründete planmäßig Niederlassungen, indem man große Lehen (capitanias) an Private gegen entsprechende Abgaben überließ. Jetzt begann die Kolonie sich zu entwickeln. Das Land wurde in Kultur genommen; die Eingeborenen behandelte man dabei ähnlich, wie die Spanier in ihren Besitzungen es taten, auch führte man wie diese Neger ein. Städte wurden gebaut, und nach und nach bildete sich ein lebhafter Handel mit dem Mutterlande aus. Auch diese Kolonie hatte von der Mitte des 16. Jahrh. an unter Angriffen der Engländer, Holländer und Franzosen zu leiden und Versuche der beiden letzten, sich festzusetzen, abzuwehren.

Im Südosten Amerikas nahmen die Spanier vom La Plata aus die Länder in Besitz. Die Kolonisierung begann mit der Gründung von Buenos-Ayres (1534) und Asuncion (1537) und machte rasche Fortschritte, so daß bald die Verbindung mit Peru und Chile hergestellt war und die Besiedelung der La Plata-Staaten teilweise auch von dort geschah.

Der „Stille Ozean“ gehörte zweifellos in den Machtbereich Spaniens, auf die Molukken aber machten beide Nationen Anspruch. Eine 1524 zur Regelung dieser Frage eingesetzte Kommission kam zu keinem Ergebnis, da beide Parteien bei ihrer Ansicht über die Lage der Inseln zur Demarkationslinie blieben und keine die Mittel besaß, der anderen ihre Fehler zu beweisen; die Differenz der Ansichten betrug 46 Längengrade.[28]

Die Portugiesen hatten sich schon auf Ternate festgesetzt, die Spanier beabsichtigten ein gleiches auf Tidor. In Mittelamerika wurde eifrig nach einer Durchfahrt geforscht, um den weiten Weg abzukürzen, aber auch eine Expedition zur Besitzergreifung wurde 1525 von Spanien durch die Magalhaesstraße gesandt. Von sieben Schiffen gelangte jedoch nur eins, an Mannschaft geschwächt und völlig seeuntüchtig, am 1. Januar 1527 nach Tidor; die übrigen waren verloren oder versprengt; eins war nach Mexiko gekommen, gewissermaßen auch ein Erfolg, weil hierdurch die westliche Begrenzung Südamerikas mehr bekannt wurde. Die schwache Besatzung des wohlbehalten eingetroffenen[75] Schiffes befestigte sich auf Tidor und hielt sich auch einige Zeit, da sie von Mexiko aus Unterstützung bekam; aber von den drei dazu entsandten Schiffen war ebenfalls nur eins angekommen, und sein Versuch, dann noch weitere Unterstützungen heranzuholen, mißlang. Mehrfach versuchte es, nach Osten zurückzusegeln, immer mußte es widriger Winde wegen umkehren und fiel schließlich den Portugiesen in die Hände. Der Rest der Spanier, 16 Mann, wurde von Tidor nach Hamalhera vertrieben und behauptete sich hier bis zum Abschluß eines Vertrages. 1529 verzichtete nämlich Spanien gegen eine Summe von 350000 Dukaten auf die Inseln, die Demarkationslinie wurde auf 17 Längengrade östlich davon angenommen. So war Portugal im alleinigen Besitz des Gewürzhandels und blieb es bis zu seiner Verdrängung durch die Holländer. Die bedeutende von Portugal gezahlte Abfindungssumme muß man aber wohl als einen Erfolg der ersten Erdumsegelung für Spanien ansehen.

Die Philippinen hätten nach dem letzten Vertrage zur Erdhälfte Portugals gehört, dennoch fielen sie Spanien zu. Von Mexiko aus wurden von 1536 an Expeditionen dorthin entsendet, die auch verschiedene neue Inselgruppen der Südsee und sogar (1545) Neuguinea berührten. Diese Entdeckungen hatten aber weiter keine Folgen, und auch auf den Philippinen wurde zunächst nichts erreicht. Den sich feindlich stellenden Eingeborenen gegenüber waren die Unternehmungen zu schwach; man war stets zur Proviantierung auf die Molukken und somit auf die Güte der Portugiesen angewiesen, und die Schiffe fielen schließlich immer diesen in die Hände, weil alle Versuche, nach Mexiko zurückzukehren, wie früher an den widrigen Winden scheiterten; durch den Indischen Ozean aber nach Europa zu segeln, verbot der Vertrag. Erst 1565 gelang es einer größeren Flotte, auf Zebu festen Fuß zu fassen, und gleichzeitig ward der Rückweg gefunden. Ein versprengtes Schiff entdeckte nämlich durch Zufall nördlich von 40° N. Breite den günstigen Wind nach Mexiko; der Führer der Flotte hatte diesen Weg gesucht in der Überzeugung, wie beim Atlantik nördlich vom Passat westliche Winde anzutreffen. Damit war die Verbindung zwischen Mexiko und den Philippinen hin und zurück gesichert; bald wurden alle Inseln unterworfen, 1570 Luzon erobert und Manila gegründet; Portugal fürchtete man auch nicht mehr, denn um diese Zeit war das kleine Nachbarland erschöpft und seine Macht in Indien schon im Rückgange.

Für den Südwestweg nach Indien sind noch einige Punkte von nur geographischer Bedeutung zu erwähnen. Die Berührung Neuguineas regte an, den vermuteten großen Südkontinent zu suchen, als dessen Nordküste man Neuguinea ansah. Am Ende des 16. und zu Anfang des 17. Jahrh. entdeckten zu diesem Zweck von Peru ausgesandte Expeditionen neue Inselgruppen der Südsee und auch die Torresstraße, doch sollten erst spätere Zeiten diese Entdeckung wiederholen und verwerten; die Kunde über die Torresstraße blieb sogar überhaupt ein in den Archiven Manilas begrabenes Geheimnis (Cook entdeckte die Straße 1770 neu). 1616 umsegelten die Holländer zuerst das Kap Hoorn und fanden damit einen günstigeren Weg zur Umschiffung Amerikas von Osten als die Magalhaesstraße mit ihren beständigen Westwinden; 1642 umsegelte der Holländer Abel Tasman von Mauritius aus Australien (und Tasmanien) und stellte damit fest, daß dieser Kontinent, Neuholland getauft,[76] nicht mit dem großen Südpolkontinent zusammenhinge; das gleichfalls gesichtete Neuseeland wurde nun lange Zeit (bis zu Cook 1770) für den Ausläufer eines solchen gehalten.

Der Nordwest- und der Nordost-Weg nach Indien. Der Gedanke, Indien auf nordwestlicher Bahn zu finden, wurde zuerst in England gefördert, aber die Anregung hierzu gab wieder ein Italiener. Giovanni Cabotto (John Cabot), Genueser von Geburt, später venetianischer Bürger, ließ sich 1490 in Bristol nieder. Bristol war durch seinen Stockfischhandel nach Südeuropa schon ein berühmter Hafen geworden. Englische und dänische Fischer besuchten seit Anfang des 15. Jahrh. bereits regelmäßig Island, und aus Island stammten Überlieferungen von den alten Normannenfahrten nach Ländern im Westen des Atlantischen Ozeans. Schon von 1491 an unternahmen Bristoler Kaufleute auf Anregung Cabots Entdeckungsfahrten nach dem Westen, 1496 erhielt er auch vom König Unterstützung und ein Patent, das ihn gegen eine Abgabe ermächtigte, unter königlicher Flagge zu fahren, zu entdeckende Länder in Besitz zu nehmen und sie im Namen des Königs zu regieren. Im Mai 1497 trat er die Reise an und erreichte Amerika am Johannistage wahrscheinlich beim Kap Bonavista; er segelte dann die Küste von Labrador entlang, bis ihn Treibeis zur Umkehr zwang. Schon Anfang August traf er wieder in Bristol ein. 1498 folgte eine zweite Fahrt mit 5 Schiffen, doch ist von ihrem Ergebnis nichts Sicheres bekannt, ebensowenig von einer späteren seines Sohnes Sebastian, der nachher für lange Jahre in spanische Dienste trat. In den nächsten Jahren folgten andere Schiffe, auch französische und portugiesische, den Spuren Cabots nach Neuschottland, Neufundland und Labrador. Man lernte den Fischreichtum dieser Küsten kennen, und Fischer der genannten Nationen begannen dort ihre Tätigkeit. Zur eigentlichen Besiedlung erschien das Land aber zu rauh und zu arm. Größere Unternehmungen ruhten etwa 20 Jahre, bis die Erfolge Magalhaes' wieder den Wunsch nach einer nördlichen Durchfahrt bei den Völkern wachriefen, die sich noch nicht recht in den Machtbereich der Spanier und Portugiesen wagten. Wir finden dann neue Versuche Frankreichs (z. B. 1524 der Florentiner Verrazano in französischem Dienste) und Englands (von 1527 an) zur Erforschung der Küste; alle erreichten nur etwa 53° N. Breite, jedoch wurde die Küste von hier bis zu 34° N. Breite (besonders durch den Franzosen Cartier 1534) genauer bekannt.

So war man bis an die Entdeckungen der Spanier im Süden herangekommen; die Ostküste Nordamerikas war festgelegt und sollte bald das Ziel der Kolonisation von Frankreich, England und Holland werden. Neue Versuche, den Weg nach Indien zu finden, wurden dagegen erst wieder nach einer Pause von 50 Jahren gemacht: die früh angetroffenen Eismassen hatten abgeschreckt. Die Engländer unter Elisabeth nahmen sie erst wieder auf, doch wurde in dem Zeitabschnitt von 1576–1632 das Ziel ebensowenig erreicht; durch die verschiedenen Entdeckungsfahrten hatte man aber von den polaren Küstensäumen Amerikas ein wesentlich klareres Bild gewonnen.[77] Die Namen der großen Seeleute, die diese Unternehmungen leiteten, sind in der Karte verewigt: Frobisher (1576–1578), Davis (1585–1587), Hudson (1609–1611), Baffin (1614–1616), Fox und James (1631 bis 1632).[29] Dann trat gar eine Pause von nahezu 200 Jahren (bis 1818) ein, und erst 1850 (Mac Clure) wurde das Vorhandensein eines Wasserweges von der Baffinsbai bis zur Beringsstraße festgestellt.

Unternehmungen, Indien auf einem Nordostwege zu erreichen, begannen erst um 1553. Es könnte dies befremden, aber man nahm bis dahin im Westen und Süden Europas an, daß das Festland Europas mit Grönland zusammenhinge. Vom Bestehen einer Küstenschiffahrt von der Nordwestküste Norwegens bis zum Weißen Meere und vom Weißen Meere bis zum Karischen Meerbusen erfuhr man erst um 1549 durch das Werk eines deutschen Gesandten in Moskau. Wahrscheinlich hierdurch angeregt, rief Sebastian Cabot bei seiner Rückkehr nach England eine Gesellschaft englischer Kaufleute — später die moskowitische Handelsgesellschaft genannt — ins Leben mit dem Zweck, auf dem nordöstlichen Wege Länder dem Handel zu öffnen, zu denen der Einfluß der Hansa nicht reichte, und womöglich um den Norden Europas herum nach Indien zu gelangen. Die Holländer folgten bald nach. Das Hauptziel ist bekanntlich auch hier nicht erreicht und Kolonien sind nicht gegründet worden; auch der Handel wurde nie bedeutend.

Eine erste englische Fahrt 1553 unter Sir Hugh Willoughby kam bis zum Weißen Meere, von wo aus man mit Moskau in Verbindung trat, eine zweite bis Nowaja Semlja, eine dritte 1580 bis zum Karischen Meer; weiter kamen auch die Holländer bei verschiedenen Expeditionen 1566–1599 nicht. Beide Nationen trieben aber regelmäßigen Handel mit und an den neuentdeckten Gestaden und gründeten dort Agenturen, die bedeutendsten seit 1584 in Archangel.

Die Versuche, Indien zu erreichen, wurden im Anfange des 17. Jahrh., als die holländisch-ostindische Kompagnie gegründet war und den Handel mit Indien auf dem Südost- und Südwestwege allein in der Hand hatte, von holländischen Kaufleuten, die dieser Kompagnie nicht angehörten, erneuert, später von der Kompagnie selbst und von der englischen moskowitischen Gesellschaft fortgesetzt. Aber man kam nicht weiter als früher, auch Versuche, von Nowaja Semlja aus oder längs der Ostküste Grönlands über den Nordpol zu steuern, scheiterten an den unüberwindlichen Eismassen, und so wurde im Nordosten wie im Nordwesten der Plan für lange Zeit, für 250 Jahre (Nordenskiöld und Palander, 1878–1879), aufgegeben.

Die Versuche, den Nordostweg zu finden, brachten aber ein sehr wichtiges, praktisches Ergebnis. Es wurde Spitzbergen entdeckt und der Reichtum seiner Gewässer an Walen und Robben erkannt.

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Schon von 1597 an sandten die Engländer vereinzelte Schiffe zum Fang nach dem hohen Norden, wobei ihnen Basken — erfahren in Fang des damals noch vorhandenen Biskaya-Wals — als Lehrmeister dienten. Von 1608 an wurde die Fischerei in größerem Maßstabe betrieben, und 1611 erhielt die moskowitische Gesellschaft das alleinige Recht dazu sowohl englischen als fremden Fischern gegenüber. Trotzdem erschienen 1612 auch die Holländer, neben ihnen Basken und Franzosen dort, und es entspann sich hier nun ein jahrelanger regelrechter Kampf, bis im Jahre 1627 ein Vertrag den Engländern den Südwesten, den Holländern den Nordwesten der Inseln als Fischereibezirk zusprach.

Das Heraustreten der Engländer und Holländer (Franzosen) in die Ozeane.[30]

Um die Mitte des 16. Jahrh. waren die Ozeane mit Ausnahme der nördlichsten und südlichsten Gewässer befahren und die Entdecker auf den verschiedenen Wegen nach Indien überall zusammengestoßen; unbekannt waren nur noch die arktischen Regionen, die Westküste Nordamerikas, die Nordküste Asiens und Australien. Spanien und Portugal, die Hauptentdecker, hatten sich in der Beherrschung der ergiebigsten Gebiete der neuerschlossenen Erde geteilt und zogen reichen Gewinn aus den überseeischen Besitzungen oder aus dem Monopol des Seehandels nach den neuen Ländern. Sie sollten sich aber nicht lange ungestört dieser Vorteile erfreuen; bald erwuchsen ihnen gefährliche Mitbewerber in den neu aufblühenden Seemächten England, Holland und bis zu einem gewissen Grade auch Frankreich. Holland und England waren seit Ende des 15. Jahrh. als Nebenbuhler der Hansa in den nordischen Gewässern aufgetreten, die bekanntlich im Laufe des 16. Jahrh. ihre Bedeutung und Macht verlor. An ihrem Rückgange waren nicht vorwiegend, wie oft gesagt, die Umwälzungen im Welthandel durch die Entdeckungen schuld. Diese sind in der 1. Hälfte des 16. Jahrh. noch nicht tiefgreifend genug gewesen; Spanier und Portugiesen, die Völker der Entdeckungen, sind nie nach dem Norden gekommen; nicht diese, sondern Holländer und Engländer wurden die Erben der Hansen. An der ersten Folge der Entdeckungen, nämlich der zunehmenden Schiffahrt vom Norden nach der Pyrenäischen Halbinsel, beteiligte sich die Hansa in demselben Maße wie England und Holland. Sie sank, als die skandinavischen Reiche sowie England erstarkten und die hansische Handelsherrschaft abschüttelten, gleichzeitig wuchs die Macht des deutschen Fürstentums und strebte erfolgreich danach, die verlorene Herrschaft über die deutschen Städte im allgemeinen wiederzugewinnen. Die Aufgabe des hansischen Städtebundes, seine Herrschaft auf der See zu verteidigen und seine politische Unabhängigkeit zu wahren, wurde zu groß für die immer kleiner werdende Zahl der Städte; unglückliche Seekriege offenbarten die innere Schwäche des Bundes und untergruben die Achtung vor seiner Macht. Die nordischen Staaten begünstigten die neuen Händler, Holländer und Engländer, und[79] beschnitten die der Hansa gewährten Rechte, wie es auch Elisabeth in England tat. Wenn die Hansen zu Anfang des 16. Jahrh. die Ostsee als ihr Meer ansehen konnten, so waren sie an seinem Ende dort nur noch geduldet.

Um diese Zeit erlitten die Hansen nun noch zwei schwere Einbußen: die Heringszüge wandten sich nach der Nordsee und wurden die Beute der englischen und noch mehr der holländischen Fischer; diese betrieben den Heringsfang 1634 mit 2500 bis 3000 Fahrzeugen, selbst an den Küsten Schottlands, und erzielten daraus einen jährlichen Gewinn von 20 Millionen Mark. Ferner zog sich ein großer Teil des russischen Handels infolge der nordischen Kriege in der Ostsee nach den von den Engländern und Holländern gegründeten Agenturen in Archangel.

Mit dem Niedergange der Hansa wuchs die Schiffahrt Englands und Hollands seit der Mitte des 16. Jahrh. ganz bedeutend. Während im Jahre 1531 nur 310 holländische Schiffe nach der Ostsee gefahren waren, liefen im April 1587 gegen 800 dahin aus, und 1640 sollen gar 1600 den Sund passiert haben; der englische Handel erreichte hier um diese Zeit bei weitem nicht denselben Umfang, den 1600 holländischen Schiffen stehen nur 430 englische gegenüber.

Auch der Verkehr beider Nationen nach dem Süden und dem Mittelmeer wuchs an, wiederum besonders der der Holländer. Diese hatten bald den Zwischenhandel zwischen der Pyrenäischen Halbinsel und dem Norden in die Hand genommen und trotz ihres Krieges mit Spanien erweitert; als ihnen im Verlauf des Krieges die Häfen der Halbinsel geschlossen wurden, setzten sie den Handel mittels Schmuggel fort, der Ausschluß von Spanien führte auch ihre Schiffe mehr ins Mittelmeer. Von dem Bestreben der beiden jungen Seemächte und Frankreichs, im Norden Wege nach Indien zu finden, hörten wir bereits, auch wie dieses die Entwicklung einer blühenden Hochseefischerei an verschiedenen Stellen mit sich brachte.

Die Tätigkeit auf allen diesen Gebieten in den nordischen Gewässern mit ihren Beschwerden und Gefahren war für die Holländer und Engländer eine gute Schule zur Ausbildung ungemein tüchtiger Seeleute, die sich bald stark genug fühlten, die Macht und die auf päpstlichen Bullen fußenden Rechte der Spanier und Portugiesen nicht mehr zu achten. Ihre Schiffe erscheinen in den südlichen Meeren; zunächst sind es bewaffnete Kauffahrer der Engländer, von den Spaniern Piraten genannt, die einzeln und in Geschwadern — in Kriegszeiten mit Kaperbriefen versehen und von der Regierung unterstützt — die mit Edelmetallen und Tropenerzeugnissen heimkehrenden Schiffe und die Kolonien bedrohen, später treten bewaffnete kaufmännische Expeditionen beider Völker zur Gründung von Niederlassungen und Anknüpfung von Handelsverbindungen hinzu; eine endlose Reihe von kleinen und großen Zusammenstößen in allen Teilen der Welt ist die Folge. Dieser Kampf gegen die Spanier und Portugiesen wird geschürt durch Glaubenshaß, die große Frage des Zeitalters, und ist bei den Holländern gleichzeitig der auf das Meer übertragene Streit gegen ihre Unterdrücker, in dem England ihnen als Bundesgenosse zur Seite steht.

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Francis Drake.

Von England aus unternahm schon zwischen 1530 und 1540 William Hawkins mit einem Schiff von 250 tons drei erfolgreiche Reisen nach Guinea und Brasilien und brachte Gold, Elfenbein und wertvolle Naturerzeugnisse heim. Seinem Beispiele folgten andere; lange Fahrten, schlechte Verpflegung, Skorbut, außer den Gefahren zur See Zusammenstöße mit den Portugiesen machten auch diese Reisen zu einer Schule für die englischen Seeleute, besonders für die Kapitäne. Die Unternehmungen mehrten sich unter Elisabeth, die ja auch die Entdeckungen im Norden und die Hochseefischerei förderte, und wurden bald in kleinen Geschwadern und mit größeren Schiffen ausgeführt. Sie erzielten besonders großen Gewinn, als mit ihnen der Negerhandel von Afrika nach Westindien verbunden wurde. 1562 brachte John Hawkins, Sohn des eben Genannten, mit 3 Schiffen zu 120 und 100 tons die ersten Sklaven hinüber, 1565 mit 4 Schiffen, worunter schon eins von 700 tons war. Auf einer dritten Reise 1568 hören wir, daß sich die Engländer zum ersten Male die Erlaubnis zum Handel in Rio de la Hacha und Cartagena mit Waffengewalt erzwingen und infolgedessen in San Juan de Ulloa, Mexiko, von den Spaniern überfallen und teilweise vernichtet werden. Damit beginnt die englische Freibeuterei[31] in größerem Maßstabe. Einer ihrer berühmtesten Führer, Francis Drake, war Kapitän eines der Schiffe Hawkins' gewesen; er soll den Spaniern Rache geschworen haben für die grausame Behandlung seiner Kameraden, die der Inquisition in die Hände gefallen waren. Es heißt in England: „Ob Krieg ob Friede zwischen England und Spanien, Krieg zwischen Drake und den Landsleuten der Inquisition war stets hinfort.“

Im Jahre 1572 erschien er mit drei kleinen Schiffen — zu 70, 25 tons und einem noch kleineren — sowie drei auseinanderzunehmenden Pinassen, wozu noch ein einzelner Freibeuter stieß, am Isthmus von Panama und griff Nombre de Dios an, von wo aus die Reichtümer Perus nach Europa verschifft wurden. Abgeschlagen gelang es ihm dennoch, mit Hilfe von entlaufenen Sklaven (Indianern), auf dem Isthmus den Silbertransport abzufangen. Bei dieser[81] Gelegenheit sah er den Stillen Ozean und betete zu Gott, „to give him life and leave, once to sail an english ship on that sea.“

Als ein Beispiel der Kühnheit englischer Freibeuter dieser Zeit folgender Vorfall: Drake kehrte nach England als reicher Mann zurück und tat einige Jahre in Irland Dienst. In dieser Zeit rüstete sein Leutnant John Oxenham ein Schiff von 140 tons aus, um das eben gelungene Wagnis zu wiederholen. Da er hörte, daß die Transporte jetzt stets von starker Bedeckung begleitet würden, beschloß er, sich der Schätze Perus schon auf dem Wege nach Panama zu bemächtigen. Er marschierte über den Isthmus, baute an der Westküste eine Pinasse und fing wirklich im Stillen Ozean, den er also als erster Engländer befuhr, zwei reichbeladene Schiffe. Da er aber die Besatzung entkommen ließ, wurde er vor seinem Rückmarsch über den Isthmus überfallen, ein Teil seiner Leute blieb im heftigen Kampf, er selbst mit dem Rest wurde in die Bergwerke von Lima geschickt.

Im Jahre 1577 erhielt Drake die Mittel, seine Hoffnung zu erfüllen. Er segelte am 13. Dezember mit fünf Schiffen — sein Flaggschiff „Pelican“, auf der Reise „Golden Hind“ umgetauft, zu 100 tons, ferner je eins zu 80, 30, 50, und 15 tons —, aber ein Sturm nach Passieren der Magalhaesstraße zerstreute das Geschwader; zwei Schiffe gingen verloren, zwei kehrten nach England zurück, und nur mit dem Flaggschiff erreichte Drake Callao. Während seiner weiteren Fahrt nahm er zwei reiche Kauffahrer weg und suchte die Küste bis 48° N. Breite, weiter als die Spanier bisher gekommen waren, nach einer Durchfahrt ab; dann segelte er als erster englischer Weltumfahrer durch den Stillen und den Indischen Ozean heim. Am 26. September 1580 traf er in Plymouth ein; die Königin Elisabeth speiste bei ihm an Bord des „Golden Hind“ und schlug ihn zum Ritter.

Dieses erste Erscheinen der Engländer im Stillen Ozean erregte natürlich in Spanien und seinen Kolonien Furcht und Zorn, doch beantwortete Elisabeth einen Protest dagegen mit der Erklärung, sie erkenne die durch Bullen verliehenen Rechte nicht an und würde nur wirklich besetztes Land als spanisches Eigentum achten. Spanien machte infolgedessen Versuche, die östliche Einsegelung in die Magalhaesstraße durch befestigte Niederlassungen zu sperren und spätere Expeditionen schon im Atlantik abzufangen. Solche Expeditionen folgten bald.

1582: 1 Schiff zu 400, 1 zu 300, 1 zu 40 tons, eine Pinasse; doch mußte man nach Zusammenstoß mit den Spaniern schon in Brasilien umkehren; 1586: 1 zu 120, 1 zu 60, 1 zu 40 tons; man kam bis Mexiko, plünderte Städte, zerstörte Schiffe, nahm ein Silberschiff zu 700 tons, umsegelte ebenfalls die Erde und kehrte 1588 nach Verlust der beiden kleineren Fahrzeuge zurück (Thomas Cavendish); 1589, außer der Brandschatzung von Bahia ein Mißerfolg; 1593 ging wieder ein Hawkins, Richard, in der dritten Generation, mit einem Schiff von 350 tons zur Westküste Amerikas, plünderte zahlreiche Warenhäuser und machte reiche Prisen, erlag aber schließlich der spanischen Übermacht.

Weit gefährlicher aber als dieses Erscheinen vereinzelter Schiffe an der Westküste Amerikas wurde den Spaniern das Auftreten der Engländer in Westindien und im Atlantik. Der Ausschluß vom Handel in Westindien und die verlockende Nähe der reichen spanischen Besitzungen reizten die englischen Seefahrer, sich für die ihnen entgehenden Vorteile auf[82] unrechtmäßigem Wege durch Wegnahme spanischer Schiffe und Plünderungszüge zu entschädigen. Den ersten Zügen Hawkins' und Drakes folgten andere, Drake selbst brandschatzte 1585 nochmals St. Domingo, Cartagena und die Niederlassungen in Florida. Von diesem Jahre an, in dem sich Elisabeth offen auf die Seite der in Aufstand getretenen Niederlande stellte, war außerdem offener Kriegszustand zwischen den beiden Nationen; man kann nun die englischen Raubzüge nicht gut mehr Piraterie nennen, denn die Schiffe waren mit königlichen Patenten zur Schädigung des Feindes versehen. Drake erhielt als erster ein solches, und Privatpersonen wurden sogar königliche Schiffe zu Kaperzwecken zur Verfügung gestellt. Ganz besonders mehrten sich diese Unternehmungen, als Macht und Ansehen der spanisch-portugiesischen Seemacht infolge der Armadakatastrophe gesunken war und England energisch den Krieg auf dem Meere gegen Spanien führte. Private Züge mit königlichen Patenten und Unternehmungen der Kriegsmarine lassen sich jetzt kaum auseinanderhalten: in den Geschwadern der ersteren werden Kriegsschiffe als Kern verwendet und die königlichen Flotten enthalten wiederum viele, oft sogar in der Mehrzahl, geheuerte Kauffahrer (vgl. S. 133 „England nach Abwehr der Armada“). Auch Englands Ansiedelungsversuche in Nordamerika und Westindien gingen nicht ohne Gewalttätigkeiten ab, so daß um das Ende des 16. Jahrh. Spaniens Seefahrt und seine Kolonien ununterbrochen den Angriffen englischer Einzelschiffe und Geschwader ausgesetzt waren, bis endlich mit dem Friedensschluß 1604 und dem Verbot Jacobs I., spanische Schiffe aufzubringen, wenigstens die größeren Züge dieser Art aufhörten.

In der ersten Hälfte des 17. Jahrh. beginnen dann aber kaufmännische und kolonisatorische Unternehmungen in Asien und Amerika; so erfolgte das Auftreten der Engländer in Indien und führte trotz des Friedens in Europa zu weiteren Kämpfen mit Portugal.

1587 hatte Drake bei den Azoren einen großen portugiesischen Ostindienfahrer „San Felipe“ aufgebracht, der eine Ladung von 2 Millionen Mark an Wert führte. Aber wichtiger war, daß auf ihm Papiere gefunden wurden, die genauen Aufschluß über die Art des Betriebes des ostindischen Handels sowie über den enormen Gewinn, den er abwarf, gaben; diese Umstände waren ebenso wie Karten und Segelanweisungen der indischen Gewässer von den Portugiesen stets geheim gehalten. Es soll dieser Fund viel dazu beigetragen haben, die Engländer nach Indien zu führen.

Schon im Jahre 1591 segelte eine erste Expedition von 3 größeren Schiffen unter James Lancaster nach Indien. Zwar gingen sämtliche Fahrzeuge nach vielen Abenteuern verloren, aber man hatte doch das Ziel erreicht, verschiedene reiche portugiesische Schiffe genommen und war mit dem Sultan von Atchin, dem größten Feinde Portugals, in Verbindung getreten; Lancaster selbst kam wohlbehalten zurück. Eine zweite Expedition 1596 hatte keinen Erfolg. Am 31. Dezember 1600 (nach Clowes 1599) erhielt eine Gesellschaft von Kaufleuten als ostindische Kompagnie[32][83] den königlichen Freibrief mit verschiedenen Rechten zum Handel nach Indien. Im Februar 1601 (nach Clowes 1600) verließ ihr erstes Geschwader — 1 Schiff zu 600 tons, 1 zu 260, 1 zu 240 nebst 2 oder 3 Proviantschiffen — unter Lancaster mit Briefen der Königin an die indischen Fürsten, besonders an den Sultan von Atchin, England, schloß Handelsverbindungen, gründete Faktoreien in Atchin und Bantam und kehrte September 1603 (1602) zurück. Eine zweite Reise derselben Schiffe (März 1604) verlief ebenso günstig, beide warfen einen Gewinn von 95% ab; auf Fahrten 1606, 1607 und 1608 wurde ein noch höherer erzielt. Einige Mißerfolge abgerechnet, wuchs die Macht der Kompagnie schnell, besonders als man sich nach dem Festlande, zunächst der Westküste Vorderindiens, wandte, wo man von den bald auch in Indien erschienenen Holländern weniger gestört wurde; überall machte man sich die Unzufriedenheit der Eingeborenen mit den Portugiesen geschickt zunutze. 1612 wurde eine Faktorei in Surat errichtet, Kompagnie und Regierung traten mit dem Großmogul in freundschaftliche Verbindung. Jahr für Jahr folgten sich die Reisen; 1618 betrug die Zahl der Schiffe der Kompagnie schon 36. Ihre Größe war 200–600 tons, besonders beliebt scheinen solche zu 500 tons, 20–30 Geschütze mittleren Kalibers, 200 Mann, ähnlich den Kriegsschiffen der Zeit, gewesen zu sein. Zusammenstöße mit den Portugiesen in wirklichen Seegefechten von Geschwadern zu 4–8 Schiffen fielen meist zugunsten der Engländer aus; wenn auch die Portugiesen an Zahl und Größe der Fahrzeuge häufig überlegen waren und noch über die erwähnten (Seite 63) großen offenen Boote verfügten, so waren ihre Schiffe doch nicht so gefechtskräftig und wurden auch wohl weniger geschickt geführt und bedient.

Gefährlicher wurden der Kompagnie die Holländer, die den Engländern nach Indien gefolgt und dort bald weit mächtiger geworden waren. Beide Nationen taten sich gegenseitig sowohl mit Gewalt wie durch Beeinflussung der einheimischen Fürsten möglichst viel Abbruch. Von 1619 an gingen sie zu beiderseitigem Vorteil auf kurze Zeit zusammen gegen Portugal vor: Sie setzten eine gemeinsame Behörde, "Council of defence", ein, organisierten eine Flotte von 20 gemeinschaftlich gestellten Kriegsschiffen und teilten sich die Kosten der Garnisonen an Plätzen, wo sie beide interessiert waren; sie einigten sich über Handelsgebiete und verabredeten, den Handel nach China, Japan und den Philippinen — der übrigens von den Engländern bald für längere Zeit wieder aufgegeben wurde — gemeinsam zu betreiben.

Wie viel mächtiger Holland war, kann man daraus ersehen, daß im Jahre 1622 28 englischen Schiffen 83 holländische Fahrzeuge gleichzeitig auf der Station gegenüberstanden. So beanspruchten die Holländer denn auch, aus dem Vertrage den größeren Vorteil zu ziehen. Schon 1623 war die feindselige Stimmung schlimmer als je zuvor; im Februar dieses Jahres wurden im holländischen Amboina 10 dort angesessene Engländer mit ihren Dienern unter der Anschuldigung, sich mit den Eingeborenen gegen die Holländer verschworen zu haben, von diesen gefoltert und hingerichtet. Diese „Amboina-Affäre“ führte zu Vergeltungsmaßregeln seitens Englands selbst in[84] den europäischen Gewässern und sollte später einer der Gründe des ersten holländisch-englischen Krieges werden.

In den nächsten Jahren erzielte die englisch-ostindische Kompagnie eigentlich nur Erfolge den Portugiesen gegenüber. Ihnen wurde ein Handelsgebiet nach dem andern, besonders auf dem Festlande, abgenommen.[33] Der schwerste Verlust wurde ihnen aber dadurch zugefügt, daß man 1622 die Perser bei der Eroberung des wichtigen Platzes Ormuz unterstützte. Reibungen mit Holland vermied man nach Möglichkeit, indem man seinem Hauptgebiet, der Inselwelt, fernblieb und dort schon Besetztes größtenteils wieder aufgab.

Im Vergleich mit Holland war zu Ende des geschilderten Zeitabschnittes der Einfluß Englands in Indien noch gering; außer einigen Faktoreien mit schwachen Forts besaß die Kompagnie kein Eigentum. Von 1636 an hatte sie auch unter dem Wettbewerb einer zweiten Gesellschaft, der Courtenschen, zu leiden, die gleichfalls Rechte erhalten hatte und Faktoreien anlegte, bis sie 1649 mit der ostindischen Kompagnie verbunden wurde. In arge Bedrängnis versetzten endlich die Kompagnie, die auf eine Unterstützung aus der Heimat nicht rechnen konnte, die überlegenen Holländer während des ersten englisch-holländischen Krieges. Bis zu ihrer Erstarkung und Blüte verging noch manches Jahr.

Das Festsetzen der Engländer in Nordamerika begann mit der gewaltsamen Inbesitznahme der Fischerei auf den Neufundlandbänken. Diese hatte sich so entwickelt, daß 1578 dort etwa 50 englische, 100 spanische, 30 baskische, 100 portugiesische und 150 bretagnische Fahrzeuge fischten. Königin Elisabeth unterstützte die Hochseefischerei in jeder Hinsicht, sie hatte sogar 1563 angeordnet, daß jeder Engländer Mittwochs und Sonnabends Fisch essen solle, wie die Akte besagt, „zur Förderung der Fischer und Seeleute, der Häfen und der Schiffahrt“. 1583 wurde nun von Neufundland (St. Johns), wo schon eine Fischerkolonie bestand, feierlich Besitz genommen, bei Ausbruch des Krieges mit Spanien 1585 legte man auf alle spanischen und portugiesischen Fischerfahrzeuge Beschlag und nahm die Besatzungen gefangen; damit waren diese Nationen vom Fischereibetrieb ausgeschlossen.

1584 erhielt Walter Raleigh ein Patent zur Besitzergreifung aller zu entdeckenden Länder in Amerika, die noch nicht im Besitz christlicher Fürsten seien. Seine ersten Niederlassungen in Nordcarolina (Roanoke) hatten aber keinen dauernden Bestand; erst als 1606 zwei Kompagnien, die von Plymouth und die von London, das Besiedlungsrecht für Nordamerika erhielten — die eine von 42°–45° N., die andere von 34°–38°, die dazwischen liegende Küste war beiden zugestanden —, kam die Kolonisation vorwärts, wenn auch anfangs nur langsam infolge gegenseitiger Eifersucht und Kämpfe mit Indianern und mit benachbarten Niederlassungen der Holländer und[85] Franzosen. Die ersten Ansiedelungen wurden an der Chesapeake-Bai (Virginia) und am Kennebec-Flusse (Maine) gegründet; andere Gesellschaften folgten, so daß bis 1635 die ganze Küste von Virginia bis Maine von Engländern besiedelt war, geteilt in eine Anzahl Kolonien, fast genau den jetzigen Küstenstaaten der Union entsprechend, mit getrennter, sogar bald dem Mutterlande gegenüber ziemlich selbständiger Verwaltung. Nur am Delaware und am Hudson bestanden um diese Zeit noch einige holländische und eine schwedische Niederlassung, die erst um 1664 an England fielen. Im Norden der englischen Kolonien waren Acadia (Neubraunschweig und Neuschottland) und Kanada in französischem Besitz, und auch Neufundland war nicht allein von Engländern, sondern auch von Franzosen besiedelt, so daß es trotz formeller Besitzergreifung zu dieser Zeit noch nicht als englische Kolonie angesehen werden kann. Carolina, zum spanischen Florida gehörig und von französischen Hugenotten aufgesucht, wurde zwar bald auch von Engländern, hauptsächlich von Virginien aus, bevölkert, kann aber erst vom Ende des 17. Jahrh. an als englische Besitzung betrachtet werden. Virginia und die sogenannten Neuenglandstaaten (New Hampshire, Massachusetts, Connecticut, Rhode Island) entwickelten sich mehr und mehr; Virginia besonders nach Einführung des Tabakbaues mit Hilfe von Negersklaven, von den Neuenglandstaaten vorzüglich die, wohin sich aus England ausgewiesene Puritaner wandten, wie z. B. Massachusetts.

Versuche Raleighs, 1594–1617 in Südamerika (Guayana) Niederlassungen zu gründen, und spätere hatten keinen dauernden Erfolg; erst 1652 gelang es, hier festen Fuß zu fassen. Dagegen nahm England in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. noch von einigen westindischen Inseln Besitz. In den Jahren 1605–1630 wurden St. Lucia, St. Christopher (dieses mit Franzosen gemeinschaftlich), Barbados, Tabago, St. Martin, Nevis, Tortuga, Antigua besiedelt. Einige dieser Kolonien hatten anfangs viel von spanischen Angriffen zu leiden und gingen zeitweise wieder verloren, andere blühten schnell auf, so besonders Barbados. Die für die Zukunft wichtigste Besitzung in Westindien erlangte England 1655 durch Eroberung der langbegehrten Insel Jamaica. Auf dem Wege nach Amerika ist auch 1612 die erste Kolonie auf den Bermudas gegründet, die sich ungestört schnell entwickelte und schon 1619 ihr Parlament hatte. Von hier wandte man sich 1646 nach den Bahamas, wurde von dort aber später von den Spaniern wieder vertrieben.

Holland ging, obgleich es in den europäischen Gewässern die Engländer überholt hatte, doch erst später als diese auf die Ozeane hinaus. Zwar soll schon 1585 dafür Stimmung gemacht worden sein, Spanien in seinen Kolonien anzugreifen, aber man getraute es sich noch nicht. Als aber nach der Armada-Katastrophe der eigentliche, bisher nur in den Küstengewässern geführte Krieg auf die offene See überging, ja sogar im Verein mit England an die feindlichen Küsten getragen wurde, wuchs die Zuversicht und Unternehmungslust. Die Erfolge der englischen Freibeuter und die Beeinträchtigung[86] des Zwischenhandels durch Schließen der spanisch-portugiesischen Häfen veranlaßte auch die Holländer, dem Beispiel der Engländer zu folgen, den feindlichen Handel auf dem Ozean zu stören, in den fernen Weltteilen Handelsverbindungen selbst zu suchen und Kolonien zu gründen.

Die Haupterfolge errang man in Indien, wo England bald überflügelt wurde. 1595 unternahm Cornelis Houtman im Auftrage einer Handelsgesellschaft mit 4 Schiffen die erste Reise nach Indien, besuchte Java und Sumatra und kehrte 1597 mit 3 Schiffen zurück; andere folgten. 1602 wurden die verschiedenen Gesellschaften zu einer, der ostindischen Kompagnie,[34] vereinigt, die das Recht erhielt, vom Kap bis zur Magalhaesstraße Handel zu treiben, im Namen der Generalstaaten Bündnisse und Verträge abzuschließen, Festungen zu bauen, Militär zu halten und Beamte anzustellen. Nun folgten sich die Expeditionen Jahr für Jahr, und der Machtbereich der Kompagnie wuchs ungemein schnell.

Unter schweren Kämpfen mit den Portugiesen, die im Anfang an Zahl und Größe der Schiffe überlegen waren und ihnen bereits Errungenes zeitweise wieder entrissen, setzten die Holländer sich zunächst auf den Molukken fest: 1603–1610 erwarben sie Amboina, Banda, Tidor, Ternate; 1619 wurde Batavia gegründet und bald der Mittelpunkt der sich immer weiter auf der Inselwelt ausbreitenden Besitzungen. Aber auch an der Süd- und Ostküste Hinterindiens gründeten sie Faktoreien und wurden 1641 durch die Eroberung Malakkas nun Herren der Gewässer des Malaiischen Archipels und des Handels dort. Sie folgten den Engländern nach Vorderindien (Surat) und nach Bengalen und bedrohten dort die letzten bedeutenden portugiesischen Besitzungen; später (1656) gelangten sie in den Besitz Ceylons und einiger wichtiger Punkte der Malabarküste (Cochin 1663).

Ihre Handelsreisen dehnten die Holländer aus nach Formosa, den Philippinen, China und Japan; die englischen Versuche, in den letzten beiden Ländern Verbindungen anzuknüpfen, wurden bald wieder aufgegeben; die Holländer allein haben während zweier Jahrhunderte Zutritt auf einer kleinen japanischen Insel bei Nagasaki gehabt. Wenn sie auch in China jetzt noch keinen Einlaß fanden — hier hat nur Portugal für lange Zeit in Macao eine Niederlassung besessen —, so wurden doch durch sie die östlichen Umrisse Asiens bis zu den Kurilen (1634 entdeckt) bekannt. Vom Malaiischen Archipel aus berührten sie gelegentlich die Küste Neuguineas, auf ihren Reisen nach Indien die Westküste Australiens, und 1642 umsegelten sie Australien und Tasmanien. Es ist aber auch dies nur von geographischem Interesse. Neuguinea und Australien reizten nicht zu weiteren Unternehmungen, weshalb die Kenntnis von diesen Ländern wie von Neuseeland bis 1770 (Cook) unvermehrt blieb; erst 1786 begann die Besiedlung Australiens von England aus.

Das Verhältnis der holländisch-indischen Kompagnie zur englisch-indischen wurde bereits geschildert. Wenn sie nach dem Vorfall in Amboina zuweilen zusammengingen, wo es beiden Nutzen versprach, und ihre Seestreitkräfte sich mehrfach zum Angriff auf die Portugiesen vereinigten, so wurden anderseits die Kriege der beiden Nationen in Europa auch in Indien zwischen den Kompagnien ausgefochten.

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Die ungeheuere Macht der ostindischen Kompagnie[35] und ihr Wachsen in kurzer Zeit kann man aus dem Bestande ihrer Schiffe ersehen. In den ersten fünf Jahren des Bestehens der Kompagnie gingen 40 Schiffe nach dem Osten ab; 1616 besaß sie 45 größere Schiffe und viele kleinere; 1622 waren in Indien 83 Fahrzeuge, und zwar 52 Schiffe, 18 Jachten, 13 Fregatten (Ruderboote wie die der Portugiesen, Seite 63), folgendermaßen verteilt: 16 vor Batavia; 8 nach den Molukken; 5 Küste Goa bis Surat; 2 in Bantam; 4 nach Sumatra; 3 in Surat; 16 nach China; 4 in Patang; 1 in Mokka; 1 in Japan; 7 Koromandel; 10 Malakkagewässer; 5 nach Manila; — 12 Schiffe wurden von Holland erwartet. Die Schiffe hatten eine Größe von 300–900 tons, 20–30 Kanonen, die Jachten 100–200 tons. Die kleineren Schiffe und Fahrzeuge waren mehr für den Zwischenverkehr in Indien bestimmt, die größeren fuhren von und nach der Heimat und zeigten die Flagge von den arabischen und persischen Gewässern bis Japan.

Seit 1595 hatten auch Fahrten der Holländer nach Westafrika begonnen, und man hatte trotz des Widerstandes der Portugiesen befestigte Faktoreien an der Goldküste angelegt und bald den Handel dort fast ganz in die Hand bekommen. Diese Forts wurden 1631 der westindischen Kompagnie übergeben, die schließlich die letzten Punkte der Portugiesen an der Goldküste und auch die Insel St. Thomé sowie St. Paolo de Loanda einnahm. Die beiden letzten Eroberungen mußten jedoch 1648 zurückgegeben werden, Holland hielt sich aber schadlos, indem es 1652 das Kapland, das zwar von Portugal beansprucht, aber nie besiedelt war, als einen wichtigen Stützpunkt für die Fahrten nach Indien besetzte.

Auch in Ostafrika beunruhigte man die portugiesischen Kolonien, die so schon im Anfang des 17. Jahrh. viel von Türken und Eingeborenen zu leiden hatten; ein Versuch 1607, sich in Mozambique gewaltsam festzusetzen, gelang jedoch nicht.

Nach Nordamerika wandte sich Holland 1609. Hudson machte seine erste Reise zur Erforschung eines Nordwestweges im Dienst der holländisch-ostindischen Kompagnie und erforschte dabei besonders die Küste beim Delaware- und Hudson-Flusse. An beiden Flüssen gründeten bald darauf, trotz englischen Einspruchs, Amsterdamer Kaufleute Niederlassungen mit Forts — der Ursprung der jetzigen Staaten New Jersey und New York —, der ganze Küstenstrich wurde Neu-Niederland genannt. Diese Kolonie wurde der holländisch-westindischen Kompagnie unterstellt und war ein wichtiger Stützpunkt für die Kreuzer gegen den spanischen Handel. Anfangs wuchs sie nur langsam und konnte selbst ein Niederlassen der Schweden 1635 an der Mündung des Delaware nicht hindern. Infolge der Erlaubnis der Einwanderung von Kolonisten aller Völker hob sie sich dann und vertrieb 1655 die Schweden, fiel aber doch schon 1664 den Engländern zu.

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Von weit größerer Bedeutung aber und den Spaniern sowie Portugiesen gefährlicher war das Auftreten der Holländer in Südamerika, Westindien und sonst im Atlantik, als man den Krieg auf das offene Meer übertrug und den spanischen Handel angriff. Schon von 1604 an, also gerade als die größeren englischen Raubzüge aufhörten, suchten holländische Geschwader besonders die brasilianische Küste auf. Um 1621 wurde die holländische westindische Kompagnie gegründet mit demselben Zweck wie die ostindische, hauptsächlich aber, um in organisiertem Seeraub mit starken Geschwadern den Verkehr des Feindes mit seinen Kolonien zu stören und zu unterbinden. Da der Reichtum Hollands in den letzten Jahren sehr zugenommen hatte, wuchs sie noch schneller als ihre ältere Schwester in Ostindien.[36]

Schon in den Jahren 1624 und 1625 war sie imstande, vier Flotten in See zu schicken, die zusammen aus 72 Schiffen mit 1200–1300 Geschützen und 9000 Seeleuten und Soldaten bestanden. In den Jahren 1623–1636 hat sie mehr als 800 Schiffe mit 62000 Mann teils für Handelszwecke, teils — die größeren — nur für Kriegszwecke auslaufen lassen; der Bestand an Mannschaften war oft für längere Zeit 24000 Mann. Welchen Schaden diese Kräfte dem feindlichen Handel zufügten, ersieht man daraus, daß während dieser 13 Jahre mehr als 600 feindliche Kriegs- und Handelsschiffe genommen wurden, darunter z. B. 1623 30 Brasilienfahrer und 1628 die ganze Silberflotte, die dem Admiral Pitt Heyn vor Havanna in die Hände fiel.

Auch die Schiffe der westindischen Kompagnie waren, ähnlich der ostindischen, aber teilweise schwerer armiert, Fahrzeuge von 200–1000 tons, 10–44 Geschützen, 60–250 Mann; die Hauptkraft bestand aus solchen von 500–700 tons, 30–40 Geschützen, 200 Mann. Die Schiffe der Kompagnien waren zum großen Teil größer als die damaligen holländischen Kriegsschiffe.

Einige der Antillen wurden 1625, und 1634 Curaçao besetzt, auch in Brasilien wurde ein größeres Kolonialreich geplant. Eine der erwähnten 4 Flotten — 23 Segel, 500 Geschütze, 1600 Mann — hatte 1624 Bahia erobert; 1625 wurde diese Stadt zwar durch eine spanisch-portugiesische Flotte von 67 Segeln mit 12000 Mann zurückgewonnen, aber 1630 faßte eine neue holländische Expedition[37] in Pernambuco (Olinda, Recife) wieder Fuß. Von hier aus wurde in den nächsten Jahren ein großer Teil der Küsten Brasiliens erobert und eine Kolonie, Neu-Holland mit der Hauptstadt Recife, gegründet, die aber infolge des schwachen Zuzugs von holländischen Kolonisten nicht lange bestand. Als 1640 Portugal wieder frei von Spanien und damit ein Verbündeter Hollands wurde, begann man, die militärischen Ausgaben für die Kolonie einzuschränken. Die von England geschürte Gärung unter den nie bezwungenen Urkolonisten nahm zu und offene Empörung brach aus. In jahrelangen Kämpfen vertrieben die Empörer, von Portugal heimlich unterstützt, nach und nach die Holländer,[89] bis diese, auch noch durch den ersten englisch-holländischen Krieg behindert und geschwächt, im Januar 1654 die letzten Posten an Portugal zurückgaben.

Auch an der Nordküste Südamerikas, in Guayana, wurden in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. einige Niederlassungen gegründet; die wichtigsten lagen am Essequibo und Berbice, also im jetzigen Britisch-Guayana, während die ersten englischen Niederlassungen im jetzigen niederländischen Surinam entstanden. Die Besitzverhältnisse in Guayana haben sich in den nächsten 200 Jahren infolge der vielen Kriege zwischen Holländern, Engländern und Franzosen beständig verschoben.

Auch Frankreich hatte mit überseeischen Unternehmungen begonnen, wenn auch nicht in demselben Umfange wie die Holländer. Franzosen waren schon im Mittelalter an den Fahrten nach den wiederaufgefundenen Kanarischen Inseln beteiligt. 1402 gründete ein Hofbeamter Karls VI. dort ein kleines Staatswesen; französische Seeleute aus Dieppe und Rouen haben um die Mitte des 14. Jahrh. die Westküste Afrikas besucht und Faktoreien angelegt, aber innere und äußere Kriege ließen alles wieder verfallen. Nach, allerdings nicht beglaubigten, Überlieferungen sollen die Franzosen vor den Portugiesen und Engländern Brasilien und Neufundland entdeckt haben; sicher ist, daß sie seit Anfang des 16. Jahrh. beide Länder besuchten. In Brasilien wurden bei Bahia Ansiedelungen gegründet, aber 1516 von den Portugiesen zerstört; der schon lebhafte Handel ging jedoch, wenn auch unter Kämpfen mit den Portugiesen, weiter. Ebenso scheiterten die ersten Versuche des Entdeckers Cartier 1535 und 1541, in Kanada (Quebec) Fuß zu fassen; eine 1555 auf Admiral Colignys Anregung gegründete Kolonie in Rio hielt sich nur bis 1566 und eine solche an der Küste von Florida (1562) wurde bald (1565) von den Spaniern zerstört. Die Grausamkeit, die die beiden südlichen Nationen bei diesen Gelegenheiten, wie beim Vorgehen gegen den französischen Handel überhaupt, zeigten, hatte zur Folge, daß die französischen Seeleute der Bretagne (vorzüglich Dieppes) und der Gascogne auf spanische und portugiesische Schiffe Jagd machten, wo sie nur immer konnten; aus ihnen vor allem entstanden die Flibustier.

Größere überseeische Unternehmungen ruhten während des Religionskrieges in Frankreich, und auch der Seehandel ging zurück, nur die Korsaren und die Hochseefischer an der Küste Amerikas setzten ihre Gewerbe fort. Unter Heinrich IV. wurden neue Versuche mit einigem Erfolge gemacht, indem 1605 die erste Niederlassung von dauerndem Bestande in Kanada (Quebec) und in Neu-Schottland (Port Royal an der Fundybay, jetzt Annapolis genannt) gegründet wurden, aber erst unter Richelieu nahmen diese Unternehmungen größeren Umfang an. Die Ansiedelungen in Neu-Schottland und Neu-Braunschweig, zusammen Acadia genannt, und in Kanada mehrten sich, und man erforschte das Gebiet um und südlich von den kanadischen Seen. Zu einer rechten Blüte kamen diese Kolonien immer noch nicht, zum erfolgreichen Kampf mit den Indianern und den benachbarten Engländern wurden sie zu schwach besiedelt.

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Die Gesellschaften, von denen die Kolonisation betrieben werden sollte, gaben der damaligen Volksneigung entsprechend mehr auf den Pelzhandel, als auf Anlage fester Siedelungen. Erst unter Colbert, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh., bevölkerten sich diese und gewannen an Bedeutung; nun begannen die langdauernden Kriege mit den englischen Nachbarkolonien.

Richelieu hat aber sein Augenmerk auch wieder auf die südlichen Meere gerichtet, und hier hatte Frankreich schon zu seiner Zeit größeren Erfolg, nämlich in Westindien. Schon 1625 setzten sich Franzosen auf St. Christopher fest und vertrugen sich dort mit den Engländern, auch kehrten beide zusammen zurück, als sie 1629 von den Spaniern vertrieben waren. Nach verschiedenen anderen Gesellschaften trat 1635 die westindische Kompagnie (Compagnie des Iles de l'Amérique) ins Leben, und dieser gelang es bald, Martinique und Guadeloupe zu besetzen. Eine andere Gesellschaft hatte in Guayana, 1626 am Sinnamuri, 1634 in Cayenne Fuß gefaßt, und von hier aus wurde die Kolonisation Surinams begonnen. Zu den schon erwähnten Antillen traten von 1643–1651 noch die Inseln St. Lucie, Marie Galante, St. Barthélémy, Grenada und andere; um 1683 zählte man 40000 Weiße im französischen Westindien. Französische Abenteurer ließen sich auf der Nordküste Domingos und der benachbarten Insel La Tortue als Boucaniers oder Flibustier nieder.

In Afrika war 1626 eine Faktorei am Senegal errichtet, etwas später bildeten sich Handelsgesellschaften nach Sierra Leone und Guinea, alle diese Unternehmungen betrieben in erster Linie Sklavenhandel. Endlich wurden auch die ersten Beziehungen mit Indien angeknüpft. Schon 1529 war eine Reise nach den Molukken gemacht worden; seit 1604 folgten nacheinander Handelsunternehmungen verschiedener Gesellschaften nach Indien. 1642 begünstigte Richelieu die Bildung einer Kompagnie; ihr Versuch, sich auf Madagaskar niederzulassen, wurde jedoch bald für fast ein Jahrhundert wieder aufgegeben (Fort Dauphin bis 1672). Auch die Versuche Colberts, unter dem die ersten Faktoreien und Niederlassungen in Surat, Pondichéry, Tonkin, Ceylon und auf der Insel Bourbon angelegt wurden, hatten noch keinen großen Erfolg und schufen nur den Grund für den späteren Kolonialbesitz im fernen Osten.

Die Versuche anderer kleiner Staaten, überseeisch aufzutreten, sind von keiner Bedeutung für unsere Betrachtungen geworden, da ihnen die Unterstützung einer ausreichenden Seemacht fehlte. Von Dänemark aus wurde eine Niederlassung an der Koromandelküste (Trankebar 1620) gegründet, Schweden, schon am Delaware erwähnt, besaß kurze Zeit eine Faktorei an der Goldküste und unterhielt auch eine Zeitlang direkte Verbindung mit China. Beide Nationen gingen nach den Antillen; Dänemark nahm einige der Jungfern-Inseln (St. Thomas) in Besitz, aber im allgemeinen blieben sie doch darauf angewiesen, ihre Kolonialwaren durch England und Holland zu beziehen, und auch ihr Handel im Mittelmeer, der aufzublühen begonnen hatte, ging unter dem Wettbewerb genannter Nationen bald zurück. Die[91] Bestrebungen des weitsichtigen Großen Kurfürsten, auch Brandenburg Kolonialbesitz zu sichern, fallen erst in den nächsten Zeitabschnitt.

Die Unsicherheit auf den Meeren.[38]

Zum Verständnis mancher Verhältnisse und Vorfälle, die uns später begegnen werden, müssen wir einige Punkte berühren, die auch von Einfluß auf Schiffe und Seeleute in diesem Zeitabschnitt gewesen sind: der Seeraub, die Freibeuterei und das Konvoiwesen.

Von alters her gab es dort, wo die Seefahrt blühte, Seeräuber; schon im Altertum wurde das Beispiel aufgeführt, daß Rom (67 v. Chr. unter Pompejus) eine ungeheuere Flotte aufstellte, um dem Treiben der cilicischen Seeräuber, die den Handel im Mittelmeer völlig lahmlegten, ein Ende zu machen, und bei der Besprechung der kriegerischen Ereignisse im Mittelalter ist auf das Unwesen des Seeraubes an allen Küsten und in allen Meeren Europas hingewiesen. Mit der Zunahme der Schiffahrt trat der Seeraub auch auf die Ozeane hinaus. In diesem Zeitabschnitt war eine Hauptaufgabe der Flotten aller Staaten, ihn zu unterdrücken, zunächst wenigstens in den eigenen Gewässern. Die Geschichte der englischen Marine zeigt, wie die Regierung schon vom Mittelalter an bestrebt ist, durch Gesetze und mit Hilfe der kleinen Seekriegsmacht, die jährlich mit Beginn der Seefahrt aufgestellt wurde, Sicherheit in ihren Meeren zu schaffen. Sie hatte es dabei nicht nur mit Seeräubern fremder Völker — französischen, flämischen, holländischen, schottischen — zu tun, sondern auch mit eigenen Untertanen; es gab in allen Ländern zahlreiche Individuen, die auf See und an den Küsten das Eigentum anderer, selbst eigener Landsleute, nicht achteten; ja, es herrschte dieses Unwesen fast allgemein.

Wenn nun auch dieser mittelalterlich-barbarische Zustand und damit der Seeraub im allgemeinen in den Küstengewässern nach und nach eingeschränkt wurde — es wird übrigens noch zu Anfang des 17. Jahrh. über englische und schottische Seeräuber an den eigenen Küsten geklagt, denen Fischerboote und kleinere Fahrzeuge zum Opfer fielen —, so blieb doch das Unwesen auf offenem Meere bestehen. Bei dem Mangel an großen stehenden Marinen war hier die Durchführung einer Seepolizei noch nicht möglich. Der Seeraub wurde nicht nur von einzelnen Schiffen, sondern auch von Gemeinwesen betrieben, sogar von solchen, die sich eigens zu diesem Zweck bildeten.

Das Mittelmeer und der Ost-Atlantik waren der Schauplatz der Schiffe und Flotten der Barbaresken-Staaten, „Korsaren“ genannt. Stets, vorzüglich aber seitdem sich die Osmanen der Länder Marokko, Tunis, Algier und Tripolis bemächtigt hatten, wurde von hier aus der Seeraub,[92] verbunden mit der Jagd nach Christensklaven, organisiert betrieben. Die Korsaren bedrohten Meere und Küsten bis zum Kanal.

1609–1616 wurden 466 englische Schiffe von ihnen genommen, 1625 allein in 10 Tagen 25 nach Plymouth bestimmte Fahrzeuge. Sie landeten an englischen Küsten, brandschatzten und schleppten Menschen als Sklaven weg; eine englische Kompagnie erlitt in wenigen Jahren durch sie eine Einbuße von 40000 Lstrl.; der holländische Handel verlor von 1641–1650 jährlich eine Million Gulden allein für die Schiffahrt nach dem Mittelmeer, allerdings einschließlich des Schadens durch französische Freibeuter im Kanal; 1627 kreuzte eine Barbareskenflotte von 30 Segeln im Atlantik, und 1640 erschienen gar 60 Schiffe an der Südküste Englands.

Ihre Schiffe waren leicht und schnell segelnd, schwach armiert, aber für den Enterkampf stark bemannt; viele ihrer Prisen stellten sie ein, indem sie diese durch Rasieren des oberen Decks und Herausnehmen mancher Verstärkungen und Verbände leichter machten.

Schon im Mittelalter unternahmen die italienischen Städte große Kriegszüge gegen die Raubstaaten; die Reiche der Pyrenäischen Halbinsel, Franzosen, Engländer und Holländer folgten hierin, aber lange Zeit hindurch ohne andauernde Erfolge. Erst als während der Seekriege zu Ende des 18. Jahrh. stets große Kriegsflotten im Mittelmeere tätig waren, wurde dem Unwesen ein Ende gemacht, aber selbst noch im 19. Jahrh. war ein Einschreiten europäischer Flotten nötig. Die Türken verwendeten die Flotten der Raubstaaten und deren Führer in ihren älteren Kriegen.

Der aufblühende Handel nach und in den amerikanischen Gewässern verlockte auch hier zum Seeraub. Wir haben schon erwähnt, daß namentlich Seeleute der Bretagne und Gascogne, erbittert über das grausame Auftreten der Spanier gegen französische Kolonisationsversuche, spanische Schiffe aufbrachten, wo sie konnten. Solche französischen Abenteurer ließen sich im Anfang des 17. Jahrh. auf der Insel St. Christophe in Westindien nieder, gingen aber schon 1630 wieder nach der Nordküste von Domingo und der benachbarten kleinen Insel Tortue. Von hier aus betrieben sie den Seeraub im großen. Sie sind bekannt unter dem Namen Flibustier — wahrscheinlich nach ihren schnellen Schiffen: fly-boats; flibots — oder Bukanier — da sie anfangs auf Domingo verwildertes Rindvieh jagten, das Fleisch dörrten (bukanierten) und mit den Fellen Handel trieben. Bald erhielten sie Zuzug durch Seeräuber anderer Nationen — Engländer und Holländer —, die während der andauernden Kriege dieser Länder mit Spanien auftraten und einen Vereinigungspunkt suchten. So entstand eine Seeraub-Republik, in der sich die Tapfersten zu Anführern emporschwangen. Von Frankreich und auch oft von England unterstützt, um sie in eigenem Interesse zu verwenden, wurde sie eine den Spaniern furchtbare Macht, die Handel und Küstenstädte auf das schwerste schädigte. Als die Flibustier in den englisch-französischen Kriegen auf seiten Frankreichs den Engländern unbequem wurden, verfolgten auch diese sie, und es ging mit ihnen abwärts, bis sie, später von allen Seemächten unterdrückt, mit dem Wachsen der stehenden Marinen im Anfange des 18. Jahrh. ganz verschwanden.

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Wie groß das Seeräuberunwesen in Westindien gewesen ist, ergibt sich daraus, daß die Spanier, als sie 1630 einmal mit einer Flotte von 20 großen Kriegsschiffen gründlich aufräumten, in kurzer Zeit gegen 2300 Gefangene, englischer, französischer und holländischer Abkunft, machten; 573 Kanonen und eine Beute von 20 Millionen Mark an Wert fielen ihnen dabei in die Hände.

In den asiatischen Gewässern hausten Malaien des Archipels und Chinesen; die Portugiesen und ihre Nachfolger mußten ihretwegen Flottenstationen halten; ihre völlige Unterdrückung ist ja bis in die neueste Zeit nicht gelungen.

Aber nicht allein die Seeräuber machten die Seefahrt unsicher, auch die Kriegführung dieser Zeiten auf der See trug dazu bei. Bereits ehe sich die Kriegsoperationen ganz besonders gegen den Handel des Gegners richteten, war es der Brauch, in Kriegszeiten den eigenen Schiffen die feindliche Schiffahrt preiszugeben; schon Reibungen zwischen zwei Seestaaten führen stets gleich zur Wegnahme der feindlichen Handelsschiffe als Vergeltungsmaßregeln für erlittene oder vermeintlich erlittene Unbill.

Bei der Schwäche der Kriegsflotten wurden auch Kauffahrer hierzu berechtigt, in den älteren Zeiten wohl alle ohne Auswahl, oder sie beteiligten sich dem Zeitgeiste entsprechend alle von selbst an dem kleinen Kriege. Da sie die Freibeuterei ohne feste Normen und ohne jede Aufsicht betrieben, so war dies nichts anderes als Seeraub.

Erst nach und nach bei Ausbildung eines wenigstens durch den Brauch verbindlichen Seerechtes und bei einer größeren Überwachung durch reguläre stehende Marinen entwickelte sich die gesetzmäßige Kaperei. Von Kaperschiffen[39] dieser späteren Zeit verlangte man, daß sie einen Freibrief, auf die Person und auf ganz bestimmte Zeit lautend, führten, sich an genaue Instruktionen und streng an Kriegsgesetze und Kriegsbrauch hielten; die genommenen Prisen wurden prisengerichtlich behandelt. Diese Kaper gehörten, wie Freikorps im Landkriege, zur Kriegsmacht.

Aber lange Zeit ist doch die Kaperei nicht viel verschieden von der Freibeuterei gewesen und bildete eine große Gefahr für die Schiffahrt; die mit Kaperbriefen für besondere Gelegenheiten und gegen bestimmte Feinde ausgerüsteten Schiffe nahmen es nicht so genau mit der Nationalität ihrer Angriffsobjekte, und manche setzten ihr Geschäft auch nach dem Friedensschluß fort und vermehrten so die Zahl der Seeräuber.

Außer den berühmten Beutezügen der englischen Privateers und denen der holländisch-westindischen Kompagnie spielen in der Geschichte der Freibeuterei des 16. und 17. Jahrh. einige französische Städte am Kanal, besonders Dünkirchen, eine Rolle. Von Dünkirchen wurde in diesem Zeitabschnitt während des Unabhängigkeitskrieges der Holländer auf spanischer[94] Seite durch Freibeuter ein Krieg in solchem Umfange geführt, daß er die Tätigkeit der holländischen Kriegsmarine fast ganz in Anspruch nahm und Private („neue Geusen“) besondere Schiffe gegen sie ausrüsteten; auch später in den Kriegen Louis' XIV. machten die in dieser jetzt französischen Stadt ausgerüsteten Kaper eine Beute von 22 Millionen Franken.

Gegen die Unsicherheit auf den Meeren schützte sich nun die Seefahrt durch das Konvoi-Wesen. Die Gefahr vor Seeräubern hat schon im Altertum dazu geführt, daß die Handelsschiffe sich bewaffneten und in größerer Zahl zusammensegelten. Die Erkenntnis, daß auch das Gemeinwesen unter den Verlusten der Schiffahrt mitlitt, brachte sogar die Regierungen frühzeitig dahin, wenigstens in Kriegszeiten das Zusammensegeln anzuordnen, das Alleinsegeln zu verbieten — den Konvoi-Zwang. Derartige Bestimmungen findet man in Genua, den Hansastädten, England und Holland schon im 15. Jahrhundert. Die vielen Kriege machten diese Maßregel immer notwendiger und führten in einigen Staaten, so in Holland, zu Bestimmungen über die Mindest-Größe und -Armierung der Handelsschiffe für gewisse Fahrten; die Regierung verstärkte die Besatzungen durch Kriegsleute, so z. B. bei den Hansen, und gab besondere Konvoi-Schiffe oder richtige Kriegsschiffe als Bedeckung mit. Erleichtert und begünstigt wurde das Zusammensegeln dadurch, daß man nach entfernteren Zielen nur zu bestimmten Jahreszeiten segelte, namentlich im Norden Europas. Bei der lange noch mangelhaften Seetüchtigkeit der Schiffe wurden diese hier im Winter aufgelegt, erst bei günstiger Jahreszeit fuhr man ab. Da war es denn natürlich, daß — um ein infolge der Lage des Landes besonders kennzeichnendes Beispiel herauszugreifen — von Holland aus im Frühjahr die Schiffe gemeinsam, zuweilen 800–900 Kauffahrer mit bis zu 50 Kriegsschiffen Bedeckung, nach der Ostsee aufbrachen und im Herbst zurückkehrten; die Schiffe, die in die Ozeane sollten, wurden gemeinsam durch den Kanal geführt und steuerten dann in Gruppen ihren verschiedenen Zielen zu; von den fernen Ländern Heimgekehrte sammelten sich wiederum, ehe sie in die engen Gewässer einliefen, gewöhnlich bei der Insel Rhé in der Biscaya, und segelten unter Bedeckung von Kriegsschiffen — meist der Flotte, die die Auslaufenden bedeckt hatte — heim. Ähnlich war es bei dem Betriebe der Hochseefischerei, auf deren Fischgründen außerdem ständig Kriegsschiffe weilten.

Das Konvoi-Wesen verlor an Wert, als die Schiffe nicht mehr an die Jahreszeit gebunden waren und die Gefahr vor eigentlichen Seeräubern in den meisten Gewässern wegfiel. Es hatte ja auch große Nachteile. Der Handel ertrug nur ungern den Befehl, auf das Zusammenkommen eines Konvois mit der Befriedigung seiner Bedürfnisse zu warten; das Zeit in Anspruch nehmende Sammeln der Schiffe und die bestimmten Termine der Abfahrten erleichterten dem Feinde das Abfangen. Zu Ende des 18. Jahrh. hören die Konvoi-Fahrten auf.

Die Unsicherheit der Meere zwang also zunächst zur Bewaffnung der Handelsschiffe, es kam aber noch ein Grund hinzu. Wir[95] haben gesehen, daß sich der Handel jenseits der Ozeane nur durch Gewaltmaßregeln ausbreitete. Die Portugiesen mußten die arabischen Händler vertreiben und ihren Handel den indischen Eingeborenen aufzwingen, die Spanier mußten Länder erobern; da beide dann in ihrem Bereich die Alleinherrschaft im Handel beanspruchten, traten die nachkommenden Nationen dort auch wieder mit Gewalt auf und befehdeten sich untereinander. Es war dabei gleichgültig, ob die betreffenden Völker in Europa im Frieden oder im Kriege lebten. Den Wahlspruch Drakes (Seite 80) erweiternd, sagte man in England: „Kein Friede gilt unter der Linie“ (no peace beyond the line), d. h. in außereuropäischen Gewässern, und diesem Grundsatze huldigten auch die andern Völker. Die Seefahrt wurde mithin aus offensiven und defensiven Gründen bewaffnet getrieben; die Seefahrer mußten auch Krieger sein. Die charakteristischsten Figuren sind wohl die englischen Abenteurer dieser Zeit; sie betrieben Krieg, Raub, Geschäft, Entdeckung und Kolonisation nebeneinander.

Dieses Leben erzog wagemutige tüchtige, aber auch rauhe Männer. Wenn die Seeräuber die Besatzungen genommener Schiffe als Sklaven verkauften oder über die Klinge springen ließen, so haben es die Spanier in den Gewässern ihrer Kolonien nicht besser gemacht; kein Wunder, wenn es die Freibeuter der nordischen Völker mit Gleichem vergalten. Die Achtung von Eigentum auf See war von alters her gering; von einzelnen der berühmten Freibeuter, z. B. Drake, wird deshalb besonders hervorgehoben, daß sie Privateigentum geschont hätten.

Die Kauffahrteischiffe waren brauchbar auch zu Kriegszwecken, die wenigen Kriegsschiffe unterschieden sich anfangs kaum von ihnen; auch als diese häufiger gebaut wurden, ließen sich die Kauffahrteischiffe lange noch leicht für den Kriegsdienst verbessern.

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Fußnoten:

[24] Besonders benutzte Quellen: Oncken Teil IX; Zimmermann.

[25] Genaueres über diese Expeditionen, über Ausbreitung der portugiesischen Macht und die damit verbundenen Kämpfe in Zimmermann. Band 1.

[26] Näheres über diesen Plan, teils wörtlich, in Oncken Bd. IX.

[27] Genaueres über die weiteren Expeditionen, die Gründung und Entwicklung der spanischen Kolonien in Zimmermann, Band 1.

[28] Die Insel Tidor liegt tatsächlich auf 127½° O. Greenwich; die Demarkationslinie war 131½° O. Greenwich; Spanien nahm für Tidor 158°, Portugal 112° O. Greenwich an.

[29] Genaueres über diese Expeditionen siehe Clowes, Teil 1 und 2 in den Kapiteln Voyages and Discoveries.

[30] Hauptquellen: Zimmermann, Band 1–5; Clowes, Teil 1 und 2, Kapitel Military History and Voyages; de Jonge, Teil 1; Nauticus 1900 und 1901; Rodenberg.

[31] Besonders in Clowes, Teil I, viel über die Freibeuterzüge.

[32] Näheres in Clowes I und II, Kapitel „Voyages“; Zimmermann II, auch besonders über die kriegerischen Ereignisse; die Gefechte selbst in Clowes II, sbquo;Military history‘.

[33] Es wurden z. B. Faktoreien an der Koromandelküste und in Bengalen gegründet.

[34] Näheres in Zimmermann, Band V.

[35] de Jonge, Teil I Seite 213 ff., sowie Beilage 37 gibt nähere Angaben: über den Schiffbestand zu verschiedenen Zeiten; über oft bedeutende Gefechte mit den Portugiesen in Indien sowie auch auf den Reisen nach Indien mit den Spaniern im Atlantik und an der Westküste Amerikas, wo die Holländer jetzt der Schrecken der spanischen Kolonien geworden waren.

[36] de Jonge I Seite 217 ff., Beilage II. Nähere Angabe über Größe, Armierung, Bemannung der Schiffe, über Zusammensetzung der Flotten und einige ihrer Haupttaten.

[37] Ihre Ausrüstungskosten wurden durch einen Teil der Schätze der erbeuteten Silberflotte bestritten.

[38] Quellen: Clowes, an verschiedenen Orten unter: pirates, privateers u. dgl.; ferner siehe im Quellenverzeichnis die Werke über „Barbareskenstaaten“, „Flibustier“, „Bucanier“, „Konvoiwesen“. In Perels: „Internationales Seerecht“, wird Seeraub, Kaperei usw. juristisch behandelt.

[39] Der Name soll von holländischen Ostindienfahrern, die zum Kap gingen, um feindliche Indienfahrer abzufangen, stammen, französisch corsaires, englisch privateers genannt.


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Zweites Kapitel.
Schiffe, Waffen, Nautik.

Die Schiffe von 1492–1648.[40] In diesem Zeitabschnitt schreitet der Schiffbau ungemein schnell vorwärts. Das Herausgehen der Seefahrt auf die Ozeane verlangt größere, see- und segelfähigere Schiffe, die Artillerie, die von nun ab schnell zur Hauptwaffe wird, führt zu wesentlichen Änderungen.

Was hier über die Segelschiffe gesagt wird, gilt für Kriegs- und Handelsschiffe. Zwar werden in den Staaten des Westens und Nordens jetzt stehende Kriegsflotten von Segelschiffen gegründet, aber immer noch greift man im größten Maßstabe auf Kauffahrer zurück, um größere Flotten im Bedarfsfalle aufzustellen. Man konnte dies auch: Die Kriegführung bestand meist in einzelnen Schlägen, dann wurden die aufgebotenen Streitkräfte wieder aufgelöst. Die Handelsschiffe, besonders die größeren, unterschieden sich immer noch nur wenig von den meisten Kriegsschiffen. Die Schiffe für große Fahrt mußten, wie wir sahen (Seite 94, 95), armiert und stark bemannt sein. Um die Armierung tragen zu können und um im Kampfe widerstandsfähig zu sein, baute man sie stärker, als rein seemännische Ansprüche erforderten. Leicht waren sie zum wirklichen Kriegsdienst noch mehr zu verstärken und einzurichten. Der größte Teil der Kriegsschiffe war nicht größer, nicht stärker gebaut und nicht wesentlich stärker armiert, viele waren überhaupt angekaufte Kauffahrer; besonders die Schiffe der großen Handelskompagnien in der zweiten Hälfte der Periode standen den Kriegsschiffen kaum nach, trieben diese Institute doch, gestützt auf ihre Schiffe, gewissermaßen eigene Politik im fernen Auslande.

Wir sahen, daß zu Ende des Mittelalters die Schiffe mit einer großen Zahl kleinerer Geschütze armiert waren, die auf dem Deck und in den Kastellen, bei größeren Fahrzeugen in mehreren Stockwerken, untergebracht waren, daß man aber auch schon begann, schwerere Kaliber einzuführen. Man stellte diese folgerichtig auf dem stärkeren, eigentlichen Schiffsdeck auf. Die so entstehende durchlaufende Batterie wurde durch die darüberliegenden langen Kastelle fast ganz eingedeckt; sie bildet später den Maßstab für die Einteilung der Schiffe nach Batterien. Die leichteren Decks der Kastelle verschwinden wieder bis auf eins und zählen dabei nicht mit.

[97]

Das Bestreben, noch mehr schwere Geschütze an Bord zu haben, besonders auch für die Breitseiten, führte zu ihrer Aufstellung an verschiedenen Stellen im Schiffe selbst, wo sie durch in die Schiffswände eingeschnittene Pforten feuerten (vgl. Skizze Seite 39). Der Einbau eines zweiten, starken durchlaufenden Deckes war die Folge. Dieses (lowerdeck) wurde anfangs der Stabilität wegen sehr tief gelegt, um so mehr da man hier die schwersten Kaliber unterbrachte; es hatte dies den Nachteil, daß die Geschütze dieser Batterie bei Seegang oder überliegendem Schiff häufig nicht gebraucht werden konnten, weil die Pforten geschlossen gehalten werden mußten.

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Englisches Kriegsschiff „Henry Grace à Dieu“.

Wir haben Angaben über einige sehr große Kriegsschiffe der Periode, woraus wir die allmähliche Vermehrung der Artillerie an Zahl und Kaliberstärke gut ersehen und auch entnehmen können, in welchem Maße die Gefechtskraft in den Breitseiten wächst. Der englische „Regent“, 1489 vom Stapel, angeblich nach einem französischen Muster, „Colombe“, 600 tons, gebaut, führte 225 ganz leichte Geschütze — serpentines, Kaliber 1,5", Geschoßgewicht ½ Pfund — auf dem Hauptdeck und in den Kastellen. Als Ersatz desselben, er verbrannte 1512 in einem Gefecht bei Brest, wurde der „Henry Grace à Dieu“ (im Volksmund „Great Harry“) erbaut, 1514 vom Stapel. Seine Armierung bestand aus 13 schwereren Geschützen (18-Pfünder bis 42-Pfünder) auf einem zweiten, tiefer liegenden Deck und 8 Geschützen (3-Pfünder bis 9-Pfünder) sowie einer sehr großen Anzahl kleinerer auf dem Hauptdeck und in den Kastellen; Besatzungsstärke 700 Mann.

Da dieses Schiff als ein epochemachendes gilt, ähnliche Schiffe aber auch in anderen Ländern gebaut wurden, z. B. in Frankreich „La Cordillère“, sei die Armierung näher[98] aufgeführt: 4 bastard cannons (etwa 42-Pfünder), 3 demi cannons (32-Pfünder), 2 cannons Petro (24-Pfünder), 4 culverins (18-Pfünder) auf dem zweiten tieferen Deck; 2 demi culverins (9-Pfünder), 4 sakers (6-Pfünder), 2 falcons (3-Pfünder) als „schwerere“ Geschütze auf dem Hauptdeck — alles Bronzegeschütze — und ferner auf Hauptdeck und in den Kastellen 14 portpieces, 4 slings, 2 demislings, 8 fowlers, 60 bassils, 2 toppieces, 40 hailshotpieces, 100 handguns; über das Wesen dieser kleinen Feuerwaffen vgl. Seite 104. Die Besatzung setzte sich zusammen aus 301 mariners, 50 gunners, 349 soldiers.

Auch der Fortschritt der Takelage ist an diesen Schiffen zu erkennen. Beim „Regent“ wird zum ersten Male ein Bramsegel im Großmast erwähnt; wie die Abbildung auf Seite 97 zeigt, hatte „Great Harry“ vier Masten mit Stängen und Bramstängen, Fock und Großmast mit Mars- und Bramsegeln, 2 Besahnsmasten mit mehreren Lateinsegeln übereinander. Der Fockmast steht noch ganz vorn, das Bugspriet führt noch keine klüverartigen Vorsegel, jedoch ist unter ihm ein großes viereckiges Raasegel hinzugekommen, und zu seiner Bedienung oder vielleicht noch mehr in Anlehnung an die Form der Galeren ein weitvorragendes Gallion (siehe auch Bild S. 101) erschienen. Der zweite Besahnsmast steht ganz hinten, um beim Segeln die ungünstige Wirkung des großen Gallions sowie des vorstehenden Vorkastells auszugleichen.

Kriegsschiffe in dieser Größe gab es aber nur wenige. Die englische Marine zählte 1522 nur 5 Schiffe über 500 tons — 550, 600, 650, 800, 1000 —; im Jahre 1548 nur 6 über 500 tons und, einschließlich dieser, etwa 10 über 400 tons (nach ihrer Größe mit 10–21 schwereren und 40–100 leichteren Geschützen armiert) in einer Gesamtzahl von etwa 54 Kriegsschiffen. Die Besatzung betrug bei 1000 tons = 700 Mann, 700 tons = 400, 500–600 tons = 300, 400 tons = 250 Mann.

Die großen Kriegsschiffe dieser Zeit mit ihrer Anhäufung von Geschützen in den Kastellen besaßen, wie schon mehrfach angedeutet, nur geringe Segel- und Seefähigkeit. Ihrer geringen Stabilität wegen konnte die ohnehin noch unvollkommene Takelage nur niedrig sein; infolge ihrer hohen und vorragenden Kastelle oben und ihrer plumpen Formen unter Wasser trieben sie stark und konnten nicht aufkreuzen. So waren sie bei stürmischem Wetter in besetzten Gewässern sehr gefährdet, im Kanal und der Nordsee zur Winterzeit bei den langen dunklen Nächten kaum brauchbar.

Die Segelschiffe überhaupt waren noch so unvollkommen, daß man im Norden im Winter die Schiffahrt einstellte, daß bis ins 17. Jahrh. Flotten häufig die Ausführung wichtiger Aufgaben wegen widrigen Windes oder stürmischen Wetters aufschoben oder fallen ließen, weil sie gezwungen waren, im Hafen zu bleiben oder dahin zurückzukehren. Die großen Kriegsschiffe standen in dieser Hinsicht den Kauffahrern und einfacheren kleineren Kriegsschiffen sogar nach, denn diese — und zwar wohl alle unter 700–800 tons — besaßen nur eine Batterie auf dem Hauptdeck und niedrigere Aufbauten, hatten somit den Vorteil einer günstigeren Takelage. Jurien nennt, nach dem Ausspruch eines Autors von 1643, die größten Schiffe „Schreckgebilde“ (épouvantail, Vogelscheuche) für den Feind, aber selbst sehr gefährdet.

Die Zahl der großen Kriegsschiffe wächst denn auch aus diesem Grunde im Norden zunächst sehr langsam, trotz der ungeheueren Zunahme der Seefahrt. In Spanien und Portugal baute man schon früher weit mehr große[99] Schiffe. Bei der Armada 1588 befanden sich unter 128 Fahrzeugen, von denen etwa 100 als Kriegsschiffe anzusehen sind, 40 Schiffe über 600 tons gegen 8 englische unter 34 Kriegsschiffen. Die spanische Seefahrt wurde aber auch im allgemeinen unter günstigeren Wind- und Wetterverhältnissen, zu günstiger Jahreszeit nach und von Westindien, betrieben und ihre Schiffe waren nach Ausspruch von Zeitgenossen mehr für Handels- als Kriegszwecke geeignet, d. h. schwächer und leichter armiert; allerdings hatten gerade sie sehr hohe Aufbauten.

Die englische Marine besaß zu Ende der Regierung Elisabeths 1603 aber doch schon 2 Schiffe zu 1000 tons und 500 Mann, 3 zu 900 tons und 400 bis 500 Mann, 3 zu 800 tons und 400 Mann, 2 zu 700 tons und 300–350 Mann mit 34–38 schweren Geschützen — „schwere“ immer noch vom 3-Pfünder an gerechnet — und bis zu 30 leichten, ferner 8 Schiffe zu 500–600 tons und 250 Mann mit 26–36 schweren und bis zu 24 leichten Geschützen in einer Gesamtzahl von 42 Kriegsschiffen. Die Fahrzeuge werden von 700 tons aufwärts zwei Batterien gehabt haben.

Während der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. wurden Verbesserungen eingeführt, welche die Segel- und Seefähigkeit erhöhten. Die Takelage wurde wesentlich verbessert: Mars- und Bramsegel wurden größer, die Stängen zum Streichen eingerichtet; Leesegel traten auf, und auf der Spitze des Bugspriets erschien ein kleiner Mast mit Raasegel; der Besahnsmast erhielt Raasegel über dem untersten großen Lateinsegel; der vierte Mast fiel auch auf den größten Schiffen weg, da er infolge Änderung des Schiffskörpers entbehrlich geworden war.

Mit der zunehmenden Verwendung schwererer Geschütze nahm die Zahl der leichteren ab, wie aus den Angaben für 1603 zu ersehen ist; die schwereren wurden immer mehr im Schiffsrumpf aufgestellt. Es verschwinden die mehretagigen und vorspringenden Kastelle, sie gehen als Back (Vordeck, fore castle) und Halbdeck (Achterdeck, quarterdeck) in den Schiffskörper über. Vordeck und Halbdeck bleiben armiert und überdecken, wie es früher die Kastelle taten, die Batterie des Hauptdecks bis auf den Teil zwischen Fock- und Großmast. Das Heck bleibt noch hoch, da achtern auf dem Halbdeck meistens eine Kampagne zu Unterkunftszwecken erbaut wird; nur auf deren Deck und zuweilen auf einem schwachen über der Back führt man noch ganz leichte Geschütze. Später werden dann oft Vordeck und Halbdeck an den Schiffsseiten miteinander verbunden, um den Verkehr von vorn nach hinten sowie die Bedienung der Takelage zu erleichtern. So entsteht ein volles neues Deck, das Oberdeck (upperdeck) und deckt die Batterie des Hauptdeckes völlig ein; auf ihm lagern vor dem Großmaste mittschiffs die großen Boote und die Reserverundhölzer. Das bisher tief liegende zweite Batteriedeck wird höher gelegt, und gegen das Ende des Zeitabschnittes erscheint bei den größten Schiffen ein drittes Batteriedeck (lower deck), das zweite wird dadurch zum Mitteldecke (middle deck).[41]

[100]

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Englisches Kriegsschiff „The Royal Prince“.

Als Beispiele für diese Entwicklung dienen wieder zwei hervorragende Bauten: „Royal Prince“ 1610 vom Stapel und „Royal Sovereign“ 1637; in ihnen sehen wir die nahezu fertigen Typen der sogenannten Zweidecker und Dreidecker, die fast zwei Jahrhunderte hindurch die Schlachtschiffe — Linienschiffe — bildeten.

„Royal Prince“: 1187 tons, Kiellänge 115', Breite 43', Tiefe 16', 500 Mann, 55 Geschütze in zwei gedeckten Batterien und auf dem Halbdeck.

„Royal Sovereign“ (eigentlich „Sovereign of the Seas“); 1683 tons, Kiel 167', Länge über alles 167¾', Breite 48-1/3', Tiefe 19-1/3', 600 Mann, nominell 100 Geschütze folgendermaßen aufgestellt:

Unterste Batterie
Breitseite 40 cannons
Bug   4 demi cannons
Heck   4
Mittel-Batterie
Breitseite 24 culverins
Bug   2
Heck   4
Oberste Batterie
Breitseite 24 demi culverins
Bug   2
Heck   2
Oberdecks-Batterie
Vordeck 10 demi culverins
Halbdeck   8

Das Schiff wurde 1652 zum Zweidecker rasiert, da es zu rank war.

Man sieht, daß die kleinen Geschütze — selbst die kleineren Kaliber, die früher zu den schwereren gerechnet wurden, 3–6-Pfünder — verschwunden sind, jedenfalls sind solche Geschütze bei der Gesamtangabe der Armierung nicht mehr mitgezählt, in den Quellen wird ihre Zahl gar nicht erwähnt.

[101]

Im Jahre 1649 besaß die englische Marine: die beiden eben behandelten Schiffe über 1000 tons; 10 von 800–900 tons, 40–44 Kanonen; 5 von 700 bis 800 tons, 40–50 Kanonen; 10 von 500–700 tons, 30–38 Kanonen, insgesamt 70 Kriegsschiffe. Die Zahl der großen Schiffe hat also gegen 1603 zugenommen, aber ihr Verhältnis zur Gesamtzahl ist nahezu dasselbe geblieben. Die zwei größten Schiffe, zwar sehr viel größer geworden gegen die 1000 tons-Schiffe von 1603, stehen wieder vereinzelt da; die Seeeigenschaften sehr großer Schiffe ließen eben immer noch zu wünschen übrig. Auch die Armierung ist durchweg stärker geworden — die Kanonen werden nur noch wie beim „Royal Sovereign“ gezählt — und die vorstehend aufgeführten Schiffe, also alle über 30 Kanonen, werden Zweidecker gewesen sein, wenigstens soweit sie in den letzten Jahren erbaut gewesen sind, was bei den meisten der Fall war. In England wird dies mit dem zunehmenden Bau von Kriegsschiffen für die Schlachtschiffe Regel.

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Englisches Kriegsschiff „The Sovereign of the Seas“.

Im Anfang des nächsten Zeitabschnittes baute man in England noch kleinere Schiffe, bis zu 20 Kanonen hinunter, als Zweidecker. In Holland scheint man mit dem Bau von Zweideckern, wie überhaupt mit dem größerer Kriegsschiffe erst später vorgegangen zu sein, nämlich während des ersten englisch-holländischen Krieges. 1639 befand sich in Tromps Flotte nur ein Zweidecker, ebenso wahrscheinlich noch 1652.

[102]

Schiffe mit 30–40 Kanonen hatten bei ihnen nur eine Batterie und das armierte Oberdeck; dasselbe müssen wir von den größeren Kauffahrern annehmen, die von beiden Nationen in ihre Flotten eingestellt wurden.

So trennt sich der Bau der Kriegsschiffe wesentlich von dem der Kauffahrer, indem das Innere des Schiffes zur Aufstellung der Hauptwaffe in Anspruch genommen wird und für Ladung verloren geht.

Gleichzeitig begann sich auch ein System auszubilden, das nach der Größe des Schiffes (Kanonenzahl) für jedes Deck Anzahl und Kaliber, dieses gleichmäßig in jeder Batterie, festsetzte. Damit war für jedes Schiff der Gefechtswert gegeben; man begann hiernach die Schiffe in Klassen einzuteilen und zu erbauen.

Während man in älteren Zeiten die Kriegsschiffe nach der Schiffsart bezeichnete — eine Einteilung von 1576 führt z. B. in England ships, galeasses, pynasses, roobarges auf —, findet man eine Einteilung nach der Kraft der Schiffe zuerst in England um 1618. Man beschloß in diesem Jahre, eine Flotte zu halten von:

4 Ships Royal zu 800–1200 tons
12 Great ships 600–800
6 Middling ships 450
2 Small Ships 350
4 Pinnaces 80–250

Der Bestand um 1624 entsprach auch ungefähr diesem Beschlusse, wenn auch die Klassengrenzen, wohl infolge alter Bestände, nicht genau innegehalten waren und auch bei Neubauten vorläufig nicht genau innegehalten wurden.

Auch für Frankreich kennen wir aus dieser Zeit eine Einteilung der Schiffe nach Klassen; sie ist sogar schon genauer. Hier sind jetzt schon Anleitungen für Anzahl und Kaliber der Geschütze auf den verschiedenen Schiffsklassen vorhanden (Troude, Teil I, Introduction).

Pinassen waren große Segelboote, den Küstenfahrzeugen der Zeit entsprechend; wir werden sie in diesem Zeitabschnitt oft als Depeschen-, Aufklärungs-Fahrzeuge u. dgl. finden.

Galeren und Galeassen. Im ersten Abschnitt ist erwähnt, daß die Galere des Mittelmeeres auch nach 1500 noch selbst im Norden häufiger zur Verwendung kommt; ihre Entwicklung ist dort bereits abgeschlossen. Aus der Galere hatte sich, wohl schon gegen Ende des Mittelalters, die Galeasse herausgebildet in dem Bestreben, zahlreichere und schwerere Artillerie aufstellen zu können. Galerenähnlich, Verhältnis der Breite zur Länge wie 1: 6, mit 30–50 Riemen je durch 5–8 Mann bedient, mit 200–300 Seeleuten und Soldaten, 600–1000 tons groß, waren die Galeassen tiefergehend, langsamer und schwerfälliger unter Riemen als die Galeren, aber weit stärker armiert; man rechnete eine Galeasse als gleichwertig mit 5 Galeren. Die Geschützaufstellung war dieselbe wie bei den späteren Galeren: schwere Geschütze besonders vorn und achtern in Kastellen, leichte auf diesen und zwischen den Riemen. Sie hatten drei Masten mit Lateinsegeln; zwar sehr rank, segelten sie doch weit besser als die Galeren und gebrauchten die Riemen vorzugsweise nur im Gefecht; sie bildeten also gewissermaßen auch einen Übergang zum Segelschiff. Im Mittelmeer waren sie die Hauptkraft der Flotten.

[103]

Die Galeassen spielen eine wichtige Rolle bei Lepanto. Auch in der spanischen Armada befanden sich vier Galeassen von Neapel; sie sollen die weitstärksten Schiffe dieser Flotte gewesen sein. Ihr Flaggschiff „San Lorenzo“ führte 4 Sechzig-Pfünder, 8 Dreißig-Pfünder, 6 Achtzehn-Pfünder, 6 Neun-Pfünder, 10 Sechs-Pfünder und 16 kleinere Geschütze, so daß das Gewicht der Chargierung (in späteren Zeiten Breitseite, broadside, genannt und häufig als Maß der Gefechtskraft benutzt) 370 Pfund gegen 195 Pfund des größten Segelschiffes des andalusischen Geschwaders betrug. San Lorenzo hatte eine Besatzung von 124 Seeleuten, 262 Soldaten und etwa 300 Ruderern.

Mit der Grundlegung für stehende Marinen[42] beginnt nun auch in den Ländern, die mit der Vervollkommnung der Segelschiffahrt in den Vordergrund treten, die Anlage von staatlichen Werften.

In Schweden eilte man in dieser Hinsicht den übrigen Ländern des Nordens voraus. Schon Gustav Wasa hatte eine Werft in Westerwik gegründet, bald folgten solche in Stockholm, Kalmar, Helsingfors usw. Schweden baute im Anfang des 17. Jahrh. vorzügliche große Kriegsschiffe; es zeichnete sich besonders durch Gießen von eisernen Geschützen aus und lieferte diese — wie auch Schiffe — nach anderen Ländern.

In England wurden auch an den Plätzen, wo wir Ausrüstungsarsenale kennen gelernt haben, Portsmouth, Woolwich, Deptford, Trockendocks gebaut — das erste war schon 1496 in Portsmouth fertiggestellt —, aber erst um die Mitte des 17. Jahrh. waren solche an all diesen Orten vorhanden, teilweise nun schon mehrere, sowie Plymouth und Chatam hinzugetreten. Auch sonstige Einrichtungen waren getroffen, so daß die Kriegsmarine jetzt imstande war, ihre Schiffe in größerem Maßstabe selbst auszurüsten und zu erbauen.

In Holland beschränkte man sich noch länger auf Ausrüstungsarsenale, vorzugsweise auf Waffendepots; man hatte hier, was Schiffbau und alle sonstigen Bedürfnisse anbetraf, genügenden Rückhalt an der Privatindustrie. Erst zu Ende des 16. Jahrh. machte sich mit dem gewaltigen Wachsen der Marine und dem zunehmenden Bau größerer Schiffe das Bedürfnis nach eigenen Schiffbauwerften geltend, und man gründete sie in den Hauptstädten aller Seeprovinzen.

In Frankreich, wo die Kriegsmarine die geringste Pflege fand und langehin die größeren Schiffe fast nur aus dem Auslande bezogen wurden, legte erst Richelieu Schiffbauwerften in Marseille, Brest, Brouage, Havre und Calais an.

Die Waffen.[43] Die Zeit von 1492–1648 ist auch eine Übergangsperiode von den alten Waffen zu den neuen.

[104]

Als zu Ende des Mittelalters infolge Erhöhung der Kastelle und der Anbringung von Etagen und Pforten in diesen mehr Geschütze aufgestellt werden konnten, waren es zunächst nur kleinere: Der große und starke „Regent“, gebaut 1489, führte zwar 225 Geschütze, aber nur Feldschlangen (serpentines) von 1,5" Kaliber = ½-Pfünder. Mit Verlängerung der Kastelle, Einführung eines zweiten Decks und von Pforten im Schiffsrumpf selbst tritt allmählich die Verwendung schwerer Geschütze auf: der „Great Harry“, gebaut 1514, führt 21 schwerere Kanonen, zu denen allerdings noch alle über 2½" Kaliber = 3-Pfünder, gerechnet werden, und daneben 130 leichtere.

Noch immer werden vielfach die alten Wurfgeschütze, Bogen und Armbrüste, neben den Feuerwaffen verwendet; in der Ausrüstung des „Great Harry“ sind z. B. 500 Bogen mit Zubehör und Reserveteilen aufgeführt. Trefffähigkeit und Bedienung der Pulvergeschütze ließ noch viel zu wünschen übrig, besonders die Bedienung. Unvollkommene Lafettierung — Lagerung in Blocklafetten und noch ursprünglicherer Art — machte das Richten schwierig und ungenau; die Rohre, namentlich die leichteren, waren sehr lang; ein Grund, weshalb man an Bord der bequemeren Bedienung wegen länger als am Lande die aus zwei Stücken bestehenden Hinterlade-Kammergeschütze verwendete.

Einen Beweis für die schwierige Bedienung der Geschütze sowie für die geringe Rolle, die die Artillerie noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. spielte, liefert die Äußerung eines militärischen Zeitgenossen. Er hebt hervor, daß in einem Gefecht zwischen Engländern und Franzosen 1545, wobei 200 Schiffe engagiert waren, „innerhalb zweier Stunden nicht weniger als 300 Schuß von beiden Flotten abgegeben seien.“ Es würde dies, selbst wenn man es nur auf die damals schwereren Geschütze bezieht, höchstens 2–3 Schuß für das Geschütz ergeben.

Diese erste Zeit der Artillerie weist, wie aus der Armierung des „Great Harry“ zu ersehen ist (Seite 97), eine große Zahl verschiedener Geschützarten auf. Es war auch noch nicht gebräuchlich, diese nach einheitlichem System zu benennen; die später übliche, nach dem Geschoßgewicht, konnte noch nicht benutzt werden, da man verschiedenes Geschoßmaterial hatte: Stein, Eisen, Blei. Die beim „Great Harry“ aufgeführten schwereren Kaliber finden wir auch später noch vor. Von den leichteren bedeuten: fowlers und portpieces = kurze leichte Waffen mit Kammer; slings, demislings und toppieces = ganz leichte auf Pivots aufgestellte; hailshotpieces feuerten Ladungen von kleinen Würfeln; handguns waren Handwaffen mit Pivot oder Gabel.

Von der Mitte des 16. Jahrh. an nimmt die Verwendung der schwereren Geschütze zu, und die alten Wurfmaschinen verschwinden. Die Kammern waren wegen ungenügenden Verschlusses schon bei den stärkeren Kalibern, die meist aus Bronze gegossen wurden, weggefallen, jetzt gab man sie auch bei den leichteren, vorwiegend eisernen Kanonen auf; auch der Gebrauch von Steingeschossen verschwindet. Die Rohre werden im allgemeinen kürzer, die Bedienung wird auch sonst erleichtert durch Einführung von Radlafetten und Kartuschbeuteln aus Zeug oder Papier. Die verschiedenen Arten der Geschütze, an Zahl weit geringer geworden, erhalten Namen, die bei allen Nationen ziemlich gleich lauten.

[105]

Um 1580 waren die gebräuchlichsten Geschütze in England folgende (Clowes, Teil I, Seite 411):

Name (In Zollen)
Kaliber
Geschoßgewicht
also annähernd
Pfünder
Mehlpulverladung
Cannon Royal[44]    8½ 66 30
Cannon[44] 8 60 27
Cannon Serpentine[44]    7½    53⅓ 25
Cannon Serpentine[44]    7½    53⅓ 25
Bastard Cannon 7    41¼ 20
Bastard Cannon    6½    30¼ 18
Cannon Pedro[45] 6    24¼ 14
Culverin    5½    17⅓ 12
Basiliko 5    15¼ 10
Bastard Culverin 4   7       6¼
Saket    2½       5⅓       5⅓
Minion    3½   4   4
Falcon[46]    2⅓   3   3
Falconet 2      1¼      1¼
Serpentine    1½        ⅓        ⅓
Robinet 1        ½        ½

Französische Angaben stimmen hiermit nahezu überein; nach holländischen Angaben führten holländische Schiffe um 1587 nur Geschütze bis zum 13-Pfünder, wahrscheinlich Basiliko, und erst um 1616 sehr vereinzelt 36-Pfünder, einige 24-Pfünder, viele 18-Pfünder, meist jedoch 12-Pfünder und 8-Pfünder; auch im nächsten Abschnitt steht Holland in der Kaliberstärke zurück.

Diese Arten der Geschütze bleiben lange bestehen, aber sehr verschiebt sich bei ihrer Verwendung an Bord das Verhältnis der schwereren Kaliber zu den leichteren. Die über die größeren englischen Schiffe um 1548 gemachte Angabe zeigt noch ein Verhältnis der schwereren zu den leichteren Geschützen von 1: 5, ähnlich wie beim „Great Harry“, bei den kleineren Schiffen stellt es sich noch ungünstiger. In der Angabe für 1603 überwiegen schon die schwereren, aber zu ihnen sind noch immer alle vom 3-Pfünder (falcon) aufwärts gerechnet. Beim „Royal Sovereign“, gebaut 1637, sind unter den 104 Geschützen nur solche von der Demi culverin (8-Pfünder oder 9-Pfünder) aufwärts verstanden und dahin sind auch die Geschützangaben über die englischen Schiffe um 1649 zu verstehen. Die Artillerie, und zwar die mittlere und schwere, ist Hauptwaffe geworden; es ist auch schon, wie das angezogene Beispiel zeigte, ein gewisses System in der Aufstellung der verschiedenen Kaliber an den verschiedenen Stellen im Schiff vorhanden, in Frankreich waren sogar um diese Zeit schon Bestimmungen für die verschiedenen Schiffsgrößen erlassen (vgl. Troude, Teil I, Introduction).

[106]

Auch die verbesserten und leichter gewordenen Handfeuerwaffen, Musketen und Haken, hatten die Bogen, deren größere englische Schiffe zur Zeit der Armada (1588) noch 300 führten, verdrängt; die an Bord die freie Bewegung hindernden Schutzwaffen, Helme, Harnische und Schilde, waren weggefallen.

Die im Mittelalter schon erwähnten Brander, Schiffe mit leicht brennbaren Stoffen gefüllt, erscheinen in diesem Zeitabschnitt häufiger und werden auch zuweilen mit Erfolg verwendet (z. B. in der Armada-Campagne); wir gehen im nächsten Abschnitt, ihrer Hauptverwendungszeit, näher auf sie ein.

Die Nautik. Im 16. und im Anfang des 17. Jahrh. werden endlich wesentliche Fortschritte in der Nautik gemacht. Um 1537 entwarf Gerhard Kremer (Mercator) die erste Karte nach der nach ihm benannten Projektion und ließ 1569 eine Weltkarte in dieser folgen. Vom Ende des Jahrhunderts an wurden die runden Seekarten an Bord der Schiffe an Stelle der platten allgemein, auch erscheinen in ihnen die Kompaßrosen zum leichteren Absetzen; 1573 werden zuerst Log und Logglas zum Messen der Fahrt erwähnt.

Zahlreiche Lehr- und Handbücher sowie Hilfstabellen für die praktische Navigation erscheinen, Clowes, Teil I, Seite 402, führt eine große Anzahl davon an; seit Anfang des 17. Jahrh. führt man bei nautischen Berechnungen die Anwendung der Logarithmen ein. Astrolab und Jakobsstab werden weiter verbessert. 1594 erfand John Davis den Davisquadranten (backstaff), der schnell die beiden älteren Instrumente verdrängte, wenigstens auf größeren Schiffen, und bis zur Erfindung des ersten Spiegelinstrumentes (Hadleys Spiegeloktant 1731) im allgemeinen Gebrauch verblieb. 1590 wurde das Fernrohr erfunden und schnell auf den Schiffen eingeführt. Die Mißweisung der Magnetnadel war schon von Kolumbus beobachtet, doch maß man ihr lange Zeit keine Bedeutung bei, was natürlich sehr nachteilig für die Besteckführung war.

Völlig im argen lag aber noch die Längenbestimmung auf See. Der schon um 1530 von einem Gelehrten gemachte Vorschlag, durch Vergleich der beobachteten Ortszeit mit einer vom Lande mitgenommenen die Länge festzustellen, war wegen Ungenauigkeiten der Uhren noch lange nicht ausführbar. Für Beobachtungen von Monddistanzen, auch schon um 1500 von Werner von Nürnberg vorgeschlagen, waren die Winkelinstrumente vorläufig noch nicht genau genug. Diese einigermaßen sichere Methode brach sich erst nach und nach Bahn. Die erste Längenbestimmung auf See nach Monddistanzen soll 1580 von einem Spanier, die zweite 1615 von W. Baffin, dem Lotsen und Beschreiber einer Reise der „Discovery“ nach der Hudsonstraße, gemacht sein.

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Fußnoten:

[40] Hauptquellen: Arenhold; Clowes, Teil I; Jurien: „Les marins du XV siècle“; de Jonge, Teil I; Troude, Teil I; in ihnen, besonders den beiden ersten, wieder Angaben weiterer, rein technischer Quellen.

[41] Die Anordnung der verschiedenen Decke zeigt die schematische Skizze Seite 169.

[42] Vgl. die späteren Angaben über „Die wichtigsten Marinen“.

[43] Hauptquelle: Clowes, Teil I, für englische Verhältnisse. Angaben in Troude, Teil I, „Introduction“ Seite 62 und in de Jonge, Teil I, Seite 279 über französische und holländische Verhältnisse bestätigen die nachstehenden Auslassungen als allgemein zutreffend.

[44] Die drei ersten Arten scheinen an Bord nicht verwendet zu sein.

[45] Der Name ist verdorben aus Cannon pierrier, d. h. ursprünglich für Steingeschosse bestimmt.

[46] Bis zum Falcon einschließlich werden die Geschütze noch bis gegen Ende dieses Zeitabschnittes zu den schwereren gerechnet.


[107]

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Drittes Kapitel.
Die Seekriege von 1492–1648. Kampfweise und Taktik. Die wichtigsten Kriegsmarinen.

Die Seekriege von 1492–1648.

Dieser Zeitabschnitt ist ganz besonders in Hinsicht auf die Kriegführung zur See eine Übergangsperiode zu nennen.

Was muß man unter einem Seekriege — unter wissenschaftlich betriebener Kriegführung zur See — verstehen? Einen Krieg, der ganz oder doch wesentlich durch Erfolge zur See entschieden wird.

Es kann dieser Fall nur eintreten, wenn große Interessen der Gegner auf der See liegen. Diese Interessen können darin bestehen, daß das Meer notwendig ist als Marschstraße, um den Krieg in des Feindes Land zu tragen, später um die Verbindung mit dem eigenen Lande aufrecht zu erhalten, also zur Unterstützung des Landkrieges, oder darin, daß für einen oder beide Gegner von der freien Benutzung des Meeres der Wohlstand des Landes, vielleicht gar seine Lebensfähigkeit oder doch die Möglichkeit zur weiteren Durchführung des Krieges abhängt. Im ersten Falle gleicht das Meer also den Marschstraßen und den rückwärtigen Verbindungen des Landkrieges, im zweiten ist es ein Angriffsfeld mit den auf ihm schwimmenden Gütern als Angriffsobjekten.

Eine wissenschaftliche Kriegführung zur See muß sich nun, um durchschlagende Erfolge — sei es im ersten, sei es im zweiten Falle — zu erzielen, in der Offensive die Aufgabe stellen, planmäßig die Herrschaft auf dem Meere zu erringen und, zeitlich wie örtlich, voll zu behaupten, in der Defensive, letzteres wenigstens zu vereiteln. Eine solche Kriegführung kann nur eintreten, wenn die dazu geeigneten Streitmittel vorhanden sind; sie wird, was die Bedrohung des Wohlstandes des Gegners anbetrifft, nur gewählt werden, wenn die Bedingungen dazu gegeben sind. Damit finden wir die Erklärung, weshalb bislang von keinen großen Seekriegen im angedeuteten Sinne oder doch nur von Ausnahmen in beschränktem Maße die Rede sein konnte.

Als solche Ausnahmen kann man mehrere Kriege im Altertum und auch einzelne im Mittelalter (die der italienischen Städte) ansehen; ihre Beschränkung liegt darin, daß wir in ihnen wenig von „planmäßiger Unterbindung“[108] des feindlichen Handels hören, vorzüglich aber darin, daß die Ruderkriegsschiffe dieser Zeiten nicht imstande waren, längere Zeit die See zu halten, und somit eine errungene Seeherrschaft nicht dauernd behaupten und ausnutzen konnten. Auch die Segelschiffe des Mittelalters waren hierzu noch nicht fähig, und bei den Völkern des Nordens und des Westens kam der Kampf um freie Benutzung des Meeres zu Handelszwecken noch nicht in Frage, denn die Schiffahrt war noch an und für sich gering und für den Handel und damit für die Förderung des Wohlstandes der Länder noch keine Lebensfrage; Brandschatzungen an der Küste schädigten den Feind mehr und brachten reichere Beute als das Aufbringen von Handelsschiffen. So zeigte uns denn die bisherige Kriegführung vorwiegend Expeditionen über See zwecks Eroberungen oder Brandschatzungen, denen mit wenig Ausnahmen weder von seiten des Angreifers eine Sicherung der Herrschaft über das Meer vorhergeht, noch von seiten des Angegriffenen ein planmäßiger Widerstand entgegengesetzt wird. Von Ausnutzung größerer Erfolge, insbesondere zur Behauptung einer für den Augenblick errungenen Seeherrschaft, ist fast nie die Rede; im Gegenteil sehen wir meist ein geglücktes Unternehmen sofort von gegnerischer Seite ebenso glücklich erwidert. Auch die Unternehmungen gegen den feindlichen Handel sind mehr nebensächlich, häufig privater Natur mit dem Charakter der Freibeuterei. Kaum anders spielen sich die Kriege der ersten Hälfte dieses Zeitabschnittes ab, in der zweiten aber bereitet sich ein Umschwung vor, als der Seehandel überall bedeutend zugenommen hatte, der Handel auf den Ozeanen hinzugetreten und auch die Leistungsfähigkeit der Segelschiffe gesteigert war.[47]

Kriege im Ostmittelmeer.[48] Die Türken sind zwar keine seefahrende Nation, aber unter kräftigen Herrschern haben auch ihre Seestreitkräfte viel geleistet. Ende des Mittelalters, nach der Eroberung von Konstantinopel, schufen sie eine Flotte und begannen die Bekämpfung der Abendländer im Ostmittelmeer. Schon bis 1500 verlor Venedig eine Anzahl wichtiger Positionen dort (1479 Argos, Negroponte, Lemnos; 1500 Modon und Koron). 1522 vertrieb Soliman II. (1520–1566) den Johanniterorden von Rhodus. Unter diesem größten Sultan war die türkische Marine auf ihrer höchsten Macht, ihre Kriegs- und Raubzüge dehnten sich bis zu den Küsten Italiens und Spaniens aus, sie unterwarf die Barbareskenstaaten, ja sie focht auf seiten Franz' I. gegen Karl V., und auch in Indien haben wir sie als Gegnerin der Portugiesen getroffen (Seite 64). Venedig verlor in späteren Kriegen, 1540 verbündet mit Karl V., noch weitere wichtige Punkte.

[109]

Wenn auch Malta, 1565 durch den Großmeister La Valette glorreich verteidigt, dem türkischen Ansturm widerstand, ebenso wie das venetianische Korfu, und die türkische Flotte 1571 bei Lepanto (siehe Seite 144) durch die vereinten Streitkräfte Karls V., des Papstes und Venedigs völlig geschlagen wurde, so blieb sie doch noch lange eine furchtbare Macht, bis sie allmählich mit dem Rückgang des osmanischen Reiches verfiel. Trotz des großen, aber nicht ausgenutzten Sieges bei Lepanto verlor Venedig noch 1573 Cypern und trat von nun an politisch zurück, auswärtige gefährliche Unternehmungen und Verwicklungen vermeidend; erst um die Mitte des 17. Jahrh. entspann sich ein neuer Krieg mit den Türken um Kreta.

An sonstigen Kriegen im Mittelmeer sind zu nennen zahlreiche Kämpfe Frankreichs, Spaniens und der deutschen Kaiser, diese letzten beiden Mächte unter Karl V. vereint, um Interessen in Italien: die Feldzüge Karls VIII. und Louis' XII. von Frankreich nach Neapel, die Kriege Karls V. und Philipps II. gegen Franz I. und Heinrich II., in denen französische, spanische Flotten, solche der italienischen Städte, auch türkische als Verbündete der Franzosen Verwendung fanden. Unternehmungen aller genannten Staaten gegen die Barbaresken traten hinzu. Als berühmte Flottenführer der ersten Hälfte des 16. Jahrh. sind Andreas Doria auf kaiserlicher Seite, Barbarossa (eigentlich Horuk) sowie sein Bruder Cheir-Eddin — die ersten türkischen Herrscher von Algier und Tunis und berüchtigte Seeräuber — auf türkischer Seite anzuführen. Größere Ereignisse fallen dann erst wieder in das Ende dieses Zeitabschnittes, als Frankreich unter Richelieu 1635 in den Dreißigjährigen Krieg eingriff und damit auch den Krieg gegen Spanien eröffnete, der noch nach dem Westfälischen Frieden bis zum Pyrenäischen Frieden 1659 fortdauerte. (Siehe Abschnitt III, Nebenkriege 1654–1665.)

In allen diesen Kriegen spielen aber die Flotten nur eine untergeordnete Rolle, und die Seegefechte usw. bieten nichts Besonderes. Nicht zu unterschätzen ist der andauernde Kampf gegen die Raubstaaten, den auch England und Holland bald aufnahmen; er war eine Schule für die Seeleute aller Völker.

In der Ostsee[49] wurde eine Reihe von Kriegen geführt, deren Studium lohnend sein dürfte; wenn in ihnen auch noch nicht planmäßig um die Beherrschung der See in erster Linie gekämpft wird, so hatte doch mit die Frage um die Vorherrschaft in diesem Binnenmeere den Anlaß dazu gegeben. Die Blütezeit der Hansa war, wie schon im Abschnitt Mittelalter erwähnt, die Zeit der Kämpfe der nordischen Staaten, die durch das Bestreben Dänemarks, diese unter seiner Führung zu vereinigen (Kalmarische Union), hervorgerufen wurden. Diesem Bestreben stand die Hansa im eigenen Interesse entgegen, sie unterstützte daher Schweden und mischte sich in die inneren Wirren Dänemarks, wo es ihr Vorteil versprach. Ihr politischer[110] Höhepunkt war erreicht, als 1524 der Bürgermeister von Lübeck, Thomas von Wickede, gewissermaßen die Kronen des Nordens an Friedrich von Holstein und Gustav Wasa austeilte, wodurch er der Kalmarischen Union ein Ende machte und von beiden Fürsten die weitestgehenden Handelsvorrechte erhielt. Nun aber machte die innere Entwicklung der nordischen Staaten große Fortschritte, ihr Seewesen lebte wieder auf, und es begann ein Kampf um die Vorherrschaft in der Ostsee, zunächst zum Nachteil der Hansa. Schon 1534, als Lübeck unter Bürgermeister Wullenweber wiederum Partei in einem Thronfolgestreit Dänemarks, der Dreigrafenfehde, genommen hatte, standen ihm Dänemark mit Schleswig-Holstein und Schweden gegenüber, während es selbst nur von wenigen Städten unterstützt war. Die lübische Flotte wurde 1535 an der fünenschen Küste vernichtet. Die Städte mußten froh sein, einen Teil der früheren Zugeständnisse zu behalten; von hier datiert, in Verein mit den früher angezogenen Gründen (vgl. Seite 78), der Niedergang der Hansa.

Es folgen die Kämpfe Dänemarks und Schwedens um die Herrschaft in der Ostsee, um die noch zu Dänemark gehörenden Provinzen Schwedens, um das Erbe des gegen Ende der fünfziger Jahre zusammenbrechenden preußischen Ordensstaates, das die Nordstaaten sowie Polen und Rußland an sich reißen wollten. Schweden war glücklich in seinen Kriegen gegen Rußland und Polen, befestigte seine festländischen Besitzungen in Finnland und erweiterte sie durch Esthland, aber zur See war Dänemark die stärkere Macht. Hier hatte man zuerst Wert auf eine Marine gelegt. In dem ersten Kriege zwischen beiden Ländern, dem Dreikronenkrieg 1563–1570, nahm zwar auch die schwedische Marine unter Erich XIV. einen Aufschwung und leistete wichtige Dienste; sie verfiel aber noch während des Krieges unter Erichs Nachfolger, obgleich sie doch jetzt gerade zur Verbindung mit den festländischen Besitzungen notwendig war, und Dänemark blieb 1570 im Besitz der schwedischen Südprovinzen sowie der wichtigen Inseln Ösel und Gotland. Damit beherrschte es die Ostsee und den Eingang in diese; der ganze Seeverkehr Schwedens ging durch dänische Gewässer. Die Überlegenheit der dänischen Flotte, unter Christian IV., war weiter entscheidend durch Unterstützung des Landkrieges in dem zweiten Kriege 1611–1613 um die strittigen Provinzen; teuer mußte Schweden den Frieden erkaufen, und die eben erst gegen Dänemarks Sundherrschaft erbaute Festung Göteborg ward zerstört.

Die Seeherrschaft Dänemarks, das um 1630 eine der größten stehenden Flotten Europas besaß, dauerte bis 1645. Sie hatte sich auch im Dreißigjährigen Kriege (Niedersächsisch-dänischer Krieg 1625–1630) dem Kaiser (Wallenstein) gegenüber geltend gemacht. Inzwischen hatte Gustav Adolph während seiner glücklichen Kriege gegen Rußland, durch die er dieses Land für lange Zeit von der See abschnitt (Eroberung von Ingermanland usw.), und gegen Polen (Eroberung von Livland) die schwedische Flotte nach dem Vorbild der dänischen ausgebaut. Wenn sie auch während[111] dieser Kriege und im Dreißigjährigen Kriege nur für Erhaltung der rückwärtigen Verbindungen von Bedeutung war, so stellte sie nunmehr doch im Vereine mit den schwedischen Eroberungen an den Ost- und Südküsten (hier in Pommern usw.) der Ostsee die Seeherrschaft Dänemarks in Frage; ein neuer schwedisch-dänischer Krieg 1643 war die Folge. In diesem wurde Dänemark, vom Kaiser unterstützt, zu Lande geschlagen (Gallas, Torstenson). Die schwedische Flotte, verstärkt durch eine holländische, schützte das wiederum angegriffene Göteborg und führte der dänischen schwere Verluste zu, wenn diese auch heldenmütig widerstand und auf den dänischen Inseln geplante Landungen abwehrte (Sieg auf der Colberger Heide 1644).

Bezeichnend für die Verhältnisse der Zeit ist, daß die 20–30 Segel starke holländische Hilfsflotte nur ein staatlich konzessioniertes Privatunternehmen war; als Staat wollte Holland gegen das bisher zur Unterdrückung der Hansa mit ihnen meist verbündet gewesene Dänemark nicht auftreten.

Im Frieden von Brömsebro 1645 trat Dänemark Ösel und Gotland ab, mußte den Zoll bei Rügen und in der Elbe aufgeben und den Schweden die Befreiung vom Sundzoll zugestehen. Als der Westfälische Friede an Schweden nun Bremen und Verden außerhalb der Ostsee überwies, ihm Wismar und Pommern sicherte, war die Herrschaft Dänemarks über die Ostsee gebrochen.

Wie die Kämpfe mit den Raubstaaten im Süden, so bezeichnet Jurien de la Gravière diese großen Seekriege in der Ostsee als eine Schule für die Seeleute der Zeit, was um so zutreffender ist, als sie mit großen, wirklichen Kriegsschiffen ausgefochten wurden (vgl. Seite 148 „Angaben über die wichtigsten Marinen“).

Englands und Frankreichs Kriege[50] können wir kurz betrachten. Die bei den Kriegen im Mittelmeer angeführten politischen Verwicklungen waren auch im Norden von Einfluß. Mehrfach sehen wir England auf der Seite der Gegner Frankreichs, zuweilen mit spanisch-niederländischen Seestreitkräften vereint, so 1512 auf seiten der ersten heiligen Liga, 1522–1525 und 1544–1546 auf seiten Karls V., 1556–1559 mit Philipp II. (St. Quentin).

Es folgen die Kriege Englands mit Schottland um Thronfolgefragen, die sich durch das ganze 16. Jahrh. hinziehen und worin Frankreich die katholische Partei in Schottland unter der Hand oder in erklärtem Kriege unterstützt. Von 1562–1628 treten die Hugenottenkriege in Frankreich hinzu, worin umgekehrt England auf seiten der Protestanten erscheint, namentlich bei den letzten Kämpfen um La Rochelle. Alle diese Kriege zeigen uns eine fast ununterbrochene Tätigkeit von Seestreitkräften aber nur im alten Sinne: Truppenüberführungen, Belagerungen und Blockierungen, Brandschatzung von Küstenstrichen, gelegentliche Seegefechte. Bald ist die eine, bald die andere Partei kurze Zeit Herrin der See, aber glückliche Unternehmungen der einen werden fast immer von der anderen prompt erwidert.

[112]

Als wichtigere Ereignisse seien aufgeführt: 1513 eine größere englische Expedition gegen Brest, wobei die französische Flotte vor dem Hafen geschlagen wird; auf beiden Seiten werden Galeren verwendet, zum ersten Male waren solche der französischen Mittelmeer-Galerenflotte nach dem Atlantik gezogen. 1522 wurde bei Brandschatzungszügen die englische Flotte durch kaiserliche, niederländische, Schiffe unterstützt. 1544 nahm England Boulogne mit Hilfe der Flotte. 1545 sandte Frankreich als Erwiderung eine Flotte von 150–200 Segeln, darunter 25 Mittelmeergaleren, gegen Portsmouth. Die dort befindliche englische Flotte von 60 Schiffen wurde kurze Zeit blockiert, Wight und die Küste bis Dover gebrandschatzt, worauf man zur Belagerung von Boulogne zurückging. Vier Wochen später folgt die jetzt 100 Segel starke englische Flotte; bei Wight kommt es am 15. August zum Gefecht, worin die Franzosen siegen, obgleich sich die Galeren bei Wind und Seegang nicht bewähren. Trotz dieses Sieges unternimmt die englische Flotte am 2. September einen erfolgreichen Einfall an der Küste der Normandie. 1547 wirft eine französische Flotte 6000 Mann nach Schottland und holt die junge Königin Maria Stuart nach Frankreich zur Erziehung und (1558) Vermählung mit dem Dauphin. 1549 wird noch auf See um Boulogne gefochten, 1550 die Stadt an Frankreich zurückgegeben.

1554 kam Philipp II. nach England, um die Königin zu heiraten. Es ist schon damals kennzeichnend für die Ansprüche Englands auf Oberhoheit in seinen Gewässern, daß der zur Einholung entgegengesandte Lord Highadmiral den König durch einen scharfen Schuß zwang, den geforderten Flaggengruß zu geben.

1558 geht Calais, der letzte Platz Englands auf dem Festlande, durch einen Handstreich des Herzogs von Guise verloren.

Die Ereignisse der Hugenottenkriege im 16. Jahrh. sind von wenig Bedeutung, mehr die späteren, in denen die seemächtige Stadt La Rochelle das Hauptbollwerk der Hugenotten ist. 1622 fand eine Schlacht vor der Stadt, bei St. Martin de Ré, zwischen einer königlich französischen und einer Hugenottenflotte statt; 1627–1628 wurde die Stadt unter persönlicher Leitung Richelieus belagert. Drei große Entsatz-Expeditionen Englands wurden abgeschlagen; La Rochelle, und damit die Sache der Hugenotten, fällt durch Abschneiden von der See mittels Blockade und Aufschüttung eines Deiches.

Aus der Geschichte der französischen Marine sei noch ihre erste größere Seeschlacht auf dem Ozean erwähnt. Als sich Spanien 1580 Portugals bemächtigt hatte, sandte Frankreich eine Flotte von 60 Schiffen unter Admiral Strozzi nach den Azoren zur Unterstützung des dorthin geflohenen portugiesischen Kronprätendenten Dom Antonio, vielleicht wohl auch, um nach englischem Beispiel die Silberflotte abzufangen. Hier wurde diese von 50 spanischen Schiffen und 12 Galeren völlig geschlagen und verlor 8 Schiffe und viele Leute; die Spanier ließen alle Gefangenen als Piraten über die Klinge springen. Die Franzosen schreiben die Niederlage der schwereren Armierung der Spanier, der Ungeschicklichkeit und der Indisziplin der eigenen Seeleute, namentlich nach dem Tode des Admirals, zu.

Eingehender müssen wir die Kriege Englands und Hollands gegen Spanien behandeln, denn gerade sie geben diesem Zeitabschnitt den Charakter der Übergangsperiode zu einer neuen Kriegführung zur See.

Beim Ausbruch des Aufstandes der Niederlande[51] (1566) hatten sich seebefahrene Bewohner Nordhollands und Seelands auf die See geworfen (die Wassergeusen), um Spanien durch Aufbringen seiner Handelsschiffe Abbruch zu tun. Sie waren mit Kaperbriefen Wilhelms von Oranien[113] versehen und verkauften die Prisen im Auslande, namentlich in England, waren aber nach Sitte der Zeit nicht sehr wählerisch und arteten ohne Ordnung und Kriegszucht zu Piraten aus, so daß ihnen bald die ausländischen Häfen geschlossen wurden. Notgedrungen scharten sie sich nun unter einem Oberbefehlshaber, Graf Wilhelm von der Mark, zusammen und suchten einen Stützpunkt an der niederländischen Küste; 1572 nahmen die niederländischen Seeleute Briel an der Maasmündung und legten hiermit den Grundstein zur Befreiung ihres Vaterlandes.

Während des weiteren Verlaufes des Befreiungskrieges waren die immer mehr wachsenden Seestreitkräfte der Niederlande von größtem Nutzen. Sie schädigten den feindlichen Handel und trugen dadurch gleichzeitig zur Beschaffung der Geldmittel für den Krieg bei, sie unterstützten Belagerungen und Verteidigungen von Städten am Meer oder an Flüssen; berühmt ist der Entsatz Leydens durch die Fahrzeuge der Geusen, nachdem man die Deiche durchstochen hatte, um bis zur belagerten Stadt zu kommen. Sie schlugen selbst mächtige spanische Flotten in den Küstengewässern — schon in den ersten zwei Jahren drei bis zu 50 großen Seeschiffen starke — und gewannen damit die Herrschaft in diesen Gewässern; auch später entsandte spanische Geschwader wurden besiegt. Die Flotte der Aufständischen wuchs schnell an Zahl, doch waren die Schiffe nur 50–250 tons groß. Es war dies aber ein Vorteil den großen Fahrzeugen des Feindes gegenüber, denn in den ersten Jahrzehnten (bis zur Armada 1588) wurde der Krieg zu Wasser nur auf den Flüssen, den Meerbusen und zwischen den der Küste vorgelagerten Bänken geführt.

Ungefähr seit Beginn des niederländischen Aufstandes bereitete sich auch der Zusammenstoß Englands und Spaniens vor. Gründe für ihn waren seit der Thronbesteigung Elisabeths genügend vorhanden, obwohl um 1558 noch beide Nationen vereint gegen Frankreich (z. B. bei St. Quentin) fochten. Schon der Versuch Englands, seit den sechziger Jahren, in den auswärtigen Gewässern und Kolonien Spaniens Fuß zu fassen, die dadurch hervorgerufenen Gewalttaten gegen den spanischen Handel und die Niederlassungen, mußten auf der geschädigten Seite Empörung erregen. Wichtiger noch war die schroffe Stellung der beiden Staatshäupter zueinander in der großen Weltfrage der Zeit: Philipp II. als fanatischer Führer der Gegenreformation, Elisabeth als Schützerin der Protestanten stießen überall zusammen. Elisabeth unterstützte ebenso wie die Hugenotten in Frankreich und die protestantische Partei in Schottland auch die aufständischen Niederländer, wenn auch vorläufig nur unter der Hand, besonders durch bereitwillige Aufnahme von Landesflüchtigen. Philipp trat für Maria Stuarts Partei ein und begünstigte 1580 einen Aufstand in Irland. Dieses Verhältnis spitzte sich immer mehr zu, und 1585 trat Elisabeth durch einen Vertrag offen auf die Seite der Niederländer. Nach diesem sollte England eine Unterstützung an Truppen und Kriegsmaterial liefern, deren Kosten nach glücklich beendetem Kriege zurückzuerstatten seien (die Nichterfüllung dieser Bedingung[114] wurde 1652 als einer der Kriegsgründe von seiten Englands aufgestellt); Holland verpflichtete sich, auf Forderung Englands zu gelegener Zeit Schiffe zur englischen Flotte stoßen zu lassen. Tatsächlich führte 1586 Graf Leicester ein Hilfskorps nach Holland, und die Niederländer bestimmten 1588 ein Geschwader zur Unterstützung der Engländer gegen die Armada.

Der Abschluß des Vertrages würde vielleicht schon gleich zu einem von Philipp längst beabsichtigten großen Schlage gegen England geführt haben, wenn die schwer bewegliche Macht Spaniens fertig gewesen wäre, immerhin rief er die Beschlagnahme der englischen, holländischen und deutschen Schiffe in den Häfen Spaniens und Portugals und die Wegnahme englischer Schiffe im Mittelmeer hervor. Diese Schiffe sollten außerdem dem geplanten großen Unternehmen gegen England dienen. England antwortete mit den Vergeltungsmaßregeln in großem Maßstabe, die wir schon erwähnt haben: Unterdrückung der spanischen Hochseefischerei bei Neufundland und Ausgabe von Kaperbriefen und Patenten zur Schädigung des spanischen Handels und der Kolonien. Bevor wir uns jedoch mit dieser Art Kriegführung beschäftigen, ist eines Ereignisses zu gedenken, das ebenso bemerkenswert in strategischer und taktischer Beziehung wie entscheidend für den weiteren Verlauf der Geschichte war: der Armada Entstehung und Ende.

Die Geschichte der Armada.[52] Lange vor der Entsendung der berühmten Armada ging Philipp II. mit dem Gedanken einer Invasion in größtem Maßstabe gegen England um. Schon Alba hatte 1569 einen Plan dafür entworfen, die Kriege Spaniens mit den Türken, Frankreich und Portugal neben dem Kampfe gegen die aufrührerischen Niederlande standen jedoch der Ausführung noch entgegen. Als 1580 Portugal erobert und auch seine Seemacht nun zur Verfügung war, nahm man den Gedanken lebhafter auf. Besonders trat der Admiral Marquis de Santa Cruz, der 1580 die Franzosen bei den Azoren geschlagen hatte, dafür ein: er stellte 1583 das Unternehmen als den notwendigsten Schritt zur endlichen Unterdrückung der Niederländer hin. Der Gouverneur der Niederlande, Herzog von Parma, unterstützte ihn und erklärte auch, die englischen Soldaten seien den spanischen Veteranen nicht gewachsen. Santa Cruz verlangte zur Ausführung die ungeheure Macht von 556 Schiffen — darunter 150 große Kriegsschiffe, 2 Galeassen und 40 Galeren — von zusammen 77250 tons mit 94000 Mann. Philipp war wohl dazu geneigt, beschloß aber, um die Expedition nicht schon von Spanien aus in dieser Stärke entsenden zu brauchen, die in den Niederlanden stehende Armee mitzuverwenden. Die Rüstungen in Spanien begannen, und Parma erhielt den Befehl, in den Niederlanden eine große Zahl flachgehender Transportfahrzeuge fertigzustellen. Wenn die Rüstungen anfangs nicht so eifrig betrieben wurden, so mag dies seinen Grund in dem Schwanken Philipps gehabt haben, ob der Erfolg einer so kostspieligen[115] Expedition voll seinen Interessen entsprechen würde. Zwar war er stets für Maria Stuart eingetreten; wenn er ihr aber zur Herrschaft in England verhalf, so hatte bei ihrer Hinneigung zu Frankreich vielleicht dieses Land den Hauptnutzen davon. Der Tod Marias im Februar 1587 hob dieses Bedenken auf, ihr Sohn Jakob war Frankreich nicht so zugeneigt. Es war eher anzunehmen, daß dieser auf dem englischen Throne zu Spanien halten würde. Tatsächlich hat er, nachdem er schon 1586 gegen Zusicherung der englischen Thronfolge die Sache seiner gefangenen Mutter preisgegeben hatte, den Angriff der Armada nicht ausgenutzt, sondern war sogar bereit, ihre Abwehr zu unterstützen. Nach dem Tode der Maria nun, auch wohl aus Empörung über die Todesart, betrieb Philipp die Rüstungen mit größter Kraft. Alles was in Spanien und seinen Besitzungen, in Portugal, in Italien, an Schiffen, Kriegsmaterial und Personal aufzubringen war, wurde aufgeboten und in verschiedenen Häfen, besonders in Lissabon und Cadiz, gesammelt.

Diese Rüstungen blieben in England nicht unbekannt, hatte man doch selbst Kenntnis davon, daß Philipp geheim um den Segen des Papstes für das Unternehmen gebeten hatte. Man beschloß, sie zu stören, und Sir Francis Drake ward ausgewählt, den Vorstoß zu leiten. Ein Geschwader von 24–40 Schiffen, so schwanken die Angaben, wurde zusammengezogen. Größtenteils waren es armierte Kauffahrer, wahrscheinlich haben nur 6 königliche Kriegsschiffe — 1 zu 600 tons, 47 Geschütze, 250 Mann; 2 zu 500 tons, 54 und 38 Geschütze, 250 Mann; 1 zu 400 tons, 32 Geschütze, 190 Mann, und 2 Pinassen — den Kern der Flotte gebildet. Für wie kühn der Zug gehalten wurde,[53] geht daraus hervor, daß eines der 500 tons-Schiffe auf der Reise umkehrte, ausgesprochenermaßen aus Furcht, und daß Elisabeth die Segelorder widerrief, aber zu spät. Drakes Order war, die Vereinigung der spanischen Geschwader zu hindern und möglichst viel Schiffe und Kriegsmaterial zu zerstören. Er segelte Anfang April 1587 und steuerte, als er von Kauffahrern hörte, daß in Cadiz große Materialmengen zum Transport nach Lissabon bereit seien, diesen Hafen an. Hier traf er am 19. April ein, trieb 6 Galeren unter den Schutz der Batterien, lief mit Handlot an beiden Seiten in den inneren Hafen ein und zerstörte dort über 100 beladene Schiffe fast ohne eigenen Verlust. Am 21. April verließ er Cadiz und beunruhigte die Küste bis Lissabon, wobei er selbst die Fischer nicht schonte. Er forderte auch Santa Cruz, der in dem Hafen lag, formell zum Kampfe heraus, doch nahm dieser weder die Forderung an, noch hinderte er weitere Unternehmungen an der Küste. Da diese jedoch keine nennenswerte Beute brachten, ging Drake nach den Azoren, und dort fiel ihm der wertvolle und wichtige Ostindienfahrer „St. Felipe“ (Seite 82) in die Hände. Trotzdem daß die Aufgabe des Admirals rein militärischer Natur war, wurde die weitere Fahrt wieder ein Fall des alten Freibeuterkrieges. Man sagt, vielleicht mit vollem Recht, Drake habe den[116] geheuerten Kauffahrern zuliebe so gehandelt, die sich der Expedition nicht angeschlossen hätten, nur um Pulvermagazine zu sprengen und Kriegsmaterial zu vernichten, sondern um auch klingenden Lohn zu finden.

Ob diese kühne Tat die Abfahrt der Armada um ein Jahr verzögert hat, ist fraglich, sie war wohl auch so noch nicht bereit; jedenfalls wurden die spanischen Rüstungen sehr verteuert und abgeschwächt, und der Schaden war nicht so schnell zu ersetzen. Noch einen anderen Verlust erlitt Spanien: im Februar 1588 starb Santa Cruz, ein erfahrener Seemann, an seiner Stelle erhielt der Herzog von Medina-Sidonia den Befehl über die nunmehr fast segelfertige Flotte. Medina war, selbst nach Auslaß eines spanischen Autors, nur so oft zur See gewesen, um zu erkennen, daß er leicht seekrank würde. Im übrigen war er ein Mann von Fähigkeit und Bildung, dabei von sanftem Charakter, weshalb man ihn vielleicht gerade für die Stellung, die ihm Parma gegenüber zugedacht war, gewählt hatte. Seiner Kriegsunerfahrenheit sich bewußt, versuchte er zuerst auch, das Kommando abzulehnen. Am 22. März[54] erhielt er seine Instruktionen über den Kriegsplan; die Abfahrt sollte beschleunigt werden, damit England möglichst ungerüstet angetroffen würde.

Am 20. Mai verließ Medina Lissabon und traf am 9. Juni in Coruña, dem Sammelplatz, ein; ein schwerer Sturm an der Küste hatte viele Schiffe versprengt, die sich erst nach und nach, teilweise schwer beschädigt, wieder einfanden. Schon dies entmutigte den Admiral, und da er auch sah, daß die Schiffe teilweise schlecht und ungenügend ausgerüstet waren, da er viele Kranke hatte und manche der Offiziere und Mannschaften für ungeeignet hielt, riet er dem König zum Frieden; wohl ein Zeichen, mit wie wenig Vertrauen er das Kommando führte. Trotzdem behielt er es und Philipp sprach die Erwartung aus, daß die Flotte nach Wiedersammeln aller schweren Schiffe spätestens am 2. Juli in See gehen werde. Die Schiffe wurden neu ausgerüstet und am 12. Juli verließ die Armada — die offizielle Bezeichnung der Flotte war „La felicissima Armada“ — Coruña.

Die Expedition war als „Kreuzzug“ erklärt und dementsprechend wurden verschiedene Anordnungen getroffen: Beichte und Abendmahl sämtlicher Teilnehmer vor der Abfahrt; Verbot von Hazardspielen und Zweikämpfen während der Reise; leichtfertige Weiber wurden an Bord nicht geduldet, katholisch-symbolische Flaggen geführt u. dergl.

Die Instruktion, die Philipp seinem Admiral gab, befahl: „Er solle mit der ganzen Armada direkt zum englischen Kanal gehen, diesen bis zur Themsemündung (Margate) hinauflaufen, von dort mit Parma in Verbindung treten und dessen Überfahrt nach England sichern.“ Weitere Ausführungen besagten: „Die Küsten Frankreichs und Flanderns seien wegen ihrer Untiefen[117] zu vermeiden; die Küste Englands sei deshalb zu halten und die Reise trotz etwaiger Diversionen englischer Streitkräfte fortzusetzen; Zusammenstöße seien nicht zu suchen, um die eigenen Kräfte möglichst zu schonen, da die Flotte zu der Landung 6000 Mann an Parma abzugeben habe; gefochten solle nur werden, wenn ohne Kampf die Überfahrt der Invasionsarmee nicht zu erreichen wäre“. Im Widerspruch hiermit wird aber doch erwähnt, daß Drake, falls er am Eingang des Kanals gesichtet würde oder im Kanal hart nachdränge, angegriffen werden solle. Philipp scheint angenommen zu haben, daß nur Drake mit einem Teile der englischen Flotte im Westen stehen würde, auch scheint er diesen, als Person, besonders gefürchtet zu haben. Es wird ferner gesagt, die Armada würde auch stark genug sein, die gesammelte englische Flotte, falls man noch vor Margate auf sie stieße, zu schlagen. Wie die Überfahrt Parmas zu sichern sei, sagte die Instruktion nicht; der Admiral sollte wohl nach Umständen handeln. War die englische Flotte vernichtet, so konnte die Überfahrt ohne Hilfe vor sich gehen, waren die feindlichen Seestreitkräfte noch ganz oder teilweise schlagfertig, so mußte Medina begleiten. Daß die Unterstützung Parmas von der englischen Küste ausgehen sollte, war beschlossen, da hier sicherere Ankerplätze für die schweren Schiffe vorhanden waren als an der flandrischen. Nach geglückter Landung und Abgabe der 6000 Mann sollte die Armada in der Themse stationiert werden, das Heer unterstützen und die Verbindung mit Flandern aufrecht erhalten. Wenn Parmas Überfahrt durch irgendwelche Umstände verhindert würde, sollte Medina die Insel Wight als Basis für spätere Unternehmungen besetzen.

Aus der ganzen Order muß man entnehmen, daß der König — schlecht beraten oder, wenn besser beraten, hartnäckig auf seiner Ansicht bestehend — entweder die Schwierigkeit der Überführung einer großen Armee über den Kanal mit damaligen Mitteln, Ruder- und Segelfahrzeugen, unterschätzte und vor allem die Wichtigkeit, hierzu vorher den Weg freizumachen, nicht erkannte, oder daß er die Armada für fraglos stark genug hielt, allen Widerstand in dieser Hinsicht mit Leichtigkeit zu überwinden. Dabei muß noch in Betracht gezogen werden, daß es sich nicht nur um die englischen Seestreitkräfte handelte, sondern daß auch die niederländische Flotte Parmas Transportflotte und seine geringen Seestreitkräfte blockierte, und zwar, wie die Zukunft zeigte, mit Erfolg.

Der Armada ist nach dem Kriegsplane nur eine zweite Rolle zugeteilt: Die Unterstützung der Expedition durch Sicherung der Überfahrt, Verstärkung des Landungskorps, Aufrechterhaltung der Verbindungen. Unabhängig war sie nur, „falls“ eine Seeschlacht notwendig würde — allerdings wird diese, wieder im Widerspruch mit dem sonstigen Tenor der Order, darin gelegentlich als „eine Hauptsache“ erwähnt; vielleicht war dies nur eine tröstende Schmeichelei für die Zuteilung der untergeordneten Rolle. Die Erwägung, daß der Kampf mit den feindlichen Seestreitkräften voraussichtlich die Hauptsache werden würde, daß man deshalb den strategischen Plan und selbst die Ordre de Bataille der Armada darauf richten müsse, zuerst mit den gefechtskräftigsten Schiffen die Seeherrschaft im Kanal zu erringen und dann erst[118] zur Ausführung der Landung zu schreiten, scheint dem Könige[55] und anfangs auch den Führern nicht gekommen zu sein.

In der Zeit zwischen der Ausgabe der Instruktion im März und der Abfahrt im Juli scheint aber seitens der spanischen Führer den feindlichen Flotten mehr Beachtung geschenkt zu sein. Im Mai erklärt Medina, er hielte es für gefährlich, Truppen abzugeben, ehe der Feind zur See unschädlich gemacht worden sei, und rät, nach der Vereinigung mit Parma den Feind auf See zu suchen und zu schlagen und dann erst zu landen. Die Vereinigung wird zwar immer noch an der englischen Küste und vor der Vernichtung des Feindes gedacht, die Aufgabe der Flotte tritt doch jetzt aber stärker hervor, um so mehr als nach diesem Vorschlage Parma scheinbar an der Seeschlacht nicht teilnehmen sollte; seine Seestreitkräfte konnten auch die Armada nicht wesentlich verstärken. Trotzdem muß es aber bei dem Hauptplan geblieben sein, denn Medina schreibt bei Antritt der Reise immer noch an Parma: Er sei in See, habe nur den Befehl, den Weg freizuhalten und nur zu fechten, wenn er belästigt würde. Er bitte auch Parma, in See zu gehen und Nachricht zu senden, wo und wann die Vereinigung stattfinden solle.

Danach wünschte Medina sie also vor dem Eintreffen in Margate, falls der Platz überhaupt zu dieser Zeit noch als Treffpunkt galt, was nämlich fraglich ist.

Nach einem Berichte des Vizeadmirals Recalde, des zweitältesten Seeoffiziers, könnte man annehmen, daß schon bei Abfahrt der Armada die Vereinigung an der Südküste des Kanals gedacht war. Recalde nennt als Platz dafür „Las Dunas“, was ebensogut die „Dünen“ an der flämischen Küste wie „the Downs“ an der englischen bezeichnen kann.

Dieser Bericht an den König enthält noch einige bemerkenswerte Punkte. Recalde leitet seine Auslassungen darüber, wie er die befohlene Aufgabe der Flotte auffaßt, damit ein: „Soviel mir davon bekannt ist“; scheinbar sind also die höchsten Führer nur unvollkommen unterrichtet gewesen. — Er schreibt ferner, daß er einen Kampf mit der englischen Flotte für unumgänglich hielte und sogar überzeugt sei, daß diese auch nach einer Niederlage bald wieder gefechtsbereit erscheinen würde, also weiter mit ihr gerechnet werden müsse. Endlich ist er der Ansicht, daß die Überführung der Armee Parmas mehrere Fahrten der Transportflotte erfordern würde. Da scheint es doch, als ob die spanischen Seeoffiziere bei Aufstellung des Kriegsplanes nicht genügend zu Rate gezogen sind oder erst später die Schwierigkeit der Ausführung erkannt haben.

Während der Fahrt ist der ursprüngliche Plan in dieser Hinsicht jedenfalls geändert. Beim Eintreffen vor dem Kanal (20. Juli) hatte Medina beschlossen, bei Wight zu warten, bis Parma bereit sei, auszulaufen, und ihn dann in der Nähe von Dünkirchen zu treffen. Parma wurde gebeten, die Armada an der gefährlichen Küste keinen Augenblick warten zu lassen; am 26. Juli wurde Dünkirchen fest als Treffpunkt bestimmt. Als die Flotte sich später Calais näherte und die Lotsen ein weiteres Folgen der Küste über diesen Ort hinaus für gefährlich erklärten, verlangte Medina sogar, Parma solle ihm bis hierher entgegenkommen, auch scheint nun nicht mehr die Themsemündung, sondern Wight zur Landung ausersehen zu sein.

[119]

Von Anfang an herrschte Unklarheit über die wichtigsten Maßnahmen zur Durchführung der Generalidee, nämlich über die Vereinigung und über die Überführung der Armee. Es ist nicht zu verwundern, daß diese Unklarheit immer schlimmer wird, je mehr die Angriffe der Engländer die Folgen des größten Fehlers des Planes — die Unterschätzung der feindlichen Seestreitkräfte — zeitigten.

Gänzlich unverständlich ist, daß von Anfang bis zu Ende die blockierende holländische Flotte außer Berechnung gelassen wird; ohne Hilfe der Armada konnte Parma überhaupt nicht aufbrechen. Nach der ersten Idee war eine solche Hilfe von Margate aus ja möglich. Der Treffpunkt wird aber immer weiter ab verlegt und damit verlangt, daß Parma ohne Unterstützung mit seiner Transportflotte in See gehen solle. Man mußte doch mit der Zeit die Kraft der Blockade kennen gelernt haben, denn die beiden spanischen Führer standen in Verbindung. Ebenso unbegreiflich ist, daß trotz der langen Vorbereitungen Parma nicht fertig war. Hatte man davon in Spanien keine Kenntnis, oder legte man keinen großen Wert darauf?

Die Zusammensetzung der Armada am 12. Juli war folgende:[56]

Geschwader von Schiffe von Gesamtzahl der
Schiffe und
Mannschaften2)
Tonnengehalt 1000 und
darüber
800–1000 600–800 500–600 200–500 kleinere
Geschütze 48–50 22–50 16–34 12–24 12–20 6–14
Mann ca. 4–500 300–500 250–400 180–300 140–220 40–120
Portugal 2 3 2 1 2 2 12 = 4623
(Adm. Medina-Sidonia)              
Biscaya 1 4 2 3 4 14 = 2692
(Adm. de Recalde)              
Biscaya 1 4 2 3 4 14 = 2692
(Adm. de Recalde)              
Castilien
(Adm. Flores de Valdes)
2
(24 Gesch.)
4 (1 = 36
(3 = 24
Gesch.)
7 (sämtl.
530 tons
24 Gesch.)
1 2 16 = 4177
Andalusien 1 5 3 1 1 11 = 3105
(Adm. Pedro de Valdes)              
Guipuscoa 1 2 2 3 2 2 12 = 2600
(Adm. Miquel de Oquendo)              
Levante 2 5 3 10 = 3637
(Adm. M. de Bertendona)              
  Gesamt 71) 17 18 14 8 11 753) = 20834

1) 1 zu 1000, 1 zu 1050, 1 zu 1100, 1 zu 1150, 1 zu 1160 mit nur 30 Geschützen, 1 zu 1200, 1 zu 1250 tons.

2) Darunter nach spanischem Brauch nur ⅕ bis ⅓ Seeleute. Im Geschwader von Kastilien aber über ½; dieses Geschwader scheint auch sonst nach seiner gleichmäßigen Zusammensetzung und Armierung aus zeitgemäßen Kriegsschiffen bestanden zu haben. Im Geschwader von Portugal betrug der Bestand an Seeleuten ⅓, die Schiffe waren am stärksten armiert; englische Quellen bezeichnen es als das Crack-squadron.

3) Im übrigen darf man diese 75 Kriegsschiffe nicht alle für „als Kriegsschiffe erbaut“ ansehen, es waren manche Kauffahrer darunter, von einigen weiß man es sicher.

[120]

Der Bestand war also 75 Kriegsschiffe, darunter 42 über 600 tons und 56 über 500 tons. Dazu kamen:

  Tonnengehalt Geschütze Soldaten Seeleute Ruderer Gesamt-Besatzung
des Geschwaders
Galeassen von Neapel 4 ? je 50 170–260 112–124 300 2541
Galere von Portugal 4 ? je 4 106 222 1250
Leichtes Geschwader 22 50–300 4–12 20–100 15–50 1168
Hulks (Transporter) 23 200–700 4–38 vorwiegend Soldaten 3729

Der Gesamtbestand der Armada war 128 Fahrzeuge mit etwa 2430 Geschützen und 29422 Mann (darunter etwa 8000 Seeleute und 2088 Ruderer), außerdem hatte sich eine große Anzahl Edelleute mit ihren Dienern als Freiwillige und gegen 300 Priester eingeschifft. Die ganze Ausrüstung soll an 180 Millionen Mark gekostet haben. Von den Schiffen sind allerdings einige auf der Reise von der Flotte abgekommen, es sollen aber beim Einlaufen in den Kanal immerhin von den Schiffen über 500 tons, den Galeassen und Galeren, also den Gefechtsschiffen, 59 zur Stelle gewesen sein.

In den Niederlanden stand unter Parma ein starkes Heer von 30000 bis 40000 Mann, wie die meisten Quellen sagen. Da einige Autoren nur von über 20000 Mann sprechen, ist anzunehmen, daß nicht die ganze Armee zur Invasion in England bestimmt war; man konnte doch auch die Niederlande nicht ganz entblößen. In Dünkirchen, Sluys und Nieuweport waren Transportfahrzeuge gesammelt, auch gebot Parma hier sowie im Norden, wo Verduga in Gröningen befehligte, über die Seestreitkräfte, die im Kriege gegen die aufrührerischen Provinzen verwendet wurden.

Aber auch die Niederländer hatten gegen die Armada zur See ansehnlich gerüstet. Laut Vertrag waren sie verpflichtet, ein Kontingent zur englischen Flotte stoßen zu lassen. Hierzu war ein Geschwader von 27 Fahrzeugen unter Kapitän van Roozendal bestimmt; es scheint die Straße Dover-Calais bewacht zu haben. Ein zweites beobachtete die Schiffe Verdugas und die Hauptmacht unter dem Leutnant-Admiral Justin von Nassau, den Vizeadmiralen van Wassenaer, van der Doos und de Moor blockierte die Häfen der flämischen Küste. Vorgreifend sei bemerkt, daß das Geschwader Roozendals in den englischen und spanischen Berichten über die Gefechte keine Erwähnung findet, während in holländischen Quellen die Mitwirkung ihrer Flotte zur Vernichtung der Armada[57] hervorgehoben wird.

[121]

Nassaus Geschwader hat jedenfalls mit Erfolg blockiert und holländische Schiffe, von Nassau oder von Roozendal, haben nach der Schlacht von Gravelines versprengte und gestrandete Spanier genommen.

see caption

Lord Howard of Effingham.

Englands Rüstungen waren anfangs sehr vernachlässigt. Bei ihrer Neigung zur Sparsamkeit gab sich Elisabeth leicht und gern der Hoffnung hin, daß der Krieg in der bisherigen Weise, also fern von Englands Küsten, weitergeführt werden würde, außerdem schwebten fortlaufend Friedensverhandlungen; jedenfalls dachte sie nach den Erfolgen Drakes 1587 wohl nicht an eine baldige Ausführung der großen spanischen Expedition. Die tüchtigsten Seeoffiziere aber ließen die Vorgänge in Spanien und in den Niederlanden nicht aus den Augen, und auf ihr Drängen begann man ausgangs des Winters 1588 ernstlicher zu rüsten. Mehr konnten sie nicht erreichen; der Vorschlag des Lordhighadmiral Lord Howard of Effingham, ein Geschwader von 6 großen und 6 kleinen Schiffen mit regelmäßiger Ablösung zur Beobachtung und zum Angriff auslaufender Gegner stets an der spanischen Küste zu halten, sowie die noch offensivere Absicht Drakes, mit dem größten Teil der königlichen Schiffe und den Fahrzeugen, die die Stadt London ausrüsten ließ, den Feind wie im Jahre vorher in seinen eigenen Häfen anzugreifen, fanden keine Genehmigung. Nach dem ersten mißglückten Auslaufen der Armada befahl die Königin sogar die Abrüstung der schwersten Kriegsschiffe, aber Howard hielt die Ausführung der Order durch Vorstellungen hin, und infolge der Nachrichten, daß die Expedition nicht aufgegeben sei, bot nun die Königin auf, was das Land an See- und Landstreitkräften stellen konnte: An den Südküsten wurden Truppen zusammengezogen und Signalstationen errichtet; die königlichen Schiffe wurden sämtlich in Dienst gestellt und Kauffahrer geheuert; die Seestädte bereiteten Fahrzeuge für den Küstenschutz vor; Private stellten Schiffe, wohl oft bisherige Freibeuter, zur Verfügung. In dieser Weise wuchsen die englischen Seestreitkräfte beständig, auch noch während des späteren Feldzugs.

Den Oberbefehl auf See hatte der Lordhighadmiral Howard erhalten. Er befehligte die Hauptflotte im Westen des Kanals, unter ihm dienten Drake, der ein Geschwader von armierten Kauffahrern führte, Frobisher, Hawkins, Fenner und andere schon berühmte Seeleute; weitere Geschwader, besonders die Schiffe Londons, standen unter Seymour und Winter im Osten zur Deckung der Themse und zur Beobachtung der flandrischen Küste.

[122]

Howard hatte nie den Plan aufgegeben, dem Feinde bis zur spanischen Küste entgegen zu gehen, es fehlten jedoch Ausrüstungsgegenstände, vor allem Proviant, die vom Osten erwartet wurden. Als er auf die Nachricht vom ersten Inseegehen der Armada Ende Mai trotzdem segeln wollte, obgleich er z. B. nur für etwa 14 Tage Proviant hatte, erhielt er den Befehl, nur am Eingange des Kanals zu kreuzen. Vergeblich stellte er vor, daß er von dort bei den vorherrschenden Westwinden nicht im stande sei, dem Feinde gleichzeitig den Weg nach Irland und durch den Kanal zur verlegen, beide Ziele aber könne dieser haben; es sei richtiger, sich schon an der spanischen Küste an ihn zu hängen. Noch bis zum 22. Juni klagt er über das Ausbleiben der Transporter und wird um so besorgter, da schon am 13. Juni spanische Schiffe zwischen Ouessant und den Scillys gesehen wurden; es waren Fahrzeuge, die der Sturm bei dem ersten Auslaufen bis hierher vertrieben hatte. Als am 23. endlich der Proviant eingetroffen war, ging der Admiral am 24. in See und kreuzte am Eingange des Kanals. Er hatte die Flotte in drei Teile geteilt: die Hauptmacht stand in der Mitte des Kanals, der Vizeadmiral der Flotte Drake lag nach Ouessant, der Kontreadmiral Hawkins nach den Scillys zu; stete Verbindung wurde zwischen den drei Geschwadern aufrecht erhalten. Vom 8. bis 10. Juli ging er südlicher, da er aber fürchtete, der Feind habe schon ungesichtet passiert, kehrte er am 12. Juli, also gerade am Tage der endgültigen Abfahrt der Armada, nach Plymouth zurück, um Wasser aufzufüllen; er ließ jedoch einige leichte Fahrzeuge als Beobachtungsposten draußen. Bemerkenswert, weil von Einfluß auf das Schicksal der spanischen Flotte, ist, daß — wie sowohl Howard als Seymour am 12. und 13. Juli berichten — das Wetter in diesem Sommer ganz außergewöhnlich schlecht und stürmisch war und sie einen großen Krankenbestand hatten; wie mußte diese Witterung auf die Seeleute und gar erst die Soldaten des Südens wirken!

Die gesamten englischen Seestreitkräfte, die der Armada nach und nach entgegentraten, zeigt die Zusammenstellung[58] auf der nächsten Seite.


Der Bestand war also 34 Kriegsschiffe, darunter 8 über 600 tons und 14 über 500 tons. Diese waren größtenteils als Hauptmacht unter Howard vereinigt, einige der größeren dienten aber auch als Flaggschiffe Drakes, Winters, Seymours oder befanden sich bei den Geschwadern der beiden letzten Admirale als deren Kern (Gruppenführer).

Der Gesamtbestand der englischen Flotte war 182 Segel mit 14520 Mann, wozu noch 15 Transporter mit 810 Mann traten.

Bei der Abwägung der Kräfte der beiden Gegner hat sich das Urteil im Laufe der Zeit mehrfach geändert. In den früheren Jahren wurden die Zahl[123] und die Größe der Schiffe auf seiten der Spanier ungebührend hervorgehoben. Die späteren genaueren Forschungen haben dagegen zunächst ihre Gefechtskraft zu sehr unterschätzt, namentlich wenn in bezug auf die Bestückung gesagt wurde, sie habe fast nur aus 4–9 Pfündern bestanden; gegenwärtig dürfte nachfolgende Beurteilung die verbreitetste und wahrscheinlichste sein.

Verband Schiffe von Gesamtzahl der
Schiffe und
Mannschaften
Tonnengehalt 1000 und
darüber
800–1000 600–800 500–600 200–500 kleinere
Geschütze 40–42 42–55 36–48 30–54 18–38 3–21
Mann 500 430–490 250 250 100–180 20–100
Königliche Marine 2 1000
und
1100
3 3 6 8 12   34=62891)
               
Armierte
Kauffahrer
  Unter Drake
im Westen
Armierung
unbekannt2)
    4 zu 3–400 tons, 120–160 Mann
10 zu 200–250, 70–110
6 zu 150–200, 70–80;
Rest 30 bis 80, 30–50
= 14 20 34=2394
Unter Howard
im Westen
11 zu 100–220 ton, 50–90 Mann
7 zu 20–80, 10–30
=   18 18=  530
Der Stadt
London im Osten
10 zu 2–300 tons, 90–120 Mann
20 zu 60–180, 30–80
= 10 20 30=2180
             
Küsten-
Fahrzeuge
  Unter Howard
im Westen
zu 40–180 tons, 20–70 Mann =   23 20=  993
Unter Seymour
und Winter
im Osten
zu 35–160 tons, 20–100 Mann =   23 23=1090
             
Freiwillige Schiffe3)   2 zu 250–300 tons, 100–108 Mann
Rest zu 30–140, 20–65
= 2 21 23=1044
Gesamt 2 3 3 6 34 134 182=14520

1) Auf den Kriegsschiffen befanden sich etwa ⅔ bis ¾ Seeleute, auf den kleineren sogar noch mehr. Hier einige Beispiele:

„Ark“, Flaggschiff Howards 800 tons 270 Seeleute 34 Gunner 126 Soldaten = 430
„Triumph“, Frobishers 1100 300 40 160 = 500
„Vanguard“, Winters 500 150 24 76 = 250
„Tiger“     200 80 12 8 = 100

2) Die Armierung der Kauffahrer und Küstenfahrzeuge war wohl etwas schwächer als die der Kriegsschiffe gleicher Größe. Bei den größeren war der Unterschied vielleicht nicht sehr bedeutend, da es ja gebräuchlich war, solche für den Kriegsdienst gebrauchsfähig zu machen und manche auch wohl als Freibeuter benutzt waren.

3) Die freiwilligen Schiffe, Eigentum von Privatpersonen, stießen nach und nach zur Flotte, als die Armada an der Küste war. Sie und alle armierten Kauffahrer wurden während der Campagne vom Staate erhalten und gelöhnt, mit Ausnahme der Schiffe der Stadt London und der Küstenfahrzeuge im Osten, welche die Cinqueports gestellt hatten.

An Zahl der größeren Kriegsschiffe war die Armada absolut weit überlegen mit 56 Fahrzeugen über 500 tons — dazu noch 4 Galeassen, mächtige Gefechtsschiffe, und 4 Galeren — gegen nur 14 auf englischer Seite. Wesentlich anders stellt sich dieser Vergleich aber schon, wenn wir auf englischer Seite[124] die Schiffe zwischen 200 und 500 tons, 8 königliche und 26 Kauffahrer, dazu rechnen; nach ihrer Armierung ist man dazu berechtigt, da sie hierin den spanischen Schiffen von 500–600, ja auch vielen von 600–800 tons, gleichstanden.

In der Größe der Schiffe war die Überlegenheit ebenfalls auf spanischer Seite, wenn man die Zahl der Schiffe in den einzelnen Klassen nach Tonnengehalt gegenüberstellt. Für die Beurteilung der Gefechtskraft ist dieser Umstand jedoch nicht durchschlagend, weil die englischen Schiffe alle weit schwerer armiert waren als die spanischen gleichen Tonnengehalts. Auch boten die großen spanischen Fahrzeuge, die weit höher über Wasser waren als die englischen gleichen Tonnengehalts, im Feuergefecht ein gutes Ziel, ein Nachteil, der durch den Vorteil beim Enterkampf nicht aufgewogen wurde. Das auf Bildern jener Zeit zum Ausdruck gebrachte übermächtige Aussehen der Spanier hat gerade früher zur Überschätzung der Armada geführt.

Zu dieser relativen Überlegenheit der englischen Artillerie an Zahl der Geschütze trat auch noch die ganz unzweifelhafte an Kaliberstärke,[59] d. h. es befanden sich auf der englischen Flotte relativ sicher, vielleicht sogar absolut, mehr Geschütze schwereren Kalibers als auf der spanischen, wenn auch die Schwäche der Spanier in dieser Beziehung nicht so bedeutend war, wie längere Zeit angenommen ist. Vor allem aber war die Bedienung dieser Waffe bei den Engländern weit besser. Die Spanier hielten — nach Ausspruch eines spanischen Autors — das Geschütz für eine unedle Waffe, gut genug zur Einleitung des Gefechts bis zum baldigen Kampfe Mann gegen Mann. Die Pforten waren bei ihnen der Sicherheit gegen Gewehrfeuer wegen so klein, daß die Geschütze nur schlecht gerichtet, namentlich nicht genügend inkliniert, werden konnten, bei Feuergefecht auf kurze Entfernung für die hohen Schiffe den niedrigeren gegenüber ein großer Nachteil. Die Schiffe führten nur wenig Munition. Die Bedienung war instruiert, auf die Takelage zu schießen, um den Feind manövrierunfähig zu machen und dadurch zum Enterkampf zu kommen; die Feuergeschwindigkeit war gering. Bei den Engländern war die Artillerie schon zu einer geachteten Waffe geworden, die Geschütze waren besser lafettiert und wurden besser und schneller bedient. Man kannte diesen Umstand in Spanien wohl; Philipp befahl in seiner Instruktion, bei einem Gefecht solle man den Enterkampf erzwingen, der Feind würde versuchen, ein Feuergefecht zu führen.

Ebenso wichtig aber wie die Überlegenheit im Gebrauch der Artillerie war die der Engländer in der Bedienung der Schiffe. Hingewiesen ist auf den großen Unterschied in der Bemannung mit Seeleuten, und sowohl als Mannschaft wie als Führer waren die Engländer tüchtiger. Bei den Spaniern überwogen die Soldaten so sehr, daß die Bedienung des Schiffes im Gefecht in Frage gestellt war, Soldaten kommandierten teilweise die Schiffe. Die spanischen Fahrzeuge manövrierten infolge ihrer Höhe über Wasser und ihrer hohen Kastelle an und für sich schon schlechter.

[125]

Aus allem geht hervor, daß die Überlegenheit der Armada keineswegs so bedeutend war, als sie auf den ersten Blick erscheint und lange angenommen ist. Wenn man dies anerkennt, so tritt man dem Verdienst der englischen Seeleute nicht zu nahe, die Abwehr der Armada bleibt immer eine glorreiche Tat; die tüchtigsten Führer der Engländer waren sich auch der Stärke auf ihrer Seite wohl bewußt und haben dies vor dem Zusammenstoß ausgesprochen.

Am 12. Juli hatte die Armada Coruña verlassen. Am 17. Juli wehte ein schwerer Sturm, in dem etwa 40 Schiffe versprengt wurden. Der Admiral sandte am nächsten Tage leichte Fahrzeuge auf dem Kurse nach Lizard voraus, um nach nördlich stehenden Schiffen auszusehen; es gelang auch bis zum 20. Juli die Flotte wieder zu sammeln, nur etwa 9 Segel fehlten.

Am 19. 4h pm.[60] kam die englische Küste in Sicht. Medina heißte eine Flagge mit Kruzifix, den Bildern der Heiligen Jungfrau und Maria Magdalenas und ordnete ein allgemeines Gebet an. Nachts sah man die Küste mit Signalfeuern bedeckt. Die versprengten Schiffe waren nämlich von Kapitän Flemyng, Geschwader Drake, gesichtet; dieser hatte es am 19. in Plymouth gemeldet. Auf der Armada war Lizard für Ramhead gehalten, man glaubte sich also sehr nahe bei Plymouth, lag deshalb während der Nacht von der Küste ab und hielt am 20. einen Kriegsrat, in dem der Beschluß gefaßt wurde, die Engländer im Hafen anzugreifen. Hätte man Lizard richtig erkannt und den Kurs während der Nacht mit vollen Segeln fortgesetzt, so würde man bei dem herrschenden Winde voraussichtlich imstande gewesen sein, den Feind am 20. während des Auslaufens zu überraschen und zum Enterkampf zu zwingen. Howard hatte zwar sofort nach dem Eintreffen Flemyngs mit dem Inseegehen begonnen, da aber infolge starken Gegenwindes die Schiffe gezwungen waren, sich aus dem Hafen zu warpen, kamen im Laufe des 19. und in der Nacht nur 40–50 Fahrzeuge heraus, weitere erst während des folgenden Tages. Die Spanier hatten die Nacht vom 19. auf 20. und einen Teil des Tages verloren, auch am Abend des 20. drehten sie wieder bei, um die Küste zu erkunden. So kam es, daß die Armada am 21. Juli morgens, einige Seemeilen westlich von Eddystone stehend, etwa 60 englische Segel zu Luward sichtete — es wehte WNW. — und einige zehn weiter östlich unter Land, die bestrebt waren, sich mit der Hauptmacht zu vereinigen, was ihnen auch gelang.

Die Armada segelte in einem großen Halbmonde: das Gros unter Medina in der Mitte, auf dem zurückgezogenen linken Flügel die Vorhut unter de Leyva, auf dem rechten die Nachhut unter Recalde; die Spitzen des Halbmondes sollen 6–7 Seemeilen voneinander entfernt gewesen sein.

In den Schiffslisten (Clowes) wird de Leyva nicht angeführt. Er muß älter gewesen sein als Recalde, da sein Flottenteil Vorhut genannt wird (obgleich er auf dem linken Flügel segelt), und da er später einige Tage Recalde unter seinem Kommando hat.

Eine wörtliche Wiedergabe der genaueren Quellen über den Verlauf der spanischen Expedition würde zu weit führen; ich beschränke mich[126] darauf, die Ereignisse der „Armadawoche“[61] kurz so zu schildern, daß die in taktischer und strategischer Hinsicht wichtigsten Punkte hervortreten:

Medina-Sidonias leitender Gedanke war, die Vereinigung mit Parma so schnell und so ungeschwächt wie möglich herbeizuführen und nur gezwungen zu fechten; war ein Zusammenstoß nicht zu vermeiden, den Enterkampf zu suchen. Howard beabsichtigte vorläufig nur, eine Landung des Feindes zu hindern und ihm möglichst Abbruch zu tun, sich aber sonst nicht früher ernstlich zu engagieren, ehe er nicht die ganze Streitkraft Englands, durch Heranziehung der noch überall in der Ausrüstung befindlichen Schiffe und vor allem der Geschwader Winters und Seymours, vereinigt habe. Wie die Spanier mit den englischen Stärken und Schwächen bekannt waren, so war dies auch umgekehrt bei den Engländern der Fall; für sie war also die gegebene Taktik, im Feuergefecht auf wirksamster Distanz, also bei dem damaligen Stande der Artillerie ziemlich nahe, jedoch unter Vermeidung des Enterkampfes, den Feind an schwachen Stellen seiner Formation anzugreifen, sich aber den Abbruch des Gefechtes stets sicher zu halten.

Dementsprechend erfolgte der erste Angriff Howards Sonntag den 21. Juli bei Plymouth.

Sonntag, 21. Juli 1588. — Die englische Flotte steht etwa 70 Segel stark zu Luward. Um 9h am. eröffnet Howard die Feindseligkeiten dadurch, daß er von einem kleinen Schiff einige Schüsse als „Herausforderung“ auf den Feind abgeben läßt, dann greift er mit der Flotte an. Er wechselt mit dem feindlichen linken Flügel nur einige Schüsse auf weitere Entfernungen und segelt quer hinter dem Halbmond durch. Drake („Revenge“, 43 Kanonen) und Frobisher („Triumph“, 42 Kanonen) greifen mit der Vorhut den rechten Flügel, Recalde („St. Anna“, 30 Kanonen), an. Recalde und einige seiner Schiffe nehmen das Gefecht auf, andere aber drängen zum Gros. Engländer führen Feuergefecht auf nahe Distanz, weichen aber Entern aus; Spanier müssen zurück, da im Nachteil. Medina selbst („ St. Martin“, 48 Kanonen) dreht mit einigen Schiffen bei, um Recalde aufzunehmen, kommt dadurch ins Gefecht mit Howard („Ark“, 55 Kanonen); als Medina mehr Beistand erhält, bricht Howard das ganze Gefecht ab; die Spanier rangieren und setzen die Reise fort. Dabei erleidet ein großes Schiff „N. S. del Rosario“ (46 Kanonen, Flaggschiff von Andalusien) so schwere Havarie, daß es in der Nacht zurückgelassen werden muß. Ein zweites Schiff „S. Salvador“ (25 Kanonen, zweites Flaggschiff von Guipuscoa) wird durch Explosion (Unglück oder Rachetat eines flämischen Geschützmeisters) so beschädigt, daß es am 22. verlassen werden muß. Beide Schiffe fallen den Engländern in die Hände.

[127]

In dem etwa achtstündigen Gefecht errang Howard einen kleinen Erfolg; die spanischen Schiffe hatten mehr gelitten, zwei Flaggschiffe waren gar verloren. Wichtiger aber war der moralische Erfolg. Die Engländer sahen ihre Annahmen praktisch bestätigt: ihre Schiffe waren handlicher, ihre Artillerie besser. Die Spanier hatten bei der geringen Inklinationsfähigkeit ihrer Geschütze meist zu hoch geschossen und nirgend den Enterkampf erzwingen können, die Engländer hatten die hohen Ziele getroffen. Wie beabsichtigt, war Howard, der zur Zeit noch nicht einmal alle Schiffe aus Plymouth bei sich hatte, imstande gewesen, abzubrechen und ein allgemeines Gefecht zu vermeiden. Der Mißerfolg wirkte auf die Armada niederdrückend. Wenn auch offizielle Berichte darüber schweigen, so geht es doch aus dem Benehmen einzelner Schiffe Recaldes hervor und tritt auch schon in Privataufzeichnungen zu Tage; auf englischer Seite hob der Erfolg die Stimmung.

Die Armada setzte ihren Kurs fort, die Engländer folgten. Da sie aber in der Nacht die Fühlung unter sich und mit dem Feinde verloren, kam es am Montag den 22. Juli zu keinem Zusammenstoß.

Drake hatte Befehl, während der Nacht am Feinde zu bleiben. Irregeleitet durch einige deutsche Kauffahrer, die er für Spanier hielt, verliert er die Fühlung und dadurch ein großer Teil der übrigen Flotte ebenfalls. Nur Howard selbst bleibt mit einer Gruppe am Feinde; erst am Abend des 22. ist die Flotte wieder vereint. Drake nimmt aber mit einer Gruppe seiner Kauffahrer an diesem Tage die erwähnte „Rosario“, und die „S. Salvador“ wird verlassen aufgefunden; beide werden nach England eingebracht.

Medina ändert an diesem Tage seine Formation. Er bildet aus Vorhut und Nachhut eine stärkere Nachhut unter de Leyvas Befehl, 43 der besten Schiffe, darunter die 4 Galeassen, um so jeden Angriff besser abschlagen und mit dem Gros den Marsch unbehindert fortsetzen zu können. Außerdem befiehlt er allen Kommandanten bei Strafe des Hängens, die befohlenen Posten zu halten. Er sendet Nachricht an Parma über die Position der Armada.

In der Nacht vom 22./23. Juli wurde es fast windstill. Die 4 Galeassen erhielten Befehl, dies zu einem Vorstoß gegen einige von der englischen Flotte getrennte Schiffe zu benutzen. Sie erreichten jedoch nichts, wahrscheinlich aus Mangel an Schneid.

Nach der flauen Nacht sprang der Wind Dienstag den 23. Juli auf NO., als sich die Flotten auf der Höhe von Portland befanden. Nun stand die Armada zu Luward, und Medina hoffte, den Enterkampf erzwingen und dem Feinde einen empfindlichen Schlag zufügen zu können. Während die Engländer manövrierten, um die Luvstellung wieder zu gewinnen, griff er an.

Dienstag den 23. Juli. — Wind NO. Beide Flotten liegen über B. B. Bug. Die Engländer wenden, die Spanier halten zum Angriff ab. Es entspinnen sich verschiedene Gruppenkämpfe. Eine englische Gruppe unter Frobisher („Triumph“ und Kauffahrer), etwas getrennt in Lee stehend, wird hart bedrängt durch die Galeassen, andere englische Gruppen eilen zur Unterstützung herbei, aber auch von spanischer Seite kommt Hilfe. Der wieder auf SO. und dann SW. drehende Wind bringt die Engländer in die Luvstellung, so daß es Howard möglich ist, eine Gruppe der besten Kriegsschiffe in guter Ordnung auf diesen wichtigen Kampfplatz zu führen, und die Spanier müssen, obgleich[128] auch Medina mit einer Anzahl der besten Schiffe seines Geschwaders (Portugal) hier eintrifft, nach mehrstündigem, heftigem Kampfe abhalten. Die Engländer hatten wieder den Enterkampf vermeiden können, aber auch sie hatten diesmal schwer gelitten und waren knapp an Munition geworden. Nach dem spanischen Berichte waren sie es, die das Gefecht abbrachen.

Das Gefecht bei Portland brachte keiner Partei einen taktischen oder strategischen Erfolg; bemerkenswert ist es aber, daß Medina es jetzt doch für nötig gehalten hat, die englische Flotte bei günstiger Gelegenheit schon vor der Vereinigung mit Parma zu schlagen, und seinerseits angriff.

Nach dem Gefechte, das vom Morgen bis zum Abend gedauert hatte, setzte die Armada in guter Ordnung die Reise fort; die Engländer folgten scharf, aber sie unternahmen Mittwoch den 24. Juli, wohl wegen Munitionsmangels, nichts von Bedeutung. Howard teilte an diesem Tage seine Flotte, jetzt wohl 120 Segel stark, in vier Geschwader, unter seinem, Drakes, Frobishers und Hawkins Befehl stehend; auch sandte er kleinere Fahrzeuge und Boote an Land, um von den Küstenkastellen Munition, sowie Leute und Proviant zu holen. Die spanische Nachhut wurde wieder in die ursprünglichen Geschwader Leyvas und Recaldes geteilt. Am Donnerstag den 25. Juli war es fast still, die Flotten standen auf der Höhe der Insel Wight. Um das zurückgebliebene Schiff des Admirals Recalde entspann sich an diesem Tage ein Gefecht, woran sich nach und nach eine große Zahl der größten Schiffe von beiden Seiten beteiligte, so daß es der blutigste der bisherigen Zusammenstöße gewesen zu sein scheint. Dabei waren bei der zeitweilig völligen Stille verschiedene Schiffe genötigt, sich ins Gefecht oder in günstige Windposition durch ihre Boote schleppen zu lassen. Wiederum brachen die Spanier das Gefecht ab, als zunehmende Brise die Aussichten der Engländer erhöhte; auch Howard stand von weiterem Kampfe ab, im Hinblick auf seinen Munitionsmangel und in der Aussicht auf die nun bald bevorstehende Vereinigung mit den östlichen Streitkräften.

An diesem Tage sandte Medina einen Boten an Parma mit der Bitte, sich so bereit zu halten, daß die Vereinigung später ohne jeden Verzug vor sich gehen könne.

Donnerstag den 25. Juli. — „St. Anna“ und eine große portugiesische Galeon waren infolge früher erlittener Gefechtshavarien zurückgeblieben. Frobisher läßt sich mit einer Gruppe durch Boote an diese Schiffe bis auf Musketenschußweite heranschleppen. Geschleppt oder mit eigenen Riemen kommen de Leyva und die Galeassen spanischerseits, Howard mit einer Gruppe Kriegsschiffen anderseits heran. Heftiges Gefecht auf nahe Entfernung; nach spanischen Angaben braucht Howard zum ersten Male seine unterste Batterie, wahrscheinlich war dieses vielen Schiffen, auch spanischen, bisher wegen Wind und See nicht möglich gewesen. Als etwas Wind aufkommt, greift eine größere Anzahl großer Spanier ein und befreit ihre Landsleute, ja Howard selbst wird hart bedrängt. Schon hoffen die Spanier dieses Mal zum Enterkampf zu kommen, aber der Wind frischt zugunsten der Engländer auf. An anderen Stellen sind die Flotten gleichfalls aneinander gestoßen; Frobisher und einige andere Kriegsschiffe können sich einer ungünstigen Leestellung auch nur durch Tauenlassen entziehen.

Das Gefecht bei Wight brachte wieder keine Entscheidung, aber die Engländer hatten doch neue Erfolge zu verzeichnen: das Schiff Recaldes[129] war genötigt, nachdem der Admiral von Bord gegangen, die Armada zu verlassen, es strandete später an der französischen Küste; auch sonst hatten die Spanier mehr gelitten. Sie setzten aber doch ihre Fahrt in guter Ordnung fort und wurden Freitag den 26. Juli nicht angegriffen. Howard erhielt an diesem Tage Munition und Mannschaften, auch neue Schiffe stießen zu ihm. Medina sandte wieder einen Boten an Parma und bat um Munition und um 40 leichte Segler, um die beweglicheren Feinde leichter festhalten zu können; vor allem forderte er, Parma möge beim Erscheinen der Armada vor Dünkirchen sofort herauskommen.

Howard rief am Freitag fünf seiner Führer an Bord und schlug sie zum Ritter, unter ihnen Frobisher und Hawkins.

Plymouth, Portland und Wight waren die Orte, wo man in England besonders Landungen gefürchtet hatte, und doch ist es wohl Zufall, daß gerade hier die drei großen Gefechte stattfanden. Medina dachte an keine Landung und Howard verfolgte bis hierher nur dieselbe Taktik, zurückgebliebene oder ungünstig stehende Feinde mit Übermacht anzugreifen. Er hatte Erfolg damit; wenn dem Gegner auch keine großen Verluste beigebracht waren, so wurde er doch mürbe gemacht. Jetzt fehlten schon 4 große Schiffe (eigener Ausspruch Howards: we pluck their feathers little by little), während die englische Macht ständig wuchs.

Wenn Medina bei Wight ein größeres Gefecht annahm, so hatte dies darin seinen Grund, daß er hoffte, zum Enterkampf zu kommen, und er wurde vielleicht auch dadurch in seinem Entschluß bestärkt, daß es der Tag St. Dominiks, seines Schutzpatrons, war; die Absicht, bei Wight liegen zu bleiben, bis Parma fertig sei, hatte er jetzt schon aufgegeben.

Auch Sonnabend den 27. Juli griffen die Engländer nicht an. Um 4h pm. bekam die Armada die französische Küste bei Boulogne in Sicht und hielt auf Calais zu. Medinas Lage war bedenklich. Noch immer war keine Antwort von Parma eingetroffen und die Lotsen erklärten, man würde bei Fortsetzung des Kurses durch die Strömung bei Dünkirchen vorbei in die Nordsee getrieben werden. Der Admiral ankerte deshalb am Abend zwischen Calais und den vorliegenden Bänken und sandte als letzten Boten seinen Sekretär an Parma mit der dringenden Aufforderung, sofort zu kommen, bei längerer Zögerung sei die Vereinigung, ja selbst die ganze Flotte aufs äußerste gefährdet. Der französische Gouverneur von Calais, mit dem Medina in Verbindung getreten war, um sein Erscheinen an der Küste zu rechtfertigen, ließ nämlich sagen, der Ankerplatz sei sehr unsicher und gefährlich. Die Engländer hatten auf Kanonenschußweite geankert und erhielten am Abend die Verstärkung durch die Geschwader Winters und Seymours, etwa 36 Schiffe, worunter 5 große Kriegsschiffe, so daß sie jetzt zwischen 140 und 200 Segel stark waren. Die Entscheidung mußte fallen, denn auch für Howard war es jetzt die höchste Zeit, der spanischen Vereinigung entgegenzutreten, und sie fiel.

Zunächst wurde die Armada in der Nacht vom Sonntag den 28. Juli auf Montag durch einen Angriff mit Brandern von ihrem Ankerplatz vertrieben.

Schon am 27. hatte Howard nach Besprechung mit Winter beschlossen, den Feind zu Anker mit Brandern anzugreifen. Da Brander aus Dover, nach denen man sofort[130] gesandt hatte, doch wohl zu spät angekommen wären, ließ er am 28. acht seiner schlechtesten Schiffe zu diesem Zweck herrichten. Medina hatte einen solchen Angriff vorausgesehen und angeordnet, Schiffe und Boote zum Abschlagen bereit zu halten. Um Mitternacht des 28. griffen die Brander an und hatten vollen Erfolg. Medina gab Befehl, Anker zu lichten, auszuweichen und wieder zu ankern. Ihm und einigen anderen Schiffen gelang dieses Manöver, sonst aber trat Verwirrung mit vielen Kollisionen ein. Zwei Schiffe verbrannten, eine Galeasse kam havariert auf Grund, der größte Teil der Flotte trieb mit dem Strom die Küste entlang nach Gravelines zu, so daß der Admiral bei Tagesanbruch mit dem Reste folgen mußte.

Am 28. waren nun auch, morgens und abends, Nachrichten der zwei letzten Boten eingetroffen, die aussagten: Parma selbst sei nicht in Dünkirchen, noch sei nichts eingeschifft, an ein Auslaufen des Transports sei vor vierzehn Tagen nicht zu denken, da die Transportfahrzeuge leck und auch sonst die Vorbereitungen nicht fertig seien. Andere Unterstützung, die gewünschten leichten Schiffe, war infolge der Blockade durch die Holländer auch nicht zu erwarten.

Montag den 29. Juli sah sich Medina auf der Höhe von Gravelines genötigt, die entscheidende Schlacht anzunehmen. Als er Calais verließ, hatte sich Howard zwar zuerst, der alten Taktik folgend, mit dem Versuch aufgehalten, die gestrandete Galeasse durch Boote zu nehmen. Drake aber hatte sofort erkannt, daß es jetzt, so dicht vor Dünkirchen und den andern Häfen Parmas, nötig sei, den entscheidenden Schlag zu führen. Er folgte der Armada mit vollen Segeln und die anderen Geschwader schlossen sich an. Es wehte stark aus NW., nahezu auflandig, ein Ausweichen vor dem Kampfe mit raumem Winde würde die Armada auf die Untiefen vor Dünkirchen geführt haben. Medina, der die Halbmond-Formation leidlich gut hergestellt hatte, gab deshalb den Befehl, so hoch wie möglich an den Wind zu gehen; damit mußte er sich dem Feinde stellen. Um 9h am. begann die Schlacht auf der ganzen Linie. Drake, Frobisher und Hawkins greifen mit ihren Geschwadern den feindlichen linken Flügel, Winter und Seymour den rechten und Howard bald darauf die Mitte an. Die feindlichen Flügel werden auf die Mitte gedrängt, durch Manöver auf beiden Seiten zur Unterstützung besonders bedrohter Schiffe geht bald jede Ordnung verloren. Auf Pistolenschußweite wird gefochten; die Spanier, besonders die großen Schiffe, kämpfen tapfer, sie werden aber furchtbar zerschossen und können teilweise bald wegen Munitionsmangels nur noch mit Kleingewehrfeuer antworten; Enterversuche gelingen nicht.

Um 6h pm., nunmehr frei von den nächsten Untiefen, hielt Medina nach schweren Verlusten ab. Die Engländer hatten kein Schiff verloren, aber auch sie, ermüdet und teilweise ohne Munition, brachen den Kampf ab; von der Größe des Erfolges, von der jetzt auf der Armada herrschenden Niedergeschlagenheit, von dem Umfange des Munitionsmangels beim Gegner hatten sie zunächst noch nicht volle Kenntnis.

Howards Boote hatten die gestrandete Galeasse („S. Lorenzo“) geentert und ausgeplündert; Versuche sie flott zu machen und in Besitz zu nehmen, hinderten die Franzosen,[131] weil sie in ihrem Hoheitsgebiet lag. In der Schlacht und am folgenden Tage sollen die Spanier etwa 16 Schiffe mit 4000–5000 Mann verloren haben; 2 große Galeonen („S. Felipe“, 40 Kanonen und „S. Marteo“, 34, Geschwader Portugal) fielen havariert den Holländern in die Hände, die sich nach oder schon während der Schlacht an der Vernichtung der Spanier beteiligten.

Nach spanischem Bericht soll Medina Dienstag den 30. Juli beabsichtigt haben, nochmals an den Feind zu gehen, um im Kanal bleiben oder doch den Rückweg durch ihn einschlagen zu können, aber die Lotsen hätten erklärt, es sei nicht möglich, es müsse alles getan werden, um die Flotte frei von der Küste Seelands zu halten. Aus demselben Grunde hätten auch die Engländer an diesem Tage von einem Angriff abgesehen; es ist ja auch auffallend, daß sie ihre Erfolge nicht sofort weiter ausnützten. Medina ließ so hoch wie möglich am Winde (NW.) steuern, bis ein Drehen des Windes auf SW. gestattete, abzuhalten; beschädigte Schiffe mitzunehmen, war nicht möglich.

Ein Kriegsrat am 30. Juli entschied: daß — mit Rücksicht auf die erlittenen Beschädigungen und Verluste, sowie den Munitionsmangel — bei der Verzögerung Parmas die Landung in England aufgegeben werden müsse, daß ein Zurückgehen in den Kanal nur bei Eintritt günstigen Windes möglich sei, andernfalls müsse man die Armada durch die Nordsee nach Spanien führen. Die Aufgabe der Armada hatte man also fallen lassen, und war nur noch auf ihre Rettung bedacht; da der südliche Wind auffrischte, steuerte Medina zunächst in die Nordsee.

Zu Gefechten kam es nun nicht mehr. Howard folgte, entließ aber am 31. Juli die Geschwader Winters und Seymours, um die Bewachung der Themse und der Doverstraße wieder zu übernehmen. Der spanische Bericht sagt, die Armada habe gute Ordnung gehalten; die Engländer hätten am 31. Juli, am 1. und 2. August Versuche, die Nachhut anzugreifen, aufgegeben, sobald das Gros Miene gemacht habe, das Gefecht aufzunehmen; am 2. August habe der Gegner die Verfolgung abgebrochen. Howard ging tatsächlich an diesem Tage, auf 55° N. stehend, nach den Downs, Harwich und Yarmouth zurück, nur einige Pinassen bis zu den schottischen Inseln am Feinde lassend. Er war der Überzeugung geworden, daß die Armada keine Unternehmungen in Schottland im Auge habe, und daß ihre Kraft gebrochen sei. Medina hat noch bis zum 10. August die Absicht gehabt, bei günstigem Winde den Rückweg durch den Kanal zu nehmen. Als er aber erst am 11., an der Nordspitze Schottlands angelangt, Nordostwind bekam, beschloß er, um Schottland und Irland zu segeln; er hoffte auch wohl, an diesen Küsten seine notleidenden Schiffe mit Wasser und Proviant versehen zu können.

Diese Rückfahrt — durch unbekannte Gewässer ohne gute Karten und Lotsen, mit schwer beschädigten Schiffen, ungenügender seemännischer Besatzung, vielen Verwundeten und Kranken — brachte der Armada weitere schwere Verluste durch höhere Gewalt. Nach englischer Angabe soll während der Fahrt stets schlechtes Wetter geherrscht haben und es sollen[132] zwei, für die Jahreszeit ungewöhnlich starke, Stürme aufgekommen sein. Mit kaum der Hälfte seiner Schiffe lief Medina-Sidonia Ende September in spanische Häfen ein.

Eine große Zahl der Schiffe strandete an den Küsten und den vorliegenden Klippen, namentlich in Irland. Von vielen größeren weiß man die Strandungsstelle (vgl. Clowes, Teil I). Der Gouverneur von Connaught meldete am 1. Oktober nach London, in seinem Bezirke seien mindestens 16 Schiffe mit 6000–7000 Mann untergegangen, 1000 Mann, die sich an Land gerettet, seien getötet. Ein Mann vom „S. Juan“ (50 Kanonen, Flaggschiff Recaldes seit dem 24. Juli), der bei einem Versuche, mit Gewalt Wasser zu nehmen, gefangen war, sagte aus, auf seinem Schiff, einem der bestausgerüsteten, seien täglich 3–4 Mann an Hunger und Durst, andere an Krankheit gestorben, bis zu seiner Gefangennahme im ganzen 200. Admiral de Leyva strandete nacheinander mit 3 Schiffen, beim dritten Male ertrank er.

Nach den spanischen Angaben hat die Armada von 128–130 Segeln 63 verloren, nämlich: 26 Galeonen oder Schiffe, 3 Galeassen, 1 Galere, 13 große Transporter, 20 leichte Schiffe. Davon sind 2 dem Feinde überlassen; 3 bei Calais, 2 an der Küste Hollands, 2 bei Gravelines, 19 auf der Rückfahrt gestrandet; 35 verschollen. Mit diesen Schiffen und sonst im Gefecht oder an Krankheiten sind an 20000 Mann umgekommen. Die Engländer verloren einige Hundert Mann, aber kein Schiff und keinen Gefangenen.

Jahrelang war die Armada vorbereitet worden, in einer Woche des Kampfes war sie aus dem Felde geschlagen, in drei Monaten nahezu vernichtet und mit ihr das Prestige Spanien-Portugals zur See.

Gründe des Mißerfolges der Armada. Am 11. August sandte Medina einen Bericht an Philipp II., worin er das Aufgeben der Expedition meldete: „Seine Flotte sei zum größten Teile versprengt, die Schiffe seien ohne Munition, die Besatzungen ohne Vertrauen.“ Er fügt hinzu, „die englische Flotte habe mit ihrer eigentümlichen Kampfweise ihre Überlegenheit bewiesen, ihre Stärke läge in Seemannschaft und Artillerie; die spanische Stärke, der Enterkampf mit Handwaffen, hätte nicht zur Geltung gebracht werden können.“ Wenn wir noch die bessere Kenntnis der Gewässer und Strömungen seitens der Engländer hinzufügen, so sind damit die taktischen Gründe der spanischen Niederlage erschöpft.

Die strategischen Gründe des Fehlschlagens der Expedition sind bei der Besprechung des spanischen Kriegsplanes hervorgehoben (S. 116 ff.). Zu ihnen muß man auch — er ist gewissermaßen auch taktischer Natur — den Umstand rechnen, daß Medina nicht ernstlich versucht hat, die anfangs noch schwachen englischen Streitkräfte durch eigenen Angriff oder wenigstens durch energische Durchführung der ihm aufgedrungenen Gefechte zu vernichten; dieser Fehler entsprang den falschen strategischen Dispositionen. In dieser Hinsicht möchte ich aber einen Punkt berühren, der meines Erachtens nach in keiner Quelle genügende Beachtung gefunden hat, nur von Colomb[62] wird[133] er angedeutet. Verboten war Medina ein solches Vorgehen nicht, ja es war sogar darauf hingewiesen, allerdings vielleicht wegen Unterschätzung des Gegners und Überschätzung der Armada nur sehr oberflächlich. Hat Medina nicht die allgemein und unbestimmt gehaltenen Dispositionen und Orders falsch ausgelegt oder sich zu sehr an den Buchstaben gehalten? Ist nicht gerade ihm der Vorwurf zu machen, daß er selbst stets die Überführung des Transportes in Gegenwart der intakten feindlichen Flotte für möglich hielt? Es sollen zwar noch weitere Instruktionen von Philipp an Medina und Parma erlassen sein, die verloren gegangen sind. Aber es ist doch wohl anzunehmen, daß diese sich auf andere Sachen bezogen haben, oder daß in ihnen auf untergeordnete Punkte des Hauptplanes näher eingegangen ist, nicht aber daß sie die Hauptsachen geändert haben, denn Medinas Handeln entspricht doch zu genau der bekannten Instruktion. Aber selbst wenn in ihnen das Vermeiden des Kampfes noch schärfer hervorgehoben sein sollte, hätte doch Medina nach seinen Erfahrungen auf der Reise die Notwendigkeit des energischen Niederkämpfens der englischen Seestreitkräfte einsehen und anstreben müssen.


Nach der Abwehr der Armada brach sich in England der von den tüchtigsten Seeleuten längst vertretene Gedanke Bahn, den Krieg mit aller Kraft in die feindlichen Gewässer zu verlegen und damit alle weiteren Unternehmungen des Feindes im Keime zu ersticken. Es beginnt die Reihe von staatlichen und privaten Kriegszügen, oft kaum auseinander zu halten, gegen Spanien, auf die wir früher (Seite 82) hingewiesen haben. Schon im April 1589 verließ eine Flotte von 80 Segeln — nach anderen Quellen 146 — unter Drake mit 11000 Mann Landungstruppen unter Sir John Norreys den Hafen von Plymouth. Die Expedition war nur zum kleinsten Teil (6 Kriegsschiffe) von der Königin ausgerüstet, sonst von Privatpersonen. Sie wandte sich gegen Portugal, da man dort am wahrscheinlichsten die Aufstellung einer neuen Armada erwarten mußte; auch sollte sie den nach England geflüchteten Kronprätendenten Dom Antonio als König einsetzen. Die Armee wurde gelandet, man plünderte Coruña und Peniche und marschierte nach Lissabon. Nach vergeblicher Belagerung dieser Stadt schiffte man das Landungskorps in Cascais an der Mündung des Tajo, wohin die Flotte gesegelt war, wieder ein und kehrte nach England zurück. Wesentliches, besonders in der Sache Dom Antonios, wurde nicht erreicht; Landungskorps und Schiffe waren zu schwach und nicht genügend ausgerüstet gewesen, um das wohlbefestigte Lissabon zu nehmen. Der dem Feinde zugefügte Schaden dagegen war beträchtlich; in Cascais und auf der Rückfahrt wurden viele Schiffe genommen, darunter 15 mit Mannschaften und 60 hanseatische mit Proviant und Kriegsmaterial; alles war für Aufstellung einer neuen starken spanischen Flotte bestimmt.

In demselben Jahre begannen die Privatunternehmungen gegen den Handel und die Kolonien Spaniens in großem Maßstabe. Die berühmtesten[134] sind die des Abenteurers George Clifford, Earl of Cumberland. Schon vor der Armada hatte er zwei solcher Züge unternommen, jetzt folgte im Juni 1589 ein dritter mit 7 Segeln, darunter ein von der Königin geliehenes Kriegsschiff. Er brachte Schiffe an der Küste Portugals und bei den Azoren auf, nahm sogar die Stadt St. Michael und plünderte sie.

Fast jährlich folgen sich nun die Unternehmungen, teils mit, teils ohne Unterstützung der Krone: 1591 führte Cumberland 8 Schiffe hinaus; 1592 = 5; 1593 = 8; 1594 = 5 usw., bis er im Jahre 1598 seinen elften und letzten Zug mit 20, nur eigenen, Schiffen bis nach Westindien ausdehnte und dadurch in diesem Jahre sowohl die Ausfahrt wie die Heimfahrt der Silberflotten verhinderte; ein Ausfall, der in Spanien stets auf das schwerste empfunden wurde. Viele andere Männer, teilweise berühmte Namen der königlichen Marine, wie Raleigh und Frobisher, taten gleiches.[63] Unternehmungen gegen die Schätze der Spanier und Portugiesen mit Geschwadern oder einzelnen Schiffen waren bis zum Friedensschluß 1604 ein Hauptreiz für abenteuerlustige englische Seeleute. Nicht nur auf den Nordatlantik beschränkten sie sich, in Brasilien wurden Bahia (1586), Santos (1591), Recife (1595) geplündert; auch die erwähnten Entdeckungs- und Kolonisationsreisen waren mit Angriffen auf feindliches Eigentum verbunden. Welch eine Schädigung des Feindes und welch eine Bereicherung des eigenen Landes mußte dieser jahrelange kleine Krieg herbeiführen; fiel doch z. B. 1590 englischen Kreuzern ein spanisches Schiff von drei Millionen Mark Wert in die Hände!

Auch der große Krieg wurde jetzt in den feindlichen Gewässern geführt. 1590 wurden zwei Geschwader von zusammen 10 Kriegsschiffen unter Lord Thomas Howard und Sir Martin Frobisher entsandt. Sie machten zwar keine reiche Beute, aber ihr Erfolg lag darin, daß auch in diesem Jahre die Silberflotte in Westindien zurückgehalten werden mußte. Die Geschwader kreuzten 7 Monate ununterbrochen im Atlantik, ein erster Beweis für die zunehmende Leistungsfähigkeit der Kriegsschiffe. Ein im Jahre 1591 unternommener Versuch, mit 7 Schiffen die Silberflotte abzufangen, mißlang infolge rechtzeitigen Eintreffens einer entgegengeschickten spanischen Flotte, doch zeigte der Zusammenstoß mit dieser weit stärkeren aufs neue die überlegene Tüchtigkeit der englischen Seeleute.

Noch erfolgloser, ja unglücklich, war eine größere Expedition 1595. 26 Schiffe mit Landtruppen — teils auf Kosten der Krone, teils von Kaufleuten ausgerüstet; nur 6 Kriegsschiffe waren darunter, da man wegen Anwesenheit spanischer Schiffe in Brest nicht mehr missen konnte — unter Drake und Hawkins segelten nach Westindien. Man hatte die Absicht, Nombre de Dios zu nehmen, über den Isthmus von Panama zu marschieren und sich an der Westküste der dort zur Heimsendung gesammelten Schätze zu bemächtigen. Verzögerungen der Abfahrt und auf der Reise ließen das[135] Unternehmen scheitern. Die Spanier waren überall benachrichtigt und vorbereitet, der dem Feinde durch Brandschatzung und Zerstörung einiger Städte zugefügte Schaden wog die Kosten nicht auf und vor allem nicht den Verlust der beiden bewährten Führer, die an Krankheit starben. Die Flotte mußte nach einem heißen, unentschiedenen Gefecht mit starken spanischen Streitkräften bei Kuba nach England zurückkehren.

Trotz dieser Mißerfolge und obgleich der Krieg der Staatskasse große Summen kostete — schon bis 1592 hatten die Kosten 1 200 000 Lstrl. betragen —, blieb Elisabeth in der Offensive. Spaniens Seemacht hatte sich nach und nach wieder erholt und England befürchtete neuen Versuch einer Invasion (in Irland?) um so mehr, da 1596 Calais in die Hände der Spanier[64] gefallen war.

Um eine solche im Keime zu ersticken, wurde 1596 eine Flotte unter „gemeinsamer“ Führung des Lordhighadmirals Charles Howard of Effingham und des Grafen Essex ausgerüstet; beide Führer waren als „Jointadmirals“ koordiniert, wie es später bei der Marine der Republik gebräuchlich wurde; als Vizeadmiral fungierte Thomas Howard, als Kontreadmiral Raleigh. Den Kern der Flotte bildeten 17 englische Kriegsschiffe — darunter 1 zu 700 tons, 50 Kanonen; 2 zu 600 tons, 39 und 29 Kanonen; 4 zu 500 tons, 30–60 Kanonen; 2 zu 400 tons, 41 Kanonen —, hinzu traten 24 holländische Schiffe — darunter 18 von 2–400 tons, 16–24 Kanonen — unter Admiral van Duijvenvoorde und viele armierte Kauffahrer; einschließlich der Transporter war die Flotte 150 Segel mit 6772 Seeleuten und 7360 Soldaten stark. Den Oberbefehl hatten die englischen Führer. Ihre Instruktion lautete: die Stärke der feindlichen Rüstungen erkunden; Schiffe und Material für diese zerstören; unbefestigte Städte, in denen Beute zu machen wäre, nehmen; heimkehrende reiche Schiffe aufbringen — alles dieses, ohne zu viel aufs Spiel zu setzen.

Der erste Schlag der Cadiz-Expedition, wie sie später genannt wurde, glückte. Sie segelte am 1. Juni 1596; eine Vorpostenkette, die alle gesichteten Schiffe nahm, bewirkte, daß sie, ohne gemeldet zu sein, am 20. Juni Cadiz erreichte. Die Stadt wurde genommen, viele Schiffe wurden im Hafen zerstört, eine Kontribution erhoben und auch sonst reiche Beute gemacht. Der Schaden der Spanier soll 2 Millionen Dukaten betragen haben.

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Der Hafen von Cadiz 1596.

Es war beabsichtigt, auf der westlichen Spitze der Insel Leon, auf der die Stadt liegt, zu landen. Auflandiger Wind, hohe See sowie einige starke, unter dem Schutz der Batterien dort liegende Galeren machten es unmöglich. Nun wurde am 21. Juni die Hafeneinfahrt forciert trotz des heftigen Feuers genannter Galeren, anderer weiter binnenliegender sowie der Forts und Batterien. Die Engländer trieben die Masse der sonstigen feindlichen Schiffe in den inneren Hafen, schossen sie in Grund oder verbrannten sie; andere wurden von den Spaniern selbst verbrannt. Die Holländer[136] bombardierten und nahmen das die Einfahrt deckende Fort Puntal. Essex landete, zerstörte die Zuazo-Brücke, die einzige Verbindung mit dem Festlande, und stürmte dann die Stadt. Nur wenige Schiffe konnten sich durch den Kanal, der östlich von der Insel Leon ins offene Meer führt und nur durch ein englisches Schiff bewacht wurde, retten. Zwei große Schiffe wurden genommen, die als „St. Matthew“ und „St. Andrew“ noch lange zu den größten der englischen Marine zählten.

Weitere Erfolge wurden aber nicht erzielt, man kehrte nach England zurück. Essex und Duijvenvoorde wollten Cadiz besetzen und halten, um von dort weiteres an der Küste zu unternehmen oder doch bei den Azoren die Silberflotte abzufangen; sie wurden jedoch von den anderen Führern überstimmt.

So war denn auch der Erfolg der Expedition kein dauernder. Schon im Frühjahr 1597 lief eine spanische Flotte mit Truppen für Irland bestimmt aus, und zwar so geheim und schnell ausgerüstet, daß sie wahrscheinlich ihr Ziel erreicht haben würde, wenn sie nicht durch schwere Stürme zur Rückkehr gezwungen wäre. Um neue Rüstungen zu verhindern, stellte England eine neue Flotte auf — Admiral Graf Essex, Vizeadmiral Thomas Howard, Kontreadmiral Raleigh —, ähnlich zusammengesetzt wie 1596, auch 10 Holländer unter Duijvenvoorde befanden sich wieder dabei. Sie sollte die Sammelplätze Coruña und Ferrol angreifen und sich dann einer der Azoren als Stützpunkt zeitweise zum Abfangen der Silberflotte bemächtigen. Aber auch sie wurde nach ihrem Auslaufen im Juli 1597 durch Sturm zurückgetrieben, erst am 17. August ging sie aufs neue in See. Da sie jedoch zu nahe an der Küste segelte und gesichtet wurde, war ein überraschendes Auftreten ausgeschlossen. Sie ging deshalb gleich nach den Azoren und ließ so den spanischen Streitkräften die englischen Gewässer in ihrem Rücken frei. Diese benutzten auch die Gelegenheit, auszulaufen mit der Absicht, sich eines westlichen englischen Hafens zu bemächtigen, um ihrerseits einen Stützpunkt für Operationen in Irland sowie gegen die englische Expedition auf ihrer Rückkehr zu gewinnen, aber wiederum zerstreute sie ein Sturm. Diese drei Fehlschläge von Flotten in einem Jahre zeigen wieder die Unzulänglichkeit des damaligen[137] Schiffsmaterials und, daß man im allgemeinen doch noch kein rechtes Vertrauen zu ihm besaß.

Essex plünderte einige der Azoren, hielt sie zeitweise besetzt, und Teile seiner Flotte kreuzten in der Nähe der Inselgruppe; infolge glücklicher Umstände gelang es aber der 40 Segel starken Silberflotte, unbemerkt in den wohlbefestigten Hafen von Angra auf Terreira einzulaufen. Ein Versuch, sich ihrer dort zu bemächtigen, mißlang, nur einige versprengte Schiffe fielen den Engländern in die Hände, und diese kehrten im Oktober in die Heimat zurück. 1598 wurde nichts von Bedeutung unternommen, wir haben aber gesehen, daß Cumberland in diesem Jahre den Verkehr Spaniens mit Amerika unterband.

1599 rüstete Spanien aufs neue und zog Galeren und Hochseeschiffe zusammen. Wenn auch diese Kräfte später anders verwendet wurden — die Galeren gingen nach den Niederlanden, die Hochseeflotte folgte einer großen holländischen Expedition nach Westindien —, so war man doch in England nicht müßig gewesen, um so mehr, da man auch gegen Essex in Irland den Verdacht verräterischer Umtriebe hatte. Es wurde eine Flotte von 19 Kriegsschiffen in Dienst gestellt, in ihrer Zusammensetzung wohl die mächtigste dieser Zeit, nämlich: 2 Schiffe zu 900–1000 tons; 4 zu 700–800 tons; 7 zu 500–600 tons; 6 zu 200–400 tons. Sie kam nicht zur Verwendung, aber es ist bemerkenswert, daß ihre Mobilmachung bis zum Seeklarsein nur 12 Tage in Anspruch nahm, eine bisher noch nirgend erreichte Leistung.

In den Jahren 1600 und 1601 wurde nichts Größeres unternommen, es schwebten Friedensunterhandlungen, doch befand sich ein englisches Beobachtungsgeschwader an der spanischen Küste und mehrere große Privatexpeditionen waren unterwegs. Zu Ende 1601 gelang es einer spanischen Flotte von 40 Segeln, trotz des Beobachtungsgeschwaders ein Landungskorps nach Irland zur Unterstützung der Rebellen (Earl of Tyrone) zu werfen; die Truppen richteten aber nichts aus und wurden durch das englische Geschwader blockiert und zur Kapitulation genötigt.

1602 führte man die Beobachtung der feindlichen Küsten schärfer und länger im Jahre durch (auch Holland entsandte 1602 dazu ein Geschwader), machte in diesem Jahre reiche Beute auf dem Wasser und an der Küste und vernichtete verschiedene nach Flandern bestimmte Galeren. Für das Jahr 1603 waren sogar 2 Geschwader vorgesehen, die sich in dem Überwachungsdienste ablösen sollten. Sie segelten aber nicht mehr, da man nach dem schon zu erwartenden Tode Elisabeths Thronfolgestreitigkeiten und möglicherweise Einmischungen von außen fürchtete.

Jakob I. schloß 1604 Frieden mit Spanien und verbot auch die Freibeuterei gegen den spanischen Handel.

Die Abwehr der Armada und der weitere Krieg hatten Englands Überlegenheit zur See gezeigt. Die Seemacht Spaniens war schwer erschüttert, ihr Prestige verloren, aber sie war doch nicht gänzlich niedergeworfen; noch mehrfach wurden Versuche gemacht, sich wieder aufzuraffen, wie wir auch[138] besonders noch bei der Geschichte Hollands sehen werden. Als Jakob I. Frieden schloß, war dies nicht im Sinne der für die Seemachtspolitik Englands begeisterten Männer. Aber unter den Stuarts wurde der Flotte nicht mehr die Pflege zu teil wie bisher, wenigstens nicht unter Jakob, und die Seekriege wurden nicht mit der Energie der Zeit unter Elisabeth geführt; erst Cromwell sollte das Werk Elisabeths fortsetzen.

Wir können deshalb die letzten Kriege Englands in diesem Zeitabschnitt[65] ganz kurz fassen. Das Bedeutendste sind die Kämpfe der ostindischen Kompagnie mit Portugal in Indien, die trotz des Friedens ausgefochten wurden. Wir kennen den Grundsatz der Zeit: „Kein Frieden hat Gültigkeit unter der Linie.“ So wurden denn auch die gegenseitigen Handelsstörungen im Atlantik fortgesetzt und zwar allem Anschein nach jetzt besonders von seiten Spaniens. Die englische Marine war unter Jakob fast untätig, so daß auch die Barbaresken ihre Raubzüge mit Geschwadern bis in den Kanal ausdehnten. Eine 1620 gegen Algier gesandte Expedition — 6 königliche Schiffe und 12 Kauffahrer — richtete nicht viel aus.

Die Kriege Englands gegen Frankreich in dieser Zeit (Hugenottenkriege) sind bereits, da unwesentlich nur kurz, erwähnt. Als Buckinghams von persönlichen Motiven geleitete Politik Karl I. bald nach seiner Thronbesteigung zunächst auf seiten Frankreichs gegen Spanien führte, so daß sogar englische Schiffe gegen die Hugenotten in La Rochelle verwendet wurden, entsandte man 1625 nochmals eine große Expedition — 9 Kriegsschiffe, 90 Transporter mit Landtruppen, dazu 16 Holländer — gegen Spanien mit ähnlichen Orders wie 1587 und 1596. Es war aber nur eine traurige Nachahmung dieser Unternehmungen und endete als ein Schlag ins Wasser ohne jeden Erfolg.

Die Expedition war mangelhaft ausgerüstet und wurde ebenso geführt. Die zahlreichen Kauffahrer waren nur mit 8–12 Kanonen armiert und standen ganz unter dem Befehl ihrer früheren Kapitäne. Den Oberbefehl führte Viscount Wimbledon, ein Landoffizier, der nicht einmal als solcher ein höheres Kommando innegehabt hatte. Nach verschiedenen Plänen, die als unausführbar aufgegeben wurden, segelte man nach Cadiz, wo wiederum eine große Anzahl feindlicher Schiffe (95) lag. Der Vizeadmiral der Flotte, Graf Essex, griff an und trieb sie in den Binnenhafen, wurde aber sofort zurückgerufen; der Flottenchef fürchtete den großen Tiefgang seiner Schiffe, ohne zu bedenken, daß Drake 1587 mit Benutzung des Handlots den Hafen forciert hatte, daß Howard und Essex (Vater) 1596 dasselbe mit ebenso großen Schiffen getan hatten, nur die Schiffe von 800 tons waren damals draußen geblieben. Die Flotte ankerte bei Puerto de S. Maria (Skizze Seite 136); etliche Holländer erhielten wie 1596 den Befehl, gemeinsam mit einigen Kauffahrern Fort Puntal zu beschießen, dann ging der Flottenchef zu Bett. Die Holländer erlitten nur Verluste, da die Kauffahrer, unbemerkt und unbestraft, fernblieben. Am andern Tage wurde gelandet und das Fort angegriffen, es ergab sich sofort; glücklicherweise, denn man hatte die Sturmleitern und den Proviant vergessen. Anstatt nun die Schiffe im Hafen zu vernichten, die Stellung durch Zerstörung der Zuazo-Brücke zu sichern und dann weiteren Nutzen aus der Landung zu ziehen, fielen die Truppen auf der Suche nach Proviant über das große Weinlager der westindischen[139] Flotten her und betranken sich so, daß alles aufgegeben und wieder eingeschifft werden mußte. Der Versuch, jetzt die Silberflotte abzufangen, mißlang; diese lief in Cadiz zwei Tage nach Abgang der englischen Flotte von dort ein.

Die nächsten Jahre brachten nichts weiter gegen Spanien, da der Krieg mit Frankreich (um La Rochelle; vgl. Seite 112) entbrannte; 1629 und 1630 schloß England mit beiden Ländern Frieden.

Mit dem Beginn der ernstlichen Mißstimmung zwischen dem Könige von England und dem Parlament 1642 erhob sich auch der Streit über die Verfügung über die Flotte; mehrfach besetzten König und Parlament die Hauptkommandostellen mit verschiedenen Personen. Im allgemeinen war die Stimmung in der Marine lange für den König. Als aber die Endkatastrophe hereinbrach, gelang es 1649 doch nur einem Admiral, Sir William Batton, 11 Schiffe nach Holland dem Prinzen von Wales zuzuführen, die übrigen Geschwader hielten zum Parlament, wohl infolge der Gesinnung ihrer Admirale. Vier dieser Schiffe kehrten bald nach England zurück, der Rest operierte mit einigen anderen Schiffen der königlichen Partei, die schon in Holland gewesen waren, in den nächsten Jahren unter Prinz Ruprecht von der Pfalz gegen die Republik.

Auch von seiten Hollands[66] wurde der Krieg gegen Spanien nach Abwehr der Armada in anderer Weise geführt. Die Beteiligung an den englischen Expeditionen 1596 und 1597 ist erwähnt; ermutigt durch den Erfolg, rüstete man 1599 eine eigene Flotte zu gleichem Zweck aus. Wenn man infolge des Vertrages bisher bereitwillig seine Kräfte unter englischen Oberbefehl gestellt hatte, so war dies mit Rücksicht darauf geschehen, daß die englische Marine stärker an großen Kriegsschiffen war, und weil man der Königin Elisabeth für ihre Unterstützung Dank schuldete; jetzt strebte man aber danach, selbst eine gebietende Seemacht zu werden. Man hatte auch nach dem Untergang der Armada begonnen, größere Kriegsschiffe für die offene See zu bauen. Die Flotte, unter van Doos, war 73 Segel stark und mit Landungstruppen versehen. Sie lief am 15. Mai 1599 aus, fand aber die Spanier in Coruña und auch sonst an der Küste benachrichtigt, segelte deshalb nach den Kanaren und brandschatzte diese. Von hier wurde eine Hälfte nach Haus gesandt, die andere ging nach Westindien; sie hatte jedoch keinen Erfolg, da der Ausbruch einer Seuche, der auch der Führer erlag, und das Nahen einer spanischen Flotte (Seite 137) zur Rückkehr zwang. 1606 wurden zwei Geschwader nach der spanischen Küste gesandt; eines machte reiche Beute, das andere wurde durch überlegene Kräfte geschlagen. 1607 dagegen vernichtete eine 26 Segel starke Macht unter Jakob van Heemskerk eine gleichstarke, aber aus größeren Schiffen bestehende spanische Flotte, die auf der Rhede von Gibraltar zu Anker lag. Diese Tat trug nicht nur zur Hebung des Ansehens der holländischen Seemacht bei — selbst den Türken gegenüber, der holländische Handel im Mittelmeer hob sich infolge dessen wesentlich —, sie beschleunigte auch wohl die schon begonnenen Waffenstillstandsunterhandlungen.

[140]

In den heimischen Gewässern war der Krieg in Verbindung mit dem Landkriege fortgesetzt, und es waren hier für die Holländer schwierigere Verhältnisse entstanden. Der spanische Statthalter Parma hatte schon 1583 in Dünkirchen (dazu Nieuweport und Sluys) eine Admiralität gegründet, um mit dort gebauten Kriegsschiffen, besonders aber mit dort ausgerüsteten Kapern (Seite 93) den Handel und die Fischerei Hollands zu unterbinden. Der Platz war vorzüglich dazu geeignet, in unmittelbarer Nachbarschaft der holländischen Einfahrten an Kanal und Nordsee gelegen, geschützt durch vorliegende Bänke; die Bevölkerung lieferte eine ausgezeichnete Besatzung der Schiffe. Holland mußte einen blutigen und kostspieligen Kampf gegen diese Macht führen.

1609 wurde ein zwölfjähriger Waffenstillstand mit Spanien geschlossen. In dieser Zeit blühte der Handel Hollands mächtig auf; es fallen in sie die großen Fortschritte in Indien; im Mittelmeer bekämpfte man die Piraten durch besonders dazu entsendete Expeditionen.

Mit dem Wiederbeginn des Krieges 1621 trat als Aufgabe an die Marine vor allem heran die Bekämpfung der Dünkirchener Seemacht. Der Krieg auf den Ozeanen lag fast allein in den Händen der großen Kompagnien. 1621 wurde allerdings noch eine große Expedition der Kriegsmarine gegen die spanische Küste unternommen, aber mit ungünstigem Ausfall: die Flotte wurde vor Gibraltar von den Spaniern geschlagen; auch war Holland 1625 an der englischen Expedition gegen Cadiz beteiligt. Im allgemeinen aber hatte die Kriegsmarine neben der Unterstützung des Landkrieges in den Binnengewässern mit dem Schutz von Handel und Fischerei im Kanal, der Nordsee und Mittelmeer genug zu tun.

Dünkirchen hatte sich durch das Aufbringen von Schiffen so bereichert — in den ersten dreizehn Monaten nach dem Waffenstillstand wurden 143 Prisen gemacht —, daß es immer mehr und immer größere Schiffe in Dienst stellen konnte; ein Kaufmann z. B. stellte allein dem König 12 Kriegsfahrzeuge auf, nur um den Orden von St. Jakob zu erhalten. In Dünkirchen waren im Dienst: 1634: königliche Schiffe: 3 zu 30–40 Kanonen; 14 zu 24–26 Kanonen; 2 zu 18–22 Kanonen; 2 zu 6–14 Kanonen; Privatschiffe: 11 zu 4–12 Kanonen. 1642: königliche Schiffe: 7 zu 34–44 Kanonen; 9 zu 26–30 Kanonen; 7 zu 18–24 Kanonen; Privatschiffe: 4 zu 24–28 Kanonen; 9 zu 18–22 Kanonen; 15 zu 6–15 Kanonen.

Es war dies mithin eine gefährliche Macht der holländischen Marine gegenüber, die z. B. 1642 auch nur 11 Schiffe über 30 Kanonen und etwa 90 über 20 Kanonen im Dienst hatte, dabei aber ständige Geschwader auf den Fischgründen und zur Begleitung der Konvois in Ostsee und Mittelmeer stellen mußte.

Die Hauptkraft der Flotte mußte Holland demnach notwendigerweise zur Bewachung Dünkirchens bereit halten. 1634 bestand das Blockadegeschwader aus 13 großen Schiffen — 1 zu 54 Kanonen; 4 zu 38–44 Kanonen; 8 zu 30–34 Kanonen — und 5 kleineren. Und lange Zeit war es doch unmöglich, den Handel wirksam zu schützen; trotz der Blockade liefen die Dünkirchener[141] in dunklen Nächten und an stürmischen Tagen aus und noch in den dreißiger Jahren errangen sie innerhalb dreier Jahre eine Beute von 12 Millionen Gulden an Wert. Aber Holland machte immer größere Anstrengungen; Private rüsteten Kreuzer aus, neue Wassergeusen genannt, das Blockadegeschwader wurde immer mehr verstärkt, zeitweise bis zu 25 Segeln. Blutige Gefechte wurden geliefert, in denen sich später berühmte Führer — Martin Tromp und Witte de Witt — auszeichneten; diese schlugen z. B. 1639 ein starkes Dünkirchener Geschwader. Endlich wurde die gefährliche Stadt 1646 von den Franzosen, durch eine holländische Flotte unter Tromp unterstützt, erobert.

Die holländische Marine errang aber auch in dem zweiten Teile des Unabhängigkeitskrieges zwei große Siege über die Spanier. Im Jahre 1631 wurde eine spanische Flotte von 90 Segeln, die in Antwerpen ausgerüstet war, um den Krieg in die Nordprovinzen zu tragen, auf der Schelde vernichtet; nur 9 Schiffe entkamen, an 4000 Gefangene wurden gemacht. Es ist bemerkenswert, daß jetzt im Gegensatz zum ersten Teile des Krieges die Spanier die kleineren, aber schwer armierten Fahrzeuge hatten und damit in den engen Gewässern im Vorteil waren. Die größeren holländischen Schiffe konnten ihnen nicht wirksam entgegentreten, und der große Erfolg wurde nur durch einen nächtlichen Überfall erreicht. 1639 vernichtete dann Tromp im Kanal eine mächtige spanische Hochseeflotte.

Dieses Kriegsereignis,[67] gipfelnd in der Schlacht in den Downs, ist wenig bekannt, obgleich es nach seiner Größe und nach seinen Folgen fast der Armada-Campagne zur Seite gestellt werden kann; hierdurch erst ist der spanischen Marine der Todesstoß gegeben, eine Hochseeflotte stellte sie nun für lange Zeit nicht wieder auf.

In den Niederlanden hatte man erfahren, daß Spanien eine große Flotte mit Landungstruppen ausrüste; wieder war die Kraft aller spanischen Länder aufgeboten, sogar Dünkirchener Schiffe waren herangezogen. Zwar war weder der Zweck noch der Abgangstermin genau bekannt, aber man mußte sich gefaßt machen, daß sie für Flandern bestimmt war. Es wurden zwei Beobachtungsgeschwader unter Tromp (13 Schiffe) und de Witt (5 Schiffe) im Kanal stationiert, während ein drittes unter Banckers (12 Schiffe) Dünkirchen beobachtete. Am 15. September sichtete Tromp den Feind, der mit günstigem Winde kanalaufwärts segelte.

Die spanische Flotte unter d'Oquendo bestand aus 69 Segeln mit 24000 Seeleuten und Soldaten:

1 Schiff von 2400 tons, 68 Kanonen, Admiral von Portugal,
2 Schiffe 1200 und 1600 tons, 66 Kanonen, Admiral von Neapel und Flottenchef,
1 Schiff 1200 tons, 54 Kanonen, Admiral von Kastilien,
24 Schiffe 400–1200 tons, 30–44 Kanonen,   Öfters ist erwähnt, daß die
Spanier leichtere Kaliber führten
als Engländer und Holländer, was
auch wohl hier noch zutrifft.
26 Schiffe ? 10–28 Kanonen,
16 Schiffe kleinere.  

Tromp hielt sich am Feinde und benachrichtigte die beiden andern Geschwader. Schon am 17. stieß de Witt zu ihm und man engagierte den Gegner in laufenden Gefechten, so geschickt geführt, daß er sich nach der englischen Küste hinüberzog. Am folgenden Tage vereinigte sich auch Banckers mit der Flotte; die Spanier erlitten schwere Verluste[142] und ankerten unter dem Schutz der englischen Kastelle in neutralem Wasser in den Downs. Hier blockierte sie Tromp, nur 12 Dünkirchener Schiffen, stark mit Soldaten bemannt, gelang es, durch die Nordpassage nach ihren eigenen Häfen zu entkommen. Vizeadmiral de Witt, dessen Schiff in den Gefechten stark beschädigt war, segelte zur Reparatur nach Holland und meldete hier die Sachlage. Sofort rüsteten die Admiralitäten, die großen Kompagnien und Private mit äußerster Anstrengung, und in kaum vier Wochen war Tromps Flotte auf 105 Segel mit 5968 Seeleuten und 1866 Soldaten gebracht. Die Flotte setzte sich zusammen aus: 41 Kriegsschiffen, 36 Schiffen der Kompagnien, 18 anderen Kauffahrern und 11 Brandern. Die Größe der Schiffe kann man nach den Angaben über die Schiffe der Kompagnien (Seite 87/88) und den Bestand der Kriegsmarine um 1642 (vgl. S. 151) ungefähr schätzen.

England hatte sein Kanalgeschwader (19 Schiffe) zur Aufrechterhaltung der Neutralität herangezogen und erklärt, es würde die Partei angreifen, die den ersten Schuß feuere.

Nach Clowes (Teil II, Seite 76) würden die englischen Besatzungen kaum für Spanien gefochten haben; anderseits soll der König seine Unterstützung gegen eine Zahlung von 150000 Lstrl. zugesagt haben. Daß d'Oquendo Hoffnung auf englische Hilfe hegte, ist anzunehmen; er hätte doch sonst wohl nicht wochenlang der steten Stärkung des Feindes untätig zugesehen. Tromp hatte den Befehl, den Feind ohne jede Rücksicht auf andere Nationen anzugreifen.

Am 21. Oktober war Tromp stark genug und auch der Wind zum Angriff günstig. Die Spanier, vom Angriff überrascht, gerieten beim Ankerlichten in Verwirrung und wurden nahezu vernichtet. Das größte Schiff wurde durch Brander aufgesprengt, das Flaggschiff von Kastilien lief mit 22 anderen auf den Strand, von den Schiffen, die die offene See erreichten, wurden noch 14 genommen, nur etwa 12 kamen nach Dünkirchen. Der Gesamtverlust der Spanier betrug über 40 Schiffe und 7000 Mann, die Holländer verloren nur ein Schiff und etwa 100 Mann. Die englische Flotte hatte nicht eingegriffen, nach Clowes, weil d'Oquendo beim Angriff den ersten Schuß gefeuert habe.

Wie der Sieg über die Armada für die englische Marine, so wirkte dieser Erfolg für die holländische; ihre Achtung stieg im Auslande, ihr Selbstbewußtsein wuchs. Der Krieg gegen Dünkirchen wurde, wie erwähnt, immer energischer und bald zu einem guten Ende geführt. Spanien hatte wiederum eine mächtige kostspielige Flotte verloren; der Verlust machte sich wohl noch fühlbarer als der der Armada, da die Finanzlage des Staates jetzt schon weit schlechter war; im nächsten Jahre wurde Portugal selbständig und damit fiel dessen Flottenkontingent weg.

So mußte Spanien die Angriffe auf die Niederlande von der See her, mit Ausnahme von Dünkirchen aus, aufgeben und damit auch dem Friedensschlusse geneigter werden.

Bis zum Westfälischen Frieden kommen nun größere Ereignisse zur See nicht mehr vor. Als Portugal 1640 aufstand, entsandten die Niederlande 1641 eine Flotte von 9 Schiffen zu 30–38 Kanonen, 8 von 20–28 Kanonen und einigen kleineren, um mit der portugiesischen und einer französischen gemeinsam zu operieren und um die Silberflotte abzufangen. Zu der geplanten Vereinigung kam es nicht, da die Portugiesen untätig im Hafen blieben und die Franzosen auch nicht erschienen. Die holländischen Schiffe kreuzten an der spanischen Küste und trafen nach einigen Wochen mit einem feindlichen Geschwader — 9 großen Spaniern, 10 guten Dünkirchenern und[143] einigen kleineren Fahrzeugen — zusammen, das ausgesandt war, um der Silberflotte den Weg freizuhalten. In einem heftigen Gefechte zogen die Holländer den kürzeren, reparierten in Lissabon und gingen in die Heimat zurück; bemerkenswert ist, daß sich in diesem Gefecht der Kapitän de Ruyter zum ersten Male als Flaggoffizier auszeichnete; er war der Kontreadmiral des Geschwaders.

Über Holland ist in diesem Zeitabschnitt noch zu erwähnen, daß in den Jahren 1644 und 64 eine stattliche Flotte von Kriegsschiffen, etwa 40 Segel unter de Witt, die großen jährlichen Konvois von 800–900 Kauffahrern nach der Ostsee durch den Sund geleitete. Es scheint dies eine Demonstration gegen Dänemark gewesen zu sein, um Schwierigkeiten abzustellen, die dieser Staat dem holländischen Handel machte; von der Unterstützung Schwedens durch eine aus Privatmitteln aufgestellte holländische Flotte haben wir schon bei den skandinavischen Kriegen gehört (Seite 111).


Die Kriege Englands und Hollands gegen Spanien geben uns den Anfang einer neuen Kriegführung, wie sie eingangs dieses Kapitels gekennzeichnet ist.

Während die Spanier mit der Armadaexpedition noch ein großes, ja das größte Beispiel der alten Kriegführung liefern, ein fremdes Land über See anzugreifen, ohne planmäßig vorher um die See zu kämpfen, gewinnt das Vorgehen der Engländer und Holländer einen anderen Charakter. Sie warten nicht mehr ab, daß der Feind sie im eigenen Lande, in den eigenen Gewässern bedroht; ihre Unternehmungen zielen immer häufiger darauf hin, solche Vorhaben im Keime zu ersticken, schon das Ausrüsten und Auslaufen zu verhindern. England war zu Ende seines Krieges soweit gekommen, stets Geschwader an der feindlichen Küste zu haben, man versuchte also, sich der See in weitem Sinne bemächtigt zu halten; schon der Empfang der Armada zeigt eine wohlangelegte Bewachung des Eingangs zu den eigenen Gewässern.

Ferner hat sich der Kampf der beiden nördlichen Staaten gegen den spanisch-portugiesischen Handel aus vereinzelten Raubzügen zu dem Bestreben entwickelt, diesen Handel, der für die Länder schon Lebensfrage geworden war, ganz zu unterbinden; Portugal war schließlich nicht mehr imstande, Flotten von Indien zu senden, Spanien mußte öfters das Segeln seiner Silberflotte verbieten.

Daß sich das Verständnis für die energische Führung eines ausgesprochenen Krieges „auf See“ jetzt ausbildet, geht aus den Auslassungen bewährter englischer Seeleute dieser Zeit hervor. Ähnlich wie Howard und Drake sprachen sich später Admiral Monson und Raleigh — beide waren Unterführer in den Expeditions- oder Beobachtungsflotten der Jahre 1590–1602 — in Abhandlungen über die der englischen Marine nötigen Pflege dahin aus, daß nur ein offensiv auf der See — und zwar in den feindlichen Gewässern — geführter Krieg England vor Invasionen schützen könne. Bemerkenswert ist es, daß Raleigh für seine Arbeiten die griechischen und römischen Seekriege studiert hat. Die Erkenntnis der Wichtigkeit der Herrschaft auf dem Meere für den Handel zeigt folgender Ausspruch Raleighs: „Whosoever commands the sea, commands the trade; whosoever commands the trade of the world, commands the riches of the world and consequently the world itself.“

Eine ganz stetige Durchführung der neuen Kriegführung finden wir noch nicht, auch England fällt öfters in die alte Art zurück; errungene Erfolge werden nicht genügend ausgenützt, höhere Zwecke der Brandschatzung[144] hintangesetzt, z. B. bei den Expeditionen gegen Cadiz 1587 und 1596. Die neue Idee war noch nicht durchgedrungen, sie war auch ohne eine große stehende Marine mit seefähigen Schiffen nicht voll durchzuführen. Beides geschieht erst im nächsten Zeitabschnitt, womit man dann auch bald zu der Erkenntnis gelangt, daß zur Erreichung aller großen Ziele auf See zunächst die Niederkämpfung der feindlichen Seestreitkräfte nötig ist.

Kampfweise und Taktik.

Bei den Ruderschiffen, die ja im Mittelmeer die Kriegsschiffe blieben, trat im Bau und in der Kampfweise des Einzelschiffes keine Änderung gegen das Mittelalter (Seite 47) ein. Die neue Waffe der Artillerie hatte keinen Einfluß, ihre Hauptkraft lag ebenfalls nur im Bug und Heck; die Schiffsenden blieben also offensiv und defensiv stark, die Seiten schwach wegen der Rudereinrichtung; die Seiten wurden auch mit Einführung der Breitseitartillerie nicht nennenswert stärker. Hier standen nur ganz leichte, wenig richtungsfähige Geschütze zwischen den Riemen; manövriert wurde auf ihren Gebrauch nicht. Die Galeassen, eigentlich doch nur schwere Galeren, hatten dieselben Eigenschaften.

In der Taktik für Schiffsverbände änderte sich infolgedessen auch nichts. Wenn beim Mittelalter gesagt ist, daß sie nicht auf der Höhe des Altertums stand, so trifft dies jetzt noch zu. Von den wenigen genauer überlieferten Beschreibungen zeigen die der größten Schlacht von Ruderschiffen (Lepanto 1571) und die der letzten, worin ausschließlich solche Fahrzeuge zur Verwendung gekommen sein sollen (Genua, 1. September 1638), ein starres Festhalten am Althergebrachten wie im Mittelalter.

Lepanto.[68] Die verbündeten Mächte — Spanien, Venedig und der Papst — hatten 1571 eine Flotte von etwa 300 Fahrzeugen — 6 Galeassen, an 200 Galeren, der Rest Fahrzeuge aller Größen wohl meist Transporter — mit 50000 Mann Fußvolk und 4500 Reitern in Messina versammelt, um einen großen Schlag gegen die Türken in Griechenland zu führen. Don Juan d'Austria befehligte die Expedition. Er verließ am 25. September den Hafen, landete in Griechenland fast an derselben Stelle, wo Octavian vor Actium gelandet hatte, und erfuhr hier, daß die türkische Flotte im Golf von Korinth sei. Am 6. Oktober ging er dorthin ab. Die Türken lagen in Lepanto — dem alten Naupactus, ihrer Flottenstation —, auch etwa 300 Segel stark und kamen den Christen entgegen. So trafen sich die beiden Flotten am 7. Oktober am Nordwesteingang des Golfes von Korinth bei den Kurtsolarischen Inseln (alt: Echinaden), die Christen 6 Galeassen, 200 Galeren, die Türken etwa 250 Galeren an Schlachtschiffen stark. Wenn auch an Zahl unterlegen, so waren doch die Schiffe der Verbündeten stärker armiert und besser bemannt; die Besatzungen waren zum Schutz und Trutz stärker bewaffnet und enthielten die Blüte der Ritterschaft ihrer Länder. Die Türken hatten keine Galeassen.

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Beide Flotten waren in vier Geschwader geteilt, drei davon in der Sichel formiert, das vierte stand als Reserve hinter dem Zentrum. Auf seiten der Verbündeten waren die Galeassen in Dwarslinie vor die Mitte gezogen; beide türkische Flügel und der linke christliche lehnten sich an Untiefen an. Die Türken versuchten den Gegner zu überflügeln, was auch besonders mit ihrem rechten Flügel gelang, der mit Hilfe von Lotsen die Untiefen vermieden hatte. Bei der geringeren Anzahl ihrer Schiffe war für die Verbündeten die Wahl der Formation falsch, sie hätten die Flügel zurückziehen müssen[145] (Halbmond); die Türken nutzten aber ihren Vorteil nicht energisch genug aus. Im Zentrum eröffneten die schweren Galeassen frühzeitig das Feuer und erschütterten den Feind, dann griff Don Juan mit voller Fahrt an, gab persönlich das beste Beispiel, indem er der Erste an Bord des türkischen Flaggschiffes war, und in der Melee errangen hier die Christen nach blutigem Kampfe einen vollständigen Sieg. Auch ihr linker Flügel gewann bald wieder die Oberhand, obgleich sein Admiral Barbarigo gefallen war; der türkische linke war weniger zum Kampf gekommen. Die Türken verloren 200 Schiffe und mindestens 20000 Mann. 15000 Christensklaven sollen befreit sein. Der Verlust der Christen betrug 15 Galeren und 8000 Mann, darunter allerdings viele Führer und angesehene Ritter.


Bei Lepanto kann von einer angewandten Taktik nicht die Rede sein: die Verbündeten wählen die für sie falsche der gebräuchlichen Gefechtsformationen, die Türken nutzen weder diesen Fehler noch ihre Überzahl aus; nur das Einleitungsgefecht mit Feuerwaffen hat mit deren Vervollkommnung an Bedeutung gewonnen, sonst geben bessere Bewaffnung, Körperkraft, Mut sowie das Beispiel der Führer im Handgemenge den Ausschlag.

In der Schlacht vor Genua 1638 zwischen Franzosen und Spaniern bestand jede der Flotten aus etwa 30 Galeren, rangiert in Dwarslinie. Es kam zum sofortigen Enterkampf, weil der französische Admiral den Befehl gegeben hatte, wie er das feindliche Flaggschiff, so habe eine jede Galere beim ersten Anlauf das ihr in der Linie des Gegners gegenüberstehende Fahrzeug mit voller Ruderkraft anzugreifen. Hier ist also von jedem Gedanken, sich einen taktischen Vorteil zu sichern, abgesehen. Es ist nur bemerkenswert, daß beide Gegner vor dem Gefecht versuchen, die Luvstellung zu gewinnen, um durch den Angriff vor dem Winde ihre Stoßkraft zu vermehren.

Für die Segelschiffe, deren Kampfweise und Taktik im Mittelalter kaum von der der Ruderschiffe abwich, ja nicht einmal auf ihrer Höhe stand, änderten sich in diesem Zeitabschnitte die Verhältnisse wesentlich. Als die Kanonen in der Breitseite aufgestellt und zur Hauptwaffe wurden, mußte an die Stelle des Kampfes in der Kielrichtung der in der Querabrichtung treten.

Bei Segelschiffen mit Breitseitarmierung waren im Gegensatz zu den Ruderschiffen die Seiten offensiv und defensiv stark, Bug und Heck dagegen schwach. Den Seiten war die Hauptschwäche, die Rudereinrichtung, genommen, die Schiffswände wurden stärker gebaut, die Hauptwaffe stand dort. Bug und Heck konnte man bei zunehmender Leistung der Artillerie wegen der verheerenden Wirkung eines Enfilierfeuers dem Feinde nur mit großer Gefahr zuwenden. Den Bug zum Rammstoß zu gebrauchen, war vom Winde abhängigen Schiffen nur gelegentlich möglich; die feindlichen[146] Riemen waren als Angriffsobjekt weggefallen. Als der Artilleriekampf mit Breitseitgeschützen in den Vordergrund trat, wurde dies auch von Einfluß auf die Angriffsformation einer Flotte; um die Artillerie vor der Melee ergiebig verwenden zu können, mußte man eine tiefe Formation an Stelle einer breiten haben: die Kiellinie an Stelle der Dwarslinie.

Der Einfluß machte sich natürlich nur allmählich bemerkbar. Wir wissen, daß die Spanier zur Zeit der Armada die Artillerie noch nicht als Hauptwaffe betrachteten. Zahl, Kaliber, Montierung der Geschütze, Ausbildung der Mannschaft an ihnen einerseits, die überwiegende Bemannung mit Soldaten anderseits machen ihre Schiffe nur geeignet für den Enterkampf; seine Herbeiführung war auch ausdrücklich angeordnet. Bei den Engländern dagegen war die Artillerie schon Hauptwaffe geworden, ihre beweglicheren Schiffe waren stark bestückt, bemannt mit guten Artilleristen und vielen Matrosen; sie führen schon ein Feuergefecht. So finden wir auch als Flottenformation bei der Armada noch den althergebrachten Halbmond; selbst auf dem Marsche wird er meistens gehalten, wohl um jederzeit zum Schlagen bereit zu sein und um die schwächeren Schiffe zwischen dem aus starken Kriegsschiffen bestehenden Zentrum und den Flügeln besser schützen zu können. Über die Formation der Engländer haben wir keine Angaben. Bei ihrer während der ganzen Fahrt der Armada durch den Kanal beobachteten Taktik — die Luvstellung zu halten und den Gegner an den zurückgezogenen Flügeln anzugreifen, vor allem aber sich auf in ungünstiger Windposition zurückgebliebene Feinde zu stürzen — ist anzunehmen, daß sie keine starre Formation hielten. Die Führer der Geschwader oder selbst die einzelner großer Kriegsschiffe nahmen selbständig jede günstige Angriffsgelegenheit wahr. Nur bei Gravelines, der einzigen rangierten Schlacht, wird der Feind auf der ganzen Linie zugleich angegriffen, aber auch hier haben die einzelnen Geschwaderchefs, durch die Verhältnisse geleitet, selbständig gehandelt. Man kann in dem Verhalten der Engländer vielleicht schon den Anfang der späteren Gruppentaktik erkennen, jedenfalls aber den Hauptgrund, der zu ihrer Einführung beigetragen hat: die Verschiedenheit der Schiffe. In der englischen Flotte befanden sich nur wenige große Kriegsschiffe, die für sich im Gefecht bestehen konnten; die weit größere Zahl der schwächeren Fahrzeuge schloß sich diesen an, zugeteilt oder aus eigenem Antriebe, um ihren Teil am Gefecht nehmen zu können; so bildeten sich Gefechtsgruppen.

Wenn nun auch die Angaben über den Verlauf späterer Seegefechte, nach der Fahrt der Armada, nur spärlich sind, so kann man doch aus ihnen entnehmen, daß der Geschützkampf allgemein mehr in die erste Linie tritt. Es wird diese Tatsache häufig hervorgehoben und gleichfalls bemerkt, daß von den Flotten immer mehr Gewicht darauf gelegt wird, vor dem Gefecht die Luvstellung zu gewinnen; oft wird tagelang daraufhin manövriert.

Auch die Angaben über „Schiffe“ und „Waffen“ zeigen die zunehmende Wichtigkeit der Artillerie; zu Ende dieses Zeitabschnittes war der Typ des Segelbreitseitschiffes[147] fast endgültig festgestellt. Die geringer werdende Bedeutung des Enterkampfes kann man ferner daraus erkennen, daß die Besatzung gleich großer Schiffe bei starker Zunahme der Geschütze an Kopfzahl während des Zeitabschnittes wesentlich hinuntergeht, z. B. hatte ein englisches 1000 tons-Schiff 1548 eine Besatzung von 700 Mann, 1603 von nur 500, und um 1637 war ein Schiff von 1680 tons nur mit 600 bemannt.

Da zeigt sich denn auch zu Ende des Zeitabschnittes schon deutlicher der Einfluß der neuen Kampfweise auf die Taktik. Der holländische Admiral Tromp soll seine Streitkräfte in Kiellinie ins Gefecht geführt haben und auch die Gruppeneinteilung hat er planmäßig verwendet; die holländische Kriegsmarine besaß damals gleichfalls nur wenige schwere Schiffe. Er teilte um 1639 seine Flotte in 3–5 Geschwader und ein jedes dieser wieder in 3–5 Unterabteilungen, die dann im Gefecht auch bei der Melee als taktische Einheit zusammenhalten sollten; aus ihnen formierte er die Linie. Von dieser Zeit an kann man von einer Entwicklung der Taktik für Segelschiffe sprechen und sie verfolgen; sie ist daher ein Kennzeichen des nächsten Abschnittes.

Die Waffe der Brander, deren Wirkung wir bei der Armada kennen gelernt haben, wurde auch sonst noch verschiedentlich mit Erfolg verwendet; aber ihre Glanzzeit und damit ihr Einfluß auf die Taktik fällt ebenfalls in den nächsten Zeitabschnitt.

Die wichtigsten Kriegsmarinen.

Die ersten großen Marinen sind in Portugal und Spanien als Folge der großen Entdeckungen geschaffen, sie erreichten sogar in diesem Zeitabschnitt ihre höchste Blüte, traten aber auch an seinem Ende fast ganz vom Schauplatz wieder ab und spielten im nächsten nur eine sehr unbedeutende Rolle. Portugal brauchte eine bewaffnete Macht zum Erringen seiner Handelsherrschaft im fernen Osten, Spanien zur sicheren Überführung der in Amerika gewonnenen Schätze; seit 1580 waren beide Mächte vereint. Die Stärke ihrer Marinen kann man nach den Angaben beurteilen, die bei der Besprechung der Armada gemacht sind (Seite 119, 120). Hier hatte Philipp II. alles an Streitkräften vereinigt, was Spanien mit seinen Nebenländern in europäischen Gewässern aufbieten konnte, eine ungeheure Zahl von teilweise sehr großen Schiffen.

Es erscheint aber zweifelhaft, ob man diese Marine als eine vollwertige stehende Kriegsmarine ansehen darf. Sir W. Raleighs Worte, „die portugiesisch-spanischen Schiffe sind zwar groß, aber mehr geeignet für den Handel als für den Krieg“, sprechen dagegen und wohl mit Recht. Die Schiffe sollten als Transporter dienen und waren, wenigstens bis zur Armada, nur dazu gebaut, daß sie Piraten abschlagen oder gegen indische Fürsten auftreten konnten, nicht aber ausschließlich für den Kampf. Seine Kriege im Mittelmeer focht Spanien in erster Linie mit Galeren (Anfang des 17. Jahrh. 40–50 vorhanden) aus. Bestätigt wird dieser Zustand dadurch, daß die spanisch-portugiesischen Schiffe nur schwach armiert und mit weit mehr Soldaten als Kriegsschiffseeleuten bemannt waren.

Durch die Vernichtung der Armada erhielt die spanische Marine einen schweren Stoß. Die meist geäußerte Behauptung aber, ihre Macht sei dadurch[148] völlig gebrochen, ist nicht ganz zutreffend. Ich wählte deshalb den Ausdruck, das Prestige der Spanier und Portugiesen zur See sei verloren gegangen. Zwar wird der Seekrieg gegen Holland hauptsächlich mit Dünkirchener Streitkräften geführt (Seite 140), aber doch auch im Mutterlande werden noch starke Flotten aufgestellt. Wir sahen holländische und englische Expeditionen nach Westindien und Brasilien scheitern infolge des Eintreffens starker spanischer Flotten, die Spanier (1601) gar in Irland einfallen und 1639 die gewaltige Flotte d'Oquendos im Kanal erscheinen. Erst die Vernichtung dieser hat wohl der alten spanischen Marine von Hochseeschiffen den Todesstoß gegeben; Spanien schuf dann erst im 18. Jahrhundert eine neue.

Im Norden entwickelten sich die Kriegsmarinen Dänemarks und Schwedens früher als in den westlichen Staaten zu einer ansehnlichen Stärke. Schon im Dreikronenkriege (1563) erscheinen auf beiden Seiten Flotten bis zu 70 Segeln, worunter etwa ein Drittel größere Kriegsschiffe; zur Zeit Christians IV. und Gustav Adolfs enthielten beide Marinen etwa 30 Schlachtschiffe von über 40 Kanonen, ein hoher Bestand verglichen mit den Angaben für Holland und England zu dieser Zeit. Dieser Bestand ist in der Zukunft nur eine kurze Zeit um 1700 überschritten, um dann wieder zurückzugehen; die Schlachtschiffe wurden allerdings wie überall auch hier mächtiger. Die Überlegenheit der Marine lag zeitweise bei Schweden, zeitweise bei Dänemark, wie wir schon in den Kriegen[69] sahen. Die dänische Marine erreichte ihren höchsten Stand zuerst unter Christian IV. (1588–1648), die schwedische bald darauf unter Gustav Adolf. Christian verfügte (1611) nicht nur über 50–60 Kriegsschiffe, er hatte auch in den „Defensionsschiffen“ eine starke Unterstützung seiner Flotte geschaffen. Es waren dies Fahrzeuge der großen Rhedereien, denen Zoll- und Verkehrserleichterungen zugesichert waren, wenn sie als mittelstarke Kriegsschiffe geeignet gebaut und im Kriege dem Staate zur Verfügung gestellt wurden. Die dänische Marine ging aber noch unter Christian IV. infolge des unglücklichen Krieges von 1643–1645 zurück; die schwedische war 1655–1660 die stärkere, und erst unter Christian V. (1675) stand die dänische wieder an der ersten Stelle. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß die skandinavischen Seeleute schon zu dieser Zeit wegen ihrer Tüchtigkeit berühmt und daß die nordischen Kriege, an denen ja auch die Holländer teilnahmen, lehrreich für die Seeleute aller Nationen waren.

Die an Zahl der Schiffe größte Marine entstand in Holland[70] während des Unabhängigkeitskrieges. Vorher werden nur sehr wenige staatliche Schiffe erwähnt: z. B. um 1557 nur 2 zu 400 tons, 1 zu 300, 1 zu 200 und eine größere Zahl von Ruderfahrzeugen, wie überall zu Zolldienst usw. Zu Kriegszügen ergingen Aufgebote an die Seeprovinzen; Karl V. und Philipp II. haben öfters bei ihren Kriegen im Norden und Süden davon Gebrauch gemacht. Der achtzigjährige Krieg aber zwang die Niederlande bald zur Beschaffung staatlicher Schiffe. Man nahm sie zwar zunächst[149] wieder aus der Kauffahrteimarine und änderte sie nur um, baute aber bald wirkliche Kriegsschiffe. Jetzt war man auch genötigt, gute und feste Einrichtungen für Aufstellung und Erhaltung der Seestreitkräfte zu treffen.

In jeder Seeprovinz wurde hierzu eine Admiralität eingesetzt, eine Kommission von sieben Personen. Nach verschiedenen unwesentlichen Verschiebungen bestanden, von Ost nach West aufgezählt, folgende: Friesland, Sitz in Harlingen; Norderquartier, oder auch Westfriesland genannt, in Hoorn; Amsterdam; Maas, in Rotterdam; Seeland, in Middelburg. Jede Admiralität besaß ihre eignen Kriegsschiffe, mobilisierte sie und verstärkte ihre Flotte im Bedarfsfalle durch geheuerte Handelsschiffe. An der Spitze der Seemacht stand der Generaladmiral, die Person des Statthalters; in den ersten Zeiten führte er — oder in der Praxis sein Stellvertreter, der Admiralleutnant, ernannt von der Provinz Seeland — nur den militärischen Oberbefehl über die Streitkräfte; 1597 wurden ihm auch die Admiralitäten unterstellt, doch blieben sie in vielen Angelegenheiten direkt von den Generalstaaten abhängig. Die Eifersucht der beiden wichtigsten Seeprovinzen — Seeland und Holland, dieses die drei Admiralitäten Amsterdam, Maas, Westfriesland umfassend — führte schon im Anfang des Aufstandes zur Bestellung von zwei Admiralleutnants, je eines für Seeland und Holland. Solange der Krieg in den Binnengewässern geführt wurde, war dies von Nutzen, da zwei Kriegstheater, Maas-Schelde-Mündung und Zuidersee, vorhanden waren. Als es sich später um Aufstellung von größeren Seeflotten handelte, führte es zu Reibungen zwischen den Befehlshabern selbst und zwischen den Staaten; von 1627 an wurde deshalb für längere Zeit — bis 1665, wo sogar jede Admiralität die Ernennung eines Admiralleutnants für sich durchsetzte — der Posten wieder von einer Person bekleidet, dem Titel nach zugunsten Hollands; er hieß „Leutnant-Admiral von Holland und Westfriesland“ und wurde auch der Admiralität Rotterdam entnommen. Außerdem hatte man zwei Vizeadmirale, wieder je einen für Holland und Seeland. Die Geschäfte der Kontre-Admirale[71] bei zusammengetretenen Flotten wurden anfangs von dem ältesten Kommandanten wahrgenommen, doch wurde später auch dieser Dienstgrad, zunächst wieder für Holland und Seeland, eingeführt.

Den Anfang der Einrichtung eines festen Offizierkorps findet man um 1626. Im Kriege gegen Dünkirchen zeigte sich, daß tüchtige Kapitäne fehlten, da diese den gewinnreicheren Dienst als Freibeuter vorzogen, häufig sogar auf seiten der Gegner. Nun wurde es Brauch, bei den Admiralitäten einen Stamm von alten, befahrenen Kapitänen zu halten, in den Provinzen von Holland z. B. 60, und sie auch bei Nichtverwendung zu besolden. Diese, ordinaris kapiteinen genannt, sollten in erster Linie den Befehl[150] über die Kriegsschiffe der Schlachtflotte führen; die ältesten, als Führer von Unterabteilungen verwendet, hießen Kommandeure. Für andere Zwecke, z. B. Kommandanten der Konvoi-Begleitschiffe, wurden nach Bedarf und nur auf Zeit extraordinaris kapiteinen angestellt. Das sämtliche übrige Personal wurde erst bei den Indienststellungen angeworben.

Das Schiffsmaterial bestand anfangs nur aus wenigen, aber bald aus einer sehr großen Zahl von kleinen Fahrzeugen. Schon 1575 stellte Seeland etwa 140 Schiffe, 40–140 tons mit 1 Mann pro Tonne Besatzung und 8–20 leichten (3–9-Pfünder) Geschützen, größtenteils nur für Flüsse und Flußmündungen brauchbar. Holland besaß weniger, aber größere, bis zu 250 tons mit 32 Kanonen. Bis zur Zeit der Armada wächst zwar die Zahl, nicht aber die Größe der Schiffe, da man bei der Art der Kriegführung große Schiffe nicht unbedingt nötig hatte und auch die Geldmittel für deren Bau nicht reichten. Als aber dann der Krieg auf die offene See hinaustrat, und mit dem Freiwerden der See der Wohlstand wuchs, wurden auch die Schiffe größer. Bei dem Zug gegen Cadiz 1597 findet man schon 18 zu 200 bis 400 tons mit 16–24 Geschützen und 100–130 Mann; 13 davon sind allerdings noch geheuerte Handelsschiffe. Größere Kriegsschiffe sind also noch nicht genügend gebaut, aber auch dieses geschieht. Die Angabe der Streitkräfte, die gegen Dünkirchen im Anfang des 17. Jahrh. verwendet wurden (vgl. Seite 140), zeigt schon die Vermehrung der größeren Kriegsschiffe, und der Stand der Marine um 1642 ist nach folgender Tabelle der um diese Zeit „in Dienst befindlichen Schiffe“ zu beurteilen:

Admiralität: Rotterdam Amsterdam Seeland Norderquartier Vriesland
Schiffszahl: 45 39 35 20 4
  Summa: 143 Segel und zwar
Admiralität: Rotterdam Amsterdam Seeland Norderquartier Vriesland
Schiffszahl: 11) 1 9 49 36 47
Tonnen ca. 6002) 5002) 4–500 2–400 unter 200
Kanonen   57   46 32–36 24–30 20–23 2–20
Seeleute 200 140 110 100 ?
Soldaten   40   30   30   20 ?

1) Nur dieses Schiff war Zweidecker.

2) Wahrscheinlich noch etwas größer.

Es war mithin, was Material anbetrifft, eine ansehnliche Marine. Allerdings lag ihre Kraft in mittleren, ja kleinen Schiffen, die keineswegs immer im Dienst waren; wenn die Schiffahrt im Herbst aufhörte oder sonst kein Anlaß vorlag, wurde ein Teil aufgelegt. Auf dieser Höhe blieb die Marine auch nur während des Kriegszustandes; nach dem Westfälischen Frieden wurde sie sofort auf 40 Schiffe verringert. Die übrigen wurden verkauft oder vernachlässigt, so daß wir die Niederländer mit einer weit geringeren Anzahl wirklicher Kriegsschiffe in den ersten englisch-holländischen Krieg werden eintreten sehen.

Einen großen Rückhalt hatte die Kriegsmarine an den beiden indischen Kompagnien, deren Schiffsbestand schon angeführt ist (Seite 87, 88).[151] Diese Schiffe, an Größe im Durchschnitt den Kriegsschiffen überlegen, allerdings verhältnismäßig schwächer armiert, waren die geeignetsten Kauffahrer für die Verstärkung der Kriegsflotte; sie waren fast vollwertige Kriegsschiffe und werden deshalb bei Angaben über Zusammensetzung von Flotten auch immer getrennt von den anderen Handelsschiffen aufgeführt. Sie bildeten ferner eine Schule für Offiziere und Mannschaften zum späteren Dienst auf Kriegsschiffen; viele der berühmten Flaggoffiziere in den Kriegen des 17. Jahrh. haben auf ihnen ihre seemännische und militärische Ausbildung erhalten. Hierzu traten die Seeleute, die die harte Schule der Hochseefischerei durchgemacht hatten, als vorzügliches Personal.

Die Marine Englands,[72] deren Anfänge wir schon betrachtet haben (Seite 50), wuchs unter Heinrich VIII. besonders in Hinsicht auf die Größe der Schiffe. Ihr Bestand zu verschiedenen Zeiten des hier geschilderten Abschnittes (1522, 1548) ist angegeben (Seite 98 ff.), um als Beispiel für die Entwicklung des Schiffbaues zu dienen. Während Heinrichs VIII. Regierung waren 23 Schiffe als Kriegsschiffe neu erbaut und 15 geeignete Handelsschiffe angekauft. 1548 stellte die Gesamtzahl von 53 Schiffen einen Tonnengehalt von 11268 tons dar. Unter Eduard VI. und Mary ging der Bestand aber wieder so herunter, daß 1558 nur 26 mit 7110 tons vorhanden waren. Auch die ersten Regierungsjahre Elisabeths (seit 1558) brachten hierin keine wesentliche Änderung: 1565 finden wir 29 Schiffe, 1575 gar nur 24 mit 10470 tons.

Von jetzt wuchs die Zahl wieder. Gegen die Armada fochten 34 königliche Schiffe, nahezu der Gesamtbestand, und um 1603 werden 42 aufgezählt, und zwar:

Schiffszahl 2 6 10 12 12
Tonnengehalt 1000 800–900 500–700 200–400 unter 200
schwere Geschütze 48–38 38–30 38–26 30–15 21–3
leichte Geschütze 0–30 2–18 0–24 0–12 3–21
Seeleute 340 270–340 150–230 70–130 ?
Gunner 40 32–40 30 12–20 ?
Soldaten 120 100–120 70–90 20–50 ?

Daß die Flotte Elisabeths trotz der vielen Unternehmungen in ihrer Zeit so gering war, ist dadurch zu erklären, daß bei den Expeditionen zur Störung des feindlichen Handels wie gegen die Küsten die Kriegsschiffe meist nur den Kern der Flotten, Flaggschiffe und Gruppenführer, bildeten; als solche wurden sie auch zu den Privatzügen gestellt. Dagegen ist hervorzuheben, daß das Material auf der Höhe der Zeit gestanden haben muß. Elisabeth hat viele neue Schiffe erbaut. Schon 1587 waren fast alle Fahrzeuge zwischen 500 und 800 tons neu; im ganzen sind während ihrer Regierung 55 erbaut, davon 38 nach 1586.

Unter Jakob I. wurden die Schiffe vernachlässigt, wenn auch ihre Zahl sich nicht verringerte, unter Karl I. trat dagegen wieder ein Zuwachs ein. 1649 war der Bestand:

[152]

Schiffszahl 1 1 10 5 10 ca. 24 ca. 20
Tonnengehalt 1683 1187     8–900     7–800     5–700     2–400 kleinere
Kanonen 100 64 40–44 40–50 30–38 30–38  

Die Geschütze unter 3-Pfund-Kaliber werden jetzt nicht mehr mitgezählt; die Schiffe, namentlich die kleineren, sind oft überarmiert.

Wieder waren es zeitgemäße Schiffe, darunter jetzt schon viele Zweidecker; 30–40 sind während Karls Regierung erbaut. Auffallend ist der Bestand an größeren Schiffen gegenüber den Angaben für die holländische Marine um 1642, sowohl was die absolute Größe einzelner Schiffe wie auch das Verhältnis zur Gesamtzahl anbetrifft.

An der Spitze der Marine stand, wie schon im Mittelalter, der Lordhighadmiral, die Verwaltung leitete ein Clerk of the ships. Die Entwicklung machte jedoch bald die Einrichtung größerer Behörden nötig, und 1546 wurde ein Navy-board für Verwaltungsangelegenheiten — Bau, Reparatur, Ausrüstung und Armierung der Schiffe — und ein Admiralty-board zur Unterstützung des Admirals in Kommandosachen gegründet. Schon einmal von 1628–1638 ist das Amt des Lordhighadmirals von einer Kommission wahrgenommen, wie es in späteren Zeiten (Admiralität mit erstem Lord) die Regel ward.

Fest angestellte Offiziere waren sonst nicht vorhanden, nicht einmal, wie in Holland, ein Stamm von Kapitänen; die ganze Besatzung wurde bei der Indienststellung angeworben. Auch in England hatte man ein vorzügliches Personal an den Offizieren und Mannschaften, die auf den Schiffen der Freibeuter, der Entdeckungsreisen und der Hochseefischerei gedient hatten. Unter den Führern und Kapitänen im spanischen Kriege finden wir die Namen der großen Entdecker und Freibeuter. Daß die Kapitäne, die militärischen Kommandanten, Seeleute von Beruf waren, war seit Beginn des Zeitabschnittes die Regel geworden.

In Frankreich[73] hatten die Versuche um 1374 (Seite 51) und später unter Franz I. und Heinrich IV., eine Marine zu gründen, keinen nachhaltigen Erfolg; um 1626 werden nur 20 königliche Schiffe erwähnt. An der Spitze des Seewesens stand ein Admiral von Frankreich — meist nur ein Ehrenposten für einen Prinzen von Geblüt oder Granden —, unter ihm Admirale — chefs d'escadre — für die Küstenprovinzen Guyenne, Bretagne, Normandie, Provence. Diese heuerten oder kauften im Kriegsfalle geeignete Schiffe, oft in Holland und selbst in Schweden, und warben Kapitäne und Mannschaften. Das Personal bestand besonders aus Seeleuten der Städte am Kanal, die Freibeuterei betrieben, aber auch aus Reisläufern aller Länder.

Erst Richelieu, der den Mangel einer stärkeren Marine in den Kriegen gegen La Rochelle gefühlt hatte und auch einsah, daß sie zur Durchführung seiner Politik gegen Spanien-Österreich sowie für seine Handels- und Kolonialpläne nötig sei, versuchte eine solche zu gründen. Er errichtete Werften in[153] den Haupthäfen, setzte Kommissionen zur Beaufsichtigung des Schiffbaues ein und vermehrte den Stab der Küstenadmirale für militärische und Verwaltungszwecke. Ferner versuchte er, ein Offizierkorps zu schaffen, indem er tüchtige Kapitäne fest anstellte und zwar mit dem Hauptzweck, durch sie junge Edelleute zu Seeoffizieren zu erziehen. Auch sonst erließ er wichtige organisatorische Bestimmungen; er schuf z. B. eine Truppe (200 Mann) seemännischer Kanoniere in der Art der Gunner in England. Richelieu führte eine Zeitlang selbst die Oberleitung des Seewesens (als Admiral von Frankreich und Grand maître de la marine et du commerce). Um 1644 besaß die königliche Marine 30 größere Kriegsschiffe, 27 kleinere und 13 Brander. Daß die Schiffe auf der Höhe der Zeit standen, beweist der Umstand, daß die „Couronne“ dem „Royal Sovereign“ ebenbürtig genannt wird — sie war 1636 gebaut, 1800 tons groß; ihre Segeleigenschaften wurden gerühmt — und daß 1635 das Flaggschiff eines Geschwaders von 39 Schiffen, allerdings meist Kauffahrer, im Kriege gegen Spanien 1000 tons groß war mit 52 Kanonen.

Aber auch diese Marine verfiel wieder unter Mazarin. Der Versuch, ein besseres Offizierkorps zu gründen, scheint sogar zum Nachteil ausgeschlagen zu sein. Es wurde üblich, Kapitäns- und Leutnants-Stellungen nach Gunst zu vergeben, so daß diese Chargen bekleidet wurden von Leuten ohne seemännische Erziehung, die in der Führung des Schiffes völlig abhängig vom seemännischen Personal waren. Erst Colbert rief etwa um 1660 eine neue Marine ins Leben, die in der Organisation auf den Bestimmungen Richelieus aufgebaut war.

Eine Schöpfung in Frankreich hatte Bestand: die Galerenflotte im Mittelmeer (Marseille). Sie war in den neunziger Jahren des 15. Jahrh. für die Kriege gegen Spanien und die italienischen Städte gegründet worden und war eine stehende Marine wie die der Gegner. Sie stand unter dem Général des galères, hatte ein festes Offizierkorps, feste Verwaltung und Budget; die Ruderer waren Sträflinge. Diese Galeren fanden nicht nur Verwendung im Mittelmeer, sie erscheinen bis zu 25 Fahrzeugen stark auch im Atlantik (unter Franz I. 1544). Bei weiten Unternehmungen begleiteten sie eigene Transporter. Sie blieb lange völlig selbständig, bis sie 1748 mit der Hochseemarine vereinigt wurde.[74]

Vorstehende Angaben zeigen uns, daß den neu entstandenen Segelschiffsmarinen doch noch zu viel fehlt, um sie voll als stehende Marinen bezeichnen zu können. In dem Schiffsbestande ist keine Stetigkeit, er schwankt unter dem Einflusse der inneren und äußeren politischen Verhältnisse der Länder; die absolute Größe der Kriegsmarinen ist meist so gering, daß die Schiffe eigentlich nur den Kern der zur Verwendung kommenden Flotten bilden können. Holland macht in dieser Beziehung zwar eine Ausnahme, aber gerade hier tritt der erste Mangel hervor: nach Beendigung der Krieges wird der Bestand auf ein Drittel verringert und kommt nun wieder dem der anderen Marinen gleich.

[154]

Von einem organisierten oder nur festen Bestande beim Personal ist überhaupt nicht die Rede. In der Praxis wird es wohl anders gewesen sein. Fassen wir z. B. England und Holland ins Auge. Die kriegerischen Ereignisse folgten sich nahezu ununterbrochen mit nur kurzen Pausen; beide Länder mußten ferner jährlich mit Beginn der Schiffahrt fast alle vorhandenen Kriegsschiffe zum Schutze ihres Handels in Dienst stellen. Es bot sich mithin stets Gelegenheit für den Kriegsdienst zur See. — Die Besatzungsfrage war aber bei zunehmender Vervollkommnung der Schiffe in seemännischer und artilleristischer Hinsicht immer wichtiger geworden; es genügte nicht mehr, eine kleine Zahl von Seeleuten zur Bedienung der Schiffe und eine größere von Soldaten zum Kampf an Bord zu nehmen. Die Bedienung erforderte ein stärkeres seemännisches Personal und dieses übernahm bei der Herabsetzung der Zahl der Kriegsleute die Bedienung der Artillerie mit, als seegewohnt hierzu geeigneter als die Soldaten. Zwar wurden noch besondere Kanoniere (z. B. in England die Gunner) eingeschifft, die Zahlenangaben zeigen aber, daß sie nur für die Hauptgeschütznummern oder für Unteroffiziersdienste bestimmt gewesen sein können. Während im Mittelalter die Besatzung zu zwei Dritteln aus Soldaten bestand, enthält sie am Ende des hier geschilderten Zeitabschnittes etwa drei Viertel Seeleute. Vor allem aber hatte man Kapitäne und Dienstgrade — Ober- und Unteroffiziere — nötig, die im Kriegsschiffsdienste erfahren waren.

Auch die geheuerten Kauffahrer scheinen meistens mit kriegserfahrenen Kapitänen besetzt gewesen zu sein. Zuweilen werden nämlich Mißerfolge damit begründet, daß solche Schiffe durch ihre früheren Kapitäne geführt gewesen seien; in England wird dies deshalb bald grundsätzlich verboten. Da ist denn wohl anzunehmen, daß sich bei den Indienststellungen in erster Linie Personen meldeten, die schon auf Kriegsschiffen gedient hatten, namentlich was die Dienstgrade anbetrifft; in Holland mußten sich die Bewerber um wichtigere Stellen seit 1618 einer Befähigungsprüfung unterziehen. In England und in Frankreich wurden auch schon die ersten Versuche gemacht, durch Einstellung von Aspiranten Seeoffiziere heranzubilden. Es war also doch gewissermaßen schon ein Kriegsschiffspersonal vorhanden, auf dessen Eigenart und weitere Entwicklung wir im nächsten Abschnitt näher eingehen werden.

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Fußnoten:

[47] Vgl. Colomb, Kapitel I und II, deren Inhalt später genauer angegeben wird. Colomb nennt die ältere Kriegführung bezeichnend „Crossraiding“.

[48] Quellen für Kriege im Mittelmeer: du Sein; The Ship; Jurien: „Doria“, „Lepanto“, „Chevaliers de Malte“ (darin die Belagerung der Stadt durch die Türken); Manfroni; Roncière, sobald fortgesetzt. — Genaue Angaben über Gefechte usw. dieser Zeit sind sehr spärlich.

[49] Quellen: Wie beim Mittelalter (Seite 44); es tritt hinzu für die dänische Marine: Garde und Nauticus 1902.

[50] Quellen: du Sein, Clowes und andere Spezialwerke der beiden Marinen.

[51] Hauptquelle: de Jonge, Teil I, S. 121 ff. mit Angabe weiterer holländischer Spezialquellen.

[52] Hauptquellen: Clowes, Teil I; Colomb.

[53] In der englischen Seekriegsgeschichte wird der Zug anerkennend als „Singeing the king of Spain's beard“ bezeichnet.

[54] Alten Stils, in England damals noch gebräuchlich. Neuer Stil, in Spanien schon eingeführt, würde der 1. April sein. Im weiteren Verlauf der Armada-Affäre wird stets alter Stil benutzt werden.

[55] In betreff dieses Punktes verweise ich aber noch auf den Schlußsatz der gesamten Betrachtungen über die Armada.

[56] Zusammengestellt nach den Listen in Clowes, Teil I, Seite 598 ff., in denen auch die Schiffsnamen und die Einzelheiten in Hinsicht auf Tonnengehalt, Geschützzahl, Besatzungen, Seeleute und Soldaten gegeben werden.

[57] Erwähnung der Beteiligung der Holländer in de Jonge, Teil I, Seite 136, aber ohne nähere Angabe, und verwiesen auf Scheltema: de uitrusting en ondergang der Onoverwinnelijke vloot.

[58] Zusammengestellt nach den Tabellen Clowes, Teil I, Seite 588 ff., in denen die Schiffe mit Namen und Tonnengehalt, die Kriegsschiffe auch mit Namen der Offiziere, ihr Mannschaftsbestand getrennt nach Seeleuten, Artilleristen, Soldaten und ihre Armierung mit Zahl und Kaliber der Geschütze angegeben sind.

[59] Clowes, Teil I, Seite 561. Colomb, Seite 236 ff. sind diese Punkte näher ausgeführt.

[60] h = Uhrzeit, am. (Vormittag), pm. (Nachmittag) = Tageszeit.

[61] In Clowes, Teil I, Kapitel 15, findet man wohl die eingehendste Schilderung der Ereignisse an der Hand von wörtlichen Auszügen aus „A Relation of Proceedings“, geschrieben nach den Direktiven Howards und aus der spanischen Quelle: Duro, „La Armada invencible“, Madrid 1884/85, worin Berichte Medinas enthalten sind.

Diese von beiden Seiten verfaßten Berichte gewähren nebeneinander gestellt und sich so ergänzend ein ziemlich klares Bild. Einen genauen Verlauf der Aktionen geben sie freilich nicht, das ist für diese frühe Zeit der Seekriegsgeschichte und noch länger hin auch nicht möglich, da in den Seegefechten die Ordnung noch nicht aufrecht erhalten wurde. Das Schlachtfeld größerer Flotten bot sofort ein großes wechselndes Bild verschiedener Gruppenkämpfe, und wissenschaftliche Zusammenstellungen auf Grund genauer Einzelberichte wurden noch nicht gemacht.

[62] Auch Colomb gibt eine kurze Schilderung der Armada-Affäre, besonders aber, dem Hauptzwecke seines Werkes entsprechend, kritische Betrachtungen in Hinsicht auf Vergleichung der Streitkräfte, auf Taktik und Strategie.

[63] Clowes, Teil I, und Zimmermann (Teile: England und Spanien) schildern diese Züge, ebendort Genaueres über die gleich zu besprechenden Züge mehr militärischer Natur.

[64] Im Kriege Spaniens gegen Frankreich, als jenes bei der Thronbesteigung Heinrichs IV. die Gegenpartei unterstützte; Calais fiel beim Friedensschluß wieder an Frankreich.

[65] Eingehender vgl. Clowes, Teil II. Zeit 1603–1649.

[66] Hauptquelle: de Jonge, Teil I.

[67] Geschildert nach de Jonge, Teil I, Seite 352; dort Angabe weiterer Quellen.

[68] Vgl. Jurien, „Lepanto“.

[69] Vgl. Seite 109 ff. Dort auch Angabe von Quellen.

[70] de Jonge gibt die Entwicklung der niederländischen Marine sehr genau.

[71] In Holland „Schout (Schouwt) by Nacht“ genannt, da ihm als Führer der Nachhut die Pflicht zufiel, bei Nacht die Flotte zu schließen und „nachzusehen“, ob kein Schiff zurückblieb. Noch zutreffender ist vielleicht die Bezeichnung, die man in der deutschen Übersetzung des Lebens Ruyters von G. Brandt, durch die Söhne des Verfassers übersetzt, findet: „Schulze (also Aufsichtsorgan) bei Nacht“.

[72] Clowes, Teil I und II, die Kapitel „Civil history“.

[73] Quellen: Roncière; Chab-Arnault; Nauticus 1901.

[74] Näheres über die Galerenflotte: du Sein, Teil I, Seite 264; Jurien, „Derniers jours“.

[155]


Dritter Abschnitt.
Die Zeit von 1648–1739.

[156]

Kennzeichen des Abschnittes.

Entwicklung größerer stehender Kriegsmarinen. Auftreten von Schiffen bestimmter Klassen nach Größe und Armierung und zu besonderen Zwecken. Entstehen einer Taktik für Segelschiffs-Flotten, die aber nur schematisch durchgeführt wird. Beginn einer Kriegführung zur See, die eine dauernde Beherrschung des Meeres zum Ziele hat; das Niederkämpfen der feindlichen Seestreitkräfte tritt in den Vordergrund.

[157]

deco

Erstes Kapitel.
Geschichtlicher Überblick über den Abschnitt.
Seine Bedeutung für die Entwicklung des Seekriegswesens.

Einleitung.

D

nfolge des Dreißigjährigen Krieges waren Frankreich und Schweden zu besonderem Ansehen bei den europäischen Staaten gelangt; Deutschland lag schwer danieder und war durch die Selbständigkeit der vielen kleinen Staaten nach außen ohnmächtig. Portugal war 1640 wieder unabhängig von Spanien geworden, die Niederlande wurden im Westfälischen Frieden als selbständige Republik anerkannt und damit waren ihre Freiheitskriege gegen Spanien erfolgreich beendet. Spanien war hierdurch und auch sonst durch die Opfer, die seine katholische Weltmachtpolitik erfordert hatte, erschöpft und trat allmählich in die zweite Linie der Staaten zurück. England (Großbritannien) nimmt nach Vertreibung des Hauses Stuart als Republik unter Cromwell einen neuen Aufschwung und gewinnt an Ansehen und Macht.

Im Verlauf der ersten Hälfte des 17. Jahrh. (vgl. Seite 78–88) waren Holländer und Engländer als Nebenbuhler der Portugiesen und Spanier auf den Ozeanen mächtig geworden, ja sie hatten diese Staaten schon überholt; in den indischen Gewässern war Holland bereits als herrschende Nation an die Stelle Portugals getreten. Die Holländer waren wiederum den Engländern unter den Stuarts weit vorausgeeilt und konnten um 1650 das Meer als ihr Eigentum ansehen.

1648 hatte Cromwell seine Gegner aus dem Parlament verjagt; das neue Parlament (Rump-Parlament) ließ 1649 Karl I. hinrichten. Nach dem Tode Elisabeths (1603) war auch gegen Holland ein Stocken in den überseeischen Unternehmungen eingetreten. Der Handel Hollands überwog auf den Ozeanen und in den europäischen Gewässern — Mittelmeer und besonders Ostsee — den Englands ganz bedeutend; noch Colbert nahm an, daß die holländische Kauffahrteiflotte 4/5 der gesamten europäischen ausmache.

Als sich nun England unter Cromwell zu neuem Streben erhob und dieser große Staatsmann sein Augenmerk auch besonders auf die Verdrängung[158] Hollands aus der ersten Stelle als Seemacht richtete, erfolgte der Zusammenstoß der beiden Staaten.[75] Wenn sie auch als protestantische Mächte natürliche und aufeinander angewiesene Verbündete waren, so führte doch ihr Wettbewerb im Welthandel in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. zu den blutigsten Kriegen miteinander.

Die Engländer waren die Angriffslustigen und Angreifenden, teils durch die günstige Lage ihres Landes auf dem Kriegstheater dazu bewogen, teils in der richtigen, sich immer mehr bahnbrechenden Erkenntnis, daß die Macht auf dem Meere das sicherste Mittel sei, um den Handel auf ihm zu beherrschen (Raleighs Ausspruch, Seite 143). Wenn diese Kriege nun auch noch keine endgültige Entscheidung zwischen beiden Staaten brachten, so entwickelte sich doch in ihnen England zu einer Holland ebenbürtigen Seemacht und arbeitete von nun an zielbewußt und beharrlich daran, sich die alleinige Herrschaft auf allen Meeren zu erringen und zu sichern. Die erbitterten Kämpfe um die Vorherrschaft auf dem Meere hatten natürlicherweise die größte Pflege der Kriegsflotten zur Folge; besonders in England verlor man dieses wichtige Erfordernis nie mehr, auch nicht in Friedenszeiten, aus dem Auge, während man in Holland häufig nur Notlagen Rechnung trug.

Zur Zeit dieser englisch-holländischen Kriege erschien aber auch Frankreich als Macht auf dem Meere. Auf dem Festlande an die Stelle Spaniens getreten, strebte es nach höchster Geltung in der Welt und konnte einer Marine nicht entbehren. Schon Richelieu und dann Colbert schufen eine solche zugleich mit der Absicht, dadurch Seehandel und Kolonisation, für deren Wert beide Männer volles Verständnis hatten, zu heben und zu schützen. Da aber die Neigung der Franzosen zu derartigen Unternehmungen schwächer als die der germanischen Staaten war und die Regierung erst dazu anleiten mußte, so blieben die Ergebnisse hierin zunächst gering. Frankreichs Politik war außerdem in der Hauptsache auf kontinentale Ausbreitung nach Osten hin gerichtet, wo die beiden innerlich zersplitterten Staaten Deutschland und Italien stets Aussicht auf Machterweiterung boten. So ist für Ludwig XIV. die Flotte mehr eine Waffe zweiter Ordnung zur Unterstützung des Landkrieges gewesen; größere, zur See allein erreichbare Ziele wurden der Flotte nur vorübergehend gesteckt; die Macht zur See wurde nur für bestimmte Zwecke angestrebt, nicht aber als Selbstzweck dauernd im Auge behalten, ähnlich der Seekriegführung der früheren Zeiten. Diese Umstände lähmten die Entwicklung Frankreichs als Seemacht, seine Flotte erreichte nicht die Leistungen der holländischen und englischen. Sie war aber immerhin durch militärischen Geist ausgezeichnet und wurde, da ihr die Mittel eines absoluten Staates zur Verfügung standen, eine achtbare Waffe, die schon beim zweiten englisch-holländischen Kriege auf der Seite Hollands, im dritten auf der Englands erscheint und um die Mitte dieses Abschnittes (1689–1697) bei den Versuchen Ludwigs XIV., den aus England durch Wilhelm[159] von Oranien (Wilhelm III., 1688) vertriebenen Jakob II. wieder einzusetzen, eine große Rolle spielt.

Spanien tritt in den Kriegen zur See dieser Zeit wenig hervor, meist nur als Bundesgenosse. Wenn es auch trotz sonstiger Erschlaffung seiner Flotte immer noch Fürsorge zu teil werden ließ, weil es ihrer zur Heimführung der ihm unentbehrlichen Einkünfte (Edelmetalle) aus den Kolonien bedurfte, so stand seine Flotte doch nicht mehr auf der Höhe der Zeit und folgte auch der Entwicklung der jetzt aufstrebenden Marinen nicht genügend. Portugals Macht war nach kurzer Blüte unter den ersten Königen des Hauses Braganza infolge schlechter Verwaltung aufs neue gesunken und geriet mehr und mehr als Englands Schützling in dessen Abhängigkeit. Seine Flotte war schon mit dem stetig fortschreitenden Verlust der Kolonien verringert worden und wurde immer mehr vernachlässigt.

Die militärisch-maritime Bedeutung Schwedens und Dänemarks, deren Flotten in diesem Zeitabschnitt schon wohlorganisiert waren — ja sogar früher als die Englands und Hollands —, trat nicht aus der Ostsee heraus; Rußland gründete erst unter Peter dem Großen eine Marine, die dann Anfang des 18. Jahrh. ihre Feuertaufe erhielt. Im Mittelmeer ist für diesen Abschnitt, abgesehen von den Kämpfen, welche die neuen drei großen Seemächte dort ausfochten, nur das Ende des Ringens Venedigs mit den Türken um Besitzungen und Seemacht, besonders im Ostbecken, von einigermaßen seekriegsgeschichtlicher Bedeutung.

Die Entscheidung zwischen den drei großen Seemächten fiel am Ende dieses Abschnittes im Spanischen Erbfolgekriege 1701–1714. Frankreich unterlag darin England und Holland zur See und ihren festländischen Verbündeten zu Lande; seine Flotte verschwand nahezu wieder vom Meere. — Den Gewinn auf dem Meere zogen jedoch nur die Engländer. Holland hatte, da ihm von der französischen Flotte keine Gefahr drohte und es im Landkriege von Frankreich fast erdrückt war, seine Bundespflichten zur See nur lau erfüllt, England dagegen gern und wohlüberlegt die ganze Last des Seekrieges auf sich genommen. Beim Friedensschluß stand England als unwiderstehliche Seemacht da und konnte durchsetzen, was es wollte. Es verstärkte seine Stellung am Atlantischen Ozean (durch Erwerbung von Neufundland, Neuschottland, Gibraltar, im Mittelmeer Minorca) derart, daß es diesen und damit den ganzen überseeischen Handel Europas beherrschte, es war wiederum einen Schritt weiter auf dem Wege gekommen, sich zum Gebieter auf allen Meeren zu machen. Holland fand nie wieder die Kraft, nach höchster Macht auf dem Meere die Hand auszustrecken, es trat damit wie Spanien in die Reihe der Staaten zweiten Ranges zurück; der Verlust der Seemacht hatte auch den allmählichen Rückgang des Seehandels zur Folge, allerdings nicht sofort, denn dazu war die im Lande während seiner großen Zeit angehäufte Summe an Geld und Tatkraft noch zu bedeutend.

Bedeutung des Abschnittes für die Entwicklung des Seekriegswesens. Die wichtigsten Seekriege fechten also zunächst England und Holland,[160] dann England und Frankreich aus. Diese Kriege zeitigen eine Entwicklung des Seekriegswesens in allen den Punkten, die als Kennzeichen des Abschnittes angegeben sind. An Stelle einer „Kriegführung über See“, bestehend in gegenseitigen Brandschatzungen und Einfällen, tritt die „Kriegführung auf See“. Es werden große Seekriege um Ziele geführt, die nur durch die dauernde Herrschaft über das Meer erreicht werden können. Die ersten Anfänge hierzu zeigen sich schon in der zweiten Hälfte des vorigen Abschnittes (Seite 143), aber erst in den jetzt folgenden Kriegen tritt der Umschwung deutlich hervor.

An die Marine stellte man nunmehr weit höhere Anforderungen und widmete ihr deshalb auch eine sorgfältigere Pflege als früher. Eine nur zu einem bestimmten Zwecke aufgebotene Flotte konnte nicht mehr genügen, mächtige stehende Flotten wurden notwendig.

Wenn auch zu Anfang noch vielfach Kauffahrteischiffe zur Kriegführung mit herangezogen werden, so wächst doch in allen Marinen die Zahl und die Güte der eigentlichen Kriegsschiffe, nach und nach verschwinden die Kauffahrer in den Flotten. Auch beginnt man, die Kriegsschiffe nach ihrem Gefechtswert und für verschiedene Zwecke, taktischen und strategischen Erwägungen folgend, in bestimmte Klassen einzuteilen. Dieser Prozeß kommt im Verlauf des vorliegenden Abschnittes eigentlich schon zum Abschluß, in der weiteren Zeit der Segelschiffe treten in dieser Hinsicht nur noch Verschiebungen und Vervollkommnungen ein. Auch in Bau und Einrichtung des einzelnen Schiffes erscheinen nach der Mitte des 18. Jahrh. im wesentlichen nur noch Verbesserungen, während der Schiffstyp ebenfalls schon in der jetzt zu besprechenden Zeit festgelegt war.

Mit der inneren Durchbildung und Festigung der stehenden Flotten, mit der Heranbildung von Berufs-Seeoffizieren tritt nach und nach eine Taktik für die Führung von Segelflotten auf, deren Grundsätze schon in Instruktionen niedergelegt wurden; um die Mitte des Abschnittes erscheint sogar bereits die erste wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiet von Kaplan Hoste, siehe Quellenverzeichnis. Diese Taktik wird aber dann bald nur schematisch durchgeführt, und die in genannter Schrift enthaltenen wertvollen Hinweise zu sinngemäßer Anwendung und Erweiterung der Regeln werden nicht benützt; es bleibt dies dem nächsten Zeitabschnitt überlassen.

Endlich sind die zu besprechenden Kriege lehrreich in strategischer Hinsicht. Da in ihnen zuerst eine Kriegführung auftritt, die an Stelle örtlicher und zeitlicher Erfolge die Erringung und Erhaltung der Herrschaft über das Meer zum Ziele hat, so kann man auch erst von jetzt ab von einer Strategie zur See sprechen. Ihre Entwicklung lehrte, daß alle großen Ziele im Seekriege nur durch das Niederkämpfen der feindlichen Streitkräfte erreicht werden können.

In dem vorigen Zeitabschnitt war der feindliche Handel ein Hauptangriffsziel geworden. Er wird es zunächst noch immer mehr, aber bald tritt der Kampf der Seestreitkräfte gegeneinander in den Vordergrund.

Fußnote:

[75] Ich weise bei diesen Betrachtungen auf Rodenberg, „Seemacht in der Geschichte“, hin, dessen kurz und klar gefaßte Auslassungen hier vielfach benutzt sind.

[161]


deco

Zweites Kapitel.
Die Entwicklung des Seekriegswesens.
Schiffe, Waffen, Schiffsklassen, Personal, Kampfweise und Taktik.

In diesem Kapitel sind in erster Linie die einschlägigen englischen Verhältnisse betrachtet, da über diese die besten und neuesten Quellen zur Verfügung stehen; sie bieten uns auch genügend Anhaltspunkte zur Beurteilung der Verhältnisse der anderen Marinen. Jurien sagt: »Die englisch-holländischen Kriege gebaren die modernen Marinen." England begann während und nach diesen Kriegen seiner Marine die Pflege zuzuwenden, die sie nach und nach zu der mächtigsten gemacht hat. Seine Marine stand schon zu Ende dieses Zeitabschnittes fast auf dieser Stelle, und so kann ihre Entwicklung wohl als maßgebend für die allgemeine Fortbildung des Seekriegswesens angesehen werden.

Die Schiffe.[76]

Wir haben die Entwicklung des Kriegsschiffbaues bis etwa 1648 verfolgt; die Artillerie war Hauptwaffe geworden und in den Breitseiten aufgestellt. Es sind Beispiele der größten englischen Kriegsschiffe gegeben, die zu Ende des vorigen Abschnittes erbaut wurden — der erste Zweidecker und der erste Dreidecker (vgl. Seite 100 u. 101).

Diese großen Kriegsschiffe waren aber nur wenige, um 1648 zählte die englische Marine in einem Gesamtbestande von etwa 75 wirklichen Kriegsschiffen nur 2 Schiffe über 1000 tons, eben die besonders beschriebenen, und etwa 8 zwischen 800 und 900 tons, während in dem Reste eine sehr große Zahl ganz kleiner, unter 400 tons, enthalten war. Bei der überhaupt geringen Zahl von Kriegsschiffen werden zunächst auch noch weiter in großem Maßstabe Kauffahrer herangezogen, wenn es sich um Aufstellung mächtiger Flotten handelt, ganz besonders in Holland. In England beginnt man aber jetzt damit, wirkliche Kriegsschiffe in größerer Zahl zu erbauen.

[162]

In den elf Jahren der Republik wurden etwa 86 Schiffe neu erbaut, davon allein 59 in den Jahren 1649–1654, also dicht vor, während und dicht nach dem ersten Kriege.[77] Zu diesen Schiffen treten als Vermehrung des Bestandes noch etwa 12 „Gekaufte“, wohl als Freibeuter gebaute Kauffahrer, und eine sehr große Zahl, über 100, „vom Feinde Genommene“; diese werden gleichfalls meistens Kauffahrer gewesen sein, weil sie nach dem ersten Kriege größtenteils wieder verkauft worden sind.

Diesem Beispiele müssen dann die anderen Nationen folgen. Wenn auch noch zu Beginn des Zeitabschnittes die größeren Kauffahrer vielen kleineren Kriegsschiffen an Gefechtskraft nicht sehr nachstanden, so macht sich doch nun bald ein Unterschied bemerkbar. Die neuen Kriegsschiffe werden nicht nur geeigneter für den Kampf, sondern auch überhaupt sorgfältiger, widerstandsfähiger gebaut und immer stärker armiert; die Kauffahrer werden damit minderwertig, selbst die großen Schiffe der Kompagnien genügen nicht mehr, waren doch mit wenigen Ausnahmen sogar bei der holländisch-westindischen Kompagnie 30 Kanonen ihre stärkste Armierung. Auch die Kriegführung wird eine andere. Auf längere Zeitdauer werden große Flotten beansprucht, denn es handelt sich nicht mehr um einzelne Schläge, nach deren Ausführung die Streitkräfte wieder entlassen werden.

Die zu lange Inanspruchnahme der Handelsschiffe für den Kriegsdienst hatte bereits häufig in England Mißstimmung, ja Widersetzlichkeit hervorgerufen. So verschwinden denn nach und nach die armierten Kauffahrer aus den Kriegsflotten; es verschwinden auch die bisher immer noch zu gewissen Zwecken benutzten Kriegsruderschiffe und ebenso hört der gelegentliche Gebrauch von Riemen auf größeren Segelschiffen auf.

Da in den Kriegen von jetzt an weit höhere Anforderungen an die Kriegsschiffe gestellt wurden als bisher, so führte — vor anderen Nationen zuerst wieder in England — die Zunahme des Baues auch zu weiteren Verbesserungen.

Hervorzuheben ist, daß die Engländer zunächst den Bau kleinerer, höchstens mittelgroßer Schiffe bevorzugten, scheinbar ein Rückschritt gegen die bisherige Entwicklung. Wir kennen den Bestand um 1649 (Seite 152); die Zahl der Schiffe I. Klasse über 800 tons wuchs jetzt ganz unverhältnismäßig weniger als die der übrigen.

Von den etwa 100 während der Republik beschafften Schiffen — 86 gebaute, 12 gekaufte — waren: 4 über 800 tons (alle 1000 und darüber), 60–80 Kanonen; 20 von 600–800 tons, 48–52 Kanonen; 25 von 400–600 tons, 36–40 Kanonen; 25 von 200–400 tons, 20–34 Kanonen; 25 noch kleinere.

Sämtliche Schiffe über 20 Kanonen, wenigstens die Neubauten, führten ihre schwereren Geschütze auf zwei Hauptdecken und darüber leichtere auf Vor- und Quarterdeck; sie waren also Zweidecker, wenn auch die obere Hauptbatterie nicht immer ganz eingedeckt war (vgl. Seite 169, Skizze über Aufstellung der Geschütze).

Die vier Schiffe der ersten Klasse und viele der zweiten sind erst nach dem Kriege gebaut.

[163]

Die großen Schiffe waren immer noch zu unhandlich und zu wenig seefähig, zu gefährdet an den Küsten und in schlechtem Wetter, auch der Umstand, daß man im ersten englisch-holländischen Kriege den Hauptwert auf das Bedrohen des feindlichen Handels durch Aufbringen von Kauffahrern legte, ließ die mittleren Schiffe geeigneter erscheinen; sie konnten überdies schneller und billiger beschafft werden.

In Hinsicht auf die Taktik machte sich vorerst auch kein großes Bedürfnis nach mächtigen Schiffen geltend; der Bedarf daran als Flagg- oder Gruppenführer-Schiffe war vorhanden. Mit der neuen Kriegführung, die sich in erster Linie gegen die feindlichen Streitkräfte richtete, und mit der langsam fortschreitenden Verbesserung der Schiffe ändert sich dies. Nicht nur größere Fahrzeuge, als bisher, und in größerer Anzahl werden wieder gebaut, sondern die Schiffe mit einer bestimmten Kanonenzahl wachsen auch immer weiter an Tonnengehalt. Noch durch das ganze 18. Jahrh. hält sich dieses Bestreben, so wird z. B. das 80 Kanonen-Schiff im nächsten Zeitabschnitte vom Dreidecker zum Zweidecker, weil es derartige Größenverhältnisse erhalten hat, daß die Kanonen auf zwei Decken aufgestellt werden können.

Bei Besprechung der Schiffsklassen später wird man das mächtige Wachsen des einzelnen Schiffes in jeder Klasse ersehen.

Die Engländer begannen ferner die Schiffe länger im Verhältnis zur Breite zu bauen — früher 3: 1, jetzt 3½: 1, Ende des 17. Jahrh. 4: 1 —, niedriger über Wasser, mit kleineren Aufbauten und mit besseren Linien unter Wasser, um schnellere Schiffe und stabilere Geschützstände zu erhalten; „Ils les frégatèrent“, sagt darüber ein alter französischer Autor (Seignelay).

Als einer der ersten dieser moderneren Bauten ist wohl der „Constant Warwick“ anzusehen, 1646 als Freibeuter gebaut und 1649 von der Marine angekauft, 379 tons, 90' lang, 28' breit, 30 Kanonen. Diesem Schiffe folgten ähnliche; als ein Muster weit größerer Schiffe derselben Art zeigen die englischen Quellen den „Speaker,“ gebaut 1649, 778 tons, 34¾' breit, 116' lang, 64 Kanonen. Es war dies ein schweres Schlachtschiff (Zweidecker) der damaligen Zeit und erscheint noch 1660 unter dem Namen „Mary“ als Schlachtschiff III. Klasse. Die Abbildung zeigt im Vergleich mit den Schiffen des vorigen Abschnittes den Fortschritt in den Formen des Schiffsrumpfes.

Der „Constant Warwick“ wird gemeiniglich als „erste Fregatte“ bezeichnet. Das Fahrzeug war aber keine Fregatte im späteren Sinne. d. h. ein Schiff nicht für die Schlachtlinie, sondern für alle Dienste, die Schnelligkeit und doch eine gewisse Gefechtskraft erforderten, mit nur einer Hauptbatterie. Da nun bei der Schilderung der kriegerischen Ereignisse nach den Quellen oft der Ausdruck „Fregatte“ gebraucht werden wird, seien hierüber einige Worte gesagt. Schon zur Zeit der Ruderschiffe hatte man leichte und schnelle Galeren für Nachrichten- usw. Dienst „Fregatten“ benannt und behielt diese Bezeichnung in der ersten Zeit der Segel-Kriegsschiffe bei. Galeon bedeutete Gefechtskraft, Fregatte Schnelligkeit. Daher der Ausspruch „ils les frégatèrent“, als England die Schiffe im allgemeinen auf größere Schnelligkeit baute, daher auch wohl die Bezeichnung „Fregatte“ für den „C. Warwick“ und für bald darauf ähnlich gebaute Fahrzeuge, die sämtlich zur Schlachtflotte zählten. Nach Angaben[164] über Aufstellung der Geschütze auf Schiffen seiner Größe muß man annehmen, daß „Constant Warwick“ ein Zweidecker war, womit auch die äußere Ähnlichkeit mit der späteren Fregatte fällt. Im ersten Kriege bauen auch die Holländer eine große Zahl neuer Kriegsschiffe, die als „Fregatten“ erwähnt werden. Da in Holland aber gerade wirkliche Kriegsschiffe als Schlachtschiffe fehlten und wir wissen[78], daß sie sämtlich über 40 Kanonen führten und die stärksten Schiffe Hollands waren, ist wohl anzunehmen, daß man sie nur im eben ausgeführten Sinne „Fregatten“ nannte. Die eigentliche Fregatte bildet sich erst im nächsten Zeitabschnitt aus, ihre Blütezeit erreicht sie Ende des 18. Jahrh. Ihren Dienst nehmen bis dahin, wenn auch Gefechtskraft verlangt wird, die kleineren Zweidecker wahr, wenn es nur auf Schnelligkeit ankommt, die noch kleineren Fahrzeuge. Diese sind meistens gemeint, wenn in der Folge von Fregatten die Rede ist; zuweilen scheint man aber, dem Vorstehenden entsprechend, mittelgroße neue Fahrzeuge damit zu bezeichnen, wo man ihre besonders gute Segelfähigkeit hervorheben will.

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Englisches Schlachtschiff „The Speaker“.

Im allgemeinen muß man aber sagen, daß sich die Vervollkommnung der Kriegsschiffe zunächst mehr auf Verbesserung der Armierung und auf die Ausbildung bestimmter Schiffsklassen erstreckte. Vom rein seemännischen Standpunkte aus geht die Entwicklung der Schiffe in diesem Abschnitt langsamer vorwärts, als man bei dem gewaltigen Aufschwung der Kriegs- und Handelsmarinen erwarten sollte. Noch lange blieben See- und Segeleigenschaften der schweren Schiffe mäßig, sie wurden nur sehr langsam besser. Infolge der anfangs immer noch recht plumpen Formen über und unter Wasser, mittschiffs mit fast ganz plattem Boden, waren die Schiffe wenig stabil und rollten stark, auch ihre Segeleigenschaften wurden hierdurch noch immer beeinträchtigt; der neue „fregattenähnliche“ Bau scheint erst nach und nach auf die schweren Zwei- und die Dreidecker ausgedehnt zu sein.

Noch 1740 klagen englische Seeoffiziere darüber, daß sie bei schwerem Wetter die unterste Batterie, in der doch das stärkste Kaliber stand, nicht gebrauchen könnten. Wenn, auch nach französischen Angaben, die Engländer mit der Verbesserung des Schiffbaues begannen, so wurden sie doch frühzeitig von den Franzosen überholt. Bei Zusammentreffen mit der französischen Flotte als Freund oder Feind loben die englischen[165] Seeleute bald den Bau der fremden Schiffe, und England nimmt sie, zuweilen als eroberte, in diesem und dem nächsten Abschnitt oft zum Vorbild. 1663 z. B. sah man, daß die Franzosen auf ihren Hauptschlachtschiffen (70 Kanonen) die Pforten der untersten Batterie 4' über Wasser hatten und 3 Monat Proviant stauen konnten, gegen 3' und gegen 10 Wochen auf den eigenen; man wählte nun 4½' und 6 Monat. Auch 1673 nahm man wieder französische Pläne zum Vorbilde, um im Seegang gefechtsfähigere Schiffe zu erhalten.

Bis 1700 stellte man im Norden im allgemeinen die Seefahrt während des Winters ein; die Stürme und die langen, dunkeln Nächte waren besonders für größere Schiffe, die kaum aufkreuzen konnten und stark trieben, in den beschränkten Gewässern zu gefährlich. Denn auch die Betakelung ließ viel zu wünschen übrig. Noch lange glaubte man, die Segel recht bauchig schneiden zu müssen, sie waren deshalb höher als die Masten und Stängen; noch lange blieben die Untersegel die Hauptsegel. Bei zunehmendem Winde barg man zuerst Bram- und Marssegel, dann wurde das Untersegel geführt und gereeft, noch bis 1720 machte man es auf Deck fest.

Doch wird im Laufe des Zeitabschnittes das Marssegel das Hauptsegel; gegen Ende des Abschnittes erscheinen Stagsegel zwischen den Masten und die Vorsegel. Diese verdrängen den kleinen Mast auf dem Bugspriet; dann tritt der Klüverbaum[79] auf, und das große Lateinsegel am letzten Mast wird zum Besan[79], indem der unterste Teil der langen Raa wegfällt und das Segel dort am Mast befestigt wird, zunächst noch ohne Besansbaum. Auch die Schiffsformen unter und über Wasser werden nach und nach günstiger. Der Fortschritt in allem wird um so stetiger, seit man um die Mitte dieses Zeitabschnittes beginnt, den Schiffbau nach bestimmten Regeln zu betreiben. Nach den gewonnenen Erfahrungen wird das Verhältnis der Hauptmaße zueinander für Schiffskörper und Takelage festgesetzt, sowohl für das einzelne Schiff einer gegebenen Größe, wie auch für die verschiedenen Größenklassen. Gegen Ende des Abschnittes sind See- und Segeleigenschaften erreicht, die zum Segeln beim Winde, zum Aufkreuzen und zum Freihalten von Leeküsten einigermaßen genügen. Nur die größeren Dreidecker blieben immer noch unhandlich und rank, weshalb man diese weiter bis zur Mitte des 18. Jahrh. unter gewöhnlichen Umständen im Winter aufzulegen pflegte.

Wie schon angedeutet, zeichneten sich besonders die Franzosen bald im Schiffbau aus; anfangs des nächsten Abschnittes (um 1760) verfügten sie über Schiffstypen, die eigentlich allen Anforderungen genügten. Als ein um die Mitte des vorliegenden Zeitabschnittes (1692 während des englisch-französischen Krieges) auf der Höhe der Zeit stehendes Schiff I. Klasse sei der französische „Royal Louis“ erwähnt und dargestellt (Seite 166): 186' lang, 51' breit, 108 Kanonen, 900 Mann. Der Vergleich mit der Abbildung des „Royal Sovereign“ (Seite 101) zeigt die günstigeren Formen über Wasser, kleineres Gallion, niedrigeres Heck; die Takelage jedoch ist in der langen Zeit nur wenig verbessert. Weitere Fortschritte sollen erst im nächsten[166] Abschnitt zur Anschauung gebracht werden, da Schiffe dieser Art in den großen Kriegen des vorliegenden, die mit 1714 abschließen, noch keine Verwendung finden.

Die Beiboote wurden zwischen Fock und Großmast mit Takeln eingesetzt. Die feste Reeling war dort häufig unterbrochen, wie früher zum Gebrauch der Hilfsriemen. Davits wurden erst viel später eingeführt; zu Anfang der Periode scheinen die Schiffe nur 2–3 Boote gehabt zu haben.

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Französisches Linienschiff „Royal Louis“.

Nach Clowes, Teil II, Seite 113 hatten die größeren englischen Schiffe z. Zt. des ersten Krieges eine Pinnace von max. 29' Länge, ein Skiff max. 20', ein Longboat max. 35'. Das Longboat wurde nie eingesetzt, sondern achteraus geschleppt. Im Gefecht war es, vielleicht auch die anderen, bemannt, um Brander abzuwehren oder abzuschleppen. Die Boote wurden auch häufig während des Gefechts wegen des mangelhaften Signalsystems zum Überbringen von Befehlen und Meldungen, sowie gelegentlich zum Tauen des Schiffes ins Gefecht benutzt.

Noch einige wichtige Verbesserungen zur Erhaltung und Führung der Schiffe seien angeführt.

In die Mitte des 17. Jahrh. fällt die Einführung des Zwischendecks. Bis dahin waren nur die schweren Decke zur Aufstellung der Geschütze[167] vorhanden, bei Schüssen in der Nähe der Wasserlinie konnte man nur mit Leitern zum Leck gelangen. Die Engländer zuerst legten längs der Bordwand unterhalb der Wasserlinie ein leichtes Deck, einen Umlauf, für den Verkehr der Zimmerleute während des Gefechts. Aus diesem entstand das Zwischendeck, das die Schiffe auch wesentlich wohnlicher gestaltete. Verschiedene Versuche wurden gemacht, um den Schiffsboden vor dem Bohrwurm zu schützen und auch um eine glatte Oberfläche zur Erhöhung der Fahrt zu erhalten. Das Belegen mit Bleiplatten, in Spanien und auch in der englischen Kauffahrteimarine seit dem 16. Jahrh. viel im Gebrauch, war in der englischen Kriegsmarine wegen des dadurch hervorgerufenen galvanischen Stromes, der wichtige Eisenteile zerstörte (Nägel der Beplankung, Ruderfingerlinge), nicht beliebt und ist nur zeitweise versucht. Mehr verbreitet war ein Belag von doppelten dünnen Planken mit einer Zwischenlage von geteertem Tierhaar. Auch Farbenkompositionen wurden versucht, doch kam die Lösung dieser wichtigen Frage durch Bekupferung erst in der nächsten Periode.

Am Ende des 17. Jahrh. wurde das Ruderrad an Stelle des direkten Steuerns mit der Ruderpinne gebräuchlich.

Für die Nautik, ist zu erwähnen: Der Kompaß wurde technisch verbessert, und man begann der Mißweisung Aufmerksamkeit zu schenken. Schon 1699–1700 wurde ein englisches Kriegsschiff eigens zu ihrer Bestimmung in den Südatlantik gesandt; das Fahrzeug führte auch viele Längenbestimmungen aus. 1731 konstruierte Hadley den Reflexions-Quadranten (Spiegel-Oktant), der weit genauere Beobachtungen gestattete als der bisher allein vorhandene Davis-Quadrant (verbesserter Jakobsstab); besonders wichtig war dies für die Beobachtung der Monddistanzen, der einzigen Methode zur Bestimmung der Länge auf See.

Bereits 1598 hatten Spanien und bald darauf Holland Preise ausgesetzt für die Erfindung einer sicheren Längenbestimmung an Bord, England folgte 1714. Wie ungenau diese bisher war, kann man aus der geringen Anforderung bei dieser Ausschreibung ersehen. Es sollte gezahlt werden: 10000 Lstrl. für die Genauigkeit der Bestimmung auf 1° Länge, 15000 Lstrl. auf 2/3°, 20000 auf ½°. Da wurde denn schon früh der Versuch gemacht, die Länge mittels Uhren zu bestimmen, aber erst 1761 erreichte man gute Ergebnisse. Ein Chronometer von Harrison verlor auf einer Reise nach Westindien und zurück während vier Monaten trotz schlechtem Wetter nur 1 m 54,5 s.

Die nautischen Hilfstabellen für astronomische Beobachtungen wurden verbessert; das 1675 gegründete Observatorium zu Greenwich sollte sich besonders dieser Aufgabe widmen. Genaue Journal- (Logbuch) Führung wurde den Schiffen vorgeschrieben. Vermessungen wurden, namentlich von England, vorgenommen und viel Sorgfalt auf Herstellung der Seekarten verwandt, vorzugsweise allerdings zunächst für die heimischen Gewässer und allenfalls den Atlantik, andere blieben noch lange unvollständig. Betonnung, Bebakung und Beleuchtung der Küsten wurden gepflegt (der berühmte Leuchtturm von Eddystone zeigte sein Licht zuerst im Oktober 1698).

[168]

In allen Ländern erweiterte man die staatlichen Werften; sie beginnen sich zu solchen Einrichtungen auszubilden, wie man sie heute unter Kriegswerften versteht, so daß die Marinen immer freier von der Privatindustrie wurden.

Waffen.[80]

Die Fortschritte der Artillerie in Hinsicht auf das Geschützmaterial selbst lagen in diesem Zeitabschnitt nicht in grundsätzlichen Vervollkommnungen oder in neuen Konstruktionen, dagegen wurden die Anfertigung des Materials genauer und die Einrichtungen für die Bedienung verbessert. Man legte z. B. die Geschützpforten höher über Wasser und weiter voneinander, letzteres damit die Nachbargeschütze sich nicht hinderten oder gar gefährdeten; man machte sie zum besseren Richten größer. Der Spielraum der Geschosse wurde geringer, besseres Pulver wurde eingeführt; es ist dies aus den kleiner werdenden Ladungen zu entnehmen. In England, wo frühzeitig der Ausbildung der Geschützmannschaften besondere Pflege zuteil wurde, setzte man 1670 ihre Kopfstärke für jedes Kaliber fest.

Die vielen kleinen Geschützarten waren größtenteils weggefallen, als schwerere Geschütze blieben ungefähr dieselben Kaliber im Gebrauch, die wir zu Ende des vorigen Zeitabschnittes (Seite 105) kennen gelernt haben; von etwa 1700 an wurden sie allgemein nach dem Gewicht ihrer Eisenvollkugeln benannt. Um diese Zeit führte man in England die nachstehenden Kaliber; ein Vergleich mit den früheren Angaben zeigt, daß sie nach Seelendurchmesser und Geschoßgewicht den alten Arten entsprechen, daß aber die Pulverladung schwächer geworden ist.

42 -Pfdr. früher cannon serpentine oder bastard 7″03 Kaliber 17 Pfd.-Lad.
32 demicannon 6″43 14
24 cannon Pedro 5″84 11
18 culverin 5″3   9
12 basilisko 4″64   6
9 demiculverin 4″22       4⅔
6 saker 3″67   3
4 minion 3″22   2
3 falcon 2″91       1⅔
½ falconet 1″69         ⅓

Falconets waren Reelingsgeschütze auf Pivots. Wie aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist, sind der 24-Pfünder, der 9-Pfünder und der 4-Pfünder erst später hinzugekommen, 1652 waren sie noch nicht verwendet. Der 24-Pfünder wurde später in Unterklassen nach Gewicht und Länge des Rohres eingeteilt.

In Frankreich, Spanien, Schweden, Dänemark und Holland hatte man entsprechend 48-Pfünder, 36-Pfünder, 24-Pfünder, 18-Pfünder, 6-Pfünder, 4-Pfünder, doch fehlte in Holland der 48-Pfünder.

[169]

Es ist wahrscheinlich, daß sich die französischen 48-Pfünder und 36-Pfünder kaum von den englischen 42-Pfündern und 32-Pfündern unterschieden; in Frankreich legte man der Benennung das theoretische Geschoßgewicht für den Seelendurchmesser zu Grunde, ohne den Spielraum zu berücksichtigen.[81] Auch in Holland soll der 38-Pfünder annähernd dem englischen 42-Pfünder gleich gewesen sein, da das holländische Pfund schwerer war als das englische.[81]

An Geschossen kamen bei den Schiffsgeschützen zur Verwendung: Vollkugeln; Stangen- und Kettenkugeln, Halbkugeln durch Stangen oder Ketten verbunden und besonders gegen die Takelage bestimmt; eine Art Kartätschen, paquets de fer, aus eisernen Würfeln zusammengesetzt. Über Hohl- und Brandgeschosse wird bei den Mörserbooten gesprochen werden.

An Handwaffen waren im Gebrauch: Musketen, Pistolen, Bajonette, Enterbeile, Entermesser — cutlasses, kurze schwere Seitengewehre zum Hieb —; Enterpiken, zur Verteidigung der Pforten beim Enterabschlagen.

Geschützaufstellung bei Drei- und Zweideckern. (Abweichungen häufig.)

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1. Unterstes Batteriedeck (lowerdeck), 2. Mittleres (middledeck), 3. Oberstes (maindeck), 4. Quarter- oder Halbdeck, 5. Vor- oder Backsdeck (fore castle), 6. Deck der Kampagne, 7. Deck über der Back.

…… Oberkante der Reeling (Schanzkleid. Brüstung).

— — — — — Decke, die nicht immer vorhanden sind; wenn sie fehlen, dort Oberkante der Reeling.

Zu 1. Die unterste Batterie fehlt beim Zweidecker, die mittlere wird also zur untersten.

Zu 3. Die oberste Batterie ist zwischen Groß- und Fockmast nicht immer eingedeckt; bei kleineren Schiffen dieser Art fehlen dann oft hier die Geschütze der obersten Batterie. Ist sie aber ganz eingedeckt, ist also Halbdeck (4) und Vordeck (5) verbunden, so entsteht das volle Oberdeck (upperdeck; vgl. S. 99).

8. Fast platte Bugform, so daß Geschütze gut nach vorn feuern können. 9. Bugspriet. 10 Gallion.

× × × Ganz kleine Geschütze auf der Kampagne.

Die Abbildung des „Royal Charles“ — englisch, 1673, 100 Kanonen, 130' lang, 46' breit, 20' Tiefgang, 1531 tons, 780 Mann — zeigt im Gegensatz zu „Le Soleil Royal“ kein volles Oberdeck, auch fehlen die Kanonen auf dem Backsdeck. Bilder auf Seite 172.

[170]

Verteilung der Geschütze nach Anzahl und Kaliber
(Pfünder=Geschoßgewicht) an Bord der englischen Schiffe.

Im
Jahre
Schiffe
mit
Kanonen
Unterste Mittlere Oberste Auf
Back- und
Quarterdeck
Besatzung
Batterie
1652 100     26–42 -Pfdr. 28–18 -Pfdr. 28– 6 -Pfdr. 14– 5 -Pfdr. 815
4–18
1677 26–42 28–24 28– 9 16–16 815
4– 3
1719 28–42 28–24 28–12 16– 6 780
1652 90     26–42 26–18 26– 6 10– 5 730
2–18
1677 26–32 26–24 26– 9 16– 6 600
2– 3
1719 26–32 26–18 26– 6 12– 6 680
1652 (82)     24–42 24–18 24– 6 8– 5 560
2–18
1677 80(82) 24–32 24–18 24– 6 2– 3 520
8– 6
1719   26–32 26–12 24– 6 4– 6 520
1652 (74)     26–32 26– 6 18– 5 460
4– 3
1677 70 26–32 26–12 16– 6 460
4– 3
1719   26–24 26–12 18– 6 480
1652 (58)     24–32 22– 6 10– 5 280
2– 3
1677 60 24–24 24–12 10– 6 340
2– 3
1719   24–24 26–09 10– 6 365
1652 50     20–32 18–16 10– 5 180
2–3
1677 22–18 22– 6 6– 6 240
1719 22–18 22– 9 16– 6 280
1652 40(42)     280
1677 20–09 18– 9 4– 3 180
1719 20–12 20– 6 190
1652 (34)     18–32 10– 5 4– 5 135
2– 3
1677 30 18– 9 8– 6 4– 3 130
1719   8–9 20– 6 2– 4 135
1652 20     16–32 4– 5   50
1677 16–6 2– 4   85
2– 3
1719 20–6 115
 
Verteilung an Bord französischer Schiffe um 1683.
1683 110     30–48 -Pfdr. 32–18 -Pfdr. 28–12 -Pfdr. 20– 6 -Pfdr. 1050
100 28–36 28–18 28– 8 16– 6   800
  88 28–36 28–18 26– 8 6– 6   700
  84 26–36 26–18 24– 8 8– 6   640
  70 26–24 24–18 16– 6   450
  60 24–24 od. 18 26–12 10– 6   360
  50 24 od. 22–18 22– 8 4– 6   320
  40 20–12 od. 8 20– 6   220
  30 16– 8 14– 6   150
„Frégates“ mit 10–22 Kanonen, 4–8-Pfdrn., 40–120 Mann.

[171]

Der Hauptfortschritt der Schiffsartillerie lag in der Entwicklung einer planmäßigen Armierung. Mit der Einteilung der Schiffe in Klassen wurden für jede Schiffsgröße Anzahl und Kaliberstärken der Geschütze festgesetzt und hierbei jede Batterie mit gleichem Kaliber bestückt. Diese Anordnung änderte man an der Hand der Erfahrung mehrfach, besonders was die Verwendung der Kaliber anbetrifft. Aus der nebenstehenden Tabelle ist der Verlauf der Entwicklung in der englischen Marine zu ersehen; man kann ferner aus ihr entnehmen, welche Gefechtskraft ein Schiff, dessen Gesamtkanonenzahl angeführt wird, zu den verschiedenen Zeiten des Abschnittes hat. Zum Vergleich folgt eine Angabe der französischen Armierungen um 1683.

Die Tabelle ist zusammengestellt nach Angaben im Clowes, Teil III, Seite 7–11 und im Troude, Teil I, Seite 19–30; dort finden sich noch weitere Aufzeichnungen, da man auch Schiffe mit anderer Gesamtgeschützzahl hatte, als die hier herausgezogenen. Für 1652 und 1677 (1683) sind zum leichteren Vergleich die Geschütze schon als „Pfünder“ angegeben, obgleich noch die alte Bezeichnung üblich war.

Die Angaben für 1652 können keinen Anspruch auf Genauigkeit machen; sie sind wahrscheinlich, besonders die für die großen Schiffe, auf mehr theoretischem Wege gewonnen. Erstens waren damals weder die Schiffsklassen schon scharf begrenzt noch die Armierung planmäßig festgelegt und zweitens gab es nur wenige größere Schiffe; in der Schlacht von Northforeland (1653) werden in der großen englischen Flotte von 105 Kriegsschiffen nur 1 zu 88 Kanonen, 1 zu 66 und 10 zu 50–60 angeführt, und dabei waren die Schiffe bei dieser Gelegenheit außergewöhnlich überarmiert.

Wenn man nun den 42-Pfünder und 32-Pfünder (48-Pfünder und 36-Pfünder) als schwere, die 24-Pfünder bis 9-Pfünder als mittlere und die geringeren Geschütze als leichte Artillerie bezeichnet, so ersieht man aus den Tabellen folgendes. Die Armierung mit schwerer Artillerie fällt auf den kleinen Schiffen (20–40 Kanonen) weg, sobald diese, nach den englisch-holländischen Kriegen (vgl. „Schiffsklassen“ Seite 176), nicht mehr zu den Schlachtschiffen rechnen, und man geht bei ihnen selbst gleich bis zu den leichtesten Kalibern der Mittelartillerie hinab. Aber auch sonst werden die untersten Batterien leichter bestückt, der 42-Pfünder bleibt nur bei den wenigen Schiffen von und über 100 Kanonen, der 32-Pfünder weicht bei den 60–70 Kanonenschiffen immer mehr dem 24-Pfünder, bei den 50 Kanonenschiffen gar dem 18-Pfünder. Die zweiten und dritten Batterien dagegen werden im allgemeinen mit stärkeren Kalibern versehen und ebenso wachsen die Kaliber der leichten Artillerie, teilweise in die der mittleren übergehend. Die Mittelartillerie wächst also auf Kosten der anderen, namentlich der schweren. Diese, auch in den anderen Staaten vorhandene Tendenz bleibt weiter bestehen; im nächsten Abschnitt verschwindet in Frankreich der 48-Pfünder ganz, dagegen tritt, mit zeitlichen Schwankungen, dort und in England oft der 24-Pfünder an Stelle des 18-Pfünders, der 18-Pfünder an Stelle des 12-Pfünders usw.

Man ersieht ferner, daß sehr schwache Schiffe, hinunter bis zu solchen von 20 und 30 Kanonen, noch zwei Batterien haben, doch ändert sich dies[172] gegen Ende des Zeitabschnittes; im Anfang des nächsten gab es Zweidecker zu 40 Kanonen und darunter nicht mehr. Das 50-Kanonenschiff rechnete noch bis etwa 1750 zu den Schlachtschiffen, dann scheidet es aus der Linie aus; 44- und 50-Kanonenschiffe als Zweidecker werden aber zu besonderen Zwecken noch beibehalten.

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Englischer Dreidecker „Royal Charles“.

Brander, schon früher gelegentlich ausgerüstet, spielen in diesem Zeitabschnitt eine hervorragende Rolle. Sie haben große Erfolge zu verzeichnen, häufig sogar nur durch ihre moralische Einwirkung: bei ihrer Annäherung setzen sich Schiffe auf den Strand, andere werden von ihren Besatzungen in wilder Flucht verlassen. Ihnen ist auch ein nicht unbedeutender Einfluß auf die Entwicklung der Taktik und dadurch des Systems der Schiffsklassen zuzuschreiben.

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Französischer Dreidecker „Le Soleil Royal“.

Brander waren mit leicht entzündlichen und lebhaft brennenden Stoffen — Pech, Teer, Öl, Holz alter Fässer dieser Materialien, daher mit ihnen getränkt, Schwefel, Kampfer und dgl. — gefüllte Fahrzeuge. Sie segelten an feindliche Schiffe heran oder ließen sich herantreiben, befestigten sich mit Enterdraggen sowie an den Raaen angebrachten Haken und vernichteten[173] den Feind, indem sie sich selbst in Brand setzten; ihre Besatzung barg sich in Booten. Um Bootsangriffe der bedrohten Feinde abzuwehren und um bis zu ihrer eigentlichen Verwendung ins Gefecht eingreifen zu können, waren die Brander auch mit Geschützen armiert.

Anfangs nur aus wenigen und kleineren Fahrzeugen bestehend, wuchs die Waffe an Zahl und Größe, wie einzelne herausgegriffene Angaben zeigen.

Im Jahre kamen auf
Kriegsschiffe
Brander in der Schlacht
1653 englisch: 100   5 Northforeland
holländisch: 98   6
1660 holländisch: 75 36 vor der Themse
1672 holländisch: 75 36 Solebay
engl-französisch: 98 30

Später nimmt die Bedeutung der Waffe wieder ab, da sie sich infolge der Änderung der Taktik und Kampfweise überlebt hat.[82] Man kann dies deutlich aus den Beständen in der englischen Marine ersehen.

1688 kamen auf 52 in Dienst gestellte Schiffe 26 Brander[83]
1702 123 Schlachtschiffe im Gesamtbestande 87      „[84]
1714 125 50
1741 129 im Dienst 17
1783 173 überhaupt im Dienst   7

Im Anfang des 18. Jahrh. verschwinden sie ganz.

Kurze Zeit, 1693–1695, wurde in England eine Art Vervollkommnung der Brander versucht — machines oder infernals. Diese sollten, mit einer großen Pulvermenge an Bord, durch Explosion wirken. Man kam aber davon ab, da sie sich nicht bewährten. Wieviel von ihnen erwartet wurde, ist z. B. daraus zu entnehmen, daß man ein solches Fahrzeug 1693 gegen die Befestigungen von St. Malo vorschickte; es flog aber wirkungslos auf, weil es zu früh festkam (vgl. Krieg 1688–1697: St. Malo 1693; Dieppe 1694).

Endlich ist noch eine Waffe zu erwähnen — die Mörserboote (bombketches oder bombs; galiotes à bombes oder bombardes). Mörser für Spreng- und Brandgeschosse (shells und carcasses[85] wurden vielfach in den Küstenbefestigungen verwendet; von 1660 an findet man aber auch Mörserboote bei den englischen Flotten, von 1674 bei den Holländern und von 1681 auch bei Franzosen. Es waren Fahrzeuge von 80–200 tons, mit 1 oder 2 Masten,[174] 35–70 Mann, 8 kleineren Geschützen auf Achterdeck. Sie führten auf einer Plattform vor dem Großmast 2 Mörser; nach einer Angabe hatte einer dieser beiden in Frankreich 12" Kaliber, 140 Pfd. Geschoßgewicht. Der Bestand an Mörserbooten in den Marinen war nicht groß, in England hatte er zu Anfang des nächsten Zeitabschnittes mit 14 Fahrzeugen seinen Höhepunkt erreicht; bei den Flotten werden höchstens 6, meistens weniger, aufgeführt. Sie fanden ihre Hauptverwendung oft mit Erfolg gegen Küstenbefestigungen, Städte und im Hafen liegende Schiffe; ausnahmsweise greifen sie auch in Seegefechte ein. Auf den sonstigen Kriegsschiffen wurden Mörser im allgemeinen nicht verwendet, doch scheint man gelegentlich Versuche damit gemacht zu haben. 1748 wird erwähnt, daß ein englisches 80-Kanonenschiff „ausnahmsweise“ 8 cohorns (kleine Mörser, am Ende des 17. Jahrh. von dem holländischen Genieoffizier Cohorn konstruiert) geführt und sich ihrer in einem Seegefechte mit großem Erfolge bedient habe. Vielfach ließ wohl das Funktionieren der Hohlgeschosse zu wünschen übrig; bei dem eben erwähnten Angriff der Engländer auf St. Malo wurden nach einem Bombardement aus Mörserbooten 230 Bomben gefunden, die nicht krepiert waren. Erfolgreicher war die Verwendung der Mörserboote in großem Maßstabe seitens der Franzosen gegen Algier (1682–1683, vgl. dort) gewesen; gerade die Erfahrungen dieser Ereignisse haben wohl zu einer größeren Beachtung der Waffe geführt.

Schiffsklassen.

Im vorliegenden Zeitabschnitt bildete sich ein System der Einteilung der Schiffe in Klassen aus — englisch: rates; französisch: rangs — nach der Gefechtskraft oder nach sonstigen Eigenschaften; es hing dies eng mit dem Wachsen der stehenden Marinen und mit der Entwicklung einer eigentlichen Kriegführung zur See in Hinsicht auf Taktik und Strategie zusammen. Man wurde sich darüber immer mehr klar, welche Kräfte man zu den verschiedenen Zwecken nötig habe, und die Kriegsschiffe wurden dementsprechend gebaut. Die Fortschritte in der Taktik, in der Strategie und im Schiffbau bewirkten fortlaufend Änderungen in dem System.

Die Hauptquelle für diese Betrachtungen, „Colomb“, behandelt im Kapitel V „The differentiation of naval force“ die Entwicklung der englischen Marine in dieser Hinsicht eingehend bis 1813 an der Hand folgender Disposition (frei übersetzt): „Die ungeordnete Kampfweise in den älteren Seekriegen brachte eine Einführung besonderer Schiffsklassen nicht mit sich. Erst das Auftreten der Schlachtlinie bewirkte den Bau größerer und untereinander gleichwertiger Schiffe für die Linie. Zu gleicher Zeit verlangten Angriff und Verteidigung des Handels leichtere Schiffe und eine dritte Gattung von Fahrzeugen wurde für den Sicherheits- und Meldedienst der Flotten nötig.“

Wir folgen im nachstehenden dem Wege Colombs und werden dabei das Wachsen des Einzelschiffes an Größe und Gefechtskraft, die Ausbildung des Klassensystems in England sowie die Schiffsbestände hier zu verschiedenen Zeiten und damit das Wachsen der stehenden Marine kennen lernen. Der jeweilige Bestand der anderen Marinen soll vor jedem Kriege unter „Streitmittel der Gegner“ angeführt werden.

Solange der eigentlichen Kriegsschiffe nur wenige waren, die Seestreitkräfte im Kriegsfalle hauptsächlich durch Ankauf, Miete oder Aufgebot von[175] Kauffahrteischiffen aufgestellt wurden, bildeten die Flotten ein Gemisch von Fahrzeugen jeder Größe. Eine solche Flotte wurde in Unterabteilungen geteilt — diese Unterabteilungen waren vielleicht ursprünglich schon durch das Zusammenhalten der Aufgebote der verschiedenen Städte oder Grafschaften usw. gegeben —, die Befehlshaber der Unterabteilungen befanden sich auf dem stärksten Schiffe, wohl meistens einem Kriegsschiffe; um diese Führerschiffe scharten sich die unterstellten Fahrzeuge jeder Größe, bis hinab zum allerkleinsten, auch im Gefecht. Von einer Taktik im Gefecht war noch keine Rede; wenn die Flotten aneinander geführt waren, suchte jedes Fahrzeug selbständig sein Bestes zu leisten, indem es sich, allein oder vereint mit andern, den Gegner wählte, dem gegenüber Erfolg zu erwarten war; das starke Führerschiff war für jede Gruppe der Rückhalt.

Wie Kauffahrer jeder Größe eingestellt wurden, so weist auch der geringe Bestand der Kriegsmarinen dieser Zeit fast gleichmäßig Schiffe jeder Größe auf, als ob für jedes Schiff gleich gute Verwendung vorhanden gewesen sei.

Der Bestand der englischen Marine um 1624 war:

I. Klasse 4 Schiffe 800–1187 tons 44–55 Kanonen
II. 14 600–922 29–42
III. 9 343–683 26–34
IV. 4 80–250 6–20
Gesamt: 31 Segel.  

So stand es auch noch um 1651, von welchem Jahr eine neue Einteilung vorliegt, nur daß die Armierung im allgemeinen stärker geworden ist: I. Kl. = 80 Kanonen und mehr; II. Kl. = 52–80 K.; III. Kl. = 44–60 K.; IV. Kl. = 32–50 K.; V. Kl. = 12–32 K.; VI. Kl. kleinere Fahrzeuge. Man sieht, daß die Grenzen noch nicht genau gezogen sind und in jeder Klasse ein großer Spielraum gelassen ist.

Um diese Zeit begann die große Vermehrung der Kriegsschiffe. Da aber im ersten englisch-holländischen Kriege Taktik und Kampfweise im großen und ganzen noch die alte blieb, wird auch die Klasseneinteilung zunächst kaum geändert. Der Einfluß des Krieges macht sich aber doch bemerkbar. Aus den früher angeführten Gründen — nur geringes Vertrauen zu den großen Schiffen; Hauptziel Angriff des feindlichen Handels; schnellerer und billigerer Bau — wird die Zahl der mittelstarken Schiffe in weit größerem Maße vermehrt als die der schweren; diese Mittelschiffe sollten wohl in erster Linie die bisher eingestellten Kauffahrer ersetzen; Flaggschiffe und Gruppenführerschiffe waren fast genügend vorhanden. Auch läßt die nächste Einteilung, namentlich was Tonnengehalt anbetrifft, den Klassen noch einen weiten Spielraum und sie greifen noch ineinander. Alle diese ersten Klasseneinteilungen scheinen mehr auf einem administrativen Bedürfnis beruht zu haben; den verschiedenen Klassen entsprechend erhielten z. B. die Besatzungen vom Kapitän bis zum letzten Mann verschiedenen Sold, ein Brauch, der noch länger bestand. Am[176] Ende des ersten Krieges, Dezember 1653, waren Einteilung und Bestand der englischen Marine:

Klasse Schiffe Tons Kanonen Mann
   I   3 891–1556 64–104 350–700
 II 11 721–  875 54–  66 260–400
III 11 532–  800 44–  60 200–300
 IV 63 301–  700 28–  50 100–220
   V 35 105–  500 12–  36   30–200
 VI   9   55–  255   6–  36   25–130
Gesamt: 132 Segel.  

Zu der stärkeren Bestückung ist zu erwähnen, daß die Schiffe z. Zt. des ersten Krieges fast durchgängig überarmiert waren.

Wenn Angaben über Gesamtbestand dieser frühen Zeiten, bei verschiedenen Gelegenheiten verschiedenen Quellen entnommen, nicht immer genau übereinstimmen, wie z. B. diese mit der Seite 162 über die Vermehrung während der Republik angegebenen, so liegt dies daran, daß eine Quelle Schiffe „nur für den Krieg eingestellt“ mitzählt, eine andere nicht. Die vorstehenden Angaben sind aus Colomb, Seite 86, entnommen.

In derselben Weise wird bis 1660 weiter gebaut, während der späteren englisch-holländischen Kriege aber ändert sich die Taktik. Das Bestreben, die Flotte besser geordnet an den Feind zu führen und diese Ordnung im Gefecht länger zu bewahren, kurz die Schiffe besser in der Hand zu behalten, führt immer weiter in der Durchbildung der Linienformation; auch der Wunsch, die Erfolge der Brander einzuschränken, sprach sehr für die Linie. In dieser war ein jedes Schiff an seine Stelle gebunden und konnte sich nicht mehr seinen Gegner wählen; es mußte eine gewisse Gefechtskraft besitzen, damit die Linie nicht schwache Punkte bot. Nachstehender Auszug aus einer Schiffsliste der englischen Marine um 1688, 15 Jahre nach Beendigung der englisch-holländischen und unmittelbar vor Beginn der englisch-französischen Kriege, zeigt denn auch wesentliche Unterschiede gegen früher: Die Gesamtzahl der Kriegsschiffe ist nicht gewachsen, eher zurückgegangen, aber die Schlachtschiffe sind sehr viel größer geworden und die Klassengrenzen haben sich dementsprechend verschoben; die Klassen sind schärfer begrenzt, namentlich was die Armierung anbetrifft; von einem Schiffe wird eine gewisse Größe und Geschützzahl, mindestens 40–50 Kanonen, verlangt, um es als Schlachtschiff geeignet erscheinen zu lassen.

Das Linienschiff ist entstanden. Der Ausdruck, eigentlich „Line of battle ship“, bezeichnet eben ein Schiff, das fähig ist, seinen Posten in der Schlachtlinie auszufüllen; „fit for the line“ oder „for lying in the line“ sagen die alten englischen Autoren.

Es ist ferner bemerkenswert, daß in der Liste nur noch sehr wenig Schiffe als „angekauft“, daß dagegen die meisten angeführten als „nach der Mitte der siebziger Jahre erbaut“ bezeichnet sind; es trifft dies besonders für die Schiffe der I. und II. Klasse zu, weshalb bei diesen auch schon eine größere Gleichmäßigkeit in Kanonenzahl und Tonnengehalt herrscht.

[177]

Schiffsbestand der englischen Marine, Dezember 1688.[86]

Klasse Anzahl Geschütze Tonnengehalt Länge Breite Besatzung
I   9 96–100   1100–1739   125–146 40–47 730–815  
II 11 82–  90 901) 1029–1546 14001) 121–143 41–45 530–660 6601)
III 39 60–  74 701)   700–1174 11001) 108–140 33–41 350–470 4001)
IV 40 42–  54 üb. 461)   349–  680 üb. 5001)   88–110 27–35 180–280 üb. 2301)
Gesamt: 132 Segel.  
V   22) 28–32   229–333   75–86 24–27 105–133  
VI   6 16–20   150–200   74–85 18–22   65–  85  
Ges. 107 Segel  

1) Diese Zahlen gelten für den größeren Teil der Schiffe der betreffenden Klasse.

2) Colomb führt für Klasse V 12 an.

Im Bestande waren ferner: 3 Mörserboote, 26 Brander sowie einige Jachten und sonstige kleinere Fahrzeuge zu besonderen Zwecken.

Daß die Kraftvermehrung der Marine zunächst nur durch Zunahme der Gefechtskraft der einzelnen Schlachtschiffe, nicht durch eine größere Anzahl bewirkt wurde, hängt auch mit der Änderung der Taktik zusammen. Die Linie schloß nicht nur die kleineren Fahrzeuge aus, sie durfte auch nicht zu lang werden; sie wäre sonst unhandlich und, besonders bei Windänderungen, zu schwer aufrecht zu erhalten gewesen. Auf eine größere Zahl von Schiffen kam es also weniger an und schließlich spielte auch wohl Material- und Personal-Beschaffung bei den jetzt größeren Schiffen eine Rolle.

Troude, Teil I, Seite 16–19 gibt die Klasseneinteilung der französischen Marine für 1661 zu 4 rangs, für 1670 zu 6, für 1683 zu 6 an; diese gleichen den angeführten englischen der entsprechenden Zeiten nahezu, doch scheint die Einteilung in Frankreich schon früh strenger durchgeführt zu sein. In der für 1683 sind die englischen Klassen I und II zusammengefaßt, die IV. Klasse ist jedoch geteilt: I. rang = 76–110 Kanonen; II. rang = 64–74; III. = 50–60; IV. = 40–46; V. = 30–36; frégates = 10–22 Kanonen.

De Jonge, Teil III, Seite 158 gibt die Klasseneinteilung der holländischen Linienschiffe für 1683 folgendermaßen: I. Klasse = 80–96 Kanonen; II. = 70–74; III. = 60–68; IV. = 50–54.

Die späteren Kriege wirken zur Entwicklung in derselben Weise weiter, es kommt immer mehr System in die Klasseneinteilung. Vom Beginn des 18. Jahrh. an werden Bestimmungen über Maße des Schiffskörpers und Stärke der Armierung für die Klassen erlassen; es wird immer mehr auf größere Gleichheit in ihnen hingestrebt, indem man Unterstufen in der Armierung möglichst fallen läßt. Der Inhalt einer dieser Bestimmungen, der von 1719, ist aus nachfolgender Zusammenstellung über den Bestand um 1727 zu ersehen.

[178]

Klasse Anzahl Geschütze Tonnengehalt Länge Breite Besatzung
I Dreidecker     7   100 1869 174′ 50′ 780
II   13   90 u. 98 1566 164′ 47′ 680
III   40 80 1350 158′    44½′ 520
70 1128 151′    41½′ 440
IV   64 60   951 144′ 39′ 365
53   755 134′ 36′ 280
  124 Schlacht-(Linien-)Schiffe.  
V   24   40   594 124′ 33′ 190
VI   29   20   374 106′ 28′ 130
Sloops   13   4–10        
190 Segel, dazu Spezialschiffe.

Nach Angaben im „Clowes“, Teil III, Seite 7, 9, 11 zusammengestellt (vgl. auch Colomb, Seite 97); in beiden Quellen noch andere Maße, sowie sonst bemerkenswerte Daten.

Die Bestimmung von 1719 ist hier hervorgehoben, da nach ihr viel gebaut ist, während früher oder später erlassene nicht so strenge befolgt sind. Der Schiffsbestand um 1727 ist gewählt, da um diese Zeit die genannte Bestimmung einige Jahre in Kraft gewesen war. Nicht alle in diesem Jahre vorhandenen Schiffe entsprachen der Bestimmung, da ältere darunter; diese sind in vorstehender Zusammenstellung denen mit der nächstliegenden Geschützzahl zugerechnet.

Auch aus dieser Zusammenstellung ersieht man, daß die Zahl der Schlachtschiffe nicht in demselben Verhältnis gewachsen ist wie die der Kriegsschiffe überhaupt. Dagegen sind die Schiffe wieder mächtiger geworden, die Klassen haben sich weiter dementsprechend verschoben, und die untere Grenze der Schlachtschiffe (seit die Linie allgemein als Gefechtsformation angenommen, Linienschiffe genannt) ist auf 50 Kanonen heraufgerückt.

Ferner ist es auffallend, daß die Zahl der Schiffe I. und II. Klasse, über 80 Kanonen, gar nicht zugenommen hat, der ganze Zuwachs der Schlachtschiffe liegt in der nunmehrigen IV. Klasse von 50–60 Kanonen. Gegen die ganz großen Schiffe sprach der Kostenpunkt sowie der Gedanke, nicht zu viel auf eine Karte zu setzen. Man hielt mittelschwere Schiffe — hierzu wurden die 50–60-Kanonenschiffe zu dieser Zeit noch gezählt — als am geeignetsten für die Schlachtlinie.

In Frankreich scheint die Klasseneinteilung von 1683 lange Zeit bestanden zu haben, Troude führt die nächste erst für 1758 an.

In späterer Zeit rechnet man das Linienschiff nur bis zu 60 Kanonen, in Frankreich 56. Die IV. Klasse scheidet nach und nach aus der Linie aus und das Schiff der III. Klasse wird das bevorzugte Schlachtschiff. 1790 bildet in England die III. Klasse 5/6 der ganzen Schlachtflotte und besteht selber zu 2/3 aus 74-Kanonenschiffen. Die Schiffe der I. und II. Klasse sind nur beliebt als Flaggschiffe, da sie geeignet sind, die Stäbe usw. unterzubringen.

Neben der IV. Klasse ist auch der Bestand der kleineren Klassen sehr gewachsen; sie sind eigentlich erst entstanden und zwar als die Folge einer[179] neuen Strategie, die in erster Linie nicht mehr die Bedrohung des Handels, sondern das Niederkämpfen der feindlichen Seestreitkräfte ins Auge faßte. Diese Kriegführung erforderte starke Schlachtschiffe, die sich dann nach taktischen Rücksichten herausbildeten. Es wurden nun aber auch noch andere Fahrzeuge nötig. Eine nach neuer Art zusammengesetzte Flotte brauchte besondere Schiffe für den Sicherheits- und Nachrichtendienst, leichter als die Schlachtschiffe, aber von größerer Schnelligkeit, teils mit, teils ohne eine gewisse Gefechtskraft. Anderseits verlangte auch die Strategie Fahrzeuge für den Handelskrieg (modern Kreuzerkrieg) — Schutz des eigenen, Bedrohung des feindlichen Handels —, gleichfalls verschiedener Größe gegen feindliche Kreuzer oder gegen Freibeuter, sowie endlich Schiffe zur Besetzung fester Stationen im Auslande, die für alle Staaten an Wichtigkeit gewonnen hatten. Es waren also aus taktischen wie aus strategischen Gründen schwere und leichte Kreuzer, nach moderner Bezeichnung, notwendig.

Die kleineren Schiffe der IV. Klasse, 50 Kanonen, nehmen zunächst neben ihrer Verwendung als Schlachtschiffe von diesen Aufgaben diejenigen wahr, die Gefechtskraft verlangten; zu ihnen traten für denselben Zweck die größeren der V. Klasse, 40, später vorzugsweise 44-Kanonen-Zweidecker. Für die anderen Aufgaben dienten die kleinen Schiffe; daher die bedeutende Vermehrung der IV.–VI. Klasse. Wenn es auffällt, daß 1688 so wenige derartige Schiffe, besonders leichtere Kreuzer, vorhanden sind, obgleich man doch den Kreuzerkrieg auch in den englisch-holländischen Kriegen führte, so ist dies dadurch zu erklären, daß diese Aufgabe damals noch zum größten Teil von Privatschiffen (Kapern) wahrgenommen wurde; die wachsenden Marinen machten sich später von diesen mehr und mehr frei.

Die 40–60-Kanonen-Zweidecker, nach und nach aus der Linie entfernt, zeigen sich aber im Laufe der Zeit für eigentlichen Kreuzerdienst auch nicht geeignet, weil sie zu schwer und zu unhandlich sind. Sie werden als Kreuzer mit der Entwicklung der schnelleren, kleineren Schiffe (Fregatten, Korvetten usw.) durch die schweren Fregatten (schon 1780 zu 38 Kanonen gebaut) verdrängt. Doch behielt man einige ihrer Stufen, besonders 50- und 44-Kanonen-Zweidecker, noch bis Anfang des 19. Jahrh. bei, da sie geeignet als Flaggschiffe für weniger wichtige Stationen und für kleinere Detachierungen sowie bequem zu Friedenszeiten waren.

Mit diesen letzten Betrachtungen ist etwas vorgegriffen. Es sollte aber damit, wie auch durch die Hinweise auf die spätere Entwicklung der Schlachtschiffe, gezeigt werden, daß sich in den nächsten Zeitabschnitten das System der Klasseneinteilungen auf dem begonnenen Wege weiter ausbildet, so daß man wohl sagen kann, zu Ende des vorliegenden Abschnittes war in dieser Hinsicht ein gewisser Abschluß erreicht; die folgenden Zeiten der Segelschiffahrt bringen eigentlich nur noch Verschiebungen und Vervollkommnungen.

Das Personal.

Mit der Vervollkommnung der Schiffe in seemännischer und artilleristischer Hinsicht hatte das seemännische Personal immer mehr an[180] Wichtigkeit gewonnen (vgl. Seite 52 und 154). Führung, Bedienung und Erhaltung des Schiffes verlangten mehr Kräfte und mehr Fachkenntnisse; auch die neue Hauptwaffe, die Artillerie, brauchte seegewohntes Personal, sie war nach und nach ganz in die Hände des seemännischen übergegangen. Wenn man die Schiffskanoniere, die noch längere Zeit als Hauptgeschütznummern und als Ausbildungspersonal eingeschifft wurden, mit zum seemännischen Personal zählt, wozu man sicher berechtigt ist, so bestand bei Beginn dieses Zeitabschnittes die Schiffsbesatzung größtenteils aus Seeleuten. Soldaten zog man eigentlich nur noch bei Mangel an Seeleuten heran, erst später wurde wieder eine besondere Seesoldatentruppe gegründet. Der Seemann war auch vollwertiger Krieger an Bord geworden; der Kriegsschiffmatrose war erstanden.[87]

Den technischen Anforderungen entsprechend, hatten sich Chargen für die Leitung des Dienstes in den verschiedenen Zweigen herausgebildet:

Für Handhabung des Schiffes: der Schiffer (englisch master; französisch maître; holländisch stuurman); für Navigation: der Lotse (pilot; pilote; shipper); für Bedienung und Verwaltung der Artillerie der Konstabel (constable, später gunner; maître cannonier; constabel); für Erhaltung der Takelage und Bedienung des Ankergeschirrs der Bootsmann (boatswain; esquiman; hoogbootsman); für Erhaltung des Schiffskörpers und der Rundhölzer der Zimmermann (carpenter; charpentier; timmermann). Mehr untergeordneter Natur (Unteroffiziersrang): für Verwaltung des Proviants der Bottelier; für Strafvollstreckung der Profoß; für Handwaffendienst der Korporal; der Segelmacher; mehrere Quartiermeister (quartermaster; quartiermaître; kwartiermeester) besonders zur Beaufsichtigung des Steuerns auf den Wachen; endlich traten hinzu der Chirurg und der Zahlmeister für die Verwaltung (clerk, später purser; écrivain; skrijver).

Das Zusammenfassen der Verhältnisse bei verschiedenen Nationen und zu verschieden Zeiten führt bei diesen sowie den späteren Angaben über Personal zu kleineren Ungenauigkeiten; so rangierte z. B. in Holland später der Shipper vor dem Stuurman.

Angaben über den Sold um die Mitte des 17. Jahrh.[88] stellen den Master usw. weit über die anderen Chargen; er ist in allen seemännischen Fragen die rechte Hand des Kommandanten.

Der Lotse dieser Zeiten ist nicht der im jetzigen Sinne, der Küstenlotse. In Frankreich hieß dieser schon damals pilote côtier, jener pilote hauturier. Der Lotse damaliger Zeit war eben der Navigateur für große Fahrt.

Gunner bezeichnete in England anfangs alle Schiffskanoniere. Diese wurden in England zuerst wieder abgeschafft und die Bezeichnung wurde dort der Titel für den Constable.

Die oberen Chargen, besonders die drei erstgenannten, hatten eine weit größere Bedeutung, als ihre Titel nach jetzigem Brauch andeuten. Der Kommandant (Kapitän), in erster Linie stets militärischer Befehlshaber des Schiffes,[181] war sehr von ihnen abhängig, weil der eine den andern nicht ersetzen konnte und er selbst oft nicht jeden Dienstzweig beherrschte — ebensowenig sein Stellvertreter, der Leutnant. In Frankreich waren längere Zeit der Kapitän und der Leutnant meist keine Seeleute von Jugend auf, auch in England scheint zuweilen noch der Kapitänsersatz gleich als Leutnant zur Ausbildung zum Kapitän eingetreten zu sein; in Holland rangierte der Steuermann anfangs vor dem Leutnant, was auf ähnliche Verhältnisse schließen läßt, aber bald wird hier hervorgehoben, daß alle Kapitäne und Flaggoffiziere vom Schiffsjungen auf gedient hätten. Im allgemeinen jedoch sind bald wohl überall Kapitän und Leutnant aus einem der höheren Zweige, im Kriegs- oder Handelsdienst aufgewachsen, hervorgegangen.

Die Flottenführer waren noch häufiger und noch längerhin nicht immer Seeleute von Beruf, sondern infolge ihrer Geburt oder hervorragenden Stellung auf ihren Posten berufen; diese bestimmten dann zu Unterführen tüchtige und zuverlässige Kapitäne. Vizeadmiral und Kontreadmiral waren anfangs Funktionen in der gerade aufgestellten Flotte, keine festen Dienstgrade.

Mit der Zunahme der Größe und Armierung der Schiffe erhielten die Leiter der Dienstzweige Gehilfen: master-mates, contre-maîtres, 2. und 3. stuurman; boatswains-mates, quartermaster-mates usw.

Von einem Seeoffizierkorps im jetzigen Sinne war also vorläufig keine Rede; ein fester Bestand an Chargen war überhaupt nicht vorhanden, ausgenommen der erwähnte Stamm von Kapitänen in Holland; das Personal wurde im Bedarfsfalle angeworben, kam aus dem Handelsdienst und trat nach seiner Entlassung in diesen zurück.

Mit dem Wachsen der stehenden Marinen in unserem Zeitabschnitt wurde aber der Dienst in ihnen ein Lebensberuf, sowohl in den höheren wie in den niedrigen Zweigen, und es widmeten sich immer mehr Söhne der besseren Stände dem Seemannsleben. Welchen Fortschritt und Vorteil dies für die Marine bedeutete, wurde bald erkannt, und die Regierungen förderten gern das Interesse für die seemännische Laufbahn. Während bisher der Kapitän und der Leutnant „vor dem Maste“ aufgewachsen oder nicht von Jugend auf als Seeleute erzogen waren, stellten jetzt die Marinen dieses bessere Material als Offiziersaspiranten ein (midshipman, aspirant, adelborst); Anfänge hiervon finden sich schon im Anfang des 17. Jahrh., im größeren Maßstabe begann man damit nach dem ersten englisch-holländischen Kriege. Um dieselbe Zeit vermehrte man auch, im Interesse der Disziplin und der militärischen Leitung im Gefecht, die Zahl der Leutnants an Bord auf 2 und bald auf 3; der erste Leutnant war der Vertreter des Kommandanten. Immer mehr ergänzen sich nun die Leutnants aus den Offiziersaspiranten und damit nach und nach auch die Kapitäne, die Flaggoffiziere und endlich die Flottenführer.

Später übernahmen dann die Leutnants teilweise den Dienst der höheren Zweige — Navigation; Handhabung des Schiffes (als Wachoffiziere) und der Artillerie (als Batteriekommandeure) —, die früheren Leiter verschwinden[182] oder treten, nur noch zur Unterstützung der Offiziere bestimmt, in die Reihen der Leiter der niederen Zweige zurück. So haben wir etwa von 1700 ab den Ursprung eines organisierten Marinepersonals, des jetzigen Seeoffizierkorps, des den Marinen eigentümlichen Deckoffizierkorps — der Steuermann, Feuerwerker, Bootsmann, Zimmermann — und des Unteroffizierkorps, die Maate der Deckoffiziere.

Gegen Ende des 17. Jahrh. bestand der obere Stab eines englischen Kriegsschiffes 1. Klasse aus: dem Kapitän, 3 Leutnants, 1 Master, 1 Pilot, 3 Mastersmaaten, 3 Pilotmaaten, 8 Midshipmen, 1 Zahlmeister, 1 Arzt und einem oder mehreren Seesoldaten-Offizieren.

Master und Pilot verschmelzen später zum Master, dem die Navigation obliegt, doch behielt er die Handhabung des Schiffes bei besonderen Gelegenheiten, z. B. im Gefecht. Er war, obwohl besser besoldet als die Leutnants, wie die Deckoffiziere nur warrantofficer, d. h. bestallter im Gegensatz zum patentierten Offizier, und wurde erst in viel späterer Zeit als navigating lieutenant diesen sozial gleichgestellt. In England blieb die Navigation bis vor wenig Jahrzehnten ein Spezialzweig, was besonders für die Aufnahme der Seekarten aller Meere von günstigem Einfluß gewesen ist.

Die Mannschaft wurde im allgemeinen angeworben. In Holland geschah es durchweg, in England griff man bei Mangel zur gewaltsamen Aushebung, dem Pressen von Seeleuten. Auch in Frankreich wurde das Pressen bis zu Colberts Zeit angewandt; dieser führte neben der Anwerbung eine Art gesetzlicher Dienstpflicht der seemännischen Bevölkerung ein. Als aber nach seinem Tode die hierfür festgesetzten Vorteile wegfielen, mußte wieder zum Pressen gegriffen werden.

Teils noch von älterer Zeit stammend, besonders aber wegen Mangels an Seeleuten schiffte man zu Anfang des Zeitabschnittes noch Landsoldaten ein, aber nur mit Unteroffizieren; in Holland geschah es stets, in England nur im Notfalle. In Holland bewährten sich diese Soldaten weder in Disziplin noch Leistung, da sie erst unmittelbar vor dem Inseegehen an Bord gesandt wurden und in ganz ungewohnte Verhältnisse kamen. In England dagegen zeichneten sie sich in jeder Beziehung aus, wohl eine Folge des guten Geistes in der Revolutionsarmee und der strengen puritanischen Zucht, die in einem großen Teile des englischen Volkes herrschte. Diese so entgegengesetzten Erfahrungen führten in beiden Staaten um 1664 zur Gründung von Seesoldaten-Regimentern, von denen Abteilungen unter eigenen Offizieren zur Auffüllung der Besatzungen, zum Gebrauch der Handwaffen und als Kern der Enterdivisionen und der Landungskorps an Bord der Schiffe kommandiert wurden. Die neue Truppe zeichnete sich hier wie dort nicht nur durch ihre eigene Disziplin aus, wohl eine Folge der rein militärischen Ausbildung gegenüber den ungebundeneren Dienstverrichtungen der Seeleute, sie war auch von gutem Einfluß in dieser Hinsicht auf die ganze Besatzung.

Der Geist des Personals. Die Art und Weise, in der im 16. und 17. Jahrh. die Seefahrt betrieben wurde, mit ihrer gesetzlosen Gewalttätigkeit, erzog zwar ein tüchtiges, tapferes und wagemutiges, aber auch rauhes, ja rohes Personal. Die langen Ozeanfahrten, die Seefahrt in den nordischen[183] Gewässern auf noch schlechten Schiffen, der schwere Dienst der Hochseefischerei bildete harte, erfahrene und ausdauernde Seeleute heran; die fast ununterbrochenen Kriege und der notwendige Selbstschutz des Handels auf See und an fernen Küsten machte sie auch zu tüchtigen Kriegsleuten. Der Ausdauer, Härte und Tapferkeit des Personals ist wohl die einzig dastehende, blutige und hartnäckige Durchführung der englisch-holländischen Kriege zuzuschreiben. Aber dieses Leben trug gewiß nicht dazu bei, Sitte sowie Gefühl für Ehre und Pflicht im Seemannsstande zu heben, besonders nicht die Freibeuterei, doch gerade diese lieferte den Kriegsmarinen den geeignetsten Ersatz an Mannschaft und an Offizieren. Der militärische Geist und die Disziplin konnten deshalb auch auf keiner hohen Stufe stehen und auch die Behandlung des Personals war nicht geeignet, hier bessernd einzuwirken. Die Soldzahlung war unpünktlich, die Verpflegung schlecht, die Fürsorge für Kranke, Verwundete und Invalide mangelhaft; trotz harter Strafen waren deshalb grobe Insubordination und Meutereien häufig.

Mit der inneren Entwicklung stehender Marinen und eines Seeoffizierkorps, in dem sich infolge des besseren Ersatzes ein Standesbewußtsein und eine Standesehre ausbildeten, wurden diese Verhältnisse nach und nach besser. Im Laufe der Zeit erlassen alle Staaten immer genauere und bessere Vorschriften über Ersatz und Heranbildung der Offiziere und über die Fürsorge für das gesamte Personal; über Verpflegung, ärztliche Behandlung, Gottesdienst und Pensionen. Es erscheinen zeitgemäß gemilderte Kriegsartikel sowie Instruktionen für den Dienstbetrieb: Routinen, die ersten wichtigsten Rollen, wie Gefechts- und Feuerrolle, Speiserollen usw. Die Entwicklung der stehenden Marinen in allen diesen Dingen kann man besonders von 1660 an rechnen; der erste englisch-holländische Krieg, der als erster großer Seekrieg überhaupt in so vielen Hinsichten durchgreifenden Einfluß auf das Seewesen gehabt hat, ist auch hierin epochemachend gewesen.

Erwähnenswert dürfte noch sein, daß Uniformen für Offiziere und Mannschaften erst sehr spät eingeführt sind. In England wenigstens erscheinen die ersten Bestimmungen über Offiziersuniformen erst 1748 (vgl. Clowes Teil III, Seite 20). Den Mannschaften war schon früher Gelegenheit gegeben, Kleider vom Staate nach bestimmtem Schnitt und Preise an Bord zu kaufen; es war aber nicht obligatorisch.

Kampfweise und Taktik.

Zu Ende des vorigen Zeitabschnittes war für die Segelschiffe mit Breitseitarmierung an die Stelle des Kampfes in der Kielrichtung der alleinige Kampf der Artillerie in der Querabrichtung getreten (Seite 145); wegen der geringen Treffähigkeit der Geschütze wurde er auf nahe Entfernung — Musketen- und Pistolenschußweite — geführt. Vom Manövrieren während des Gefechts war bei den noch unhandlichen Schiffen wenig die Rede, man focht unter kleinen Segeln oder backgebraßt — ein großer Gegensatz gegen die Ruderschiffe, bei denen man gerade die Bewegung ausnutzte. Wie der Rammstoß nur noch gelegentlich, wenn günstige Umstände dazu lockten, ausgeführt wurde, so trat auch[184] das Entern zunächst zurück. Fast nur bewegungslose Schiffe werden auf diese Weise genommen; erst später, als die Fahrzeuge sehr viel besser waren, tritt es wieder als Ziel des Einzelschiffskampfes auf. Mit zunehmender Segel- und Manövrierfähigkeit der Schiffe, aber auch in artilleristischer Beziehung, gewann die Luvstellung im Gefecht an Bedeutung. Dem Gegner zu Luward boten sich viele Vorteile: Er konnte Beginn und Entfernung des Kampfes bestimmen, jederzeit zum Entern oder Rammstoß übergehen, der Pulverrauch störte ihn weniger, brennende Rückstände aus den Geschützen gefährdeten die eigene Takelage nicht. Ein Nachteil war, daß in der Luvstellung zuweilen die Geschütze der untersten Batterie, also gerade die schwersten, nicht zu gebrauchen waren, da man ihre damals sehr dicht über Wasser liegenden Pforten bei starkem Winde oder Seegang in Lee geschlossen halten mußte.

Auch Flotten mußten jetzt in einer Lage an den Feind geführt werden, in der sie diesem nicht den Bug sondern die Breitseiten darboten; an die Stelle der breiten Formationen, Sichel oder Halbmond, war eine tiefe getreten, die Kiellinie. Sie erleichterte das Manövrieren um die Luvstellung, und diese bot für Flotten dieselben Vorteile wie für die Einzelschiffe; dazu kam noch, daß die Luvflotte günstigere Gelegenheit für die Verwendung der Brander hatte. Die Vorteile, die eine Leestellung für Flotten bietet, wurden erst später taktisch verwertet.

Vorläufig darf man aber hier nicht an die Kiellinie aus Einzelschiffen denken. Die Gründe, weshalb sie zunächst nicht aus den einzelnen Schiffen formiert wurde, wie es doch bei der Dwarslinie der Ruderschiffe geschehen war, sind seemännischer und militärischer Natur. Die Ruderflotten waren aus an Größe, Geschwindigkeit, Manövrierfähigkeit fast gleichartigen Fahrzeugen zusammengesetzt und mit geschultem Personal bemannt; mit solchen konnte man gutausgerichtete Linien formieren und aufrecht erhalten; die Art des Motors begünstigte dies ebenfalls. Auch die Gefechtskraft der einzelnen Schiffe war ziemlich dieselbe, eine aus ihnen gebildete Linie war also auf allen Stellen gleich stark. „Das Einzelschiff bildete in ihr die taktische Einheit.“ Für die ersten neueren Segelschiffsflotten — von der Zeit der Armada bis zum ersten englisch-holländischen Kriege einschließlich — hatten sich die Verhältnisse völlig geändert. Die Flotten bestanden aus nur wenigen Kriegsschiffen mit geschultem Personal und einer großen Zahl erst für den Krieg eingestellter Fahrzeuge. Die Segel- und Manövrierfähigkeit war zu dieser Zeit im allgemeinen noch gering, und bei den an Größe und Güte so ungleichen Schiffen sehr verschieden. Mit einer derart zusammengesetzten Flotte war es nicht möglich, gut rangierte Formationen zu halten. Noch mehr verschieden aber war die Gefechtskraft der Schiffe — starke Kriegsschiffe gab es nur wenige —, und man konnte nicht daran denken, eine Schlachtlinie aus den einzelnen Fahrzeugen zu bilden; sie würde zu viele schwache Punkte geboten haben. Bei der ungeheuren Zahl der Schiffe, aus denen die Flotten in diesen Zeiten bestanden, wäre endlich eine Linie aus Einzelschiffen außerordentlich lang und völlig unlenkbar geworden. Somit war es geboten,[185] aus den schwächeren Kriegsschiffen und den Kauffahrern Gruppen zu bilden, die von den stärkeren Kriegsschiffen geführt wurden (Seite 175). „Die Gruppen waren jetzt die taktischen Einheiten“, aus ihnen wurde die Schlachtlinie der Flotte formiert.

Von den Ruderschiffen war die Einteilung einer Flotte in drei Geschwader übernommen: Mitte (der Höchstkommandierende), rechter Flügel (der 2. Befehlshaber), linker Flügel (der drittälteste Admiral); zuweilen trat ein viertes Geschwader als Reserve hinzu. Als die Kiellinie allgemein geworden, wurden sie Mitte (centre; corps de bataille), Vorhut (van; avantgarde) und Nachhut (rear; arrièregarde) benannt. Die Geschwader waren aus Unterabteilungen, den Gruppen zusammengesetzt, in denen die Schiffe aller Größen ohne besondere Formation um ihr Führerschiff zu gemeinsamem Wirken geschart segelten. Holland teilte um die Mitte des 17. Jahrh. sehr große Flotten in 5, ja 7 Geschwader; wahrscheinlich war dies von Tromp eingeführt und wurde erst von Ruyter (1666) geändert.

Die Linie aus Gruppen eingeführt zu haben, wird den Holländern zugeschrieben. Englische Quellen[89] erwähnen ausdrücklich, daß sie erst während des ersten Krieges englischerseits von jenen übernommen sei. Der Ursprung der Gruppen an und für sich dürfte älter sein. Wir haben sie ja schon bei der Armada auf englischer Seite gesehen, wo sie infolge der verschiedenen Gefechtskraft der Schiffe gebildet worden waren. Aber vielleicht auch die Art der Aufbietung von Flotten zu damaliger Zeit brachte sie mit sich: Die spanische Armada zeigt die Einteilung der Geschwader nach Provinzen; französische Flotten älterer Zeit werden geteilt in die Geschwader der Bretagne, Guyenne, Provence; holländische in Geschwader der fünf Seeprovinzen; in England stellten die Grafschaften und Städte ihre Kontingente, die wohl unter sich unter Führung von Kriegsschiffen zusammenhielten. Die Einteilung in „Vorhut, Mitte und Nachhut der Flotte“ wurde, wie man verschiedentlich sehen kann, außer dieser Einteilung nach Provinz- usw. Abteilungen vorgenommen; diese bildeten also Gruppen in jenen. Vorstehende Behauptung bezieht sich wohl nur auf die Einführung der „Flottenlinie aus Gruppen“ durch die Holländer. Diese „Flottenformation“ wurde zur Zeit der Armada von den Engländern noch nicht verwendet; ihre Geschwader und Gruppen arbeiten selbständig mit nur lockerer Fühlung untereinander; von der Armada bis zum ersten holländischen Kriege hat England dann keine großen Schlachten auf See geschlagen. Die Erfahrungen, insbesondere die Erfolge gegen die Armada, scheinen die Engländer sogar einer geschlossenen Flottenordnung abgeneigt gemacht zu haben. Sir William Monson schreibt 1635:[90] „Eine starre Aufrechterhaltung der Flottenformation (Sichel und Halbmond sind gemeint) hatte Zweck, so lange man nur vor dem Winde segelte. Seit man näher am Winde segeln kann, nämlich seit Einführung der Bulin[91], kann man jederzeit an einer Stelle angegriffen und damit in Unordnung gebracht werden; eine solche Formation ist bei der ungleichen Segelfähigkeit der Schiffe an und für sich schwer aufrecht zu erhalten. Ein Flottenchef soll den Wind gewinnen; im übrigen hat er die Unterführer nur zu instruieren, sich mit ihren geschlossenen Geschwadern oder Gruppen die günstigste Angriffsstelle auszusuchen, wobei sie sich gegenseitig Raum lassen müssen und nur zur Unterstützung bei dringender Gefahr aneinander herankommen dürfen.“ Im Anfang des ersten englisch-holländischen Krieges wurde dann vom Admiral Penn der Vorteil der Holländer, in Flottenkiellinie ins Gefecht zu treten, erkannt und ihr Verfahren nachgeahmt.

[186]

Man kann wohl sagen, daß um 1648 das Ziel einer guten Taktik darin bestand, die Luvstellung zu gewinnen und von dieser aus die Flotte in möglichst wohlrangierter Flottenkiellinie aus Gruppen mit halbem Winde, mehr leisteten die Schiffe im Durchschnitt kaum, an den Feind zu führen; die Brander standen, auf die Geschwader und Gruppen verteilt, in Feuerlee, d. h. auf der dem Feinde abgewendeten Seite. — Mit dem Zusammenstoße aber hörte jede Oberleitung auf und auch die bisherige Ordnung ging bald verloren. Taktische Regeln, um an einer Stelle mit Übermacht aufzutreten, gab es noch nicht, dazu fehlten den Führern die Erfahrungen; zu geschickten taktischen Bewegungen wären auch die Schiffe damals kaum geeignet gewesen. Die Flotten waren endlich zu groß zum gemeinsamen Handeln, und das Signalsystem war zu wenig ausgebildet, um einzelne Teile zu leiten.

Nur mit sehr einfachen Signalen — Kanonenschüsse; einzelne Flaggen an verschiedenen Stellen geheißt; Manövern mit Segeln u. dgl. — konnte man die notwendigsten Befehle geben; längere und wichtige Anordnungen wurden, sogar im Gefecht, durch Boote überbracht. Die Signale setzte anfangs jedesmal beim Zusammentritt einer Flotte der Kommandierende fest; später entstand daraus ein festes Signalsystem, das sich aber nur langsam ausbildete, erst um 1691 scheint man in England soweit gewesen zu sein, daß Flottenbewegungen damit geleitet werden konnten.[92]

An den Feind geführt, griff mit seinem Chef an der Spitze jedes der Geschwader, die meist nicht einmal eng aufeinander geschlossen waren und Nachzügler zurückgelassen hatten, für sich an; jede Gruppe, ja wohl jedes Schiff suchte sich seinen Gegner. Diese Art des Angriffs sowie das Bestreben der einzelnen Gruppen oder Schiffe, sich zu unterstützen oder feindliche Gruppen oder Schiffe zu dublieren[93], führte zum baldigen Einbruch in die feindliche Linie. Es mußte infolgedessen noch früher als bei den bewegungsfähigeren Ruderschiffen die Melee eintreten, und um so mehr, als die Fahrzeuge, unter kleinen Segeln nur wenig Fahrt laufend, bei dem dichten Pulverdampf durcheinander trieben. Abbildungen von Schlachten zeigen uns örtlich oft weit getrennte Gruppenkämpfe und Schiffsduelle; Beschreibungen erzählen fast nur von geschickten Vorstößen einzelner Gruppenführer und von besonderen Taten einzelner Kommandanten.

Es ist die Zeit der Gruppentaktik. Auf den verschiedenen Stellen wird der Kampf fast ohne Bewegung ausgefochten, Lagen werden auf Pistolenschußweite gewechselt, Brander greifen an, bis derjenige Teil, der durch Artilleriefeuer, Brand und Explosionen die meisten Leute und Schiffe verloren hat, oder dem die Munition knapp wird, Segel setzt und das Feld räumt. Infolge der langsam und unsicher schießenden Artillerie dauert der Kampf stundenlang und es tritt oft Munitionsmangel ein; Explosionen sind wegen der ungenügenden Sicherung der Munitionsräume häufig; es ist dagegen auffallend, wie wenig Schiffe in den großen Schlachten durch Entern genommen werden.

Ebensowenig, wie von planmäßigen taktischen Bewegungen während des Gefechts die Rede ist, tritt nach der Entscheidung eine taktisch angelegte[187] Verfolgung ein, weil auch die Schiffe des Siegers zu sehr gelitten haben und die Oberleitung ganz verloren gegangen ist.

Wenn nun den Holländern zugeschrieben wird, die Linie aus Gruppen eingeführt zu haben, so stammt von den Engländern ein weiterer wichtiger Fortschritt in der Taktik. Während die Holländer noch länger im allgemeinen gleich nach dem Zusammenstoß althergebrachterweise durch rücksichtsloses Draufgehn und Einbrechen in die feindliche Linie die Entscheidung suchen (1653, Schlacht bei Scheveningen), wodurch sie den Feind zwar oft verblüffen, aber doch nur Teilerfolge erzielen, fangen die Engländer schon im ersten Kriege an, Wert auf längere Ausnutzung des Artilleriefeuers in geschlossener Ordnung zu legen und den Feind zu erschüttern, ehe sie in die Melee eintreten (ebendort und schon in der Schlacht bei Northforeland-Nieuport). Es ist diese wichtige Erkenntnis unzweifelhaft dem Umstande zuzuschreiben, daß sich in England die stehende Marine und damit das Verständnis für militärische Gesichtspunkte früher entwickelte, wie auch der Ausbildung der Schiffsartillerie dort früher große Aufmerksamkeit zugewendet wurde.

In den schnell aufeinander folgenden Kriegen des Zeitabschnittes erkannte man bald die Nachteile der Gruppenformation und ihrer Kampfweise. Neben der Unmöglichkeit der Übersicht, Leitung und Innehaltung der Ordnung gab sie bei Windveränderungen und außergewöhnlichen Vorfällen Anlaß zu Kollisionen und Havarien, die Schiffe hinderten sich gegenseitig an der Verwendung ihrer Artillerie, den Brandern bot sich in den fast ohne Bewegung zusammenliegenden Haufen von Schiffen ausgezeichnete Gelegenheit zum Angriff. Alles wies auf Verwendung dünnerer Linien im Gefecht hin.

Es führte dies, wie uns bekannt, zum Bau besonderer, starker und gleichwertiger Schlachtschiffe, die ihren Platz in der Linie ausfüllen konnten. Jetzt bildete man die Kiellinie aus den einzelnen Schiffen; diese wurden wieder an Stelle der Gruppen die Gefechtseinheiten. Mit dem Ausscheiden der kleinen Schiffe wurden die Flotten kleiner, so daß Übersicht, Leitung und Aufrechterhaltung der Formation leichter war.

Die Einteilung einer Flotte in Vorhut, Mitte und Nachhut blieb bestehen; jedes dieser Geschwader wurde bei großer Schiffszahl in drei Divisionen geteilt; die Flaggoffiziere segelten gewöhnlich in der Mitte ihrer Division.

Eine derartige Einteilung ist gut aus den späteren Angaben über die englische Flotte in der Schlacht von Northforeland, 12. Juni 1653, zu ersehen. Dort wird auch darauf hingewiesen, wie aus dieser Einteilung die englischen Flaggoffizierchargen, die Admirale der verschiedenen Flaggen, hervorgegangen sind.

Mit zunehmender Segelfähigkeit der Schiffe wurde die Kiellinie beim Winde die Gefechtsformation, denn sie entsprach am besten allen Anforderungen: Möglichkeit der Übersicht und Aufrechterhaltung und größte Freiheit zu weiteren Manövern; sie war auch nötig zum Gewinnen und Erhalten der vorläufig allgemein angestrebten Luvstellung. Sie bleibt die Normalformation während der ganzen Segelschiffszeit. Zunehmende Kriegserfahrung führt zur Aufstellung von Regeln für Angriff und Durchführung des Kampfes[188] unter verschiedenen Umständen und für die erforderlichen Bewegungen, um an einer Stelle mit Übermacht aufzutreten. So bildet sich eine Taktik aus, die zu Ende des Zeitabschnittes einen gewissen Abschluß erreicht hat.

Das Gefecht nimmt einen anderen Verlauf. Der Artilleriekampf wird immer länger von den geschlossenen, parallel zueinander liegenden Flottenlinien geführt, die Melee wird nicht mehr gesucht; an ihre Stelle treten Bewegungen zum Abschneiden und Dublieren einzelner Teile des Feindes, um sie zu vernichten, ehe sie Unterstützung erhalten; die Brander verlieren ihre Bedeutung.

Mit der besseren Ordnung in der Schlacht fiel die Bedeutung der Brander zunächst noch nicht. In den wirren Kämpfen des ersten englisch-holländischen Krieges bot sich ihnen zwar manche günstige Gelegenheit zum Angriff, aber sie mußten auf eigene Faust handeln, wurden von den eigenen Schiffen nur schlecht beschützt und konnten sich leicht in Freund und Feind irren. Als die Ordnung besser aufrecht erhalten wurde, konnten sie von den eigenen Schiffen bis zum Angriff gedeckt und beim Angriff unterstützt werden; sie waren auch im stande, ihr Opfer besser zu wählen und im Auge zu behalten, da auch dieses jetzt an seine Stelle gebunden war. So werden die Erfolge der Brander im zweiten Kriege größer. Im weiteren Verlaufe aber wurden sie dadurch entwertet, daß die Kriegsschiffe infolge besserer Manövrierfähigkeit und schneller sowie sicherer feuernder Artillerie ihnen leichter ausweichen und erfolgreicher begegnen konnten, um so mehr, als sich nun auch der Artilleriekampf der Flottenlinien auf größeren Entfernungen abspielte. Ihre Verwendung wurde immer seltener möglich, und so wurden sie den besser segelnden Kriegsschiffen schließlich ein lähmender Ballast.

Mahan (Seite 102, 105) führt die Ähnlichkeit des Wesens der Brander mit dem der Torpedofahrzeuge an, deren Entwicklung durch ähnliche Gründe beeinflußt ist.

Die eben beschriebene Entwicklung vollzog sich natürlich nach und nach. Die Anweisungen englischer Admirale[94] für das Verhalten im Gefecht, besonders beim Angriff, zeigen, wie zunächst gegen die Halbmond- und für die Gruppenformation und ihre Gefechtsweise gesprochen, wie dann aber immer mehr Wert auf Aufrechterhaltung der Ordnung in der ganzen Flotte und auch schon auf taktische Bewegungen gelegt wird. Aus der Beschreibung der Schlachten werden wir ersehen, daß, allgemein gesagt, im ersten englisch-holländischen Kriege die Kiellinie aus Gruppen und der Gruppenkampf vorherrscht, daß im zweiten Kriege die Kiellinie beim Winde Regel geworden ist und die Bildung der Linie aus Einzelschiffen angestrebt wurde, und im dritten diese durchgeführt war.

In vorstehendem ist die Entwicklung des Seekriegswesens während des Zeitabschnittes im allgemeinen besprochen, unter Zugrundelegung der englischen Verhältnisse. Vor jedem Kriege sollen später „die Streitmittel der Gegner“ betrachtet werden; es veranschaulicht dies gleichzeitig die Entwicklung der verschiedenen Marinen. Auf die Ausbildung der Taktik wird an gleicher Stelle, sowie bei der Schilderung der Schlachten und in den Schlußbemerkungen zu den Kriegen näher eingegangen werden.

Fußnoten:

[76] Hauptsächlich benützte Quellen: Clowes, Teil I, II, III; Troude, Teil I; Jurien: Les marins du XV siècle; Arenhold; de Jonge; alle, besonders Clowes, geben an, aus welchen technischen Quellen sie ihrerseits geschöpft haben.

[77] Clowes gibt, Teil II, Seite 107 ein Verzeichnis dieser Schiffe.

[78] Clowes, Teil II, Seite 150.

[79] Nach Jurien Teil II, Seite 158, erst 1760 bezw. 1770

[80] Hauptquelle: Clowes, Teil II und III, die Kapitel „Civil history“ der Zeiten 1603 bis 1649, 1649–1714, 1714–1763; darin reiche Angabe von technischen Quellen, sowie Abbildungen von Schiffen I. und II. Klasse um 1670–1740.

[81] Vgl. Troude, Teil I, Seite 29 und de Jonge, Teil I, Seite 265.

[82] Colomb, Seite 91, geht genauer auf diesen Punkt — Wachsen und Abnahme der Zahl — ein.

[83] Eine Liste dieser 26 Brander, Clowes, Teil II, Seite 246, verzeichnet Fahrzeuge von 70–320 tons, 6–12 Kanonen, 20–50 Mann.

[84] Zur Zeit dieses Maximums war die Bedeutung der Brander schon gering, es ist mehr nur noch eine Folge ihrer Tradition.

[85] Brandgeschosse einfachster Art: Eiserne Gerippe mit Zeug bezogen und mit einem Brandsatz gefüllt, der schon im Rohr Feuer fing.

[86] Nach Clowes, Teil II, Seite 243.

[87] Besonders benutzte Quellen: Clowes, Teil I, II, III, die Kapitel „Civil history“; de Jonge, I; Jurien: Les marins du XV siècle; Chab.-Arnault.

[88] Clowes, Teil II, Seite 13, Seite 100; de Jonge, I, Seite 321.

[89] Clowes, Teil II, Seite 151, 189; Colomb, Seite 88. Beide führen alte Autoren an.

[90] Vgl. Colomb, Seite 87.

[91] Bulin ist ein Tau, das ein Segel straffer spannt.

[92] Clowes, Teil II, Seite 225 ff.

[93] Zwischen zwei Feuer nehmen.

[94] Colomb, Seite 87 ff: Auszüge aus den „fighting instructions“ von 1635, 1655, 1665.

[189]


deco

Drittes Kapitel.
Der erste englisch-holländische Krieg 1652–1654.

Die Kriegsgründe.

Holland und England waren zwar natürliche Verbündete gegen die katholische Weltpolitik Spaniens gewesen, als aber diese ihr Ende gefunden hatte, führte Eifersucht zum Zusammenstoß zwischen den beiden Seemächten; Gründe waren auf allen Meeren vorhanden.

Beide Völker strebten danach, den Spaniern und Portugiesen den Handel auf den Weltmeeren zu entreißen, beide traten ihrem Anspruch, allein Kolonien zu gründen, entgegen; sobald sie darin Erfolge erzielt hatten, blieben Reibungen nicht aus. Beide hatten ferner ihr Augenmerk darauf gerichtet, nach dem Niedergang der Hansa den Seeverkehr in den nordischen Gewässern in die Hand zu bekommen, und endlich bestanden von altersher Zwistigkeiten über die Ausübung der Fischerei in der Nordsee. Schon seit langer Zeit beanspruchte England die Oberherrschaft in den britischen Gewässern, deren Begriff es sehr weit ausdehnte. Nun war der Heringsfang in der Nordsee fast ganz in den Händen der Holländer, sogar nahe an der englischen Küste; an 3000 Fischerfahrzeuge waren dort beschäftigt, die jährlich gegen eine Million Lstrl. verdienten. Karl I. hatte 1636 diese Fischerflotte verjagt und erreicht, daß Holland nur gegen eine hohe Entschädigung die Nordseefischerei betreiben durfte. Während der Revolution hatte England notgedrungen diesen Anspruch fallen lassen, jedoch keineswegs aufgegeben. Im Seehandel hatten die Holländer schon unter der spanischen Herrschaft und auch weiter trotz ihrer schweren Kämpfe gegen diese bis zur Mitte des 17. Jahrh. den Engländern überall den Rang abgelaufen; ein zeitweiser Aufschwung der Engländer war immer wieder durch innere Wirren oder durch Wechsel in den Grundsätzen der Regierung gehemmt worden.

Die bedeutendste Reibung in fernen Gewässern war die sog. Amboina-Angelegenheit (Seite 83). Die andauernde Entrüstung in England über diesen Vorfall, der nicht gesühnt wurde, trug nicht wenig zur Schürung des Hasses gegen Holland bei.

Die Grenzen der britischen Gewässer oder der four seas, über die England die Herrschaft verlangte, waren: Im Norden der 63. Breitengrad von der Küste[190] Norwegens bis 23° W. Länge Greenwich und im Süden die Breite von Kap Finisterre bis zu genanntem Längengrade. Das Gebiet umfaßte also etwa 20 Längengrade im Atlantik, die Biscaya, den Kanal und die ganze Nordsee; hiermit hing die Forderung an Holland, für die Fischerei in der Nordsee eine Abgabe zu zahlen, zusammen.

Für die Größe des holländischen Handels dienen folgende Angaben: 1640 standen im Verkehr durch den Sund 1600 holländischen Schiffen nur 430 englische gegenüber; 1650 verhielt sich der Gesamthandel Hollands zu dem Englands wie 5: 1; Colbert nahm sogar an, daß die holländische Handelsmarine 4/5 der gesamten europäischen betrüge.

Als sich nun unter der tatkräftigen Regierung Cromwells ein neuer Aufschwung Englands in maritimer Hinsicht vorbereitete, wurde die Eifersucht auf beiden Seiten in größerem Maße entfacht, namentlich auch in Holland. Die der Entwicklung der Seemacht Englands ungünstigen inneren Wirren während der Revolution waren den Holländern sehr gelegen gekommen. Sie veranlaßten sie sogar, obgleich selber Republik, der Sympathie für das vertriebene Königshaus Stuart Ausdruck zu geben. Dies führte zwar nicht zu tätiger Unterstützung, offenbarte sich aber in verschiedener Weise; so wurde Cromwells Gesandter im Haag ermordet. Auch wurden Vorschläge Englands zu einer engeren Verbindung beider Republiken nach dem Siege der Generalstaaten-Partei über die oranische und nach Abschaffung der erblichen Statthalterwürde in Holland zurückgewiesen; die Bedingungen, unter denen diese Verbindung erfolgen sollte, waren allerdings zu sehr zum Vorteil Englands. Alle diese Umstände trugen wiederum dazu bei, in England den Haß gegen den Nebenbuhler zu vermehren.

Schon im Frühjahr 1651 machte es sich bemerklich, daß beide Nationen sich auf einen Zusammenstoß vorbereiteten, wenn auch beide andere Gründe für ihre Rüstungen angaben; das gegenseitige Mißtrauen wuchs und führte im Juni zur Abberufung der Gesandten. Der letzte, entscheidende Anstoß zum Kriege ging endlich von England aus, als am 9. Oktober 1651 Cromwell die berühmte Navigationsakte erließ, die zum Schutz und zur Hebung der englischen Schiffahrt allen Zwischenhandel verbot. Sie richtete ihre Spitze besonders gegen Holland, in dessen Hand sich eben der Zwischenhandel in erster Linie befand.

Aus dieser Akte ist hervorzuheben[95]: „Von außereuropäischen Plätzen dürfen Waren aller Art nach England und nach allen englischen Besitzungen nur auf Schiffen, englischer Nationalität, deren Kapitäne und ¾ der Besatzung Engländer sind, verladen werden — bei Strafe der Konfiskation von Schiff und Ladung. Europäische Waren dürfen, unter demselben Präjudiz im Falle des Zuwiderhandelns, nach England und nach allen englischen Besitzungen nur gebracht werden von englischen Schiffen oder von Schiffen des Landes, von dem sie stammen oder zuerst verschifft werden können. Seefische und sonstige Produkte des Fischfanges dürfen nach England nur von Schiffen des Landes gebracht werden, dessen Untertanen sie gefangen oder bereitet haben; von englischen Fischern gefangen usw. dürfen sie nur auf englischen Schiffen exportiert werden.“ Ferner: Erhöhte Einfuhrzölle für die an Bord fremder Schiffe nach England eingeführten Waren, Erneuerung des schon von der Königin Elisabeth erlassenen Verbots des Küstenhandels für Fremde.

[191]

Diese Akte wurde nach dem zweiten englisch-holländischen Kriege zugunsten Hollands etwas eingeschränkt, im Laufe der Zeiten durch Handels- und Schiffahrtsverträge auch anderen Nationen gegenüber etwas gemildert, aber erst 1854 ganz aufgehoben.

Die Navigationsakte erforderte zunächst auch von England große Opfer. Teuer mußte man selber vieles produzieren, was man bisher billig vom Auslande bezogen; selbst die Schiffahrt, die doch gerade gehoben werden sollte, mußte Opfer bringen, der Schiffbau wurde um 30 Prozent teurer, die Matrosenlöhnung stieg wesentlich. Aber doch wurde durch sie die maritime Entwicklung angebahnt, die England die Beherrschung aller Meere verschaffen sollte. Cromwell hat das „Britannia rules the waves“ zur Geltung gebracht, wie er auch kategorisch erklärte: England dürfe nicht dulden, daß ohne seine Genehmigung eine andere Flagge als die englische auf den Ozeanen wehe. Anderseits kann man von Holland sagen, daß es den Gedanken der Freiheit des Meeres — zuerst gelehrt von Grotius, 1609, als Nachweis der Berechtigung Hollands zum Handel nach Indien gegen die auf die päpstlichen Bullen von 1493 gestützten Bestrebungen Portugals — zuerst mit Waffengewalt vertrat, allerdings im eigensten Interesse.

Holland erhob sogleich Einspruch gegen die Navigationsakte, jedoch ohne Erfolg. Es wurden ihm vielmehr englischerseits eine große Zahl Klagepunkte entgegengehalten, worunter die noch nicht gesühnte Amboina-Angelegenheit, die Unterstützung Karls II., die Ermordung des Gesandten, verschiedene Schädigungen des englischen Handels und die Ausstände staatlicher Geldunterstützungen von der Zeit Elisabeths her (vgl. Seite 113) die hauptsächlichsten waren. Eine Einigung wurde nicht erzielt, vielleicht auch beiderseits kaum beabsichtigt oder erwartet.

Der Kriegszustand begann mit der an englische Private erteilten Erlaubnis, für vermeintliche Schädigungen Vergeltungsmaßregeln durch Aufbringen holländischer Schiffe zu treffen, und mit der Beschlagnahme holländischer Schiffe auf Grund der Navigationsakte sowohl in englischen Häfen wie in den Kolonien. Die Holländer antworteten mit Gewaltmaßregeln ihrerseits und mit verschiedenen Verstößen gegen das alte, von England beanspruchte Flaggenrecht. Im Verein mit dem Anspruch auf die Oberhoheit in den „britischen Gewässern“ verlangte nämlich England in ihnen den Flaggengruß für seine Kriegsschiffe von allen fremden Fahrzeugen, sowie das Recht, diese zu untersuchen; dieses Recht gewann durch die Navigationsakte noch an Bedeutung. Beide Forderungen waren um so lästiger für Holland, weil alle seine Handelswege durch die britischen Gewässer führten, ein Umstand, der auch sonst England zu einem besonders gefährlichen Nebenbuhler zur See machte.

Schon seit 1202 gab es ein englisches Edikt, nach dem jeder Kommandant eines königlichen Schiffes jedes fremde, selbst befreundete, Fahrzeug nehmen sollte, das vor ihm nicht die Flagge dippte und gewisse Segel striche; Cromwell, erneuerte diese Bestimmung. Am 28. Mai 1652 zwangen 3 englische Kriegsschiffe 3 holländische, die einen Konvoi Kauffahrer begleiteten, nach kurzem Gefecht zur Befolgung dieser Forderung und wenige Tage später schon führte dieselbe Frage zu einer Seeschlacht (Dover), ohne daß der Krieg erklärt war.

In seinen Kolonien konnte England die Navigationsakte zunächst nicht streng durchführen, weil man nicht über genügende Schiffe verfügte und in vielen die Royalisten[192] die Übermacht hatten. Mehrere Kolonien hielten sogar den Handel mit Holland während des Krieges aufrecht.

Die Streitmittel der Gegner.[96]

Holland glaubte nach dem Westfälischen Frieden, nunmehr mit allen Nachbarn im Frieden und zur See die mächtigste Nation, die ungeheueren Ausgaben, die bisher Heer und Marine gefordert hatten, einschränken zu können; es rüstete in unbegreiflicher Kurzsichtigkeit in jeder Beziehung ab. In Frankreich erwuchs ihm an Stelle Spaniens ein gefährlicher Gegner zu Lande; trotzdem ließ man die Festungsbarriere, die das Bollwerk gegen Spanien gewesen war, verfallen. Englands wetteifernde Bestrebungen zur See erhielten gerade jetzt einen neuen Anstoß und man wußte um die Pflege, die dort dem Seewesen zugewendet wurde; trotzdem löste man die Marine, den Grundpfeiler des Seehandels und der Macht, nahezu auf.

Von den 130–150 Kriegsschiffen, die um 1648 den Bestand bildeten, wurden 40 für den Schutz des Handels, der Fischerei und der Häfen als genügend erachtet, die übrigen wurden verkauft oder aufgelegt; die letzten verdarben schnell, da die Hilfsmittel zur Erhaltung zu jenen Zeiten überhaupt noch im argen lagen und die Provinzen kein Geld hierfür auswerfen wollten. Die in Dienst bleibenden Schiffe erhielten nur die geringst zulässige Bemannung; die überzähligen Offiziere und Mannschaften, ein kostbares und bewährtes Material, wurden abgedankt und gingen in den Kauffahrteidienst, viele auch in fremden Staatsdienst über.

Von schwerwiegender Bedeutung war ferner der Umstand, daß mit der Abschaffung der Statthalterwürde (1650) zugleich die Stellung des Generaladmirals fiel. Die Admiralitäten der Provinzen traten nun ohne Mittelpunkt und ohne gemeinsame Vertretung in allen Dingen wieder unmittelbar unter die Generalstaaten, was bei der häufigen Eifersucht der Provinzen vom größten Nachteil für die Einheitlichkeit im Seewesen wurde. Den militärischen Oberbefehl erhielt bei Zusammentritt größerer Flotten weiter der Admiralleutnant von Holland und Westfriesland, aber das Vorhandensein von zwei Vizeadmiralen (des von Holland und des von Seeland) führte, trotz erlassener Bestimmungen über deren Anciennität, zu Reibungen zwischen ihnen und den Provinzkontingenten, besonders wenn es sich um Vertretung des Admiralleutnants handelte.

Als sich im Jahre 1651 das Verhältnis mit England so verschärfte, daß man auf einen Zusammenstoß ernstlich gefaßt sein mußte, wurde zunächst der Befehl gegeben und auch schnell ausgeführt, weitere 36 Schiffe in Dienst zu stellen, und im März 1652 beschloß man, noch 150 auszurüsten. Von diesen sollten die Provinzen sofort 50 zwangsweise durch Heuern aufbringen, und[193] zwar Fahrzeuge nicht unter 28 Kanonen, 85 Seeleute und 25 Soldaten, den Rest aber sobald als möglich. Doch kaum die erstgenannten wurden zur beabsichtigten Zeit fertig, die Zahl der letzteren ist während der ganzen Dauer des Krieges nicht erreicht worden; es fehlte an geeigneten, d. h. genügend starken Kauffahrern, an Mannschaft und an Geld.

Vor und während des Krieges schwankte die Volksstimmung zwischen Begeisterung für energische Durchführung der Rüstungen und Hoffnung auf Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens und dementsprechend die Opferwilligkeit; ein planmäßiger Ausbau der Flotte wurde unmöglich, da keine kräftige einheitliche Oberleitung vorhanden war; den Admiralitäten waren oft die Hände durch Geldmangel gebunden. Geldforderungen der Generalstaaten bei den Provinzen führten zunächst meist zu endlosen Schreibereien. Die Geldmittel spielten aber in diesem Kriege gegen das erstarkende England eine größere Rolle als in den Kriegsläuften der letzten Jahre gegen das ermattende Spanien oder gegen die einzelne Stadt Dünkirchen.

Beim Ausbruch des Krieges war, den Verhältnissen der Zeit entsprechend, ein Teil der Flotte zum Schutz des Handels und der Fischerei gegen Seeraub und Freibeuterei abgezweigt. Besonders das Mittelmeer, in dem die Barbaresken den Handel aller Nationen und die Franzosen den der Holländer im besonderen störten, war stark besetzt; wir werden sehen, daß Holland infolgedessen dort beim Ausbruch des Krieges England gegenüber sehr günstig stand. So war die schlagfertige Flotte, die im Mai 1652 unter Admiralleutnant Tromp auslief, nur einige fünfzig Schiffe stark.

Im Juli 1652 war sie durch die neuen Rüstungen auf 92 Segel angewachsen, sie enthielt aber nur ein Schiff mit 56 Kanonen — das Flaggschiff „Brederode“, den einzigen Zweidecker Hollands —, 19 Schiffe mit 30 bis 40 Kanonen, 12 kleinere Kriegsschiffe mit 8–10 Kanonen, 6 Brander; den Rest von 52 bildeten die von den Handelskompagnien gestellten und die sonst geheuerten Kauffahrer, deren Kanonenzahl man im allgemeinen nur zwischen 20 und 30 annehmen kann.

Im März des Jahres 1653 setzte sich der Gesamtbestand zusammen:

Kanonenzahl 56 40–46 30–38 22–28 14–18  
Kriegsschiffe   1 13 24 25 3 =   66  
Eingestellte   1 18 67 2 =   88  
Summe:   1 14 42 92 5 = 154 Segel

Beim Friedensschluß 1654 waren an Kriegsschiffen vorhanden:

Kanonenzahl 66 50–58 40–48 30–38 20–28 8–18  
Zahl der Schiffe   1 9 27 33 16 15 = 101

Man ersieht, daß während des Krieges viele Schiffe hinzugekommen sind und zwar meist neu als Kriegsschiffe erbaut. Es waren beim Friedensschlusse noch über 30 Schiffe im Bau; auch manche, namentlich größere,[194] der angeführten haben im Kriege keine Verwendung mehr gefunden, da die letzte Zeit keine große Unternehmung brachte.

Vorstehende Angaben sind entnommen aus de Jonge, Teil I, Beilage XXII und XXIII. Wenn Clowes, Teil II, Seite 150, für März 1654: 112 Schiffe von 24–48 Kanonen gegen obige 86 von 20–48 Kanonen angibt, so ist anzunehmen, daß er die Schiffe in Bau — etwa 30, wovon die Hälfte über 40 Kanonen — mitzählt; er spricht selber von vielen neuen Schiffen, die bei längerer Dauer des Krieges die holländische Flotte um die Hälfte stärker hingestellt haben würden.

Dieser Neubau von wirklichen Kriegsschiffen und auch besonders von solchen höherer Klassen war die Folge des gleichen Vorgehens in England, wo man schon von vornherein über Fahrzeuge mit größerer Gefechtskraft verfügte. Aber nicht allein in der schwächeren Bestückung lag die Schwäche der älteren holländischen Schiffe; sie waren auch leichter gebaut, aus Fichtenholz mit Holznägeln, so daß sie keine lange Lebensdauer und wenig Widerstandsfähigkeit gegen Geschützfeuer hatten. Auf diese letzte Eigenschaft hatte man bisher, sparsamkeitshalber und noch an die ältere Kampfweise Draufgehn und Entern gewöhnt, kein Gewicht gelegt. Endlich hatten die holländischen Schiffe, entsprechend den flachen Küstengewässern und Häfen, wenig Tiefgang, flache Böden und waren dafür breiter; infolgedessen segelten sie schlecht beim Winde und waren rank. Die neuen Kriegsschiffe baute man nach Vorbild der Engländer widerstandsfähiger, besser segelnd, größer und stärker armiert; alle Schlachtschiffe waren jetzt Zweidecker. Die alten Fahrzeuge hatten nur den Vorteil gehabt, daß sie sich gebotenenfalls bei ihrem geringen Tiefgang hinter Untiefen an der Küste zurückziehen konnten, wovon des öfteren Gebrauch gemacht ist.

In der Verwendung schwerer Kaliber stand Holland noch weiter hinter England zurück (vgl. Seite 105). Noch 1654, als in dieser Hinsicht schon wesentliche Verbesserungen eingetreten waren, führte nur das Flaggschiff 36-Pfünder und zwar nur 4, von den Schiffen über 50 Kanonen hatten nur einige 10–12 Stück 24-Pfünder, die übrigen 2–4 Stück; Schiffe von 40–50 und von 30–40 Geschützen führten durchweg nur 2–4 Stück 24-Pfünder, die übrige Mittelartillerie bestand bei allen aus 18- und 12-Pfündern oder nur aus 12-Pfündern.[97] Es kommt hinzu, daß Schiffe gleicher Größe von den verschiedenen Provinzen nicht gleichmäßig in den Kalibern armiert wurden und daß die eingestellten Kauffahrer noch weit schwächer bestückt waren: Fahrzeuge von 28–32 Kanonen führten als schwerste Geschütze nur 6–10 Stück 12-Pfünder, solche von 22–24 oft nur 8-Pfünder.

Auch die Bemannung der Flotte machte Schwierigkeit. Man war ganz auf Freiwillige angewiesen, weil Gesetze und Volkswille das Pressen ausschlossen. Da das Hauptbestreben Hollands während des ersten Krieges dahin ging, Handel und Fischerei im vollsten Maße weiter zu betreiben, so meldeten sich nicht genügend Freiwillige, wenn auch der Dienst auf fremden Schiffen verboten war.

[195]

Die Schiffe waren infolgedessen oft ungenügend bemannt, und es mußten, besonders auf den eingestellten Handelsschiffen, auch minderwertige Leute angeworben werden, wodurch dann die Disziplin litt. So stand in Holland, obgleich doch sonst wahrlich im Lande kein Mangel am vorzüglichsten Material war, die Bemannung der Flotte nicht auf der Höhe, die man hätte erwarten können; man besaß allerdings in der eigentlichen Kriegsmarine eine große Zahl tüchtiger Führer sowie Ober- und Unteroffiziere.

In England lagen die Verhältnisse in jeder Hinsicht weit günstiger. Wir wissen (Seite 161 ff.), daß die Republik sogleich in großem Maßstabe mit dem Bau von Kriegsschiffen vorgegangen war — 60 wurden während des Krieges gebaut — und daß man die Fahrzeuge leistungsfähiger, „fregattenähnlich“, konstruierte.

Man war sich klar, daß der Strauß mit Holland zu seiner Durchführung eine große Macht verlangen würde. Infolge des stets wachsenden Einflusses Cromwells war kein Mangel an Mitteln; Einheit des Willens begünstigte einen planmäßigen Ausbau der Flotte.

Mit dem Königtum war die Stelle des Lordhighadmirals gefallen. Eine Behörde von „Kommissären der Admiralität und Marine“ übte das Amt aus, nach und nach immer abhängiger vom Parlament oder eigentlich von Cromwell, dessen Machtwort entschied. Das Kommando über die mobilen Streitkräfte lag in der Hand einer Kommission von 3–5 „Generalen zur See“, was jedoch hier nicht zu Reibungen führte.

Der Schiffsbestand der englischen Marine war im März 1651 noch schwach: 3 Schiffe über 60 Kanonen; 10 mit 50–54; 12 mit 40–46; 24 mit 30–34 und kleinere. Da auch hier Schiffe im Auslande waren, mußte ebenfalls auf Kauffahrer zurückgegriffen werden. In wie viel geringerem Maße dies jedoch in England geschah, wird aus einigen Angaben zu ersehen sein. Obige Geschützzahlen zeigen im Vergleich mit den Angaben über Holland für Mai und Juli 1652 die weit stärkere Armierung auf englischer Seite, und dementsprechend enthält auch die sonst nur schwache englische Flotte beim ersten Zusammenstoß am 29. Mai 1652 unter 21 Segeln: 8 Schiffe über 40 Kanonen; 7 über 30, dazu 3 kleinere Kriegsschiffe und 3 Kauffahrer. Noch weit ungünstiger für Holland stehen die Verhältnisse im Jahre 1653. Vergleichen wir die Angaben über Holland für März 1653 mit der Flotte Moncks in der Schlacht von Northforeland am 12. Juni 1653. Beide Flotten bildeten in der Schlacht nicht den Gesamtbestand der Marinen, denn zur englischen stießen am nächsten Tage noch 18 Schiffe und vom Gesamtbestande der holländischen Marine nahmen nur 98 teil, man kann aber die ungeheure Überlegenheit der Engländer, was die Stärke der Schiffe an Geschützzahl anbetrifft, dennoch beurteilen.

Die englische Flotte bestand in der Schlacht aus 100 Schiffen, der holländische Gesamtbestand war 154 (wovon 98 anwesend); nun hatte:

[196]

  England in der Schlacht   Holland im Gesamtbestande
Schiffe 12 zu 50–88 Kanonen     1 zu 56 Kanonen
  25 zu 40–46   14 zu 40–46
  55 zu 30–40   42 zu 30–40

Da bleibt für England in der Schlacht nur ein Rest von 8 Schiffen unter 30 Geschützen, für Holland aber gegen den Gesamtbestand ein solcher von 92, und für die Schlacht mindestens von 40; wahrscheinlich aber waren es noch weit mehr, denn man kann nicht annehmen, daß in der Schlacht nur schwächere Schiffe vom Gesamtbestande fehlten, es werden auch stärkere Kriegsschiffe detachiert oder in Ausbesserung gewesen sein. Bei der englischen Flotte in der Schlacht kamen ferner auf 60 Kriegsschiffe nur 29 Kauffahrer gegen 88 Kauffahrer auf 66 Kriegsschiffe im holländischen Gesamtbestande. Endlich seien noch die Angaben über die holländische Marine gegen Ende des Krieges (1654, Juli) und über die englische im Dezember 1653 (vgl. Seite 176; dort nach Klassen, hier nach Kanonenzahl aufgeführt), gegenübergestellt:

Es besaß danach an wirklichen Kriegsschiffen:

Kanonenzahl 100 88 60–66 50–58 40–46 30–39 20–29 6–10
England (Dez. 1653)     1   1 8 16 32 43 16 14
Holland (Juli 1654) 1   9 27 33 16 15

Welch eine Übermacht auf englischer Seite, besonders an schweren Schiffen über 50 Kanonen!

Es müssen aber auch die in beiden Marinen verwendeten Kaliber verglichen werden, wobei wir nur die schwere Artillerie berücksichtigen wollen. Nach den Aufzeichnungen für England von 1652 (vgl. Seite 170, Tabelle) und nach denjenigen für Holland von 1654 führten bei einer:

Gesamtzahl Kanonen 80–100 60–66 50–58 30–46 unter 30
Englische Schiffe min. 24–42- min. 24–32- 20–32- 18–32- 16–32-Pfdr.
Holländische 4–36- max. 12–24- max. 4–24-Pfdr.

Das Übergewicht der englischen Artillerie an Zahl und Kaliber der Geschütze wurde endlich noch verstärkt durch die bessere Ausbildung der Besatzung. Diese wird den ganzen Zeitabschnitt hindurch von dem Gegner anerkannt; unter anderen wird gesagt, daß ein englisches Geschütz in derselben Zeit 5 gegen 4 Schüsse bei Holländern und Franzosen abgegeben habe, und es wird hervorgehoben, daß auf den englischen Schiffen sämtliche Matrosen durch nur wenige Spezialisten am Geschütz ausgebildet seien, so daß somit die Hauptwaffe durch Verluste nie lahmgelegt werden konnte. Wir hörten schon, daß die Schiffskanoniere zuerst in England (hier „gunner“) abgeschafft wurden oder im seemännischen Personal aufgingen. Zu bemerken ist ferner, daß sich schon im ersten englisch-holländischen Kriege das englische Feuer hauptsächlich gegen die feindliche Besatzung, das holländische gegen die Takelage richtet. Bis in die späteste Zeit der Segelschiffe hat sich die englische Flotte, meist zu ihrem Vorteil, hierin von ihren Gegnern unterschieden;[197] Mannschaftsverluste auf der einen Seite, Beschädigungen der Takelage auf der anderen bestätigen dies. Holländische Quellen heben im ersten Kriege „einmal“ besonders hervor, daß die Engländer auf die Takelage geschossen hätten. Es war dies bei einem Verfolgungsgefecht nach der Schlacht bei Portland und somit richtig, denn hier wollte man einzelne Feinde verkrüppeln und die dann Zurückgebliebenen nehmen.

Abgesehen von der Artillerie war das englische Schiffsmaterial auch sonst besser. Größtenteils neu und nur zum Kriegszweck gebaut, waren die Schiffe größer, fester, stabiler, besser segelnd und manövrierend; die Holländer sagen, ihre Gegner hätten in den neuen fregattenähnlich gebauten Fahrzeugen ein Material gehabt, geeignet, Gruppen ihrer Flotte auszumanövrieren und abzuschneiden. Selbst in Hinsicht auf die eingestellten Kauffahrer war England besser daran. Von den 29 Handelsschiffen in der Schlacht von Northforeland führten 26 eine Zahl von 30–46 Kanonen, von den 88 des holländischen Gesamtbestandes hatten nur 19 dieselbe Zahl, der Rest von 69 aber unter 30. Holland verwendete also nicht nur weit mehr Kauffahrer, sondern diese waren auch größtenteils minderwertiger; es scheinen demnach auch die englischen Handelsschiffe dieser Zeit, zwar an Zahl weit geringer, den holländischen überlegen gewesen zu sein, die der beiden großen Kompagnien ausgenommen. Ein Nachteil der englischen Schiffe war vielleicht, daß man gerade in dieser Zeit im Gegensatz zu Holland dazu neigte, sie zu stark zu armieren. Es wird berichtet, daß englische Kriegsschiffe öfters genötigt waren, auf größeren Reisen einen Teil ihrer Geschütze zum Ballast zu verstauen. Da aber der Krieg in den heimischen Gewässern ausgefochten wurde, kam nur der Nutzen der Überarmierung zur Geltung.

Zeitweise auftretende Schwierigkeiten, die Flotten zu bemannen, wurden in England durch das Pressen leichter gehoben; es scheint wenigstens, als ob die Schiffe stets genügend besetzt gewesen sind. Allerdings zog man auch Landsoldaten heran, die sich aber, wie bereits erwähnt, besser bewährten als in Holland.

Aus allem kann man den Schluß ziehen, daß die Streitkräfte Hollands bei annähernd gleicher Schiffszahl denen Englands unterlegen waren. Das Schiffsmaterial war es entschieden. Mit Recht beklagen sich die holländischen Admirale dauernd darüber; sie führen öfters an, der Feind stelle ihnen 20 Schiffe gegenüber stärker als ihr mächtigstes. Dieser Umstand trug zuweilen dazu bei, die Zuversicht auf holländischer Seite zu erschüttern, und ist wohl der Grund gewesen, wenn mehrmals eine größere Zahl von Schiffen dem Kampfe auswich.

Beiden Nationen stand ein vorzügliches Personal zur Verfügung, in gleicher Weise aufgewachsen und wohl gleich in den Vorzügen und Fehlern der Seeleute damaliger Zeit; aber in Holland machte die Einstellung mehr Schwierigkeit, in England waren dagegen Ausbildung und Disziplin besser. An erfahrenen Flottenführern und höheren Offizieren war Holland anfangs überlegen, galt doch der Admiralleutnant Tromp als der tüchtigste Admiral[198] seiner Zeit. In England dagegen lag die Führung in der Hand von 3–5 Generalen zur See, von denen die meisten nicht Seeleute, sondern Landoffiziere waren, und gerade solche führten im ersten Kriege den Oberbefehl.

Diese Generale waren: Popham (Seemann), ernannt 1649; Dean, 1649, fiel 1653; Blake, 1649; Monck, 1652; Penn (Seemann), 1654; Montagu, 1654. — Blake und Monck zeichneten sich als Höchstkommandierende aus.

Gewiß zogen diese ihre erfahrenen Unterführer und Kapitäne, Seeleute von Beruf, zu Rate; es war jedoch nicht immer möglich, namentlich nicht in den Gefechten, und so mögen manche Fehler diesem Umstande zuzuschreiben sein. Aber die Generale, mit einer trefflichen Schule aus den Revolutionskriegen, lernten schnell; anderseits trugen sie als Männer von besserer Erziehung und Bildung als die Seeleute, dazu bei, den Geist in der Flotte, besonders im Offizierkorps, zu heben. Als erfahrene Militärs und Leute von weiterem Blick verbesserten sie die Disziplin und haben großen Einfluß auf die Strategie, auf die Änderung der Kriegführung, gehabt.

Die Verwendung der Flotten Englands und Hollands von 1648–1652[98] sei kurz angeführt.

In England war die Flotte der Republik von hervorragendem Nutzen zur Vereitlung der Versuche der königlichen Partei, das Königtum wieder aufzurichten. Sie eroberte die Inseln des Kanals, auf denen sich die Royalisten länger hielten und von denen aus sie Freibeuterei trieben; es waren dies unter Blakes Führung die ersten größeren Unternehmungen von Seestreitkräften gegen Landbefestigungen. Die Flotte unterwarf die Kolonien Amerikas und Westindiens mit royalistischen Gesinnungen. Ein Teil der ehemaligen Flotte war dem Königtum treu geblieben (vgl. Seite 139) und wurde vom Prinz Rupert geführt. Anfangs im Kanal und später im Mittelmeer, von Portugal aus, wo sie Unterstützung fanden, operierten diese Streitkräfte gegen England und gegen den englischen Handel. Der Kampf gegen sie war eine Schule für die Flotte der Republik und für manche der späteren Führer, insbesondere Blake; aus dieser Zeit stammt auch die erste englische Flottenstation im Mittelmeer (aber noch keine dauernde).

Die holländische Flotte fand in diesen Jahren mannigfache Verwendung in außerheimischen Gewässern, hauptsächlich aber die Schiffe der beiden großen Kompagnien. Im Mittelmeer hatte sie den Handel nicht nur gegen die Barbaresken, sondern auch gegen französische Freibeuter zu schützen.

Obschon in Europa mit Portugal Frieden herrschte, wurden doch die Kämpfe in den fernen Kolonien, die im Unabhängigkeitskriege mit Spanien begonnen hatten und fortgesetzt wurden, als Portugal wieder selbständig geworden, nur selten auf kurze Zeit unterbrochen. In Indien wuchs die holländische Macht weiter auf Kosten Portugals, und in Afrika besetzte Holland 1652 das von Portugal als Eigentum angesehene, wenn auch nicht besiedelte Kapland. Weniger glücklich war Holland in Brasilien. Hier empörte sich ihre von der westindischen Kompagnie gegründete, aber fast nur von portugiesischen Urkolonisten bewohnte Kolonie (vgl. Seite 88).

Größere Flotten wurden dahin entsandt; sie richteten aber wenig aus, und von Beginn des englischen Krieges an konnte man nichts mehr für die Kolonie tun. Auch in Portugal war 1649 eine portugiesisch-brasilianische Kompagnie gegründet worden. Unterstützt durch deren Schiffe, wurde 1653 Recife von den Aufständischen genommen, und die Holländer zogen sich Ende Januar 1654 ganz aus Brasilien zurück.

[199]

Der Verlauf des Krieges.[99]

Ehe wir in die Beschreibung des ersten großen Krieges eintreten, ist es nötig, einige Worte über Mängel in den Quellen zu sagen.

Die besten alten Werke über die englisch-holländischen Kriege stammen aus Holland vom Ende des 17. Jahrh., ihre Angaben machen den Eindruck der Treue. Spätere englische Bücher, die meist auf diesen begründet scheinen, machen einen weit parteiischeren Eindruck, so z. B. in den Angaben über Zahl der Schiffe und über Verluste in den Gefechten; diese werden für die holländischen Streitkräfte meist sehr hoch, für die Engländer möglichst niedrig angegeben. Erst das neueste Buch, Laird Clowes, läßt dem Gegner mehr Gerechtigkeit widerfahren; er vermeidet stets übertriebene Zahlenangaben. Wir folgen seinem Beispiel.

Die sichersten alten Überlieferungen sind die Berichte und Briefe der Admirale usw. Man kann aber daraus den Verlauf der Schlachten und Gefechte nicht übersehen, weil sie meist nur Angaben enthalten über: das Sichten; die Windrichtung, aber nicht immer die Kurse; die Lage der Gegner zueinander in Beziehung auf den Wind (d. h. wer zu Luward stand); die Einteilung der Flotten in Geschwader, aber nicht immer, wie die Unterabteilungen zueinander standen (also nicht die Flottenformation). Dann folgen Aufzählungen hervorragender Taten einzelner Admirale und Kommandanten und Schilderungen von geschickten und mutigen Angriffen oder heldenmütigem Widerstand. Taktische Bewegungen während des Gefechtes werden selten erwähnt und dann auch nur in angedeutetem Sinne, wenn es z. B. einem Geschwader- oder Gruppen-Führer gelingt, sich in eine günstige Position zu setzen. Eine chronologisch fortlaufende Erzählung fehlt fast immer. Der Grund hierfür ist wohl darin zu suchen, daß zu dieser Zeit noch das Gefecht nach dem Zusammenstoß meist gleich zur Melee, zu Einzelkämpfen der Gruppen oder gar der Schiffe wurde; die Oberleitung und damit auch der Überblick ging verloren, man erfuhr später nur, was eine jede Gefechtseinheit für sich erlebt hatte. Diese Angaben stehen nun häufig nach den verschiedenen Quellen, ja selbst nach ein und derselben, in scharfem Widerspruch. Wo es möglich war, sie einigermaßen in Einklang zu bringen, habe ich versucht, den Verlauf der Schlachten darzustellen, wobei ich mich oft an Clowes anlehne, sonst mußte ich mich auf vermutende Andeutungen und auf Hervorheben wichtiger Einzelheiten beschränken. Dieser Mangel tritt besonders zur Zeit des ersten Krieges auf und verliert sich erst später allmählich.

Die Angabe der Daten weicht in den verschiedenen Quellen oft um zehn Tage voneinander ab, je nachdem die Autoren den alten oder neuen Kalender berücksichtigt haben; der Gregorianische Kalender ist in den katholischen Ländern schon Ende des 16., in den protestantischen erst im Laufe des 18. Jahrh. eingeführt. Ich gebe nach bestem Wissen die Daten nach dem neuen Stil. Ferner kommen noch Unterschiede von einem Tage vor; wahrscheinlich sind diese dadurch hervorgerufen, daß aus den Berichten und namentlich aus den Logbüchern das astronomische anstatt des bürgerlichen Datums entnommen ist.

Das Gefecht bei Dover am 29. Mai 1652. Die englische Flotte im Kanal zur Zeit des Beginns der Feindseligkeiten kommandierte Blake. Er hatte mit ihr 1651 die von Royalisten besetzt gehaltenen Kanalinseln zur Übergabe gezwungen, dann war Admiral Ayscue mit einigen Schiffen der Flotte nach Westindien gesandt, um die dortigen Kolonien dem Parlamente zu unterwerfen. Am 28. Mai 1652 lag ein Teil der Kanalflotte unter Bourne in den Downs (Rhede von Deal, geschützt durch die davorliegenden Goodwin-Sände,[200] dem üblichen Ankerplatz für Schiffe, um die Themsemündung zu sichern), Blake selbst lag auf der Rhede von Rye.

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Robert Blake.

Robert Blake, 1599 in Bridgewater als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren, übernahm nach kurzem Studium mit 26 Jahren das väterliche Geschäft, führte als Oberst in der republikanischen Armee mit Erfolg die Truppe seiner Heimat und wurde 1649 von Cromwell zum „General at Sea“ (mit Dean und Popham) ernannt. Verfolgt 1650 Prinz Ruperts königliche Schiffe bis ins Mittelmeer, zwingt 1651 die Kanalinseln (die Scillys und Jersey) zur Übergabe, kommandiert 1652–54 gegen Holland, bekämpft 1655 die Seeräuberstaaten Tunis und Algier, nimmt 1657 die spanische Silberflotte in Teneriffa unter den Kanonen von St. Cruz. Er stirbt auf der Rückreise 1657 und wird in Westminster begraben. Obgleich bis 1649 dem Seewesen fremd, wurde er einer der größten Seehelden Englands, fast immer siegreich auch den berühmtesten Admiralen gegenüber. Seine Angriffe auf die Küstenwerke — Kanalinseln, Tunis, Teneriffa — waren die ersten dieser Art, und die Flotten begannen nach seinen Erfolgen solche Befestigungen gering zu schätzen. Blake tat auch viel für die Vermehrung und die Organisation der Marine. Er war ein ernster, pflichttreuer Puritaner, nicht ehrgeizig, wohlwollend und fürsorglich für seine Untergebenen, ein beliebter Vorgesetzter.

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Martin Tromp, der Ältere.

Bourne hatte 9 Schiffe, 7 Kriegsschiffe von 32–52 Kanonen und 2 kleinere Kauffahrer; Blakes Geschwader war 8 Kriegsschiffe von 36–64 Kanonen, 3 kleinere und einen Kauffahrer stark. Am 29. Mai sichtete Bourne eine holländische Flotte von 42 Fahrzeugen, die von der flandrischen Küste herüberkam. Zwei von ihr detachierte Schiffe kamen auf die Rhede, salutierten die englische Flagge und überbrachten vom holländischen Admiral Tromp die Nachricht, daß er nur durch das Wetter gezwungen sei, zur englischen Küste zu kommen, er habe nicht länger vor Dünkirchen liegen können. Bourne gab zur Antwort, Tromp könne die Harmlosigkeit seiner Absichten am besten durch schleunige Entfernung beweisen; gleich beim Sichten der Holländer hatte er „Klar zum Gefecht“ machen lassen und die Nachricht an Blake gesandt, daß er einen Angriff befürchte; nachts ließ er den Feind durch leichte Schiffe beobachten. Mittlerweile hatte Tromp vor Dover geankert, aber die Aufforderung (durch Schüsse) der Befestigung dort, die Flagge zu streichen, unberücksichtigt gelassen.

Martin Tromp, der Ältere, Sohn eines Seeoffiziers, 1597 in Brielle an der Maasmündung geboren, ging mit 9 Jahren zur See und wurde mit 11 Jahren von einem englischen Kaper gefangen, auf dem er 2½ Jahre dienen mußte. Er wurde mit[201] 21 Jahren Offizier, mit 23 Jahren Kapitän, 40 Jahre alt Admiralleutnant. Tüchtiger Seemann, unerschrockener Führer, vom Feinde gefürchtet, von den Untergebenen geliebt. Fällt am 10. August 1653 durch eine Gewehrkugel in der Schlacht bei Scheveningen. Er soll in 32 Schlachten und Gefechten siegreich gewesen sein; die wichtigste Tat war die Vernichtung der letzten spanischen Hochseeflotte unter d'Oquendo in den Downs 1639 (Seite 141). In der Biographie seines Sohnes Cornelis „Vie de Tromp“ auch Näheres über ihn z. B. Seite 155.

Da der Wind NO. war, so erhielt Blake die Meldung bald. Er lichtete sofort Anker und kreuzte nach Osten auf, gleichzeitig sandte er Befehl an Bourne, ihm entgegenzukommen, woraufhin dieser am 29. Mai gegen Mittag ankerauf ging. Zu derselben Zeit verließ Tromp, als er Blake sichtete, seinen Ankerplatz und steuerte nach Calais hinüber; nachdem er jedoch mit einem von Westen kommenden holländischen Schiffe gesprochen, halste er plötzlich und hielt auf Blakes Geschwader ab.

Als sich die beiden Flaggschiffe, englisch „James“ (48 Kanonen), holländisch „Brederode“ (56 Kanonen) etwa querab von Folkestone einander näherten, feuerte Blake als Aufforderung, die Flagge zu streichen, nacheinander drei Schuß, aber ohne Erfolg. Im Gegenteil, auf den dritten Schuß antwortete Tromp mit einer Breitseite, die vom „James“ prompt erwidert wurde. In das so entstandene Gefecht griffen die nächsten Schiffe sofort ein; es war aber ein Kampf ohne jede taktische Anlage. Als Tromp seinen Kurs auf die englische Flotte nahm, hatte er sich mitten durch seine Schiffe fahrend an die Spitze gesetzt, ohne Innehaltung einer Ordnung folgten die Seinigen; von der englischen Flotte anderseits waren verschiedene Schiffe weit in Lee und kamen erst nach und nach auf. Die Spitzen stießen aufeinander; die Holländer würden mit ihrer Überzahl die Schiffe der englischen Spitze erdrückt haben, wenn nicht fast gleichzeitig Bournes Geschwader herangekommen wäre und den wirren Haufen der holländischen Schiffe seitlich hinten angegriffen hätte. Heiß wurde gefochten, englische Küstenfischer gingen während des Gefechts an Bord der Schiffe und halfen bei der Bedienung der Geschütze; erst die hereinbrechende Dunkelheit trennte die Gegner. Die Engländer sammelten sich vor Hythe, besserten ihre Beschädigungen aus und segelten[202] dann nach den Downs, Tromp steuerte am anderen Morgen zur französischen Küste hinüber.

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Gefecht bei Dover, 29. Mai 1652.

Die englischen Schiffe haben bei diesem Gefecht schwerere Beschädigungen, besonders auch in der Takelage, davongetragen (namentlich das Flaggschiff), dagegen nahm Bourne zwei holländische Schiffe; es scheinen auch die Verluste an Mannschaft auf holländischer Seite größer gewesen zu sein, so daß man im ganzen wohl den Engländern den Erfolg zusprechen muß.

Wenn das Gefecht auch taktisch wenig bietet, so ist es doch in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Es war das erste größere Zusammentreffen der beiden Nationen und zeigt schon die Hartnäckigkeit im Kampf, die die drei großen englisch–holländischen Kriege kennzeichnet und ihre Schlachten so blutig macht. Die Holländer waren an Zahl der Schiffe doppelt so stark und siegten nicht, ein Beweis für die Überlegenheit der englischen Schiffe (Größe, Armierung, Segelfähigkeit, Stärke und Ausbildung der Besatzungen) im allgemeinen und auch wohl die der Kriegsschiffe über eingestellte Kauffahrer. Bei den Engländern kamen hier auf 15 Kriegsschiffe nur drei Kauffahrer, in der großen Zahl der Holländer werden weit mehr gewesen sein; man kann dies mit Sicherheit nach der Zusammensetzung der Flotte annehmen, mit der Tromp einen Monat später auftritt.

Das Fehlen jeglicher Taktik mag seinen Grund darin haben, daß Blake noch wenig seemännische Erfahrung hatte, der sonst erfahrene, bisher[203] stets siegreiche Tromp aber auf die Überzahl rechnete, und daß der Vorfall durch die stürmische Natur des Angriffs den Charakter eines zufälligen Zusammenstoßes erhielt.

Endlich ist zu fragen, weshalb es zum Gefecht kam. Der Krieg war zur Zeit noch nicht erklärt, es waren sogar durch einen außerordentlichen Gesandten Hollands in London neue Unterhandlungen im Gange, die eine friedliche Beilegung in Aussicht stellten. Tromps Order lautete deshalb, den Handel im Kanal zu schützen, der englischen Küste aber fern zu bleiben und Reibungen zu vermeiden. In betreff des Flaggengrußes war ihm überlassen, nach eigenem Ermessen zu handeln, nachdem er auf eine Frage hierüber seiner Regierung geantwortet hatte, der Flaggengruß sei zur Zeit des englischen Königtums wohl üblich gewesen, besonders wenn beim Begegnen die holländische Macht die schwächere war. Da der Krieg noch nicht erklärt war und beide Teile die Schuld des Zusammenstoßes dem Gegner zuschrieben — auf holländischer Seite wird behauptet, Blake habe zuerst eine Breitseite abgegeben —, wurden beide Befehlshaber zur Verantwortung[100] gezogen. Tromp gab an, zu keiner Zeit feindliche Absichten gehabt zu haben, andernfalls würde er schon am 28. den schwächeren Bourne in den Downs haben vernichten können, er sei sogar, um Reibungen zu vermeiden, nicht einmal auf die dortige Rhede gegangen; am 29. sei der Kampf durch Blakes Breitseite hervorgerufen, die dieser abgegeben habe, obgleich er, Tromp, durch Wegführen der Segel und Dippen der Flagge gegrüßt habe. Beides ist mit Vorsicht aufzunehmen; der Angriff auf Bourne wäre nicht so einfach gewesen, da die Holländer gegen Wind und Strom unter dem englischen Feuer hätten aufkreuzen müssen, und bei der Untersuchung des Falles englischerseits bezeugten auch die gefangenen holländischen Kapitäne, daß Tromp zuerst eine Breitseite gefeuert habe. Tromp führte endlich an, er habe am 29. aufs neue den Kurs zur englischen Küste genommen, weil er von dem ihm begegnenden holländischen Schiffe erfahren hätte, daß von Westen eine Anzahl reich beladener Kauffahrer käme, die durch englische Schiffe gefährdet werden könnte.

So ist denn anzunehmen, daß Tromp am 28. an der englischen Küste erschien, um Stand und Stärke der englischen Flotte zu erkunden, am 29. wollte er wohl zum Schutz der Kauffahrer seine gewaltige Macht zeigen, dabei darauf vertrauend, daß angesichts seiner Stärke die Engländer den Flaggengruß nicht fordern würden. Als dies doch geschah, kam es zum Zusammenstoß, was bei dem herrschenden Haß auf beiden Seiten und bei der damaligen allgemeinen Neigung zu gesetzlosem, gewalttätigem Vorgehen auf See nicht sehr zu verwundern ist.

Weitere Ereignisse bis zur Kriegserklärung. Der Zusammenstoß bei Dover erregte in England große Entrüstung, das Haus des holländischen[204] Botschafters mußte vor dem Pöbel geschützt werden, und die neuen Unterhandlungen[101] zerschlugen sich. Auch die Engländer zogen jetzt Kauffahrer in großer Zahl zum Kriegsdienste ein und preßten in den südöstlichen Grafschaften alle Seeleute zwischen 15 und 50 Jahren. Außerdem traf Anfang Juni Ayscue auf seiner Rückkehr von Westindien in Plymouth ein; er führte 36 auf Grund der Navigationsakte genommene Prisen und zwar hauptsächlich Holländer mit sich.

Blake, dessen Flotte jetzt stark vermehrt und von ihm in den Downs sorgfältig organisiert war, erhielt Befehl auszulaufen, um die holländische Heringsfischerei an der Nordostküste Schottlands zu zerstören und feindliche Handelsschiffe auf ihrem Wege von der Ostsee oder bei den Shetlands abzufangen. Viele aus dem Atlantik kommende holländische Schiffe wählten zu dieser Zeit den Kurs nördlich um Großbritannien, um die Scherereien und Gefahren — Visitation und etwaige Beschlagnahme durch die Engländer — im Kanal zu vermeiden.

Ayscue erhielt Befehl, damit die Themsemündung nicht ganz unbeschützt bliebe, nach den Downs zu gehen, wo er am 30. Juni eintraf; vorher nahm er noch die Gelegenheit wahr, am 22. Juni bei Lizard ein Konvoi holländischer Portugalfahrer anzugreifen, von denen er einige nach heftigem Kampf mit den begleitenden Kriegsschiffen nahm.

Blake segelte am 7. Juli nach Norden mit nunmehr 39 Kriegsschiffen, 2 Brandern, 2 Schaluppen und 18 armierten Kauffahrern; Ayscue blieb mit nur 14 Schiffen, wovon die Hälfte Kauffahrer, in den Downs zurück; die Absicht, ihn von der Themse aus zu verstärken, mußte aufgegeben werden, da Tromp an der Küste erschien.

Tromp, der jetzt auch den Befehl erhalten hatte, den Feind nach Möglichkeit zu schädigen, wurde von dem aus London zurückkehrenden Gesandten über Ayscues Schwäche unterrichtet und beschloß, diesen anzugreifen. Tromps Flotte war 92 Segel stark: 20 Kriegsschiffe (30–40 Kanonen), 12 kleinere (Fregatten, 8–10 Kanonen), 6 Brander und 54 armierte Kauffahrer. Sein Angriff, von Norden bei günstigem Winde angesetzt, mißlang jedoch, da Ayscue dicht unter Land, geschützt durch das Kastell von Deal und verschiedene behelfsmäßige Batterien unmittelbar am Strande, lag und der Wind sich zu seinen Gunsten änderte. Tromp folgte nun Blake, kam aber auch hier zu spät; bereits war die holländische Fischerflotte vor dem Firth of Moray in alle Winde zersprengt, die 13 schützenden kleinen Kriegsschiffe (Fregatten) waren bis auf eins genommen und ebenso etwa 100 Fischerfahrzeuge mit 1500 Mann; diese wurden jedoch von Blake wieder freigegeben, um seine Flotte nicht zu schwächen, als er weiter bis zu den Shetlands segelte. Hier fand ihn Tromp am 5. August, es kam aber nicht zum Gefecht, weil ein schwerer NW.-Sturm einsetzte. Die englische Flotte fand Schutz unter[205] Land, die holländische litt schwer. Nur mit 39 Schiffen kehrte Tromp nach Holland zurück; von den übrigen war ein Teil gesunken, der Rest stark beschädigt und zerstreut, und die Heimkehr der letzten Schiffe zog sich bis in den September hinein.

Der Vergleich der beiden Flotten hier zeigt deutlich die mehrfach erwähnte Schwäche Hollands. Bei Blake kamen auf 41 Kriegsschiffe 18 Kauffahrer, bei Tromp auf 32 aber 54.

Blake folgte zwar der holländischen Flotte, aber er verfolgte sie nicht. Tromp wurde nach seiner Rückkehr vom Kommando entsetzt: er hatte den endgültigen Bruch herbeigeführt, den Handel nicht schützen können, gegen die feindliche Flotte nichts erreicht und endlich die halbe Flotte verloren; außerdem war er als Anhänger der Oranier der Regierung unbequem. An seine Stelle trat Witte de Witt als Oberbefehlshaber und unter ihm Ruyter.

Die Kriegserklärung. Gefecht bei Plymouth am 26. August 1652. Erst am 28. Juli war der Krieg erklärt. Das Bisherige war eigentlich nur ein Vorspiel gewesen; auch der kleine Krieg, das Aufbringen von Handelsschiffen durch Kreuzer und Kaper, hatte lange schon vor der Kriegserklärung begonnen. Auch hierin war England durch seine größeren Schiffe im Vorteil; eine holländische Verfügung, die verbot, Kaperbriefe an Schiffe unter 200 tons und unter 20 Geschütze zur eigenen Sicherheit dieser auszugeben, mußte wegen Mangels an besserem Material zurückgezogen werden. Die kriegerischen Unternehmungen nach der Kriegserklärung trugen zunächst denselben Charakter wie die des Vorspiels, nämlich: Schutz des eigenen Handels, Bedrohung des feindlichen. Auf englischer Seite wurde Ayscue zu diesem Zweck nach dem Westen des Kanals gesandt, Blake stand mit der Hauptmacht im Osten. Von beiden Nationen kreuzten zahlreiche einzelne Schiffe zum Aufbringen feindlicher Kauffahrer und zur Warnung der eigenen.

Auf holländischer Seite erhielt Ruyter den Befehl, mit einem Geschwader, das während Tromps letzter Fahrt ausgerüstet war, 50–60 nach auswärts bestimmte Handelsschiffe durch den Kanal zu geleiten.

Michael de Ruyter,[102] 1607 zu Vlissingen in dürftigen Verhältnissen geboren, ging mit 11 Jahren als Kauffahrtei-Schiffsjunge zur See, kurze Zeit diente er auch im Heere und 1637 führte er einen Kaper gegen Frankreich. 1640 trat er in den Staatsdienst und wurde der hervorragendste Admiral der Niederlande. Er war unerschrocken, beharrlich, umsichtig, pflichttreu und ein vorzüglicher Seemann; politisch gemäßigter Republikaner. Sein liebenswürdiger, einfacher und doch vornehmer Charakter erwarb ihm die Hochachtung seiner Gegner, die Liebe seiner Untergebenen. Er fiel 1676 als Leutnant-Admiral-General bei Agosta und wurde in Holland mit fürstlichen Ehren unter Teilnahme aller Schichten der Bevölkerung begraben.[103]

Ruyter übernahm das Kommando nur ungern;[104] 1652 zum dritten Male verehelicht, hatte er sich vom Seefahren zurückziehen wollen. Auch scheinen ihm der[206] schlechte Zustand der Flotte sowie das Parteiwesen, das in ihr wie im Lande herrschte, Bedenken gemacht zu haben; nur durch Anruf seiner Vaterlandsliebe ward er gewonnen.

Als Ruyter das Kommando am 10. August übernahm, bestand die Flotte nur aus 15 Schiffen. Er erklärte verschiedentlich, mit so wenigen und außerdem den Schiffen der Feinde an Stärke nachstehenden Fahrzeugen die Aufgabe nicht ausführen zu können; er hatte nämlich Angaben über die Stärke Ayscues, die allerdings hinsichtlich der Größe der Schiffe übertrieben waren. Während er bis zum 21. August auf die zu begleitenden Kauffahrer wartete, wurde seine Flotte durch zwei Nachschübe verstärkt. Am genannten Tage segelte er von Gravelines mit großer Vorsicht und mit Verwendung zahlreicher Aufklärungsschiffe den Kanal hinab. Am 26. August traf er südlich von Plymouth in der Mitte des Kanals auf Ayscue und beide Teile gingen sofort zum Angriff über.

Ruyters Flotte bestand aus 30 Kriegsschiffen:[A] 16 zu 28–26 Kanonen mit 120–180 Mann (nur das Flaggschiff „Neptun“ hatte bei 28 Kanonen 134 Mann); 4 zu 24 Kanonen, 70–100 Mann; 2 unbekannter Größe; 6 zu 30 Kanonen, 100–110 Mann; 2 zu 40 Kanonen, 200 Mann. Die beiden zu 40 Kanonen waren Schiffe der ostindischen Kompagnie; aber auch sonst werden Kauffahrer darunter gewesen sein, so z. B. die 30 Kanonenschiffe, die eine so geringe Zahl an Mannschaften im Verhältnis zur Kanonenzahl haben. Ein Vergleich der genauen Liste aller Schiffe Ruyters[105][**gleiche Fußn.] mit englischen Listen, z. B. für Dover oder später Northforeland, zeigt, wieviel schwächer die Holländer armiert und bemannt waren. Ein englisches Schiff von 36 Kanonen (allerdings überarmiert) entsprach an Größe vielleicht einem holländischen von 28 Kanonen; jenes hatte 120–160 Mann, dieses nur 80–120 Besatzung. Hinzu traten noch 3 Gallioten und 6 Brander. Von den Schiffen seines Konvois wählte Ruyter ferner etwa 20 verhältnismäßig stark armierte aus und stellte sie in die Gefechtsformation, die üblichen drei Geschwadergruppen, ein; den Rest sandte er nach Lee. Die Brander wurden zu je 2 auf die Geschwader verteilt mit dem Befehl, die größten Schiffe des Feindes anzugreifen; die Gallioten waren beauftragt, brennenden oder sinkenden Schiffen Hilfe zu leisten.

Ayscue war etwa 40 größere Kriegsschiffe (darunter 2 zu 60 Kanonen, 8 zu 36–40 Kanonen), 8 kleinere und 4 Brander stark, also an Zahl und Stärke der Kriegsschiffe, wie die Engländer selbst zugeben, überlegen; da aber, wie anderseits die Holländer zugestehen, die eingestellten Schiffe des Konvois zum großen Teil voll ihre Pflicht taten, kann man wohl die Kräfte als gleich ansehen.

Der Wind war NO., die Engländer standen beim gegenseitigen Sichten zu Luward. Über den taktischen Verlauf des Gefechts ist sonst nichts bekannt, die Überlieferungen rühmen nur die Taten einzelner Kommandanten;[207] es scheint sofort die Melee eingetreten zu sein. Vom frühen Nachmittag bis zur Dunkelheit wurde heiß gekämpft, wieder scheinen die Holländer den größeren Verlust an Leuten, die Engländer die größeren Beschädigungen an den Schiffen, besonders in der Takelage erlitten zu haben. Beide Teile behaupten, zwei oder drei Gegner vernichtet, selbst aber kein Fahrzeug verloren zu haben. Beide schreiben sich den Sieg zu, da aber Ayscue am andern Tage zum Ausbessern nach Plymouth ging, Ruyter dagegen seinen Konvoi sammelt und mit nur zwei Kriegsschiffen aus seinem Schutze entläßt, weil er keine ernstliche Belästigung für ihn mehr befürchtet, ist wohl den Holländern der Erfolg zuzuschreiben; daß Ayscue trotz seines bisherigen guten Rufes nicht mehr aktiv verwendet wird, zeugt von dieser Auffassung auch englischerseits.[106]

Ruyter teilte sogar am 28. August seinen Kommandanten mit, daß er beabsichtige, den Feind in Plymouth aufzusuchen;[107] dieser Angriff sollte am 30. stattfinden, aber ein in der Nacht vorher einsetzender südlicher Sturm zwang die Holländer, den Plan aufzugeben und von der Leeküste frei zu segeln. Ruyter kreuzte noch bis Ende September im Westen des Kanals, dann kehrte er nach Holland zurück, da er die Nachricht erhalten hatte, daß Blake mit der feindlichen Hauptmacht in See sei, um ihn abzufangen; auch hatte seine Flotte in einem dreitägigen schweren Sturme sehr gelitten und verschiedene Kommandanten zeigten sich unbotmäßig[107] oder ungeschickt[107] in der Führung ihrer Schiffe. Auf der Rückreise sichtete er einen Teil der Flotte Blakes (unter Penn), er wich jedoch einem Gefechte aus, wohl mit Rücksicht auf seine durch die Schlacht und die Stürme geschwächten Schiffe und weil er den anderen Teil der englischen Macht in der Nähe wußte. Am 2. Oktober trat er bei Dünkirchen unter den Befehl Witte de Witts, der die Flotte Tromps übernommen hatte. Diese war aber, wie uns bekannt, eben erst wieder völlig versammelt und bedurfte der Ausbesserung; so hatte Blake schon im Rücken Ruyters mit seinen unversehrten Schiffen den Kanal beherrscht, viele Prisen aufgebracht und war dann westlich gesegelt, um Ayscues ausbesserungsbedürftiges Geschwader dort zu ersetzen. Nach Ruyters Rückkehr war der ganze Kanal in den Händen Englands.

[208]

Blake vernichtet am 7. September 1652 ein französisches Geschwader.[108] Dieser Vorfall kennzeichnet wiederum die Kriegführung zur See und das Verhältnis der Völker auf dem Meere zueinander in dieser Zeit. England war zwar im Frieden mit Frankreich, aber auf der See waren Reibungen an der Tagesordnung. Belästigung des englischen Handels durch französische Freibeuter, die Unterstützung, die den Royalisten in Frankreich zu teil geworden war, die Nichtanerkennung der Republik und endlich Streitigkeiten über die Fischerei auf den Neufundlandbänken hatten seit 1650 zu Gewaltmaßregeln und Aufbringen von Schiffen englischerseits geführt. Es bestand jetzt zur See eine Art Kriegszustand, der Zusammenstöße einzelner Kriegsschiffe, im Mittelmeer gar kleinerer Geschwader, zur Folge hatte. Nun war Frankreich mit Spanien im Kriege (1635–1659, vgl. S. 109). Dünkirchen, seit 1646 von Frankreich besetzt, wurde von den Spaniern belagert. Ein französisches Geschwader unter dem Herzog von Vendôme sollte Truppen, Munition und Vorräte in die in höchster Bedrängnis befindliche Stadt werfen; Blake stieß am 7. September 1652 auf dieses Geschwader, griff sofort an und schlug es in einem laufenden Gefechte. Er nahm oder zerstörte 7 von den 8 begleitenden Kriegsschiffen und zerstreute die Transporter; Dünkirchen fiel infolgedessen wenige Tage später.

Diese Tat war denn doch ein Kriegsakt, der selbst über die Grenzen der damals üblichen Gewaltmaßregeln hinausging, dennoch erfolgte seitens Frankreichs nichts als diplomatische Vorstellungen; Spanien dagegen sprach dem englischen Parlamente seinen Dank aus. Diesen Staat sich geneigt zu erhalten, war auch wohl der Grund zu der unerhörten Tat gewesen; im Mittelmeer nämlich lagen die Verhältnisse nicht zu Englands Gunsten.

Der Krieg im Mittelmeer. Im Mittelmeer war der englische Handel, einige gelegentliche Expeditionen gegen afrikanische Piraten abgerechnet, bis zum Jahre 1650 unbeschützt gewesen; im genannten Jahre verfolgte, wie schon früher erwähnt, Blake (später Penn) den Prinzen Rupert bis dorthin, und von dieser Zeit an wurde ein ständiges Mittelmeergeschwader gehalten, das neben dem Schutz des Handels auch dort Zwangsmaßregeln gegen Frankreich ausübte. Bei Ausbruch des Krieges mit Holland aber war dieses Geschwader recht schwach, nur 6 Kriegsschiffe (30–42 Kanonen) und 2 armierte Kauffahrer, während die Holländer gegen 30 Schiffe an verschiedenen Stellen des Westmittelmeeres hatten; von ihnen war die Station kurz vor Kriegsbeginn wesentlich verstärkt worden. Das englische Geschwader war sogar noch in zwei Teile geteilt, der eine Teil unter Appleton lag in Livorno und wurde nach der Kriegserklärung sofort durch 14 oder 18 Holländer unter van Galen blockiert, nur die freundliche Haltung des Großherzogs von Toskana schützte ihn vor Wegnahme. Der andere Teil, 4 Kriegsschiffe unter Badiley, begleitete einen Konvoi vom Orient her. Badiley, vom Kriegszustand unterrichtet, versuchte nun ebenfalls nach Livorno zu kommen,[209] wurde jedoch am 6. September 1652 von van Galen, der nur einige Schiffe vor Livorno zurückgelassen hatte, mit großer Übermacht bei Elba angegriffen und nach mehrstündigem harten Kampf gezwungen, in Porto Longone einzulaufen, wohin er seinen Konvoi bei Beginn des Gefechts vorausgesandt hatte; hier schützte ihn gleichfalls der Gouverneur Elbas.

Ein Schiff („Phönix“) war bei dem Gefecht in die Hände der Holländer gefallen, wurde aber bald darauf, nachdem es in das holländische Geschwader eingestellt war, auf der Außenrhede von Livorno (am 30. September 1652) durch Boote des englischen Geschwaders wieder genommen. Es ist dies das erste genauer bekannte Beispiel jener kühnen Unternehmungen dieser Art, in denen die Engländer sich später so auszeichneten.

Kapitän Cox führte die Expedition; er armierte 3 Boote mit je 30 Mann, nur mit Äxten und Entermessern bewaffnet sowie versehen mit Mehlsäcken, um die Gegner zu blenden. In dunkler Nacht fuhr man ab und erreichte, zweimal durch die Dunkelheit getrennt, beim dritten Male das Schiff, auf dem infolge eines vorangegangenen Festes schlechte Wache gehalten wurde. Verabredungsgemäß hatte die Besatzung des einen Bootes die Ankertaue zu kappen, die des zweiten aufzuentern und Segel zu setzen, die des dritten Bootes alle Luken zu schließen und den Feind niederzuhalten. Es gelang vollkommen, fast ohne Widerstand; der in seiner Kajüte überraschte Kommandant, Cornelius Tromp (der Sohn Martins), sprang aus dem Kajütenfenster und erreichte schwimmend oder mit Hilfe des Bootes am Heck ein anderes holländisches Schiff. Kapitän Cox segelte mit dem wiedergenommenen Schiff nach Porto Longone zu dessen altem Geschwader.

Man hatte keine Feuerwaffen gebraucht, um „die Neutralität des Hafens nicht zu verletzen“, ein Grundsatz, den der ältere Tromp selbst aufgestellt haben soll. Der Großherzog von Toskana beschwerte sich aber bitter darüber und war von nun ab den Engländern weniger günstig gesinnt, was üble Folgen haben sollte. Vorläufig blieben beide englische Geschwader in Livorno und Porto Longone von den holländischen Streitkräften, die sich durch Zuzug aus dem Westmittelmeer verstärkten, blockiert und zur Untätigkeit gezwungen; man versuchte nun sich durch Armieren von Kauffahrern gleichfalls zu verstärken, was auch in geringem Maße gelang.

Die Schlacht bei Kentish Knock, 8. Oktober 1652. Witte de Witt[109], der neue holländische Oberbefehlshaber, zeigte sich am 21. September zuerst im Kanal. Blake wurde sofort davon benachrichtigt, aber es gelang ihm bekanntlich nicht, Ruyter vor seiner Vereinigung mit der holländischen Hauptmacht abzufangen; die beiden holländischen Führer trafen sich am 2. Oktober zwischen Dünkirchen und Nieuport. Sie unterzogen ihre Schiffe zunächst einer genauen Besichtigung und sandten alle nicht völlig gefechtsfähigen (10 Schiffe und 5 Brander) zur Ausbesserung in die Häfen. Es blieben ihnen etwa 64 Fahrzeuge, während Blake etwa 68 im Osten des Kanals zusammenzog.[210] Obgleich die Unterführer der Holländer, besonders de Ruyter, darauf hinwiesen, daß man dem Feinde namentlich in der Güte und Gefechtskraft der Schiffe unterlegen sei, beschloß de Witt doch, den Feind aufzusuchen. Er glaubte wohl, weil er an Tromps Stelle gesetzt war, unter allen Umständen dessen Mißerfolge ausgleichen und durch einen entscheidenden Schlag, dieses Mal unmittelbar auf die feindlichen Hauptstreitkräfte gerichtet, dem Handel im Kanal Luft schaffen zu müssen. Er beabsichtigte, den Feind auf seinem Sammelpunkte, den Downs, anzugreifen, aber Blake war gleichfalls fertig und suchte auch den Kampf.

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Schlacht bei Kentish Knock, 8. Oktober 1652.

Blake hatte am 8. Oktober morgens bei frischem Westwinde seinen Ankerplatz verlassen und sichtete den Feind gegen Mittag nordöstlich von Northforeland. De Witt lag hart beim Winde über St. B. Bug hinter der Bank von Kentish Knock, damit beschäftigt, seine Flotte zu rangieren. Es hatte Tags zuvor schwer geweht, und wie gewöhnlich waren verschiedene Schiffe versprengt. De Witt wurde gewissermaßen überrascht und konnte nur durch schnelle Fahrzeuge noch Befehle zur Herstellung der Ordnung ausgeben. Seine Flotte war in 4 Geschwader geteilt: de Ruyter, de Witt, de Wildt; das vierte unter Evertsen bildete eine Reserve mit dem Befehl, an der bedrängtesten Stelle einzugreifen. Der Wind war südwestlich und flauer geworden. Blake führte seine Flotte in drei Geschwadern (Blake, Penn, Bourne) heran und schob sich mit den beiden ersten zu Luward zwischen den Feind und die Untiefen; Bourne stand etwas zurück. Das Gefecht wurde an der Spitze sofort sehr scharf, zwei Holländer waren gleich entmastet, aber verschiedene englische Schiffe, besonders von Penns Geschwader einschließlich des[211] Flaggschiffes, kamen auf der Bank fest oder stießen wenigstens auf sie. De Witt wendete mit allen Schiffen zugleich, wahrscheinlich um die schwersten Schiffe Blakes zu vermeiden und um sich auf das Geschwader Bourne zu werfen; als er aber mit Bourne zusammenstieß, wurde er auch von Penn angegriffen. Während nämlich Blakes Schiffe durch ihren Kurs fast vor dem Winde zunächst nach Lee geführt waren, hatte sich das Geschwader Penn, um von der Bank frei zu liegen oder wieder freizukommen, genötigt gesehen, über B. B. Bug an den Wind zu gehen, und war nun in günstiger Lage zum Eingreifen. Penn selbst schreibt: „Der Umstand des Unklarkommens von der Bank, der so verhängnisvoll hätte werden können, trug zum glücklichen Entscheide bei.“

Der Kampf wütete etwa von 3 Uhr nachmittags bis zum Eintritt der Dunkelheit, die Verluste waren schwer auf beiden Seiten, doch waren die Holländer in jeder Hinsicht im Nachteil. Nach englischen Angaben wurden 2 Holländer genommen, 1 verbrannt, dagegen kein englisches Schiff verloren; holländische Quellen geben 600 Tote und Verwundete, sowie schwere Beschädigungen an Schiffen und Takelage zu, behaupten aber, der englische Mannschaftsverlust sei größer gewesen. De Witt wollte am nächsten Tage, hartnäckig und für seine Stellung besorgt, den Kampf wieder aufnehmen, aber im Kriegsrat stimmten seine Admirale entschieden dagegen unter Hinweis auf die erlittenen Verluste und Beschädigungen, auf die minderwertigen und unvollständig bemannten Schiffe sowie darauf, daß die holländischen Schiffe nicht beisammen seien, die Engländer aber Verstärkung erhalten hätten.

Am 9. morgens standen etwa 20 Schiffe weit in Lee und kamen auch nicht heran. Ähnlich hatten schon einige der Versprengten am 8. gehandelt, andere hatten sich im Gefecht lau erwiesen; die bekannte Unbotmäßigkeit und Unfähigkeit einzelner Kommandanten. De Witts Beschwerde später fruchtete nichts; ihre große Zahl und ihre politischen Freunde schützten die Beschuldigten.

Nach „Vie de Tromp“ und „Leben Ruyters“ stieß in der Nacht eine Verstärkung von 16 Segeln zu Blake, wahrscheinlich die ausgebesserten Schiffe Ayscues.

De Witt mußte sich fügen und segelte mittags der heimischen Küste zu. Die Engländer wurden vormittags durch den flauen Wind verhindert, den Feind ernstlich zu engagieren; später folgten sie, brachen dann aber am Abend die Verfolgung ab, um die Gefahren der holländischen Küste zu vermeiden. Sie gingen nach den Downs zur Auffüllung von Vorräten und zur Ausbesserung.

Der Versuch de Witts, den Handel durch Angriff auf die feindlichen Seestreitkräfte frei zu machen, war gescheitert. Der Erfolg der Engländer befestigte ihre Herrschaft über den Kanal noch mehr; ihre kleinen Kreuzer machten reiche Beute.

Niederlage der Engländer bei Dungeness, 10. Dezember 1652. Nach dem letzten Erfolge hoffte man in England, Holland würde geneigt zum Frieden sein, wenigstens erwartete man bei der vorgerückten Jahreszeit zunächst von dort keine größeren Unternehmungen mehr. Die Flotte Blakes wurde deshalb ohne Bedenken sehr geschwächt. Man sandte ein Geschwader von[212] 18 Schiffen in den Sund, da Reibungen mit Dänemark[110] entstanden waren, und 12 Schiffe wieder nach dem Westen des Kanals; Penn begleitete mit 20 Schiffen Kauffahrer und mehrere Schiffe gingen in die Themse, um ausgebessert zu werden; sogar die behelfsmäßigen Batterien bei Deal, die Ayscue in den Downs so gut geschützt hatten, wurden als unnötig eingezogen. In Holland dagegen rüstete man trotz des herannahenden Winters mit aller Kraft, um durch Einstellung von Begleitschiffen den völlig brachliegenden Handel zu schützen. Schon vor der letzten Schlacht war es nötig gewesen, das Auslaufen von Kauffahrern ohne Schutz von Kriegsschiffen zu verbieten; so hatten sich jetzt an 300 nach auswärts bestimmte Schiffe angehäuft, die ihre Reise vor dem Winter antreten mußten, und bei der Insel Ré vor La Rochelle sammelten sich zahlreiche Heimkommende, um durch den Kanal geleitet zu werden, denn auch an diesem üblichen Sammelpunkt war das Verbot des Alleinsegelns bekannt gemacht worden.

Anfang Dezember war eine Flotte von 73 Schiffen mit kleineren Fahrzeugen und Brandern seeklar.[111] Der Oberbefehl war wieder an Tromp gegeben, unter ihm standen Ruyter, Jan Evertsen und Floriszoon; de Witt war erkrankt. Blake verfügte in den Downs nur über 37 Schiffe nebst einigen kleineren Fahrzeugen. Wahrscheinlich hatte Tromp Kenntnis von Blakes Schwäche. Er ließ den Konvoi, die 300 nach auswärts bestimmten Kauffahrer, an der flämischen Küste und erschien am 9. Dezember in der Frühe mit seiner ganzen Flotte hinter Goodwin-Sands; Blake lichtete nach kurzem Kriegsrat Anker. Beide Flotten steuerten südlich.

Verschiedentlich ist darüber geschrieben, weshalb der sonst so wohl überlegende Blake bei seiner Schwäche diesen Schritt tat. Das Wahrscheinlichste dürfte sein, daß er seinen Ankerplatz nicht für sicher hielt, namentlich da die schützenden Batterien am Lande eingegangen waren; er dachte wohl daran, daß Tromp 1639 hier den Spanier d'Ocquendo wie in einer Falle gefangen hatte. Auch ist es möglich, daß er an dem trüben Wintermorgen die Stärke des Feindes nicht erkannte; später konnte er nicht zurück, da der anfänglich südwestliche Wind nach NW. drehte und stark auffrischte.

Am 9. Dezember verhinderte der starke Wind einen Kampf, Blake ankerte am Abend vor Dover, Tromp einige Seemeilen leewärts von ihm. Am 10. Dezember morgens lichteten beide Flotten Anker und steuerten auf Parallelkursen, über B. B. Bug beim Winde, der Küste entlang, doch konnten die Holländer den Feind erst erreichen, als etwa um 1 Uhr der Lauf der Küste (vgl. Skizze: Dover, Seite 202) die Spitze der Engländer bei Dungeness[213] zwang, sich ihnen zu nähern. Es kam zu einem heftigen Kampfe der auf beiden Seiten führenden und schwersten Schiffe, in dem die Holländer an Zahl weit überlegen waren. Die Überlieferungen melden blutige Schiffsduelle;[112] besonders die Admiralschiffe sind beteiligt; erst werden Breitseiten gewechselt, dann wird zum Entern längsseit gegangen; mehrfach liegen 3 auch 4 Schiffe nebeneinander. Wie gewöhnlich trennt erst die Dunkelheit die Gegner. Der Erfolg war auf seiten der Holländer; Blake verlor 5 Schiffe (2 genommen, 3 gesunken), von den Holländern war nur ein Schiff durch einen Zufall aufgeflogen. Blake war genötigt, das Feld zu räumen, er ankerte auf Dover Rhede und ging später nach den Downs zurück. Tromp machte keinen Versuch, den Sieg bis zur Vernichtung des Feindes auszunützen, sei es, daß er doch auch stark gelitten, sei es, daß für eine derartig energische Kriegführung eben noch kein Verständnis war; man dachte nur an den Konvoi und war mit dem Teilerfolge zufrieden. Er lag einige Tage zur Ausbesserung bei Dungeness und hatte Gelegenheit, einige ostwärts segelnde Engländer abzufangen; er ließ sogar landen, um Vieh zu rauben; dieses Unternehmen brachte jedoch nur Verluste. Dann führte er seinen Konvoi bis zur Insel Ré, von wo aus er die Biscaya beherrschte, während heimwärts bestimmte Fahrzeuge sich dort weiter sammelten.[113]

Wahrscheinlich sind bei Dungeness nicht alle Holländer im Gefecht gewesen, da die schlechteren Segler beim Beginn zu weit in Lee waren; erwiesen ist, daß verschiedene englische Kommandanten sich absichtlich ferngehalten haben, nicht nur solche von armierten Kauffahrern, sondern auch solche von Kriegsschiffen und mit sonst gutem Ruf. Blake bat, bedrückt durch die Niederlage, um Entsetzung von seinem Kommando und forderte eine Untersuchung gegen die Pflichtvergessenen. Sein erster Wunsch wurde nicht erfüllt, es wurde ihm im Gegenteil ein Vertrauensvotum zuteil. Die Untersuchung[114] aber wurde sofort eingeleitet und hatte wichtige Folgen: die Entlassung und Bestrafung mehrerer Kapitäne; die Verordnung, daß Kauffahrteischiffer in Zukunft ihre Schiffe nicht mehr im Gefecht führen sollten; den Neubau zahlreicher Kriegsschiffe, unter anderen von 30 Fregatten (d. h. gut segelnden Schiffen, vgl. Seite 164).

[214]

England gibt das Mittelmeer auf. Die Schlacht bei Dungeness hatte auch üble Folgen für die Engländer im Mittelmeer; dies sei, zeitlich etwas vorgreifend, hier kurz geschildert. Zunächst war es nicht möglich, eine Verstärkung, wie beabsichtigt, dorthin zu senden, ferner aber wurde die Haltung des Großherzogs von Toskana ernster. Holland hatte ihm Vorstellungen über den Neutralitätsbruch durch Wiedernahme des „Phönix“ gemacht, und jetzt, wo die Holländer im Norden im Vorteil waren, wollte sich der Großherzog nicht mehr mit Entschuldigungen und Desavouierung der Offiziere englischerseits begnügen, sondern forderte Wiederherausgabe des Schiffes oder Verlassen des Hafens seitens des englischen Geschwaders; die Holländer blockierten deshalb mit ihrer ganzen Macht Livorno. Badiley versuchte nun verabredungsgemäß, am 14. März 1653, durch sein Erscheinen vor dem Hafen den Feind abzulenken, um Appleton den Weg zu beiderseitiger Vereinigung freizumachen. Die Holländer gingen auch scheinbar zum Angriff auf Badiley vor, als aber Appleton nunmehr bei ablandigem Winde zu früh den Hafen verließ, wandten sie sich sofort gegen diesen und vernichteten ihn, ehe Badiley zur Unterstützung herankommen konnte. Appletons Flaggschiff „Leopard“, das einzige Kriegsschiff, und 4 armierte Kauffahrer wurden genommen, ein Schiff flog auf, nur einem gelang es, Badiley zu erreichen. Wie heiß das Gefecht[115] war, kann man daraus ersehen, daß „Leopard“ von 200 Mann Besatzung 150 Tote und Verwundete verlor. Badiley wurde nicht weiter verfolgt, da seine 4 Kriegsschiffe und 2 armierten Kauffahrer an Größe allen Holländern überlegen waren. Er ging zunächst nach Elba zurück, später nach Messina und endlich im Mai nach England in der richtigen Erkenntnis, daß er, ohne Unterstützung, im Mittelmeer ohne jeden Nutzen sei. Tatsächlich war seine Rückberufungsorder auch schon unterwegs; England hatte sich genötigt gesehen, die Mittelmeerstation vorläufig aufzugeben.

Die Schlacht bei Portland am 28. Februar 1653. Wenn auch nach der Schlacht bei Dungeness für einige Wochen der Kanal in den Händen der Holländer war und zahlreiche holländische Schiffe dort mit Erfolg kreuzten, so müssen doch neue Rüstungen und Maßregeln in England bald wieder einen Umschlag herbeigeführt haben; es ist z. B. bekannt, daß schon im Januar 1653 Genua die englische Regierung um einen Freipaß durch den Kanal zur Überführung zweier in Holland erbauter Kriegsschiffe bat.

Mitte Februar 1653 war eine englische Flotte von etwa 70 Schiffen seeklar, darunter viele der neuerbauten schnellen Schiffe (fregattenähnliche!), die sich gut bewähren sollten. Zur Bemannung der Schiffe hatte man stark auf die Armee zurückgreifen müssen. Die Flotte stand unter den Generalen[215] zur See Blake, Deane und Monck. Blake führte das Zentrumgeschwader (rote Flagge), Monck die Vorhut (weiße Flagge), und Penn die Nachhut (blaue Flagge); Deane blieb bei Blake an Bord. Jedes Geschwader war wieder in drei Divisionen geteilt, die unter dem betreffenden Geschwaderchef sowie einem Vizeadmiral und einem Kontreadmiral standen.

Monck und Deane waren wie Blake aus der Armee hervorgegangen; Deane fiel schon 1653 in der Schlacht bei Northforeland-Nieuport. Monck, geboren 1608, zeichnete sich als Feldherr bereits unter Karl I. aus, wurde dann aber ein besonderer Vertrauter Cromwells. Nach dessen Tode und seines Sohnes Sturz trat er für Karl II. und Wiedereinsetzung des Königtumes auf; der neue König erhob ihn zum Herzog von Albemarle. Er führte im ersten und zweiten Kriege mehrfach den Oberbefehl zur See mit Ruhm, doch erreichte er Blake nicht; er starb 1670.

William Penn, geboren 1621, war Berufsseemann; er wurde 1644 Kapitän, 1648 Kontreadmiral, 1650 Vizeadmiral und 1653, nach Deanes Tode, General zur See; er zeichnete sich gerade als „Seemann“ aus. Clowes schreibt hierüber z. B.: „Es war (bei Portland) ein Glück für England, daß Deane von seinem Rechte keinen Gebrauch machte, sondern Penn die Führung des blauen Geschwaders überließ; so blieb wenigstens dieses in den Händen eines Seemannes.“ Penn starb 1670. Ebenso war Lawson, der Vizeadmiral des roten Geschwaders, Seemann von Beruf; auch er zeichnete sich hier, sowie später noch in den höchsten Stellungen aus. Er fiel 1665.

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Die Schlacht bei Portland, 28. Februar 1653.
Erster Zusammenstoß.

Die nächste Aufgabe der englischen Flotte war, die holländische auf ihrer Rückkehr von Ré abzufangen. Tromp war an Zahl der Schiffe, etwa 80, wohl etwas überlegen, doch waren diese wie bisher minderwertig und durch den Konvoi von etwa 250 Handelsfahrzeugen sehr behindert. Am[216] 28. Februar 1653 sichteten sich die Gegner in der Mitte des Kanals auf der Höhe von Portland. Tromp geht sofort zum Angriff über, da er die Engländer in einer Lage sieht, die ihm Erfolg verspricht.[116] Die Überlieferungen sind sehr lückenhaft, sie lassen aber doch den Verlauf ungefähr verfolgen; besonders aber kann man erkennen, welchen Einfluß ein selbständiges Handeln befähigter Unterführer, hier Penns und Lawsons, hat. Es ist das erste Mal, daß derartige Fälle genauer bekannt sind.

Tromp kam mit frischem Westnordwestwinde den Kanal hinauf, die englische Flotte steuerte südwestlich, wahrscheinlich in breiter Formation mit halbem Winde. Monck war während der Nacht mit seinem Geschwader einige Seemeilen nach Lee geraten, Penn stand zwar in Blakes Nähe, aber auch bei diesen beiden Geschwadern waren die Divisionen getrennt und Nachzügler zurückgeblieben, die besseren Schiffe hatten die schlechteren ausgesegelt; bei Blake waren nur 10 oder 12 Schiffe in unmittelbarer Nähe. Somit war Tromp die Gelegenheit gegeben, den Feind auf schwachen Punkten mit Übermacht anzugreifen. Er befahl seinem Konvoi, zu Luvard außerhalb des Feuerbereichs zu bleiben, und hielt in Flottendwarslinie aus Geschwadergruppen (vielleicht auch eine Art Halbmondformation) auf den Feind ab, wobei er selbst mit dem Zentrum auf Blake zusteuerte.

Wohl hätte Blake dem Angriff ausweichen und sich auf Moncks Geschwader einheitlich zum Gefecht formieren können, aber er verschmähte dies, ging an den Wind und nahm den Kampf an. So kamen seine wenigen Schiffe zunächst mit Tromps ganzem Geschwader ins Gefecht, wurden gleich darauf von Ruyters Geschwader seitlich angegriffen und Evertsens Schiffe drohten die völlige Umschließung zu vollenden.

Der letzteren Gefahr begegnete Penn. Auch er war sofort an den Wind gegangen und kam gegen Evertsen mit den St. B. Seiten zum Gefecht, um aber nicht von Blake getrennt zu werden und um Evertsen von diesem abzuhalten, wendete er, segelte durch den Gegner durch und griff in Blakes Kampf ein; Evertsen behielt seinen Kurs bei und griff Monck an. Eine zweite Unterstützung erhielt Blake durch richtiges Manövrieren seines Vizeadmirals Lawson. Dieser stand mit seiner Division etwas zurück und wäre, wenn auch er gleich an den Wind gegangen, durch Ruyter von Blake getrennt gewesen. Er lief deshalb zunächst weiter, bis er imstande war, über St. B. Bug auf Tromp zuzuliegen, dann erst wendete er und verstärkte so den Stoß Penns kurze Zeit nachher.

Auf diesem Hauptkampfplatze wurde mit der Hartnäckigkeit, wie sie eben die Kämpfe dieser Zeit kennzeichnet, in der Melee gefochten; furchtbares Feuergefecht in nächster Nähe, Schiffe werden geentert und wiedergenommen. Als immer mehr Engländer herankommen, die noch fehlenden Divisionen und die Nachzügler des roten und blauen Geschwaders, bricht Tromp gegen 4 Uhr[217] nachmittags das Gefecht ab. Er fühlte sich wohl diesen frischen Kräften nicht mehr gewachsen und fürchtete, daß sich ein Teil gegen den Konvoi wenden würde; er sagt später in seinem Bericht, um 4h pm habe der Gegner eine Gruppe schneller Schiffe zu diesem Zwecke abgesandt. Verfolgt wurde er nicht, wohl da die stärksten Schiffe der Engländer in dem für sie so harten ersten Zusammenstoß sehr gelitten hatten; es waren auch Blake und Bourne schwer verwundet. Bei dem weißen Geschwader wurde der Kampf bis zur Dunkelheit fortgesetzt, scheinbar jedoch ohne große Erfolge.

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Die Schlacht bei Portland, 28. Februar 1653.
Hauptmoment.

Die Verluste waren auf beiden Seiten schwer. Die Holländer verloren nach eigenen Angaben an Schiffen: 1 genommen, 1 aufgeflogen, 3 gesunken, doch sollen noch einige verbrannt sein; von den Engländern ist 1 gesunken, mehrere, darunter 3–4 größere, mußten sofort nach Portsmouth zur Ausbesserung gesandt werden. Der Mannschaftsverlust war beiderseitig auf einzelnen Schiffen ungeheuer groß.

Während der Nacht bessern beide Flotten aus. Aus Tromps Berichte kann man entnehmen, daß er nach einem Kriegsrat beschloß, von weiteren Angriffen abzusehen und nur seine Aufgabe, den Schutz des Konvois, zu verfolgen. Er konnte diesen nicht entlassen, weil er fürchtete, daß die Engländer noch weitere Streitkräfte im Osten hätten, und er war nicht stark genug, eine Bedeckung für ihn abzuzweigen; außerdem wurde auf vielen seiner Schiffe die Munition knapp, so daß er sogar den Befehl zu sparsamer Verwendung geben mußte. Er segelte deshalb am 1. März weiter und hielt sich mit der Flotte in Halbmondformation zwischen dem Konvoi und dem Feinde, um jedem ernstlichen Nachdrängen entgegentreten zu können. Die Engländer folgten mit der Absicht, möglichst viele Schiffe abzufangen;[218] sie schießen deshalb bei Zusammenstößen gegen ihren sonstigen Brauch auf die Takelage,[117] um die Schiffe zu lähmen (vgl. Seite 197).

Am 1. März kommt es auf der Höhe von Wight zwischen Teilen zu einem schweren Gefecht, in dem besonders Ruyter den Feind mehrfach zurückwirft; sein Schiff wird dabei so zerschossen, daß es am Abend in Schlepp genommen werden muß. Dagegen gelingt es Lawson mit einigen „Fregatten“ — neuere gute Segler sind gemeint — 2 Kriegsschiffe und 10 oder 12 Handelsschiffe vom rechten Flügel abzuschneiden und zu nehmen. Viele Schiffe des Konvois verlieren das Zutrauen auf ihren Schutz und brechen aus, um die französische Küste zu erreichen; manche von ihnen werden genommen. Auch am dritten Tage (2. März) greifen die Engländer mehrfach an; die Zahl der holländischen Kriegsschiffe wird immer kleiner, denn viele derjenigen, die die Munition verschossen hatten, suchen ihr Heil auf eigene Faust. Am Abend dieses Tages standen die beiden Flotten unter Land südwestlich von Kap Grisnez. Die Engländer ankern, da nach Ansicht ihrer Lotsen dem Feinde während der Ebbe in der Nacht ein Dublieren des Kaps unmöglich sein mußte; der Wind war schon am 2. März flau und östlich geworden. Am Morgen des 3. März aber sind alle Holländer außer Sicht, die Engländer gehen deshalb nach ihrer Küste zurück.

Der größere Verlust in dieser dreitägigen Aktion war sicher auf seiten der Holländer, die mindestens 12 Kriegsschiffe gegen nur eins der Engländer verloren. Beide Führer schrieben sich in ihren Berichten,[118] die unmittelbar nach den Begebenheiten und vor Eingang genauer Meldungen abgesandt sind, den Sieg zu. Tromp hatte ja auch seine Aufgabe, den Konvoi heimzubringen, gelöst, aber er hatte außer den Kriegsschiffen wenigstens 30 seiner Schutzbefohlenen verloren.

Tromp gibt den Mannschaftsverlust der Engländer auf 2000 Tote und Verwundete gegen 600 Tote und etwas mehr Verwundete der Holländer an; es ist dies gewiß überschätzt, vielleicht unter dem Eindruck der Verluste der Engländer am 28. Februar an der Stelle, wo Tromp selbst focht. Der große Verlust der Holländer an Schiffen ist damit leicht zu erklären, daß das fechtende Material der Engländer weit besser war, mehr und auch neuere Kriegsschiffe, und daß die Holländer sich zurückzogen, wobei verkrüppelte und versprengte Fahrzeuge dem Verfolger leicht in die Hände fallen mußten.

Neue Rüstungen. In beiden Ländern wurden die größten Anstrengungen gemacht, ihre Flotten baldigst wieder schlagfertig herzustellen. England verfügte noch über mehr Schiffe, als bei Portland gefochten hatten, aber die Bemannung machte Schwierigkeit. Die Löhnung war gering und wurde unregelmäßig gezahlt, die Folge davon war Unzufriedenheit, ja Meuterei auf den Schiffen; viele Engländer dienten sogar in Holland, wobei sie, wie Schotten und Iren im gleichen Falle, ihr Gewissen damit entlasteten, daß sie für die Sache ihres rechtmäßigen Königs kämpften. Man mußte wiederum in großem[219] Maßstabe auf das Heer zurückgreifen; übrigens hatten die eingeschifften Soldaten bei Portland durch ihr Gewehrfeuer sehr gute Dienste geleistet. Auch in Holland machte die Bemannung zunächst Schwierigkeit, die aber bald durch Lohnerhöhung gehoben wurde; man hatte ferner die Walfischfahrt nach Grönland verboten, um mehr Leute für die Flotte zu erhalten und auch um die Grönlandsfahrer dem Angriff der Engländer zu entziehen. Im Schiffsmaterial blieb Holland weiter im Nachteil. Auf die beständigen Klagen der Admirale hin hatte man zwar eine große Zahl wirklicher Kriegsschiffe auf Stapel gelegt, diese Schiffe waren aber noch nicht fertig. Die Admirale klagten sogar darüber, daß die Ausbesserung der in den Schlachten beschädigten Schiffe vernachlässigt[119] würde.

Da eigentlich in beiden Ländern in einem großen Teil der Bevölkerung Neigung zum Frieden war, knüpfte Holland neue Verhandlungen an, auf deren Erfolg man namentlich rechnete, als Cromwell im April 1653 das „lange Parlament“ aufgelöst und sich der Alleinherrschaft bemächtigt hatte, aber sie zerschlugen sich, weil Cromwell von seinen 1651 aufgestellten Forderungen nicht abging. Bald wurden nun die Feindseligkeiten wieder aufgenommen. Tromp erhielt den Befehl, Mitte Mai einen Konvoi von 200 Schiffen, von den verschiedenen Häfen Hollands nach Frankreich und Spanien bestimmt, bis zum Norden Schottlands zu geleiten und in den dortigen Gewässern angesammelte Fahrzeuge heimzubringen. Die englische Flotte unter Monck und Deane[120] hatte Kenntnis davon erhalten und ging zur holländischen Küste, um womöglich schon das Sammeln der Handelsschiffe und ihre Vereinigung mit der Flotte, sonst aber den Marsch des Feindes zum Angriff zu benutzen.

Zur Störung des Sammelns kam man zu spät, auch zu einem Zusammenstoße kam es nicht, da man sich nicht sichtete, obgleich die Flotten am 15. Mai nur wenige Meilen voneinander entfernt waren. Tromp führte den Konvoi wohlbehalten nach Norden; wenn er auch den Rückkonvoi verfehlte, so kam er doch mit der Flotte und ebenso der Konvoi Ende Mai ungehindert nach Holland zurück. Die englische Flotte hatte nach seiner Abfahrt die holländische Küstenschiffahrt und Fischerei gestört, einen erfolglosen Versuch gemacht, Schiffe in dem Vlie zu nehmen und die ganze feindliche Küste alarmiert.

Nach der Rückkehr, Ende Mai, erfuhr Tromp, daß in den Downs ein kleines englisches Geschwader läge — es war Badiley mit dem Mittelmeergeschwader und einem kleinen Konvoi von 18 Schiffen, kurz vorher aus dem Mittelmeer eingetroffen — und ging mit der ganzen Flotte hinüber,[220] mit der Absicht, den Feind von beiden Seiten anzugreifen und zu erdrücken. Aber Badiley war gewarnt und in die Themse eingelaufen. Die zuerst ankommenden holländischen Geschwader unter Ruyter konnten nur noch einige der Kauffahrer, die nahe am Lande bei Dover und Deal lagen, unter heftigem Feuer der dortigen Befestigungen erbeuten (4. Juni). Inzwischen war auch Monck in See gewesen, um Tromp zu suchen. Als dieser erfuhr, daß die englische Flotte am 3. und 4. Juni bei Nieuport an der flandrischen Küste, und am 8. Juni vor Walcheren gesehen und nach Norden gesegelt sei, folgte er. Am 11. Juni lag die englische Flotte auf der Rhede von Yarmouth, die holländische etwa 12 Seemeilen nordöstlich von Northforeland; beide hatten Kenntnis voneinander und beabsichtigten den Kampf, Tromp wollte sich zwischen den Feind und die Themsemündung schieben. Monck ging noch an demselben Tage Anker auf und ankerte wieder außerhalb des Gabart-Sandes etwa 15 Seemeilen südöstlich von Orfordness. Zum ersten Male standen sich jetzt fast die vollen Streitkräfte der beiden Staaten gegenüber, die Holländer dieses Mal nicht, wie bisher in allen großen Schlachten, durch einen Konvoi behindert. Es schien die den Krieg entscheidende Schlacht bevorzustehen.

Die englische Flotte bei Northforeland am 12. Juni 1653.
I. (rotes) Geschwader: Die Generale Monck und Deane (Admirale der Flotte).
I. Division: Die Generale II. Division: Peacock
(Vizeadmiral)
III. Division: Howett
(Kontreadmiral)
Anzahl
der Schiffe
mit Anzahl
der Schiffe
mit Anzahl
der Schiffe
mit
Kanonen Mann Kanonen Mann Kanonen Mann
pro Schiff pro Schiff pro Schiff
1 („Resolution“) 88 550 1 („Triumph“) 62 350 1 („Speaker“) 56 300
1   50 220 4   40–48 160–200 1   46 180
4   40–42 160–180 4   33–37 120–150 3   40–50 170–180
1   38 140 3 arm. Kauff. 34–44 120–180 3   30–38 120–160
1   26 100 12 Segel     1   26 100
1   14   90         2 arm. Kauff. 30–34 110–120
3 Brander 10   30         11 Segel    
4 arm. Kauff. 14 140–180                
16 Segel                    
II. (weißes) Geschwader: Admiral Penn (Vizeadmiral der Flotte).
I. Division: Penn (Admiral) II. Division: Lane
(Vizeadmiral)
III. Division: Graves
(Kontreadmiral)
1 („James“) 66 360 1 („Victory“) 60 300 1 („Andrew“) 56 360
1   50 220 1   42 200 1   40 160
3   40–42 180 5   30–38 110–140 4   30–38 120–170
2   32–38 100–170 3 arm. Kauff. 28–34 100–125 2   24–26 90–100
1   12   90 10 Segel     1 arm. Kauff. 30 100
1 Brander 10   30         9 Segel    
5 arm. Kauff. 30–46 100–180                
14 Segel                    
III. (blaues) Geschwader: Admiral Lawson (Kontreadmiral der Flotte).[221]
I. Division: Lawson (Admiral) II. Division: Jordan
(Vizeadmiral)
III. Division: Goodsonn
(Kontreadmiral)
1 („George“) 58 350 1 („Vanguard“) 56 390 1 („Rainbow“) 58 300
1   50 180 1   43 200 1   44 210
3   40 170–200 5   30–38 120–160 4   30–36 120–150
2   30–38 120–150 1   30 100 1   12 40
1 Brander 10 30 3 arm. Kauff. 30–36 110–140 4 arm. Kauff. 30–36 110–120
4 arm. Kauff. 30–38 110–160 11 Segel     11 Segel    
12 Segel                    

Insgesamt: 105 Segel; darunter 5 Brander und 29 armierte Kauffahrer (englisch genannt: hired merchantmen) mit 16459 Mann und 3840 Geschützen.

Die Tabelle ist ein Auszug der im Clowes, Teil II, Seite 187, gegebenen, in der die Schiffe einzeln mit Namen, Namen der Kommandanten, Stärke der Armierung und Besatzung aufgeführt sind.

Clowes hebt hervor, daß die Schiffe „sogar für die damalige Richtung in der englischen Marine außergewöhnlich“ überarmiert gewesen seien.

In der Tabelle ist das „rote“ Geschwader als „Erstes“ vorangestellt, während es doch wahrscheinlich „die Mitte“ der Flottenformation bildete (vgl. Seite 215); ebenso sind die Divisionen, die von den Geschwaderchefs geführt wurden, als „Erste“ bezeichnet, obgleich sie doch in der Mitte ihrer Geschwader segelten. Wenigstens war es in beiden Fällen später stets so.

Aus dieser Einteilung einer großen Flotte und aus der Verteilung der Flaggoffiziere ihrem Alter nach kann man die englischen Admiralschargen der verschiedenen Flaggen herleiten. Wir haben die „Funktionen“: Admiral, Vizeadmiral und Kontreadmiral „der Flotte“ (Mitte; Vorhut; Nachhut) und dann dieselben in jedem Geschwader. Daher kommen die Admirale der roten, weißen und blauen Flagge als Chefs der Geschwader und die Vize- sowie Kontreadmirale der verschiedenen Flaggen als Chefs der entsprechenden Divisionen. Hierbei ist an die Gesamtflotte Englands oder doch an eine ungeheuer große Flotte, wie z. B. bei Northforeland, gedacht. Da die Flotten später kleiner wurden und kaum je nur eine aufgestellt wurde, entsprachen in der Praxis durchaus nicht immer die Chargen der zu einer Flotte kommandierten Flaggoffiziere ihren Funktionen in dieser.

Die vorstehende Tabelle gibt die Zusammensetzung der englischen Flotte. Sie ist so eingehend gehalten, da sie gleichzeitig die Zusammensetzung und Einteilung einer der ungeheuer starken Flotten damaliger Zeit veranschaulichen soll. Die englische Marine teilte jetzt schon fast stets die Flotten in 3 Geschwader und 9 Divisionen (vgl. Seite 187), während die Holländer noch bis 1666, in welchem Jahre Ruyter den Oberbefehl übernahm, häufig mehr Geschwader bildeten (vgl. Seite 147, Tromp).

Die holländische Flotte bestand am 12. Juni, nach Tromps Bericht, aus 98 Schiffen und 6 Brandern. Sie war in 5 Geschwader unter Tromp, de Ruyter, de Witt, Jan Evertsen und Floriszoon geteilt; jedes Geschwader zerfiel in 3 Divisionen.[121] Wir müssen uns wieder vergegenwärtigen, daß die holländischen[222] Schiffe kleiner, schwächer armiert und bemannt waren und daß sich weit mehr eingestellte Kauffahrer in der Flotte befanden.

Die englische Flotte stellt nahezu den ganzen Schiffsbestand ihrer Marine dar. Holland hätte wohl mehr aufstellen können, wenn die Neubauten, besonders aber auch die Ausrüstungen und Ausbesserung der vorhandenen Kräfte eifriger betrieben wären. Die Admirale hatten aus Mißmut über die geringe Berücksichtigung ihrer ständigen Klagen nur ungern ihr Kommando angetreten.

Die Schlacht[122] bei Northforeland-Nieuport, 12. und 13. Juni 1653. Am 12. Juni mit Tagesanbruch lichten beide Flotten bei leichtem Nordostwinde Anker; die Engländer halten mit achterlichem Winde auf den Feind zu, die Holländer erwarten sie über St. B. Bug hart am Winde liegend, wohl mit dem Bestreben, womöglich gleich die Luvstellung zu gewinnen. Monck scheint zuerst die Absicht gehabt zu haben, in breiter Halbmondformation anzugreifen, er hatte dazu seine Geschwader auseinandergezogen; als er aber den Feind eng geschlossen sah, zog auch er seine Kräfte wieder zusammen, was vielleicht bei dem flauen Winde zunächst nicht ganz gelungen ist.

Von dem Versuch, eine Schilderung des Verlaufes der Schlacht zu geben, muß abgesehen werden, da die Überlieferungen sehr lückenhaft und voll von unverständlichen und unlöslichen Widersprüchen sind. Es ist dies sehr zu bedauern, da anderseits in den Überlieferungen hervorgehoben wird, daß in dieser Schlacht auf beiden Seiten verschiedentlich dahin gestrebt sei, durch taktische Bewegungen Vorteile zu erringen; sie wird deshalb ein Markstein[123] in der Geschichte der Seetaktik genannt. So soll mehrfach um die Luvstellung manövriert sein. Hierin scheint zuerst die holländische Flotte Erfolg gehabt zu haben, wenigstens Ruyters Geschwader Lawson gegenüber. Dieser Vorteil geht aber infolge „Verwirrung“ in der holländischen Flotte wieder verloren, und die ganze englische Flotte gewinnt die Luvstellung. Es wird ferner erwähnt, daß Lawson zum ersten Male mit einigen „Fregatten“, also gut segelnden Fahrzeugen, das Durchbrechen der feindlichen Linie, dieses im folgenden Jahrhundert so wichtige taktische Manöver, mit Erfolg ausgeführt habe. Es wird endlich und vor allem hervorgehoben, daß englischerseits länger als in früheren Aktionen die Ordnung aufrecht erhalten und zum Nahkampf (Melee) erst übergegangen wäre, als der Feind in „Verwirrung“ geraten sei. Dies ist wohl so zu verstehen, daß die Engländer, sobald sie die Luvstellung hatten, in Kiellinie aus den Schiffsgruppen gebildet, solange ein Feuergefecht führten, bis der Gegner infolge ihrer stärkeren und besser bedienten Artillerie genügend erschüttert war; der flaue Wind an diesem[223] Tage begünstigte die volle Ausnützung der Überarmierung. Aber es ist, wie gesagt, nicht möglich, die einzelnen Abschnitte des Gefechtes festzulegen. Bei dem ersten Zusammenstoß Ruyters und Lawsons etwa um 11 Uhr werden zwar beide unterstützt durch Tromp und Monck, doch scheinen sonst die anderen Geschwader infolge des flauen Windes nicht voll mit eingegriffen zu haben; später, als die Engländer die Luvstellung hatten, entbrannte der Kampf auf der ganzen Linie, und es wurde hartnäckig gefochten. Ein Beispiel möge dies veranschaulichen: Tromp entert Penn, wird aber zurückgeschlagen und selbst geentert; da klart er sein Schiff durch Aufsprengen des Oberdecks von den Feinden.[124] Erst die Dunkelheit trennt die Gegner; beide bessern während der Nacht notdürftig die Schiffe aus. Zur englischen Flotte stieß in der Nacht Blake mit 18 Schiffen.

Am 13. Juni steuert Tromp der holländischen Küste zu, da in seiner Flotte, besonders in den Geschwadern Ruyters und de Witts, die Munition knapp geworden war. Wenn einzelne Quellen sagen, ein Kriegsrat früh morgens habe beschlossen, noch eine Schlacht zu schlagen, so ist dies wohl nur dahin zu verstehen, daß Tromp beabsichtigte,[125] wenn nötig und unter günstigen Umständen, noch einmal kräftig vorzustoßen, um sich dann in einem Rückzugsgefechte möglichst unbelästigt zwischen die Untiefen unter Land zurückziehen und dort Munition auffüllen zu können. Der Wind war südwestlich geworden. Die Engländer trachteten, möglichst Luv zu gewinnen, um sich dann zwischen den Feind und die Küste schieben zu können; schon um 8 Uhr beginnt teilweise ein Feuergefecht auf weitere Entfernungen. Gegen Mittag war Tromp fast imstande, sich hinter die der Küste zwischen Ostende und Sluys vorgelagerten Sände (die Wielings) zurückzuziehen, da wurde es ganz flau. Er liegt hilflos in Lee des Feindes und es gelingt ihm eben noch, seine zerstreuten Schiffe in leidlicher Ordnung zu sammeln, ehe er angegriffen wird. Wieder eröffnen die Engländer in guter Ordnung ein wirksames Feuergefecht und gehen dann mit auffrischendem Winde zum Nahkampf über.

Sie haben vollen Erfolg, bei den Holländern ist die größte Verwirrung[126] und teilweise Panik eingerissen. Die Schiffe sind unklar voneinander gekommen, Führer von Brandern versenken oder verbrennen ihre eigenen Fahrzeuge und retten sich in Booten; viele holländische Schiffe fliehen, obgleich Tromp auf sie feuert. Die Engländer würden vielleicht den größten Teil der Flotte vernichtet haben, wenn sie nicht wegen der anbrechenden Dunkelheit und wegen der Nähe der Sände, besonders mit Rücksicht auf ihre großen Schiffe, gezwungen gewesen wären, den Kampf abzubrechen und zu ankern. So gelingt es der holländischen Flotte am nächsten Morgen mit Tagesgrauen, sich zwischen den Untiefen zu bergen und dann die Häfen zu erreichen.

[224]

Verluste: Die Engländer haben in den zwei Tagen 11 Schiffe mit 1350 Gefangenen genommen, 6 versenkt, 2 verbrannt; sie selbst haben kein Schiff verloren, auch nur wenige müssen zur Ausbesserung in die Heimat gesandt werden. Ihr Mannschaftsverlust war nicht unbedeutend: 120 Tote, darunter Deane, der am ersten Tage durch eine Kettenkugel (in dieser Schlacht zum ersten Male von den Holländern mit besonderem Erfolg gegen die Takelage verwendet) getötet wurde, und 236 Verwundete. Der Menschenverlust auf holländischer Seite ist nicht bekannt.

Die Niederlage der Holländer war zwar nicht so, daß der Krieg dadurch entschieden würde, aber die Nachwirkung der Schlacht war doch bedeutend. Die englische Flotte blieb bei der günstigen Jahreszeit an der holländischen Küste und hielt diese unter strenger Blockade; sie wurde zum ersten Male an einer feindlichen Küste neu ausgerüstet und mit Munition und Vorräten versehen. De Witt, der erneute Klagen Tromps und seiner Admirale der Regierung überbrachte, erklärte in der Versammlung der Generalstaaten nachdrücklich, „die Engländer seien jetzt unbestritten die Herren der See“. Wieder angeknüpfte Friedensunterhandlungen kamen nicht vorwärts, da Cromwell nach diesem Erfolge seine Bedingungen noch verschärfte.

Die Klagen der Admirale gipfelten zunächst wieder in der Unzulänglichkeit der Schiffe: die Engländer hätten 50 Schiffe, die dem besten der ihrigen überlegen seien, in ihrer Flotte dagegen fänden sich an 30 völlig unbrauchbare, deshalb seien schwerere Schiffe, besser armiert und bemannt, nötig. Ferner wurden bessere Löhnungsverhältnisse, Mitgabe von Munitions- und Proviant-Fahrzeugen verlangt („Leben Ruyters“, Seite 43).

Wenn unter den früheren Verhandlungspunkten sich nur die Forderung einer „more intimate alliance“ zwischen den beiden Staaten fand, so wurde jetzt eine „complete coalition“ verlangt; „eine völlige Vereinigung unter einer Regierung“, aber mit einem solchen Übergewicht auf englischer Seite, daß Holland aufgehört haben würde, ein selbständiger Staat zu sein (Clowes, Teil II, Seite 193).

Gefecht bei Kattwijk und Schlacht bei Scheveningen, 8. und 10. August 1653. Der geschilderte Zustand war für Holland unerträglich. Der Handel und die für den Nationalwohlstand fast ebenso wichtige Heringsfischerei waren jetzt völlig lahmgelegt. Die Engländer brachten viele sehr reiche Prisen auf; man mußte sogar auf feindliche Expeditionen in die inneren Gewässer und auf Landungen gefaßt sein und sah sich genötigt, Truppen an die Küste und auf die Inseln bei der Texelmündung zu werfen. Außerdem gärte es in verschiedenen Orten an der Küste, ein großer Teil der Bevölkerung schob die Schuld des unglücklichen Krieges der Regierung zu und verlangte wieder einen Statthalter.[127] Die Regierung arbeitete deshalb mit äußerster Anstrengung an der Wiederbereitstellung der Flotte, um den Feind von der Küste zu vertreiben; auch wurden Verfügungen[128] erlassen, die besondere[225] Belohnungen für kriegerische Leistungen und hohe Entschädigungen für schwere Verwundungen versprachen.

Die Aufstellung der neuen Flotte erfolgte unter Tromp in der Maas und unter de Witt in der Texelmündung; die nächste Aufgabe der beiden Führer war, sich zu vereinigen. Am 3. August ging Tromp mit 80–90 Schiffen und 5 Brandern in See, er hielt sich mehrere Tage vor der Maasmündung und segelte dann an der Küste entlang, die Engländer zu suchen. Diese hatten, vor Texel liegend, am 5. August bemerkt, daß de Witt seine Kräfte, 27 Schiffe nebst 4 Brandern, bei Helder dicht an der Mündung zusammengezogen hatte, um jede günstige Gelegenheit (z. B. Nebel) zum Auslaufen benutzen zu können. Moncks[129] Kriegsrat beschloß deshalb am 7. August, mit der ganzen Flotte Tromp entgegenzusegeln und seine Vereinigung mit de Witt zu hindern. Man ging am Abend Anker auf und sichtete am 8. August vormittags Tromps Flotte auf der Höhe von Egmond, etwa 20 Seemeilen südlich von Texel. Die englische Flotte war durch Nachschub an Stelle der ausbesserungsbedürftigen Schiffe etwa gerade so stark wie bei Northforeland, also rund 100 Segel, nach Tromps Bericht vom 8.: 90 größere, 26 kleinere Fahrzeuge.

Tromp steuerte nördlich bei Westsüdwestwind, er würde also die Luvstellung gehabt haben; zunächst lief er auch noch etwas weiter, als aber der Wind nach Nordwesten drehte, wendete er und steuerte an der Küste entlang südlich, denn seine Absicht war, den Feind von der Texelmündung abzuziehen, um de Witts Auslaufen zu erleichtern, und deshalb vorläufig ein Gefecht zu vermeiden. Die Engländer folgten scharf und griffen um 5 Uhr mit ihren schnellsten Schiffen (den neuen Fregatten) die letzten holländischen, schlechte Segler,[130] auf der Höhe von Kattwijk an. Von englischer Seite kamen nach und nach an 30 Schiffe heran, die Holländer unterstützten ihrerseits die angegriffenen Kameraden nach Kräften. So nahm das Gefecht weit größere Ausdehnung an, als Tromp beabsichtigt hatte; alle Flaggschiffe waren beteiligt und erlitten schwere Verluste. Wie gewöhnlich trennte erst die Dunkelheit die Gegner. Es war Tromp nicht gelungen, ein Gefecht ganz zu vermeiden und seine Flotte unversehrt zu erhalten, doch war es nicht zu einer entscheidenden Schlacht gekommen, und de Witt war entsetzt; dieser war in der letzten Nacht in See gegangen, nachdem er das Fahrwasser durch Boote mit Laternen und Fackeln ausgebojt hatte.

Am 9. August wehte es hart aus Nordwesten, beide Flotten hatten genug zu tun, sich von der Leeküste freizuhalten. So kam es zu keinem ernsten Schlage; ein großer Vorteil für die Holländer, da de Witt Zeit gewann, heranzukommen. Tromp näherte sich zwar morgens mit einigen Schiffen und[226] wechselte Schüsse, er ging aber wieder auf seine Flotte zurück, als der Feind Miene machte, das Gefecht ernstlich aufzunehmen. Um 5 Uhr nachmittags stieß de Witt zu ihm. Die Gegner blieben die Nacht über in größter Nähe. Am 10. August hatte der Wind abgeflaut und war nach Süd gegangen. Die Flotten lagen bei Scheveningen, beide gingen um 7 Uhr zum Angriff vor; die Schlacht wurde gleich allgemein und sollte die letzte und blutigste des ersten Krieges werden.

Leider sind auch über diese Schlacht die Schilderungen widersprechend[131] und nicht in Einklang zu bringen. Es ist dies wiederum zu bedauern, weil man aus den Andeutungen schließen kann, daß auf beiden Seiten eine gut rangierte Formation eingenommen war, daß diese englischerseits gut aufrecht erhalten wurde, und daß auch mehrfach wohldurchdachte taktische Manöver ausgeführt sind. Es sei über den Verlauf nachstehendes als wahrscheinlich erwähnt.

Beide Gegner waren in Flottenkiellinie aus Schiffsgruppen formiert, auf holländischer Seite führte Tromp an der Spitze. Vor dem Zusammenstoß gelingt es ihm mit den meisten Schiffen, nur einige Nachzügler abgerechnet, die Luvstellung zu gewinnen. Er hält jedoch diese Stellung nicht durch, sondern bricht in die feindliche Linie ein. Es war aber nicht das Durchbrechen, um einen Teil des Feindes abzuschneiden, sondern nach altem Brauch ein Einbrechen, Zurücksegeln und Wiedereinbrechen. Die holländischen Quellen der Zeit heben ausdrücklich hervor, daß viele Schiffe „3 bis 4 mal wie bei den Ruderschiffen“ die feindliche Linie durchbrochen hätten. Sein Flaggschiff „Brederode“ wird dabei schlecht unterstützt und leidet schwer unter konzentriertem Feuer. Als sich der dichte Pulverdampf einen Augenblick lichtet, weht an Bord die Flagge für Kriegsrat. Die holländischen Flaggoffiziere, die in der Nähe sind, eilen an Bord und finden Tromp durch eine Musketenkugel getötet. Es wird beschlossen, seine Flagge wehen zu lassen, um die Holländer nicht zu entmutigen, die Engländer dagegen anzuspornen. Jan Evertsen übernimmt den Oberbefehl.

Der Kampf wird mit äußerster Erbitterung fortgesetzt. Bis gegen 1 Uhr mittags stehen die Chancen gleich; die Holländer sind mit den meisten Schiffen immer noch zu Luward und verwenden von hier aus ihre Brander mit Geschick und Erfolg besonders gegen die feindlichen Flaggschiffe. 2 englische Schiffe werden verbrannt, 2 Admiralschiffe leiden schwer durch Feuer; Admiral Graves verbrennt, Peacock stirbt später an den Brandwunden. Aber auch die Holländer haben starke Verluste, Ruyters und Evertsens Schiffe müssen entmastet nach der Maasmündung geschleppt werden. Gegen 1 Uhr gewinnen die Engländer, scheinbar noch wohl geordnet, die Luvstellung, die holländischen Nachzügler in Lee kommen dadurch noch weiter ab und halten sich dann absichtlich fern. Die Hauptmacht, jetzt unter de Witts Oberbefehl, versucht wieder nach Luward zu gelangen; da dies nicht gelingt, hält es de Witt für richtiger, nur hinhaltend zu fechten, um die Schlacht abzubrechen; bald aber kann er nur noch mit einigen dreißig[227] wacker fechtenden Schiffen die Flucht der anderen decken. Er feuert auf die Fliehenden und ruft aus: „Hätte man die Kommandanten gehängt, als sie es früher getan, so könnten sie es jetzt nicht wieder tun!“ Mit Munitionsmangel konnte sich dieses Mal niemand entschuldigen, auf Drängen der Admirale waren der Flotte Munitionsschiffe mitgegeben worden. Um 8 Uhr abends wird die Flucht allgemein; die Schiffe setzen Untersegel und was sie sonst tragen können und steuern der Texelmündung zu. Die Engländer verfolgen bei hellem Mondschein bis Mitternacht aber doch nur lau, auch sie müssen zunächst ihre schwer beschädigten Schiffe von der Küste freisegeln. Am 11. August melden die englischen Aufklärungsschiffe das Einlaufen des Feindes in den Texel, und Monck führt seine Flotte nach Yarmouth, da sie nicht imstande ist, länger die See zu halten.

Die Verluste waren auf beiden Seiten schwer. Die Holländer haben nach eigenen (de Witts) Angaben 14 Schiffe verloren (wahrscheinlich sind darin 5 eingerechnet, die nur sehr schwer havariert waren), 500 Tote, 700 Verwundete, 700 Gefangene; die englischen Angaben über den Verlust des Gegners gehen sogar bis zu 26 Schiffen, 4000 Toten und Verwundeten (8 Kommandanten) und 1300 Gefangenen (1 Admiral und 4 Kommandanten).

Die Engländer verloren nach den eigenen Angaben wenigstens 250 (nach „Penn“) oder 400 Tote (2 Admirale, 5 Kommandanten), 700 Verwundete und 2 Schiffe; holländischerseits werden als englischer Verlust 8–11 Schiffe, worin wohl auch die halbverbrannten oder sonst schwerbeschädigten eingerechnet sind, und bis zu 3000 Tote und Verwundete angegeben. Aber kein holländisches Schiff war genommen und auch die englische Flotte war genötigt, die Häfen aufzusuchen.

Wie schwer die Verluste der holländischen Schiffe waren, die wacker durchgehalten hatten, zeigt Ruyters Flaggschiff: 43 Tote, 53 Verwundete von 150 Mann Besatzung; Groß- und Fockmast über Bord.

Die holländischen Gefangenen waren sämtlich von den sinkenden Schiffen aufgefischt. Es ist behauptet, Monck habe befohlen, keine Prisen zu machen und keinen Pardon zu geben. Dies ist nicht erwiesen; wahrscheinlich ist, daß er erklärt hat, es sei richtiger, die feindliche Flotte zu vernichten, als durch Besetzen von Schiffen Kraft und Ordnung der eigenen Flotte zu gefährden.[132]

Die Folgen der Schlacht bei Scheveningen und der Friedensschluß. Bis zu einem gewissen Grade war die Schlacht trotz der Niederlage ein strategischer Erfolg der Holländer. Die englische Flotte war nicht imstande, die Blockade weiter durchzuführen; sie hat sie auch im weiteren Verlaufe des Krieges nicht wieder ernstlich aufgenommen. Schon im September geleitete de Witt mit 40 weniger beschädigten Schiffen einen starken Konvoi durch die Nordsee, übernahm bei Skagen von dänischen Kriegsschiffen eine große Zahl Ostseefahrer und holte dann heimkehrende Atlantikfahrer ab, die sich in den norwegischen Häfen angesammelt hatten. Seine Flotte war nach und nach bis an 70 Schiffe verstärkt; mit ihr brachte er im[228] Anfang November den bis gegen 400 Fahrzeuge angewachsenen Heimkonvoi unbelästigt nach Holland zurück, obgleich die Engländer ihre wieder instandgesetzte Flotte, allerdings nur 40–50 Segel stark, an der holländischen Küste zeigten. Aber doch war die den Krieg entscheidende Schlacht geschlagen; es war den Holländern nicht mehr möglich, sich noch einmal zum Widerstande in großem Maßstabe aufzuraffen; um so weniger, als de Witts Flotte bald nach seiner Rückkehr durch einen dreitägigen Sturm, vor der Texelmündung liegend, fast zur Hälfte kampfunfähig gemacht wurde. Derselbe Sturm nötigte auch die Engländer, in die Häfen zu gehen; es wurde dann ein großer Teil ihrer Schiffe für den Winter aufgelegt.

Da England die Blockade aufgeben mußte, sah die Regierung in Holland die Schlacht bei Scheveningen nicht als Niederlage[133] an und wollte durch die Entsendung de Witts sowie dadurch, daß man die Flotte noch im November draußen ließ, der ganzen Welt zeigen, daß Holland nicht unterlegen sei; auch wurde Tromp als Nationalheld mit großen Ehren begraben. Das Abweichen von dem alten Brauch, die Flotte im Spätherbst in die Häfen zu nehmen, wurde anderseits von der Volksmeinung der Regierung zum Vorwurf gemacht.[134]

Im Winter 1653–54 begannen neue Friedensunterhandlungen und beide Gegner beschränkten sich bis zum Friedensschluß auf den kleinen Krieg: Entsenden von Kreuzern gegen die feindlichen Handelsschiffe und Kreuzer. Die holländische Regierung mußte unter allen Umständen Frieden schließen, auch aus Gründen der inneren Politik. Die aufrührerischen Bewegungen mehrten sich, das Verlangen nach einem Statthalter trat schärfer hervor. Die Folgen des Krieges lasteten zu schwer auf dem Lande und der Handel lag hoffnungslos danieder. In dem kleinen Kriege jetzt mußte Holland weiter im Nachteil bleiben, denn sein Handel war der größere und führte überall durch englische Gewässer.

Der Krieg hat neben den unmittelbaren Kosten für die Rüstungen dem Lande ungeheuere Verluste gebracht. Man nimmt an, daß die Engländer im Laufe der zwei Kriegsjahre 1700 Prisen im Werte von 6 Millionen Lstrl. aufgebracht haben, während sie kaum den vierten Teil verloren. Nur in den außerheimischen Gewässern war der englische Handel der gefährdetere. Wir sahen, daß England das Mittelmeer aufgab, ebensowenig hatte seine Kraft hingereicht, den Handel in Ostindien zu schützen und die Navigationsakte in den amerikanischen Kolonien durchzuführen.

Auch Cromwell war jetzt dem Frieden geneigter. Seine neue Stellung als Alleinherrscher wurde durch einen ruhmreichen Abschluß des blutigen Krieges befestigt; es lag ihm ferner jetzt daran, sich mit Holland, das bisher Sympathie für die Stuarts gezeigt, gut zu stellen — der Friedensschluß war somit ein schwerer Schlag für die Royalisten. Er ließ sehr in seinen Forderungen nach und sah ab von den Bedingungen, freien Handel in der Schelde zu geben;[135] die Kriegsflotte zu vermindern; die Fischereiabgabe aufs neue zu zahlen und dem beanspruchten Rechte, die holländischen Schiffe in englischen[229] Gewässern auf ihre Ladung zu untersuchen. Vor allem wurde der Gedanke, beide Republiken zu vereinigen, fallen gelassen.

Am 15. April 1654 wurde der Frieden von Westminster geschlossen. Hart waren die Bedingungen immer noch; von den 32 Punkten sind folgende für uns die wichtigsten: Holland mußte die Navigationsakte anerkennen, den Gruß der englischen Flagge in englischen Gewässern „durch Dippen der Flagge, Wegführen der Marssegel und Abgabe von Salutschüssen“ zugestehen und sehr bedeutende Entschädigungen zahlen. Diese setzten sich zusammen aus den alten Forderungen, die schon als Gründe des Krieges erwähnt sind (Seite 191), und neu hinzutretenden: Entschädigung an die englisch-ostindische Kompagnie für Verluste während des Krieges und an die Erben der in Amboina 1623 ermordeten Engländer sowie Ersatz für den Schaden, den der englische Ostseehandel während des Krieges durch die Dänen erlitten hatte.[136] Außerdem verpflichteten sich die Generalstaaten durch eine anfangs geheimgehaltene Klausel, die Angehörigen des Hauses Oranien von allen hohen Staatsämtern und militärischen Kommandos auszuschließen.

In diesen Frieden wurde Dänemark eingeschlossen. Auch Portugal hielt es nach den Erfolgen Englands für nötig, sich mit diesem gut zu stellen; es ersetzte die Schäden, die dem englischen Handel durch Prinz Rupert von portugiesischen Häfen aus zugefügt waren. Selbst Frankreich nötigte Cromwell zu Gefallen Karl II., Paris zu verlassen und sich nach Köln zu begeben. Die Reibungen zur See zwischen Frankreich und England nahmen ihren Fortgang, bis 1655 ein Handelsvertrag abgeschlossen wurde, nachdem Blake und Penn mit großem Erfolge gegen die französischen Freibeuter vorgegangen waren.

Bemerkenswertes in diesem Kriege. Der erste englisch-holländische Krieg ist für die Seekriegsgeschichte in verschiedener Hinsicht von großer Bedeutung, vor allem durch den Umschwung in der Kriegführung. Bei der Wichtigkeit dieses Umstandes sei das an verschiedenen Stellen schon Gesagte (Seite 107, 143, 160) nochmals kurz zusammengefaßt.

In den Kriegen der älteren Zeiten war das Meer mit wenigen Ausnahmen nur eine Marschstraße für die Heere, um den Krieg zu Eroberungen oder Brandschatzungen in Feindesland zu tragen; daneben schädigte man den Feind durch Wegnahme seiner Handelsschiffe. Von einer planmäßigen Anlage und Durchführung dieser Kriegsart war jedoch keine Rede, weder von einer völligen Inbesitznahme und dauernden Behauptung dieser Marschstraße, noch von einer gänzlichen Unterbindung des feindlichen Seehandels. Beides erlaubten die unzulänglichen Streitmittel nicht. Weder die Ruderschiffe noch die älteren Segelschiffe waren imstande, längere Zeit die See zu halten und so auf dem Meere errungene Erfolge zu behaupten und auszunutzen.[230] Den feindlichen Seehandel zu einem Hauptangriffsziel zu wählen, hatte keinen Zweck, so lange er nicht so beträchtlich war, daß man in ihm die Lebensbedingungen des feindlichen Landes ernstlich bedrohen konnte.[137]

Zu Ende des 16. und im Anfang des 17. Jahrh. wurden die Schiffe seefähiger und der Handel nahm wesentlich zu; infolgedessen sehen wir auch die Kriegführung in ein neues Stadium treten. Es ist aber erst eine Übergangsperiode. Die Unternehmungen gegen den Handel bleiben im allgemeinen noch örtlicher und gelegentlicher Natur, oft mit dem ausgesprochenen Charakter der Freibeuterei; die sonstigen militärischen Unternehmungen sind meist noch Expeditionen gegen das feindliche Land im alten Sinne — das hervorragendste Beispiel, der Zug der Armada — oder vereinzelte Vorstöße zu ihrer Verhinderung. Selbst die Engländer, sonst auf dem neuen Wege am weitesten fortgeschritten, fallen oft in die alte Kriegführung — Brandschatzung als Hauptzweck — zurück. Es wird noch nicht genügend darauf Bedacht genommen, durch eine planmäßige und andauernde Durchführung des Seekrieges, durch Aus- und Abschließen des Feindes vom Meere, den Krieg möglichst schnell zu beendigen; es gibt noch keine Strategie, die Erringung und Erhaltung der Seeherrschaft zum Ziele hat.

Der erste englisch-holländische Krieg aber ist nur zur See geführt und warf doch Holland so nieder, wie es ein siegreicher Landkrieg mit Invasion nicht ärger hätte bewirken können, ohne dem Sieger die Opfer an Menschen und Vermögen aufzuerlegen, die ein Landkrieg gefordert hätte; der Wert der von England gemachten Prisen entsprach allein dem vierfachen Betrage des damaligen jährlichen Staatseinkommens Englands. Die Bedingungen für eine erfolgreiche Kriegführung zur See im neueren Sinne waren hier gegeben; beide Staaten boten dem Gegner einen großen Seehandel als Angriffsziel dar, Schiffe einigermaßen fähig, die See andauernd zu halten, waren vorhanden; der Schiffbau hatte in dieser Hinsicht schon genügende Fortschritte gemacht, wenigstens ausreichend für den beschränkten Kriegsschauplatz. Dieser Krieg war der erste, der andauernd hohe Anforderungen an die Seestreitkräfte stellte und der zahlreiche Erfahrungen sammeln ließ; er gab den Anstoß zur größeren Pflege der stehenden Marinen und dadurch zu der Vervollkommnung des ganzen Seekriegswesens — des Schiffbaues, des Personals, der Taktik —, wie wir sie im vorigen Kapitel kennen gelernt haben. Die erste Entwicklung einer Strategie zur See während dieses Krieges wird auf Seite 231 betrachtet werden.

Es ist ferner bei diesem Kriege bemerkenswert die Ausdauer und Hartnäckigkeit, mit der man ihn auf beiden Seiten führte und die Rüstungen[231] betrieb. Bei der wichtigen Rolle, die das Material auf See spielt, liegt es in der Natur der Seekriege, daß nach ernsten Zusammenstößen der Hauptstreitkräfte eine längere Pause in größeren Unternehmungen eintritt, die nötig ist, um das Material wieder instandzusetzen. Hier aber werden in einem Zeitraum von 13 Monaten — von der Kriegserklärung bis Scheveningen — 6 große Schlachten geschlagen, von denen einige mehrere Tage dauern. Hervorragende Führer, seemännisch tüchtige und tapfere Besatzungen waren auf beiden Seiten vorhanden; gerade auch in Holland wurde stets wieder mit äußerster Anspannung gerüstet. Wenn dieses schließlich doch unterlag, so war es eine Folge seiner schon mehrfach erwähnten Schwächen: der minderwertigen Schiffe, des weniger geschulten und weniger disziplinierten[138] Personals (namentlich auch vieler Kommandanten), kurz, der mangelhafteren eigentlichen Kriegsmarine, sowie des Umstandes, daß Holland in seiner größeren Handelsflotte einen günstigeren Angriffspunkt bot und schwerer geschädigt werden konnte. Dieser Umstand war weit wichtiger als die anderen Schwächen. Die Beschützung des Handels, der während des Krieges nicht, wie es später geschah, aufgegeben wurde, hinderte die holländische Leitung strategisch und oft auch taktisch; der unmittelbare Verlust an Vermögen und die Unterbindung der Lebensbedingungen zwangen Holland zum Frieden.

Eine Strategie[139], die eine dauernde Beherrschung des Kriegsschauplatzes zum Ziele hat, finden wir zunächst auch in diesem Kriege noch nicht. Im ersten Jahre geschehen auf beiden Seiten nur und unter Hintansetzung aller anderen Rücksichten große Unternehmungen, um den feindlichen Handel zu schädigen oder den eigenen zu schützen, und auch dieses nur, wenn eine besondere Gelegenheit, wie die Fahrt eines großen Konvois, dazu herausfordert; nebenher schwärmen zahlreiche Kreuzer und Kaper im kleinen Kriege gegen vereinzelte Handelsfahrzeuge. Es werden denn auch von den ersten vier Schlachten drei durch den Angriff englischerseits auf einen Konvoi hervorgerufen, den Holland schützt und verteidigt (Plymouth; Dungeness;[232] Portland); ähnliche Zusammenstöße hindert nur der Zufall (Shetlands, August 1652; holländische Küste, Mai 1653).

Die Flotten beider Staaten waren ungefähr gleich stark. Da jedoch der holländische Handel größer und infolge seiner Wege mehr gefährdet war, brauchte er die Seestreitkräfte Hollands ganz zu seinem Schutze; England mit seinem kleineren und infolge seiner geographischen Lage vom Feinde weniger bedrohten Handel konnte freier über seine Flotte verfügen. So wurden die Engländer im allgemeinen die Angreifenden, die Holländer sahen sich in die Defensive gedrängt. Aber zunächst beschränkten sich die Engländer darauf, den feindlichen Handelsschiffen in den englischen Gewässern, die sie passieren mußten, aufzulauern; es werden deshalb alle Schlachten dieses Abschnittes an der englischen Küste geschlagen, selbst wo die Holländer ohne Konvoi den Feind suchen, um den Weg frei zu machen (Kentish Knock).

Wir finden auch in dieser ersten Zeit des Krieges nie die strategische Ausnutzung eines Sieges; stets begnügt man sich auf beiden Seiten mit dem augenblicklichen Erfolge und erhält sich damit eine ständig drohende Gefahr vor Rückschlägen, die auch oft genug eintreten. Der Gedanke, zunächst die feindliche Kriegsflotte vom Meere zu vertreiben, dadurch den eigenen Handel frei zu machen und den feindlichen völlig lahm zu legen, bricht sich aber im Verlaufe des Krieges Bahn; es wird damit dann die Kriegführung kräftiger offensiv. So suchen sich die Gesamtstreitkräfte beider Staaten im Juni 1653 zur Entscheidungsschlacht (Northforeland) auf und England trägt, als es im allgemeinen das Übergewicht gewonnen hat, überhaupt den Krieg an die feindlichen Küsten. Nachstehendes möge dies veranschaulichen.

Rückblick auf den Krieg. Die erste Maßregel Englands war die Entsendung Blakes mit der Hauptmacht gegen die holländische Fischerei und Schiffahrt in der Nordsee, Ayscue wird nur mit schwachen Kräften berufen, die Sicherung der Themse zu übernehmen. Der Gefahr durch die ganze feindliche Flotte, der dadurch Ayscue und die Holland naheliegenden englischen Küsten ausgesetzt wurden, scheint man sich gar nicht bewußt gewesen zu sein. Tromp macht aber auch nur einen schwachen Versuch, Ayscue zu vernichten; als ihm dies nicht leicht gelingt — allerdings überschätzte man damals noch den Wert von Landbefestigungen Schiffen gegenüber sehr —, gibt er den Plan auf und folgt Blake bis zu den Shetlands, in erster Linie doch nur, um holländisches Eigentum zu verteidigen. Ungünstiges Wetter verhindert den Zusammenstoß. Nach Blakes Rückkehr sendet man Ayscue wieder nach dem Westen des Kanals, anstatt mit beiden Flotten gemeinsam die Holländer anzugreifen, wozu sich eine so günstige Gelegenheit bot, da Tromps Flotte schwer gelitten hatte. So gelingt es Ruyter, einen Konvoi wohlbehalten durch den Kanal zu führen, den nur etwa gleichstarken Ayscue bei Plymouth mit Erfolg abzuwehren und den heimwärts bestimmten Konvoi zurück zu geleiten.

[233]

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Schauplatz des ersten englisch-holländischen Krieges 1652–1654.

De Witt, an Tromps Stelle zum Oberkommando berufen, macht nun zum ersten Male den Versuch, eine größere Entscheidung durch einen Angriff[234] auf die Hauptmacht des Feindes herbeizuführen; Kentish Knock wird geschlagen, ohne daß es sich um einen Konvoi handelt. Die Nebenumstände lassen aber vermuten, daß de Witt mehr unter dem Antriebe, etwas Bedeutendes zu leisten, gehandelt hat, als infolge strategischer Einsicht. Die holländische Regierung verfolgte diese Art der Kriegführung jedenfalls nicht weiter, sondern ordnete auch fernerhin wieder nur die Begleitung großer Konvois durch die Kriegsflotte an. Aber auch die Engländer nützen ihren Sieg nur in altem Sinne aus durch Aufbringen feindlicher Kauffahrer. Wenn auch der hereinbrechende Winter ihren Schiffen den Aufenthalt an der feindlichen Küste unmöglich machte, man sich wenigstens noch nicht zu bleiben getraute, und wenn man auch vom Feinde bei der vorgerückten Jahreszeit nichts Ernstliches mehr erwartete, so durfte doch die englische Flotte nicht zersplittert werden, wie es geschehen ist. Man überschätzte den Erfolg einer einzelnen siegreichen Schlacht, die allerdings für den Augenblick die Herrschaft über die See gebracht hatte. Diese Kurzsichtigkeit führte zur Niederlage Englands bei Dungeness.

Tromp verfällt nach dieser Schlacht derselben irrigen Auffassung. Schon sein Angriff entsprang nur der Absicht, seinen Konvoi sicher weiter zu führen und die sich bietende günstige Gelegenheit einem schwächeren Feinde gegenüber zu benutzen. Anstatt nach dem Siege dahin zu streben, den geschlagenen Feind gänzlich zu vernichten — die Position in den Downs war nach Abbruch der behelfsmäßigen Batterien nicht mehr so stark —, überhaupt die Offensive den getrennten englischen Geschwadern im Kanal gegenüber aufrecht zu erhalten, beschränkt er sich auf die defensive Aufgabe, seinen Konvoi nach Ré zu geleiten und einen heimkehrenden zurückzuführen. Während seiner Abwesenheit geht die holländische Herrschaft über den Kanal schnell wieder verloren, England hat Zeit, seine Kräfte zu sammeln und ihm bei seiner Rückkehr (bei Portland) entgegenzutreten. Den Zusammenstoß bei Portland hätte Tromp mit dem günstigen Winde vielleicht vermeiden können; er tat es wohl nicht, weil er der Beständigkeit des Windes sowie der Segelfähigkeit vieler seiner Kauffahrer nicht vertraute und daher fürchtete, von den Engländern auf dem Marsche eingeholt und angegriffen zu werden, wie sie es ja auch bei der Verfolgung nach der Schlacht mit großem Erfolge taten. Eine weitere Ausnutzung des Sieges wagen aber die Engländer wiederum mit Rücksicht auf die Jahreszeit nicht.

Im letzten Abschnitt des Krieges wird nun Tromp noch einmal beordert, Kauffahrer auswärts und heimwärts zu geleiten (Mai 1653). Jetzt aber erwarten die Engländer den Feind nicht mehr in ihren eigenen Gewässern, sondern versuchen, schon die Sammlung der Kriegs- und Handelsschiffe an der holländischen Küste zu verhindern. Sie kommen zwar zu diesem Zwecke zu spät und begnügen sich mit Aufbringen von Küstenfahrern und Alarmierung der Küsten, immerhin war es eine bedeutsame Erweiterung der Offensive. Überhaupt zeigen sich die Engländer von jetzt an mehrfach unmittelbar vor den feindlichen Häfen (Ende Mai, Anfang Juni 1653) und[235] halten in den eigenen Gewässern ihre Flotte der feindlichen Küste näher (Yarmouth, Juni). Als nun auch Tromp nach seiner Rückkehr zur Offensive übergeht, indem er zunächst den Vorstoß gegen die Downs macht und dann die englische Hauptmacht sucht, kommt es am 12.–13. Juni 1653 zur Schlacht bei Northforeland-Nieuport, zum Kampf der Gesamtkräfte beider Staaten, ohne daß ein Konvoi den Anlaß gegeben hat. Nach dieser Schlacht nutzen die Engländer den Sieg aus, indem sie den Feind bis vor seine Häfen verfolgen und dann die feindliche Küste unter Blockade halten; ja, zu diesem Zwecke bessern und rüsten sie zum ersten Male dort ihre Flotte aus und kehren dazu nicht wie bisher nach jeder größeren Schlacht in die heimischen Häfen zurück. Der Ausfall Tromps, um die Blockade aufzuheben, führt zur Schlacht bei Scheveningen dicht an der holländischen Küste (10. August). Trotz ihres taktischen Sieges hier mußten die Engländer die Blockade aufgeben, da auch sie zu sehr geschwächt waren. Daß sie dann später den Krieg nicht wieder tatkräftig aufnahmen, ja, sogar mit geringeren Streitkräften als die Holländer auftraten, wird auf Cromwells Neigung zum Frieden zurückzuführen sein.

Beim Friedensschluß war der Kampf um die Seeherrschaft noch nicht entschieden, die holländische Flotte war keineswegs niedergekämpft; nicht sowohl militärische Gründe als die allgemeine Erschöpfung und die Volksstimmung zwangen Holland, Frieden zu schließen. Daß aber die Kriegführung im allgemeinen energischer geworden ist, beweist wohl auch die Tatsache, daß beide Nationen, abweichend vom bisherigen Brauch, versuchen, im Herbst 1653 eine Flotte bis in den Winter hinein ständig auf See zu halten; der erste schwere Wintersturm zeigt dann allerdings, daß die damaligen Schiffe dem noch nicht gewachsen waren.

Der Verlauf dieses Krieges lehrt, daß zur Erreichung großer Ziele auf oder über See — hier die völlige Lahmlegung des feindlichen Handels, der Schutz des eigenen — die unbestrittene Beherrschung der See durch Niederkämpfen der feindlichen Seestreitkräfte nötig ist. Die Engländer, von Anfang an mehr auf die Offensive hingewiesen und weniger an ihrer Durchführung behindert, tragen zuerst diesem Grundsatz Rechnung. Während sie in der ersten Hälfte des Krieges nur auf möglichst starke Schädigung des Handels, nicht auf schleunigere Beendigung des Krieges hinzielen, richten sie in der zweiten Hälfte ihre Stöße mehr gegen die Streitkräfte des Feindes. Aber auch die Holländer versuchen gegen das Ende, zunächst die feindliche Kriegsflotte aus dem Felde zu schlagen. Sie geben dann in den späteren Kriegen ihren Handel ganz auf, weil sie eingesehen haben, daß ihre Kräfte nicht ausreichen, gleichzeitig diesen zu schützen und um die Seeherrschaft zu ringen. „Der Kampf der Seestreitkräfte miteinander tritt in den Vordergrund.“

Fußnoten:

[95] Nach Perels, „Das internationale Seerecht.“ Seite 16 und Seite 18 Anm.

[96] Anschließend an Kapitel II „Die Entwicklung des Seekriegswesens“, sowie an „Die wichtigsten Kriegsmarinen“ (Seite 148–151). Hauptquellen: Clowes, Teil II; de Jonge, Teil I.

[97] Angaben nach de Jonge, Teil I, Beilage XXIV.

[98] Anschließend an Seite 139 und 143. Näheres über England siehe Clowes, Teil II, Seite 118; über Holland in Indien und Brasilien, Zimmermann, Band I und V.

[99] Hauptquellen: Clowes, Teil II; „Vie de Tromp“; „Leben Ruyters“. Zum Vergleich auch Schomberg, Teil I; Allen, Teil I; Yonge, Teil I.

[100] „Vie de Tromp“: Berichte beider Führer Seite 15 u. ff., ebendort Briefwechsel zwischen ihnen und Vorstellungen der holländischen Gesandten den Fall betreffend. Clowes, Teil II, Seite 148.

[101] Über diese Verhandlungen, in denen England seine Forderungen verschärfte, näheres in „Vie de Tromp“, Seite 27 ff.

[102] Siehe das Titelbild.

[103] Bei „Agosta“ später noch einige Angaben über Ruyter. Beste Biographie: „Leben Ruyters“, vgl. Quellenverzeichnis.

[104] „Leben Ruyters“, Seite 19.

[105] „Leben Ruyters“, Seite 22.

[106] Clowes, Teil II, Seite 157, nimmt an, daß beide Gegner kein Schiff verloren hätten. „Vie de Tromp“, Seite 67, und „Leben Ruyters“, Seite 23, sagen, die Engländer würden vernichtet sein, wenn es Ruyter gelungen wäre, die Luvstellung zu gewinnen und von dort aus seine Brander zu verwenden.

[107] In „Vie de Tromp“, Seite 69, und „Leben Ruyters“, Seite 26, wörtliche Wiedergabe seiner Ansprache. Er spricht darin die Hoffnung aus, den Feind zu überraschen, indem viele Offiziere und Leute am Lande sein würden, und daß diejenigen seiner Kommandanten, die sich in der Schlacht weniger gut benommen, dies wieder gutmachen könnten. Über seine Kapitäne klagte er später noch einmal, als beim Kreuzen häufig Schiffe zu weit abkommen; er spricht dabei von „mutwilligen und dummen“ Kommandanten. („Leben Ruyters“, Seite 28.) Unbotmäßigkeit, Lauheit und Ungeschick wird im ersten holländisch-englischen Kriege den Kommandanten öfters vorgeworfen, wohl eine Folge der politischen Parteien im Lande und mißverstandener republikanischer Ansichten oder auch des Mangels an eigentlichen Marineoffizieren.

[108] Clowes, Teil II, Seite 159; du Sein, Teil II, Seite 572; Troude, Teil I, Seite 104.

[109] Witte Cornelius de Witt, 1599 in Brielle geboren, ging mit 17 Jahren zur See und stieg bis zum Admiralleutnant; tüchtig, kampflustig aber hartnäckig, schroff und unbeliebt. Vom Oberkommando entsetzt, diente er später weiter auch unter früheren Untergebenen. Er fiel 1658 in der „Schlacht im Sunde“.

[110] Dänemark hielt zu Holland, indem es mit vertragsmäßig dazu bestimmten Kriegsschiffen holländische Kauffahrer schützte, ja sogar konvoiierte, englische Fahrzeuge dagegen aufbrachte. Das erwähnte englische Geschwader wurde durch Sturm verhindert, etwas zu leisten.

[111] Im „Leben Ruyters“, Seite 30, wird gerade bei dieser Gelegenheit hervorgehoben, daß sich in der Flotte sehr viel eingestellte Kauffahrer befanden, und daß um diese Zeit zuerst dringende Anträge für den Bau von Kriegsschiffen gestellt seien.

[112] Unter den sich besonders auszuzeichnenden Schiffen findet man Namen, die seitdem in der englischen Flotte stets wieder erscheinen: „Victory“, „Vanguard“, „Triumph“ (Blakes Flaggschiff).

[113] Bei diesen Fahrten soll Tromp einen Besen im Topp geführt haben, als Zeichen, daß er den Kanal reingefegt habe. Nach Clowes, Teil II, Seite 174, ist dies eine Sage: Ein Besen im Topp sei damals das Zeichen gewesen, daß das betreffende Schiff zum Verkauf stehe. So sei die Erzählung wohl ein Witzwort von jemandem, der Tromp in St. Martin auf Ré seine Prisen habe verkaufen sehen. Aber auch dann bezeugt der lange Glaube an die Erzählung, daß die Holländer nach Dungeness einige Zeit die Herrschaft im Kanal hatten.

[114] Die Untersuchungsakten liegen nicht mehr vor, so daß der Grund für das Verhalten der Kriegsschiffkommandanten unbekannt ist. Man glaubt, es Einflüssen der royalistischen Partei zuschreiben zu müssen.

[115] Über das Gefecht etwas genauer: Clowes, Teil II, Seite 176; Allen, Teil I, Seite 44; „Vie de Tromp“, Seite 105. Im letzten Angaben über die Schicksale der einzelnen Schiffe und über den Gesamt-Mannschaftsverlust: Engländer 286 Tote, 293 Verwundete; Holländer 123 Tote, etwa ebensoviel Verwundete. Der holländische Admiral van Galen wurde tödlich verwundet.

[116] Schilderung der Schlacht nach Clowes, Teil II, Seite 168; „Vie de Tromp“ und „Leben Ruyters“ geben nur Taten holländischer Schiffe; die wenigen Andeutungen anderer Art weichen oft von Clowes ab.

[117] „Vie de Tromp“, Seite 95.

[118] „Vie de Tromp“, Seite 99 und 101, wörtliche Wiedergabe der Berichte Tromps und Blakes.

[119] Nach „Vie de Tromp“ war der Bau von 30 Schiffen, nach „Leben Ruyters“ Seite 40, sogar der von 60, in zwei Raten, angeordnet; sie werden dort „Fregatten“ genannt (vgl. Seite 164.)

[120] Blake war zur Zeit der Parlamentsauflösung an der Ostküste Englands stationiert, wie man sagt, da Cromwell seiner Zustimmung zu erwähntem Staatsstreiche nicht sicher war. Yonge, Teil I, Seite 72.

[121] Genauer „Vie de Tromp“, Seite 118.

[122] Diese zweitägige Schlacht ist sehr verschieden benannt: Lowestoft; Nieuport; Dünkirchen. Nach dem Ort, an welchem sie begann, scheint mir die Bezeichnung nach Clowes: „Northforeland“ die beste; für den zweiten Tag kann man dann wohl „Nieuport“ annehmen.

[123] Nach Yonge, Teil I, Seite 73, schon in früheren Zeiten in der englischen Marine so bezeichnet.

[124] Nach „Vie de Tromp“, Seite 123 und Allen, Seite 95, trug sich dies erst am 13. zu.

[125] „Vie de Tromp“, Seite 128, Tromps Bericht.

[126] Auch Tromp nennt in seinem Bericht die Verwirrung eine Folge der „Unwissenheit und Unerfahrenheit vieler Kommandanten“.

[127] „Vie de Tromp“, Seite 133; „Leben Ruyters“, Seite 44, geben Näheres.

[128] Diese Verfügungen ebendort, Seite 136 bezw. Seite 44.

[129] Monck führte jetzt allein den Oberbefehl, da Deane gefallen, Blake schwer erkrankt nach England gesandt, ein neuer General zur See noch nicht ernannt war; im Dezember 1653 erfolgte Penns Ernennung nebst der eines dritten, der jedoch nie zur See diente. (Clowes, Teil II, Seite 192.)

[130] „Vie de Tromp“, Seite 139; Tromps Bericht; „Leben Ruyters“, Seite 45.

[131] Vgl. Clowes, Teil II, Seite 195; Allen, Teil I, Seite 48; „Vie de Tromp“, Seite 140.

[132] Clowes, Teil II, Seite 196.

[133] „Vie de Tromp“, Seite 147; ebendort das Begräbnis Tromps.

[134] „Leben Ruyters“, Seite 52.

[135] Das Abschließen des spanischen Antwerpens von der Schiffahrt — die Sperrung der Schelde — war eine wichtige Errungenschaft Hollands im Westfälischen Frieden gewesen.

[136] Zimmermann, Band II, Seite 142, nennt 85 000 Lstrl. (und Herausgabe der Banda-Insel Palaroon) an die ostindische Kompagnie und 3600 Lstrl. an die Erben der Amboinakaufleute. Clowes, Teil II, Seite 200, spricht von 140 000 Lstrl. für den Schaden des Ostseehandels und von 900 000 Lstrl. als Gesamtbetrag aller Forderungen.

[137] Colomb, Kap. I. „The nature of naval warfare“ mit folgender Disposition: Ein wirklicher Seekrieg ist erst möglich, wenn im Seehandel ein großer Teil des Reichtums eines Landes ruht und wenn Schiffe vorhanden sind, die die See halten können. Er war mithin vor der Zeit Elisabeths ausgeschlossen. Erst im Spanischen Kriege wurden diese Voraussetzungen erkannt, besonders von den Admiralen Raleigh und Monson, Das erste Ziel des Seekrieges ist also die Beherrschung der See.

[138] Als ein krasses Beispiel der Unbotmäßigkeit in der holländischen Marine sei noch erzählt, daß, als 1652 der beliebte Admiral Tromp durch den unbeliebten de Witt im Oberbefehl ersetzt wurde, das bisherige Flaggschiff „Brederode“ sich weigerte, de Witt an Bord zu nehmen; er war genötigt, seine Flagge auf einem anderen Schiffe zu heißen.

[139] Colomb, Kap. II, „The struggle for the command of the sea“ bespricht die Strategie im ersten Kriege nach folgender Disposition: „Ein wirklicher Seekrieg kann geführt werden, wenn genügend Eigentum auf dem Meere liegt, um dem Verluste eine ernste Bedeutung zu geben, und wenn seefähige Schiffe zum Angriff vorhanden sind. — Der Seehandel kann unmittelbar angegriffen und verteidigt werden, wie im ersten Abschnitt dieses Krieges; er kann vernichtet werden, nachdem zunächst die Seeherrschaft durch Niederkämpfung der feindlichen Flotte errungen ist, wie im späteren Abschnitt. — Mit einzelnen Siegen aber wird die Seeherrschaft nicht dauernd errungen, wenn die besiegte Macht nicht auch vernichtet ist. Die Siege, die von beiden Parteien errungen sind, waren nur Schritte auf dem Wege zur Seeherrschaft; der Kampf um diese war beim Friedensschlusse noch nicht beendet.“

Wir folgen im großen ganzen dieser Disposition.


[236]

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Viertes Kapitel.
Nebenkriege 1654–1665.

England-Spanien 1654–1659. Holland-Portugal 1656–1661.
Schweden-Dänemark 1655–1660. Frankreich-Spanien 1635–1659.

Vor der Schilderung des nächsten großen Seekrieges zwischen England und Holland müssen wir uns mit einigen Nebenkriegen beschäftigen, in denen die Flotten dieser Staaten eine Rolle spielen.

England[140] befand sich nach dem Frieden von Westminster und nach dem Abschluß des französischen Handelsvertrages mit allen Völkern im Frieden, es hatte überall seinen Willen erreicht (Seite 229). Cromwell jedoch wünschte einen auswärtigen Krieg, um die Aufmerksamkeit des Volkes von der inneren Politik — der gegen ihn gerichteten Bestrebungen der strengen Republikaner und der Royalisten — abzulenken; er brach einen Krieg mit Spanien vom Zaune. Reibungen mit diesem Staate hatten in Westindien nie aufgehört, da England hier seinen Einfluß und seine Besitzungen zu erweitern fortfuhr und Spanien dies mit den alten grausamen Mitteln zu vereiteln suchte. So war gerade dieser Krieg von religiösem und kommerziellem Standpunkte aus volkstümlich; er versprach außerdem reiche Beute.

Schon im Sommer 1654 wurde die Ausrüstung zweier Flotten betrieben; ihr Zweck ward streng geheim gehalten, so daß man sowohl in Frankreich wie in Spanien in Erwartung eines gegen sich gerichteten Unternehmens stand.

Penn erhielt den Befehl über eine dieser Flotten: 18 Kriegsschiffe — 1 zu 60, 4 zu 54, 3 zu 44, 3 zu 40, 2 zu 36, 4 zu 30 Kanonen —, 20 Transporter. Die kleineren Kriegsschiffe und die Transporter waren vorzugsweise mit Soldaten bemannt, deren insgesamt 3000 Mann unter General Venables eingeschifft waren. Die Expedition segelte am Weihnachtstage 1654 nach Westindien, ihr Erfolg war die Eroberung Jamaicas.

Auf Barbados und anderen englischen Besitzungen wurde die Stärke der Landtruppen nahezu verdoppelt und ein Landungskorps von Matrosen unter dem Vizeadmiral der Flotte formiert. Am 31. März 1655 verließ die Expedition Barbados und landete am 13. und 14. April 7000 Mann auf Haiti in der Nähe der Stadt Domingo unter Venables[237] Befehl, Penn mit der Flotte als Rückhalt. Am 25. wurde jedoch das Landungskorps mit einem Verlust von 1700 Mann völlig geschlagen, die gänzliche Vernichtung soll nur das Matrosenkorps verhindert haben. Die Landoffiziere gaben nun weitere Unternehmungen hier auf, weil sie ihren Truppen, Strafgefangenen und unzuverlässigen königlichen Soldaten, nichts zutrauten.

Um nicht ganz ohne Erfolg heimzukehren, wandte sich die Expedition nach Jamaica und eroberte in wenig Tagen, 10.–17. Mai, die schwach kolonisierte und nur von einer Miliz verteidigte Insel. Diese blieb von jetzt an in englischem Besitz, wenn auch Spanien verschiedene Wiedereroberungsversuche machte und die in die Berge geflüchteten spanischen Kolonisten mit ihren Negersklaven lange noch einen Guerillakrieg gegen die Engländer führten.

Die Landtruppen auf der Insel und einige Schiffe auf der westindischen Station, behufs Schädigung der Spanier, zurücklassend, kehrte Penn nach England heim; er wie Venables kamen wegen des Mißerfolges auf Haiti trotz der wichtigen Eroberung Jamaicas auf kurze Zeit in den Tower.

Die zweite Flotte unter Blake segelte am 29. September 1654 nach dem Mittelmeer. Sie bestand aus 25 Segeln: 1 zu 60, 2 zu 54, 3 zu 50, 1 zu 46, 2 zu 40, 4 zu 36, 2 zu 34, 2 zu 32, 1 zu 30, 2 zu 22 Kanonen und 5 kleineren.

Blake hatte den Befehl, vorläufig nichts gegen Spanien zu unternehmen. Der Krieg war ja noch nicht erklärt und man wollte die Abfahrt der spanischen Silberflotte nicht stören, um sie womöglich in die Hände Penns fallen zu lassen — Penns Expedition geschah wieder einmal nach dem alten Grundsatz: „Kein Frieden gilt unter der Linie“, d.h. in außereuropäischen Gewässern —, im Gegenteil, es sollte den Anschein haben, als ob die Flotte Blakes nur zum Nutzen Spaniens wirke, indem sie gegen die Barbaresken vorging. Ihre erste Tat war auch die in ihrer Art berühmte Vernichtung einer tunesischen Flotte unter den Befestigungen von Tunis.

Blake machte zunächst eine Demonstration gegen den Papst und gegen den Herzog von Livorno wegen ihrer Unterstützungen des Prinzen Ruprecht nach der Revolution und der Holländer im ersten Kriege. Später ging er nach Tunis, wo eine Flotte für den Sultan ausgerüstet wurde. Am 4. April 1655 griff er diese, neun noch ungetakelte aber armierte Schiffe, unter den Kanonen der Forts von Porto Farina an, die erste große Tat dieser Art, wie er uns schon als erster Angreifer von Landbefestigungen aus den Operationen gegen die königstreuen Kanalinseln bekannt ist (Seite 198). Er teilte seine Flotte in zwei Divisionen und schickte die leichten Schiffe gegen die feindlichen Fahrzeuge, die schweren gegen die Forts. Seine schweren Schiffe nahmen trotz des heftigsten Feuers in vollster Ordnung ihre Plätze ein und kämpften vermöge ihrer guten artilleristischen Ausbildung die Forts nieder, dann wurden die feindlichen Schiffe durch die armierten Boote genommen.

Mittlerweile war Penns Auftreten in Spanien bekannt geworden, und nun erhielt Blake den Befehl, die spanischen Küsten zu blockieren, um die Silberflotte abzufangen und das Entsenden von Verstärkungen nach Westindien zu hindern. Der Zustand der Schiffe und seine eigene Gesundheit zwangen ihn jedoch, im Oktober nach England zurückzukehren.

Dem Abschluß des Friedens und des Handelsvertrages mit Frankreich 1655 ließ England bald ein Bündnis mit diesem Staate, der im Kriege mit Spanien war, folgen. Nun wurde auch englischerseits der Krieg erklärt;[238] er sollte die letzte große Tat Blakes, die Vernichtung der Silberflotte vor Teneriffa, 1656, bringen.

Im Frühjahr 1656 führte Blake eine große Flotte an die spanische Küste und hielt dort trotz seiner gebrochenen Gesundheit ein Jahr die Blockade aufrecht. Einige seiner Schiffe brachten zwei Fahrzeuge der spanisch-westindischen Flotte auf, so reich beladen, daß der Transport der Beute an Gold, Silber und Juwelen von Portsmouth nach London 38 Wagen erforderte. Im Frühjahr 1657 erhielt Blake die Nachricht von der Heimkehr einer neuen Silberflotte, er ging ihr entgegen und traf sie in Sta. Cruz auf Teneriffa. Die Spanier waren auf den Angriff vorbereitet, hatten die Schätze gelandet, die Befestigungen verstärkt und die Schiffe zur Rückfahrt nach Westindien klargemacht. Zur eigenen und der Stadt Verteidigung waren 10 Schiffe im Halbkreis längs der Bucht nördlich von der Stadt verankert, die 6 schwersten Galeonen dagegen vor diesen in Linie vermoort, was ein Fehler war, denn sie maskierten das Feuer der anderen 10 Schiffe.

Die Windverhältnisse der Rhede von Sta. Cruz sind einem Angriff unter Segel sehr ungünstig. Entweder weht ein unbeständiger Landwind, der angreifende Schiffe der Gefahr aussetzt, bekalmt[141] zu werden, oder eine gleichmäßige frische Seebrise, die wieder ein Abbrechen des Gefechts schwierig, für beschädigte Schiffe fast unmöglich macht. Um so kühner war Blakes Plan: Mit Seewind und Flut anzugreifen, die Schiffe zu zerstören und dann mit der Ebbe wieder das freie Wasser zu gewinnen. Er gelang. Der Admiral selber beschäftigte die Befestigungen nördlich und südlich von der feindlichen Flotte, sein Vizeadmiral ankerte querab der Galeonen, setzte diese außer Gefecht und enterte sie. Als nun die Forts ihr Feuer auf die Prisen richteten, ließ Blake diese und auch die kleineren Schiffe in Brand setzen. Das Glück begünstigte das Unternehmen. Als die Ebbe einsetzte, kam eine sonst seltene, stetige Landbrise auf und führte die englischen Schiffe sicher von der Rhede; sie hatten zwar nur 40 Tote und 110 Verwundete gehabt, waren aber doch stark beschädigt. Wenn auch keine Beute gemacht werden konnte, so war doch der Verlust der Spanier durch Vernichtung der ganzen Flotte groß.

Blake hatte hier wiederum gezeigt, daß Schiffe mit Erfolg Küstenbefestigungen bekämpfen konnten; schon Schriftsteller seiner Zeit bezeichnen ihn als den ersten Führer, der solches gewagt habe. Er starb, nachdem er noch bis zum Juli die Blockade an den spanischen Küsten geleitet hatte, auf der Rückreise nach England am 7. August 1657 unmittelbar vor dem Einlaufen in Plymouth.

Die Geschichte Englands bietet nun bis 1665 besonderes nicht mehr. Die spanischen Küsten wurden weiter blockiert. Die englische Flotte unterstützte durch Blockade die Wegnahme Dünkirchens durch die Franzosen 1658. Die Stadt fiel nach dem Pyrenäischen Frieden 1659 laut Vertrag an England, doch verkaufte sie Karl II. 1662 an Louis XIV.; ein ungeheurer Fehler, denn sie wurde ein wichtiger Stützpunkt für die Franzosen, besonders später für den Freibeuterkrieg gegen England.

Die Jahre 1658 und 1659 brachten Flottendemonstrationen nach der Ostsee, wo England, Holland und Frankreich bestrebt waren, weder Dänemarks noch Schwedens Macht zu groß werden zu lassen, sich aber auch gegenseitig eifersüchtig beobachteten (schwedisch-polnischer Krieg). Im Anfang der sechziger Jahre endlich wurden weitere Expeditionen gegen[239] die Barbaresken sowie zur Einsetzung der englischen Macht in Tanger, das als Mitgift seiner portugiesischen Gemahlin an Karl II. (wie auch Bombay) gefallen war, übernommen. 1660 führte ein Geschwader unter Montagu den König Karl II. von Holland nach England hinüber; in der Marine waren Montagu, Lawson und Penn die Hauptförderer der königlichen Sache gewesen.

Holland.[142] Nachdem im ersten englisch-holländischen Kriege die Engländer das Mittelmeer geräumt hatten, waren auch die holländischen Seestreitkräfte dort sehr vermindert. Infolgedessen nahm der Seeraub durch die Barbareskenstaaten wieder überhand; kleinere Flotten derselben schlossen fast die Straße von Gibraltar und dehnten ihre Züge bis zur portugiesischen Küste aus. Nach dem Friedensschluß wandte sich auch Holland, wie England, gegen dieses Unwesen und Ruyter führte in den Jahren 1654–1657 mit Erfolg drei Züge dorthin.

1656 erklärte Holland den Krieg an Portugal, nachdem es vergeblich die Rückgabe seiner früheren Besitzungen in Brasilien und Westafrika sowie eine große Geldentschädigung verlangt hatte. Noch in demselben Jahre wurde eine Flotte unter dem Leutnantadmiral Wassenaer zur feindlichen Küste gesandt, die, als Ruyter vom Mittelmeer aus zu ihr gestoßen war, aus 28 Segeln bestand. In drei Geschwader geteilt, blockierte sie die Küsten und brachte viele reiche Kauffahrer, besonders Zuckerschiffe aus Brasilien, auf; 1658 führte Ruyter 22 Schiffe, alle von der Admiralität Amsterdam gestellt, zu gleichem Zweck dorthin. Zum Schlagen kam es nie, da die portugiesische Flotte die Häfen nicht verließ. — Dieser Krieg konnte jedoch überhaupt nicht mit voller Energie fortgeführt werden, da man bald die Seestreitkräfte im Norden nötiger brauchte; weitere Feindseligkeiten spielten sich nur in Indien ab, bis 1661 ein Frieden geschlossen wurde, in dem Holland gegen eine Zahlung von 8 Millionen Gulden und freien Handel in allen portugiesischen Kolonien auf Brasilien und die strittigen Punkte in Westafrika verzichtete.

Im Norden spielte sich seit 1655 der schwedisch-polnisch-brandenburg-dänische Krieg 1655–1660 ab, in den Holland tätig eingriff, weil es die Erfolge Schwedens mit Besorgnis für seinen so wichtigen Ostseehandel ansah. Wie immer ein Freund der schwächeren Macht in der Ostsee — wir sahen es auf seiten Dänemarks gegen die Hansa, dann auf seiten Schwedens gegen Dänemark —, trat Holland jetzt auf seiten Dänemarks.

Der schwedisch-polnische Krieg:[143] Die Kämpfe um die Herrschaft in der Ostsee, das Erstarken Schwedens in ihnen haben wir bis 1648 verfolgt (Seite 110). 1655 griff Karl X. Gustav von Schweden den König Johann Kasimir von Polen, der Ansprüche auf die Thronfolge in Schweden erhob, von Pommern und Litauen aus[240] an. Da ein Teil der Polen zu ihm überging, hatte er zunächst großen Erfolg; nach kurzer Zeit war fast ganz Polen in seiner Hand, und der Kurfürst von Brandenburg zur Neutralität gezwungen. 1656 wurde auch Westpreußen bis auf die Stadt Danzig, die von einer holländischen Flotte geschützt wurde, erobert. Durch Wiederabfall der Polen gefährdet, gewann der Schwedenkönig sich den Beistand Brandenburgs und erfocht mit ihm den glänzenden Sieg bei Warschau 28./30. Juli 1656.

Nun aber trat ihm eine Liga von Rußland, dem Kaiser und Dänemark entgegen, der sich später auch Brandenburg anschloß. Dänemark glaubte, diese Gelegenheit benutzen zu können, um die Verluste des Friedens von Bromsebrö 1645 wieder gut zu machen.

Karl Gustav warf sich mit aller Kraft auf Dänemark. Seine Flotte wurde zwar zunächst von der dänischen in Schach gehalten, aber mit der Armee eroberte er über Pommern, Mecklenburg, Holstein, schließlich im Januar 1658 über die gefrorenen Belte vordringend, Fünen, Langeland, Laaland, Moen, ging nach Seeland über und belagerte, nun auch von der Flotte unterstützt, Kopenhagen.

So erzwang er den Frieden von Roeskild, 26. Februar 1658, worin Dänemark die Provinzen Bleckingen, Schonen, Halland, Bohuslän, Drontheim, sowie die Insel Bornholm abtrat und dem Vorschlage beistimmte, gemeinsam mit Schweden den Sund für fremde Kriegsschiffe zu schließen. Schweden war zum Frieden geneigt geworden, weil ein polnisch-brandenburg-kaiserliches Heer Dänemark zu unterstützen drohte.

Die Sperrung des Sundes durchzuführen, zeigte sich aber Dänemark nicht gewillt, wozu es wohl durch Holland und England in deren eigenem Interesse bewogen oder gar genötigt wurde. Da griff Karl Gustav im August 1658 unversehens aufs neue an. Nach den schnellen Erfolgen des vorigen Feldzuges hoffte er wohl durch völlige Niederwerfung Dänemarks den alten Gedanken der Kalmarischen Union jetzt verwirklichen zu können. Er bemächtigte sich Korsörs und belagerte wiederum Kopenhagen, von den anderen Inseln waren seine Truppen noch gar nicht zurückgezogen. Die Stadt verteidigte sich tapfer und wurde durch die blutige Schlacht im Sunde von einer holländischen Flotte wenigstens auf der Seeseite entsetzt; die Belagerung zu Lande dauerte fast bis zum Friedensschlusse.

Im weiteren Verlaufe des Krieges (1659) eroberten die festländischen Verbündeten Dänemarks: Pommern, Schleswig-Holstein, Jütland, Alsen, Fünen (Nyborg 14. November); an dieser letzten Waffentat nahm wiederum eine holländische Flotte großen Anteil.

Holland, England und Frankreich, die keine der beiden Mächte in der Ostsee zu stark werden lassen wollten, hatten sich im Haager Konzert, Mai 1659, vereinigt, um Frieden zu vermitteln. England und Frankreich war der von Holland im Norden erlangte Einfluß zu bedeutend geworden, und so mischten auch sie sich kräftiger ein, sobald die Aussicht auf Frieden mit Spanien ihnen freiere Hand ließ. Die Vermittlung blieb bei der Hartnäckigkeit des Schwedenkönigs längere Zeit ohne Erfolg und eine schnellere kriegerische Entscheidung durch die holländische Flotte auf seiten Dänemarks wurde wieder durch die Anwesenheit einer englischen Beobachtungsflotte und durch die diplomatische Vertretung Frankreichs gehindert. Erst nach dem Tode Karls X. Gustavs, im Februar 1660, kam es im Juni 1660 zum Frieden von Kopenhagen zwischen Dänemark und Schweden (im Mai schon zu Oliva zwischen Schweden und Brandenburg-Polen). Die Bedingungen für das geschlagene Schweden waren sehr günstig: dieselben, die das siegreiche im Frieden von Roeskild errungen hatte; nur blieben jetzt Bornholm und Drontheim bei Dänemark und, das Wichtige für die Vermittler, die geplante Sundsperre fiel weg.

Schweden hatte seine Grenzen endgültig an den Sund und an das Kattegat gerückt, hatte die Mitherrschaft über die Einfahrt in die Ostsee errungen, ja, war die erste Macht in der Ostsee geworden.

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Jakob van Wassenaer.

Die Beteiligung der holländischen Marine an diesem Kriege ist sehr bedeutend, während die zur Ostsee entsandten englischen Flotten nirgends[241] tätlich eingriffen. In der ersten Zeit des schwedisch-polnischen Krieges verstärkte Holland nur den Schutz seiner Handelsschiffe in der Ostsee, als aber Karl X. Gustav 1656 Danzig bedrohte und man fürchtete, daß diese Kornkammer geschlossen, sowie Ein- und Ausfuhr im Osten zu sehr von den Schweden abhängig werden könnte, beschloß man einzugreifen, um wie elf Jahre vorher zur Erhaltung des Gleichgewichtes in der Ostsee beizutragen. Der Leutnantadmiral Wassenaer,[144] unter ihm Ruyter als Vizeadmiral, führte eine große Flotte nach Danzig, deren Erscheinen im Juli 1656 die Stadt vor der Übergabe rettete und die holländischen Handelsverhältnisse vorläufig sicherstellte, bis Dänemark im unglücklichen Frieden von Roeskild gezwungen wurde, dem Vorschlage Schwedens, für fremde Kriegsschiffe den Sund zu sperren, beizustimmen.

Zunächst griff Holland hierauf jedoch noch nicht wieder ein, hoffend, daß diese Bedingung bei Dänemarks Abneigung dagegen nicht durchgeführt werden würde. Als aber nach dem neuen Angriff Schwedens 1658 die Kriegslage sofort für Dänemark so ungünstig stand und Karl Gustav Kopenhagen zu Wasser und zu Lande hart bedrängte, ergriff man die Offensive. Wieder führte Wassenaer eine Flotte von 35 Kriegsschiffen nach dem Sunde mit dem Befehle: Truppen zur Unterstützung Kopenhagens zu landen, beschlagnahmte Kauffahrer zu befreien und die schwedische Flotte bei günstiger[242] Gelegenheit zu schlagen; sollten Kopenhagen und Kronenburg schon genommen sein, sei der Sache Dänemarks nach eigenem Ermessen bis zum Eintreffen weiterer Befehle zu nützen.

Die Flotte setzte sich zusammen aus: 1 Schiff zu 72 Kanonen; 1 zu 59; 1 zu 50 — die drei Flaggschiffe —; 10 zu 40–42; 12 zu 30–38; 8 zu 26–28; 2 zu 22–23 Kanonen. Hierzu traten 6 Transporter zu 16–24 Kanonen mit 2000 Soldaten, 28 Transporter mit Proviant usw. für die Flotte und für Kopenhagen. Die Vorhut — 11 Schiffe, 1 Brander — führte Admiralleutnant de Witt; das Zentrum — 13 Schiffe, 2 Brander — der Flottenchef, die Nachhut — 11 Schiffe, 1 Brander — Vizeadmiral Floriszoon.

Wassenaer erschien am 3. November 1658 vor dem Sunde und mußte hier wegen widriger Winde zu Anker gehen. Kronenburg war bereits gefallen und der Sund hinter der Linie Kronenburg-Helsingborg durch die schwedische Flotte gesperrt. Diese unter dem Admiral Karl Gustav Wrangel war in vier gleichstarke Geschwader geteilt und bestand aus 38 (44?) Kriegsschiffen, die den holländischen mindestens gewachsen waren, wahrscheinlich waren sogar mehr schwerere darunter; ein großer Teil der Schiffsbesatzungen bestand aus englischen und deutschen Seeleuten, viele der Schweden hatten in Holland gedient.

Am 8. November kam frischer Nordwind auf, Wassenaer lichtete mit Tagesanbruch Anker und passierte zwischen den beiden Befestigungen, wider Erwarten ohne von ihrem Feuer zu leiden, da die meisten Kugeln die Mitte des Fahrwassers nicht erreichten — Karl Gustav befand sich auf Kronenburg und soll eigenhändig das erste Geschütz abgefeuert haben. Zwischen 10 und 11 Uhr vormittags stieß die holländische Flotte auf die schwedische. Der Verlauf der Schlacht im Sunde ist aus den sonst ausführlichen Quellen nicht zu ersehen; sie geben wie üblich nur die Erlebnisse einzelner Schiffe, besonders der Flaggschiffe (Gruppentaktik).

Anzunehmen ist, daß beide Flotten in Kiellinie waren, die Schweden „beim Winde“ den Feind erwartend, und daß die Holländer durch Einbrechen in die feindliche Linie sofort die Melee herbeiführten, wie wir es meist bei ihnen sahen. Kurze Andeutungen scheinen dies zu bestätigen: de Witt läuft bei der feindlichen Vorhut vorbei, ohne ihr Feuer zu erwidern, und greift den feindlichen Oberbefehlshaber an. Gleich darauf erscheint Wassenaer an derselben Stelle, und de Witt finden wir im Kampf mit dem feindlichen Vizeadmiral. Diese beiden Gegner treiben mit dem Strom auf Grund, de Witt wird von einer Anzahl Feinde umringt, enfiliert, geentert, ohne Hilfe zu erhalten, und fällt mit dem Degen in der Faust. Wassenaer setzt Wrangel außer Gefecht (Ruderhavarie), der sich unter Kronenburg zurückziehen muß, wird aber selbst hart bedrängt und erhält erst später Entsatz. Besonders hervorgehoben wird, daß überall die holländischen Flaggschiffe am kräftigsten angegriffen werden; auch Floriszoons Schiff ist längere Zeit in großer Gefahr, er selber fällt. Es scheint also, als ob die Schweden ihre Ordnung besser bewahrt, ihre Schiffe besser zusammengehalten haben, vielleicht unterstützt durch Kenntnis des Fahrwassers und der Stromverhältnisse. Schließlich muß aber doch die größere Kriegstüchtigkeit der Holländer den Ausschlag zu ihren Gunsten gegeben haben.

Der Kampf endete mit dem Siege der Holländer. Der Verlust der Schweden war: 3 Schiffe genommen, 8 vernichtet, 1000 Tote, 450 Gefangene; die Holländer verloren nur das Schiff de Witts (die alte berühmte „Brederode“;[243] sie wurde geentert, sank aber später), 400 Tote, 3 Brander. Obgleich die Schweden nach etwa 5–6 Stunden zu Luward standen und die Holländer mit Wind und Strom südlich getrieben waren, brechen jene das Gefecht ab und gehen unter den Schutz von Kronenburg. Sie gaben also den holländischen Kriegsschiffen und den mit Proviant versehenen Transportern den Weg nach Kopenhagen frei und standen zur See von der Belagerung der Stadt ab. Von Kronenburg aus ging die schwedische Flotte, mit dem König an Bord, bald darauf nach Landskrona, allerdings ihrerseits nun auch unbelästigt durch die holländische oder dänische Flotte.

Wassenaer war nach der Schlacht sundaufwärts gegangen, traf bei der Insel Hven einen Teil der dänischen Flotte unter Admiral Bielke, der durch den Nordwind am Erscheinen in der Schlacht verhindert worden war, und ankerte an der Küste Seelands nördlich von Kopenhagen; verschiedene Schiffe mußten zur Ausbesserung nach der Stadt. Am 9. trafen dort auch die Transporter mit den Soldaten und Lebensmitteln ein, wodurch die Verteidigung der Stadt wesentlich unterstützt wurde.

An einem der nächsten Tage ging Bielke mit seinen und einigen holländischen Schiffen nach Hven, um die schwedische Flotte abzufangen oder doch in Landskrona durch Versenken von Fahrzeugen einzuschließen. Zum Abfangen kam man aber zu spät und das Einschließen wurde auch nur unvollkommen erreicht; ein Angriff mit Brandern wurde abgeschlagen.

Wassenaer führte in seinem Berichte an, viele der Kommandanten hätten nur lau gefochten und die Admirale im Stich gelassen, wenigstens nicht genügend unterstützt — eine Klage, die wir bereits aus dem ersten großen Kriege kennen. Es erregte diese Äußerung Ärgernis in den Provinzen von Holland, besonders in Amsterdam, da doch bei etwa gleichen Kräften ein großer Erfolg erzielt war. Wassenaer wurde deshalb nach seiner Rückkehr zur Rede gestellt und ihm dabei vorgehalten, er habe vor der Schlacht, wie doch vorgeschrieben oder üblich, keinen Kriegsrat gehalten; seine Unterführer hätten keine Instruktionen gehabt, andernfalls würden seine Schiffe nicht so bald nach dem Zusammenstoß über den ganzen Sund zerstreut gewesen sein und die Niederlage der Feinde wäre eine noch weit größere geworden.

Man nahm auch die Gelegenheit wahr, ihm eine nicht genügende Ausnützung des Sieges vorzuwerfen; er habe ein zweites Mal angreifen oder doch dem Feinde den Weg nach Landskrona verlegen müssen; wenigstens habe er später die Operationen gegen genannten Hafen energischer betreiben und selbst leiten müssen, anstatt sogar holländische Schiffe einem dänischen Admiral zu unterstellen. Die Angelegenheit verlief im Sande, vielleicht durch den Einfluß der Generalstaaten, aber auch die Untersuchung gegen die angeklagten Kapitäne wurde niedergeschlagen.

Man muß wohl zugeben, daß die holländische Flotte mehr hätte leisten können. Aber lag dies in der Politik der Generalstaaten? Der Wunsch, Schweden nicht ganz niederzuwerfen, zeigt sich während des ganzen Krieges, wie wir noch sehen werden; auch Dänemark sollte nicht zu mächtig werden, nur Frieden und Gleichgewicht wollte man in der Ostsee haben. So erhielt Wassenaer jetzt schon den Befehl, die genommenen Kriegsschiffe an Dänemark auszuliefern, aufgebrachte Kauffahrer aber an Schweden zurückzugeben, falls von dort das Gleiche geschähe. Im[244] Sinne dieser Politik war es auch, daß man nach der Schlacht den Beschluß faßte, zwar noch mehr Truppen unter Bedeckung einiger Kriegsschiffe nach Kopenhagen zu werfen, den größten Teil der Flotte jedoch aus Sparsamkeitsgründen zurückzuziehen. Diese Absicht wurde scheinbar nur aufgegeben, da auch England die Entsendung einer großen Flotte vorbereitete. Der Transport erschien hierdurch gefährdet, die weitere Anwesenheit starker Kräfte anderseits nötig. England war, wie auch Frankreich, argwöhnisch auf den in der Ostsee erlangten Einfluß Hollands geworden; schon 1658 hatte sich dort ein englisches Geschwader gezeigt und 1659 ging in der Tat wiederum eine starke Flotte (42 Segel) unter Montagu dahin ab, die wohl in erster Linie die Aufgabe hatte, die Holländer zu beobachten und gegebenenfalls in Schach zu halten.

So sandte man denn trotz des in der Heimat auftretenden Mannschaftsmangels — die Hochseefischerei mußte teilweise eingestellt werden — eine zweite starke Macht von 39 Kriegsschiffen, 3 Brandern mit 1743 Geschützen und 7700 Mann unter Ruyter, der eben aus dem Mittelmeer zurückgekehrt war, zur Verstärkung Wassenaers ab. 4000 Mann, auf einigen Transportern meist aber auf den Kriegsschiffen eingeschifft, waren zur Verstärkung Kopenhagens bestimmt; ein Konvoi von Kauffahrern schloß sich an. Als Ruyter im Juni 1659 zu Wassenaer gestoßen war, zählte die Gesamtflotte 80 Kriegsschiffe mit 12 900 Mann, ausschließlich der erwähnten 4000 Soldaten; sie war stark genug, wenn erforderlich, der eingetroffenen englischen Macht entgegenzutreten. Vorläufig sollte jedoch die Flotte nicht eingreifen und auch die Truppen durften nicht ausgeschifft werden. Im Haager Konzert war unmittelbar nach Ruyters Abfahrt vereinbart, daß zunächst nichts unternommen, sondern nur durch die Anwesenheit der Flotten auf einen Frieden — mit den Bedingungen von Roeskild, aber ohne die Sundsperre — hingewirkt werden solle. Die Frist der Waffenruhe für die holländischen Streitkräfte wurde in der Folge immer weiter verlängert, und es ist interessant, ihre Bewegungen[145] unter steter Beobachtung der englischen zu verfolgen. Die französischen Diplomaten wirkten in demselben Sinne. Die Friedensverhandlungen kamen aber nicht vorwärts. Vor allem wollte Karl Gustav die Sundschließung nicht aufgeben, obgleich der holländische Gesandte auf die Nutzlosigkeit dieser Maßnahme hinwies, indem er sagte: „Ich habe die Schlüssel zum Sunde (die holländischen Kriegsschiffe) doch schon in Amsterdam liegen sehen.“

Erst als am 5. September 1659 Montagu mit der englischen Flotte nach der Heimat abging — unter dem Vorwande, neu ausrüsten zu müssen, in Wahrheit aber, um Monck bei Einsetzung Karls II. zu unterstützen —, kam die holländische Flotte wieder in Tätigkeit. Es folgen nun Operationen an der Küste Schwedens und der Teile Dänemarks, die noch in schwedischem Besitze waren. Sie werden größtenteils geleitet von Ruyter, unter ihm[245] Cornelis Evertsen jun., da Wassenaer Anfang November nach Abgang der Engländer gleichfalls mit etwa 20 Schiffen zurückgezogen war, wie denn auch ein weiterer Teil der Flotte zum Handelsschutz abgezweigt wurde.

Die erste und Hauptaktion war die Unterstützung des Angriffs der festländischen Verbündeten Dänemarks von Deutschland aus, der Haupterfolg die Eroberung Fünens mit der Stadt Nyborg 1659.

Ruyter führte auf seinen und den dänischen Schiffen ein dänisches Heer von 5200 Reitern und 4600 Mann Fußvolk unter General Schack von Kiel nach dem stark besetzten Fünen. Ein Teil seiner Schiffe war nach dem kleinen Belt gesandt worden, um die Aufmerksamkeit der Schweden dorthin zu ziehen und um den Übergang eines brandenburgisch-kaiserlich-polnischen Heeres — General von Eberstein mit 4000 Reitern und wenig Fußvolk[146] — nach Fünen bei Middelfart zu unterstützen.

Auf Fünen standen etwas über 7000 Schweden, davon 4500 Reiter, unter dem General Steenbock und dem Prinzen von Sulzbach. Ruyter und Schack versuchten am 8. November vergeblich, die Landung bei Nyborg zu erzwingen, aber am 10. gelang es unter Ruyters persönlicher Führung, bei Kerteminde trotz schwedischer Schützengräben Fuß zu fassen und in zwei Tagen auch die ganze Reiterei auszuschiffen. Am 14. war Eberstein nach Fünen hinübergegangen, und beide Heere vereinigten sich am 19. bei Odense. Die Schweden wurden auf Nyborg gedrängt und am 22. unter schweren Verlusten aus ihrer starken Stellung eine Meile vor der Stadt in diese hineingeworfen; bei dem Treffen sollen sich besonders die Holländer ausgezeichnet haben. Bei der nun folgenden Belagerung Nyborgs bringt die holländische Flotte die, Stadt und Hafeneinfahrt, deckenden Werke zum Schweigen, legt sich zum Teil in den inneren Hafen und bombardiert, so daß die Stadt am 25. auf Gnade und Ungnade übergeben werden muß und die Insel für die Schweden verloren ist. Die Schweden verloren 2000 Tote und 5000 Gefangene, die Verbündeten nur 500 Tote.

Ruyter ging dann zum Ausrüsten nach Lübeck und von dort nach Kopenhagen. Die naheliegende weitere Unterstützung, die Truppen nach Seeland zum Entsatze der Hauptstadt überzuführen, scheint wiederum unterblieben zu sein, um Schweden nicht zu sehr niederzuwerfen, England und Frankreich nicht zu reizen, wenn auch als Grund die vorgerückte Jahreszeit angegeben wurde.

Im Winter 1659/60 fror die Flotte vor Kopenhagen ein, und nun unterstützte Ruyter die Verteidigung, da mit dem Falle der Stadt auch seine Flotte arg gefährdet gewesen wäre; er sandte Soldaten und Matrosen in die Werke und ließ die Schiffe durch Aufhauen des Eises gegen Entern schützen. Vom Aufgehen des Eises bis zum Friedensschlusse erfolgten nur noch kleinere Bewegungen zur Überwachung der schwedischen Flotte, da sich mit dem Tode Karl Gustavs die Friedensaussichten sofort günstiger stellten.

Die Erfolge in der Ostsee hatten den alten Ruf der holländischen Marine, der durch den unglücklichen englisch-holländischen Krieg gelitten hatte, wieder hergestellt.

[246]

In den Jahren 1661–1663 und auch 1664 wurde Ruyter, einmal auch Tromp jun., ins Mittelmeer gesandt. Während Holland im Norden beschäftigt war, hatten die Seeräubereien der Barbaresken aufs neue überhand genommen. Verschiedentlich wurden zwar Verträge abgeschlossen oder Verträge erzwungen, doch wurden diese immer wieder von den Barbaresken gebrochen. Im ersten Jahre hatte der Admiral noch den geheimen Befehl, Spaniens Silberflotten zu schützen, als England und Portugal mit Spanien im Kriege waren. Es ist dies wieder ein bemerkenswertes Kennzeichen damaliger Verhältnisse, denn eben hatte Holland mit Portugal Frieden geschlossen. Dieser Friede wurde aber erst 1662 ratifiziert und gegenseitige Schädigungen, sowie dadurch hervorgerufene Gewaltmaßregeln hörten selbst dann noch nicht auf. In den späteren Jahren kam es in den spanischen Gewässern, sogar bei gemeinsamem Vorgehen gegen die Barbaresken, schon zu Reibungen mit England, oft nur wegen Etikettenfragen. 1664 erfolgte ein Zusammenstoß ernsterer Art an der Westküste Afrikas, der mit Anlaß zum zweiten Kriege gab (vergl. Seite 252).

Wir müssen auch Frankreich[147] kurz berühren. Der Krieg mit Spanien, der 1635 ausgebrochen war, als Richelieu auf seiten Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg eintrat (Seite 109), wurde nach dem Westfälischen Frieden fortgeführt. Er spielte sich zu Lande in den spanischen Niederlanden, an der spanischen Grenze aber auch in den spanischen Besitzungen Italiens und in den nördlichen Provinzen Spaniens ab, da Frankreich verschiedene Aufstände in Katalonien, Aragonien, dem Königreich beider Sizilien sowie auch den Abfall Portugals für seine Zwecke ausnutzte. Die von Richelieu neu gegründete Flotte nahm daran lebhaften Anteil durch Unterstützung der Landheere, durch Angriffe auf Küstenstädte und auf die feindliche Flotte, um die Verbindung Spaniens mit seinen Nebenländern abzuschneiden. So kam es zu verschiedenen Gefechten nicht unbedeutender Flotten — Kampf um die Lerinischen Inseln, Schlachten bei Guetaria und bei Genua, Cadiz, Tarragona — besonders solange die französische Marine die unter Richelieu († 1642) erlangte Stärke hatte. Bei den Kämpfen im Mittelmeer spielten zwar die Galerenflotten die Hauptrolle; beide Nationen waren etwa gleich stark in dieser Waffe. Es treten aber auch Flotten von Segelkriegsschiffen oder armierten Kauffahrern auf, sowohl in der Biscaya wie im Mittelmeer; in der Schlacht bei Cadiz 1640 soll der französische Admiral de Brézê, zu Luward stehend, sogar schon das Manöver gemacht haben, durch einige seiner Schiffe den Feind dublieren zu lassen. Doch bieten im allgemeinen die Ereignisse nichts derart Wichtiges, um hier näher darauf einzugehen.

Der Bürgerkrieg der Fronde lähmte den Krieg gegen Spanien sehr, besonders auch zur See, da Mazarin nicht mehr die nötigen Mittel für die Marine flüssig machen konnte, und 1652 traf diese der schwere Verlust des Geschwaders unter Vendôme durch Blake (Seite 208), wodurch auch Dünkirchen in die Hände der Spanier fiel. Anderseits wirkte die Flotte[247] mit zur Unterwerfung der Fronde in Bordeaux (1649 und 1653), bei einem letzten Aufstande in Neapel (1653) und schlug die spanische bei Barcelona (1655). Die Macht der spanischen Marine erlahmte immer mehr, weil dieser Staat seit 1654 mit England im Kriege war und seine Küsten blockiert wurden. Nachdem 1657 das Bündnis mit England abgeschlossen war, wurde, wie schon erwähnt, 1658 Dünkirchen mit Unterstützung der englischen Flotte zurückerobert (durch Turenne), zunächst laut Vertrag an England abgetreten, aber 1662 von diesem gekauft. Louis XIV. schuf hier durch Ausbau und Befestigung des schon von den Spaniern gegründeten Kriegshafens einen mächtigen Stützpunkt für seine Seestreitkräfte. 1659 war Spanien gezwungen, Frieden zu schließen — den Pyrenäischen Frieden, ratifiziert 1661. Es verlor die Provinzen nördlich von den Pyrenäen, sowie Teile und verschiedene wichtige Plätze seiner Niederlande; hierdurch näherte sich das immer mächtiger werdende Frankreich den Grenzen Hollands. Der Krieg hatte die Wichtigkeit einer starken Marine für Frankreich gezeigt und Louis XIV. (Colbert) wandte ihr von jetzt ab, allerdings auch für kolonialpolitische Ziele, die größte Sorgfalt zu. In Hinsicht auf diese Punkte hat der französisch-spanische Krieg wohl Interesse für uns. Verwicklungen mit Holland sollten bald eintreten und die neue französische Marine kam zur Geltung; vor ihrem Auftreten im Norden erhielt sie ihre Feuertaufe in Kämpfen gegen die Barbaresken 1664 und 1665.

Auf einen venetianisch-türkischen Krieg 1645–1669, in dem Frankreich auftrat, soll bei späteren Kriegen zwischen diesen Staaten am Ende des Abschnittes näher eingegangen werden.

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Fußnoten:

[140] Näheres Clowes, Teil II, Seite 201; Zimmermann, Band II, Seite 136.

[141] Durch die Nähe des Landes in Windstille zu geraten.

[142] Hauptquellen: De Jonge, Teil I; „Vie de Tromp“; „Leben Ruyters“, in beiden letzten genaue Beschreibung der Züge nach Mittelmeer, Portugal und Ostsee.

[143] Genaueres über die Tätigkeit der nordischen Flotten in den auf Seite 44 u. 109 gegebenen Quellen. Über ihre Stärke um 1655 vergl. Seite 148.

[144] Nach dem Tode Tromps in der Schlacht von Scheveningen wurde Jakob van Wassenaer, Heer van Opdam, ein Kavallerieoffizier von hoher Geburt, zum Leutnantadmiral von Holland und Westfriesland ernannt. Die drei Provinzen von Holland wagten nicht, ihren nächstältesten Vizeadmiral Witte de Witt dazu zu befördern, da er zu unbeliebt bei seinen Untergebenen war. Um alle Unzufriedenheit durch ein Übergehen zu vermeiden, wählten sie diesen Mann von hoher Geburt. Aus denselben Gründen den Admiralen Seelands gegenüber bestätigten die Generalstaaten Wassenaer auch in der Stellung als Oberbefehlshaber der Gesamtstreitkräfte, er trat aber als solcher während des ersten Krieges nicht mehr in Tätigkeit. Die Ernennung erregte böses Blut bei allen Seeoffizieren. W. selbst versuchte den Posten abzulehnen; später wurde ihm, wie wir sehen werden, oft der Vorwurf gemacht, seine Stellung nicht richtig ausgefüllt zu haben.

[145] Sehr genau im „Leben Ruyters“; dort auch die Orders der Generalstaaten, der Verlauf der Friedensverhandlungen usw.

[146] Ich erinnere daran, daß seit der letzten Zeit des Dreißigjährigen Krieges eine Zeitlang die Kavallerie in den Heeren häufig überwog, daß aber ein Teil davon, die Dragoner, vorzugsweise zu Fuß focht.

[147] Du Sein, Teil II, zählt die Gefechte auf; Chab.-Arnault etwas genauer.


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Fünftes Kapitel.
Der zweite englisch-holländische Krieg 1665–1667.

Die politische Lage um 1662. Gründe des Krieges. Die Betrachtung der „Nebenkriege“ hat uns bis in den Anfang der sechziger Jahre geführt und gezeigt, daß um diese Zeit in den europäischen Gewässern überall Frieden war. Aber der zweite englisch-holländische Krieg lag in der Luft, und in diesem trat Frankreich (sowie auch Dänemark) auf die Seite Hollands.

In England war 1660 das Königtum wieder eingesetzt. Karl II. stellte die alte Regierung wieder her, Ober- und Unterhaus sowie die bischöfliche Kirche, und erstrebte den Ausgleich zwischen den Bischöflichen, den Presbyterianern und den Katholiken. Ohne feste Grundsätze jedoch, ließ er sich in seiner inneren wie äußeren Politik vornehmlich durch die Geldbedürfnisse für seine üppige Hofhaltung leiten. So war seine äußere Politik schwankend. Obgleich er von Frankreich, noch unter Mazarin, auf Cromwells Forderung ausgewiesen war, verkaufte er doch 1662 das für England so wichtige Dünkirchen an Frankreich und neigte immer mehr zu Louis XIV. hin, da dieser ihn auch sonst mit Geld unterstützte und dadurch teilweise vom Parlament unabhängig machte.

Wenn Karl II. aber auch in erster Linie mehr auf seinen als auf Englands Vorteil bedacht war, so gab er doch, sobald die Lage bedenklich wurde, der Volkstimmung nach, um nicht dem Schicksal seines Vaters zu verfallen, auch führte ihn sein Haß gegen Holland mit der öffentlichen Meinung zusammen. Ihm war ein Krieg mit Holland erwünscht. Er haßte das Land als Republik, er haßte die augenblickliche Regierung dort, da sie ihn auf Cromwells Forderung ausgewiesen hatte und auch seinen Verwandten, dem Hause Oranien, feindlich gegenüberstand. Es wird ihm aber auch nachgesagt, er habe den Krieg gewünscht, um dafür bewilligte Gelder für sich zu verwenden.

Die Stimmung des Volkes, wenigstens eines wichtigen Teiles, war feindlich gegen Holland. Der erste Krieg hatte den Kampf der beiden Länder nicht zum Austrage gebracht. Besonders auf englischer Seite blieb die Eifersucht auf den immer noch weit größeren und trotz der Navigationsakte weiter[249] zunehmenden holländischen Handel bestehen; die wichtige und erfolgreiche Rolle, die Holland in der Ostsee gespielt hatte, konnte England nicht vergessen. Als sich nach der Thronbesteigung Karls II. im Innern Ruhe eingestellt hatte, trat die Neigung zur Fortführung des Kampfes um die erste Stelle auf den Meeren wieder kräftig hervor; an äußeren Anlässen, diese kriegerische Stimmung zu schüren, fehlte es nicht.

Holland hatte sich von den Folgen des ersten Krieges erholt. Sein Besitz in Indien war weiter gewachsen; der Handel blühte auf allen Meeren wie nie zuvor; seine Finanzen waren geordnet. Letzteres war vornehmlich das Verdienst Jan de Witts, der seit dem Tode Wilhelms II. von Oranien während der sogenannten ersten statthalterlosen Zeit (1650–1672) Ratspensionär (erster Beamter) der Provinz Holland, aber in Wirklichkeit durch den Einfluß seiner bedeutenden Gaben der oberste Leiter der ganzen Republik war. Das erfolgreiche Auftreten in der Ostsee, die neu bewiesene Tüchtigkeit der Flotte, die Geschicklichkeit und Festigkeit seiner Diplomatie — wieder de Witts Verdienst — hatten Holland überall neues Ansehen verschafft.

Dennoch war es in einer mißlichen Lage. Solange Spaniens Macht groß dastand, hatte es im Interesse Englands und Frankreichs gelegen, die Republik stark und unabhängig zu sehen, als aber Spanien nicht mehr zu fürchten war, drohten Holland gerade von diesen Mächten Gefahren. England gelüstete nach Hollands Handels- und Seeherrschaft, Frankreich wollte die spanischen Niederlande haben. Der Verlust der Handels- und Seeherrschaft mußte der Ruin Hollands werden; das erstarkte Frankreich an Stelle des geschwächten Spaniens als unmittelbaren Nachbar zu erhalten, war militärisch und auch für den Handel nicht unbedenklich, selbst wenn die spanischen Niederlande geteilt wurden, wie es Frankreich zunächst vorschlug. Kam Antwerpen in französischen Besitz, so hatte die Schließung der freien Schiffahrt dorthin wohl ein Ende; aber auch in holländischem Besitz mußte Amsterdam, der Hauptsitz der regierenden Partei, den Wettbewerb dieser in früheren Zeiten so bedeutenden Handelsstadt fürchten. Diesen Gefahren gegenüber hatte es der Leiter der Politik nicht leicht. Im Volke bestanden zwei Parteien: die eine war für das Haus Oranien, die andere für die republikanische Verfassung, wie sie augenblicklich bestand; jene neigte zu England und wünschte eine starke Armee, diese war für Frankreich und eine starke Marine; sie bestand aus den Kaufleuten in den Seeprovinzen und hier vornehmlich in Holland mit Amsterdam und Rotterdam, welche Provinz mehr als die Hälfte der Ausgaben des ganzen, lose geknüpften Staatenbundes trug. Da nun diese Partei, also die Handelsaristokratie, die herrschende war, so konnte die Regierung ihr Hauptaugenmerk auf die Flotte richten und die englische Gefahr war ja auch die ernstere und nächste; es wurde ihr jedoch nicht leicht, schon im Frieden genügend Mittel für die Wehrkraft aufzubringen, da selbst ihre Anhänger nur in der Not zu größeren Opfern bereit waren. Wie es bei einem reinen Handelsvolke ganz natürlich ist, war man in Holland überhaupt einem neuen Kampfe abgeneigt, wenn auch gerade die herrschenden[250] Kreise infolge des demütigenden Friedens und der großen Verluste im ersten Kriege England grollten; man wollte doch die Früchte des Verkehrs im Frieden einheimsen. Die Regierung hatte denn auch Karl II. den Hof gemacht, sobald seine Aussichten auf den Thron stiegen, aber vergeblich, sein Haß überwog. Während die Verhältnisse sich zuspitzten, versuchte man immer noch, durch Unterhandlungen dem Kriege vorzubeugen. Man nahm auch die Vermittlung des scheinbar wohlgesinnten Frankreichs in Anspruch; alles blieb fruchtlos, weil England den Krieg durchaus wollte.

So brach infolge der Handelseifersucht ein zweiter blutiger Krieg aus zwischen den beiden Völkern, die als protestantische und parlamentarische Staaten gegen das katholische und absolute Frankreich hätten zusammengehen sollen; erst die allgemeiner werdende Erkenntnis der Pläne Louis' XIV. führte sie nach dem Kriege für kurze Zeit zusammen, dauernd und ernstlich erst nach der Vertreibung Jakobs II. aus England (1688).

In Frankreich hatte Louis XIV. nach dem Tode Mazarins 1661, also bald nach dem Pyrenäischen Frieden, die Regierung allein ergriffen und seinen Ministern erklärt, er werde fortan sein eigener Premierminister sein. Von diesem Zeitpunkte an begann er die Pläne Richelieus und Mazarins mit aller Kraft zu verfolgen: Frankreich an Stelle Österreich-Spaniens zur ersten Macht Europas zu machen und sie auf Kosten dieser Länder auszudehnen. Die absolute königliche Herrschaft besaß er nach Beendigung der letzten inneren Wirren — durch die Unterdrückung der Fronde —; tüchtige Minister (Louvois, Colbert) schmiedeten ihm die Waffen zu seinen nun bald folgenden Eroberungskriegen.

Zunächst faßte er die Erwerbung der spanischen Niederlande ins Auge; seine Ansprüche leitete er von seiner Gemahlin Maria Theresia, der ältesten Tochter des Königs Philipp IV. von Spanien, her. Zwar hatte diese allen Erbansprüchen entsagen müssen, aber diese Entsagung erklärte Louis XIV. aus verschiedenen Gründen für nichtig und hielt den Erbanspruch auf die Niederlande auch aufrecht, als dem König Philipp später noch ein Sohn geboren wurde. Er stützte sich hierbei auf die eigenwillige Auslegung eines alten Lehnsbrauches in diesen Provinzen, wonach die Tochter erster Ehe vor einem Sohne zweiter Ehe erbte, das „jus devolutionis“, und griff später Spanien in seinen Niederlanden an (1667 der Devolutionskrieg). Noch bei Lebzeiten Philipps († Sept. 1665) begann er diesen Eroberungskrieg politisch vorzubereiten. Von England fürchtete er bei dem Charakter seines Königs keinen Widerstand, wichtiger war das Verhalten des geld- und seemächtigen Hollands. Um sich die dort regierende Partei günstig zu stimmen, schloß er 1662 ein Defensivbündnis mit der Republik. Auf einen Offensivvertrag ließ sich de Witt nicht ein, um nicht gezwungen zu sein, zu der sehr unerwünschten Eroberung selbst mitzuwirken. So aber gewann er die Unterstützung Frankreichs gegen England und behielt doch freie Hand, sich der Vereinigung Belgiens mit Frankreich zu widersetzen. Vor Ausbruch des Krieges übernahm nun Louis XIV. die Vermittlung und trat später (1666) sogar offen auf Hollands Seite.

[251]

Es ist aber sehr fraglich, ob seine Vermittlung ernstlich gemeint war und so durchgeführt ist. Es konnte ja nur in seinem Vorteil liegen, wenn die beiden Gegner sich schwächten; jedenfalls hat seine Flotte nicht in den Krieg eingegriffen, als er später als Verbündeter auftrat. Louis wollte wohl diese eben von Colbert geschaffene und in der Entwicklung begriffene Waffe noch nicht aufs Spiel setzen, sondern sie für später bewahren. Je geschwächter Holland aus dem Streite hervorging, um so leichter mußte es der von Louis zunächst vorgeschlagenen Teilung Belgiens geneigt werden. Sein zweideutiges Spiel geht nicht nur aus dieser lauen Haltung Holland gegenüber hervor, sondern auch daraus, daß er, wie schon angedeutet und wie wir noch weiter sehen werden, während der ganzen Zeit mit Karl II. in Verbindung stand. Und wie er die Zwietracht zwischen den beiden Gegnern nährte, so schürte er auch den Hader der Parteien in Holland.

Die äußeren Anlässe zum Kriege. Die Kriegserklärung.

Es fehlte nicht an Anlässen, die kriegerische Stimmung zu steigern, besonders in England. Die Handelskompagnien der beiden Länder stießen überall in den außereuropäischen Gewässern zusammen und bei der Überlegenheit der holländischen meistens zum Nachteil der englischen. Diese erhoben denn auch zuerst Klagen und brachten es dahin, daß England in einer Weise auftrat, die wiederum Holland zwang, scharfe Gegenmaßregeln zu ergreifen. Die Schilderung der Ereignisse[148] wird zeigen, daß sich die Völker schon vor der Kriegserklärung im Kriegszustande befanden.

Den englischen Handelskompagnien wurde es in allen Meeren schwer, neben den schon weit mächtigeren holländischen festen Fuß zu fassen; sie wandten sich oft Hilfe heischend an das Parlament. Solche Forderungen traten besonders 1663 auf. — Die englisch-ostindische Kompagnie beschwerte sich, daß die Holländer noch immer die laut Friedensschluß von 1654 abzutretende Bandainsel Polaroon in Besitz hätten, daß sie feindlich gegen die indischen Fürsten und Städte aufträten, die ihr die Anlage von Faktoreien gestattet hätten, daß sie in jeder Hinsicht selbst mit Waffengewalt den englischen Handel hinderten. Großer Schaden sei der Kompagnie, mittelbar und unmittelbar, schon zugefügt; ungeheure Summen wurden dafür vorgerechnet. Man war außerdem in England der Ansicht, daß der berüchtigte Vorfall in Amboina noch nicht genügend gesühnt sei. Ähnliche Klagen liefen gleichzeitig beim Parlament ein von der nach dem Mittelmeer fahrenden türkischen Kompagnie und von der 1662 gegründeten afrikanischen Kompagnie; auch bei dieser handelte es sich um Zurückgabe einiger Plätze, die — früher in englischem Besitz, dann aufgegeben — von Holland eingenommen waren, so z. B. Capecoastcastle.

Unberechtigt sind die Klagen wohl nicht gewesen. Wir haben den Verkehr auf dem Weltmeer genügend kennen gelernt, um zu wissen, wie gewalttätig der schon Mächtigere draußen dem Nachkommenden entgegentrat; jedoch ließ auch England nicht ruhig alles über sich ergehen, sondern antwortete, wo es ging, mit Vergeltungsmaßregeln, zu welchem Zweck z. B. 1661[252] ein kleines Geschwader an die Westküste Afrikas gesandt wurde. Zur Herbeiführung des Krieges waren diese Zusammenstöße aber nur ein Vorwand. Die öffentliche Meinung in England und damit der wirkliche Kriegsgrund finden deutlich ihren Ausdruck in den Monck zugeschriebenen Worten: „Was kommt es auf diesen oder jenen Kriegsgrund an? Was wir brauchen, ist ein Stück mehr von dem Handel, den die Holländer jetzt haben!“ Dementsprechend begann man in England zu rüsten — außergewöhnlich zahlreiche Indienststellungen, lebhafte Tätigkeit auf den Werften, Füllen der Magazine — und unternahm 1663–1664 eine größere Expedition gegen holländische Kolonien In Westafrika und Nordamerika, durch die die befestigte Insel Gorée am Kapverde, Capecoastcastle sowie einige andere Plätze an der Goldküste und vor allem Neuamsterdam (New York) den Holländern abgenommen wurden.

Die Expedition zählte 22 Segel, teils Schiffe der afrikanischen Kompagnie, teils königliche; letztere hatte der Herzog von York gestellt, der gleichzeitig Protektor der Kompagnie und Lordhighadmiral war. Sie segelte 1663 unter Admiral Holmes, der schon den Zug 1661 befehligt hatte. Holmes machte vom Januar 1664 an die aufgeführten Eroberungen in Afrika und brachte dort viele Schiffe auf. Dann ging er nach Nordamerika und nahm im August mit Hilfe der benachbarten englischen Kolonien Neu-Niederland in Besitz; dem Entsender der Expedition zu Ehren nannte Holmes Neu-Amsterdam jetzt Neu York.

Hollands Vorstellungen wegen der Gewalttat in Afrika fruchteten nichts. Die englische Regierung betrachtete den Zug als eine Privatangelegenheit, versprach Untersuchung, setzte aber ihre Rüstungen fort. Auch in Holland hatte man im Mai 1664 eine größere Flotte als sonst im Frühjahr unter Wassenaer zusammengezogen; wie man sagte, gegen die Barbaresken und spanischen Freibeuter. Sie wurde beständig verstärkt, und bald verlautete, daß sie Befehl habe, an der holländischen Küste zu bleiben, zu üben und durch leichte Schiffe die englische Flotte zu beobachten. Man fürchtete nämlich, diese würde gegen die heimkehrenden Ostindienfahrer vorgehen, die wie stets im Frühjahr von der Biscaya abgeholt wurden; übrigens hatte man die entgegengesandte Bedeckung auch wesentlich verstärkt und befohlen, um Schottland zurückzusegeln. Als nun Holmes' Zug bekannt geworden war, beschloß man zuerst, mit den Frühjahrsschiffen der westindischen Kompagnie eine Verstärkung der Kriegsschiffe nach Afrika zu senden. Da dies aber zu lange gedauert haben würde und auch nicht geheim gehalten werden konnte, gab man gleich darauf Befehl an Ruyter im Mittelmeer, nach Guinea zu gehen, die verlorenen Plätze wiederzunehmen und den englischen Handel „in außereuropäischen Gewässern“ zu schädigen. Dieser Befehl war streng geheim, damit man in England nicht aufmerksam würde und damit das englische Mittelmeergeschwader unter Lawson nicht folge. Die Geheimhaltung ging so weit, daß selbst einige Mitglieder des Rates, die den Befehl unterschrieben, ihn nicht kannten; er war ihnen nach einer sehr arbeitsreichen Sitzung zur Unterschrift mit untergeschoben worden.[149]

[253]

Ruyter gelang es, die afrikanischen Besitzungen zurückzuerobern und auch sonst den Engländern in Westindien und im Atlantik großen Schaden zuzufügen.

Ruyters Zug 1664–1665 nach Westafrika und Amerika ist bemerkenswert, weil er die schwierige Aufgabe mit großem Geschick löste.[150] Ruyter war im Mittelmeer gegen die Barbaresken stationiert, englischerseits befand sich Admiral Lawson zu gleichem Zwecke dort. Als Ruyter den Befehl erhalten hatte, nahm er unter allerlei Vorwänden an der spanischen Küste Proviant für ein Jahr. Es gelang ihm, Lawson über seine Bestimmungen zu täuschen, und so erschien er ungehindert und unerwartet Ende Oktober an der westafrikanischen Küste. Hier eroberte er zunächst Gorée zurück, dann, auf die holländische Station Elmina gestützt, die an der Goldküste verlorenen Punkte und auch das englische Cormantyne; Capecoastcastle widerstand mit Erfolg. Im Februar 1665 ging er, 12 Schiffe und 1 Brander stark, nach Westindien. Nach einem vergeblichen Angriff (29. April) auf eine große Zahl englischer Kauffahrer unter dem Schutz der Batterien auf Barbados verproviantierte er sich auf holländischen und französischen Inseln und ging dann nach Neufundland. Vor Guinea, in Westindien und in den nördlichen Gewässern brachte er viele Schiffe auf, die teils verkauft, teils heimgesandt wurden, so daß der Zug reiche Beute eintrug. Ende Juni trat er die Rückreise nach Holland an.

Schon in Westindien hatte er vom Ausbruch des Krieges gehört; er beabsichtigte deshalb, durch die Nordsee zu segeln und gab als Treffpunkt die Faröer Inseln und dann die Küste Norwegens (Stadtland) an. Wohlbehalten hier angekommen, erhielt er die Nachricht von der unglücklichen Schlacht bei Lowestoft (14. Juni). Da er nun die Engländer in der Nordsee vermutete, um ihn abzufangen — dies war in der Tat der Fall —, steuerte er mit allen Vorsichtsmaßregeln längs den Küsten der deutschen Bucht und lief am 6. August 1665 in die Westerems ein.

Sobald man in England das Auftreten Ruyters in Afrika erfuhr, ließ man die Maske fallen. Die in den englischen Häfen liegenden holländischen Schiffe wurden mit Beschlag belegt, englische Kriegsschiffe und Freibeuter brachten in kurzer Zeit an 130 feindliche Schiffe auf.

Holland antwortete mit Beschlagnahme von Fahrzeugen, ließ aber den Befehl, feindliche Schiffe auf See aufzubringen, noch nicht in Kraft treten. Immer noch hoffte man, den Frieden erhalten zu können, wobei man besonders auf die Vermittlung Frankreichs rechnete. Die Rüstungen wurden aber ununterbrochen fortgesetzt. Anfangs hatten die Generalstaaten den Provinzen hierfür noch andere Gründe angeben müssen, um sie geneigt zu machen: es würde nötig sein, die Konvois — z. B. den schon erwähnten nach Guinea — mit starken Flotten durch den Kanal zu führen; bald aber wurde doch von allen Stellen der Krieg selbst ins Auge gefaßt — der Konvoi nach Guinea segelte tatsächlich nur mit gewöhnlicher Bedeckung, weil eine Verstärkung der westafrikanischen Station nach Ruyters Erfolg nicht mehr nötig war —, und nun rüsteten alle Admiralitäten mit einer seltenen Einmütigkeit und unter Aufbietung aller Mittel. Es wurde beschlossen, 24 Kriegsschiffe erster Klasse zu bauen, für das kommende Jahr (1665) die Indienststellung aller Schiffe vorzubereiten und dazu die Mannschaften der Flotte von 1664 im Dienst zu behalten. Wassenaers Flotte hatte man auf Wunsch Louis' XIV.[254] während der Verhandlungen wie alljährlich mit Beginn des Winters zurückgezogen, es war jedoch ein größerer Teil der Schiffe als sonst im Winter in Dienst belassen. Am 23. Dezember 1664 wurde ferner sämtlichen Kauffahrern und Fischern das Auslaufen verboten, um sie nicht der Gefahr aufgebracht zu werden, auszusetzen und um die Leute für die Bemannung der Flotte zu haben.

Auch Karl II. zögerte noch mit der Kriegserklärung, wohl der vorgerückten Jahreszeit wegen und um die Rüstungen zu vollenden, zu denen das Parlament noch mehr Mittel bewilligen sollte. Da aber schlug eine letzte Gewalttat Englands dem Faß den Boden aus. Am 29. Dezember 1664 griff der Admiral Allin in der Straße von Gibraltar den heimkehrenden holländischen Smyrna-Convoi an.

Der Konvoi bestand aus 30 Kauffahrern mit nur 3 Kriegsschiffen Bedeckung. Allin überfiel ihn mit 7 Kriegsschiffen. Als der holländische Admiral van Brakel längsseit kam, um zu salutieren, wurde er mit einer scharfen Breitseite empfangen und dann der Konvoi angegriffen. Dank der tapferen Gegenwehr, auch der Handelsfahrzeuge, fielen nur 3 Schiffe in die Hände der Engländer — eines war im Kampf vernichtet; zwei versprengte, die ohne Befehl vorausgesegelt waren, wurden abgeschnitten —, die übrigen retteten sich in spanische Häfen, van Brakel fiel.

Nach diesem Gewaltakt „in europäischen Gewässern“ beschloß Holland den Krieg. Es erließ nun auch den Befehl, alle feindlichen Kriegs- und Handelsschiffe in europäischen Gewässern anzugreifen (24. Januar 1665) und brach die diplomatischen Beziehungen ab; der Krieg war erklärt. Die englische Kriegserklärung erfolgte im Februar; beide Staaten wetteiferten, ihre Schlachtflotten aufzustellen. — Frankreich trat erst im Januar 1666 durch förmliche Kriegserklärung auf die Seite Hollands, ebenso Dänemark. Es ist bereits darauf hingewiesen, daß die französische Flotte keinen tätigen Anteil an den Kriegsoperationen nahm; du Sein erwähnt in der Geschichte der französischen Marine diesen Krieg überhaupt nicht.

Auch Dänemark kam mit England nur zu kleinen Zusammenstößen in der Ostsee.

Holland sandte die englische Kriegserklärung an alle seefahrenden Mächte mit dem Hinweis darauf, daß auch deren Seehandel durch den von England heraufbeschworenen Krieg schwer leiden würde.

Die Streitmittel der Gegner.[151]

In Holland war es dem Wirken des Ratspensionärs de Witt zu danken, daß nach dem Frieden 1654 die Marine nicht wieder wie um 1648 in Verfall geriet. Er verstand es, in allen Provinzen seinen Einfluß geltend zu machen und die Bewilligung der nötigen Mittel zu erreichen. Die Unternehmungen in der Ostsee und im Süden hielten die Flotte in Übung.

[255]

Das Schiffsmaterial wurde wesentlich besser. Wir wissen, daß beim Friedensschluß 1654 70 Kriegsschiffe zu über 30 Kanonen vorhanden waren: 1 zu 60, 9 zu 50–58, 27 zu 40–48, 33 zu 30–38 Kanonen. Es wurden nun die während des ersten Krieges begonnenen (30) und zu bauen beschlossenen (30) Schiffe fertiggestellt; unmittelbar vor und dann während des zweiten Krieges ordnete man weitere Neubauten an: 1664 von 24, Juni 1665 von nochmals 24 und 1666 von 12 Schiffen. Anfangs wurden zwar nur wenige Fahrzeuge über 50 Kanonen gebaut, erst 1664 ging man an solche von 60 bis 80 Kanonen; in der 1665 aufgestellten Flotte waren nur 2 zu 70–80 und 5 zu 60–70 Kanonen, so daß man noch Schiffe dieser Größe von der ostindischen Kompagnie einstellen mußte, aber 1666 konnten schon 2 Schiffe über 80, 11 zu 70–78, 21 zu 60–68 Kanonen verwendet werden. Der Bestand war also an Zahl und Stärke der Schiffe wesentlich gewachsen; 1665 brauchte man nur auf etwa 20 Kauffahrer zurückzugreifen, 1666 war man ganz frei von ihnen. Eine Angabe über den Gesamtbestand zu irgend einem Zeitpunkt fehlt in den Quellen; zum Vergleich mit den englischen Streitkräften ist Seite 258 die Zahl der Schiffe aufgeführt, die an den Hauptschlachten der beiden ersten Kriegsjahre teilnahmen. Es hatten beide Gegner ihre Gesamtkraft aufgestellt, nur wenige Schiffe fehlten, die in fernen Gewässern sich aufhielten oder nicht gefechtsfähig waren. Die Angaben bieten also einen Anhalt über die Stärke der beiden Marinen überhaupt.

Die neueren Kriegsschiffe waren besser gebaut als im ersten Kriege; alle Schlachtschiffe (über 40 Kanonen) waren jetzt auch hier Zweidecker, Dreidecker besaß man jedoch noch nicht. Es ist ferner sehr bemerkenswert, daß man in Holland, wenn auch den Verbesserungen im Schiffbau — so auch in den Schiffsformen — im allgemeinen Rechnung getragen wurde, doch nicht zum „fregattenähnlichen“ Bau in demselben Maße übergegangen war wie in England. Man zog immer noch weniger tiefgehende, breitere und weniger scharfe Schlachtschiffe vor, teils der Hafenverhältnisse wegen, teils weil man annahm, so stabilere Geschützstände zu haben, wenn auch die Fahrzeuge weniger schnell waren. Dagegen baute man jetzt „fregattenähnlich“ eine größere Zahl von Schiffen zu 20–40 Kanonen, meist 26–36 Kanonen. Die Engländer hatten ja ihre größere Segelfähigkeit — fregattenähnlicher Bau selbst bis zu den mittleren Schlachtschiffen — des öfteren benutzt, um Schiffe abzuschneiden. Da man nun in Holland den Bau der Schlachtschiffe nicht dahin ändern wollte, sollten diese „Fregatten“ dem Übelstande bis zu einem gewissen Grade abhelfen. Sie sollten in gefährdeter Lage befindlichen Schiffen zu Hilfe kommen und zum Abfangen von Kauffahrern geeignet sein. Sie hatten (wahrscheinlich?) nur eine gedeckte Batterie, näherten sich also schon dem Begriff der späteren Fregatte. Der Schiffsbestand wurde endlich auch vervollständigt durch den Bau besonderer kleiner Fahrzeuge für Melde- und Aufklärungsdienst (Advijsjagten) und einiger Ruderfahrzeuge zu ähnlichen Zwecken (Roeijagten und Galeijen) sowie von Transportern für Proviant und Munition, Postschiffen für die Flotten und zahlreichen Brandern.

[256]

Man baute aber nicht nur Schiffe mit größerer Kanonenzahl, auch die Armierung wurde noch in den Jahren vor und während des zweiten Krieges durch die zunehmende Verwendung schwererer Kaliber verstärkt; die schwere Artillerie (32-Pfünder) und die höheren Kaliber der Mittelartillerie (24- und 18-Pfünder) wurden fast verdoppelt. Auch strebte man dahin, auf gleich großen Schiffen dieselbe Armierung und in den einzelnen Batterien Geschütze gleichen Kalibers einzuführen; besonders seit 1666. 1665 standen auf den Schiffen einzelner Admiralitäten noch 3–4 Kaliber in einer Batterie. Die Admiralität von Amsterdam, die überhaupt den dritten Teil der Gesamtflotte stellte, ging hierin wie in allen Verbesserungen voran; ihre neueren Schlachtschiffe von 48–58 Kanonen waren schon nach englischem Vorbilde in dieser Beziehung armiert. Im allgemeinen ließ alles dies aber noch zu wünschen übrig, vor allem fehlte Gleichheit zwischen den Schiffen der verschiedenen Admiralitäten, und wie sehr die Stärke der Armierung der der englischen Flotte noch immer nachstand, werden die vergleichenden Angaben später zeigen.

Auch in der Bemannungsfrage hatten sich im zweiten Kriege die Verhältnisse für Holland weit günstiger gestaltet. Im Frieden war stets genügend Personal für die Flotte vorhanden gewesen; nach Beendigung der Kriege in der Ostsee fanden sich viele kriegserfahrene Seeleute in Holland ein: Holländer, die dort gedient, und auch Fremde, denn der Dienst in der Marine war im Lande sehr beliebt geworden. Da bei Ausbruch des Krieges Seefahrt und Hochseefischerei untersagt wurden, war reichlich Personal vorhanden. Nach der großen Niederlage im ersten Jahre schwand allerdings die Neigung zum Dienst, diesem Übelstande wurde aber durch höheren Sold, Aussetzung hoher Belohnungen für besondere Auszeichnungen und hoher Pensionen für Invalide usw. abgeholfen. Als endlich durch das Freigeben eines Teiles der Schiffahrt zu Ende des Jahres 1666 wieder die Gefahr des Mannschaftsmangels eintrat, wurde sie durch die Bestimmung abgewendet, daß jedes in See gehende Schiff ein Viertel seiner Besatzung zur Marine abgeben oder daß die Rhederei Mannschaften in dieser Höhe stellen mußte. Ferner wurde 1664 eine Seesoldatentruppe gegründet und bald stark vermehrt. So trat ein Mannschaftsmangel in diesem Kriege nicht ein, nötigenfalls wurden weiter Landsoldaten eingeschifft. Die Schiffe waren auch stärker bemannt als früher; daß aber auch hierin England noch immer besser stand, werden wir sehen, und auch in der Kopfzahl der Besatzungen herrschte keine Gleichmäßigkeit bei den Admiralitäten.

Endlich hatten sich auch die Verhältnisse bei den Kommandanten und Chargen gebessert. Die Maßregel der Admiralität Amsterdam (Seite 149), sich einen Stamm von Kapitänen zu halten, war dadurch erweitert, daß man noch eine zweite Art Kapitäne schuf. Diese wurden zwar nicht im Dienst behalten, durften sich aber nur mit Erlaubnis der Admiralität auf Seereisen begeben und erhielten für diese Verpflichtung ebenfalls ein Jahrgeld. Dieselbe Behörde hatte ferner erlaubt, daß sich nach dem ersten Kriege andere[257] obere Dienstgrade, die nicht verwendet werden konnten, überetatsmäßig auf indienstgestellten Fahrzeugen einschifften. Die Admiralität der Maas übernahm teilweise diese nützlichen Bestimmungen; so trat bei Ausbruch des Krieges kein Mangel an Kommandanten usw. ein, es war sogar eine Reserve vorhanden.

Eine große organisatorische Veränderung vollzog sich bei den Flaggoffizieren. Bis gegen das Ende des ersten Krieges hatten die Niederlande nur einen Leutnantadmiral von Holland und Westfriesland, der beim Zusammentreten der Gesamtstreitkräfte der Republik den Oberbefehl führte, und je einen Vizeadmiral sowie je einen Kontreadmiral von Holland und von Seeland. Dann setzten die Staaten von Holland, deren Seemacht außerordentlich gewachsen war, durch, daß ein Vize- und ein Kontreadmiral für jede ihrer drei Admiralitäten (Maas, Amsterdam, Norderquartier [Westfriesland]) ernannt wurde; es gab also jetzt 1 Leutnantadmiral, 4 Vize- und 4 Kontreadmirale. Vor Ausbruch des zweiten Krieges (Dezember 1664) nahm Seeland sein altes Recht wieder auf und ernannte einen Leutnantadmiral von Seeland; sofort verlangte und erreichte Holland dasselbe für jede seiner Admiralitäten; Friesland, dessen früher sehr unbedeutende Kräfte auch gewachsen waren, folgte bald. So hatten die Niederlande 1665: 1 Admiralleutnant von Holland und Westfriesland, 5 Leutnantadmirale, 5 Vize-, 5 Kontreadmirale für die 5 Admiralitäten. Bei der Eifersucht der Provinzen sollte dies zu manchen Reibungen führen; auch sonst war die Anwesenheit so vieler Flaggoffiziere, teilweise vom höchsten Range, bei der Flotte öfters von großem Nachteil.

Die Entwicklung dieser Verhältnisse findet man in de Jonge, Teil I, Seite 527; 687. Für die Generalstaaten war es schwer, die Anciennität festzusetzen; es führte zu scheinbar verwickelten Bestimmungen. Den Oberbefehl über die vereinigten Kontingente führte weiter der Leutnantadmiral von Holland und Westfriesland. Die zweite Stimme im Kriegsrat stand dem Leutnantadmiral von Seeland zu, die Vertretung des Oberbefehlshabers im Kommando übernahm aber der Leutnantadmiral der Maas. Seeland war die älteste Admiralität, sein ältester Admiral führte stets die aus Seelandschiffen bestehende Vorhut; er war also der zweitälteste Offizier der Gesamtflotte. Den Höchstkommandierenden stellte aber seit langer Zeit (Seite 149) die Admiralität der Maas; daraus wurde gefolgert, daß sie auch den Stellvertreter stellen müsse.

Der Streit über Anciennität der Flaggoffiziere führte zu Verwirrung in Schlachten; er ging soweit, daß Seeland einmal erklärte, sein Kontingent nicht eher auslaufen zu lassen, bis eine Frage zugunsten seines Chefs entschieden sei.

In England hatte man unter Cromwell auch nach dem ersten Kriege weiter gebaut, zu seiner Zeit wurde mehr als die Hälfte des Staatseinkommens auf die Marine verwendet. Die Republik fand England schwach zur See vor und übertraf es schon als die stärkste Seemacht, was das Material anbetrifft. Auch Karl II. hatte Interesse für die Marine, besonders aber sein Bruder, der Herzog von York, der von Jugend auf für sie bestimmt war. So stand auch die englische Flotte bei Beginn des zweiten Krieges weit mächtiger da als zu Ende des ersten. Leider fehlt auch hier eine[258] Bestandsliste[152] für diese Jahre, und man muß deshalb wie bei Holland als Anhalt die Stärke der zu den Schlachten zusammengezogenen Flotten nehmen; ich führe also die Angaben für Holland zum Vergleich hier mit auf:

1654 hatte England (Holland vergl. S. 255) Schiffe zu

Kanonen: 100 86–90 70–80 60–70 50–60 40–50 30–40 20–30 6–16
Zahl der Schiffe: 1 1 8 16 32 43 16 14

1665 in der Schlacht am 13. Juni setzten sich die Flotten zusammen:

Kanonen: 100 86–90 70–80 60–70 50–60 40–50 30–40 20–30 6–16
England[153] 4 3 4 23 30 16 15 6
Holland[154] 6 5 26 36 24   6 7

1666 vor der Viertageschlacht:

Kanonen: 100 86–90 70–80 60–70 50–60 40–50 30–40 20–30 6–16
England[155] 1 3   7 14 25 22   8 ?
Holland 2 11 21 18 19 13 1 8

Wir sehen also ein starkes Wachsen in beiden Marinen, was die Zahl der Schiffe über 50 Kanonen und besonders die ganz schweren Schiffe anbetrifft. Namentlich die holländische Marine hat ungeheure Fortschritte gemacht und fährt weiter darin fort: 1667 befinden sich in Ruyters Flotte schon 6 Schiffe zu 80–90 Kanonen. Sie ist 1666 mit Schiffen über 60 Kanonen sogar der englischen überlegen. Die englischen 50–60 Kanonen-Schiffe waren jedoch mit ihren schwereren Kalibern den holländischen Schiffen mit 60–70 Kanonen überlegen; Holland hatte eben in der Verwendung schwererer Geschütze England noch nicht erreicht.

Stellen wir zum Vergleich die Armierung der holländischen Schiffe um 1666 der der englischen um 1677 gegenüber.

Es führten an schwerer und mittlerer Artillerie Schiffe mit Kanonen:

  100 90 80 70 60 50 40 30  
England     26–42 26–32 24–32 26–32 24–24 22–18 38–9 18–9 -Pfdr.
26–24–18 26–24 24–18 26–12 24–12
28–9 26–9
Holland[259]     12–36 6–24 22–18 8–18 4–18 4–18 -Pfdr.
16–24 20–18 22–8 12–12 14–12 12–12
14–18 26–12 20–8
12–12

Die Angaben über Holland 1666 aus de Jonge, Teil I, Beilage XXXIII. Bei der Ungleichheit in den verschiedenen Admiralitäten habe ich die stärksten Armierungen ausgezogen.

Die Angaben für England 1677 nach der Tabelle Seite 170 (auch de Jonge, Beilage XXXI). Die Angaben für 1677 sollen auch für den zweiten und dritten englisch-holländischen Krieg schon beinahe zutreffen. Aber wenn wir selbst die Angaben für 1652 der Tabelle nehmen, stellt sich der Vergleich für Holland kaum günstiger. Nur das eine der holländischen 80 Kanonen-Schiffe 1666 führte 36-Pfünder.

Es zeigt sich mithin bei den Schlachtschiffen eine große Überlegenheit auf englischer Seite, nur die Nichtschlachtschiffe zwischen 30 und 40 Kanonen stehen in Holland sehr viel besser da; es sind dies wohl die erwähnten „Fregatten“.

Nach oberflächlicher Berechnung führten die für das Jahr 1666 angeführten Schiffe über 60 Kanonen in Summe:

  42-Pfdr. 32-Pfdr. 24-Pfdr. 18-Pfdr. 12-Pfdr.
Auf 25 englischen Schiffen 26 256 372 48 518
Auf 34 holländischen Schiffen 12 (36-Pfdr.) 276 586 354

Die Hauptkraft lag bei den Engländern also in 42-Pfündern — deren wahrscheinlich noch 56 mehr vorhanden waren, die dann von den 32-Pfündern abgehen —, in 32-Pfündern und 24-Pfündern, bei den Holländern in 18-Pfündern; dem englischen 12-Pfünder steht dann wieder an Zahl der holländische 8-Pfünder etwa gleich. Die holländische Schwäche wird dadurch ein wenig verringert, daß die englischen Kaliberangaben den holländischen gegenüber etwas zu verkleinern sind, weil das englische Pfund leichter war: der 42-Pfünder würde ein 38-Pfünder, der 24- ein 22-Pfünder usw. werden (vgl. de Jonge, Teil I, Seite 626).

Auch die bessere Bedienung der englischen Artillerie wird weiter gerühmt, und es kommt hinzu, daß die englischen Schiffe stärker bemannt waren. 1666 hatten Schiffe genannter Größen eine Besatzung von Köpfen:

England 700 600 520–650 450 320 200–250 150 130
Holland 470 330 260 200–250 200 120–200

Es konnten also die englischen Geschütze, namentlich bei gleichzeitigen Schiffsmanövern, besser bedient werden und die Schiffe waren beim Enterkampf überlegen; nur die holländischen „Fregatten“ stehen in dieser Hinsicht besser da, sie waren ja auch gleichzeitig zum Manövrieren und Fechten gebaut. Wie im ersten Kriege, so scheint auch im zweiten in England im allgemeinen kein Mangel an Personal eingetreten zu sein; auch hier waren jetzt Seesoldaten vorhanden, von einem Auffüllen mit Landsoldaten verlautet nichts mehr.

Die bessere Segel- und Manövrierfähigkeit der englischen Schlachtschiffe infolge schärferer Formen, vielleicht mit Ausnahme der schwersten, ist uns schon bekannt; der nach holländischer Ansicht damit[260] verbundene Nachteil, daß man bei Wind und Seegang die untersten Batterien nicht gebrauchen konnte, tritt allerdings in diesem Kriege mehrfach hervor.

Von sonstigen Einrichtungen in der englischen Marine ist noch hervorzuheben, daß Karl II. die Stelle des Lordhighadmiral wieder besetzte, und zwar mit seinem Bruder, dem Herzog von York. Dieser soll manche Verbesserungen in der Verwaltung bewirkt haben. Er kommandierte 1665; 1666 wurde das Kommando über die mobile Flotte wieder in die Hände zweier Admirale — Prinz Ruprecht von der Pfalz und Herzog von Albemarle (Monck) — gelegt.

In beiden Marinen begann in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Kriege (vgl. Seite 181) die Entwicklung eines ständigen Kriegsschiffpersonals. Es fällt in diese Zeit die Vermehrung der Dienstgrade für die verschiedenen Dienstzweige und auch schon die erste Vermehrung der Leutnants sowie der Beginn des besseren Ersatzes dieser eigentlichen Offiziere. Die Anstellung von Offiziersaspiranten wird allgemeiner; gerade in Holland treten Personen aus den höchsten Ständen ein, einige von ihnen tun schon im zweiten Kriege als zweite selbst als erste Leutnants Dienst. Die Bauten — Werften und Magazine — wurden wesentlich verbessert; York verwandte in England Sorgfalt darauf, in Holland wurden — besonders wieder in Amsterdam — die Einrichtungen zum Selbstbau und zum Docken weit größerer Kriegsschiffe als bisher getroffen.

Wichtig vor allem ist das wachsende Verständnis für die Führung der Flotten, die Taktik. In England erließ der Herzog von York 1665 eingehende Instruktionen über das Segeln und das Fechten im Flottenverbande, Verbesserungen der Instruktion von 1655, durch die besonders Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefecht — enggeschlossene Kiellinie beim Winde — angestrebt wird. Im allgemeinen wird beabsichtigt, den eignen Angriff stets gleichzeitig auf die ganze Linie des Feindes zu richten, doch ist auch schon ein Fall vorgesehen, die feindliche Linie zu durchbrechen und an einer Stelle dann mit Übermacht aufzutreten.

Colomb, Seite 89–90, gibt wörtlich die Artikel dieser „instructions for the better ordering of the fleet in sailing and in fighting“, die sich auf die verschiedenen Gefechtslagen beim Zusammenstoß beziehen; sie folgen hier im Auszuge:

Ist die eigene Flotte zu Luward und der Feind erwartet den Angriff über denselben Bug liegend, soll die Flotte so an den Feind geführt werden, daß Schiff gegen Schiff steht. Liegt der Feind über den andern Bug, so soll die Flotte (außer Schußweite) bis etwa querab der feindlichen geführt, dann „zugleich“ gewendet und zum Gefecht herangegangen werden, so daß also wieder Schiff gegen Schiff steht. In beiden Fällen soll während des Kampfes die Luvstellung gehalten werden; zu diesem Zwecke müssen etwaige Manöver des Feindes — Wenden im Kontremarsch,[156] Wenden zugleich oder Wenden einzelner Geschwader — in derselben Weise ausgeführt werden.

Steht der Feind zu Luward und greift an, so soll er in guter, enggeschlossener Linie erwartet werden. Greift die eigene Flotte von Lee aus an, was ja bei besseren Segeleigenschaften oder infolge leichter Windänderungen möglich ist, so soll die Vorhut versuchen, die[261] feindliche Linie zu durchbrechen und dann die abgeschnittenen hinteren Schiffe des Feindes von Luward aus angreifen; Mitte und Nachhut sollen das Manöver durch Dublieren der abgeschnittenen Schiffe von Lee her unterstützen, dabei aber die Bewegungen der vorderen Schiffe des Feindes im Auge behalten.

Hervorzuheben ist, daß in der neuen englischen Instruktion im Gefecht stets von der ganzen Flotte die Rede ist, während in der alten von dem Verhalten der Geschwader gesprochen wurde. Es ist ferner bemerkenswert, daß den Schiffen befohlen wird, „Linie“ mit ihrem Geschwaderchef zu halten, falls ein Geschwaderchef ausgefallen ist, mit dem Oberbefehlshaber oder mit dem vorn segelnden Flaggoffizier.

Auch in Holland ist der Fortschritt in der Taktik zu bemerken. Gleich nach der unglücklichen Schlacht 1665 wurden auch hier Bestimmungen über das Segeln in der Flotte, besonders bei Annäherung an den Feind, erlassen.[157]

Vor der genannten Schlacht war die Flotte in 7 Geschwader geteilt, ein jedes mit 3 Flaggoffizieren; der Grund soll die Anwesenheit so vieler Admirale gewesen sein. Es ist wohl möglich, da man Unzufriedenheit bei ihnen vermeiden wollte, sollte es aber nicht auch eine Folge der älteren Gruppentaktik sein? Tromp der Ältere teilte auch in so viele Abteilungen, und damals lag der andere Grund nicht vor. Nach der Schlacht teilte man die Flotten nun stets wie in England in 3 Geschwader (selten 4) und diese wieder bei großer Schiffszahl in 3 Divisionen. Jetzt befanden sich bei jedem Geschwader viele Flaggoffiziere und zwar bis zu je 2 Leutnantadmiralen, Vize- und Kontreadmiralen. Ruyter vervollständigte diese Instruktionen, sie enthielten in der Hauptsache aber eigentlich nur Bestimmungen, die auf die Ordnung beim Marsch und beim Eintritt ins Gefecht hinzielten.

Im „Leben Ruyters“, Seite 305, 315, 361 und auch „Vie de Tromp“, findet man genaue Vorschriften über die Positionen der Geschwader und Divisionen in der Flotte, auch auf dem Marsche strenge innezuhalten; Befehle an die Geschwaderchefs, den Brandern und Fregatten ihre Posten für das Gefecht genau anzuweisen; das strenge Verbot von Manövern oder Angriffen ohne Befehl, dagegen Signale, auf die die einzelnen Geschwader, oder das Ganze, anzugreifen hätten. Es wird ferner befohlen, daß jedes Geschwader täglich einige Fregatten zum Erkunden des Feindes auszusenden hätte; im Gefecht sollten diese Fahrzeuge so postiert werden, daß sie beschädigten oder bedrohten Schiffen Hilfe leisten und die Branderangriffe unterstützen könnten.

Es fehlten jedoch, wie es scheint, eigentliche Dispositionen für die verschiedenen Gefechtslagen. Der Chef will zwar die Teile seiner Flotte in der Hand behalten, die Angriffe scheinen jedoch noch immer vorzugsweise geschwaderweise und mit Einbrechen in den Feind gedacht zu sein. Es ist ferner auffallend, daß in den Instruktionen nie das Wort „Linie“ vorkommt. Die Einzelschiffe werden nur angewiesen, „sich bei ihrem Divisionschef zu halten, sich nicht gegenseitig in den Weg zu kommen oder im Feuer zu hindern.“[262] Ein Ausrichten auf den Flottenchef wie in England wird nicht erwähnt.[158]

In beiden Ländern führte der Fortschritt in der Taktik begreiflicherweise zur Vervollständigung des Signalsystems.

So hatten sich beide Marinen weiter zu stehenden im modernen Sinne entwickelt, besonders die holländische, die im ersten Kriege darin sehr zurückgestanden hatte. Beide Länder hatten auf das nachdrücklichste für den bevorstehenden Kampf gerüstet, nicht nur durch Aufstellen von Streitmitteln, sondern auch durch Füllen der Magazine usw., denn man war auf beiden Seiten noch sehr abhängig vom Auslande, besonders von Deutschland und Schweden. Daß Holland in vielem England noch nicht erreicht hatte, haben wir gesehen, und hierbei müssen wir noch einer Frage näher treten: der abwägenden Beurteilung des Personals.

In den Geschichtswerken beider Nationen wird behauptet, das eigene Personal sei im zweiten Kriege das in Seemannschaft überlegene gewesen; ich glaube, beide Teile haben in ihrem Sinne recht. Was die rein seemännische Ausbildung anbetrifft, so ist es wohl möglich, daß das holländische Personal überlegen war, daß Holland wenigstens über eine größere Zahl tüchtiger Seeleute — Vorgesetzte wie Mannschaften — verfügte; war doch sein Seehandel noch bei weitem größer. Zwar sagt ein englischer Schriftsteller dieser Zeit, der größere Teil der holländischen Kommandanten seien Söhne angesehener Leute, „Bürgermeistersöhne“ gewesen, die ihre Stellung nur aus politischen Rücksichten erhalten hätten, doch ist nach allen anderen Quellen im Gegenteil anzunehmen, daß die bei weitem größere Zahl aus dem Kauffahrteidienst herstammte und aus solchem eine reiche seemännische Erfahrung hatte; ebenso die übrige Besatzung. Aber diesem Ersatze, besonders den Kommandanten und Dienstgraden, mangelten noch die militärischen Haupttugenden: Subordination und militärische Treue im Beruf, Berufsbildung und Berufsstolz. Der Umstand, daß die niederländische Marine keine einheitliche, sondern ein loser Flottenbund war, daß die republikanischen Verhältnisse überhaupt nicht geeignet waren, diese Übelstände zu beseitigen und außerdem, wie erwähnt, zu Eifersüchteleien zwischen den Führern und den Kontingenten führten, alles dies lähmte das militärische Zusammenwirken. Von einer eigentlichen, Berufsbildung ist zu dieser Zeit in England zwar auch noch nicht die Rede. Hier aber war noch viel von der militärischen Zucht Cromwells erhalten geblieben, viele der höheren Führer, vor allem Monck, stammten noch aus der älteren Zeit; in dem monarchischen Lande entwickelte sich leichter unter den Offizieren der Kastengeist, der das militärische Element hob und die mangelnde Berufsbildung teilweise ersetzte; die Marine war endlich aus einem Guß. So war die englische Flotte militärisch-seemännisch die leistungsfähigere.

[263]

Wenn Holland vielleicht die besseren, wenigstens zahlreicheren, Seeleute, „Teerjacken“, hatte — soll doch der Herzog von York 1667 bei Ausführung eines schwierigen Manövers verschiedener holländischer Schiffe ausgerufen haben: „that never was or would have been undertaken by ourselves!“ —, so besaß England die besseren „Seeoffiziere“; ein Vorteil, der im Gefecht, besonders aber im Gefecht größerer Verbände, hervortrat. Was die holländische Marine im zweiten Kriege leistete, ist wohl in erster Linie dem Genie Ruyters zuzuschreiben; im dritten Kriege hatte sich manches zugunsten Hollands und zuungunsten Englands geändert. Wenn auch noch nicht in der Flotte selbst, so trat doch, wie wir sehen werden, an anderen Stellen ein für sie höchst nachteiliges Nachlassen der alten Pflichttreue und Ordnung in England schon während dieses Krieges ein.

Frankreich tritt zwar in diesem Kriege als Verbündeter Hollands auf. Da jedoch seine Flotte erst im dritten Kriege an den Kämpfen teilnimmt, so soll über die Entwicklung und den Stand der französischen Marine erst im nächsten Kapitel gesprochen werden. Um jedoch zu zeigen, von welchem Werte eine wirkliche Unterstützung für Holland gewesen sein würde, ist vor dem Jahre 1666 die Stärke des für den Krieg scheinbar bestimmten Geschwaders angegeben.

Der Verlauf des Krieges.[159]

Die Schlacht bei Lowestoft, 18. Juni 1665. Nach der Kriegserklärung begannen die Operationen der Flotten nicht sogleich. Es war Winter und demzufolge der größere Teil der Schiffe außer Dienst gestellt; beide Nationen wetteiferten aber in der Ausrüstung aller zur Verfügung stehenden Fahrzeuge, um im Frühjahr gleich zu großen Schlägen bereit zu sein. Wie es in England schon vor der Kriegserklärung geschehen war, so gaben jetzt auch die Holländer Kaperbriefe aus, und bald erschienen ihre Freibeuter im Kanal und in der Nordsee; besonders in Seeland regte sich das alte Wassergeusenblut, es bildeten sich Gesellschaften zu diesem Zweck, deren eine allein 25 Segel stellte, Schiffe von 20–36 Kanonen.

Erst im Mai rührten sich die Kriegsflotten, deren genaue Zusammensetzung schon genannt ist (Seite 258); insgesamt betrugen die Stärken unter dem Lordhighadmiral Herzog von York und Leutnantadmiral Wassenaer:

England: 80 Schlachtschiffe über 30 Kanonen, 29 kleinere, 21 Brander, mit 21000 Mann und 4192 Geschützen.

Holland: 97 Schlachtschiffe und Fregatten über 30 Kanonen, 13 kleinere Segel, 12 Ruderfahrzeuge — mit 21631 Mann und 4869 Geschützen.

Die englische Flotte war in 3 Geschwader geteilt: Vorhut Admiral Prinz Ruprecht, Mitte Herzog von York mit Admiral Sir William Penn als captain of the fleet, Nachhut Admiral Montagu, Earl of Sandwich; hierzu traten die 3 Vizeadmirale, unter ihnen Lawson beim Zentrum, und die 3 Kontreadmirale der Geschwader.

[264]

Die holländische Flotte war in 7 Geschwader geteilt, geführt von: Wassenaer, den Leutnantadmiralen Johann Evertsen (Seeland), Cortenaer (Maas), Stellingwerff (Friesland) und den Vizeadmiralen Tromp, Cornelis Evertsen jun., Schram; hierzu traten weitere 10 Flaggoffiziere und 4 als solche diensttuende als Vize- und Kontreadmirale der Geschwader. (Die Leutnantadmirale Ruyter (Amsterdam) und Meppel (Norderquartier) waren zurzeit zusammen abwesend auf dem Zuge nach Afrika und Westindien.) — Es wehten mithin in der ersten Schlacht 9 englische und 21 holländische Admiralsflaggen.

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Herzog von York.

Der Herzog von York, 1633 als zweiter Sohn Karls I. geboren, war von Jugend auf als Seemann erzogen. Er floh 1648 nach den Niederlanden und nach seines Vaters Hinrichtung nach Frankreich. 1660 wurde er von Karl II. zum Lordhighadmiral ernannt, mußte aber als Katholik 1673 das Amt niederlegen. 1685 bestieg er als Jakob II. den Thron. Als Großadmiral und als König tat er viel für die Marine.

Prinz Ruprecht von der Pfalz (engl. Prince Rupert), 1619 als Sohn des Kurfürsten Friedrich V. (des Winterkönigs) geboren, focht im Dreißigjährigen Kriege auf protestantischer Seite. Im englischen Revolutionskriege diente er als Reiterführer und später zur See als Parteigänger der Royalisten. 1666 führte er mit Monck die englische Flotte, 1673 war er erster Lord der Admiralität, er starb 1682. Er war ein tüchtiger Seeoffizier, aber doch nicht von der peinlichen Pflichttreue wie die Generale der Cromwellschen Schule; zu sehr Kavalier.

Cornelis Tromp, 1629 als Sohn Martin Tromps geboren, wurde bald nach der Schlacht bei Lowestoft an Stelle des gefallenen Cortenaer Leutnantadmiral. 1675 wurde er von Karl II. zum Baronet und 1676 vom König von Dänemark zum Grafen erhoben; 1677 folgte er Ruyter in der Stellung als Leutnantadmiral von Holland und Westfriesland. Er zeichnete sich in den Kriegen gegen England und Frankreich sowie im dänisch-schwedischen Kriege 1675–1679 in dänischem Dienste aus. Mutiger und tüchtiger Seeoffizier und beliebt bei den Untergebenen, jedoch unvorsichtig, eigenmächtig und ehrgeizig. Biographie: „Vie de Tromp“.

Die englische Flotte ging am 1. Mai zuerst in See, infolge alarmierender Gerüchte über die Bewegungen des Feindes, obgleich sie noch nicht vollzählig bemannt und auch nur notdürftig mit Proviant usw. ausgerüstet war. York beabsichtigte, den Feind in dessen eigenen Gewässern zum Kampf zu stellen, vor allem die Vereinigung der Flottenabteilungen, die in der Maas-Scheldemündung zusammentraten, mit den bei Texel versammelten zu verhindern; außerdem hoffte er, heimkehrende Kauffahrer und das zurückerwartete Geschwader Ruyters abfangen zu können. Er blockierte etwa 14 Tage lang die feindlichen Küsten, wurde dann aber durch Proviantmangel[265] und durch einen schweren Sturm, in dem die Schiffe sehr litten, gezwungen, am 19. Mai nach England zurückzugehen.

Gleich darauf, am 22. Mai, führte Leutnantadmiral Evertsen die westlichen Flottenabteilungen nach Texel, und Wassenaer ging an den beiden nächsten Tagen mit der Gesamtflotte in See. Er hielt sich zunächst mehrere Tage an der Küste. Einige Quellen sagen, er sei durch flaue Gegenwinde festgehalten, andere geben an, er habe es bei der ihm wohlbekannten Neigung zur Indisziplin und Eifersucht im Personal nach so kurzem Zusammensein der Flotte noch nicht für ratsam erachtet, schon Größeres zu unternehmen. Jedenfalls wurde ihm dieses Zögern sehr verdacht — er wäre ja auch unter Umständen der schwachbemannten, von Vorräten entblößten und durch den Sturm beschädigten englischen Flotte sehr gefährlich geworden —, und er erhielt von den Generalstaaten ein Mißtrauensvotum sowie den ausdrücklichen Befehl, sobald wie möglich anzugreifen. Man glaubte die feindliche Flotte sehr geschwächt und ihre weitere Bemannung und Ausrüstung sehr in Frage gestellt, weil gerade jetzt in London die Pest ausgebrochen war. Durch die Vorwürfe erbittert, soll Wassenaer nun den Entschluß gefaßt haben, gegen seine sonstige Ansicht den Feind zu suchen und unter allen Umständen zu fechten; nach erhaltenem Befehl ging er zur englischen Küste hinüber. Inzwischen war es ihm am 30. Mai gelungen, eine größere Anzahl Hamburger Kauffahrer mit Material für die englische Marine nebst dem sie deckenden Kriegsschiffe wegzunehmen.

Die englische Flotte lag noch in der Ausrüstung begriffen bei Harwich. Auch sie erhielt auf die Nachricht des höchst unangenehmen Verlustes des Konvois Befehl, wieder auszulaufen; außerdem glaubte York, sich auf dem augenblicklichen Ankerplatze keinem Angriffe aussetzen zu dürfen, um nicht zwischen den Bänken gefangen zu werden. Er ging deshalb mit seinen Proviantschiffen nach der Solebay (Southwoldbay, damals vermutlich eine größere Bucht als jetzt und deshalb ein beliebter Flottenankerplatz). Hier ankerte er am 11. Juni und hatte das Glück, sofort Fahrzeuge mit Auffüllungsmannschaften anzutreffen, denn schon an demselben Tage wurden die Holländer etwa 18 Seemeilen ab in Ostsüdost gesichtet, bei östlichem Winde zu Luward stehend; York sandte die Transporter nach Harwich zurück und ging weiter in See hinaus. Wassenaer war am 11. durch Flaute gehindert anzugreifen, und so fand der Morgen des 12. Juni beide Flotten etwa 8 Seemeilen Südost von Lowestoft, die Holländer etwa 5 Seemeilen Südost von den Engländern stehend. Aber auch an diesem Tage kam es nicht zum Gefecht, es war weiter flau; Wassenaer hätte wahrscheinlich angreifen können, er zog es aber vor, weiter vom Lande abzuliegen, um seine infolge des flauen Windes auseinander gekommene Flotte zu sammeln; erst abends näherten sich die Gegner. In der Nacht ging der Wind durch Süd auf Südwest und am 13. Juni 2½ Uhr morgens standen die Flotten etwa 18 Seemeilen Nordnordost von Lowestoft, nun aber die englische zu Luward. York ging zum Angriff über, aber auch Wassenaer wollte jetzt trotz der ungünstigen[266] Windstellung und der noch immer geringen Ordnung seiner Flotte fechten, und so begann am 13. Juni 1665 um 3½ Uhr früh die Schlacht von Lowestoft.

Die Überlieferungen sind nur dürftig und widersprechend. Wir folgen im allgemeinen den Schilderungen Clowes' und de Jonges. Aus ihnen ist, übereinstimmend mit anderen Quellen, zu entnehmen, daß die Engländer in guter Ordnung waren und diese längere Zeit aufrecht erhielten, daß aber schließlich wieder die Melee eintrat, namentlich, weil die Ordnung der Holländer aus verschiedenen Gründen immer mehr verloren ging.

Als die Flotten ins Gefecht eintraten, war die holländische Flotte keinesfalls in guter Ordnung. Spätere kriegsgerichtliche Feststellungen erklären: „Verschiedene Flaggoffiziere befanden sich nicht bei ihren Verbänden, sondern segelten zusammen; viele Schiffe, selbst Verbände, waren nicht auf ihren Posten, der Befehl zum Angriff kam unerwartet. Ein Zeuge sagt sogar: Es war eine Lust, die englische, aber ein Jammer, die holländische Formation zu sehen.“ Also Ordnung und Aufsicht waren mangelhaft. Dies gab verschiedenen Schiffen die Möglichkeit, sich nur flau am Gefecht zu beteiligen. Sie hielten sich in Lee außerhalb der Gefahr; mehrere Fahrzeuge blieben völlig unbeschädigt, ja, einige sollen nicht einmal die Mundpfropfen aus den Geschützen genommen haben.

Die beiden Flotten passierten sich zuerst um 3½ Uhr unter lebhaftem Feuer, in „Kiellinie beim Winde“ über verschiedene Buge liegend. Hierbei war die Entfernung ziemlich groß, doch litten die Holländer mehr durch die schwerere, weitertragende Artillerie des Gegners. Sie hatten nur den Erfolg, ein zu weit nach Lee gekommenes englisches Schiff zu nehmen; es sollte ihre einzige Trophäe bleiben. Nach dem Passieren wendeten beide; die Holländer im Kontremarsch, die Engländer zugleich, so daß bei diesen die Nachhut (Sandwich) an die Spitze kam. Wassenaer strebte danach, die Luvstellung zu gewinnen. Bei der geringeren Segelfähigkeit seiner Schiffe gelang dies nicht, dagegen führte es dahin, daß die höherliegenden und schnelleren Schiffe vorliefen, andere zurückblieben oder mehr nach Lee kamen. So wurde die Ordnung weiter gestört, wozu auch noch das Bestreben der tüchtigsten Kommandanten, so auch Wassenaers und der übrigen Admirale, schneller und näher an den Feind zu kommen, beitrug. Wassenaer und Tromp sollen bald das Schiff des vor ihnen segelnden Cortenaer (Vorhut) erreicht haben; da ihre besten Schiffe ihnen gefolgt waren, befanden sich nun 3 Geschwader untereinander gemischt.

Es ist nicht klar aus den Quellen zu entnehmen, ob es sich jetzt weiter um ein oder um mehrere Passiergefechte gehandelt und ob vor- und nachstehendes sich demgemäß zur Zeit des zweiten Passierens oder bei späterem ereignet hat. Schon um 5 Uhr fiel Cortenaer, der an Stelle des Oberbefehlshabers den Befehl hätte übernehmen müssen. Sein Flaggschiff floh mit wehender Admiralsflagge, etwa 10 Schiffe dieses Geschwaders folgten, so daß eine Lücke entstand. Gegen Mittag brach Sandwich durch eine Lücke in der Nähe des Zentrums, vielleicht die eben erwähnte, und teilte damit die feindliche Flotte. Es ist fraglich, ob er dieses Manöver mit Absicht oder durch Zufall — vielleicht infolge des Pulverdampfes, die Flotten waren sich an dieser Stelle sehr nahe gekommen — ausgeführt hat. Jedenfalls hatte es den nachdrücklichsten Erfolg, die Verwirrung der Holländer wurde immer größer. Die Engländer greifen nunmehr die standhaftesten Feinde, insbesondere die Admirale, an; die Melee ist da.

Als Wassenaer („Eendracht“, 70 Kanonen) sah, daß das Kriegsglück sich gegen ihn wandte, scheint er von Verzweiflung erfaßt zu sein. Er versucht York („Royal Charles“, 80 Kanonen) zu entern, wird abgeschlagen, kämpft aber mit Erfolg weiter — York selbst wird leicht verwundet, neben ihm fallen 3 Kriegsfreiwillige hoher Geburt, sein Schiff wird arg zerschossen —, bis die „Eendracht“ um 2 Uhr nachmittags auffliegt. Die Explosion[267] ist wahrscheinlich durch Entzündung von Kartuschen erfolgt, doch sagt das Gerücht, sie sei durch einen Negerdiener des Admirals aus Rache veranlaßt worden. Durch diesen Vorfall entmutigt, halten wieder einige Schiffe ab; andere folgen, weil sie glauben, der Befehl zum Rückzug sei gegeben. Einzelne Verbände und Einzelschiffe halten aber noch wacker stand trotz weiterer Verluste: an einer Stelle werden 4 zusammengetriebene Fahrzeuge durch einen Brander vernichtet, an einer anderen trifft 3 oder 4 vereinzelt dasselbe Los.

Leutnantadmiral Evertsen übernahm nach Wassenaers Tode den Oberbefehl. Aber auch Tromp, der den Tod Cortenaers und Stellingwerffs erfahren hatte, setzte die Admiralsflagge und übernahm das Kommando über die Schiffe in seiner Nähe; er behauptete später, nicht gewußt zu haben, was aus Evertsen geworden sei. Es würde dies bezeichnend für die Verwirrung sein; vielfach glaubte man jedoch, er habe nur nicht unter einem seeländischen Admiral stehen wollen, denn ähnlicher Eigenmächtigkeiten machte er sich in der Zukunft mehrfach schuldig. Der Versuch dieser beiden Führer und anderer besonnener Männer, das Gefecht in Ordnung abzubrechen, war vergeblich; der Rückzug artete in Flucht aus, die um 7 Uhr abends allgemein wird.

Evertsen steuert mit 17 Schiffen, wohl hauptsächlich vom Seeländer Kontingent, nach der Maasmündung, dem nächsten Schutzplatz, der außerdem bei dem Stand der Gezeiten ein sofortiges Einlaufen gestattete und auch als Sammelpunkt ausgegeben war. Tromp ging mit dem größeren Teil der Flotte nach Texel und dem Vlie, wo erst mit wechselndem Strom nach einer gefahrvollen Nacht das Einlaufen möglich war. Er wählte, wie er sagte, diesen Kurs, um die vorher dorthin geflohenen Schiffe zu decken; tatsächlich hat er auch mit einigen seiner besten Fahrzeuge den Rückzug der dorthin Segelnden und gewissermaßen den der ganzen Flotte geschützt.

Die Verluste der Holländer betrugen nach englischen Angaben: 14 Schiffe vernichtet, 18 genommen — die Holländer gaben nur 16–20 insgesamt zu —; 4000 Tote, darunter 3 Leutnantadmirale; 2000 Gefangene. Die Engländer verloren: 2 Schiffe; 600 Tote und Verwundete, unter den Toten Vizeadmiral Lawson und 1 Kontreadmiral, und einige Hundert Gefangene.

Die Schlacht bei Lowestoft ist bemerkenswert als die erste, in der beide Flotten in „Kiellinie beim Winde“ ins Gefecht eintreten und sich in dieser Formation mehrfach passieren, ehe die Melee beginnt; die Engländer haben dabei scheinbar die Linie in guter Ordnung aus Einzelschiffen gebildet. Die Schlacht war eine völlige Niederlage für die Holländer; ihre Flotte hatte stark gelitten und war versprengt in ihre Häfen zurückgetrieben; bei energischer Verfolgung wäre ihr Verlust wohl noch weit größer geworden.

Die Engländer verfolgten zwar, doch wurde die Verfolgung während der Nacht lau. Als Grund wird angegeben, der stark auffrischende und auflandige Wind habe es verboten, sich den flachen Gewässern zu nähern, auch seien alle Brander verbraucht gewesen.

Eine mysteriöse Geschichte spielt mit (Clowes, Teil II, Seite 265). Im Kriegsrat nach der Schlacht soll Penn geäußert haben, man müsse sich noch auf ernstes Werk gefaßt machen, die Holländer seien nie tapferer als in der Verzweiflung. Daraufhin habe die persönliche Umgebung Yorks gesagt, es sei auch Ehre genug errungen. Als sich der Herzog in die Kajüte zurückgezogen hatte, überbrachte ein Offizier seiner Begleitung den Befehl an Penn, die Flotte solle Segel mindern. Es geschah. Später wunderte sich der Herzog über den ausgeführten Befehl und behauptete, ihn nicht gegeben zu haben, doch nun war es zu spät. Untersucht ist die Sache nicht; Penn blieb in Yorks Gunst, der Überbringer des Befehls wurde entlassen. Man sagt, die[268] Umgebung des Herzogs habe von seiner Gemahlin und auch vom König den Auftrag gehabt, dafür zu sorgen, daß sich York nicht zu sehr gefährde; er war ja der voraussichtliche Thronerbe.

Wie von einer taktischen Verfolgung, so wurde auch von sonstiger strategischer Ausnutzung des Sieges abgesehen; als Tromp bei Texel eingelaufen war, ging York am 14. Juni nach England zurück.

In Holland, wo man die eigene Flotte der feindlichen überlegen geglaubt hatte, erregte die Niederlage im Volke große Entrüstung. Diese ging soweit, daß Evertsen in Brielle vom Pöbel angegriffen, durch die Straßen geschleift und ins Wasser geworfen wurde, nur knapp entging er dem Tode. Von den Kommandanten, die sich im Kampf feige benommen hatten, wurden verschiedene mit Gefängnis bestraft, andere infam kassiert, einige erschossen.

Auch dem gefallenen Wassenaer — dem man zwar später in der großen Kirche im Haag ein prachtvolles Denkmal errichtete — wurde die Schuld an der Niederlage zugeschoben: Er habe unter ungeeigneten Umständen gefochten; ihm habe die Umsicht gefehlt, er habe die Leitung aus der Hand gegeben und nur mit dem eigenen Schiff den Kampf gesucht. Man vergaß, welchen strikten Befehl man ihm zum Fechten gegeben, daß man ihn, einen Reiterführer, trotz seiner Einwendungen zum kommandierenden Admiral gemacht hatte. Wie nach der Schlacht im Sunde (1658) wurde ihm vorgeworfen, er habe vor der Schlacht keinen Kriegsrat gehalten, infolgedessen seien die Admirale und Kommandanten nicht über seine Absichten unterrichtet gewesen. Man vergaß, daß er nach dem Zusammenziehen der Flotte gern etwas Zeit gehabt hätte, um ein gewisses Zusammenschmelzen der verschiedenen Verbände zu erzielen. Liegen nicht auch andere Gründe für die Niederlage ebenso nahe, ja noch näher? Die Unordnung schon bei Beginn des Gefechts darf man doch Wassenaer nicht allein zum Vorwurf machen; es waren noch 20 Flaggoffiziere da, die auf dem Marsch für Ordnung sorgen konnten. Diese große Zahl von Unterführern war anderseits wohl mit schuld, daß Ordnung und Leitung während des Gefechts immer mehr verloren gingen. So viele Unterabteilungen, zunächst schon die 7 Geschwader, von einer Stelle zu leiten, war unmöglich, besonders bei dem damaligen Stande des Signalsystems. Die Einteilung mußte zum selbständigen Auftreten der Abteilungen führen, was ja auch der Kampfweise der bisherigen Gruppentaktik entsprach. Dies konnte aber einem einheitlicheren Wirken gegenüber, wie es der englischen Flotte ihre Instruktion jetzt schon vorschrieb, nur bei großer militärischer Einsicht und Schulung aller Führer und Kommandanten von Erfolg sein. Solche fehlte jedoch gerade dem größten Teile des Personals, daneben vor allem der Sinn für militärische Ordnung, Treue und Disziplin. Dieser Mangel, der schon Bilden und Halten einer Formation außerhalb eines Gefechtes schwierig machte, ist wohl in erster Stelle an der Niederlage schuld.

Weitere Ereignisse der Jahre 1665 und 1666 bis zur Viertage-Schlacht. Ebensowenig wie unmittelbar nach der Schlacht wurde auch später die[269] errungene Seeherrschaft englischerseits energisch ausgenutzt. Der Herzog von York hatte den Oberbefehl abgegeben, auch Prinz Ruprecht hatte seine Flagge niedergeholt. Montagu, Earl of Sandwich, kommandierte jetzt die Flotte und ging am 15. Juli hinüber zur holländischen Küste wieder mit der Absicht, Ruyter und zahlreich erwartete Ostindien- und Mittelmeerfahrer abzufangen. Er führte aber eine Blockade nicht durch, obgleich sie doch für seinen Zweck und zur Verhinderung der Wiedervereinigung des Gegners der sicherste Weg gewesen wäre. Ob man das Schiffsmaterial nicht für geeignet hielt, eine längere Blockade durchzuführen und dann noch der neuausgerüsteten feindlichen Flotte gegenüberzutreten, oder ob der aus der Armee stammende Kommandierende den Wert der Schließung der feindlichen Häfen verkannte, ist nicht festzustellen. Da man inzwischen erfahren hatte, daß die zurückerwarteten Kauffahrer sich in Bergen sammelten, schickte Montagu den Kontreadmiral Tyddiman mit 14 Kriegsschiffen und 3 Brandern dorthin zum Angriff, während er sich selbst mit dem größeren Teil der Flotte bis zu den Shetlands hinauf auf die Lauer legte. Daß Ruyter unbemerkt Holland erreichte, haben wir schon gehört, auch die Expedition gegen Bergen sollte fehlschlagen, wie wir sehen werden.

In Holland hatte man nach der großen Niederlage sofort begonnen, aufs neue zu rüsten. Besonders Jan de Witt bemühte sich, dies zu fördern und auch den Geist in der Marine wieder zu heben. Lebhaft unterstützt wurde er durch Tromp, obgleich dieser anfangs erklärt hatte, mit Kommandanten, wie sie sich in der Schlacht gezeigt hätten, könne er nicht fechten. Er war sogar gegen den Befehl der Generalstaaten, mit seinen Schiffen bei Texel liegen zu bleiben, in die Häfen eingelaufen. Schon 10 Tage nach der Schlacht lief ein Geschwader von 17 Schiffen unter Kontreadmiral Bankers aus, um etwa heimkehrende Kauffahrer aufzunehmen. Den Oberbefehl über die neuaufzustellende Flotte erhielt vorläufig Tromp — er war an Stelle Cortenaers zum Leutnantadmiral der Maas ernannt und wurde später in gleicher Eigenschaft auf seinen Wunsch nach Amsterdam versetzt —, doch wurde ihm eine Kommission von drei Deputierten der Generalstaaten, darunter de Witt, zur Seite gestellt.

Diese echt republikanische Maßnahme, einem Oberbefehlshaber Deputierte zur Seite zu stellen, war schon in den Dünkirchener Kriegen Brauch gewesen. Bei Tromp dem Älteren hatte man im ersten Kriege davon abgesehen, obgleich er selbst darum bat, um sich gegebenenfalls der Volksmeinung gegenüber besser rechtfertigen zu können; es war dies ein Zeichen großen Vertrauens. Wassenaer hatte sich gesträubt, Deputierte zuzulassen.

Tromp der Jüngere aber hatte sehr viele Gegner in den leitenden Kreisen. Zwar waren sein Mut, seine Tüchtigkeit und seine Beliebtheit bei den Mannschaften allgemein bekannt, jedoch man fürchtete seine Unvorsichtigkeit, seine Eigenmächtigkeit, und er war Oranier. Gern hatte man ihm das Kommando überhaupt nicht gegeben, aber er war der einzige Leutnantadmiral der Provinzen von Holland, da Ruyter und Meppel noch abwesend waren. Ein neuer Leutnantadmiral von Holland und Westfriesland war noch nicht ernannt und nach altem Brauch trat ja der Leutnantadmiral der Maas als Vertreter ein. Der viel ältere Cornelis Evertsen sen. (Seeland), der an die Stelle[270] seines Bruders Jan getreten war, stellte sich rühmenswerterweise bereitwillig unter Tromp; Jan Evertsen hatte infolge der schmählichen Behandlung in Brielle den Dienst quittiert.

Man beeilte die Rüstungen, um den wertvollen Konvoi in Bergen sichern zu können; als die Flotte seeklar war, hieß es zwar, sie könne widriger Winde wegen nicht auslaufen, doch auch hier zeigte sich die Tatkraft des Ratspensionärs de Witt.

Althergebrachte Ansicht der Lotsen war, daß man mit schweren Schiffen die Rhede von Texel bei allen westlichen Winden durch die üblichen Fahrwasser, Landstief und Schlänge nicht verlassen und ein drittes, das spanische Gat, überhaupt nicht benutzen könne. De Witt bewies die Unhaltbarkeit dieser Behauptungen, insbesondere der letzten, indem er das Fahrwasser unter eigener Leitung ausloten ließ und es dann mit dem schwersten Schiffe passierte; es wurde von nun an das Jan de Witt-Tief genannt.

Seinem Einschreiten war es zu danken, daß die Schiffe vom 14. bis 16. August in See gingen und die Flotte nun segelfertig lag. Am 6. August war Ruyter in der Ems angekommen; er wurde sofort zum Leutnantadmiral von Holland und Westfriesland ernannt, welche Stelle man für ihn freigehalten hatte, und übernahm am 18. den Oberbefehl. Tromp weigerte sich anfangs, in die zweite Stelle zurückzutreten, nachdem er die Flotte organisiert hätte, er fügte sich aber doch. Die Flotte[160] bestand aus 93 Kriegsschiffen, 11 Brandern, 20 Jachten usw. mit 4337 Kanonen, 15051 Seeleuten, 1283 Seesoldaten und 3300 Landsoldaten; sie war in 4 Geschwader geteilt, von denen das eine (Ruyter selbst) als Reserve dienen sollte. Ihre Segelorder war: die Kauffahrer von Bergen abzuholen und den englischen Streitkräften möglichst Abbruch zu tun; schon am 17. waren leichte Schiffe in die Nordsee gesandt, um alle heimkehrenden Handelsschiffe nach Bergen zu leiten. Ruyter ging längs der englischen Ostküste bis zu 58° Nordbreite hinauf und hörte hier am 25. August, daß Montagu an der Küste Norwegens gesehen sei; er habe dort einen Teil seiner Flotte zurückgelassen (Tyddiman) und sei mit dem Rest nach Westen gesegelt. Am demselben Tage sichtete man auch ein englisches Schiff; die beiden Flotten müssen dicht beieinander gewesen sein, ohne sich sonst zu sehen. Jetzt steuerte der Admiral nach Norwegen hinüber.

Die Kauffahrer in Bergen — 10 große Ostindienfahrer von ungeheurem Wert und etwa 60 andere, besonders Levantefahrer — waren aber schon der Gefahr entzogen; sie hatten den Angriff Tyddimans glänzend abgeschlagen; es war nur noch nötig, sie sicher in die Heimat zu führen.

Die Gesandten König Karls hatten vom König Friedrich III. von Dänemark die Zusicherung erhalten, dänischerseits solle ein Wegnehmen der holländischen Schiffe in Bergen nicht gehindert werden. Beide Könige wollten dann die Beute teilen; Friedrich beabsichtigte, sich Holland gegenüber damit zu entschuldigen, daß man ein Bombardement Bergens durch die englische Flotte habe fürchten müssen. —

Die Kauffahrer waren aber auf den Angriff vorbereitet. Sie hatten die Ostindienfahrer und die schwersten sonstigen Schiffe in Halbmondformation vermoort, möglichst[271] viele Geschütze auf den dem Angriff ausgesetzten Seiten aufgestellt, am Lande flankierende Geschützstände errichtet und auch Leute zur Verstärkung der dänischen Befestigungen gelandet.[161] Der dänische Befehlshaber, General von Alefeld, gestattete alles dieses und beteiligte sich auch an der Abwehr; er soll zwar von der Abmachung seines Königs schon gewußt, aber noch keinen Befehl erhalten haben; so handelte er, wie es ihm Völkerrecht und Kriegsbrauch vorschrieben. Am 12. August (10.? 13.?) griff Tyddiman an. Er hatte sich mit Alefeld noch nicht in Verbindung gesetzt, entweder in der Annahme, daß dieser auch ohne Befehl den Absichten seines Königs folgen werde, oder gar in der Erwartung, daß er unter diesen Umständen dann auch die Beute nicht zu teilen brauche. Die Verhältnisse waren dem Angriff sehr ungünstig. Der aus dem Hafen stehende Wind erschwerte das Herankommen und hinderte die Verwendung der Brander, der auf den Schiffen lagernde Pulverdampf beeinträchtigte ihr Feuer. Nach einem Gefechte von etwa vier Stunden mußte das englische Geschwader die Anker kappen und sich mit schwerbeschädigten Schiffen und großem Mannschaftsverluste zurückziehen. General von Alefeld forderte nun allerdings von den holländischen Schiffen 100000 Taler für den gewährten und noch weiter zu gewährenden Schutz. Er erhielt auch vorläufig 3000, und man war dabei, noch mehr auf den Schiffen aufzubringen, als die Flotte unter Ruyter erschien. Jetzt mußten sich die Dänen mit dem feierlichen Dank der Staatendeputierten begnügen; sie hielten aber wenigstens die gelandeten 41 Geschütze zurück: „sie müßten diese zur eigenen Sicherheit behalten, da ihnen im Gefecht sehr viele eigene gesprungen oder zerschossen wären.“ („Leben Ruyters“, Seite 318.)

Auf der Rückfahrt wurden Flotte und Konvoi durch einen mehrtägigen Nordweststurm zersprengt, nur mit 36 Kriegsschiffen stand Ruyter am 13. September südlich von der Doggerbank. Weiter auf den Schutz der zerstreuten Kauffahrer bedacht, kreuzte er noch einige Tage. Von wieder zu ihm stoßenden Kriegsschiffen erfuhr er, daß die englische Flotte in der Nähe sei. Montagu war zu rechter Zeit vom Norden zurückgekehrt, um aus der Zerstreuung der Holländer Nutzen ziehen zu können; 8 Kriegsschiffe, 2 Brander, 2 Ostindienfahrer und mehrere andere Schiffe wurden aufgebracht. Weiteres konnte er nicht unternehmen, da auch seine Flotte infolge des Absuchens des Sturmfeldes, vielleicht schon durch den Sturm selbst, zerstreut war. Beide Flotten sammelten sich nach und nach in ihren Häfen.

Das Jahr 1665 bringt um nichts mehr von Bedeutung. In England scheint infolge der Pest, die in London und einigen anderen Städten wütete, nichts geschehen zu sein, um die Flotte wieder schlagfertig aufzustellen; in kleinen Gruppen lagen die Schiffe auf den verschiedenen Ankerplätzen an der Küste und in den Häfen, ohne ihre Neuausrüstung zu betreiben. Ruyter lief Mitte Oktober zur englischen Küste hinüber, um die vereinzelten Teile des Feindes zu vernichten. Er erschien vor Harwich, Yarmouth, Lowestoft, vor der Solebay und den Downs, wo seine Aufklärungsschiffe Feinde gesehen hatten. Aber überall kam er zu spät, sie hatten sich jetzt in sichere Häfen, meist in die Themse, zurückgezogen; so wurden nur die Küsten alarmiert. Schließlich ging Ruyter vor die Themse in der Erwartung, die englische Flotte herauszulocken, doch vergeblich. Er blockierte die Flußmündung einige[272] Tage und nahm auch Lotungen vor. Da aber jetzt der Winter nahte und auf der Flotte binnen kurzer Zeit der Krankenbestand bedenklich stark zunahm — in wenig Tagen ein Krankenzugang von über 1000 Mann und 140 Todesfälle —, beschloß der Kriegsrat in Übereinstimmung mit den Deputierten, am 1. November nach Holland zurückzukehren und die Kontingente zu entlassen. Nur ein Geschwader von 18 Schiffen, deren Gesundheitszustand gut war, wurde südlich von der Doggerbank stationiert, um feindliche Hamburg- und Ostseefahrer abzufangen und eigene aufzunehmen; bald wurde es zu einer Winterflotte auf 34 Segel verstärkt und hielt sich bis in den Februar in der Nordsee und an der flämischen Küste. Sonst war der Feldzug für 1665 beendet und die Flotte wurde aufgelegt. Das Jahr hatte eigentlich nur die eine große Schlacht von Bedeutung gebracht, trotz der großen Flotten, die aufgestellt und von Holland bis zu Ende erhalten wurden; für Holland war es in der Hauptsache unglücklich verlaufen.

Auf die gegenseitigen Handelsschädigungen und die kleineren, wenn auch oft blutigen Zusammenstöße dabei in Kanal, Nordsee und Mittelmeer näher einzugehen, würde zu weit führen; man findet Ausführlicheres in den Geschichten der beiden Marinen.

Sofort nach dem Auflegen der Flotte beschloß man in Holland die Indienststellung einer ebenso starken Flotte wie im Vorjahre für das Frühjahr 1666. Man zog jetzt keine Schiffe der ostindischen Kompagnie mehr heran; diese zahlte statt dessen eine besondere Kriegssteuer. Infolge der Neubauten waren genügend Kriegsschiffe, besonders auch der schwersten Art, vorhanden. Die Fertigstellung der Fahrzeuge wurde den Winter über auf das eifrigste betrieben, und Hollands Aussichten schienen sich wesentlich günstiger gestalten zu wollen, da Frankreich und Dänemark ein Offensivbündnis mit ihm schlossen und den Krieg an England erklärten. Die drei verbündeten Mächte waren imstande, eine ungeheure Seemacht aufzustellen; wie bereits angedeutet ist, griffen aber weder Franzosen noch Dänen ernstlich in den Krieg ein.

Nach dem Vertrage mit Dänemark sollte dieses den Sund und die Belte für die Engländer schließen und eine Flotte von 40 Schiffen aufstellen. Die Flotte wurde zwar in Dienst gestellt, unternahm aber nichts von Belang.

Frankreich sammelte eine Flotte von 40 Schiffen: 11 zu 50–80 Kanonen, 29 zu 30–40 Kanonen, einige kleinere und 15 Brander[162] — unter dem Befehl des Herzogs von Beaufort, dem berühmte Seeleute, wie Chevalier St. Paul, Abraham du Quesne und Château-Renault unterstellt waren. Die Flotte lief schon im Januar 1666 von Toulon aus, erreichte aber erst Ende August La Rochelle, kam nie weiter als bis nach Dieppe, im September, und ging dann nach Brest zurück. Obgleich während der ganzen Zeit Unterhandlungen mit Holland über das Zusammentreffen der beiderseitigen Flotten geführt waren, kam es zu keiner Vereinigung.

[273]

England, von einer so mächtigen Liga bedroht, machte gleichfalls mit größter Anspannung mobil und nahm dafür eine bedeutende Anleihe zu hohem Zinsfuße auf.

Die Flotten der beiden Hauptgegner waren zu gleicher Zeit, Ende Mai 1666, seeklar. Ihre Stärken sind bereits früher (Seite 258) genauer angegeben:

  über 40 K. 30–40K. Kleinere Brander  
England 72 8 unbekannt = 4460 K.; 21085 Mann
Holland 71 13 9 9 = 4615 K.; 21909 Mann

Die englische wurde kommandiert von den Joint-Admiralen Prinz Ruprecht und Herzog von Albemarle (Monck); diese führten die Mitte, die Admirale Ayscue und Allen Vorhut und Nachhut. Jedes Geschwader war in 3 Divisionen geteilt. Die holländische Flotte war jetzt auch in 3 Geschwader geteilt; ihre Mitte führte Ruyter, die Vorhut Cornelis Evertsen der Ältere, die Nachhut Tromp. Bei jedem Geschwader befand sich noch ein Admiralleutnant, bei der Mitte noch ein Vize- und ein Kontreadmiral, bei Vorhut und Nachhut je zwei Offiziere dieses Dienstgrades.

Im „Leben Ruyters“, Seite 362, ist die Order des Flottenchefs wiedergegeben, die die Folge enthält, in der die Flaggoffiziere vor und hinter ihm zu segeln haben. Ich möchte sie als Beispiel anführen

Vorhut Evertsen 1 Vizeadmiral Aus dieser Segelfolge geht die Einteilung
in 3 Geschwader klar hervor, die
Einteilung in 3 Divisionen aber doch nur
bei der Mitte. Bei Vorhut und Nachhut
sollte man eher eine Einteilung in 2 Divisionen,
die dann wieder in je 3 Unterabteilungen
geteilt sind, annehmen; also
für jedes dieser Geschwader hier wieder
6 Gruppen. Jedoch sprechen die Quellen
ausdrücklich von der Einteilung in 3 Geschwader
zu 3 Divisionen. Ruyters Anordnungen
für das Gefecht beziehen sich nur
auf die Verwendung der 3 Geschwader.

Um Irrtümern vorzubeugen, sei erwähnt, daß der
Leutnantadmiral und der Kontreadmiral der Mitte
den Namen vanNes führten.
1 Kontreadmiral
1 Vizeadmiral
1 Admiralleutnant
1 Kontreadmiral
Mitte Ruyter und 1 Admiralleutnant
1 Kontreadmiral
1 Vizeadmiral
Nachhut Tromp 1 Vizeadmiral
1 Kontreadmiral
1 Vizeadmiral
1 Admiralleutnant
1 Kontreadmiral

Die Viertage-Schlacht am 11. bis 14. Juni 1666.

Diese Schlacht gilt mit Recht als eine der berühmtesten. Auf beiden Seiten ist eine ungeheure Zahl schwerer Schiffe vorhanden; an vier aufeinander folgenden Tagen wird heiß gerungen; die beiden Flottenchefs waren die berühmtesten Seebefehlshaber ihrer Länder. Monck hat für England vielleicht nicht dieselbe Bedeutung wie Blake, Ruyter aber nimmt nicht nur in der holländischen Marine, sondern auch unter allen Seeoffizieren jener Zeit zweifellos den ersten Platz ein. Gerade über diese Schlacht geben auch die alten Quellen genauere und zusammenhängendere Schilderungen als sonst, und sie ist deshalb auch in neuerer Zeit oft bearbeitet worden. Ich folge bei der Beschreibung in der Hauptsache Mahan, einer neueren Bearbeitung; Clowes gibt fast die gleiche Schilderung. Mahan hat einen Aufsatz der [274]„Revue maritime et coloniale“[163] zugrunde gelegt, in dem der erst neuerdings aufgefundene Brief eines Holländers, Kriegsfreiwilligen bei Ruyter an Bord, über die Viertageschlacht veröffentlicht ist. Diese Schilderung ist noch klarer und zusammenhängender als die anderer alten Quellen, die aber zum Teil in den Hauptzügen die Richtigkeit bestätigen, so daß es einigermaßen möglich ist, die vielen Widersprüche, die sich in den alten Berichten finden, zu klären.[164]

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Herzog von Albemarle (Monck).

Die holländische Flotte war am 3. Juni in den Wielingen, Bänken vor Ostende, zusammengetreten und am 5. vollzählig versammelt.[165] Sie wurde jedoch durch flaue auflandige Winde einige Tage an der Küste festgehalten, erst nach und nach gelang es durch Segeln bei Ebbe und Ankern bei Flut vom Lande abzukommen. Am 10. Juni setzte Ruyter bei nordöstlichem Winde seinen Kurs auf Northforeland, um die seit dem 8. in den Downs liegende englische Flotte aufzusuchen.

Die Flotten der Gegner waren nahezu gleichwertig; wenn die Holländer etwas an Zahl überlegen waren, so wurde dies durch die bessere Armierung der Engländer reichlich ausgeglichen. Englischerseits wurde jetzt aber vor dem Zusammenstoß ein großer strategischer Fehler gemacht. König Karl II. hatte die, wie sich später herausstellte, falsche Nachricht erhalten, die französische Flotte nähere sich schon dem Eingange des Kanals behufs Vereinigung mit der holländischen. Er gab deshalb von London aus den Befehl, Prinz Ruprecht solle mit dem weißen Geschwader (Vorhut) nach dem Westen gehen, wahrscheinlich bis Wight, hier noch etwa 10 Schiffe aus Plymouth an sich ziehen und den Franzosen entgegentreten. Diese Order erreichte die Flotte bei ihrem Eintreffen in den Downs; der Prinz ging sofort (8. oder 10. Juni) mit etwa 20 Schiffen der Vorhut, die Flaggschiffe jedoch bei der Flotte lassend, nach dem Westen ab, Albemarle (am 10.) aber Ruyter entgegen. Ruprecht war den Franzosen[275] gerade gewachsen, Albemarle jedoch mit jetzt nur 58 Schiffen über 30 Kanonen wesentlich schwächer als die Holländer.

Ruyter war, da der Wind bei dickem Wetter auf Südwest herumging und auffrischte, in der Nacht vom 10. auf 11. ungefähr in der Mitte zwischen Dünkirchen und den Downs zu Anker gegangen, Albemarle ebenso einige Meilen zu Luward von ihm; beide Flotten sichteten sich am 11. Juni um 9 Uhr vormittags. Albemarle lichtete sofort Anker, um anzugreifen, obgleich er schwächer war. Bei seiner Luvstellung rechnete er mit dem Vorteil, die Wahl des Angriffspunktes sowie Umfang und Dauer des Gefechts in der Hand zu haben. Seine Seeoffiziere waren gerade wegen der Luvstellung gegen den Angriff, da sie richtig voraussahen, daß man bei dem starken Winde und der bewegten See die untersten Batterien nicht würde gebrauchen können. Die Holländer erwarteten aus denselben Gründen auch keinen Angriff und lichteten zunächst nicht Anker, so daß sie später größtenteils kappen mußten; sie strebten auch während der Schlacht nicht danach, die Luvseite zu gewinnen.

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Der 11. Juni der Viertage-Schlacht 1666.

Die holländische Flotte lag mit dem Bug nach Südsüdwest, die Nachhut (Tromp) zu Luward, Mitte und Vorhut staffelförmig mehr und mehr in[276] Lee. Albemarle führte seine Flotte über Backbord-Bug an dem Gegner entlang, ließ aber dessen Mitte und Vorhut außer Schußweite und näherte sich erst, als er querab der Nachhut war. Die Holländer gingen nun über denselben Bug auch unter Segel, aber das Gefecht entbrannte zunächst nur, gegen Mittag, zwischen der englischen Flotte und Tromp. Wenn auch bei der langen Linie Albemarle nur etwa 35 Schiffe gut aufgeschlossen bei sich sah, weil seine Nachhut etwas zurückgeblieben war und ihre Linie sich geöffnet hatte, so war er doch in den ersten Stunden des laufenden Gefechts der Überlegene (Skizze S. 275: Position 1).

Die holländische Mitte konnte erst allmählich herankommen und in das Gefecht eingreifen, die Vorhut erst gegen Ende der Schlacht. Tromps Schiffe litten schwer; der Admiral selbst mußte noch in der Schlacht auf ein anderes Schiff übergehen, ein (oder gar zwei) Fahrzeuge verbrannten, ein Kontreadmiral fiel. Nach etwa 4 Stunden halste die englische Flotte, alle Schiffe zugleich, da man fürchtete, den Bänken vor Dünkirchen zu nahe zu kommen; Tromp folgte diesem Beispiel. Die fechtenden Schiffe beider Gegner waren etwas nach Lee getrieben, dadurch war es Ruyter leichter möglich geworden, heranzukommen (Position 2). Während nun die Engländer über Steuerbord-Bug nach Westen zogen, stieß ihre jetzt schließende Vorhut scharf mit Ruyter zusammen; ihre Schiffe hatten wohl am meisten gelitten und auch die Fühlung verloren, sie wurden nun übel zugerichtet (Position 3), verschiedene Schiffe wurden hier abgeschnitten und außer Gefecht gesetzt; der Vizeadmiral Berkeley fiel. Hier konnten jetzt auch schon die ersten Schiffe der holländischen Vorhut eingreifen; ihr Chef, Leutnantadmiral Evertsen, wurde dabei getötet (Position 4).

Einige Einzelheiten mögen folgen, um die Kampfweise zu veranschaulichen: Eins der abgeschnittenen Schiffe „Swiftsure“, Flaggschiff des Vizeadmirals Berkeley, wurde umringt und von verschiedenen Seiten geentert. Der Admiral focht schließlich fast allein auf dem Quarterdeck, weil alles um ihn gefallen war, bis ihn eine Pistolenkugel durch die Gurgel traf. Darauf zog er sich in die Kajüte zurück und wurde hier auf dem Kajütstisch ausgestreckt tot aufgefunden. — An dem bewegungslosen Schiff des Kontreadmirals Harman machte sich ein Brander fest. Dem ersten Leutnant gelang es aber mitten in den Flammen die Fangeisen zu lösen und sich unbeschädigt aufs eigene Schiff zurückzuschwingen. Ein zweiter Brander setzte die Segel in Brand, fast 50 Mann sprangen im Schreck über Bord. Der Admiral selbst trieb mit gezogenem Säbel die Besatzung zum Löschen an; es gelang, aber eine herabfallende Marsraa zerbrach dem Admiral ein Bein. Ein dritter Brander wurde in den Grund geschossen. Jetzt naht Evertsen und fordert zur Übergabe auf. Harman antwortet: „Soweit sind wir noch nicht“, gibt eine Breitseite ab, wodurch Evertsen getötet wird, bringt dann sein Schiff aus dem Gefecht nach Harwich und sucht nach nur eintägiger Ausbesserung und trotz seines gebrochenen Beines die Flotte wieder auf; er kommt aber zum Kampfe zu spät. Ähnliche Beispiele hartnäckiger Ausdauer und unbeugsamen Mutes finden wir auch auf holländischer Seite im „Leben Ruyters“.

Erst die Nacht trennte die Gegner, doch scheint es sich zuletzt nur noch um den Kampf in der Melee einiger Schiffe Ruyters und Evertsens mit den Schlußschiffen der Engländer gehandelt zu haben. Das englische Gros zog[277] Nordwest steuernd ungehindert an dem Evertsenschen Geschwader, das zum größten Teil nicht ins Gefecht gekommen war, vorüber und die Holländer machten sich daran, ihre Beschädigungen auszubessern, darunter Ruyters übel zugerichtetes Schiff.

Mahan sagt zu diesem Tage: „Der Angriff Albemarles war ein taktisches Meisterstück, ähnlich dem Nelsons bei Abukir. Mit schnellem Blick hatte er einen schwachen Punkt des Feindes erkannt und eine beträchtlich stärkere Streitmacht so angegriffen, daß nur ein Teil dieser ins Gefecht kam. Wenn auch die Engländer die größeren Verluste erlitten, so nahmen sie doch das Bewußtsein einer glänzenden Waffentat mit sich, während bei den Holländern Ärger und Niedergeschlagenheit herrschen mußte.“

Er fügt ferner hinzu: „Der (schon erwähnte) Augenzeuge sagt, das Mißgeschick der Engländer habe seinen Grund darin gehabt, daß ihre Linie zu lang gewesen sei; wenn Monck aufgeschlossener gefahren wäre, so hätten die Holländer nicht einige Schiffe abschneiden können.“ Die Bemerkung ist richtig, die Kritik kaum. Das Auseinanderkommen war bei soviel Segelschiffen unvermeidlich und eine der Zufälligkeiten, mit denen Monck rechnen mußte.

Ich möchte in dieser Beziehung darauf hinweisen, daß der Stoß auf Tromp allerdings noch wuchtiger gewesen sein würde, wenn beim Angriff Moncks Flotte völlig aufgeschlossen gewesen wäre; dies war durch das zu schnelle Heranführen einer langen Linie von Segelschiffen verhindert. Abgeschnitten wurden nachher aber nur Schiffe, die geschlossen ins Gefecht geführt waren und beschädigt zurückblieben, als Monck der Sände wegen halsen mußte. Hierin kann man also keinen Fehler erblicken.

Beide Flotten benutzten die Nacht, um Beschädigungen auszubessern, Kartuschen zu füllen, kurz, sich auf einen neuen Kampf vorzubereiten; dieser folgte bereits am nächsten Tage.

Die Engländer hatten die Nacht über nach der englischen Küste zu gelegen und kehrten am Morgen zurück; die Holländer waren nach Abbruch des Gefechts zunächst südöstlich gesteuert und standen dann wieder nach Westen hin. Beim Zusammenstoß am 12. Juni lagen die Engländer über Backbord-Bug, die Holländer über Steuerbord; die Engländer standen bei leichtem Südwestwinde zu Luward. Die holländische Linie war weit länger, mindestens 75 Schiffe standen 44 gegenüber, aber sie war nicht gut geordnet, einzelne Fahrzeuge maskierten das Feuer anderer.

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Der 12. Juni der Viertage-Schlacht 1666.

Tromp sah dies und ging, um den Nachteil auszugleichen, mit der Nachhut auf die Luvseite der Engländer hinüber, als die Spitzen der beiden Flotten querab voneinander waren; er konnte dieses Manöver ausführen, weil die Engländer nicht beim Winde lagen, um die feindliche Linie auf Parallelkurs zu passieren. Er scheint sogar einen kurzen Schlag über Backbord-Bug gemacht zu haben (Skizze S. 278: Position 1). Sein Benehmen mußte Ruyter irremachen; es kam hinzu, daß gleich darauf zwei Flaggschiffe der Vorhut hart abhielten, als sie etwa querab vom feindlichen Zentrum waren; um seine Flotte einigermaßen beieinander zu halten, mußte auch er abhalten (Position 2). So kam Tromp durch die in guter Ordnung weiter segelnden Engländer in große Gefahr; einer seiner Vizeadmirale fiel, er selbst mußte wiederum sein Flaggschiff wechseln. Vielleicht wäre er vernichtet worden, wenn nicht Albemarle die Ausnutzung seiner günstigen Lage hätte aufgeben müssen, da Ruyter die wiedergesammelten Teile seiner Flotte über Backbord-Bug[278] heranführte und die Luvstellung zu gewinnen drohte (Position 3). Wie schmerzlich Ruyter das Benehmen seiner Unterführer empfand, kam zum Ausdruck, als Tromp in einer Pause nach diesem Gefecht zu ihm an Bord kam: die Matrosen jubelten ihm zu, Ruyter aber sagte: „Es ist jetzt keine Zeit zu Freudenbezeugungen, eher für Tränen.“ Die Lage war auch weiter noch höchst ungünstig. Die Ordnung der Holländer war gänzlich zerstört, eine Linie gab es nicht, die Schiffe lagen „wie eine Herde Schafe“ zusammen. Die Engländer hätten bei rechtzeitiger Rückkehr den unbehilflichen Haufen umzingeln und zusammenschießen können; Albemarle scheint jedoch noch längere Zeit über Backbord-Bug weiter gelegen und dann wieder passiert zu haben, ohne ernstlich anzugreifen (Position 4). Wahrscheinlich fühlte er sich bei der geringen Zahl seiner Schiffe, die wohl auch vielfach durch Beschädigungen in der Takelage im Manövrieren gehindert waren, nicht stark genug, auf eine solche Weise die Entscheidung herbeizuführen.

[279]

Ruyter gewann also Zeit, seine Linie wieder herzustellen, bis Albemarle zum zweiten Male zurückkam. Bei diesem dritten Passieren verlor Ruyters Schiff Großraa und Großstänge, so daß bei einem vierten van Nes die Flotte führen mußte; dieser befand sich bei der Mitte und war als Leutnantadmiral der Maas stellvertretender Chef. Nach dem letzten Zusammentreffen brach Albemarle ab und zog sich nach Westen zurück. Der Verlust an Schiffen scheint am zweiten Tage annähernd gleich gewesen zu sein, 3 oder 4 auf jeder Seite gesunken oder verbrannt. In ihrer Gesamtheit hatten die englischen Schiffe wohl mehr gelitten. Der Rückzug Albemarles war jedoch, auch nach den holländischen Aussagen, ein ehrenvoller, in vollster Ordnung ausgeführt. Mit einer Dwarslinie seiner am wenigsten beschädigten Schiffe (16 oder 28) deckte er die schwerer beschädigten; drei davon verbrannte er, damit sie nicht hinderten und auch nicht dem Feinde in die Hände fielen (Position 5).

Für diesen zweiten Tag sind die Abweichungen in den älteren Quellen und Werken nicht unwesentlich. Zunächst sprechen diese von ein oder zwei Passiergefechten, ehe vorstehende Beschreibung einsetzt; dann habe Windstille den Kampf bis gegen Mittag unterbrochen. Dies ist nicht so wichtig, weil hierbei keine ausschlaggebenden Ereignisse vorgekommen sind; wichtiger aber ist, daß bei der Wiederaufnahme des Kampfes, der dann im allgemeinen wie geschildert verläuft, nach einigen Quellen beim ersten Passieren (Position 1) die Holländer zu Luward gestanden haben sollen (so nach der „Relation“ und nach „Leben Ruyters“; de Jonge und „Ruyters Bericht“ heben es nicht hervor); nur Tromp sei in Lee gewesen, entweder weil er eigenmächtig den Feind durchbrochen habe oder weil er die Luvstellung nicht mit habe gewinnen können, Ruyter habe ihm durch Einbrechen in die feindliche Linie zu Hilfe kommen wollen. Die Verwirrung in der holländischen Flotte sei nach einigen Quellen dann herbeigeführt, weil zu wenig Schiffe Ruyter gefolgt seien, nach andern, weil Ruyter seine Absicht wieder habe aufgeben müssen, da die Engländer Miene machten, ihn von dem Rest der Flotte zu trennen. Von der Position 4 einschließlich an stimmen die Angaben dann überein. Die Verwirrung in der Flotte, die schlimme Lage bei Position 4, ist in holländischen Quellen nur zwischen den Zeilen zu lesen. Die Eigenmächtigkeit Tromps wird nur von de Jonge angedeutet, Ruyter selbst erwähnt sie in seinem Bericht nicht, was wohl mit seinem vornehmen Charakter zu erklären wäre, um so mehr, falls Tromp nur in bester Absicht so gehandelt hatte.

Am 13. Juni setzten die Engländer in derselben Weise (Position 5) bei östlichem Winde den Rückzug fort. Albemarle wollte ein Gefecht vermeiden, bis er durch das Geschwader des Prinzen Ruprecht verstärkt wäre. Diesem war sofort beim Erscheinen der holländischen Flotte von London aus der Befehl zur Rückkehr nachgesandt, aber, wie man sagt, aus Unachtsamkeit nicht durch Kuriere und Eilschiffe, sondern mit der „gewöhnlichen Post“ nach Plymouth. Die Holländer setzten alle Segel zur Verfolgung bei, verloren aber in dem Bestreben, am Feinde zu bleiben, infolge ihrer im allgemeinen geringeren Segelfähigkeit jede Ordnung. Es kam am 13. zu keinem Zusammenstoß, nur auf weitere Entfernungen wurden einige Schüsse gewechselt. Am Nachmittag kam im Westen ein Geschwader von etwa 25 Segeln in Sicht; zum Glück für die Engländer war es Ruprecht und nicht die Franzosen.

[280]

Einen Erfolg brachte dieser Tag doch für Holland. Am Nachmittag lief das Schiff des Admiral Ayscue (Vorhut) bei Galloper auf und wurde von Tromp, unterstützt von 2 Brandern, zum Streichen der Flagge gezwungen (Position 5); von seinen Kameraden konnte es nicht unterstützt werden, ohne den ganzen Rückzug zu gefährden. Gern hätte Tromp sein Opfer — den „Royal Prince“, das stolzeste Schiff Englands — als Beute heimgeführt, aber Ruyter befahl die Verbrennung. Anhänger Tromps legten dies als eine Mißgunst des Flottenchefs aus, was aber bei Ruyters Charakter höchst unwahrscheinlich ist, und der Vorfall erhöhte die Spannung zwischen den beiden Admiralen. Ruyter war jedoch im Recht; er gab den Befehl, weil er im Hinblick auf das gesichtete Geschwader einen Verlust der Beute fürchten mußte.

Beim Einbruch der Nacht vereinigten sich die beiden englischen Führer und beschlossen, am andern Tage wieder anzugreifen. Die Entscheidung stand bevor, auch Ruyter wollte sie herbeiführen, obgleich die Verhältnisse jetzt nicht mehr so günstig für ihn lagen. An Zahl der Schiffe waren die Gegner zwar nahezu gleich, es standen sich etwa 64 Holländer und 60 Engländer gegenüber — außer den vernichteten waren viele beschädigte von den Flotten abgekommen —, aber die Engländer verfügten über gut 20 unversehrte Schlachtschiffe mit frischen Besatzungen; schon in der Minderzahl hatten sie sich infolge ihrer besseren Flottendisziplin fast gleichwertig gezeigt. Ruyter steuerte die Nacht über östlich, um freieres Wasser zu erreichen, rief am Morgen seine Kommandanten an Bord, ermahnte sie „noch einen Tag auszuhalten“ und suchte dann auch den Feind auf.

Am 14. Juni wehte es frisch aus Südsüdwest, die Holländer waren zu Luward, beide Flotten lagen über Steuerbord-Bug. Die Engländer machen keinen Versuch, die Luvstellung zu gewinnen; beide Führer manövrieren nicht darauf hin, ein Passiergefecht herbeizuführen, sondern benutzen einerseits die Luvstellung, anderseits die bessere Segelfähigkeit dazu, ihre Flotte zum Angriff genau querab vom Feinde zu führen. So entbrennt ein laufendes Gefecht der ganzen Linien unter kleinen Segeln und auf nächste Entfernungen; teilweise berühren sich die Raaen (Skizze: Position 1).

Infolge des Pulverrauchs und der Beschädigungen geht bald die Ordnung verloren, besonders gewinnen viele englische Schiffe die Luvstellung einigen Holländern gegenüber, da sie ja höher beim Winde liegen konnten. So kommt Tromp mit 6–8 wahrscheinlich beschädigten Schiffen der Nachhut nach Lee und ist längere Zeit nicht imstande, sich am Gefecht zu beteiligen. Eine zweite Gruppe holländischer Schiffe (14?) unter dem Kontreadmiral van Nes kommt dadurch von der Flotte ab, daß sie unter vermehrten Segeln eine, sehr nach Luward aufgesteuerte, englische Gruppe (4? Schiffe) von ihrer Hauptmacht abschneidet, verjagt und verfolgt. Der Rest der holländischen Flotte war so einem überlegenen Feinde gegenübergeblieben. Glücklicherweise hatte Ruyter immer noch gegen 35 Schiffe der verschiedenen Geschwader bei sich und stand mit seiner Hauptmacht zu Luward der feindlichen (Position 2); immerhin war es längere Zeit eine schwere Lage für ihn. Hart am Winde, vielleicht auch aufkreuzend, steuerte unter heißem Kampf und teilweise in der Melee diese Hauptschlacht nach Luward auf.

[281]

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Der 14. Juni der Viertage-Schlacht 1666.

Inzwischen hatte Tromp seine Schiffe in stand gesetzt. Um wieder auf den Kampfplatz zu kommen, preßte er Segel, lief in Lee der kämpfenden Flotten vorbei und riet auch van Nes von der Verfolgung ab. Beide wendeten. Zwar konnten sie die Luvstellung nicht gewinnen, aber sie erschienen doch fast gleichzeitig in Lee der Hauptflotten, so daß die Engländer dubliert waren (Position 3). Als Ruyter dies sah, gab er das Signal zum allgemeinen Angriff, Einbruch in den Feind, wodurch die englische Ordnung völlig zerstört wurde (Position 4). Noch eine kurze Zeit wurde heiß gefochten; nach und nach gelang es aber den englischen Schiffen, sich aus der nun allgemeinen Melee nach Luward in eine gewisse Sicherheit zu ziehen und sich gegen 7 Uhr abends wieder zu sammeln. Einige 20 Segel kamen so zusammen; an 10 bis 12 Schiffe waren an diesem Tage verloren gegangen, viele andere von der Flotte abgekommen. Es wehte jetzt sehr schwer, so daß auch die ermatteten Holländer mit ihren beschädigten Schiffen nicht mehr an eine Erneuerung des Kampfes dachten.

Die älteren Schilderungen weichen nur unwesentlich ab: der Wind wird auf Südsüdost angegeben. Dann sagen diese, Ruyter habe gleich bei Beginn des Gefechts den Befehl gegeben, in die feindliche Ordnung einzubrechen; dies sei von den drei Geschwadern an drei verschiedenen Stellen geschehen. Die englische Ordnung sei hierdurch gestört, aber gleich wieder hergestellt worden. Das Manöver sei dann wiederholt worden, aber nicht allen Schiffen gelungen, und Tromp habe sich mit einigen Schiffen aus dem Gefecht zurückziehen müssen. So kommen wir auf diese Weise zu Position 2, von der an dann, einschließlich des Vorfalles van Nes, die Beschreibung die gleiche bleibt. — Wenn Mahans Augenzeuge[166] sagt, van Nes habe das Manöver mit der Vorhut ausgeführt, so dürfte dies ein Irrtum sein. Nach der Ordre de bataille standen beide van Nes bei der Mitte; da der Leutnantadmiral die erste Division dieses Geschwaders führte, hat vielleicht eine Verwechslung der Personen zu dem Irrtum Veranlassung gegeben.

[282]

Abends war Nebel aufgekommen, die Holländer fürchteten die englischen Bänke, und so verloren sich die Gegner während der Nacht aus Sicht. Als man am 15. Juni morgens auch von den Toppen kein feindliches Segel mehr sah, führte Ruyter seine Flotte nach den Wielingen zurück; sie war nicht mehr imstande, ohne gründliche Ausbesserungen längere Zeit die See an feindlicher Küste zu halten. Es mangelte auch an Munition, doch diese hätte man kommen lassen können. Munitionsschiffe waren vorhanden.

Die Viertageschlacht war eine große Niederlage der Eng1änder. Sie selbst geben zu, daß ihr Verlust 17–19 Schiffe (die Holländer sagen 32) — darunter 6 in Feindeshand gefallen —, 5000 Tote und Verwundete, 3000 Gefangene betragen habe und daß die übrigen Schiffe ganz außerordentlich gelitten hätten. Die Holländer verloren 4–7 Schiffe (sie selbst sagen nur 4) und 2–3000 Mann.

Der den Engländern zugefügte Verlust war aber auch der einzige Erfolg der Holländer. Die eigene Flotte war nicht imstande, den Sieg auszunützen, und vernichtet war die feindliche Seestreitkraft nicht, wie sich bald zeigen sollte. Ruyter hatte sich als großer Führer gezeigt, die meisten Holländer hatten wie stets brav gefochten, aber Mangel an Einsicht und Disziplin war doch wieder zutage getreten, während sich die englische Flottendisziplin auch in ungünstigen Lagen glänzend bewährt hatte.

Die zweite Schlacht bei Northforeland am 4./5. August 1666
(Schlacht vor der Themse; St. James' Fight)
und die weiteren Ereignisse des Jahres 1666.

In Holland ging man mit großem Eifer an die Wiederherstellung der beschädigten Schiffe oder ihren Ersatz. Schon am 4. Juli waren 59 Kriegsschiffe und 1 Brander, am 6. gar 75 und 7, segelfertig; nach dem Auslaufen traten noch weitere Fahrzeuge, besonders Brander, hinzu. Ruyter hatte den Befehl, so schnell wie möglich zur englischen Küste zu gehen, um die Wiederaufstellung der englischen Flotte und die Vereinigung ihrer verschiedenen Teile zu hindern. Zu diesem Zweck waren Vorstöße gegen die Ausrüstungshäfen und Ankerplätze ins Auge gefaßt; man dachte sogar im Haag an eine Landung bei Northforeland unter der Anleitung eines Engländers[167], der als geflohener Republikaner in Holland lebte, und schiffte hierzu 6000–7000 Landsoldaten auf Transportern ein. Für den weiteren Feldzug hoffte man nun fest auf die Unterstützung der Franzosen. Vom 4. Juli an bestand die Absicht, in See zu gehen, aber wiederum erschwerten flaue und auflandige Winde das Auslaufen aus den Wielingen und hielten die Flotte an der Küste fest; erst am 13. erschien Ruyter vor der Themse. Jedoch man hatte den letzten Erfolg überschätzt. Auch England hatte[283] seine Schiffe wieder hergestellt und sie infolge des verzögerten Auslaufens des Gegners in der Themse und in Harwich zusammenziehen können, so daß sie an anderen Orten keine Angriffspunkte mehr boten.

Die Schiffe in Harwich, etwa 20, anzugreifen, wagte Ruyter nicht, da die enge Hafeneinfahrt stark befestigt war. In die Themse sandte er am 13. ein Geschwader von 7 Schlachtschiffen und 10 Gallioten. Diese Erkundungsabteilung drang auslotend bis in die Höhe des Mittelgrundes vor, englische Vorposten zogen sich auf ihre Flotte bei Sheerness zurück. Man fand alle Seezeichen aufgenommen und alle vielleicht zu einer Landung geeigneten Plätze stark besetzt; ebenso hatte sich die beabsichtigte Landung bei Northforeland als undurchführbar gezeigt. Eine weitere Forcierung der Themse schien bei dem unbekannten Fahrwasser, besonders für schwere Schiffe und mit dem Feinde in Harwich in der Flanke, unmöglich. Der Landungsplan wurde aufgegeben und die Transporter mit Soldaten zurückgesandt, wie man auch ein um diese Zeit ergangenes Anerbieten Ludwigs XIV., in Dünkirchen 2000 Mann zur Einschiffung zu stellen, ablehnte. Ruyter blockierte nun den Fluß und beschloß, das Herauskommen des Gegners abzuwarten. Er gab für diesen Fall den Befehl für alle Schiffe aus, sich dann aus der Themsemündung zurückzuziehen, um dem Feinde frei von den Sänden im offenen Wasser entgegenzutreten. Dementsprechend wurde verfahren, als man die Engländer am 1. August mit der Ebbe den Fluß herabkommen sah. Beide Flotten ankerten am Abend dieses Tages, die Engländer noch im Flußrevier. Am 2. kamen diese in See, flaue Winde hinderten jedoch eine gegenseitige Näherung. In der folgenden Nacht setzten schwere Gewitterböen ein, die auf beiden Seiten Beschädigungen verursachten; Ruyter war froh, seine Flotte gerade vorher noch frei von den Gallopersänden geführt zu haben. Am 3. wurde bei umspringenden Winden um die Luvstellung manövriert, auch strebte Ruyter weiter dahin, von den Sänden abzukommen; Abends ankerten beide Flotten wiederum, wahrscheinlich ostnordöstlich von Northforeland in freiem Wasser. Die englische Flotte war 89 Schiffe, 20 Brander (nach Clowes 81 und 18) stark; sie stand unter dem gemeinsamen Befehle von Albemarle und Prinz Ruprecht (beide auf „Royal Charles“ 90 K.), die Vorhut führte Admiral Allen, die Nachhut Admiral Smith. Die holländische Flotte zählte 72 Schlachtschiffe zu 37–80 Kanonen, 16 Fregatten zu 26–30 Kanonen, 10 Advisjachten und 20 Brander; Ruyter („7 Provinzen“ 80 Kanonen) kommandierte die Mitte, Jan Evertsen die Vorhut, Tromp die Nachhut.

Es waren also ähnliche Flotten wie vor der Viertageschlacht, englischerseits 4460 Geschütze, holländischerseits 4704. Über die englischen Schiffe sind genauere Angaben nicht vorhanden. Die holländischen findet man nach Kanonenzahlgruppen näher aufgeführt in de Jonge, Teil I, Beilage XXXV. In „Leben Ruyters“ Seite 378 steht die holländische Ordre de Bataille, die aber belanglos ist.

Jan Evertsen hatte sich trotz seiner Mißhandlung wieder zum Kommando gemeldet: „um wie sein Vater, einer seiner Söhne und seine vier Brüder, wenn nötig, für das Vaterland zu sterben;“ er fand auch seinen Tod in dieser Schlacht.

[284]

Am frühen Morgen des 4. August[168] lichteten beide Flotten Anker. Es war flau mit häufig eintretenden Stillen. Der Wind scheint zwischen Nordost und Nordwest gespielt zu haben, nur so sind die Widersprüche in den Quellen bei den Windangaben zu verschiedenen Zeiten und an den verschiedenen Orten des Gefechtes zu erklären. Nach den älteren holländischen Angaben haben die Engländer nordöstlich der Holländer zu Anker gelegen und nachher die Luvstellung gehabt; nach Clowes ist der Wind bei Eröffnung des Gefechts Nordwest gewesen und die Holländer haben zu Luward gestanden, aber auch hier wird bald von nördlichem und nordöstlichem Winde gesprochen. Die im übrigen ziemlich gleiche Beschreibung der Schlacht läßt die Luvstellung der Engländer wahrscheinlicher erscheinen. Die englische Flotte war in gut rangierter Kiellinie. Die Ordnung der Holländer ließ viel zu wünschen übrig. Infolge des Ankerlichtens bei flauem Winde mit Stillen und scheinbar erst ausgeführt, als der Feind schon unter Segel gesichtet, waren Vorhut und Mitte zwar aufeinander aufgeschlossen, hatten aber verschiedene Schiffe in Lee stehen; die Nachhut unter Tromp war weiter zurückgeblieben.

Mehrere Stunden vergingen, bis die Gegner zusammentrafen, erst zwischen 10 und 11 Uhr begann das Gefecht. Beide Flotten lagen über Steuerbord-Bug, die Engländer wie gesagt wahrscheinlich zu Luward. Zuerst stießen die Vorhuten zusammen, dann die Mitten und zwischen diesen Flottenteilen entbrannte ein sofort heftiger Kampf; der leichte Wind erlaubte dieses Mal die vollste Ausnützung der schwereren Artillerie seitens der Engländer. Besonders die holländische Vorhut leidet schwer und mit verhängnisvollen Zufällen: Der Chef, Jan Evertsen, und ein Vizeadmiral fallen, der zweite Leutnantadmiral de Vries wird tödlich verwundet, das Flaggschiff des zweiten Vizeadmirals muß verlassen werden und sinkt dann. Die Folge ist, daß die Vorhut gegen 1 Uhr zu weichen beginnt; sie ist durch Signale Ruyters nicht zu halten, sondern mehrt Segel, hält ab und flieht. Die Mitte hält sich besser, der Flottenchef selbst kämpft hartnäckig gegen die beiden schwersten englischen Schiffe („Royal Charles“ 90 und „Royal Sovereign« 100 Kanonen). Als er aber in einer kurzen Gefechtspause die allgemeine Flucht der Vorhut bemerkt, seine Nachhut nur in weiter Ferne sieht, beschließt er, das Gefecht abzubrechen. Er war um so mehr dazu genötigt, als der Angriff auf seine Mitte noch stärker zu werden drohte. Die englische Vorhut verfolgte nämlich nicht ihren fliehenden Gegner, sondern wandte sich richtigerweise auch gegen Ruyters Geschwader, worauf auch von diesem einzelne Schiffe weichen. Mit etwa 20 Schiffen tritt Ruyter unter kleinen Segeln in bester Ordnung den Rückzug an. Er beabsichtigte so, die Fliehenden zu decken, und hoffte sich mit diesen und während der Nacht auch mit Tromp wieder zu vereinigen und dann am nächsten Tage dem Feinde aufs neue entgegentreten zu können.

[285]

Tromp war, wie erwähnt, weiter zurückgeblieben. In die so entstandene Lücke der holländischen Linie brach nun die englische Nachhut (Smyth) ein — so sagt Ruyter in seinem Bericht; er wirft auch Tromp vor, das Zurückbleiben selbst verschuldet zu haben — oder Tromp manövrierte daraufhin, seinen Gegner von dessen Hauptmacht abzuschneiden, oder wie am zweiten Tage der Viertageschlacht zu Luward von diesem und überhaupt schneller an den Feind zu kommen — so sagt Tromp in seinem Rechtfertigungsbericht. Jedenfalls entspann sich zwischen den beiden Nachhuten ein besonderes Gefecht, das sich zunächst über Backbord-Bug mehr und mehr vom Hauptschlachtfelde fortzog. Smyth soll dies mit Absicht herbeigeführt haben, da sein Geschwader das schwächste der englischen Flotte, dagegen das Tromps (das Amsterdam-Kontingent) das mächtigste der holländischen war. Tromp war auch im Vorteil, ein großes englisches Schiff ("Resolution“ 62) wurde verbrannt. Er ließ sich immer mehr verlocken, verfolgte den Gegner immer weiter, scheinbar später mit westlichem Winde, nach Nordosten hin, so daß die Hauptflotten schließlich aus Sicht kamen. Erst am anderen Morgen brach er das Gefecht in der Nähe von Galloper ab und suchte seine Flotte wieder auf; den nun seinerseits hart folgenden Smyth hinter sich, entging er nur durch Zufall der Gefahr, von diesem und der englischen Hauptflotte in die Mitte genommen zu werden.

Am Morgen des 5. August sah sich Ruyter mit nur 7 oder 8 Schiffen von den Engländern mit einigen zwanzig Segeln zu Luward, in Lee und achtern im Halbmond umgeben und wieder angegriffen; vor ihm liefen seine übrigen Schiffe und die der Vorhut auf die Wielinge zu und waren durch kein Signal zum Stehen zu bringen. Tapfer fechtend deckte er das Einlaufen der Fliehenden zwischen die Bänke; der Angriff richtete sich besonders auf sein eigenes Schiff, ein Brander konnte nur durch seine und der nächsten Fahrzeuge Boote abgeschlagen werden. Als auch er eingelaufen war, sandte er sofort ein kleineres Geschwader wieder in See, um Versprengte aufzunehmen. Tromp traf erst am 6. auf der Rhede ein; sein Einlaufen wurde nicht gehindert, da die Engländer zu weit in Lee standen.

Die Schlacht war eine völlige Niederlage der Holländer. Doch scheint ihr Verlust nicht so bedeutend gewesen zu sein. Englische Quellen geben ihn zwar auf 20 Schiffe (genommene werden aber nicht erwähnt) und 7000 Tote und Verwundete an, aber die Holländer selbst sprechen nur von 2 Schiffen und z. B. bei der Mitte nur von 518 Mann. Die eigenen Verluste beziffern die Engländer auf ein Schiff und 300 Mann. Die Gründe der holländischen Niederlage waren: Die mangelnde Ordnung — in diesem Falle allerdings wohl den ungünstigen Windverhältnissen beim Ankerlichten zuzuschreiben —, die nach dem Fall der Führer eingerissene Mutlosigkeit in der Vorhut — der alte Mangel an militärischer Einsicht und Gefühl, sowie die mangelnde Erziehung zu einer Flottendisziplin — endlich das Verhalten Tromps.

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Es wurde denn auch gegen mehrere Kommandanten der Vorhut die Untersuchung eingeleitet, jedoch nicht ernstlich durchgeführt. Tromp wurde verabschiedet, allerdings auf sein Gesuch. Man war sich doch klar geworden, daß der im übrigen so tüchtige Mann mit Ruyter nicht zusammenwirken könne. Da er sich auch sonst oft eigensinnig gezeigt hatte und weil er Oranier war, bedauerte die Regierung seinen Verlust nicht allzusehr. Ruyters Verdienst, die Rettung der Flotte vor gänzlicher Vernichtung durch seine Rückzugsgefechte an beiden Tagen, wurde dagegen allgemein anerkannt; sogar Ludwig XIV. verlieh ihm einen hohen militärischen Orden.

Ruyter beschuldigte Tromp, dem er die Hauptschuld der Niederlage zuschrieb, schwer. Wie mißlich er die Lage der Flotte angesehen, geht daraus hervor, daß er im Gefecht am zweiten Tage ausrief: „Will denn keine der tausend Kugeln mich treffen.“ Auf den Vorschlag seines Schwiegersohnes aber, dem Feinde entgegenzugehen und einen ehrenvollen Tod zu suchen, antwortete er, es sei seine erste Pflicht, die Fliehenden zu decken und auch die Schiffe bei ihm dem Vaterlande zu erhalten. Ferner sagt er in seinem Berichte, am zweiten Tage habe er die völlige Vernichtung der Flotte vor Augen gesehen, nur die lauer werdende Verfolgung — wohl die Besorgnis der Engländer vor den nahen Sänden — habe eine solche verhindert.

Er warf nun Tromp vor, durch eigene Schuld sein Zurückbleiben veranlaßt zu haben; auch später habe dieser immer noch das Gefecht rechtzeitig abbrechen und leicht, da er zu Luward stand, mit seinem so starken Geschwader zur Unterstützung herankommen können. Es wurden in Holland selbst Stimmen laut, Tromp habe böswillig aus Eifersucht und Haß gegen Ruyter, ja sogar aus politischen Gründen so gehandelt, da er Oranier, Ruyter dagegen eifriger Anhänger de Witts war. Es ist aber anzunehmen, und so auch aus Tromps Rechtfertigungsbericht zu lesen, daß es wieder ein Ausfluß seines Ehrgeizes und seines hitzigen Temperamentes gewesen ist: Durch die Umstände zuerst zurückgehalten — Windstille beim Ankerlichten, während die beiden andern Geschwader leichten Wind hatten und absegelten —, versucht er dann ohne Rücksicht auf die Flotte, möglichst schnell an den Feind zu kommen. Durch den ersten Erfolg berauscht, beißt er sich fest, in der Hoffnung, die englische Nachhut gänzlich zu vernichten. Er hielt Ruyter für genügend stark an sich (eigener Ausspruch); auch seine Unterführer haben später ausgesagt, mit dem Vorgehen ihres Chefs ganz einverstanden gewesen zu sein. Sein Hauptfehler war, daß er ohne Befehl und Wissen Ruyters gehandelt und daß er nicht rechtzeitig abgebrochen hat.

Zwar war er ein Gegner Ruyters und Oranier, aber es ist kein Beweis vorhanden, daß es ihm an Vaterlandsliebe selbst bei einer ihm unsympathischen Regierung mangelte. Als er nach seiner Verabschiedung ein sehr vorteilhaftes Anerbieten erhielt, in französische Dienste zu treten, lehnte er es ab und zog sich vorläufig ins Privatleben zurück.

Die Engländer waren nach der Schlacht die Herren der See und benutzten dies zu einem Unternehmen gegen die Küste. Nachdem sie einige Tage bei Schooneveld-Bank, einem beliebten Ankerplatz der Holländer, zu Anker gelegen und von hier aus die feindliche Flotte in den Wielingen beobachtet hatten, gingen sie nördlich, brachten Kauffahrer auf und alarmierten die Küste. Auf dem Wege erfuhren sie von einem kassierten früheren holländischen Kapitän, daß in dem Vlie-Strome, zwischen Vlieland und Terschelling, eine große Zahl reichbeladener Kauffahrer von nur zwei Kriegsschiffen gedeckt läge und daß wertvolle Magazine des Staates und der ostindischen Kompagnie auf genannten beiden Inseln leicht zu zerstören[287] seien. Kontreadmiral Holmes, uns schon von Westafrika her bekannt, wurde am 18. August mit 9 kleineren Kriegsschiffen, 7 leichten Fahrzeugen und 5 Brandern zu einem Angriff auf diese Objekte abgeschickt. Holmes legte die beiden schwersten Schiffe vor die Einfahrt, um jedes Entweichen nach See zu verhindern, ließ durch ein leichtes Schiff Fahrwasser und Lage der Dinge erkunden und ging dann am 19. trotz Gegenwindes und schwieriger Navigation auf die Rhede von Terschelling. Hier setzte er mittels der Brander die Kriegsschiffe und schwersten Kauffahrer, durch seine Boote die übrigen Fahrzeuge — in Summe etwa 150 Segel — in Brand. Am nächsten Tage landete er auf Terschelling und legte eine größere Stadt mit Magazinen sowie verschiedene Ortschaften am Strande in Asche; von einem Unternehmen gegen Vlieland mußte des Wetters wegen abgesehen werden. Da man zu einem zweiten Versuch oder sonstigen weiteren Unternehmungen der Gezeiten wegen länger hätte warten müssen und eine dem Auslaufen ungünstige Windänderung fürchtete, ging Holmes zu seiner Flotte zurück.

Es war eine seemännisch geschickt ausgeführte Tat, die mit nur einem Verluste von 20 Mann und den verbrauchten Brandern dem Feinde einen Schaden von 12 Millionen Gulden zufügte, nach damaligen Verhältnissen einen außerordentlich großen; daß man auch die armen Fischerdörfer verbrannte, war grausam aber wohl der Kriegführung der Zeit entsprechend. Aus Rache verbrannten holländische Kriegsschiffe einige Tage später verschiedene englische Kauffahrer bei Glückstadt an der Elbe.

Es ist unverständlich, daß die Holländer nicht wenigstens dem Verluste der Schiffe vorgebeugt haben. Wenn sie wirklich die wenigen Kriegsschiffe, die zu sicherem Schutz nötig gewesen wären, nicht zur Stelle hatten, so hätten sich doch die Kauffahrer zurückziehen können. Der Befehl dazu war gegeben, aber nicht auf die Ausführung gedrungen. Hatte die Regierung nicht die Macht dazu, oder unterschätzte man die Gefahr, obgleich man doch selbst solche Anschläge plante?

Die englische Flotte kehrte nach diesem Unternehmen in ihre Häfen zurück, um auszubessern, auch weil eine ansteckende Krankheit an Bord ausbrach.

Das Jahr 1666 sollte nichts von Bedeutung mehr bringen, wir können die weiteren Ereignisse kurz zusammenfassen.[169] Die Holländer hatten zwar ihre Flotte schleunigst wieder instandgesetzt, doch war der Gesundheitszustand auf der Flotte schlecht. Am 5. September bereits ging Ruyter mit 79 Schiffen und 27 Brandern in See. Seine Aufgabe war: für heimkehrende Fahrzeuge die Küsten freizuhalten, sobald der Zeitpunkt günstig, den Feind anzugreifen, vor allem aber sich mit Beaufort zu vereinigen.

Die Ankunft der französischen Flotte war gerade jetzt als nahe bevor stehend in Aussicht gestellt, freilich schwebten immer noch endlose Verhandlungen, u. a. auch über Etikettenfragen bei und nach der Vereinigung. So richtete Ruyter seinen Kurs nach dem Westen. Die Engländer folgten ihm von Harwich und Solebay aus; sie waren ebenfalls etwa 100 Segel stark, sollen jedoch in nicht besonders gutem Zustande gewesen sein, vor allem[288] fehlten Brander. Der holländische Admiral hielt sich an der französischen Küste, teils um Beaufort um so sicherer zu treffen, teils um nicht gezwungen zu werden, an der englischen zu fechten. Auf seinem Wege nach Dünkirchen sichten sich am 10. September die Flotten, es kommt aber nicht zum Zusammenstoß. Beiderseits scheint man ihn vermieden zu haben: Ruyter wollte wohl versuchen, erst die Vereinigung mit den Franzosen herbeizuführen, die Engländer manövrierten daraufhin, den Feind von der Küste abzuziehen; außerdem war es stürmisch. Monck und Ruprecht wollten auch wohl ein Gefecht vermeiden mit Hinblick auf den schlechten Zustand ihrer Flotte sowie auf das doch mögliche plötzliche Erscheinen der Franzosen, sie hielten vielleicht anderseits ihre bloße Nähe für genügend, eine Vereinigung zu verhindern, worin ihnen der weitere Verlauf rechtgab. Am 10. und 11. manövrieren die Flotten in Sicht voneinander; einige Schüsse werden gewechselt, ein durch Sturm beschädigtes Schiff fällt den Holländern in die Hände. Am 11. September abends ankerte Ruyter vor Boulogne, die Engländer gingen zu ihren Küsten zurück, wenigstens kamen sie aus Sicht. Ruyter lag mehrere Tage vor Boulogne. Er erfuhr hier, daß Beaufort am 13. La Rochelle verlassen habe, um nach Brest zu gehen. Den französischerseits geäußerten Wunsch, ihm weiter entgegenzugehen, lehnte Ruyter ab, er versprach jedoch, noch 4 Tage vor Dünkirchen zu warten, und ging am 18. dorthin. Während eines dreitägigen schweren Sturmes hier erhielt er Befehl, nach Holland zurückzukehren. Der Grund hierfür war wohl der schlechte Gesundheitszustand, auch hatte man vielleicht an maßgebender Stelle die Hoffnung auf die Unterstützung der Franzosen aufgegeben.

Diese Order wurde aber gleich darauf widerrufen infolge des großen Brandes in London; vom 12.–16. September war fast die ganze City niedergebrannt.

Neigung zum Frieden hatte sich schon in England bemerklich gemacht; in Holland hoffte man, daß dieses Nationalunglück sie bestärken würde, und beschloß deshalb, die Flotte weiter in See zu halten, um durch drohende Unternehmungen noch mehr Druck auszuüben. Ehe aber etwas Derartiges unternommen wurde, ging Ruyter nochmals westwärts. Er hatte am 26. gehört, es habe ein Zusammenstoß zwischen den Engländern und Franzosen stattgefunden. Tatsächlich hatte ein Teil der englischen Flotte nach dem letzten Sturm einige Nachzügler Beauforts überrascht und mehrere Schiffe vernichtet. Aber schon am 28., bei stürmischem Wetter westwärts aufkreuzend, erhielt Ruyter vom französischen Admiral die Nachricht, er sei bei Dieppe gewesen, habe 24 Stunden gewartet, könne wegen der Nähe der Engländer nicht weitergehen und kehre nach Brest zurück. Nun gingen die Holländer wieder ostwärts; die Krankheiten hatten sehr zugenommen und der Admiral selbst mußte sich (3. Oktober) ausschiffen. Van Nes führte die Flotte nochmals zur englischen Küste hinüber, am 5. Oktober wurden etwa 60 feindliche Segel gesichtet, aber ein Sturm trennte während der Nacht die Gegner. Die Flotten gingen in ihre Häfen. Auf beiden Seiten[289] begnügte man sich damit, den Winterdienst einzurichten, d. h. die Schiffe im allgemeinen aufzulegen und nur kleinere Geschwader zur Sicherheit der Küsten, zum Decken eigener sowie zum gelegentlichen Abfangen feindlicher Kauffahrer in Dienst zu behalten. In Holland wurde der Winterdienst in diesem Jahre in größerem Maßstabe als sonst üblich angesetzt; es war hier jetzt die große Schiffahrt freigegeben. Um die Mitte des Oktober begannen Friedensunterhandlungen. Beide Nationen waren des Krieges müde, da er ihren Handel und ihre Flotten zugunsten der mächtig aufstrebenden Franzosen schädigte.

Der Anstoß zu den Friedensunterhandlungen scheint von England ausgegangen zu sein. Als von Holland aus ein ritterliches Anerbieten erging, die Leiche des gefallenen Vizeadmirals Berkeley feierlich zu bestatten oder nach England überzuführen, erfolgte ein Dankschreiben, das Neigung zum Frieden zeigte. Gerade in England hatte das Volk neben den Kriegsfolgen auch schwer unter der Pest und durch den Brand in London gelitten. Der König unterschlug ferner einen Teil der für den Krieg bestimmten Gelder, so daß selbst der Sold der Flottenmannschaften unregelmäßig gezahlt wurde. In Holland ging man gern auf Verhandlungen ein, wenn auch hier die Verhältnisse günstiger lagen. Bei dem Zutrauen auf die Zuverlässigkeit der Regierung und der Kaufleute fanden bisher beide genug Geld; die eine zu Rüstungen, die anderen zum Überstehen der schweren Zeit.

Das Jahr 1667. Ruyter in der Themse. Friedensschluß. Die Friedensunterhandlungen kamen nicht weiter, obgleich Schweden die Vermittlung übernahm und zum Mai 1667 Gesandte Englands, Hollands, Frankreichs, Dänemarks und Schwedens zu einem Friedenskongreß in Breda zusammenberufen wurden. Karl II. stellte zu hohe Anforderungen, weil er ganz bei denen blieb, durch die er den Krieg heraufbeschworen hatte. Er haßte Holland zu sehr und hoffte, daß die immer mehr hervortretenden Absichten Ludwigs XIV. bald zu einem Bruche zwischen Frankreich und Holland führen würden und er dann seine Forderungen durchdrücken könne. Ludwig XIV. wirkte auch gegen den Frieden. Er hatte tatsächlich für den Sommer dieses Jahres den Angriff auf die spanischen Niederlande geplant, und deshalb mußte es ihm willkommen sein, wenn Holland weiter anderwärts beschäftigt blieb.

Er eröffnete im Mai 1667 den sogenannten Devolutionskrieg (vgl. Seite 250) durch den Einbruch eines Heeres von 50000 Mann unter Turenne in Flandern und den Hennegau. Obgleich er in einem neuen Vertrage mit Holland wieder versprach, ihm seine Flotte zu stellen, bot er doch schon am folgenden Tage Karl II. Geld und Truppen zum Umsturz der englischen Verfassung — Abschaffung des Parlaments — an, wenn sich dieser verpflichtete, der Einverleibung der spanischen Niederlande nichts in den Weg zu legen.

Er riet deshalb de Witt, noch einen kräftigen Stoß gegen England zu unternehmen, und versprach aufs neue die Mitwirkung seiner ganzen Flotte. Der Ratspensionär de Witt ging darauf ein, da die Verhandlungen doch nicht weiter kamen. Dieser kluge und stets gut unterrichtete Staatsmann wußte, daß England schwächer sein würde als bisher, weil Karl II. in noch größerem Maße als früher die für den Krieg bewilligten Gelder für seine Zwecke verwendete.[290] Somit hielt er es für möglich, nötigenfalls auch ohne französische Hilfe, durch einen großen plötzlichen Erfolg günstigere Friedensbedingungen zu erreichen.

Der kleine Krieg war fortgeführt worden. Während des Winters hatten Zusammenstöße kleinerer Flottenabteilungen im Kanal und der Nordsee stattgefunden. In Westindien hatten die Holländer sogar größere Erfolge errungen; sie hatten den Engländern die Niederlassung in Surinam abgenommen und auch sonst sie empfindlich geschädigt. In jenen Gewässern waren sie gemeinsam mit den Franzosen vorgegangen, die sich auch in Besitz verschiedener englischer Inseln gesetzt hatten. Als nun am 5. Mai ein neuer Vertrag mit Frankreich abgeschlossen war, beschloß man in Holland ein Unternehmen gegen die Themse. Ein am 4. Juni auf dem Kongreß zu Breda seitens Englands geforderter Waffenstillstand wurde abgelehnt und Ruyters Angriff auf die Themse ins Werk gesetzt. Die Verhältnisse lagen für Holland sehr günstig. Man hatte hier den Winter über die Rüstungen trotz der Friedensunterhandlungen, ja gerade um diese zu fördern, mit großem Eifer betrieben. Für das Jahr 1667 war die Aufstellung einer noch größeren Flotte als in den Vorjahren beschlossen. Es sollten 88 Kriegsschiffe — darunter wieder 16 auf Kosten der ostindischen Kompagnie —, 12 Fregatten, 24 Brander und zahlreiche kleinere Fahrzeuge in Dienst gestellt und 18 Kriegsschiffe für Ausfälle nach Gefechten bereit gehalten werden; die Mannschaften des Jahres 1666 waren in Dienst behalten.

In England dagegen war die Lage anders; de Witt war richtig unterrichtet gewesen. Wenn Karl II. im Gegensatz zu seinem Volke nicht ernstlich an Frieden dachte oder doch seine Forderungen durchsetzen wollte, so hätte gerade er die Flotte auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit halten müssen. Statt dessen hatte er sich einen Plan zurechtgelegt, der ihm zu seinem beständigen Geldmangel paßte: Er wollte nur einen Kreuzerkrieg führen, und von einer Verwendung der Schlachtflotte ganz absehen.

Der Standpunkt des Königs — vom Lordkanzler und Lordschatzmeister unterstützt, dagegen von York und wohl auch von Monck hart angegriffen — war: da der Handel eine Lebensbedingung Hollands sei, da die Versorgung seiner Marine von diesem Handel abhinge und da, wie die Erfahrung gelehrt, nichts das Volk mehr erbittert hätte, als die Schädigung des Handels, so würde man sich englischerseits auf den Kreuzerkrieg beschränken können. Die Holländer würden durch diesen wirksam genug gedemütigt werden, während England nicht wie bisher durch die Ausrüstung großer Flotten erschöpft würde. Da der Gedanke, nur einen Kreuzerzug zu führen, zu allen Zeiten seine Vertreter gefunden hat, werde ich bei den strategischen Betrachtungen am Schluß des Krieges darauf zurückkommen, nachdem wir die Folgen der Maßnahmen Englands kennen gelernt haben.

Infolge dieses Beschlusses blieben nun auch mit dem Eintritt des Frühjahrs die meisten Schiffe und darunter gerade die schwersten aufgelegt, und es wurden für den Sommerdienst nur schwache Geschwader kleinerer Schlachtschiffe und leichterer Fahrzeuge in Dienst gestellt. Sonst waren natürlich Hollands Rüstungen in England wohl bekannt sowie auch, daß man dort[291] etwas gegen einen der größeren Häfen plane. Es wurde deshalb schon im März der Befehl gegeben, die Befestigungen von Portsmouth und Harwich, namentlich aber die an den wichtigsten Stellen der Themse, zu verstärken, hier die außer Dienst gestellten Schiffe soweit wie möglich den Fluß hinaufzuführen, Vorbereitungen zum Sperren des Fahrwassers zu treffen und genügend Brander bereit zu halten. Der König und der Herzog von York hatten die notwendigen Maßregeln in der Themse persönlich an Ort und Stelle angeordnet. Zu allen diesen Arbeiten war Zeit genug. Zwar scheint de Witts Plan schon viel früher fertig gewesen zu sein, der Vertrag mit Ludwig XIV. sich schon im besonderen auf einen Angriff der Themse bezogen zu haben, aber man war noch nicht bereit. Ein lang andauernder, im Mai noch einmal einsetzender harter Winter hatte die Mobilmachung verzögert. Obgleich also der Angriff nicht unerwartet kam, waren doch die Vorbereitungen zur Verteidigung in England arg vernachlässigt. Albemarle, der bei Chatham kommandierte, als der Angriff erfolgte, beklagte sich später bitter darüber, daß die Anordnungen durchgängig nur lässig oder gar nicht ausgeführt seien.

Nach englischen Quellen sollen zu dieser Vernachlässigung besonders zwei Umstände Anlaß gegeben haben: die Holländer hätten in den Friedensverhandlungen erklärt, sie rüsteten schon ab, und die Aufmerksamkeit der Engländer sei durch eine andere Diversion von der größeren Expedition abgezogen. Im April unternahm nämlich der Leutnantadmiral van Ghent, von der Begleitung eines Konvois bis zum Norden Schottlands zurückkehrend, einen Vorstoß gegen Leith, um die dort liegenden Schiffe, besonders Freibeuter, zu zerstören; es wurden dabei nur einige wertlose Prisen gemacht und Burntisland ohne größeren Erfolg bombardiert.

Diese Gründe können jedoch eine derartige Sorglosigkeit nicht entschuldigen, man wird sowohl gewußt haben, daß Holland weiter rüstete, als auch daß Ghents Geschwader keineswegs die ganze Streitmacht des Feindes war. Die Nachlässigkeit ist wohl der seit Karls Thronbesteigung einreißenden Oberflächlichkeit im Dienstbetriebe zuzuschreiben; selbst der Herzog von York, der sonst Interesse und Verständnis für Marinefragen hatte, soll seinen Dienst etwas oberflächlich getan haben.

De Witt war auch hierüber wieder gut unterrichtet und beeilte mit Ruyters Unterstützung die Abfahrt der Expedition, obgleich die ganze Streitmacht der Niederlande noch nicht versammelt war. Das ganze bedeutende Kontingent Seelands und auch der größere Teil von dem Frieslands fehlte, sie waren noch nicht fertig. Uneinigkeiten zwischen den Provinzen, das Parteiwesen in der Republik, Trotz gegen de Witts Machtstellung, waren daran schuld. Seeland war wie die Landprovinzen des Seekrieges müde; als Gründe wurden angegeben: Mangel an Geld und Leuten, die Gefahr des Vordringens der Franzosen usw.

So bestand Ruyters Flotte nur aus 64 Kriegsschiffen zu 32–84 Kanonen, 20 kleineren Fahrzeugen, 15 Brandern mit 3330 Kanonen und 17416 Mann,[170] hinzutraten einige Transporter mit Landsoldaten; Vor- und Nachhut führten die Leutnantadmirale van Ghent (Amsterdam), van Nes[292] (Maas). Für Einschiffung zahlreicher Lotsen, die die Themse kannten, war gesorgt, 2 oder 3 Engländer befanden sich darunter; bei den Unternehmungen gegen die Themse in den beiden Vorjahren waren Lotungen vorgenommen und auch sonst hatte man sich nach Möglichkeit Kenntnis des Fahrwassers verschafft.

Ruyters Order war: Soweit wie möglich die Themse hinaufzugehen; Schiffe, Magazine, Befestigungen zu zerstören und dem Feinde in jeder Beziehung Abbruch zu tun; die Art der Ausführung war dem eigenen Ermessen anheimgestellt. Als Deputierter der Generalstaaten befand sich nur Cornelis de Witt, Bruder des Ratspensionärs, für die Provinz Holland an Bord; Friesland und Seeland hatten keinen Vertreter gestellt, scheinbar zur größten Zufriedenheit des leitenden Staatsmannes. Die Flotte ging am 13. Juni von Schooneveld, wo sie noch einige Tage auf das Kontingent Seelands gewartet hatte, in See, ritt am 15. vor der Themse einen Südwest-Sturm ab und lief am 17. in den Kings-channel ein.

Am 18. Juni gab Ruyter die hier kurz mitgeteilte Disposition aus: „Die Hauptflotte bleibt vor der Themsemündung als Rückhalt liegen. Eine Flottenabteilung geht den Fluß hinauf und vernichtet die bei Gravesend und Tilbury (the Hope) liegenden Schiffe — etwa 20 Westindienfahrer unter Bedeckung von 10–12 Kriegsschiffen zu 30–40 Kanonen —. Dann kommt sie zurück, geht in den Medway, nimmt Sheerness und zerstört die Schiffe und Arsenale in diesem Nebenfluß.“ Die zu detachierende Abteilung wurde van Ghent, unter ihm Vizeadmiral de Liefde, unterstellt und bestand aus: 2 Schiffen zu 60, 6 zu 50, 4 zu 40–45, 5 zu 32–36 Kanonen; 5 Advisjachten sowie fast allen kleinen Fahrzeugen und Brandern. Die Landungstruppen wurden auf die Kriegsschiffe verteilt, leider waren mehrere Transporter während des Sturmes von der Flotte abgekommen; C. de Witt schloß sich der Expedition an. Der erste Teil der Aufgabe gelang infolge ungünstiger Windverhältnisse nicht, der zweite und Hauptteil aber, die Forcierung des Medway, wurde ein großer Erfolg.[171]

Früh morgens am 19. Juni ging Ghent mit der Flut stromauf, kam jedoch wegen ungünstigen und dabei flauen Windes und wegen der später einsetzenden Ebbe nur bis etwa zwischen Leigh und Gravesend und mußte hier ankern; die englischen Schiffe gewannen hierdurch Zeit, sich noch weiter stromaufwärts in Sicherheit zu bringen. Ruyter war mit der Flotte bis zum Mittelgrunde gegangen; er detachierte Schiffe in alle Fahrwasser und bestimmte noch 10 größere Schiffe zur Unterstützung für das Unternehmen gegen den Medway.

Am 20. morgens kam Ghent von dem verfehlten Unternehmen zurück und wandte sich gegen Sheerness. Drei Schiffe bombardierten das Fort, 800 Mann unter Oberst Dollman, einem englischen Republikaner, landeten. Ein ernster Widerstand wurde bei dem schlechten Zustande der Befestigung nicht geleistet, die Besatzung zog ab und[293] besetzte später eine Schanze bei Gillingham; auch ein kleines Kriegsschiff und 2 Brander, die bei Sheerness gelegen, hatten Anker gekappt und waren den Medway hinaufgegangen. Die Holländer machten die Geschütze und die Befestigung unbrauchbar und räumten oder zerstörten die Magazine; sie glaubten aber die Stellung mit ihrer geringen Zahl Soldaten nicht halten zu können. An demselben Tage wurde auch noch das Fahrwasser des Medway durch leichte Schiffe ausgelotet.

Das Erscheinen der Holländer in der Themse und die Einnahme von Sheerness hatten London natürlich in größte Aufregung versetzt. Monck eilte mit Truppen nach Chatham, wo er, wie schon gesagt, wenig gemacht fand. Er tat nun sein möglichstes, eine feste Stellung zu schaffen, obgleich er kaum Arbeitskräfte bekam, die halbe Bevölkerung, selbst ein Teil der Arsenalbeamten, war geflohen. Er ließ eine schon längst vorbereitete, aber nicht in Gebrauch genommene Sperrkette oberhalb Gillingham ziehen, deckte sie durch zwei kleine Batterien und legte ein Kriegsschiff, die „Unity“, davor. Sodann verstärkte er die Befestigungen von Upnor-Castle und verankerte die vorhandenen schweren Schiffe, etwa 17, oberhalb der Kette auf dem ganzen Revier in Verteidigungsstellung; auch ordnete er das Versenken von Schiffen an, was aber in der Eile weder durchweg noch richtig ausgeführt wurde, wie es auch nicht mehr möglich war, frühere Unterlassungssünden noch gut zu machen, z. B. die Verstärkung der ungenügenden Armierung der Batterien.

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Ruyter im Medway, 20.–23. Juni 1667.

Am 21. Juni unternahmen die Holländer noch nichts. Der Grund hierfür ist nirgend zu ersehen. Vielleicht geschah es, um Ruyter abzuwarten, der auf ausdrücklichen Wunsch C. de Witts weiter stromauf segelte und schließlich mit einigen seiner Schiffe bis Queenborough kam. Am 22. Juni 7 Uhr segelte Ghent den Medway[294] hinauf. Die Spitze der Vorhut, geführt vom Kapitän Tobias, begann ein Feuergefecht mit der befestigten Stellung an der Kette, das jedoch nicht recht vorwärts kommen wollte. Da erbot sich Kapitän van Brakel, mit dem Schiff „Vrede“ und 2 Brandern vorzugehen. Er enterte die „Unity“, und der eine Brander sprengte die Kette. Verschiedene kleine Schiffe und Brander segelten nun durch; Brakel bestieg ein kleineres Fahrzeug, enterte das nächste große englische Schiff und brachte dann, auf sein Schiff zurückgekehrt, die kleinen Kettenbatterien zum Schweigen.

Mittlerweile kommen immer mehr Holländer unter Ghents und Liefdes persönlicher Führung heran. Mit Schiffen und Fahrzeugen, mit ausgesetzten Booten wird die erste englische Stellung genommen; die Batterien am Lande werden durch Landungsabteilungen zerstört, von 5 großen hier postierten Schlachtschiffen werden 4 verbrannt, der „Royal Charles“ (100 Kanonen) wird genommen. Dieses stolze englische Schiff wurde als Trophäe nach Holland geführt; Monck hatte angeordnet, es weiter stromauf zu bringen, aus Nachlässigkeit oder Mangel an Hilfsmitteln war dies aber nicht geschehen. Der Kampf, zu dessen Ausläufern auch Ruyter auf einem kleinen Fahrzeuge herangekommen war, wurde abends abgebrochen, weil bei fallendem Wasser viele Holländer festkamen. Die Szene auf dem Kampfplatz wird als furchtbar geschildert: „Der Fluß voll von fahrenden Schiffen, Booten und brennenden Trümmern; ununterbrochenes Geschütz- und Gewehrfeuer, und doch übertönt vom Klagen der Verwundeten; Trompetengeschmetter, Trommelschlag und Hurraruf der Holländer nach jedem Erfolge; über allem dunkler Pulverrauch und erleuchtet von den Flammen und dem Blitzen der Feuerwaffen.“ Am 23. Juni wurde das Vernichtungswerk fortgesetzt. Mit 4 Schlachtschiffen, einigen Jachten und den Brandern wurden die drei bei Upnor liegenden Engländer angegriffen. Die Befestigungen hier unter Major Scott und die gegenüberliegenden unter Vizeadmiral Spragge, der in Sheerness kommandiert hatte, kämpften tapfer, konnten aber das Verbrennen der Schiffe durch Brander und Boote nicht hindern; Ruyter und die anderen Admirale leiteten von Booten aus das Gefecht, an dem sich in dem engen Gewässer von größeren Schiffen ja nur wenige beteiligen konnten.

Mit diesem Erfolge begnügten sich die Holländer, sie hielten es nicht für ratsam, den Fluß noch weiter hinaufzugehen. Das Fahrwasser wurde immer enger und schwieriger, Schiffe waren versenkt und der Fluß an beiden Seiten mit Batterien und Truppen besetzt, die Brander bis auf zwei verbraucht. So waren die übrigen englischen Schiffe und die Arsenale bei Chatham gerettet.

Immerhin hatte man 2 Schiffe genommen und 6 oder 7 verbrannt, fast alle diese waren bisherige Admiralschiffe; die Engländer selbst hatten außerdem einige versenkt. Erinnert muß daran werden, daß die Schiffe im Medway nur halb armiert und bemannt, einige sogar ganz aufgelegt waren; man hatte diese mit Soldaten besetzt. Auch der Mannschaftsverlust der Engländer muß bedeutend gewesen sein, während die Holländer nur etwa 150 Tote und Verwundete hatten.

Am 24. Juni ging die holländische Flotte in die Themse zurück.

Als die holländische Flotte nach der Durchführung dieses Unternehmens am 24. Juni wieder auf der Themse selbst und in der Mündung des Medway lag, wurde sie verstärkt durch einige friesische Schiffe und durch einen Teil des seeländer Kontingents unter Leutnantadmiral Bankers, so daß sie nun gegen 80 Kriegsschiffe stark und auch wieder im Besitz einiger Brander war. Hiervon wurde gleich ein Geschwader unter Ghent nach dem Norden Schottlands detachiert, um heimkehrende Indienfahrer zu begleiten. Ruyter blieb mit dem Gros noch einige Tage liegen, ging dann aber auch stromabwärts, um sich nicht Branderangriffen in dem engen Revier auszusetzen, und übernahm eine strenge Blockade der Themse. Er selbst lag[295] vor dem Fluß, ein Geschwader kreuzte zwischen Harwich und den Hoofden, ein anderes zwischen Harwich und der Themse.

Das Erscheinen in der Themse und die Waffentat im Medway waren von der größten moralischen Wirkung in England, selbst aus London waren Einwohner geflohen; von dieser Zeit soll sich die zuweilen übertrieben auftretende Furcht eines Angriffs auf London herschreiben. Die zunehmende Neigung zum Frieden zeigte sich sofort in den Verhandlungen zu Breda, die Blockade der Themse trug weiter dazu bei. Diese war so wirkungsvoll, daß die Preise von Kohlen und anderen Materialien in London bis auf das Zehnfache des sonst üblichen Satzes stiegen. Die Generalstaaten begnügten sich jedoch damit nicht, sondern ordneten weitere Unternehmungen an, um immer mehr Druck zur Beschleunigung der Friedensunterhandlungen auszuüben. Vielleicht hoffte man auch immer noch auf eine wirkliche Unterstützung durch die Franzosen; wäre sie erfolgt, so würde England wohl aufs tiefste gedemütigt worden sein. Aber die französische Flotte lag ruhig in Brest und die jetzt noch bis zum Friedensschluß von den Holländern ins Werk gesetzten weiteren Unternehmungen hatten keine anderen Erfolge als die fortgesetzte Blockade der Themse und die Alarmierung der englischen Küste; sie seien deshalb nur kurz erwähnt. Ruyter erhielt den Befehl, nochmals in die Themse einzudringen. Er verfuhr ähnlich wie früher und kam mit einem Geschwader leichter Schiffe an der Spitze am 6. Juli bis unterhalb Gravesend. Hier hörte er von auslaufenden flämischen Schiffen, daß in Woolwich eine größere Zahl Kriegsschiffe und 15 Brander bereit lägen, daß das Fahrwasser bis auf eine schmale Rinne gesperrt sei — für größere Schiffe nur im Schlepp zu passieren — und daß die Ufer bei Gravesend mit starken Batterien und zahlreichen Truppen besetzt wären.

Bemerkenswert ist, daß diese flämischen Schiffe Truppen abgeholt hatten, die für Spanien geworben waren, obgleich sich England in einer so traurigen Lage befand und obgleich Karl II. doch, wie wir erwähnt, mit Ludwig XIV. in Unterhandlung zuungunsten Spaniens stand.

Der Admiral gab deshalb diesen Plan auf und ging wieder vor die Themse zurück. Er beabsichtigte nun, Harwich und die dort liegenden Schiffe zu Wasser und zu Lande anzugreifen; seit kurzem hatte er eine Verstärkung von 8 Kompagnien zu Landungsunternehmungen erhalten. Aber auch dieser Anschlag am 12. Juli mißglückte. Eine Flottenabteilung war bestimmt, das die Stadt deckende Fort zu bombardieren, eine zweite, in den Hafen einzudringen; beide erreichten ihren Zweck nicht. Infolge ungünstiger Windverhältnisse und ungenügender Kenntnis des außerdem gesperrten Fahrwassers konnte die eine nicht nahe genug heran, die andere nicht hinein. Da so der Landangriff nicht von der Flotte unterstützt werden konnte, wurde er zweimal abgeschlagen und die gelandeten Truppen, gegen 2000 Mann, wurden dann von englischen Entsatztruppen zur Einschiffung gezwungen; alles ging nicht ohne beträchtliche Verluste ab.

[296]

Ruyter teilte nun auf Befehl seine Flotte. Ein Geschwader unter van Nes setzte die Blockade der Themse fort. Auch dieses unternahm nochmals einen Vorstoß in die Themse. Am 2. August ging van Nes wieder bis Gravesend und fand dort Schiffe unter Spragge vor. Beim Angriff wichen sie zurück; es wurde ein Hauptkampf nur von Brandern ausgefochten, deren die Engländer 11, die Holländer 6 oder 7 verloren; die Befestigungen setzten dann dem Vordringen ein Ziel. Die Holländer gingen bis zum Nore zurück und nahmen hier eine Kampfaufstellung zu Anker ein; Spragge folgte, ohne sich in ein ernstliches Gefecht einzulassen. Der holländische Admiral hielt es aber doch für geboten, die Themse ganz zu verlassen, als am 5. August etwa 20 Schiffe von Harwich aus zu Spragge stießen und er ernstlich angegriffen wurde; das holländische Geschwader würde an diesem Tage in großer Gefahr gewesen sein, wenn die verschiedenen englischen Abteilungen von der Themse, Harwich und dem Medway aus einmütiger operiert und wenn besonders die Brander ihre Pflicht besser getan hätten. Van Nes vollführte seinen Rückzug durch das enge Fahrwasser militärisch und namentlich seemännisch bei Gegenwind musterhaft; es ist dieses jener Fall, der früher bereits als ein Meisterstück holländischer Seemannschaft erwähnt wurde (vgl. Seite 263). Die Blockade der Themse blieb dann ohne weitere Zwischenfälle bis zur Ratifizierung des Friedens in Kraft.

Ruyter führte den Rest der Flotte. Seine Aufgabe war, durch Beunruhigung der feindlichen Küste einen Druck auszuüben und zu versuchen, verschiedene starke Konvois abzufangen, deren Rückkehr man erfahren hatte. Er kreuzte ständig im Kanal, namentlich im Westen und bei den Scillys. Erkundungsfahrten wurden bis dicht vor die Häfen von Portsmouth, Dartmouth, Torbay, Plymouth und Foway (Cornwall) vorgenommen; auf einer der Scillys wurde gelandet, aber nur um Vieh wegzunehmen. Nach den alten Quellen scheinen diese Erkundungen nur den Zweck gehabt zu haben, eine Vereinigung der englischen Seestreitkräfte zu hindern und die Konvois zu suchen; von diesen hörte man immer wieder, ohne sie jedoch auf See anzutreffen. Am 8. August erfuhr Ruyter vor Plymouth durch einen Parlamentär den Friedensschluß, am 13. erhielt er dienstlich die Bestätigung und am 31. die Nachricht von der Ratifizierung. Da jedoch nach den Bedingungen der Frieden erst am 5. September in Nordsee und Kanal, im Atlantik bis zum Kap Vincent gar erst am 5. Oktober (von dort bis zur Linie am 2. November, auf der ganzen Erde am 24. April 1668) in Kraft trat, hatte er Befehl, bis zu diesem letzten Termin am Eingange des Kanals zu kreuzen. Wegen schlechten Wetters und Krankheit an Bord hielt er sich aber bald den heimischen Häfen näher und lief am 10. Oktober ein.

Der Frieden zu Breda, 21. Juli 1667 geschlossen und am 24. August ratifiziert, ist für das siegreiche Holland kaum ein günstiger zu nennen: England behielt die genommene Kolonie Neuniederland (Neuyork), Holland bekam das englische Surinam, obgleich es kurze Zeit nach der holländischen Besetzung durch englische Schiffe zurückerobert war. Holland mußte aber[297] das „Flaggenrecht“ weiter anerkennen (vgl. Seite 229 und Seite 189, 191). Nur mit Beziehung auf die Navigationsakte erlangte Holland einen wesentlichen Vorteil: das Verbot, mit seinen Schiffen keine außerholländischen Waren einzuführen, sollte nicht mehr für deutsche Produkte gelten, die Holland auf der Achse oder auf dem Rhein bezogen hatte. Dieser materielle Vorteil tröstete wohl manche in dem ideellen Schmerz über das Flaggenrecht. In dem Frieden mit Frankreich gab dieses an England die genommenen westindischen Inseln zurück, dagegen wurde seine Oberhoheit in Acadia (vgl. Seite 85 und Seite 89) anerkannt.

Bemerkenswertes beim zweiten Kriege. Bei der Betrachtung der Streitmittel ist gezeigt worden (Seite 254 ff.), daß die Marinen der Gegner große Fortschritte seit dem ersten Kriege gemacht hatten. Kauffahrer wurden nur noch in ganz geringem Maße verwendet, die Schiffe waren leistungsfähiger und gleichmäßiger und das Personal besser geworden. Besonders hatte Holland in diesen Hinsichten Fortschritte gemacht, ohne indes England zu erreichen.

Beim Manövrieren vor und während der Schlachten um die Luvstellung, besonders aber wenn sie nach günstig verlaufenen Gefechten verfolgen wollen, sind die Holländer im Nachteil; auch der oft hervortretende Mangel an Ordnung in ihrer Flotte ist zum Teil eine Folge der schlechteren Schiffe. Die Überlegenheit der englischen Artillerie tritt weniger zutage; öfters können die Engländer ihre schwerste Batterie nicht gebrauchen, da deren Pforten noch zu nahe über Wasser liegen; einige Male jedoch leiden die Holländer mehr durch die weitertragenden und stärkeren Kaliber des Feindes. Eine weit größere Rolle spielt die Schwäche des holländischen Personals. Der Mangel an Subordination, an militärischer Treue, Einsicht und Erziehung bei den Kommandanten und Dienstgraden zeitigt die schlimmsten Folgen: In bedrängter Lage, bei außergewöhnlichen Vorfällen verlieren selbst Führer von Flaggschiffen den Kopf, manövrieren falsch, ja fliehen sogar; die sonst mutigen Taten Tromps sind doch auch Zeichen fehlender Disziplin. Die Unordnung in den Gefechtslinien ist vor allem der mangelnden Einsicht, zuweilen sogar dem bösen Willen der Schiffsführer zuzuschreiben.

Wie weit diese Vorwürfe auch die Mannschaft treffen, ist nicht sicher festzustellen. Doch erzählt z. B. eine Quelle („Leben Ruyters“, Seite 394): Als Ruyter nach der Schlacht von Northforeland und den beiden heftigen Rückzugsgefechten auf seinem Schiffe die Verluste feststellte, fand man nur 38 Tote und 30 Schwerverwundete bei rund 500 Mann Besatzung. Während des Gefechts waren ihm weit größere Verluste gemeldet, weil „in der Hitze des Kampfes und während der größten Not viele sich hier und da verstecket und aus großer Angst weggekrochen waren, die nun, durch den Hunger getrieben, wieder hervorkamen“. Und dies war Ruyters Schiff!

Wo Ruyter in Person war, war das Verhalten des Personals schon besser und wenn es sich später weiter hob, so ist dies seinem Einflusse zu verdanken. Es wird mehrfach hervorgehoben, daß er jede Gelegenheit benutzte, belehrend und ermahnend auf seine Untergebenen einzuwirken. In den englischen Flotten kommen Verstöße ähnlicher Art um diese Zeit noch nicht vor. Daß in England[298] unter der neuen Regierung die Cromwellsche Zucht und Pflichttreue schwindet, bemerken wir zuerst bei den Behörden am Lande: die Ausrüstung der Flotten läßt mehrfach zu wünschen übrig; im Jahre 1667 sind die Befehle zur Sicherung der Küsten nur nachlässig ausgeführt worden. Bei beiden spielte allerdings wohl auch der Geldmangel mit.

Bei der Besprechung der Streitmittel ist ferner auf den Fortschritt in der Taktik hingewiesen; die Schlachten zeigen dies deutlich. Die „Kiellinie beim Winde“ ist die Normalgefechtsformation geworden; wir finden sie in allen Gefechten auf beiden Seiten. Zwar gilt noch immer die Luvstellung als die unbedingt vorteilhaftere, aber es wird doch fast ebensoviel Wert darauf gelegt, in guter, enggeschlossener Linie an den Feind zu kommen und diese dauernd zu erhalten; beide Flotten sehen gelegentlich ganz davon ab, die Luvstellung zu gewinnen.

Besonders bei den Engländern wird auf die Erhaltung der Formation gesehen, ihre Gefechtsinstruktionen zielen gerade hierauf hin. Ihre Kiellinie scheint auch schon gut aus Einzelschiffen gebildet zu sein. Wenn bei ihnen am ersten Tage der Viertageschlacht die Schiffe der Nachhut nicht so eng auf- und in sich geschlossen waren, so war dies bei der großen Zahl der Schiffe erklärlich. Das Verbessern der Entfernungen der Fahrzeuge voneinander muß bei einer so langen Linie von Segelschiffen leicht zum Lockern in der Nachhut führen, ganz abgesehen davon, daß um diese Zeit das Schiffsmaterial nicht so gleichmäßig war wie später.

Das vorzügliche Festhalten der Ordnung hat sicher zu den Erfolgen der Engländer — sei es zum Siege, sei es zu nachhaltendem Widerstande gegen Übermacht — in erster Linie beigetragen. Die Holländer waren auch hierin noch nicht so weit; oft standen Schiffe in Lee der Gefechtslinie oder segelten in mehreren Linien nebeneinander und hinderten sich so gegenseitig im Feuer oder trieben auch im Gefecht zusammen.

Zwei Erklärungen für die oftmalige mangelhafte Ordnung sind bereits gegeben worden: die mindere Güte der Schiffe, die Schwächen der Schiffsführer. Die holländische Flotte wurde aber auch weniger daraufhin angeleitet. Die englische Gefechtsinstruktion verlangte von den Schiffen „Liniehalten mit dem Flottenchef“ und hatte stets die „Verwendung der ganzen Flotte“ im Auge. Die holländischen Vorschriften weisen mehr auf das „Zusammenhalten der Unterabteilungen unter sich“ hin und sehen noch die „Verwendung der einzelnen Geschwader“ im Gefecht vor. Die holländischen Schiffe hielten sich unter diesen Umständen zu ihrem nächsten Vorgesetzten, und dies führte — besonders bei der Anwesenheit so vieler Flaggoffiziere — unwillkürlich zur Bildung von Gruppen wie früher; in diesen war man geneigt, die Richtung in der ganzen Flotte außer acht zu lassen, im Gefecht eigenmächtiger zu handeln, ja sogar bei Ausfall des Gruppenführers den Kampf ganz zu verlassen. Der Gruppenkampf lag den Holländern scheinbar noch näher. Wir finden in den Schlachten einige kennzeichnende Fälle für die verschiedene Auffassung der Pflichten der Unterabteilungen gegenüber der Flottenleitung: Am 4. August[299] 1666 schlägt die englische Vorhut die holländische aus dem Felde, folgt ihr aber nicht, sondern bleibt beim Flottenchef und greift in dessen Kampf ein. Demgegenüber steht das eigenmächtige Verhalten Tromps an demselben Tage und am 12. Juni 1666 und ebenso auch der Fall des Admirals van Nes am 14. Juni 1666, wo er mit 14 Schiffen 4 englische Fahrzeuge abdrängt und verfolgt und so seine Hauptflotte sehr schwächt.

Die vorzügliche Ordnung der Engländer bei Lowestoft habe ich schon erwähnt. Der Franzose de Guiche, Kriegsfreiwilliger bei Ruyter an Bord, sagt über die Viertageschlacht: „Man konnte nichts Schöneres sehen, als die prachtvolle Ordnung der Engländer auf See. Niemals gab es eine geradere Linie, als die von ihren Schiffen gebildete. So vereinigen sie ihr gesamtes Feuer auf jeden, der sich ihnen nähert. Sie fechten wie eine Linie Kavallerie, die von einer bestimmten Regel geleitet wird und nur darauf bedacht ist, den Feind zurückzuwerfen; die Holländer dagegen gehen wie eine Kavallerie vor, deren einzelne Abteilungen ihren Platz verlassen und getrennt zum Angriff kommen.“

Immerhin war aber auch in der holländischen Flotte schon mehr Ordnung als früher, besonders seit Ruyter führte. Und auch sonst sehen wir Fortschritte in der Taktik: Versuche, ungünstige Lagen und Fehler des Feindes auszunutzen. Hierher gehört vor allem der Angriff Moncks am ersten Tage der Viertageschlacht, durch den er einen Teil des Feindes anfangs allein engagiert und fast außer Gefecht setzt; doch in jeder Schlacht finden wir planmäßig angelegte Manöver, um an einer Stelle mit Übermacht aufzutreten, auch Tromps Eigenmächtigkeiten hatten nur diesen Zweck. Das stete Bestreben Ruyters, die Gefechte entfernt von Sänden in zum Manövrieren freiem Wasser zu führen, muß man auch als taktische Maßregel ansehen. Durch derartige Manöver und das Bestreben, die Formation zu erhalten, ist der Charakter der Schlacht ein anderer geworden; die Taktik ist nicht mehr damit erschöpft, die Flotten aneinanderzuführen und dann den Kampf in der Melee entscheiden zu lassen. Gerade die „Viertageschlacht“ wird von einzelnen Schriftstellern als der Übergang von älteren Methoden zu einer neuen Taktik angesehen.

Mit Beziehung hierauf sagt Chaband-Arnault (Revue maritime usw. 1885; hier kürzer zusammengefaßt): „Mehr wie irgend eine andere Schlacht bezeichnet gerade diese einen Übergang. Zum ersten Male sehen wir bestimmte Pläne und können die Hauptbewegungen der kämpfenden Flotten danach verfolgen. Wir fühlen, daß jeder General nur sein Geschwader in der Hand hat und daß auch der Oberbefehlshaber über die Unterabteilungen nach seinem Belieben verfügt. (Wir sagen wohl besser: wenigstens dahin strebt.) Der Admiral hält die Luvseite noch für einen Vorteil, aber sie ist nicht mehr die Hauptsache — das einzige —, womit er sich beschäftigt. Er trachtet vor allem danach, seine Flotte in guter Ordnung und geschlossen zu halten, um während der Schlacht nach einheitlichem Plane zu leiten.... Als bei Northforeland später große Zwischenräume zwischen den Geschwadern sich bildeten und sich die Nachhut sogar ganz von der Mitte trennte, beklagte Ruyter diesen Fehler als die Hauptursache der Niederlage.“

Infolge des besseren Zusammenhaltens der Streitkräfte während der Schlacht tritt nun auch die taktische Ausnutzung des Sieges mehr hervor; wir finden schärfere Verfolgungen als früher und dadurch hervorgerufene Rückzugsgefechte.

[300]

Endlich muß in taktischer Beziehung noch auf die Verwendung der Spezialwaffen hingewiesen werden. Der zweite englisch-holländische Krieg ist die Blütezeit der Brander; gerade die zunehmende Ordnung war ihrer Verwendung zunächst günstig (vgl. Seite 188). Sie spielen in den Schlachten und bei den Unternehmungen in feindlichen Gewässern eine große Rolle; Schlachten werden vermieden, Unternehmungen abgebrochen wegen Mangels an Brandern oder wegen Stärke des Gegners in dieser Waffe. Auch bei den anderen Schiffen beginnt eine Trennung sich zu vollziehen, nicht mehr sind wie zur Zeit der ausgesprochenen Gruppentaktik alle Schiffe gleich gut im Kampfe zu verwerten. Das Schlachtschiff geht zwar im allgemeinen noch hinunter bis zu 40 Kanonen, aber kleinere und doch immer noch mit einer gewissen Gefechtskraft, 26–36 Kanonen, werden jetzt mehr zu besonderen Zwecken gebraucht: Zur Bedeckung von Brandern im Gefecht und bei Angriffen feindlicher Schiffe in Häfen usw., zu regelrecht angesetztem Erkundungsdienst, zur Unterstützung beschädigter Schlachtschiffe. Auf solche Spezialschiffe haben besonders die Holländer Wert gelegt; sie sind mit ihren zu diesem Zweck gebauten „Fregatten“ hierin überlegen; bei ihnen wenigstens stehen Schiffe dieser Größe nicht mehr in der Schlachtlinie.

Über Strategie.[172] Auch dieser zweite Krieg war ein reiner Seekrieg. Zwar war es Karl II. gelungen, in dem Bischof von Münster einen Bundesgenossen zu Lande zu finden, doch wurde dessen Angriff von Holland schnell abgeschlagen.

Der Bischof von Münster — ein ehrgeiziger, unruhiger und ausschweifender Prälat — stellte für Hilfsgelder, die England ihm bot, in Eile ein Heer von 20000 Mann auf und fiel in Holland ein. Da die regierende Partei hier das Landheer vernachlässigt hatte, konnte selbst diesem Gesindel kaum Widerstand geleistet werden. Die Verheerungen des Feindes erregten besonders in den Landprovinzen großen Schrecken und Zorn gegen die Regierung und stärkten so die Partei der Oranier. Da aber gerade dies Ludwig XIV. nicht genehm war, stellte er ein Hilfskorps von 6000 Mann; zu diesem nahm man 12000 Mann von Braunschweig-Lüneburg in Sold. Dem Bischof, der nach der ersten Zahlung von Karl II. kein Geld mehr erhielt, liefen viele Soldaten davon, um so mehr da es sich jetzt nicht mehr um Plündern, sondern um Fechten handelte. Er wurde nun ohne Mühe zurückgetrieben und schloß, auch von Brandenburg bedroht, April 1666 gern Frieden.

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Schauplatz des zweiten und dritten englisch-holländischen Krieges.

Dieser Krieg unterscheidet sich aber wesentlich von dem ersten. Die Holländer hatten eingesehen, daß sie nicht gleichzeitig ihren Handel schützen und um die Herrschaft auf dem Meere kämpfen konnten. Bei einem Kampf um Durchführung des Handels waren sie im Nachteil, da der ihrige immer noch weit größer und wegen seiner Straßen leichter anzugreifen war. Sie verboten deshalb Handel und Fischerei (bis gegen Ende 1666) und trugen den[301]
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dadurch hervorgerufenen Schaden freiwillig, um einem größeren Verlust und der damit noch verbundenen Bereicherung des Gegners vorzubeugen; außerdem stand nun das ganze seemännische Personal des Landes der Kriegsflotte zur Verfügung. So wurde im zweiten Kriege von beiden Seiten um die Seeherrschaft gekämpft, bis England im dritten Jahre zu seinem Verderben davon abging. Während im ersten Kriege vier große Schlachten um Konvois geschlagen wurden, finden wir im zweiten den Kampf um den Handel nur als kleinen Krieg nebenherlaufend; die Schlachtflotten beteiligten sich daran nur, wenn sich eine besonders günstige Gelegenheit bot, den feindlichen Handel empfindlich zu schädigen. Von Anfang an werden von beiden Seiten mächtige Stöße auf die feindlichen Seestreitkräfte geführt. Erst wenn eine der Parteien die Seeherrschaft errungen hat, geht sie zu größeren Unternehmungen gegen den feindlichen Handel oder gegen das feindliche Land vor; Holland versucht das letztere mit Erfolg, als England freiwillig auf die Seeherrschaft verzichtet hat.

In beiden Staaten ist das Bestreben, dem Feinde mit dem ersten Schlage zuvorzukommen, so groß, daß ihre Flotten, ohne genügend schlagfertig zu sein, zum Angriff vorgehen. Die Engländer gehen 1665 zuerst in See, um, wie in dem letzten Abschnitte des ersten Krieges, den jetzt beginnenden gleich an die feindliche Küste zu tragen und schon die Vereinigung der feindlichen Flotte zu hindern. Die noch unvollständig ausgerüsteten Schiffe sind aber unter ungünstigen Wetterverhältnissen nicht imstande, eine längere Blockade durchzuführen, und müssen, bald durch Sturm beschädigt, zur Ausbesserung nach einem Heimathafen zurückkehren. Wohl wäre dies ein günstiger Zeitpunkt zum Vorgehen der nun vereinigten holländischen Streitkräfte gewesen, aber der Chef der Flotte hielt auch diese für noch nicht genügend bereit. Trotzdem wird er von seiner Regierung gedrängt und geht in See. Zwar wirft ihm der Zufall eine reiche Beute — den für den Gegner wertvollen Hamburger Konvoi mit Kriegsmaterial — in den Weg, als er aber, durch das ihm ausgesprochene Mißtrauensvotum gekränkt, unter ungünstigen Verhältnissen die erste Schlacht annimmt, um unter allen Umständen zu fechten, erleidet er die schwere Niederlage (Lowestoft, 13. Juni), die die See den Engländern völlig preisgab.

Mahan (Teil I, Seite 101) sagt hierzu: „Es scheint, daß Wassenaer sehr bestimmten Befehl hatte, zu fechten; die einem Höchstkommandierenden zustehende Vollmacht, nach eigenem Ermessen zu handeln, war ihm nicht erteilt. Diese Art, sich in die Befugnisse des Kommandierenden im Felde oder zur See einzumischen, ist eine der gewöhnlichsten Versuchungen, denen Regierungen unterliegen; sie ist immer verhängnisvoll.“ Mahan führt noch zwei bedeutsame Beispiele dieser Art aus der späteren Seekriegsgeschichte an.

Die Engländer versuchen nun, ihren Erfolg strategisch auszunutzen, aber nicht in der richtigen Weise. Abgesehen von dem Nutzen einer Blockade überhaupt war es möglich, das zurückkehrende Geschwader Ruyters und den großen Konvoi abzufangen. Anstatt hierzu die Gesamtkräfte an der feindlichen Küste zu halten, werden sie zersplittert. Die feindliche Flotte vereinigt sich wieder, und beide Objekte entgehen den Engländern; durch Zufall aber erbeuten sie trotzdem einige Schiffe. Im weiteren Verlauf muß England sogar[303] infolge der Pest dem Gegner das Meer überlassen, aber auch dieser wird durch Krankheit auf der Flotte verhindert, größeren Nutzen daraus zu ziehen. Bemerkenswert ist, daß Ruyter (d. h. wohl auf Anregung des Staatsmannes de Witt) schon jetzt ein großes Unternehmen gegen die Themse ins Auge gefaßt zu haben scheint. Der Winter bringt die übliche Pause im Kriege, doch rüsten beide Staaten für das nächste Jahr; England namentlich, nachdem ihm auch von Frankreich und Dänemark der Krieg erklärt ist.

Im Jahre 1666 sind es die Holländer, die zuerst den Feind suchen; England macht vor dem Zusammenstoß den großen Fehler der Detachierung Ruprechts. Die englische Flotte war der holländischen etwa gleich, sie befand sich ihr und dem auch nicht zu unterschätzenden französischen Geschwader gegenüber in einer inneren Stellung. Es wäre also das einzig Richtige gewesen, sich auf die Holländer zu werfen, ehe deren Verbündete eintreffen konnten; unter Umständen auch mit der ganzen Macht den Franzosen entgegenzugehen. Es ist aber nicht zu entschuldigen, die an sich schon schwächere Kraft zu teilen und so zu teilen, daß man dem nächsten und stärksten Feinde bedeutend unterlegen gegenüberstand. Es ist dies immer falsch, besonders zur See, wo höhere Gewalten — wie Nebel oder Sturm — leichter als zu Lande das Herankommen des zweiten Feindes aufhalten können.

Mahan (Teil I, Seite 110) sagt hierzu: „Eine Lage wie die der englischen Flotte, in der sie von zwei Seiten bedroht war, bietet eine große Versuchung für den Befehlshaber. Man ist sehr leicht geneigt, seine Kräfte zu teilen und beiden Feinden entgegenzugehen, wie Karl es tat. Wenn man jedoch nicht eine erdrückende Übermacht hat, ist dies stets ein Fehler, da man beide Teile der Gefahr aussetzt, getrennt geschlagen, zu werden. Dies trifft auch hier zu. Die beiden ersten Tage der Viertageschlacht waren verhängnisvoll für die größere englische Division unter Monck, die gezwungen wurde, sich auf Ruprecht zurückzuziehen; wahrscheinlich rettete nur seine sehr gelegen kommende Rückkehr die englische Flotte vor schweren Verlusten oder zum mindesten vor der Einschließung in ihre Häfen. Einen ähnlichen Fehler des englischen Admirals Cornwallis vor Trafalgar bezeichnete Napoleon als ein hervorragendes Beispiel von Dummheit! Die Lehre bleibt zu allen Zeiten gleich richtig.“

Die Folge dieses Fehlers war denn auch die Niederlage in der Viertageschlacht. Monck mußte sich dann auf Ruprecht zurückziehen, und daß die Verluste nicht noch weit größer wurden, ist wohl nur dem rechtzeitigen Wiedererscheinen Ruprechts und der überlegenen Taktik der Engländer zu verdanken. Was wäre aber geschehen, wenn Ruprecht gleichzeitig in ähnlicher Weise durch die Franzosen auf Monck zurückgeworfen wäre?

Holland beeilt sich, seinen Sieg zu verfolgen, und plant wieder einen Stoß in das Herz des Feindes, ein Eindringen in die Themse. Aber man hat Hilfsquellen und Energie des Gegners unterschätzt; als die holländische Flotte bereit ist und zunächst noch durch ungünstige Winde etwas aufgehalten, vor der Themse erscheint, tritt ihr auch die englische wieder schlagfertig entgegen. Die Schlacht von Northforeland wird infolge der alten Schwächen der Holländer eine völlige Niederlage dieser. Die Engländer benützen jetzt die augenblickliche Seeherrschaft dazu, dem Feinde in dem Vlie großen Schaden[304] zuzufügen. Es ist nicht klar, weshalb sich die Engländer hiermit begnügten; Andeutungen in alten Quellen lassen annehmen, daß die immer weiter zunehmende Nachlässigkeit im Verwaltungsbetriebe die nach jeder Schlacht notwendige Instandsetzung der Flotte und ihre Erhaltung in gutem Zustande hinderte.

Die Kriegführung wird jetzt überhaupt auf beiden Seiten lau. Als Ruyter am 5. September wieder ausläuft und die englische Flotte ihm folgt, kommt es zu keinem Zusammenstoß. Jeder der Gegner behauptet, der andere Teil habe ein Gefecht vermieden und Wetterverhältnisse seien hindernd gewesen, aber keiner hat einen Kampf ernstlich gesucht. Der Wunsch, sich vor einer Schlacht erst mit den Franzosen zu vereinigen, auf der einen Seite und das Gefühl der Schwäche (Mangel an Brandern und „other deficiencies“[173] auf der anderen sind mutmaßlich die wahren Gründe gewesen; vielleicht haben auch schon Friedensaussichten sowie der auf beiden Flotten herrschende schlechte Gesundheitszustand dazu beigetragen. Die Franzosen hielt Zaghaftigkeit oder böser Wille zurück. Die Engländer gingen zuerst in ihre Gewässer, die Holländer hielten noch einige Zeit die See, um Druck auf den Fortgang der Friedensverhandlungen auszuüben, aber schon Anfang Oktober trat die Winterruhe ein.

Das Jahr 1667 bietet ein ganz neues Bild. Wir haben gehört, daß und weshalb Karl II. den Kampf mit Flotten völlig aufgab. Die damit verbundene Freigabe der See ermöglicht nun de Witt und Ruyter, ihren Lieblingsplan, einen Stoß in das Herz des Feindes, auszuführen; die Unvollkommenheit der Maßnahmen zur Abwehr ist ihnen bekannt, das Fahrwasser ist nach Möglichkeit genau erforscht. Das mit Tatkraft durchgeführte Unternehmen in Themse und Medway und gegen die ganze Küste überhaupt hätte bei Verwendung stärkerer Mittel noch weit verhängnisvoller für England werden können. Immerhin war der dem Feinde zugefügte Schaden groß und vor allem bewirkte der moralische Eindruck der Waffentat, daß England nun ernstlich den Frieden suchte; die weitere Blockade der Themse, die beständige Bedrohung der Küsten beschleunigten die Verhandlungen. Auch diese späteren Unternehmungen waren für Holland nur möglich, weil keine große schlagfertige englische Flotte vorhanden war. Sie wurden wohl nicht schärfer durchgeführt, um nicht zu viel mehr aufs Spiel zu setzen; man hatte seinen Zweck erreicht.

Der Besitz der Seeherrschaft hat den Krieg entschieden. Der Kampf um diese ist nicht bis zu Ende geführt worden; so lange darum gefochten wurde, standen die Aussichten ziemlich gleich, der Erfolg war bis dahin bald auf der einen, bald auf der andern Seite. Entscheidend zuungunsten Englands war der falsche Gedanke Karls II., die Niederwerfung des Gegners allein im Kreuzerkriege erreichen zu können.

Mahan läßt sich (Teil I, Seite 126–132) über den militärischen Wert des Kreuzerkrieges folgendermaßen aus (im Auszuge wiedergegeben): „Der Kreuzerkrieg — commerce[305] destroying; guerre de course“ — hat stets Verlockendes, wenn Sparsamkeit beobachtet werden soll. Er braucht nur schnelle Kreuzer und man kann auch darin noch durch Ausgabe von Kaperbriefen dem Staate weitere Erleichterung schaffen. Trotzdem kann man durch ihn dem Gegner großen Schaden zufügen, der fremden Regierung bedeutende Verlegenheiten bereiten, ihre Bevölkerung ins Elend bringen.

Aber der Kreuzerkrieg bedarf Stützpunkte: Heimatshäfen, Häfen in entfernten Besitzungen oder eine mächtige Kriegsflotte. Besitzt er nur Stützpunkte in Häfen, so kann er sich nur auf kurze Entfernungen herauswagen. Auch so kann diese Kriegführung zwar vielen Schaden tun, aber sie verwundet nur, sie tötet nicht; ja man darf wohl sagen, sie veranlaßt nur unnütze Leiden. Es leiden nur gewisse Klassen der Bevölkerung: Nicht die Wegnahme einzelner Schiffe oder Convois, seien es wenige oder viele, bringt die Zahlungsfähigkeit einer Nation in Gefahr, sondern der Besitz der Macht, die die feindliche Flotte (besser wohl „Flagge«) von der See verjagt und dem feindlichen Handel die Küsten schließt; dann erst leiden die Regierung und die Nation im ganzen. Führt der eine Gegner den Kreuzerkrieg ohne, der andere aber mit Unterstützung einer starken Flotte, so kann dieser weit mehr erreichen, selbst wenn er genötigt ist, auf den Schutz seines Handels zu verzichten“.

Zur Bekräftigung dieser Sätze führt Mahan kurz die Kriege an, in denen der Kreuzerkrieg eine hervorragende Rolle gespielt hat. Über die Kriege unseres Abschnittes sagt er in dieser Hinsicht: „Nicht die englische Politik von 1667, sondern die mächtigen Flotten Cromwells im ersten Kriege, durch die die Holländer in ihre Häfen eingeschlossen wurden, ließen Gras in den Straßen Amsterdams wachsen und führten den Frieden herbei. Wenn auch sein Handel durch Unterbrechung und Preisgabe schwer litt, so war Holland im zweiten Kriege doch imstande, mächtige Flotten zu halten, und zwang mit ihnen endlich den Gegner zum Frieden, als dieser nur Kreuzerkrieg führte. Auch den dritten Krieg konnte Holland trotz Verlust im Handel gegen England und Frankreich ausfechten. In dem Kriege 1689–1697 litt England unter dem Kreuzerkriege ganz ungemein, weil Frankreich auch große Kriegsflotten in See hatte. Als 1702–1712 Louis XIV. sich wegen Geldmangels auf den Kreuzerkrieg beschränken mußte, wurden zwar ungeheuer viele englische Schiffe genommen, aber das Land und auch besonders die handeltreibenden Kreise gediehen trotzdem weiter; die englischen Flotten hatten zwar den Handel preisgegeben, nahmen aber Gibraltar und Minorca und wirkten auch sonst weit wesentlicher auf den Verlauf des Krieges ein.“ — Die Beispiele werden bis in die neueste Zeit (Sezessionskrieg) fortgesetzt.

Blicken wir nun nochmals auf die Angriffe gegen das feindliche Land zurück. Sie werden strategisch richtig nur ins Werk gesetzt, wenn man die Seeherrschaft besitzt. Sie werden taktisch wohl überlegt ausgeführt: das Gros der Flotte liegt in freierem Wasser als Stützpunkt und um den Rücken freizuhalten, ein Geschwader aus leichteren Schiffen wird mit Brandern vorgeschickt. Der erste Angriff gilt der Zerstörung feindlicher Schiffe, dann folgt die Landung. Das erste wird also für das Wichtigere und auch das zweite nur als ein Mittel zu weiterer Zerstörung feindlichen Eigentums betrachtet; ein Festsetzen in Feindesland für größere Unternehmungen scheint nie beabsichtigt zu sein.

Genau wie oben angedeutet, verläuft die einzige derartige englische Expedition im Vlie, zu der Landung stehen nur ganz geringe Kräfte zur Verfügung; nahezu so spielt sich die Holländische in Themse und Medway ab. Hier mißlingt der erste Angriff auf die Schiffe in der Themse, dann wird Sheerness genommen, da man sonst an die Fahrzeuge im Medway nicht herankommen[306] konnte. Zu einem dauernden Festsetzen würden die Truppen auch hier nicht genügt haben, selbst wenn alle dafür bestimmten zur Stelle gewesen wären; höchstens hätte man dann wahrscheinlich Chatham und die dort liegenden Schiffe auch vom Lande her angreifen und so einen größeren Erfolg erzielen können. Die früheren und späteren Versuche gegen die Themse waren nicht zu einer größeren Invasion ausgerüstet, und endlich wurde auch, wie die geringe Zahl der Landungstruppen zeigt, der Landangriff auf Harwich nur unternommen, um leichter und sicherer die Schiffe im Hafen zu vernichten. Wie gesagt, handelte es sich in diesem Kriege bei derartigen Unternehmungen nur darum, den Feind durch einen kurzen Schlag zu schädigen, nicht den Krieg in sein Land zu tragen; wollte man eine Invasion größeren Umfanges ausführen, so hätte dazu ein starkes Heer vorher eingeschifft oder zur Einschiffung bereit sein müssen, um nach der Besetzung eines festen Stützpunktes auf dem Lande sofort folgen zu können. Den Holländern wäre dies bei der Schwäche ihres Landheeres nur mit einer starken Unterstützung von seiten Frankreichs möglich gewesen. Es ist kaum anzunehmen, daß man darauf gehofft hat, wenn auch gerade Ludwig XIV. scheinbar für das Eindringen in die Themse sprach. Nur im Juli 1666 hat man möglicherweise eine größere Landung mit Unterstützung der Franzosen im Auge gehabt. Im nächsten Kriege werden wir aber auf englischer Seite die Absicht finden, durch eine Landung in den Landkrieg einzugreifen.

Zum Schluß möchte ich noch einen Vergleich zwischen dem ersten und dem zweiten Kriege ziehen. Beim ersten ist hervorgehoben, mit welcher Energie er durchgeführt wurde: die sechs großen Schlachten folgen schnell aufeinander; im letzten Abschnitt versuchen beide Gegner, zum ersten Male in jenen Zeiten, den Krieg sogar im Winter fortzuführen. Im zweiten Kriege wird zwar in den Schlachten selbst mit gleicher Hartnäckigkeit gefochten, aber wir finden nur drei große Schlachten und die Winterpausen dauern sehr lange, wohl eine Folge der veränderten inneren Verhältnisse beider Länder. Durchweg volkstümlich war der Krieg weder hier noch dort: In England waren nur gewisse Kreise, die großen Kompagnien besonders, interessiert und das Verhältnis zwischen König und Volk war nicht das beste; in Holland waren ebenfalls die Landprovinzen überdrüssig, die Lasten eines Krieges zu tragen, der scheinbar nur den Seeprovinzen — und hier besonders Holland — von Nutzen war. In beiden Nationen gelangte man zur Erkenntnis, daß Frankreich bei dem Streite im trüben fische und am meisten gewinne.

Französische Schriftsteller versuchten es stets und versuchen es noch, nachzuweisen, daß von einem absichtlichen Zurückhalten der französischen Flotte keine Rede gewesen sein könne; ein Unparteiischer muß dies jedoch nach allen Quellen annehmen, es paßte ja auch ganz in Ludwigs XIV. Politik, wenn die beiden Gegner sich schwächten und er unberührt blieb.

Fußnoten:

[148] „Leben Ruyters“ (besonders die Ereignisse), „Vie de Tromp“ (besonders die Verhandlungen der Staaten), kürzer: de Jonge, Teil I, und Clowes, Teil II, Seite 254 und 422.

[149] „Leben Ruyters“, Seite 222.

[150] Näheres „Leben Ruyters“ und in „Vie de Tromp“.

[151] Anschließend an Seite 195 (Holland) und Seite 197 (England) gibt die Betrachtung gleichzeitig ein Bild der Fortentwicklung der Marinen. Quellen: de Jonge, Teil I, und Clowes, Teil II, Kapitel XXII; erstere gibt für diese Zeit genauere Angaben über die englische Marine als letztere.

[152] Auch de Jonge z. B. klagt über den Mangel. Clowes gibt die nächste erst für 1688, und da sind es fast nur Schiffe, die nach dem dritten Kriege gebaut sind. Die hier gemachten Angaben sind entnommen: de Jonge, Teil I, Beilagen XXVIII, XXX, XXXII, XXXIV; in XXXa. Namen der holländischen Schiffe und Kommandanten, Kanonenzahl, genaue Einteilung in Geschwader für 1665.

[153] Dazu 8 Kauffahrer unbekannter Armierung, scheinbar größere, denn 1 zu 60 und 1 zu 44 Kanonen werden erwähnt.

[154] Darin enthalten 10 Kauffahrer der ostindischen Kompagnie: 4 zu 70–80, 5 zu 50–60, 1 zu 41 Kanonen. — 9 Kriegsschiffe und 7 Ostindienfahrer waren außerdem noch in der Ausrüstung.

[155] In der Schlacht fehlte etwa ein Drittel dieser Zahl, als unter Prinz Ruprecht detachiert; als er am dritten Tage wieder zur Flotte stieß, brachte er noch 10 weitere Schiffe mittlerer Größe mit.

[156] Das heißt: Wenden der Schiffe einer Kiellinie nacheinander auf derselben Stelle, auf der das erste Schiff gewendet hat.

[157] Durch Bevollmächtigte der Generalstaaten, wie denn überhaupt, bis Ruyter 1665 den Oberbefehl übernahm, dem Flottenchef die genauesten Vorschriften selbst über den inneren Dienstbetrieb gemacht wurden.

[158] Bemerkenswert ist es, daß Ruyter Gelegenheit nahm, seine Flotte zu exerzieren; er ließ taktische Bewegungen machen („Leben Ruyters“, Seite 325: rechts um, links um, öffnen, Schließen „wie bei Landsoldaten!“) und ordnete Gefechtsübungen an.

[159] Hauptquellen: Clowes, Teil II; „Leben Ruyters“; „Vie de Tromp“; de Jonge, Teil II; Mahan. Teil I. Über Mängel der Quellen vgl. Seite 199.

[160] „Leben Ruyters“, Seite 309, Namentliche Aufführung der Schiffe mit Angaben über ihre Stärke.

[161] Vermooren heißt: Ein Schiff mit Bug- und Heckanker verankern, um ein Drehen bei Wind- oder Stromwechsel zu verhindern.

[162] Clowes, Teil II, Seite 286, gibt ein Verzeichnis der Schiffe mit Namen, Kanonen- und Mannschaftszahl, als „bemerkenswert“, da es die erste größere Flotte Frankreichs in den nördlichen Gewässern sei; andere Quellen weichen unbedeutend davon ab.

[163] Siehe Chabaud-Arnault im Quellenverzeichnis.

[164] Clowes, Teil II, Seite 276, führt die Hauptwerke über die Schlacht auf, etwa 20. Mir haben von diesen vorgelegen: de Jonge, Teil II, darin eine neuere Schilderung; „Leben Ruyters“, genaue Beschreibung einzelner Episoden; „Vie de Tromp“ mit Berichten Tromps und Ruyters, einigen Briefen sowie einer amtlichen holländischen „Relation“, etwa 14 Tage nach der Schlacht geschrieben. Nach jedem Schlachttage werde ich etwaige wichtigere Abweichungen dieser Werke gegen Mahan kurz anführen.

[165] Als bemerkenswert für uns Deutsche sei erwähnt, daß das Kontingent Amsterdam vor dem Auslaufen am 16. Mai vom Großen Kurfürsten und dem Prinzen von Oranien besucht wurde. Die Schiffe lagen in Flaggengala, der hohe Besuch speiste bei Ruyter, besichtigte verschiedene Schiffe sowie eine Gefechtsübung zweier Fregatten u. a. „Leben Ruyters“, Seite 359.

[166] Mahan, Teil I., Seite 118, dagegen „Leben Ruyters“ Seite 362 und 374.

[167] „Leben Ruyters“, Seite 383: Samuel Raven in Rotterdam „glaubte dort Freunde zu finden, mit deren Hilfe er einen Aufstand erregen könnte“.

[168] Quellen wie bei der „Viertage-Schlacht“, nur Mahan beschreibt sie nicht. Die in England auch gebräuchliche Bezeichnung „St. James' fight“ rührt daher, daß sie am St. James-Tage geschlagen wurde.

[169] Näheres in den angezogenen Quellen, insbesondere den holländischen.

[170] Nähere Angaben de Jonge, Teil I, Beilage XXXVI und „Leben Ruyters“ Seite 423.

[171] Wir besitzen zahlreiche Beschreibungen dieses Unternehmens in den älteren Quellen und neueren Werken, die in Clowes, Teil II, Seite 293, aufgeführt sind. Ich habe von diesen bei meiner Schilderung dieselben wie zu den vorhergehenden Schlachten benutzt. Man findet wieder in Clowes, de Jonge und „Ruyters Leben“ eine genaue Schilderung, im „Vie de Tromp“ die Berichte usw.

[172] Colombs Disposition für Kapitel III, in dem dieser Krieg besprochen wird: Der schwächere Gegner hat die Unmöglichkeit erkannt, gleichzeitig den Handel zu schützen und um die Seeherrschaft zu kämpfen; er verbietet das Auslaufen der Handelsschiffe. Von beiden Seiten richtet man den Angriff auf die Seestreitkräfte. Wenn die Seeherrschaft errungen ist, erfolgen Angriffe auf die Schiffe in den Häfen, auch Landungstruppen werden eingeschifft. — Wir folgen wieder dieser Disposition.

[173] Colomb, Seite 58.

[307]


deco

Sechstes Kapitel.
Der dritte englisch-holländische Krieg. 1672–1674.

Die politischen Verhältnisse, die diesen Krieg herbeiführten.

Wie wir sahen, trug zur Beendigung des zweiten englisch-holländischen Krieges der Umstand wesentlich bei, daß beide Nationen die zunehmende Macht Frankreichs mit Mißtrauen betrachteten; die Erfolge Ludwigs XIV. im Devolutionskriege führten bald (1668) nach dem Friedensschluß sogar zu einem Zusammengehen Hollands und Englands, aber nur für kurze Zeit. Schon 1672 standen sich die alten Gegner aufs neue in einem Seekriege gegenüber, in dem Frankreich jetzt auf Englands Seite erschien. Es war Ludwig gelungen, Karl II. gegen die Neigung des englischen Volkes zur Durchführung seiner Politik zu gewinnen, Holland zu isolieren und ihm außer England auch noch andere Gegner zu schaffen. Um diese politische Strategie Ludwigs XIV. zu veranschaulichen, ist es nötig, die Entwicklung der politischen Verhältnisse bis zum Kriege kurz zu betrachten.

Der Devolutionskrieg (vgl. Seite 289) — der erste Eroberungskrieg Ludwigs XIV. —, der Einfall in die spanischen Niederlande Ende Mai 1667, verlief ungemein schnell zugunsten Frankreichs. Turenne — der König führte zwar scheinbar selbst den Oberbefehl — nahm bis Ende Oktober ohne großen Widerstand eine Reihe der wichtigsten Städte: z. B. Charleroi, Tournay, Douay, Oudenaarde, Lille; Brüssel und Dendermonde hielten sich. Die Staatsschrift, in der Ludwig seine Ansprüche auf die fraglichen Landstriche darlegte, zeigte unverhüllt den ehrgeizigen Charakter des jungen Königs und versetzte ganz Europa in Besorgnis. Besonders Holland mußte sich arg bedroht fühlen; aus Gründen, die wir schon erwähnt haben (Seite 249), war Frankreich wohl gut als Freund, aber nicht als Nachbar. Auch in England fürchtete man, daß Frankreich nach Erlangung des Übergewichtes auf dem Kontinente, nach Eroberung der spanischen Niederlande oder gar Hollands ein gefährlicherer Nebenbuhler um die Seeherrschaft werden könnte als Holland. Zwei große Staatsmänner der bisher feindlichen Nationen verbanden sich deshalb im geheimen, um den französischen Eroberungen Schranken zu setzen. Der Ratspensionär de Witt und der englische Gesandte[308] in Holland, Sir William Temple. De Witt überwand dabei seinen alten Haß gegen England, die französische Gefahr war ja auch jetzt die größere; er wagte viel bei den geheimen Unterhandlungen, da nach den Gesetzen ein jedes Bündnis von den Magistraten aller Städte beraten werden mußte. Temple, ein Mann voll inniger Vaterlandsliebe, aber auch auf das Wohl aller Staaten bedacht, beachtete nicht die Hinneigung seines Königs zu Frankreich. In kurzer Zeit brachten diese beiden Männer einen Vertrag zustande (23. Januar 1668), dem dann der Gesandte Schwedens beitrat. Diese Tripelallianz forderte von Ludwig, daß er von weiteren Eroberungen absähe, und von Spanien die Abtretung der bereits genommenen Gebiete an Frankreich. Die Bundesgenossen verpflichteten sich, den König zu Wasser und zu Lande zu bekriegen, falls er auf die Forderung nicht einginge, und dann Frankreich auf den Stand des Pyrenäischen Friedens zurückzubringen.

Das schwache Spanien stellte sich zwar empört, daß man so über sein Eigentum verfüge, sah aber die Unmöglichkeit ein, dieses selbst zu schützen. Auch Ludwig wagte nicht, der Allianz zu trotzen, ging auf die Verhandlungen ein und bot auf Verlangen der Verbündeten dem spanischen Gouverneur der Niederlande einen Waffenstillstand an, aber zunächst nur bis Ende März. Dieser lehnte ihn jedoch ab mit dem Bemerken, es sei ein Hohn, eine Waffenruhe anzubieten, die der Winter den Franzosen von selbst auferlege. Um zu zeigen, daß er trotz der ungünstigen Jahreszeit seine Eroberungen fortsetzen könne, ließ nun Ludwig die Grafschaft Burgund (Franche-Comté?), die, wenn auch nur dem Namen nach, noch zu Spanien gehörte, im Februar durch den Prinzen Condé besetzen; es geschah fast ohne Schwertstreich. Nach diesem so leichten Erfolge machte der König Miene, die Verhandlungen wieder abzubrechen, aber das energische Auftreten der Allianz und ihre Drohung, alle Staaten Europas seien bereit, sich gegen Frankreich zu waffnen, bewogen ihn doch zum Nachgeben; noch hatte er sich nicht an den Gedanken gewöhnt, ganz Europa zu trotzen. Im Frieden zu Aachen, 2. Mai 1668, gab Frankreich die Franche-Comté zurück und behielt die zwölf genommenen Städte Belgiens. Diese wurden sofort durch Vauban zu wichtigen Stützpunkten für weitere Eroberungen ausgebaut; besonders galt Lille als eine Musterfestung nach dem System des berühmten Ingenieurs.

Ludwig XIV. war erbittert über die Störung seines Planes. Sein Haß richtete sich besonders gegen Holland, in dem er mit Recht die Seele des Dreibundes und wegen dessen geographischer Lage das Haupthindernis seiner Absichten sah; auch erschien es ihm als ein unerträglicher Schimpf, daß eine „Republik von Krämern und Schiffern, die ihm und seinen Vorfahren so viel zu verdanken habe“, den „größten König Europas“ in seinem Siegeszuge hemme; Arger über in Holland erschienene Spottbilder und -schriften usw. trat hinzu.

Er beschloß, vorerst Holland zu züchtigen und zu unterwerfen, und dann Belgien; mit allen Mitteln zielte seine politische Strategie darauf[309] hin, Holland nicht nur zu isolieren, sondern ihm auch Feinde zu schaffen; dazu brauchte er vor allem die Auflösung des Dreibundes. Er versuchte, die alte Verbindung Frankreichs mit Schweden zu erneuern. Zwar war hier im Reichsrate, der für den minderjährigen Karl XI. regierte, anfangs wenig Neigung vorhanden, sich dem unruhigen und kriegslustigen Ludwig anzuschließen, aber nach und nach gewann eine andere Stimmung die Oberhand, wohl infolge Bestechung gewisser Kreise; im April 1672, als auch Ludwigs sonstige Ränke zum Ziel geführt hatten, schloß Schweden mit ihm den Vertrag, gegen Zahlung von Subsidien das Deutsche Reich an einer Unterstützung Hollands zu hindern und hierzu 16000 Mann in Schweden und Pommern bereit zu halten. Ebenso leichtes Spiel hatte Ludwig in England. Karl II. hatte hier 1669 die Minister entlassen und neue genommen, die seinen Plänen gegen Verfassung und Religion des Landes willfährig waren — deshalb das Kabalministerium genannt —: das Parlament sollte abgeschafft, das Königtum absolut gemacht und die Nation zur katholischen Religion gezwungen werden. Zu diesem Plane paßte die Vernichtung des republikanischen und evangelischen Hollands, infolgedessen gelang es Ludwig XIV., den englischen König am 11. Juni 1670 zu einem Vertrage für die Ausführung der beiderseitigen Absichten zu gewinnen: Gemeinschaftlich erst Holland zu erobern, dann England politisch und kirchlich zu knechten. Auch wurde Karl überzeugt, daß diese beiden Aufgaben gerade in dieser Reihenfolge leichter und sicherer auszuführen seien, da dann das englische Volk keine Unterstützung an dem holländischen finden könne. Von den Niederlanden sollte Seeland, also insbesondere die wichtigen Flußmündungen der Schelde und Maas, an England fallen, die Provinz Holland wollte man dem Prinzen von Oranien als souveränes Fürstentum geben; alle übrigen Provinzen sollten französisch werden. Für den Krieg wollte Frankreich an England 200000 Lstrl. zu Rüstungen und jährlich 350000 Lstrl. Subsidien zahlen, gegen Holland seine Flotte mit der englischen — unter englischem Oberbefehl — vereinigen und zur Unterdrückung Englands später Truppen stellen.

Der Abschluß der schon länger laufenden Verhandlungen und besonders die Abmachung, Holland zuerst anzugreifen, war das Werk der Herzogin von Orleans, Schwägerin Ludwigs und Schwester Karls. Wesentlich unterstützt soll diese sein durch das ihr zu diesem Zweck mitgegebene schöne Fräulein de Kerhouent, das die Lieblingsmaitresse Karls wurde.

Der französische Geschichtschreiber Martin (Histoire de France) sagt zu dem Vertrage: „Diese Verhandlungen sind falsch beurteilt. Man hat gesagt, Karl habe England an Frankreich verkauft. Dies ist nur für die innere Politik richtig, er plante mit Hilfe Frankreichs England zu knechten. Die Interessen des Landes nach außen verkaufte er indessen durchaus nicht (d. h. dieses Mal nicht, beim Verkauf Dünkirchens tat er es), da der größere Gewinn bei Niederwerfung Hollands von England eingeheimst sein würde.“ Man darf wohl sagen, daß der Vertrag ein größerer politischer Fehler Frankreichs als Englands war. England bekämpfte doch immer seinen derzeit bedeutendsten Nebenbuhler zur See, der ihm sogar im Handel noch überlegen war, wenn ihm dadurch auch ein neuer in Frankreich zu erwachsen drohte. Frankreich aber hatte, durch seine Festlandpolitik in Anspruch genommen, wenig Aussicht, ohne einen Verbündeten dem vom Festland unabhängigen[310] England gegenüber eine Seemacht zu werden, wonach Colbert gerade jetzt strebte. Ein solcher Verbündeter war in Holland gegeben, mit ihm hätte man das Wachstum der englischen Seemacht vielleicht unterbinden können, und dieser Verbündete sollte jetzt vernichtet und sogar seine für die Seemacht wichtigste Provinz an England abgetreten werden. Richelieu hatte aus diesem Grunde Freundschaft mit Holland gesucht, auch, um dort technische Unterstützung zur Schaffung einer Marine zu finden.

Dieser englisch-französische Vertrag wurde streng geheim gehalten. Als de Witt, der doch von Verhandlungen gehört hatte, in London um Auskunft ersuchte, äußerte sich Karl dem holländischen Gesandten gegenüber: Er halte fest an der Tripelallianz; diese sei so heilsam, daß sie geschlossen werden müsse, wenn es nicht schon geschehen wäre. Ähnliche Versicherungen wurden auch in der Folge noch gegeben, und ihre Aufrichtigkeit schien dadurch Bestätigung zu finden, daß Karl Ende 1670 vom Parlament bedeutende Mittel für die Flotte in diesem Sinne forderte. Er sagte: da die französische Flotte in den letzten Jahren verdreifacht sei, verlangten die Verpflichtungen, die die Tripelallianz England auferlege, auch eine große Schlagfertigkeit seiner Flotte für das nächste Jahr. In England hatten die Zunahme des Seehandels und die Kolonialbestrebungen Frankreichs Eifersucht erregt, die Tripelallianz besaß die allgemeine Sympathie, und so bewilligte das Parlament die geforderten Gelder. Das englische Volk und de Witt waren getäuscht.

Wenn nun de Witt noch längere Zeit auf den Bestand des Dreibundes und besonders auf Unterstützung durch England rechnete, so versuchte er doch rechtzeitig, sich daneben in Deutschland Bundesgenossen gegen Frankreich zu sichern; aber auch hier trat ihm Ludwig entgegen. Der Herzog von Lothringen, die Kurfürsten von Mainz und Trier fanden sich anfangs bereit, Truppen für Holland aufzustellen. Ehe jedoch die Werbungen begannen, fiel Ludwig (August 1670) in Lothringen ein und besetzte das Land; trotz Einspruch des Kaisers blieb es damals schon 27 Jahre in französischem Besitz. Die Kurfürsten wagten jetzt nicht, zu rüsten und auch nicht auf dem Reichstage für die bedrohten Niederlande aufzutreten; sie würden fast allein dagestanden haben. Die übrigen Fürsten im Westen Deutschlands fürchteten Ludwig oder waren ihm verpflichtet. Auch am kaiserlichen Hofe legte der französische Gesandte „goldene Ketten“ (Ausdruck Ludwigs) an; die Minister, vor allen der Premier Fürst Lobkowitz, überredeten den Kaiser zu einem Vertrage mit Frankreich (November 1671), wonach keine der beiden Mächte einen Gegner der anderen unterstützen sollte; der Kaiser wollte sich besonders nicht in einen Krieg mischen, der über den Frieden von Aachen etwa entstehe.

Endlich gewann Ludwig XIV. sogar offene Verbündete in Deutschland in dem Erzbischof von Köln und dem Bischof von Münster. Da er beim Angriff auf Holland die spanischen Niederlande nicht betreten wollte, um sich selbst in dem schwachen Spanien keinen Gegner zu schaffen, sollte sein Heer den Weg durch das Kölner Land nehmen. Die beiden Prälaten verpflichteten sich aber auch (Anfang 1672), 30000 Mann zu stellen, wofür ihnen bedeutende Gelder und Teile Hollands zugesagt wurden. —[311] Nur an der Einsicht und der deutschen Gesinnung des Großen Kurfürsten scheiterten Ludwigs Künste. Dieser wies den Antrag eines Bündnisses, für das man ihm das Herzogtum Geldern bot, mit Verachtung zurück; er warnte Holland und war entschlossen, für die Rettung der Republik und zur Sicherung Deutschlands zu tun, was in seinen Kräften stand.

So hatte Ludwig XIV. im Frühjahr 1672 Holland völlig isoliert und ihm außer England noch zwei festländische Gegner geschaffen; das der Republik wohlgesinnte Brandenburg hoffte er durch Schweden in Schach zu halten.

Als bemerkenswert vom Standpunkt der Seekriegsgeschichte sei hier eines von Leibniz dem König von Frankreich unterbreiteten Planes gedacht. Dieser deutsche Gelehrte weilte 1672 in Paris, als sich schon erkennen ließ, daß die Pläne Ludwigs auch Deutschland bedrohen würden. Er wollte deshalb den Ehrgeiz des Königs in andere Bahnen leiten, von einer Ausdehnung seiner Macht in Europa zu Lande ablenken und auf Erweiterung der überseeischen und des Seehandels, kurz auf die Erringung der Seeherrschaft, hinführen. Zur Erreichung dieses Zieles sollte Frankreich Ägypten nehmen und mit diesem Lande als Basis die Vormacht im Mittelmeer, in der Levante sowie im fernen Osten gewinnen; Holland würde damit auch am leichtesten und sichersten vernichtet. Der Plan weist also auf eine ähnliche Entwicklung Frankreichs hin, wie sie bald England nahm. Nach Eroberung Ägyptens wäre Frankreich zur Schaffung einer großen Seemacht und zur Besitzergreifung vieler überseeischer strategischer Punkte gezwungen worden, wie es England durch den Besitz Indiens wurde.

(Einen genaueren Auszug aus dieser Denkschrift — Concilium Aegyptiacum —, insbesondere auf die Gründe mehr eingehend, durch die Leibniz vor 200 Jahren den ehrgeizigen König für den Gedanken gewinnen wollte, gibt Mahan, Teil I, Seite 135.)

Nachdem der Krieg so vorbereitet war, wurden Gründe zur Kriegserklärung seitens der beiden Könige leicht gefunden; man kann wohl sagen, an den Haaren herbeigezogen. Ludwig XIV. hatte schon vor der Tripelallianz 1667 den Einfuhrzoll für holländische Waren erhöht. Als nun Holland 1671 eine Zollerhöhung seinerseits vornahm, verlangte der König im Tone des Zorns Zurücknahme und Genugtuung. Obgleich Holland um diese Zeit noch auf England rechnete, war man doch zu billigem Ausgleich bereit, aber Ludwig, der gerade damals sein politisches Werk bei den deutschen Fürsten zu Ende gebracht, antwortete: „Im nächsten Frühjahr werde ich tun, was mir für meinen Ruhm und für den Vorteil meines Staates angemessen erscheint.“ (Januar 1672.)

Am 7. April 1672 erklärte er den Krieg nur mit dem Bemerken: das Betragen der Republik sei den großen Wohltaten nicht angemessen, mit denen er und seine Vorfahren diese überhäuft hätten. Der Bischof von Münster kündigte Krieg an, weil sich vier holländische Staatsbeamte gegen sein Leben verschworen hätten. Karl II. hatte schon im August 1671 einen Streit wegen des Flaggenrechts herbeigeführt. Eine kleine königliche Jacht, die die Gemahlin des englischen Gesandten Temple vom Haag abholte, erhielt den Befehl, in offenkundiger Absicht durch die holländische Flotte zu fahren und zu feuern, wenn die Flagge nicht vor ihr gedippt würde. Die Jacht lief durch die vor der Maasmündung liegende Flotte und salutierte die Flagge Ruyters. Der Admiral konnte nicht gleich danken, da sein Schiff[312] gekrängt[174] war, doch Leutnantadmiral Ghent beantwortete den Salut und auch Ruyter folgte hierin, sobald sein Schiff wieder auf ebenem Kiel lag. Dennoch schoß der Engländer scharf auf Ghent. Dieser sandte seinen Flaggkapitän ab, um Aufklärung zu fordern, ging sogar dann selbst, da er gleichzeitig die ihm bekannte Dame begrüßen wollte. Der englische Kommandant erklärte, er habe scharf geschossen, weil Ghent die Flagge nicht gestrichen, worauf dieser antwortete, das könne doch von einem großen Geschwader einer einzigen kleinen Jacht gegenüber nicht verlangt werden. Diesen, noch durch die Erdichtung dabei gefallener unehrerbietiger Äußerungen Ghents aufgebauschten Vorfall nahm Karl wahr, um Genugtuung zu verlangen, obwohl weder der bisherige Brauch noch der Wortlaut des Vertrages eine so demütigende Auslegung des Flaggenrechtes rechtfertigten; der Vorfall hatte sich ja außerdem in holländischen Küstengewässern abgespielt. Einige andere nichtige Beschwerden Karls traten hinzu, z. B. Klagen über Medaillen, Bilder, Gedichte, die in Holland zu Ehren des letzten Krieges angefertigt waren.

Holland war bereit, in allem nachzugeben; so sollten in Zukunft auch Flotten die Flagge streichen „als Zeichen der Ehre für einen Bundesgenossen und großen Monarchen“. Als aber die Regierung ihre Vorschläge dem englischen Gesandten unterbreitete, erklärte dieser, es sei zu spät, und reiste ab (Januar 1672). Weitere demütige Schritte in London nützten nichts; im März 1672 griff England einen holländischen Convoi an und erklärte am 29. desselben Monats den Krieg für den 7. April, denselben Tag, an dem die französische Kriegserklärung erging. Der Vorfall mit der englischen Jacht im August 1671 hatte Holland schon veranlaßt, die englische Freundschaft mit Argwohn zu betrachten; in den Januar-Verhandlungen war die Maske Karls gefallen.

Bei der Betrachtung der Streitmittel Englands und Hollands in diesem Kriege können wir uns kürzer fassen als bisher (Seite 254 ff.), weil die wenigen Friedensjahre keine wesentlichen Veränderungen in beiden Marinen gebracht haben, wenn diese sich auch in der allgemein besprochenen Weise (Seite 161 ff.) fortentwickelten.

Was das Material anbetrifft, so wurden in Holland größere Schlachtschiffe nicht neu erbaut. Man glaubte, an den während des letzten Krieges so zahlreich gebauten genug zu haben. Es mangelte auch an Geld, obgleich der Handel bald wieder in vollster Blüte stand; die Staaten hatten noch Schulden abzuzahlen, einige Admiralitäten waren gar mit Rechnungen, Arbeitslöhnen und Gehältern im Rückstande. In England aber sorgte man hauptsächlich für den Ersatz der vielen verlorenen großen Schlachtschiffe. Angaben über den Gesamtbestand fehlen wieder für beide Marinen; nach der Stärke der im dritten Kriege aufgestellten Flotten dürfte die Gesamtzahl auf beiden Seiten annähernd gleich geblieben sein. Zum Beweise hierfür und zum Vergleich sei eine ähnliche Zusammenstellung[175] wie früher gegeben.

[313]

Vor der Viertageschlacht 1666 setzte sich zusammen:

Schiffe von Kanonen über 90 80–90 70–80 60–70 50–60
Die englische Flotte 2 2   7 14 25
Die holländische Flotte 2 11 21 18
 
Schiffe von Kanonen 40–50 30–40 20–30 kleinere Brander
Die englische Flotte 22   8 ? ? ?
Die holländische Flotte 19 13 1 8 9

In der Schlacht bei Solebay 1672:

Schiffe von Kanonen über 90 80–90 70–80 60–70 50–60
England 6 2   3   8 21
Holland 3 14 26 12
 
Schiffe von Kanonen 40–50 30–40 20–30 kleinere Brander
England 5 8 4 30 16
Holland 6 6 8 22 36

Schlachtschiffe müssen wir von jetzt ab allgemein über 40 Kanonen stark rechnen, dann zählte die holländische Flotte bei Solebay an solchen „Linienschiffen“ 61, die englische 45. — Die Holländer hatten beabsichtigt, noch 18 Linienschiffe (meist kleinere?) in Dienst zu stellen, damit kommen wir als Gesamtbestand auf etwa 80, was der Stärke im zweiten Kriege entspricht; auch die Größe der Schiffe ist ziemlich dieselbe. Bei den Engländern sind mehrere ganz neue Schiffe der schwersten Klasse hinzugetreten, dagegen fehlt gegen 1666 eine große Zahl mittlerer und kleiner Schlachtschiffe, die jedoch sicher vorhanden waren.

Vermutlich war man infolge der schlechter gewordenen Verwaltung nicht imstande, seine ganze Kraft zu entfalten; man rechnete auf die Franzosen, die gerade Schiffe dieser Größen stellten. Einige solcher Fahrzeuge waren auch in den Häfen, besonders der Themse, stationiert. Daß die Zahl der 40–50 Kanonenschiffe so heruntergegangen, hatte wohl auch seinen Grund darin, daß man sie nicht mehr als vollwertige Schlachtschiffe ansah; wir finden dasselbe bei Holland.

Ungefähr dieselbe Stärke zeigen die Flotten bei den späteren Aktionen dieses Krieges, doch erscheinen dann die Holländer mit 5–7 Schiffen zu 80–90 Kanonen. Bemerkenswert ist die große Zunahme an „kleinen Fahrzeugen“ in den Flotten für den Melde- und Sicherheitsdienst.

Über die Armierung ist schon gesagt, daß die Angaben und Auslassungen für die Zeit des zweiten Krieges auch jetzt noch zutreffen; zu beachten ist aber, daß mit der Vermehrung der Schiffe über 90 Kanonen das Übergewicht der Engländer an „schwerstem“ Kaliber noch gewachsen ist. Auf beiden Seiten sehen wir in noch größerem Maße als zu Ende des zweiten Krieges eine Zunahme der Brander.

Das Personal. Der Verlauf des Krieges wird zeigen, wie schwierig es dieses Mal infolge des gleichzeitigen Landkrieges den Holländern wurde, große Flotten aufzustellen und sie zu bemannen. Um so bewundernswerter[314] ist es, daß die Republik dem vereinigten England und Frankreich doch zur See mit Erfolg gegenüberstand. Es ist ferner fraglos, daß die holländische Marine in militärischer Beziehung große Fortschritte gemacht hatte. Alle Quellen bezeugen die größere Disziplin in ihren Flotten im dritten Kriege. Wenn auch Reibungen zwischen den höheren Befehlshabern vorkommen, so hört man doch nichts mehr von groben Verstößen gegen Disziplin und Taktik von den Kommandanten und von Unzuverlässigkeit der Mannschaften; die Leistung ihrer Artillerie ist besser als die der Engländer. Dies alles und die Fortschritte in der Taktik sind zweifellos das Verdienst Ruyters, der dabei von hervorragenden Flaggoffizieren, wie z. B. Ghent, den beiden van Nes, Bankers, Liefde u. a. m., unterstützt wurde. Auch eine wichtige Organisationsänderung trug dazu bei. Im Jahre 1672 übernahm der Prinz von Oranien durch seine Einsetzung als Statthalter auch wieder die Würde des Generaladmirals mit den alten Befugnissen (Seite 149), er entfernte mit Ruyters Hilfe ungeeignete Kapitäne und hob die Stellung des tatsächlichen Oberbefehlshabers, durch Ernennung Ruyters zum Leutnantadmiralgeneral, den anderen Leutnantadmiralen gegenüber.

Auch in England vollzog sich während des Krieges eine wichtige organisatorische Änderung. Als 1673 die „Testakte“ im Parlament durchging — wonach kein Katholik ein Staatsamt bekleiden durfte —, mußte der Herzog von York seine Stellung als Lordhighadmiral niederlegen. Karl II. besetzte die Stellung nicht wieder. Er ernannte den Prinzen Rupert zum Oberbefehlshaber der Flotte, gab ihm zwar manche der Befugnisse, die später dem ersten Lord der Admiralität zufielen, behielt sich aber selbst den größten Einfluß im Marinedepartement vor. Diese Teilung soll nach englischen Quellen ungünstig für den Dienst, besonders für die Verwaltung (Ausrüstung der Flotten!) gewesen sein. Das Personal hatte hier an Güte eingebüßt. Die geringere Sorgfalt und Zuverlässigkeit in der Verwaltung haben wir schon im zweiten Kriege kennen gelernt. Jetzt zeigte sich der verderbliche Einfluß eines ausschweifenden Hofes mit Günstlingswirtschaft und des Parteiwesens im Lande auch beim Offizierkorps. Die Cromwellsche Zucht läßt immer mehr nach; die sonst tüchtigen Führer, die Kavaliere York und Rupert, ersetzen doch nicht den alten Soldaten Monck († 1670) in der Aufrechterhaltung der Disziplin. Alles wird schlimmer, je mehr sich das Verhältnis zwischen Volk und König zuspitzt. Als Rupert den Befehl übernahm, erhielt der tüchtige Admiral Holmes, obgleich Rupert selbst es wünschte, keine Stelle in der Flotte, weil er ein Liebling Yorks gewesen war. Anderseits machten jetzt Offiziere der Hofpartei dem protestantischen Prinzen Opposition, und es ereignen sich ähnliche Fälle von Eigenmächtigkeit wie früher bei den Holländern. Die Mannschaft endlich war nicht mehr so gut wie ehemals. Bei der Unpopularität des Krieges mußte der Bedarf größtenteils durch Pressen gedeckt werden. Diese Maßnahme lieferte aber weder genügend noch gutes Material; Auffüllen mit Soldaten war nötig, denn gute kriegserfahrene Seeleute fehlten sehr.

[315]

Zum ersten Male müssen wir die französische Marine, ihre Entwicklung und Bestand[176] um diese Zeit in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen.

Wir haben gesehen (Seite 152), daß in Frankreich verschiedene Versuche, eine Marine zu gründen, ohne dauernden Erfolg blieben. Die letzte und größte Schöpfung dieser Art, die Richelieus, verfiel schon unter Mazarin wegen Geldmangels, besonders während der Fronde; Colbert belebte sie wieder nach dem Pyrenäischen Frieden (1659). Wenn Richelieu, als eigentlicher Regent Frankreichs, die Marine mehr als Werkzeug der äußeren Politik begünstigt hatte, wandte Colbert ihr seine Sorgfalt besonders als Handelsminister zu. Es ist bekannt, daß Colbert an der Spitze der Verwaltung dahin strebte, Frankreich aus finanzieller Zerrüttung herauszubringen und seine Wirtschaft auf der festen Grundlage nationalen Wohlstandes sicherzustellen. Zu diesem Zweck wollte er sein Vaterland auch zu einer Seehandelsmacht ersten Ranges machen und hierzu bedurfte er einer starken Marine.

Es liegt natürlich außerhalb unserer Aufgabe, auf die Tätigkeit Colberts näher einzugehen, es seien aber doch einige Worte über seine Maßnahmen zur Förderung des arbeitenden Volkes, zur Durchführung seiner Wohlfahrtspolitik gesagt:

Eine gleichmäßigere Besteuerung und eine gerechtere Erhebung der Steuern wurde eingeführt; das Heer der Beamten und Pensionäre beschränkt. Um die Produktion des so reichen Landes zu heben, wurden Landwirtschaft und besonders Industrie unterstützt, zu letzterem Zweck wurden Manufakturen unter staatlicher Aufsicht gegründet und durch Schutzzölle gesichert.

Zugleich wurden Handels- und Verkehrswesen nach allen Seiten, im Innern und nach außen, gefördert durch: Handelsgesetze, Assekuranzkammern, Schiffahrts- und Zollordnungen, die das Speditionsgeschäft in französische Hände bringen und so den Schiffbau heben sollten, durch den dann wieder die einheimischen und die Kolonialerzeugnisse befördert werden sollten, denn den Kolonien wurde gleiche Pflege zuteil; günstige Handels- und Zollverträge; Gründung großer Handelskompagnien nach Ost- und Westindien, Levante; Prämien für im Lande erbaute Schiffe; Gründung von Freihafengebieten, um Frankreich an Hollands Platz als großes Lagerhaus Europas zu setzen, wozu es durch seine geographische Lage hervorragend geeignet erschien; Verordnungen für die Kolonien, die den französischen Schiffen den Alleinhandel von und nach ihnen sicherten; endlich Gründung einer starken Kriegsmarine zur Beherrschung der Meere.

Colbert verfolgte sein Ziel in durchaus französischem Geiste; alles war organisiert, alles ging von dem Kabinett des Ministers aus. „Eine mächtige Armee von Kaufleuten und Fabrikanten zu organisieren, die einer tätigen und einsichtigen Leitung unterstellt war, um so durch Ordnung und Vereinigung der Kräfte einen industriellen Sieg zu gewährleisten und die besten Erzeugnisse dadurch zu erhalten, daß alle Arbeiter zu dem Verfahren angehalten wurden, welches von den erfahrensten Männern als das beste anerkannt war...“ und „Seebevölkerung und Seehandel ebenso wie Industrie und Binnenhandel zu organisieren, sowie der Handelsmacht Frankreichs als Stütze eine Marine auf fester und bisher ungeahnt breiter Grundlage zu geben, waren Colberts Ziele.“ (Mahan, Teil I, Seite 65/66.)

Da alles von einem Manne, gewissermaßen als Ausführung eines logischen Gedankenganges, ausging, und dieser Mann eine absolute Macht hinter sich hatte, entwickelte es sich sehr schnell. Bald trug es Früchte, der allgemeine Wohlstand wuchs; insbesondere blühte[316] die Handelsschiffahrt schnell auf, Frankreich begann ein gefährlicher Konkurrent Hollands und Englands als Seehandels- und Seekriegsmacht zu werden.

Aber das Wachstum war auch künstlich und hing von der absoluten Macht ab, die es bewachte. Colbert war nicht König und seine Macht zu Ende, als ihm der König seinen Rückhalt entzog; hiermit wurde auch sein Werk erschüttert und brach mit seinem Tode (1683) zusammen.

Bei der Gründung der Marine hatte Colbert die bereits vorgeschrittene Entwicklung der holländischen und englischen als Beispiel; wie bei allen seinen Organisationen ging er folgerichtig, geschickt und sorgfältig vor, eine absolute Regierung stand ihm mit ihrer ungehemmten Kraft zur Verfügung; so erreichte er in kurzer Zeit kaum Glaubliches. Anfangs wurden seine Reformpläne vielfach durch den Admiral von Frankreich, derzeit Herzog von Beaufort, (uns bekannt als Herzog von Vendôme, Seite 208) behindert. Nach dessen Tode 1669 wurde dieser Posten auf Colberts Veranlassung mit einem vierjährigen Kinde — Graf von Vermandois, Sohn der Lavallière — besetzt, während Colbert selbst Marineminister wurde. Von nun an hatte er, wie einst Richelieu, freie Hand für seine Pläne und baute auf dem Grunde, den dieser gelegt, weiter.

Zunächst wandte er seine Sorgfalt den alten Kriegshäfen zu, wo alles gewissermaßen in Ruinen lag. Befestigungen, Hafenanlagen, Werften und Arsenale wurden ausgebaut: in Brest und Toulon als den Hauptkriegshäfen im Norden und Süden, daneben in Havre und Dünkirchen — diese beiden waren leider für schwere Schiffe nicht zugänglich, so daß sich in den kommenden Kriegen öfters der Mangel eines Rückzugshafens am Kanal fühlbar machte; für das versandete Brouage wurde La Rochelle an der Biskaya gegründet; die Station der Galerenflotte verlegte man von Toulon nach Marseille, um Reibungen mit der Hochseeflotte zu vermeiden. Ebenso wichtig war die Neueinrichtung der Verwaltung der Anlagen der Marine, wo Trägheit, Schlendrian, selbst Untreue eingerissen waren. Hierbei wich Colbert von Richelieu ab: Bislang stand die Verwaltung unter der militärischen Behörde, dem Chef d'Escadre der Provinz; jetzt wurden alle technischen und Verwaltungsgeschäfte einem Intendanten in jedem Kriegshafen übertragen, die Stationschefs behielten nur die rein militärischen Angelegenheiten. Dies führte zwar oft zu Verdrießlichkeiten und Streit zwischen beiden Behörden, war aber bei der damaligen Beschaffenheit des Offizierskorps nötig; die Leistungen der französischen Werften sollen infolge der herrschenden neuen Ordnung bald die der englischen übertroffen haben.

Bei der schnellen Vermehrung des Schiffsbestandes war es anfangs notwendig, die Fahrzeuge wie früher im Auslande, besonders in Holland, bauen zu lassen, aber bald waren die eigenen Werften dazu imstande und die Vermehrung ging nun noch schneller vor sich. Zur Zeit Richelieus, etwa 1640, besaß man 30 größere und 27 kleinere Kriegsschiffe; 1661 waren nur 30 Fahrzeuge überhaupt, darunter nur 3 über 60 Kanonen, vorhanden. Aber nun begann der Bau, und der Bestand an Schiffen war:

[317]

Kanonenzahl über 100 80–90 70–80 60–70 50–60
1666 4 6 3
1669 5 5 2 23 13
 
Kanonenzahl 30–40 20–30 kleinere Brander  
1666 17 3 ? ?  
1669 44 20  

Da sich Ludwig XIV. die Schaffung einer Marine ersten Ranges als Ziel gesetzt hatte, ging der Bau in derselben Weise fort. Das Ziel war etwa 1681 erreicht, man zählte in diesem Jahre 170 Segel, darunter 70 Linienschiffe über 50 Kanonen.

Das Jahr 1669 zeigt also schon einen dem englischen und dem holländischen Bestande völlig ebenbürtigen. Die Schiffe waren neu und gut; es ist schon darauf hingewiesen, daß sich die Engländer diese neuen Schiffe als Muster zu Verbesserungen nahmen, was See- und Segeleigenschaften sowie Höhe der Pforten über Wasser anbetraf; die französischen Schiffe waren von größerem Deplacement im Verhältnis zur Kanonenzahl. Ein Vergleich der früher (Seite 168 ff., Seite 259) über die Armierung gemachten Angaben ergibt, daß die Franzosen in Verwendung schwererer Kaliber zwischen den Holländern und Engländern standen. Die Bemannung war bei den Franzosen stärker als bei den beiden anderen Nationen, besonders auf den ganz schweren Schiffen, obgleich auch die Engländer bei diesen den Etat erhöht hatten. Es waren eingeschifft auf:

Schiffen über 90 über 70 über 50 Kanonen
Holland 400–500 200–400 Mann
England 600–  850 500–600 280–400
Frankreich 700–1200 600–700 300–500

Dieselbe Sorgfalt wie dem Material wandte Colbert der Organisation des Personals zu. Es ist schon angedeutet, daß unter ihm versucht wurde, eine regelrechte Rekrutierung für die Marine aus der Bevölkerung der Küstenbezirke sicherzustellen (mit Vorteilen: Halbsold, Witwen- und Waisenpensionen u. dgl.); Colbert strebte sogar an, daß die Eingeschriebenen stets auf demselben Schiffe dienen sollten. Aber obgleich in den Listen 1672 schon 60000 Mann geführt wurden, war die Sache doch noch so wenig durchgebildet, daß bei der Mobilmachung zum Pressen zurückgegriffen werden mußte. Colbert gründete auch Seesoldatenkompagnien, doch mußte er diese bald wieder dem eifersüchtigen Kriegsminister (Louvois) abtreten, und die Soldaten an Bord — etwa ein Drittel der Besatzung — wurden wieder vom Kommandanten angeworben. Der Minister sorgte auch, wie schon Richelieu es getan, für Ausbildung tüchtiger Schiffskanoniere auf Schulen mit mehrmonatigen Unterrichtskursen. Endlich stellte er eine regelmäßige Löhnungszahlung sowie eine bessere Verpflegung sicher und erließ mehr zeitgemäße Kriegsartikel.

Die Bildung eines Unteroffizier-, Deckoffizier- und Seeoffizierkorps vollzog sich hier in Frankreich jetzt leichter als in den beiden anderen[318] großen Marinen, da die Organisation sich nicht wie dort langsam aus sich entwickelte, sondern eben die Erfahrungen dieser Marinen schon vorlagen. 1660 bestand das höhere Offizierkorps aus 1 Admiral von Frankreich, 2 Vizeadmiralen — alle drei, namentlich aber der erste, Herren von hoher Geburt, selten seeerfahren —, 3 Generalleutnants und den 4 Chefs d'Escadre, d. h. Stationschefs der Seedistrikte. Diesen unterstanden die Hauptkriegshäfen und die Unterhaltung sowie Mobilisierung der Streitkräfte ihres Distriktes, sie führten dann auch das betreffende Geschwader; zur Unterstützung hatten sie einen Kapitän und einige Leutnants des Hafens. Das Offizierkorps für die mobilen Schiffe: Kapitäne, Leutnants, Enseignes (Unterleutnants) und Aspiranten (auch schon von Richelieu eingeführt) war nur spärlich. Colbert trennte also die Administration vom Offizierkorps und vermehrte dieses sehr,[177] wozu er namentlich auch Elemente der höheren Stände heranzog. Er gründete ein Aspirantenkorps, gardes de marine, von 200 Köpfen, davon drei Viertel Edelleute, auch zog er Offiziere der Armee in die Marine. Eine Marineschule mit Prüfungen wurde geschaffen; Schulschiffe zur Ausbildung der Offiziere wurden in Dienst gestellt und genaue Bestimmung über den Dienst an Bord erlassen: Alles mit dem ausgesprochenen Zweck, in den Offizieren Seeleute und Soldaten, also „Seeoffiziere“ zu erziehen.

Natürlich ließ sich ein größeres Korps nicht so schnell schaffen. 1672 war man genötigt, viele Offizierstellen mit Personal aus der Handelsmarine zu besetzen, obgleich nur ein Teil der Schiffe zum Kriege in Dienst gestellt wurde. Auch ließen sich die guten Grundsätze für einen strengen Dienstbetrieb nicht immer durchführen. Gerade mit dem Adel traten auch Elemente ein, die, gestützt auf ihre hohen Verbindungen, den Dienst leicht nahmen; die Bevorzugung des Adels erregte anderseits Unzufriedenheit bei den andern Offizieren. So stand die französische Marine 1672 im Material wohl stark da, aber der Personalmangel — vorzüglich an Offizieren und Chargen — verbot noch die volle Verwendung. Das für den Krieg gestellte Kontingent betrug bei Solebay 1672[178] nur:

Schiffen zu Kanonen 78 70 60–68 54–58 50 38–46 12–14 Brander
Anzahl 1 7 3 2 10 7 5 8

von den schon vorhandenen 10 ganz schweren Schiffen ist keines vertreten.

[319]

Ferner mangelte der französischen Flotte die Kriegserfahrung; ihre Führer, auch die tüchtigen älteren Seeleute, hatten keine Übung in der anderen Flottentaktik; die französischen Quellen heben diesen Umstand ganz besonders hervor, die Flotte hatte nur gegen die Barbaresken gefochten. Es ist dies wohl mit ein Grund der auffallenden Führung der französischen Seestreitkräfte: der ängstlichen Vorsicht im zweiten englisch-holländischen Kriege; der Lauheit und der Fehler im dritten, in dem sogar ein erst kürzlich zur Marine übergetretener Landoffizier das Geschwader führte. Wie beim zweiten, so drängt sich aber auch beim dritten Kriege der Verdacht auf, daß Ludwig XIV. seine neue, noch unsichere Waffe schonen wollte; vielleicht stellte er auch deshalb kein stärkeres Kontingent, um so weniger, da er doch die ganze Last des Landkrieges allein trug.

Es ist beachtenswert, daß sich in der französischen Marine das eigentliche Seeoffizierkorps — die Verschmelzung von Soldat und Seemann — frühzeitig stärker ausbildet als anderswo. Schon zu Richelieus Zeiten hatten die Schiffe 1 Kapitän, 1 Leutnant, 1 Unterleutnant, und 1672 findet man auf einem 60-Kanonenschiff schon 1 Kapitän, 1 zweiten Kapitän, 2 Leutnants, 2 Unterleutnants; die Offiziere scheinen um diese Zeit den Dienst der Maîtres, die seemännische Führung des Schiffes, schon völlig übernommen zu haben. Diesem frühzeitig erstarkten Seeoffizierkorps gab nun die Art seines Ersatzes — hauptsächlich aus dem Adel, einer damals gerade in Frankreich hervorragend militärischen Kaste stammend —, die hier sorgfältigere Erziehung für den Seekriegsdienst und auch wohl die Eigentümlichkeiten des Volkes den Charakter, den es stets beibehalten hat. Es überwiegt beim französischen Seeoffizier der Soldat gegenüber dem Seemann. In England gewann bei der Verschmelzung der Seemann die Überhand; der englische Seeoffizier des nächsten Jahrhunderts suchte seinen Stolz mehr in geschickten Segelmanövern als in der Entwicklung der militärischen Leistungsfähigkeit seines Schiffes. Dieser Umstand sollte besonders die Leistungen der französischen Flotten in taktischen Beziehungen eine Zeitlang — in den Kriegen des nächsten Abschnittes — sehr begünstigen.

Die Verwendung der drei Marinen von 1867–1672. Die Seestreitkräfte Hollands und Englands fanden in den wenigen Friedensjahren zwischen dem zweiten und dem dritten Kriege im wesentlichen nur Verwendung im Mittelmeer gegen die Seeräubereien der Raubstaaten. In derselben Weise, wie wir es früher gesehen, besonders nach dem ersten Kriege, hielten beide Nationen ständige Geschwader an der nordafrikanischen Küste. Man war zeitweise gezwungen, diese bis zu einer Stärke von 18 Schiffen zu 30–60 Kanonen aufzustellen, da auch die Afrikaner mit Geschwadern von Schiffen gleicher Größe auftraten; es kam zu richtigen Seegefechten, zu gemeinsamen größeren Operationen, die dann für einige Zeit wenigstens dem Unwesen ein Ende machten.[179]

Auch die aufstrebende französische Marine[180] fand ihre erste Verwendung im Kampf mit den Barbaresken. Eine erste größere Expedition brachte das Jahr 1669. Ludwig XIV. sandte unter dem Herzog[320] von Beaufort eine Flotte von 20 Schiffen — 1 zu 94, 3 zu 72, 12 zu 36–60, 4 zu 20 Kanonen — und 12 Galeren mit einer Armee von 7000 Mann — gute Regimenter — nach Kreta zur Unterstützung der Venetianer. Die Flotte als solche fand hierbei keine Gelegenheit zur Aktion; auch die Landung wurde, zwar anfangs glücklich, schließlich zu einem Fehlschlage; der Herzog von Beaufort fiel (vgl. „Nebenkriege“, Kapitel X, unter „Venedig“).

Der Verlauf des Krieges.[181]

Der dritte englisch-holländische Krieg war nicht wie die beiden vorhergegangenen ein reiner Seekrieg, sondern für Holland auch ein Landkrieg; wir müssen deshalb bei der Beschreibung auch die Ereignisse am Lande fortlaufend kurz berühren. Nach den Kriegsplänen der Verbündeten sollte die Republik von drei Seiten angegriffen werden: Durch Frankreich im Südosten, durch Münster und Köln im Osten und durch eine Landung der englisch-französischen Flotte im Norden.

Holland war in einer schwierigen Lage („Holland in Not!“). Wir wissen bereits, daß die regierende Partei das Heer sehr vernachlässigt hatte, und auch die Flotte, die es nun mit zwei mächtigen Gegnern aufnehmen mußte, konnte, wie die Verhältnisse im Innern jetzt lagen, nicht mit gleicher Kraft auftreten wie bisher. Die Uneinigkeiten zwischen den Provinzen waren gewachsen, die Parteien stießen immer schroffer aufeinander. De Witts Einfluß schwand mehr und mehr, die oranische Partei wurde mächtiger; diese setzte sogar am 24. Februar 1672 die Ernennung des Prinzen Wilhelm von Oranien zum Generalkapitän der Armee für den bevorstehenden Feldzug durch, wie die Folge zeigen sollte, zum Heile des Landes. Man zankte sich über diese Ernennung, über abzuschließende Bündnisse, über die nötigen Rüstungen zu Wasser und zu Lande. Insbesondere wollten die Landprovinzen ihre Mittel für die Landbefestigungen behalten, aber selbst Seeland zeigte sich wenig geneigt zu Rüstungen auf dem Wasser, nur Holland tat wie bisher seine Pflicht. Auf diese Weise wurden die Rüstungen und im besonderen die Aufstellung einer starken Flotte sehr erschwert.

1668 hatte man nach dem Vertrage der Tripelallianz eine Flotte von 40 Kriegsschiffen im Dienst gehalten, aber nach dem Aachener Frieden wurde sie verringert. Im Jahre 1670 seitens der Provinzen von Holland eingebrachte Anträge, sich gegen Frankreich durch Aufstellung größerer Seestreitkräfte zu sichern, fanden keine Zustimmung, und erst 1671, als man auch England zu mißtrauen begann, wurde eine Flotte von 36 Kriegsschiffen mit den nötigen Fregatten und Brandern in Dienst gestellt; dies war die Flotte Ruyters, von der die englische Jacht im August 1671 den Flaggengruß forderte. Infolge dieses Falles verlangte die Provinz Holland sofort wiederum umfangreiche Rüstungen — 72 Schlachtschiffe, 24 Fregatten, 24 Brander —,[321] aber nicht vor dem Februar 1672, als man an dem Ausbruch eines Krieges mit Frankreich nicht mehr zweifeln konnte, ging der Beschluß durch, 40 Schlachtschiffe — darunter 36 über 60 Kanonen — und 24 Brander in Dienst zu stellen, — nur eine kleine Flotte, obgleich der Verlauf der Januar-Verhandlungen mit England auf das Ärgste von dieser Seite schließen ließ; erst ein Gewaltakt Englands — ganz wie beim zweiten Kriege der Angriff eines Convois vor der Kriegserklärung — war nötig, um eine Verstärkung der Rüstungen zur See herbeizuführen.

Ein Convoi Smyrnafahrer,72 Segel gedeckt durch nur 5 Kriegsschiffe von 38–50 Kanonen und eine leichte Fregatte, wurde während des Monats März im Kanal erwartet. Der König von England hatte den Befehl erlassen, ihn zu überfallen; 32 Schiffe unter Admiral Holmes waren dazu bestimmt. Infolge nachlässig betriebener Ausrüstung waren jedoch bei weitem nicht alle bereit, als Holmes Mitte des Monats bei Wight liegend von dem aus dem Mittelmeer zurückkehrenden Admiral Spragge hörte, daß der Convoi ihm auf dem Fuße folge. Anstatt nun Spragge seine Order mitzuteilen und sich mit ihm zu verbinden, ließ er ihn weitersegeln, um allein den Ruhm zu ernten. Er hatte nur 8 Schlachtschiffe, unter denen sich aber mindestens 3 zu 70–90 Kanonen befanden, und 3 kleinere Segel. Der Convoi war beim Eingange des Kanals durch leichte Segler von der Heimat her auf die gespannten Verhältnisse mit England aufmerksam gemacht worden und nicht unvorbereitet. Von den Kauffahrern waren 24 armiert; der Führer des Convois, den Haen, traf die nötigen Maßnahmen, um mit jenen und seinen Kriegsschiffen einem Angriff entgegentreten zu können.

Die Gegner trafen sich am 23. März auf der Höhe von Wight. Holmes rief den Haen zu sich an Bord, doch dieser sandte nur einen Offizier; der nächsthöhere englische Kommandant verlangte dasselbe vom Führer der holländischen Vorhut, ebenfalls ohne Erfolg. Nun griffen die beiden englischen Flaggschiffe die holländischen an und der Kampf wurde sofort allgemein, dauerte als laufendes Gefecht bis zur Nacht und wurde am nächsten Tage fortgesetzt. Trotz der Behinderung durch die nicht armierten Kauffahrer, trotz des Todes den Haens am ersten, der schweren Verwundung des Vorhutführers und des Todes des Nachhutführers am zweiten Tage und endlich trotzdem, daß Holmes am zweiten Tage noch eine Verstärkung von 4 Schlachtschiffen und einigen kleineren erhielt, gelang es den Engländern nur, ein Kriegsschiff und 3 Kauffahrer zu nehmen. Die Holländer setzten ihren Kurs in bester Ordnung fort — der erste Offizier den Haens hatte dessen Flagge wehen lassen, um Verwirrung zu vermeiden — und erreichten durch Nebel begünstigt am dritten Tage Holland. Die englischen Schiffe waren teilweise sehr beschädigt, einige mußten schon während des Gefechtes heimgesandt werden. Das genommene Kriegsschiff sank gleich nach dem Entern; die Beute hätte eine ungeheuere sein können, schon so betrug sie gegen 60000 Lstrl.

Bemerkenswert für die Stimmung in England, vielleicht auch das zunehmende Verständnis für Völkerrecht kennzeichnend, ist, daß dieser Angriff vor der Kriegserklärung selbst hier stark verurteilt wurde. König Karl versuchte abzuleugnen, daß er den Befehl dazu gegeben, der Zusammenstoß sei die Folge der Widerspenstigkeit der holländischen Führer gewesen; Holmes selbst soll dem aber seines eigenen Rufes wegen widersprochen haben.

Nun wurde in Holland eine Vermehrung der Flotte auf 48 Schiffe zu 60–80 Kanonen, 24 kleinere, 24 Fregatten und 24 Brander beschlossen; diese Stärke ist auch nach und nach erreicht worden. Eine im April auf de Witts und Ruyters Antrag beschlossene weitere Verstärkung um 18 Schlachtschiffe konnte nicht mehr durchgeführt werden; der Verlauf des Landkrieges[322] zwang später, noch im Jahre 1672, sogar zu einer wesentlichen Verminderung der Flotte. Gleichzeitig ward die Schiffahrt teilweise — nach Ostsee, Norwegen, England, Frankreich und durch den Kanal —, sowie die Ausfuhr von Kriegsmaterial und das Dienen der Untertanen in fremden Ländern verboten. Als bald darauf die Kriegserklärungen erfolgten (7. April), die Gegner zu Lande ihre Truppen an den Grenzen zusammenzogen und die Ausrüstung ihrer Flotten betrieben, ergriff man weitere Maßnahmen: die großen Kompagnien wurden ermächtigt, im Auslande die Schiffe und Besitzungen der Feinde anzugreifen; die Kaperei in europäischen Gewässern, besonders von den Seeländern gern betrieben, wurde jedoch untersagt und mit Gewalt unterdrückt (bis Ende 1672), um der Flotte Leute und Kriegsmaterial zu erhalten. Baken und Tonnen wurden eingezogen, für Bewachung der Einfahrten und der Küstenplätze mit Magazinen durch Fregatten, durch zahlreich aufgebotene kleinere Fahrzeuge sowie durch Sperren gesorgt. Durch Agenten und kleinere Schiffe ließ man den Fortschritt der feindlichen Rüstungen und die Schiffsbewegungen beobachten. Vor allem aber drängte de Witt auf Fertigstellung der Flotte. Bei der Schwäche der Republik zu Lande war es durchaus nötig, die Seeseite vor einer Landung zu schützen, und äußerst erwünscht, wenigstens zur See gleich einen großen Erfolg zu erringen. Nach de Witts Plan sollte die holländische Flotte den Gegnern zuvorkommen, womöglich nach dem Vorbilde des Jahres 1667 in die Themse und andere englische Häfen eindringen und die Schiffe dort vernichten oder der englischen Flotte, falls diese schon ausgelaufen wäre, folgen und sie schlagen, ehe eine Vereinigung mit den Franzosen stattgefunden habe; er scheint auch unter Umständen, z. B. bei hierfür günstigeren Windverhältnissen, einen ähnlichen Schlag gegen Frankreich (Brest) ins Auge gefaßt zu haben. Wenn nun auch der Rückstand in den Rüstungen die Durchführung dieses strategisch so wichtigen Planes vereitelte, so sollte doch Ruyter die Aufgabe, eine Landung zu hindern, glänzend lösen. Er leistete damit bei dem Verlaufe des Landkrieges seinem Vaterlande einen großen Dienst.

Die Bewegungen der Flotten begannen früher als der Einbruch der Feinde vom Lande her, wenden wir uns deshalb zunächst jenen zu.

Die Schlacht bei Solebay, 7. Juni 1672. Der Plan de Witts hatte verlangt, daß die holländische Flotte früher bereit war als die feindlichen. Wir sahen aber, daß überhaupt schon spät der Beschluß gefaßt war, eine große Flotte in Dienst zu stellen; nun traten noch Verzögerungen beim Ausrüsten und Auslaufen ein. Nur die Schiffe der Provinzen Hollands waren Ende April seeklar; in Friesland und Seeland fehlte Geld und es mangelte an Leuten; es stellten sich nicht genügend Matrosen, und die Soldaten waren zur Landverteidigung nötig — in Seeland soll die seemännische Bevölkerung über das Verbot der Freibeuterei erbittert gewesen sein. Die Regierung von Seeland machte auch Schwierigkeiten beim Auslaufen der fertigen Schiffe: Man wolle die eigenen Küsten nicht entblößen und die Schiffe nicht der Übermacht des Feindes aussetzen. Endlich erschwerten ungünstige Wasserverhältnisse[323] das Auslaufen der in dem Vlie versammelten Schiffe Amsterdams und der schon am 3. Mai in Texel eingetroffenen Fahrzeuge der Maas. So kam es, daß Ruyter, trotz eifriger Unterstützung seitens de Witts und der Deputierten auf der Flotte, erst am 10. Mai imstande war, den allgemeinen Sammelplatz Texel mit 35 Schlachtschiffen (nur 1 von Friesland) zu verlassen; zwei Tage mußte er dann vor Seeland auf das Kontingent von dort, vorläufig nur 6 Schiffe, warten und wurde endlich weitere zwei Tage durch Nebel und Stille an der Küste festgehalten. Da inzwischen Aufklärungsfahrzeuge gemeldet hatten, daß die in der Themse ausgerüsteten Engländer den Fluß bereits am 12. verlassen hätten, ging Ruyter am 15. Mai nach den Downs hinüber. Er fand hier keine Feinde, erfuhr dagegen, daß bereits am 14. die Vereinigung der englischen und französischen Flotte bei Wight stattgefunden habe. Ruyters Order enthielt die Ausführung der erwähnten Absichten de Witts für die Verwendung der Flotte zu einem Schlage gegen England oder seine Streitkräfte vor einer Vereinigung der Gegner. Sollte diese aber schon stattgefunden haben, so sei eine Schlacht zu vermeiden, falls nicht die Umstände einen günstigen Ausgang sicher voraussehen ließen.

Der Admiral war am 15. vor Dover zu Anker gegangen, stürmisches Wetter hinderte bis zum 17. den Zusammentritt des Kriegsrates. In diesem wurde dann der Order entsprechend beschlossen, die Flotte zwischen den Wielingen und der Maasmündung, 5–6 sm von Land, zu halten und von dort je nach den Umständen zu operieren, bei der Übermacht des Feindes möglichst nur an der eigenen Küste zu fechten, um in den Gefechten beschädigte Schiffe leichter bergen zu können. Es beginnt damit die strategische und taktische Führung des Krieges holländischerseits, wie sie für den dritten Krieg kennzeichnend ist: Die flacheren Wassertiefen und die Sände der eigenen Küste als Ausgangspunkt einer Defensive mit kräftigen Offensivstößen zu machen. Gleichzeitig war es so leichter möglich, die noch in der Ausrüstung befindlichen Schiffe heranzuziehen; es sei vorausgeschickt, daß während der Bewegungen der Flotte vom 17. Mai bis 5. Juni der Bestand nach und nach auf die bei Solebay vorhandene Stärke gebracht wurde. Der größere Teil der neu hinzutretenden Schlachtschiffe wurde wieder von den Admiralitäten Amsterdams und der Maas gestellt. Obgleich nun Cornelis de Witt, der wieder einer der Deputierten war, seinem Bruder gemeldet hatte, daß die englische Flotte die Themse bis auf wenige Schiffe verlassen hätte und diese sich bei einem Angriff hinter die seit 1667 wesentlich verstärkte Stellung von Gravesend zurückziehen würden, kam der Ratspensionär doch immer wieder auf einen Vorstoß in die Themse zurück; er rechnete mit der moralischen Einwirkung auf die Bevölkerung Londons, wie sie das Vorgehen gegen die Schiffe und Arsenale im Medway 1667 hervorgerufen hatte. Um diesem Wunsche Rechnung zu tragen, beschloß der Kriegsrat am 20. Mai, wenigstens ein kleines Geschwader in die Themse zu senden. Ruyter ging zur englischen Küste hinüber, ankerte am 23. vor der Themsemündung beim Königstief und sandte am 24. van Ghent mit 15 leichteren[324] Kriegsschiffen und Fregatten, 8 Brandern und 16 Avisojachten das Revier hinauf, während er das Gros bereit hielt, den feindlichen Flotten entgegenzutreten. Wie in der Flotte vorausgesehen, blieb das Unternehmen gänzlich ohne Erfolg; van Ghent sah sich noch an demselben Tage genötigt, es aufzugeben, auch stieß er infolge ungünstiger Umstände erst am 26. wieder zum Gros.

Die englischen Fahrzeuge, 6 kleinere Kriegsschiffe und 5 Brander, hatten sich hinter Sheerness zurückgezogen, und die Befestigungen erwiesen sich derartig verstärkt, daß nichts zu machen war. Der Rückzug wurde durch Gegenwind sehr erschwert, zumal da die Schwierigkeit des Fahrwassers infolge Verlegung der Seezeichen noch gewachsen war. — Die Expedition scheint wirklich nur, um dem Wunsche de Witts nachzukommen, unternommen zu sein, ohne große Hoffnung auf einen Erfolg zu setzen. Noch am 19. Mai hatte C. de Witt seinem Bruder geschrieben: „Wenn wir unbestrittene Herren der See wären, würde ich den Plan gutheißen, aber den Fluß hinaufzugehen mit einem so mächtigen Feinde im Rücken, halte ich für sehr gefährlich.“ Die ganze Flotte setzte man zwar nicht ein, aber leicht konnte van Ghents Geschwader als Opfer fallen.

Am 27. meldete eine Fregatte, sie habe tags zuvor die feindliche Flotte südlich von Godwinsand gesichtet. Da Ruyter plangemäß nur unter günstigen Umständen von der eigenen Küste aus fechten wollte, keineswegs aber auf Legerwall[182] der feindlichen, so führte er seine Flotte östlich bis zum Galloper und dann südlich zur holländischen Küste hinüber; hier hielt er sich, bei westlichem Winde an- und abstehend, zwischen Ostende und Walcheren. Schon am 29. kam die feindliche Flotte zu Luward in Sicht und blieb es fast ständig bis zum 31. Sie benützte aber die günstige Stellung nicht, folgte auf Parallelkursen außer Schußweite den Bewegungen Ruyters und kam am 31. aus Sicht.

Es ist aus den Quellen nirgend zu ersehen, weshalb der Herzog von York — Oberbefehlshaber der seit dem 14. Mai vereinigten Flotten — nicht angegriffen hat. Man muß annehmen, daß er während der Bewegungen der Holländer gegen die englische Küste durch die damals herrschenden östlichen Winde bei Wight festgehalten ist und daß er später durch seine Manöver den Gegner von der holländischen Küste hat abziehen wollen; auch soll er die Hoffnung gehabt haben, einen durch die Nordsee zurückerwarteten Convoi Ostindienfahrer abzufangen. Am 31. ging er in die Nordsee (bis zur Doggerbank?) und dann nach der Solebay (3. Juni), um Wasser und Proviant aufzufüllen. Ruyter hatte Gruppen von Fregatten zum Suchen des Feindes entsandt, war selbst mit der Flotte am 2./3. Juni bis Northforeland gesegelt und erhielt hier am 6. früh die Meldung, daß York in schlechter Ordnung und ungünstig auf Legerwall in Solebay läge. Sofort sah der Kriegsrat hierin eine der in der Order ausdrücklich erlaubten günstigen Gelegenheiten, den Feind anzugreifen — selbst an seiner Küste —, die eigene Flotte war ja wesentlich stärker geworden. Gleich nach diesem Beschluß brach Ruyter auf; östlicher Wind begünstigte die Fahrt und ließ erwarten, daß man den Feind auf Legerwall überraschen würde.

[325]

Die Zusammensetzung der Flotten ist bereits genauer gegeben (Seite 313, 318); danach bestand:

  Über 40 K. über 20 K. kleinere u. Transporter Brander = Kanonen Besatzung
Die englische: 45 12 30 16 = 3376 22442
Die französische: 26   4   5   8 = 1724 10744
Verbündeten = 71 16 35 24 = 5100 33186
Die holländische = 61 14 22 36(44?) = 4484 20738

In Dünkirchen standen 2000 Franzosen zur Einschiffung bereit, um nach gelungener Landung übergeführt zu werden; für England wird diese Maßregel nicht erwähnt, ist jedoch wahrscheinlich: 1673 werden 6000 Mann angeführt und auch 1672 hatten die Franzosen Orders über „Zusammenwirken mit den englischen Landungstruppen“; jedenfalls befanden sich auf den englischen Transportern reichlich Soldaten. — Beide Flotten waren in 3 Geschwader zu je 3 Divisionen geteilt. Bei den Verbündeten führte der Herzog von York den Oberbefehl und die Mitte („Royal Prince“ 120 Kanonen), die Nachhut Montagu, Earl of Sandwich („Royal James“ 100 Kanonen); das französische Kontingent bildete unter dem Vizeadmiral Comte d'Estrées („St. Philippe“, 78 Kanonen) die Vorhut, der zweite im Kommando war Generalleutnant Abraham du Quesne[183] („Le Terrible“, 70 Kanonen). Bei den Holländern hatte Ruyter Oberbefehl und Mitte („7 Provinzen“ 82 Kanonen), Leutnantadmirale Bankers Vorhut, van Ghent Nachhut, hinzutraten Leutnantadmiral von Nes, 5 Vize- und 5 Kontreadmirale. Die Geschwader waren auf beiden Seiten etwa gleich stark; Ruyter hatte aber eine besondere Anordnung getroffen, wohl in der Hoffnung, den Feind zu Anker oder doch in Unordnung zu überraschen. Von jeder der 9 Divisionen waren 2 Kriegsschiffe und 2 Brander abgesondert; diese bildeten eine besondere Gefechtslinie, um einen Branderangriff in großem Maßstabe auszuführen, unter dessen Wirkung dann die Flotte angreifen sollte.

Der Verlauf der Schlacht: Die Küste bei Southwold läuft annähernd Nordsüd; die englisch-französische Flotte lag ihr parallel, die Vorhut am südlichsten. Noch am 6. Juni soll Montagu den Herzog von York auf die bei dem herrschenden Winde, frischer Ostnordost, gefährliche Lage aufmerksam gemacht haben, aber mit einer kränkenden Bemerkung, „übergroße Vorsicht“, abgewiesen sein. Auch sonst war man sorglos; am 5. war die Meldung eingegangen, Ruyter sei zur holländischen Küste zurückgekehrt, am 7. war ein Teil der Besatzungen mit Booten an Land, um Wasser zu holen. Da lief früh morgens eine französische Vorpostenfregatte mit vollen Segeln vor dem Winde ein; sie meldete durch Kanonenschüsse und Signale das Nahen des Feindes. Ruyter kam mit achterlichem Winde heran in zwei Dwarslinien, die erste durch die Branderdivision gebildet. (Skizze Lage 1); die Verbündeten mußten in größter Eile unter Segel gehen.

[326]

see caption

Schlacht bei Solebay. 7. Juni 1672.

Der Wind stand recht auf den Strand; dieser war so nah, daß es nicht möglich war, abzuhalten, um eine gute Linie zu bilden. Zum Glück war es flau oder flaute ab, so daß der holländische Angriff wenigstens nicht während des Ankerlichtens und Segelsetzens erfolgte; der so gut vorbereitete Branderangriff hätte sonst verhängnisvoll werden können. Der Herzog von York hatte Befehl gegeben, oder gab ihn jetzt durch Signal, über Backbord-Bug nach Norden zu liegen; Nachhut und Mitte verfuhren dementsprechend, die Vorhut (d'Estrées) dagegen ging über Steuerbord-Bug nach Südosten und trennte sich so von der Flotte. Ruyters Angriff war, wie üblich, so angesetzt, daß Geschwader auf Geschwader stieß, so griff Ruyter York und Ghent Montagu an; Bankers wandte sich gegen d'Estrées (Lage 2). Es wird gewöhnlich angenommen, daß Ruyter die englischen Geschwader mit Übermacht angegriffen habe; ich habe aber nirgend ausgesprochen gefunden, daß er zu diesem Zweck eine andere Einteilung seiner ursprünglich gleichstarken Geschwader vorgenommen habe. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß die ganze erste holländische Dwarslinie, in der auch 6 Schlachtschiffe und 6 Brander der Vorhut standen, ihren Angriff auf die englischen Geschwader richtete, als das französische sich von seiner Flotte entfernte. Um diese Zahl war[327] dann Bankers schwächer, Ruyter stärker und somit seinem Gegner gleich oder gar etwas überlegen, wenn auch seine Gesamtflotte schwächer als die des Feindes war.

Der Hauptkampf zwischen den Holländern und Engländern begann zwischen 7 und 8 Uhr morgens und wurde ein äußerst blutiger; Ruyter erklärte ihn später für den erbittertsten und hartnäckigsten seines Lebens. Wieder einmal ist leider der Verlauf nicht genau zu verfolgen, da die alten Quellen mehr die Schilderungen einzelner Vorfälle geben, er dürfte ungefähr folgender gewesen sein:[184] Die englische Nachhut (Montagu) hatte ziemlich gleichmäßig Anker gekappt, Segel gesetzt und so den Stoß des Feindes in guter Ordnung aufgenommen. Die englische Mitte, die zunächst in Verwirrung war, fand auch noch Gelegenheit, die Ordnung einigermaßen herzustellen — teilweise wurden die Schiffe durch Boote auf ihre Posten geschleppt —, da der Angriff Ruyters sich infolge der Flaute verzögerte. Bei dem Angriff stießen die entsprechenden Geschwader und Divisionen, Flaggschiffe gegen Flaggschiffe, ziemlich genau aufeinander, und es entspann sich ein laufendes Gefecht in größter Nähe, bei dem aber die Schiffe bald durcheinander trieben.

In dem Kampf der Vorhuten gewannen die Engländer die Oberhand; Ghent fiel und nun wurde, obgleich auch Montagu beim Verlassen seines brennenden Flaggschiffes ertrank, von verschiedenen Schiffen der holländischen Nachhut flauer gefochten, so daß eine größere Zahl der englischen Nachhutschiffe in den Kampf der Mitten eingreifen konnte. Hierdurch kam Ruyter in bedrängte Lage, bis der Vertreter Ghents dessen Geschwader aufs neue gesammelt heranführte und das Gleichgewicht herstellte. Nach einigen Stunden waren die kämpfenden Geschwader dem Strande immer näher gekommen und, mit den Sänden bei Lowestoft voraus, genötigt zu wenden. Der Wind frischte nachmittags etwas auf; dieser Umstand sowie das freiere Wasser gaben Gelegenheit, die Ordnung wieder besser herzustellen. Es geht aus der Beschreibung einzelner Kämpfe hervor, daß beide Gegner davon Gebrauch machten: bedrängte Schiffe oder Gruppen werden herausgehauen und zur Gefechtslinie zurückgeführt; es wird also darauf hingewirkt, eine entstandene Melee wieder zu entwirren. Das allgemeine Gefecht entbrannte dann wieder auf das heftigste, sich nun nach Süden hinziehend. Ruyter und wohl auch York strebten danach, sich den fechtenden Vorhuten zu nähern.

Der Kampf der beiden Vorhuten war ein Ferngefecht geblieben. Es ist nicht aufgeklärt, weshalb d'Estrées den Kurs nach Südosten gewählt hat. In England und Holland tauchte (wie gegen Beaufort 1666) der Verdacht auf, er habe geheime Instruktion gehabt, seine Flotte zu schonen; dieser Verdacht wird sogar von einzelnen französischen Autoren[328] geteilt (Sue). D'Estrées selbst hat berichtet, er habe wohl überlegt so gehandelt, weil sein Gegner über Steuerbord-Bug herangekommen sei; er habe diesen angreifen, durchbrechen und sich mit York vereinigen wollen. Andere Berichterstatter (Augenzeugen) sagen, es sei für die französischen Schiffe, als am weitesten nach Lee liegend, zu schwer, wenn nicht unmöglich gewesen, den Kurs parallel mit dem nahen Strande durchzuhalten. Dieser Grund erscheint stichhaltig, ja, für die ganze Flotte wäre der St. B. Bug der richtigere gewesen, da er frei von der Küste führte und so auch Raum zum Manövrieren gegeben hätte. Bankers folgte den Franzosen auf Parallelkurs, führte aber ein Feuergefecht auf halbe Kanonenschußweite, scheinbar, um sie nur zu beschäftigen und von einer Wiedervereinigung mit York abzuhalten.

Dieses Verfahren entsprach wahrscheinlich einer Anordnung Ruyters, denn Bankers und seine Seeländer waren kampflustige Männer. Ruyter achtete wohl die Franzosen gering oder rechnete mit der erwähnten geheimen Instruktion. In Holland selbst wurde auch gesagt, Ruyter habe Anweisung gehabt, die Franzosen zu schonen, um Ludwig XIV. nicht zu erbittern und dadurch Verhandlungen zu erschweren. In diesem Falle war es aber nicht richtig, den Franzosen die Seeländer gegenüber zu stellen, weil diese vorwiegend oranisch und somit antifranzösisch gesinnt waren.

Diese Absicht gelang. D'Estrées war nicht imstande, ein Nahgefecht herbeizuführen oder gar die Luvstellung zu gewinnen. In seinem Bericht machte er du Quesne — seinem tüchtigsten Flaggoffizier, der die Spitze führte — den Vorwurf, ihn in seinen Absichten nicht unterstützt, nicht hoch genug gesteuert zu haben; du Quesne wurde auch im nächsten Jahre nicht verwendet, blieb aber in Colberts Gunst. Der französische Admiral mag ein entscheidenderes Gefecht gesucht haben, denn auch er war ein tapferer Mann, aber ihm und seiner Flotte fehlte die nötige Schulung; ein Versuch des Durchbruchs würde den kriegstüchtigen Holländern gegenüber auch wohl sehr ungünstig ausgefallen sein.[185] Gegen Abend brach Bankers das Gefecht ab, steuerte seiner Flotte zu und vereinigte sich bald mit dieser.

Die Nacht trennte auch die Hauptgegner in der Schlacht zwischen 8 und 9 Uhr abends; beide Teile behaupten, der andere habe abgebrochen. Bei den beiderseitigen Verlusten, Beschädigungen, der Erschöpfung, dem Munitionsmangel und der Dunkelheit war dazu Grund vorhanden. Außerdem war besonders Ruyters Flaggschiff stark beschädigt und anderseits scheint d'Estrées nicht so früh zur verbündeten Flotte gestoßen zu sein als Bankers zur holländischen.

Ruyter setzte beim Angriff seinen Kurs auf York mit den Worten: „Steuermann, das ist unser Mann“; dieser antwortete: „Mein Herr, Ihr sollt ihn haben.“ Die „7 Provinzen“ wurden auf Pistolenschußweite an den „Royal Prince“ herangeführt und beide Schiffe begrüßten sich mit einer Breitseite. Zwei Stunden wurden weitere Breitseiten gewechselt — Ruyters Schiff soll an dem Tage 3500 Kugeln verschossen haben —, dann mußte Yorks Schiff schwer beschädigt weichen und er seine Flagge auf „St. Michael“ setzen; abends war er genötigt, auf „London“ überzugehen. — Van Nes, Vizeadmiral der[329] Mitte, nahm das Schiff des Vizeadmirals der feindlichen Mitte („Royal Catherine“ 80), doch wurde es bald zurückerobert. Van Brackel, uns schon vom Medway her rühmlichst bekannt, griff mit der „Hollandia“ (60 Kanonen), einem der Schiffe der Branderlinie, und ihrem Brander den weit stärkeren und höheren „Royal James“ (100 Kanonen, Flaggschiff Montagus) an. Lange währte der ungleiche Kampf, bis van Ghent und 2 Brander der „Hollandia“ zu Hilfe kamen. Auch jetzt noch wehrte sich Montagu tapfer, schoß 2 Brander in den Grund und löste die Enterhaken der „Hollandia“; van Ghent fiel. Der dritte Brander aber setzte den „Royal James“ in Flammen, und Montagu ertrank, wie bereits erwähnt, beim Verlassen des Schiffes. Der gerettete Kommandant klagte später, der Vizeadmiral der Nachhut habe seinen Chef in der höchsten Not zu Luward mit einigen Schiffen passiert, ohne Hilfe zu bringen; der Angeklagte ist einigermaßen zu entschuldigen, er war es, der einen Teil der Nachhut mit richtigem Blick zur Verstärkung Yorks heranführte.[186]

Am 8. Juni manövrierten die Flotten in Sicht voneinander, beide wollen vergeblich die Erneuerung des Kampfes gesucht haben; am 9. ging Ruyter zur holländischen Küste zurück, ohne daß die Feinde ihm folgten.

Der Verlust der Engländer betrug 4 Schiffe und etwa 2500 Mann an Toten und Verwundeten, der der Holländer 2 Schiffe und weniger Leute; der Verlust der Franzosen war unwesentlich. Auf beiden Seiten waren viele Schiffe schwer beschädigt, daß aber nach einem so heftigen Kampfe der Verlust an Schiffen so viel geringer ist, als in den beiden ersten Kriegen, kann doch wohl als ein Beweis des Fortschrittes im Schiffbau gegen den der Artillerie angesehen werden.

Beide Teile schrieben sich den Sieg zu! Die Verbündeten behaupteten gewissermaßen das Feld; Ruyter ging zurück, da er durchaus ausbessern und ausrüsten mußte. Er hat aber seine strategische Aufgabe gelöst, denn auch der Feind war für längere Zeit außerstandgesetzt, sein Hauptziel, die Unterstützung des Landkrieges durch eine Landung, zu verfolgen; dies war gerade zu dieser Zeit eine Lebensfrage für Holland.

Die weiteren Ereignisse des Jahres 1672. Der Landkrieg hatte sofort beim Beginn einen Verlauf genommen, der verhängnisvoll für die Niederlande zu werden drohte. Ende Mai und Anfang Juni eröffneten die feindlichen Armeen — 120000 Franzosen, 30000 Mann von Münster und Köln — den Feldzug. Die Hauptmacht der Franzosen unter Turenne und Condé erschien vom Kurfürstentum Köln aus vor den Festungen der Südostgrenze, z. B. Wesel; die spanischen Niederlande wurden vermieden und nur ein Beobachtungskorps gegen sie aufgestellt. Die bischöflichen Truppen griffen die Provinz Gröningen an; ein französisches Korps unter dem Marschall von Luxembourg operierte zwischen beiden. In den Niederlanden war während der 21 jährigen statthalterlosen Zeit die Armee arg zurückgegangen: die Offizierstellen waren nach Gunst aus den regierenden Familien besetzt, die Soldaten meist Fremde, sonst minderwertiges und nicht geachtetes Material; die Festungen und ihre Armierung waren vernachlässigt. Der neuernannte[330] Generalkapitän, Wilhelm von Oranien, zählte erst 21 Jahre, seine Befugnisse waren beschränkt; er fand nur ein Heer von etwa 70000 Mann vor, von dem die Hälfte auf die vielen Festungen verteilt war, ohne aber diesen damit eine genügende Besatzung zu geben. So fielen denn auch in wenigen Tagen den Franzosen fast alle Grenzfestungen in die Hände und die Bischöflichen bemächtigten sich verschiedener Grenzstädte Gröningens. Die feindlichen Armeen drangen dann in die Landprovinzen ein. Im Laufe des Juni besetzten die Franzosen ganz Geldern und Utrecht, ließen vor einigen sich haltenden Festungen Beobachtungskorps zurück und standen somit an der Grenze der Provinz Holland. Die Bischöflichen, denen sich die Provinz Oberyssel ergeben hatte, belagerten Gröningen, die einzige Festung der Provinz gleichen Namens und Frieslands. Prinz Wilhelm hatte sich mit nur etwa 9000 Mann nach Holland zurückziehen müssen, nachdem die Besatzung der sich haltenden Städte verstärkt worden war.

Infolge dieser schweren Schläge verbreiteten sich in den 14 Tagen nach der Schlacht bei Solebay Schrecken und Verwirrung in den Niederlanden, und der innere Hader wuchs. Die Partei der Regierung, namentlich in Holland mächtig, war für schleunigen Friedensschluß und knüpfte schon Mitte Juni Verhandlungen mit England und Frankreich an; ihre Anhänger waren zu den größten Demütigungen bereit, um sich vor den unmittelbaren Folgen einer Invasion und dem Emporkommen der Gegenpartei auf ihre Kosten zu bewahren. Die oranische Partei aber wollte sich den schroffen Forderungen der Feinde nicht unterwerfen.

De Witts Partei war zu folgenden Friedensbedingungen bereit: Abtretung aller Landstriche außerhalb der 7 Provinzen in Deutschland, Flandern, Brabant, und Limburg; dies anzunehmen soll Turenne Ludwig XIV. geraten haben. Ludwig XIV. verlangte aber auf Louvois' Antrieb noch: Abtretung eines Teiles von Geldern mit wichtigen Festungen, Zollfreiheit für französische Waren, große Vorteile für die Katholiken in den Niederlanden, 16 Millionen Gulden Kriegskosten, eine jährliche Deputation demütigender Art und endlich die Erfüllung der Forderungen Englands. Diese nun bestanden in: 1 Million Lstrl. Kriegskosten, jährlich 10000 Lstrl. für die Heringsfischerei, die Erhebung Oraniens zum Souverän und als Pfand für die Erfüllung dieser Bedingungen die Abtretung dreier großer Inseln an der Maas- und Scheldemündung. Trotz der ihm zugedachten Erhebung zum Souverän war es gerade Wilhelm von Oranien, der zur Ablehnung der Vorschläge und zum äußersten Widerstande ermahnte.

Von der oranischen Partei wurde der schlechte Zustand der Landesverteidigung, wohl mit Recht, der Hinneigung der Gegenpartei zu Frankreich zugeschrieben, der Fall der Festungen sogar dem Verrat. Der Haupthaß fiel auf de Witt, schon am 22. Juni erfolgte ein Attentat auf diesen, die Partei gewann immer mehr an Macht, und nun sollte gerade von Amsterdam — dem Hauptsitz der Gegenpartei bisher — der Anstoß zu einer Verteidigung des Vaterlandes auf Leben und Tod ausgehen: Muyden am Zuidersee — der Schlüssel zum Hafen der Stadt und wichtig für die Beherrschung der Hauptdeiche — war durch ein feindliches Streifkorps genommen, der Magistrat war geneigt, zu kapitulieren, da zwang man ihn zu energischen Verteidigungsmaßregeln[331] und stellte 60 Bürgerkompagnien auf; Muyden wurde wiedergenommen, die Deiche wurden durchstochen. Diesem Beispiele folgten sämtliche Städte Hollands, und Wilhelm von Oranien besetzte die schmalen Wege, die aus Geldern und Utrecht zwischen den Gewässern nach Holland hineinführten, mit hinreichender Mannschaft.

Es war der Wendepunkt des Landkrieges, der Invasion war eine Schranke gesetzt. Was wäre aber die Folge gewesen, wenn in diesem Monat der Not und Uneinigkeit die verbündete Flotte einen Angriff auf die Küsten gemacht hätte? Hiervon blieb man durch die Schlacht bei Solebay bewahrt.

Sonst aber hatte die holländische Marine im Jahre 1672 keine Gelegenheit mehr, sich auf ihrem eigentlichen Felde hervorzutun, wenn auch nochmals eine Landung drohte. Das Zurückgehen der Flotte nach der Schlacht von Solebay wurde von den Gegnern der Gebrüder de Witt wieder als eine Art von Verrat ausgelegt: man habe die Franzosen schonen wollen. Gewiß wäre es richtig gewesen, dem Feinde zur See weiter Abbruch zu tun, aber es war unmöglich; die Flotte bedurfte dringend der Ausbesserung und Neuausrüstung. Nach dem Einlaufen wurde sofort hiermit begonnen, jedoch die Ereignisse am Lande griffen hindernd ein. Man brauchte in den Festungen die vorhandene Munition und auch Mannschaften; auch hoffte man auf Frieden mit England, und die Franzosen allein fürchtete man zur See nicht. So wurde am 24. Juni beschlossen, die Flotte auf 48 Schlachtschiffe und 18 Fregatten herabzusetzen und die Besatzungen der in Dienst bleibenden Schiffe zu vermindern. Die so frei gewordenen Mannschaften stießen in besonderen Verbänden unter ihren bisherigen Führern — See- und Seesoldaten-Offizieren — zur Armee oder bildeten die Besatzungen kleinerer Fahrzeuge auf den Flüssen und Binnengewässern. Schon bei Ausbruch des Krieges hatte man diese Schiffe zur Unterstützung des Heeres in Dienst gestellt (auf Maas, Rhein und Yssel); jetzt wurde die Zahl vermehrt, namentlich auf dem Zuidersee (auch im Dollart), weil der Feind dessen östlichen Strand im Besitz hatte. Zu Lande und auf den Flottillen haben die Marinemannschaften während des weiteren Krieges wesentliche Dienste geleistet.

Ruyters Flotte — 47 Schlachtschiffe, 12 Fregatten, 20 Brander, schwach an Munition und Besatzung — konnte nicht daran denken, sich weit von den Küsten zu entfernen. Der Admiral, dem von dem Prinzen völlig freie Hand gelassen wurde, hielt sich zwischen den Sänden vor der Maasmündung (auf der Goede-Rhede oder der Schooneveld-Rhede), die Seegatten bei Texel und Vlieland wurden durch Fregatten und leichte Fahrzeuge gedeckt; was man an Truppen erübrigen konnte, es war wenig, hatte man nach Texel und Hellevoetsluis geworfen. Die verbündete Flotte erschien Anfang Juli, 90 Schlachtschiffe und Fregatten stark und mit einer großen Zahl Landungstruppen an Bord, versuchte zunächst, Ruyter herauszulocken und zeigte sich dann vor Texel. Am 13. und vom 18–20. Juli erschienen kleinere Fahrzeuge, das Fahrwasser untersuchend. Die Holländer mußten hier, wo sie so schwach[332] waren, eine Landung erwarten; Ruyter hatte Anweisung, seine Flotte erst einzusetzen, wenn der Feind wirklich lande. Weshalb dieser zwischen dem 13. und 20. nicht ernstlich vorging, läßt sich nicht erkennen. Vielleicht waren die Windverhältnisse ungünstig, es wehten scheinbar meist frische ablandige Winde; wahrscheinlicher ist es, daß man die segelfertige Flotte Ruyters in der Flanke fürchtete und hoffte, sie durch Scheinbewegungen zunächst herauslocken und dann schlagen zu können. Die Überlieferung schreibt die Abwendung der Gefahr der Vorsehung zu: Als die Verbündeten an dem zur Landung bestimmten Tage auf die Flut warteten, habe die Ebbe 12 Stunden gelaufen. Neuere Quellen verweisen diese Erzählung in den Bereich der Sage. Tatsächlich trat die Vorsehung später für Holland ein. Am 21. Juli begann ein schwerer Südweststurm, der drei Tage mit äußerster Kraft wehte und dann noch fast drei Wochen mit nur kurzen Unterbrechungen anhielt. Die feindliche Flotte wurde durch diesen Sturm nach Norden vertrieben und so zugerichtet, daß sie „wie nach einem scharfen Gefecht“ in englische Häfen zurückkehren mußte.

Das Jahr 1672 brachte weitere wichtige Ereignisse zur See nicht mehr. Ruyter blieb in seiner Defensivstellung[187] und seitens der Verbündeten war der Plan zu einer Landung, aus nicht bekannten Gründen, für dieses Jahr aufgegeben. Die Franzosen gingen am 28. September von der Themse nach Frankreich ab. Karl II. wollte sie gern in England behalten; es wurde abgelehnt, da die Ausbesserungen dort teurer als in den heimischen Häfen kommen würden.[188] Ein Teil der englischen Flotte machte noch den Versuch, den lang erwarteten Convoi Ostindienfahrer auf der Doggerbank abzufangen, man verfehlte ihn aber; Ruyter, der die Küste entlang ihm entgegengegangen war, führte die Schiffe glücklich heim. Ende September wurde in Holland der Winterdienst zur Bedeckung der Seegatten eingerichtet und die Flotte sonst aufgelegt; man gab aber jetzt die Kaperei frei. Ein geplantes Unternehmen, mit einem kleinen Geschwader französische Häfen anzugreifen, kam nicht zur Ausführung.

Wir müssen uns nun nochmals den inneren Verhältnissen Hollands und dem Landkriege zuwenden. Die schimpflichen Friedensbedingungen, die die Gegner stellten, und auch der Schaden, den die Überschwemmung hervorrief, hatten das niederländische Volk aufs höchste erbittert. Es war entschlossen, das, was der Feind und das Wasser noch vom Lande übrig gelassen, aufs äußerste zu verteidigen, ja, wenn dies nicht mehr zu halten sei, auszuwandern und in Ostindien ein neues Holland zu gründen. Die oranische Partei gewann ganz die Herrschaft; Anfang Juli wurde Wilhelm von Oranien — zuerst in Seeland, dann in Holland, schließlich von den Generalstaaten — zum Statthalter, Generalkapitän und Generaladmiral auf Lebenszeit ernannt.

[333]

Der Parteihaß führte aber zu blutigen Taten. Cornelis de Witt wurde eines Attentatsversuchs gegen den Statthalter angeklagt, gefoltert und zur Verbannung verurteilt; als sein Bruder, der Ratspensionär, ihn im Gefängnis besuchte, wurden beide (19. August) auf abscheuliche Weise ermordet. Selbst auf Ruyter fiel der Haß eines Teiles des Volkes als einen Freund der Brüder, obgleich er das volle Vertrauen des Statthalters besaß. Der Pöbel wollte im September sein Haus stürmen, nur ein in der Nähe liegendes Kriegsschiff konnte es hindern, im Oktober versuchte sogar ein Mann, ihn zu ermorden.

Die Friedensverhandlungen hatte man vorsichtigerweise noch längere Zeit fortgeführt, um die nur langsam zunehmende Überschwemmung erst wirksam werden zu lassen. Während dieser Zeit hatten sich auch sonst die Verhältnisse im Landkriege bedeutend günstiger gestellt. Der Große Kurfürst hatte schon am 6. Mai einen Vertrag mit der Republik geschlossen, wonach er sie mit 20000 Mann unterstützen wollte. Er bewog auch den Kaiser zu einem Bündnis (25. Juni) behufs Aufrechterhaltung des Besitzstandes in Europa, wie dieser im Westfälischen, Pyrenäischen und Aachener Frieden festgesetzt war. Im Juli rückten die brandenburgischen und die österreichischen Truppen heran, so daß sich Ludwig XIV. genötigt sah, den Prinzen von Condé mit 18000 Mann den Österreichern im Elsaß und Turenne mit 20000 den Brandenburgern in Westfalen entgegenzustellen. Nach dem Plane Friedrich Wilhelms sollten sich die Brandenburger und Österreicher in Hessen-Kassel vereinigen, über den Rhein gehen und so den Franzosen in den Rücken fallen. Aber durch den bestochenen Minister Lobkowitz zurückgehalten, kamen die Österreicher unter Montecuculi nur langsam heran; der Große Kurfürst allein war zu schwach; so bezog man ohne vorherige Waffentaten später überall Winterquartiere.

Immerhin waren die Niederlande entlastet. Wenn auch die übrigen Franzosen unter Luxembourg in Utrecht und Geldern zurückgeblieben waren, so kam doch ihr Vordringen zum Stehen, ja Oranien konnte sich einiger Städte wieder bemächtigen. Auch der Angriff der bischöflichen Truppen scheiterte an dem hartnäckigen Widerstande der Festung Gröningen; mit großem Verlust zogen sie nach 40tägiger Belagerung ab; die Provinzen Gröningen und Friesland waren gerettet. Im Dezember 1672 machte Oranien sogar mit 30000 Mann einen allerdings erfolglosen Vorstoß gegen die wichtige französische Festung Charleroi. Mittlerweile hatte starker Frost die Gewässer der Überschwemmungen mit Eisbrücken belegt. Luxembourg wollte diesen Umstand und die Abwesenheit Oraniens zur Eroberung Leydens und des Haags benützen, um sich so im Herzen der Provinz Holland festzusetzen. Plötzlich einsetzendes Tauwetter zwang ihn aber zu eiligem Rückzuge auf den Dämmen und nur die Feigheit eines holländischen Oberst entzog die 11000 Franzosen der völligen Vernichtung. Damit waren auch hier die Feindseligkeiten für den Winter vorbei.

Die Lage der Niederlande war zu Ende des Jahres weit günstiger, als man bei Beginn des Krieges hätte erwarten können. Unter der kräftigen[334] Führung Wilhelms von Oranien verweigerte jetzt die Republik die Annahme der Friedensbedingungen, die sie selbst früher angeboten hatte.

Die Schlachten bei Schooneveld am 7. und 14. Juni 1673.

Das Jahr 1673 brachte jedoch wieder einen Umschlag zuungunsten der Niederlande. Die Kriegsereignisse am Lande begannen in Westfalen. Der Große Kurfürst war nicht imstande, von hier aus der Republik Hilfe zu bringen, da ihn die Österreicher ohne Unterstützung ließen und die Niederlande die versprochenen Gelder nicht zahlten; die Macht Frankreichs und der Bischöfe war ihm überlegen, sein Land wurde verwüstet. Er schloß am 6. Juni mit den Franzosen einen Neutralitätsvertrag, wonach diese seine Lande räumten und 800000 Lire zahlten, um den geschädigten Provinzen wieder aufzuhelfen. Die Untätigkeit der Österreicher im Elsaß hatte auch hier die Franzosen frei gemacht und Condés Armee konnte gleichfalls zur Unterstützung Luxembourgs herangezogen werden. Die vereinigten Streitkräfte sollten nun die Provinz Holland angreifen und die Seestreitkräfte wiederum gleichzeitig eine Landung in dieser Provinz oder in Seeland bewerkstelligen. Zum Angriff der Provinz Holland von Utrecht und Geldern aus war auch eine große Zahl flachgehender, platter Fahrzeuge auf dem Zuidersee hergestellt — diese zeigten sich später völlig unbrauchbar —, Oranien sah sich deshalb genötigt, mit seinem Heere auch die ganze Ostgrenze der Provinz Holland zu besetzen und die Abwehr einer Landung wieder nur den Seestreitkräften zu überlassen. Auch die in Holland wohl noch gehegte Hoffnung, wenigstens mit England zum Frieden zu kommen, erfüllte sich nicht; der englische Kanzler erklärte im Parlament am 14. Februar mit Beziehung auf Holland: „Delenda est Carthago.“ —

So wurde denn am 10. März die Indienststellung von 48 tüchtigen Kriegsschiffen, worunter 36 zu 60–80 Kanonen, 12 Fregatten und 24 Brandern beschlossen; ein Geheimbeschluß von demselben Tage — nach de Jonge geheim, um auch den Feind zu einer weniger starken Rüstung zu verleiten — fügte noch 24 Schiffe und 12 Fregatten hinzu.

Wieder beteiligten sich nur Holland und Seeland an dieser Rüstung; Friesland und Gröningen waren durch den Landkrieg zu sehr mitgenommen und noch immer vom Lande her arg bedrängt; erst vor der letzten Schlacht dieses Krieges stellten sie einige wenige Schiffe.

Die Indienststellung wurde möglichst beeilt, die Kaperei und die Schiffahrt in den europäischen Gewässern aufs neue eingestellt, und Anfang Mai waren 31 Kriegsschiffe — darunter 4 zu 80 Kanonen, 3 zu 70–76, 9 zu 60–68 — 12 Fregatten, 18 Brander unter Ruyters Kommando segelfertig. Die Flotte bestand zunächst nur aus Schiffen der holländischen Kontingente, Seeland war infolge Geldmangels noch nicht bereit. Die Absicht war, wie im Vorjahre dem Auslaufen der englischen Flotte zuvorzukommen, und im besondern englische Häfen durch Versenken von großen, schwerbelasteten Fahrzeugen zu sperren.

[335]

Schon am 10. Mai erschien Ruyter vor der Themse und sandte sofort die Kontreadmirale van Nes und Vlugh mit 2 Schlachtschiffen, 6 Fregatten, 6 Brandern, sowie einigen kleineren Segeln stromauf, um 8 solcher Senkschiffe an zwei wichtigen Stellen des Fahrwassers zu versenken. Nebeliges Wetter hinderte das Vordringen, und am 13. zeigten sich beträchtliche englische Streitkräfte: nach Meldung hiervon zogen sich die detachierten Admirale auf Befehl zur Flotte zurück.

Ruyter und der Kriegsrat hatten beschlossen, das Versenken der Schiffe aufzugeben, weil es sich angesichts des Feindes nicht mit der nötigen Sorgfalt ausführen ließe, und mit der Flotte zur eigenen Küste zurückzukehren, da überraschende Unternehmungen überhaupt nicht mehr möglich erschienen. Man hatte erfahren, daß die Ausrüstung der Engländer in der Themse und in Portsmouth zu weit vorgeschritten und dem bisherigen Mannschaftsmangel abgeholfen sei; auch das Eintreffen der Franzosen mußte man erwarten.

Wohl ist es auffallend, daß die Flotte der Verbündeten nicht früher bereit gewesen ist, um gegen die holländische Küste zur Blockade und Landung vorzugehen, obgleich schon im Februar vom englischen Parlament die Mittel zur Ausrüstung bewilligt waren. Die Verzögerung scheint der Verwaltung zur Last zu fallen, die nach dem Ausscheiden des Herzogs von York als Lordhighadmiral nicht mehr besonders sorgfältig arbeitete. Die Franzosen sollen nicht geneigt gewesen sein, Brest zu verlassen, ehe die englische Flotte in See wäre. Nur der Energie des neuen englischen Oberbefehlshabers, Prinz Rupert, gelang es, durch Zusammenraffen aller fertigen Streitkräfte auf der Themse wenigstens den Vorstoß Ruyters abzuwehren. Auch hatte es der englischen Flotte an Seeleuten gefehlt; unmittelbar vor dem Erscheinen der Holländer waren aber verschiedene große Convois vor London eingetroffen, deren Besatzungen nun gepreßt wurden; die bevorstehende Ankunft dieser Convois war Ruyter unbekannt oder er hat sie verfehlt.

Wenn die Verbündeten eine Landung unternehmen oder der Republik ihre Hilfsquellen zur See völlig abschneiden wollten, so mußte ihre erste Aufgabe sein, Ruyters Flotte zu schlagen. Dieser wußte sich, wie im Vorjahre nach Verminderung der Flotte, zu schwach, die beiden Gegner auf offener See zu erwarten, zumal da er sich zwischen beiden befand. In Übereinstimmung mit dem Kriegsrat, dem Statthalter und den Generalstaaten beschloß er wiederum, eine Defensivstellung (bei Schooneveld oder etwas südlicher bei Ostende) einzunehmen, von hier aus den Feind zu beobachten, Landungsversuchen entgegenzutreten und nur unter günstigen Verhältnissen zu fechten. Er ging am 14. Mai nach Schooneveld zurück und führte in der Folge diese offensive Defensive (vgl. Seite 323) meisterhaft durch.

Die nach und nach verstärkte holländische Flotte[189] bestand am 7. Juni aus:

  5 9 20 8 10
52 Schlachtschiffen: zu 80–82 K. 70–78 K. 60–68 K. 50–58 K. 42–48 K.
340–530 Mann 320–420 Mann 240–400 Mann 230–280 Mann 170–225 Mann
12 Fregatten: 22–36 K. 14 Avisojachten: 4–12 K. Brander: 2–4 K.
90–160 Mann 25–34 Mann 12–45 Mann

mit im ganzen 3600 Kanonen, 18000 Mann.

[336]

Während der Ausrüstung erklärten sich die Admiralitäten von Holland bereit, mehr Schiffe zu stellen als ihnen zufiel, jedoch dann schwächer bemannt; bemerkenswerterweise lehnte Ruyter es ab und riet, überflüssige Mannschaft an Seeland abzugeben, wo Mangel herrschte: „Er wolle lieber weniger, aber in jeder Hinsicht tadellos ausgerüstete Schiffe führen.“

Die Flotte war in 3 fast gleichstarke Geschwader zu je 3 Divisionen geteilt[190]: Vorhut Leutnantadmiral Bankers, Vizeadmirale Evertsen und Star; Mitte Ruyter („7 Provinzen“ 82 Kanonen), Leutnantadmiral van Nes und Vizeadmiral de Liefde: Nachhut Leutnantadmiral Tromp „Gouden Leeuw“ 80 Kanonen), Vizeadmirale Sweers und Schram, Sweers war aber zur Zeit der ersten Schlacht noch nicht eingetroffen; zur 3. (Nachhut-) Division eines jeden Geschwaders trat noch ein Kontreadmiral.

Tromp war am 30. April wieder als Leutnantadmiral von Amsterdam angestellt. Wilhelm von Oranien hielt viel von ihm als treuem Anhänger seiner Partei, wie es schon sein Vater gewesen. Der Prinz hatte jedoch vorher dringend eine Versöhnung mit Ruyter verlangt und diese in seiner Gegenwart herbeigeführt. Die Ernennung Ruyters zum Leutnantadmiralgeneral war wohl gerade auch deshalb mit erfolgt, um ferneren Streitigkeiten mit Tromp vorzubeugen. Die beiden tüchtigen Admirale haben sich auch in Zukunft vertragen.

Die Flotte der Verbündeten hatte sich Ende Mai bei Wight vereinigt; am 29. Mai wurde sie von Karl II. und York besucht.

Sie bestand aus etwa[191] 81 Schlachtschiffen, 11 Fregatten und 34 (42?) Brandern.

England stellte 54(?) Schlachtschiffe, darunter 3 mit über 100 Kanonen, 4 mit 90, 16 mit 60–80, 9(?) mit 50–58 Kanonen; 8 Fregatten; 24 Brander.

Das französische Geschwader zählte 27 Schlachtschiffe, eins mit 100 die übrigen mit 50–70 Kanonen, 3 Fregatten und 10 (18?) Brander.

Die englischen Schiffe führten eine große Zahl Soldaten für die Landung an Bord, 6000 Mann standen in Yarmouth zum Einschiffen bereit. Die Gesamtflotte war eingeteilt: Vorhut Prinz Rupert[192] („Royal Charles“ 100 Kanonen), Vizeadmiral Harman, Kontreadmiral Chichely; Mitte Comte d'Estrées („Reine“ 104 Kanonen), Vizeadmiral des Ardens („Terrible“ 70 Kanonen), Kontreadmiral de Grancey („Orgueilleux“ 70 Kanonen), (Ardens und Grancey waren dem Range nach Chefs d'Escadre); Nachhut Admiral Spragge, Vizeadmiral Kempthorne, Kontreadmiral Butler.

[337]

Obgleich Rupert den Oberbefehl hatte — sein Geschwader führte auch die rote Flagge — nahm er doch die Vorhut und ließ d'Estrées — Geschwader mit der weißen Flagge —, die Mitte. Nach den englischen und den holländischen Quellen soll es geschehen sein, um die Franzosen zwischen den beiden englischen Geschwadern zu haben, da man ihnen nach den Erfahrungen im Vorjahre nicht traute. Die neuesten englischen Autoren, wie z. B. Clowes, nehmen sogar als feststehend an, daß in der Schlacht am 7. Juni die Division des Ardens in das rote, die Division de Grancey in das blaue Geschwader und dafür englische Divisionen in die Mitte eingestellt seien; Angaben im „Leben Ruyters“ scheinen dies zu bestätigen. Die französischen Quellen aber wissen hiervon nichts; daß die Franzosen in die Mitte genommen wurden, geben sie zu; einige von ihnen führen auch als Grund das Mißtrauen der Engländer an.

see caption

Prinz Rupert.

Die erste Schlacht bei Schooneveld, 7. Juni 1673. Am 1. Juni hatte Ruyter zur Übung mit seiner Flotte taktische Bewegungen gemacht und war mittags außerhalb der Sände zu Anker gegangen; abends meldeten die Vorposten das Nahen der Verbündeten. Auch diese ankerten, weil es schon zu spät war, um etwas zu unternehmen. Am folgenden Tage gingen zwar beide Flotten unter Segel, es kam aber wegen flauen Windes nicht zur Annäherung, und vom 3. bis zum 6. hinderte stürmisches Wetter weitere Unternehmungen; den 6. benützten beide Flotten, ihre Ankerordnung wieder herzustellen, weil viele Schiffe vertrieben waren. Am 7. Juni lichteten die Verbündeten vormittags Anker und kamen in Halbmondform (Dwarslinie?) heran. Ruyter hatte den Angriff für diesen Tag erwartet und „kurz Stag“ hieven lassen,[193] um zum Gegenstoß im geeigneten Augenblick bereit zu sein.

Die Nachrichten über diese Schlacht — geschlagen an einem holländischen Bußtage und am Jahrestage von Solebay — sind mangelhaft; ihr wahrscheinlicher Verlauf sei kurz geschildert.[194]

Die Küste erstreckt sich Nordost-Südwest; der Wind war westlich, also günstig zum An- und Abstehen. Rupert rechnete, entweder den Feind zum Fechten von der Küste abzulocken, oder ihn zum Rückzug zwischen die Sände bewegen und dabei dann mit Brandern angreifen zu können. Zu diesen Zwecken zweigte er von allen Geschwadern[338] 35 kleinere Schlachtschiffe und Fregatten mit 10 Brandern ab, die vor seiner Schlachtlinie auf den Feind zuliefen und auf große Entfernung das Feuer eröffneten (dies erinnert sehr an Ruyter bei Solebay). Auffallenderweise waren diese vorausgesandten Schiffe keinem gemeinsamen Oberbefehl unterstellt; sie kamen in Unordnung heran und gingen in noch größerer auf ihre Flotte — jedes Schiff nach dem ihm zunächst befindlichen Geschwader — zurück, als Ruyter ihnen in voller Ordnung entgegentrat. Infolgedessen und auch wohl infolge längerer Fahrt in schwer zu haltender Dwarslinie war die englische Flotte nicht gut ausgerichtet, als gegen 1 Uhr mittags der holländische Angriff erfolgte. Tromp auf dem rechten, nördlichen Flügel stieß zuerst mit Rupert zusammen; beide Gegner gingen über Steuerbord-Bug an den Wind und es entspann sich ein heftiges Gefecht dieser Geschwader. Auch Ruyter ging mit Mitte und Nachhut (jetzt Bankers) an den Wind, um mit Tromp aufgeschlossen zu bleiben; das Gefecht wurde allgemein. Um 2 Uhr gab Ruyter durch Signal den Befehl zum Wenden, er wollte seinem Hauptplane entsprechend den Kampf in der Nähe der Küste halten.

Tromp wendete nicht, obgleich er den Befehl sogar noch durch eine Jacht erhielt. Er hatte sich wohl wieder festgebissen, bei seinem ehrgeizigen Charakter diesmal um so erklärlicher, da sein Gegner das englische Geschwader unter Rupert war. In dem Kampf der Hauptflotte durchbrachen Ruyter und Bankers die feindliche Linie; Ruyter brachte dadurch große Verwirrung in das Geschwader d'Estrées', Bankers jedoch war dem englischen Geschwader gegenüber weniger glücklich, sein Flaggschiff ward schwer beschädigt und seine Ordnung ging verloren. Ruyter nutzte deshalb seinen Erfolg nicht aus, sondern entsetzte Bankers und stellte zunächst die Ordnung wieder her. Auch dann nutzte er hier die günstige Lage des Gefechts nicht aus — verschiedene feindliche Schiffe waren abgeschnitten, der größere Teil der Feinde stand in Lee — sondern er führte die wiedervereinigte Mitte und Nachhut Tromp zu Hilfe (etwa 6 Uhr). Er sagte: „Das Wichtigste zuerst; es ist besser, dem Freunde zu helfen, als dem Feinde zu schaden.“ Tromps Geschwader war arg mitgenommen. Der Admiral selbst hatte zweimal sein Flaggschiff wechseln müssen, nach der Schlacht mußte er nochmals auf ein anderes übergehen; sein Vizeadmiral Schramm war gefallen. Gerade zu rechter Zeit kam Ruyter heran, so daß Tromp ausrief: „Kinder, da kommt unser Großvater (so wurde Ruyter von den Leuten genannt), uns zu helfen! Ich werde ihn auch nie verlassen, so lange ich lebe!“

Nach der Vereinigung mit Tromp wendete Ruyter mit der ganzen Flotte wieder nach Südwesten. Die Verbündeten folgten; sie scheinen aber, obgleich zu Luward stehend, den Nahkampf nicht mehr gesucht zu haben; die Dunkelheit trennte gegen 10 Uhr die Gegner. Ruyter ankerte etwa auf der Stelle, wo der Kampf begonnen hatte, die Verbündeten standen einige Seemeilen nach Norden hin von der Küste ab und gingen dann auch zu Anker.

Die Schlacht wurde bis in die neueste Zeit meist „unentschieden“ genannt, beide Teile schrieben sich den Sieg zu. An Schiffen haben, außer Brandern, scheinbar nur die Franzosen 2, die Holländer 1 (nach der Schlacht gesunken) verloren; die Beschädigungen waren etwa gleich; genommen wurde kein Schiff. Der Mannschaftsverlust ist unbekannt, der englische soll infolge der Überbemannung mit Landsoldaten der weit größere gewesen sein. Die Verbündeten rühmten sich, den Feind zum Rückzuge gezwungen zu haben, aber die neueren Autoren auch dieser Länder erkennen den Erfolg Ruyters an: Er hat einen überlegenen Feind angegriffen und ihm gleiche Verluste zugefügt; er hat für den Augenblick den Hauptzweck des Gegners vereitelt. Auch hat er sich keineswegs zu seinem Schutz zwischen die Sände zurückgezogen, sondern ist kampfbereit in See geblieben; daß er wieder auf[339] seinem alten Platze ankerte, aber doch einige Seemeilen weiter seewärts, lag in seinem Hauptplane. Die Verbündeten haben seinen „Rückzug“ nicht gehindert und auch in den nächsten Tagen nichts unternommen.

Das Benehmen der Franzosen in dieser Schlacht wurde von den Engländern als vorwurfsfrei anerkannt. Nur die Verwendung der Brander ihrerseits tadelte man; Sie hätten zu früh mit mehr Mut als Überlegung angegriffen, ehe feindliche Schiffe genügend niedergekämpft oder doch bewegungslos gemacht seien.

Die zweite Schlacht bei Schooneveld, 14. Juni 1673. Beide Gegner besserten auf ihren Ankerplätzen aus. Die Holländer waren dabei im Vorteil; sie konnten Material vom Lande beziehen, die Verwundeten von Bord geben, Munition und Mannschaften ergänzen. Auch stießen an Stelle des verlorenen und zweier sehr beschädigten Schiffe (zu 60, 50 und 40 Kanonen) zwei Schlachtschiffe 1. Klasse (zu 84 und 82 Kanonen, eins davon mit Admiral Sweers, Geschwader Tromp), einige Fregatten und Brander zur Flotte, so daß diese fast genau die alte Stärke wieder hatte. Durch beständig am Feinde gehaltene Aufklärer erfuhr Ruyter, daß dem Gegner etwa 30 Segel fehlten, meist kleinere Kriegsschiffe und Brander, die zur Ausbesserung nach Haus gesandt oder verbraucht waren. Ferner waren die Holländer, dicht unter der Küste, kaum einem Angriff ausgesetzt und konnten mit Ruhe arbeiten und sich erholen, während die Verbündeten Tag und Nacht auf einen Angriff gefaßt sein mußten. Die Aussichten der Holländer standen also jetzt in allem günstiger als bei der ersten Schlacht und Ruyter beschloß, je eher je besser anzugreifen. Der 14. Juni wurde dazu angesetzt, falls die Windverhältnisse günstig; die Flotte war schon am 12. bereit, man mußte aber die Zustimmung angekündigter Staatendeputierter haben. Diese trafen rechtzeitig ein, und am festgesetzten Tage um 11 Uhr vorm. ging Ruyter bei frischem östlichen Winde unter Segel. Die Berichte über diese Schlacht sind nicht nur mangelhaft, sondern auch widersprechend; am wahrscheinlichsten scheint mir folgender Verlauf:[195]

Die Verbündeten wurden teilweise durch den Angriff überrascht. Rupert war zwar auf ihn gefaßt; da der Wind am 13. abends östlich geworden war, hatte er Vorbereitungen zum schnellen Untersegelgehen getroffen und war selbst die Nacht über aufgeblieben. Admiral Spragge war lässiger und begab sich sogar am 14. früh mit seinem Kontreadmiral an Bord des Flottenflaggschiffes; hier verweilte er zu lange oder konnte nicht schnell genug zurückkommen, als die Holländer erschienen.

Die Küste läuft Nordost-Südwest; der Wind war steif aus Ost, später Nordost; die Verbündeten lagen in Nordwesten der Holländer, das blaue Geschwader (Spragge) am meisten zu Luward. Rupert hatte jetzt mit dem roten Geschwader die Mitte übernommen; ob dieses Mal Engländer und Franzosen in den Geschwadern gemischt waren, ist unsicher. Die holländische Flotte kam in guter Ordnung heran, Tromps Geschwader führte. Rupert gab Befehl, Anker zu lichten und über Backbord-Bug die Linie zu bilden. Das rote und das weiße Geschwader führten den Befehl schnell aus; das blaue, das auf seine Flaggoffiziere wartete, verzögerte sich. Die Holländer sagen, die Gegner schienen zuerst den Kampf haben aufnehmen zu wollen, dann aber hätten sie nach Nordwesten[340] abgehalten. Es ist also anzunehmen, daß Rupert zuerst über Backbord beim Winde steuerte, entweder, um die Luvstellung zu gewinnen (holländische Quellen) oder um das noch ungeordnete blaue Geschwader zu decken (französische Quellen). Das erstere mißlang, da Tromp sofort auch hoch beim Winde steuerte, die Deckung wurde unnötig, weil Spragge sich noch rechtzeitig — wenn auch in Unordnung, es sollen Teile des blauen Geschwaders in die beiden anderen versprengt sein (französische Quellen) — auf seinen Platz vor dem roten Geschwader begab. Nun hielt Rupert ab, um den Feind von der Küste abzuziehen (englische Quellen).

Die Holländer folgten, das Feuer wurde auf weite Entfernungen eröffnet, aber erst zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags kam es zum ernsteren Kampf; sei es, daß Rupert sich jetzt weit genug von der Küste glaubte, sei es, daß Tromp das blaue Geschwader eingeholt hatte und Rupert nun genötigt war, den Kampf auf der ganzen Linie aufzunehmen. Es ist klar, daß Tromp dem Gegner am nächsten sein mußte, und Spragge stand wohl auch noch immer etwas zurück. Jedenfalls kam um diese Zeit die Spitze Tromps mit Spragge ins Gefecht; aufeinanderfolgend griff Tromp selbst ein, Ruyter stieß mit Rupert und Bankers mit d'Estrées zusammen.

Vizeadmiral Sweers, der Führer der ersten Division Tromps, war mit seinem Flaggschiff („Weißer Elephant“, 82 Kanonen) und 3 Fregatten vorgelaufen. Er kam zuerst an den Feind und wurde so zugerichtet, daß er bald darauf das Gefecht verlassen mußte. Tromp legte dies als Mangel an Tapferkeit aus, eine Untersuchung ergab aber die schweren Verluste und Beschädigungen des „Elephant“ und Oranien legte den Streit bei.

Es entspann sich nun ein laufendes Gefecht über Backbord-Bug, das jedoch nur auf mittlere Entfernungen geführt wurde, so daß die wirksame Verwendung der Brander ausgeschlossen war; auch der schon begonnene Nahkampf der Vorhuten wurde infolge schwerer Beschädigungen der Takelage auf Tromps Flaggschiff wieder getrennt. Schon der englischen Küste nahe, wendete Ruyter nach sechsstündigem Feuergefecht bei Eintritt der Dunkelheit (10 Uhr) mit seiner ganzen Flotte und ging unter kleinen Segeln auf seinen Ankerplatz zurück, den er am nächsten Nachmittage unbelästigt erreichte.

Auch diese Schlacht galt als unentschieden. Auf keiner Seite war ein Schiff verloren. Der Mannschaftsverlust war nicht so schwer als in der ersten und scheint bei den Gegnern etwa gleich gewesen zu sein; bei den Holländern betrug er nur 216 Tote und 285 Verwundete.[196] Zum Nahgefecht war es im allgemeinen nicht gekommen. Die Holländer wollen stets den Nahkampf erstrebt und insbesondere soll Ruyter versucht haben, in das rote Geschwader einzubrechen. Die Gegner jedoch sollen jeden Versuch durch Abhalten vereitelt haben; als die Gelegenheit sich endlich bot, wäre es zu dunkel gewesen. Nach französischen Angaben habe Ruyter überhaupt nur die Absicht gehabt, den Feind für längere Zeit aus dem Felde zu schlagen und ihn zu nötigen, infolge Munitionsverbrauchs und Beschädigungen seiner Schiffe die eigenen Häfen aufzusuchen, ohne dabei im Gefecht die holländische Flotte großen Verlusten auszusetzen. Allerdings scheint Rupert dem Nahkampf ausgewichen zu sein, obgleich er den Vorteil hatte, daß die Holländer vielfach ihre untersten Batterien nicht gebrauchen konnten. Der schlechte Zustand seiner Schiffe, die vielen Verwundeten von der ersten Schlacht an Bord und das Bestreben, den Feind von der Küste abzuziehen, erklären dies[341] wohl. Es wird aber auch auf den Geist in seiner Flotte geschoben, nämlich: Mißstimmung zwischen Engländern und Franzosen — vom Lobe der Franzosen englischerseits hört man dieses Mal nichts; d'Estrées klagt über Mangel an Unterstützung und mißbilligt in der Folge verschiedene Maßnahmen Ruperts — sowie Opposition mancher englischen Offiziere, die der katholischen Hofpartei angehörten, gegen Rupert; schon vor dieser zweiten Schlacht waren Stimmen laut geworden, zur Ausbesserung und Ausrüstung nach England zu gehen; am 15., als der Prinz nochmals fechten wollte, drang diese Ansicht im Kriegsrate durch.

Ruyter brach das Gefecht ab und ging auf den alten Ankerplatz, die Verbündeten liefen in die Themse ein. Wiederum behaupten diese, den Gegner zum Rückzug gezwungen zu haben, aber der Erfolg spricht dieses Mal doch noch mehr für Ruyter. Von einem gezwungenen Rückzuge kann nicht die Rede sein. Er brach ab, weil es Nacht wurde und sich der Kampf zu weit von seinem Stützpunkte entfernt hatte. Er ging mit „kleinen Segeln“ zurück, zur Fortsetzung des Kampfes am nächsten Tage bereit, und ist nicht verfolgt worden. Zwar scheinen die Verbündeten „nach einigen Stunden“ auch gewendet zu haben, sie gingen aber am nächsten Tage nach England, ohne etwas zu unternehmen; am 15. sind sie von den Holländern nicht mehr gesichtet worden. Seinen strategischen Zweck hatte Ruyter in noch höherem Maße als in der ersten Schlacht erreicht; wir werden gleich sehen, daß die Verbündeten für sechs Wochen die See ganz frei gaben, während die Holländer bald wieder weitere Unternehmungen ins Auge fassen konnten.

De Jonge führt an, nach Privatbriefen (z. B. Tromps) sei die holländische Flotte nach der Schlacht wegen Mangels an Munition auch nicht schlagfertig gewesen. Dieser Zustand sei aber von den Behörden geheim gehalten worden; ihm wurde auch nach Möglichkeit schnell abgeholfen.

Die Schlacht bei Texel. 21. August 1673. (In Holland auch Schlacht bei Kijkduin genannt.) Während Ruyter bei Schooneveld ausbesserte, ergänzte und nach und nach nicht unwesentlich durch neue Schiffe verstärkt wurde, hielt er beständig leichte Schiffe an der englischen Küste; am 19. Juni sandte er sogar ein Geschwader von 12 Kriegsschiffen und Fregatten, 2 Brandern und 4 Jachten unter Kontreadmiral den Haen zu einer, wenn nötig gewaltsamen, Erkundung ab. Den Haen trieb feindliche Vorposten in die Themse zurück und meldete am 25., daß die verbündeten Flotten eifrig ausrüstend zwischen Queensborough und Gravesend lägen, und daß große Truppenkörper zur Einschiffung zusammengezogen würden.

Clowes sagt, die Franzosen seien im Juni nach Brest gegangen und hätten sich erst Mitte Juli wieder mit den Engländern vereinigt. Alle anderen Quellen erwähnen dies nicht, so auch nicht die sonst so genauen alten Holländer, die stets nur von „den königlichen Flotten“ in der Themse sprechen. Ein Gegenbeweis dürfte auch zu finden sein in Jal: „du Quesne“, wo vermerkt ist, daß Generalleutnant Martel — vom Mittelmeer gekommen — am 18. Juni Brest verläßt, um mit einigen Schiffen zu d'Estrées zu stoßen, am 25. an die englische Küste kommt, Dover anläuft und endlich bei beständigem Gegenwinde die „vereinigte“ Flotte in der Themse trifft. Auch die Operationen der holländischen Flotte lassen vermuten, daß die Franzosen in England geblieben sind.

[342]

Ruyter glaubte nicht, daß der Feind schon bald wieder bereit würde, die Zukunft sollte ihm recht geben. Seine Flotte war Ende Juni seeklar, und Kriegsrat wie Deputierte beschlossen, an die englische Küste zu gehen, um dort möglichst viel Schaden anzurichten, vor allem aber um dem Feinde und ganz Europa zu zeigen, daß man nicht in die Häfen oder zwischen die Sandbänke getrieben sei — wie die Verbündeten ausgesprengt hatten —, sondern die See beherrsche. Es wurde sogar in Erwägung gezogen, sich eines französischen Hafens zu bemächtigen, um die Franzosen vom Landkriege abzuziehen, besonders von der Belagerung Maastrichts, doch kam die Sache vorläufig nicht zum Beschluß und auch nicht wieder zur Sprache; Maastricht fiel am 10. Juli. Am 3. Juli ging Ruyter in See, kreuzte etwa 10 Tage vor der Themse, trieb feindliche Vorposten den Fluß hinauf, kehrte aber dann nach der eigenen Küste zurück, weil sich eine ansteckende Krankheit schnell auf seinen Schiffen verbreitete; sie war zuerst unter den Leuten ausgebrochen, die im vorhergegangenen Winter zum Dienst am Lande und auf den Binnengewässern herangezogen und schweren Strapazen ausgesetzt gewesen waren. Er schiffte die Kranken aus, ersetzte sie nach Möglichkeit und hielt sich wieder in der Nähe Walcherens, um leichte Verbindung mit dem Lande zu haben und um bei den vorherrschend westlichen Winden zu Luward der ganzen holländischen Küste und der Themsemündung zu stehen, weil er die Nachricht erhalten hatte, die Verbündeten würden etwa am 24. Juli seeklar sein; am 28. meldeten dann auch Aufklärer, daß sie am Tage zuvor das Auslaufen beobachtet und bis zum Abend etwa 130 Segel gezählt hätten.

So lange hatte man gebraucht, die englische Flotte schlagfertig zu machen. Wiederum soll der Grund in dem mangelhaften Arbeiten der Verwaltung gelegen haben; es machte aber auch besondere Schwierigkeit, Mannschaften zu erlangen, die Volksstimmung wurde mehr und mehr einem Kriege gegen Holland und dem Bündnisse mit Frankreich abgeneigt; das Pressen brachte minderwertiges Personal, nur wenige gute und kriegserfahrene Seeleute.

Die Flotten der Gegner waren stärker als bei den vorhergegangenen Schlachten des Jahres 1673, sie bestanden aus:[197]

England: 60–62 Schlachtschiffen und Fregatten   28 Brandern 20–25
Transportern
und kleineren
Fahrzeugen
18 Jachten.
Frankreich: 28–30
 
Verbündete: 90   28
Holland: 75   22

Die Klassen entsprachen dabei den früheren Verhältnissen, es waren aber jetzt 6 englische Schiffe über 90 Kanonen und 6 holländische über 80 Kanonen darunter.

Wieder waren auf der englischen Flotte etwa 7000 Mann Landungstruppen eingeschifft und trotz der schlechten Erfahrung im Juni auch wieder auf[343] den Schlachtschiffen. 30000 Mann standen in England, besonders an der Themse, zum Einschiffen bereit und in Frankreich war gleichfalls ein Landungskorps aufgestellt. Die Geschwader und Divisionen wurden von denselben Flaggoffizieren wie im Juni geführt, nur war auf holländischer Seite Kontreadmiral den Haen an Stelle des gefallenen Vizeadmirals Schramm getreten und eine Division des französischen Geschwaders hatte der Generalleutnant de Martel übernommen — wie du Quesne ein alter, sehr tüchtiger Seeoffizier — die dritte behielt der Chef d'Escadre des Ardens. Das französische Geschwader bildete die Vorhut der Verbündeten, auf ausdrückliches Verlangen Ludwigs XIV. wie man sagt, auch focht es dieses Mal jedenfalls „unvermischt“.

Das nächste Zusammentreffen der Gegner sollte entscheidend für den Krieg werden, aber drei Wochen vergingen, ehe es stattfand. Ruyter ging am 29. Juli unter Segel, hielt sich in der Nähe der Küste und bekam den Feind am 30. abends in Sicht. Am 31. Juli und 1. August manövrierten die Flotten in Sicht voneinander, die Verbündeten waren bestrebt, den Gegner von der Küste abzuziehen. Ruyter aber hatte neue Nachrichten erhalten, daß in der Themse Kauffahrteischiffe zusammengezogen würden, und nahm an, daß Rupert ihn verlocken wolle, in den Kanal hinein zu folgen, damit dann in seiner Abwesenheit die Truppen von der Themse aus nach Holland hinübergeworfen werden könnten; er ging deshalb getreu seinem alten Plan nach Schooneveld zurück und der Feind kam am 1. August abends aus Sicht.

Die verbündete Flotte zeigte sich nun am 2. vor der Maasmündung, am 3. vor Scheveningen, am 4. vor Egmond, Helder und Texel, zuweilen leichte Schiffe nahe unter Land sendend. Die ganze Küste war alarmiert. Der Strand wurde durch Bürgerkompagnien der naheliegenden Städte besetzt, aber auch reguläre Truppen und Geschütze wurden herangezogen; ein berittener Meldedienst und ein Signalsystem wurden längs der Küste organisiert, um die ernste Bedrohung eines bestimmten Punktes weitermelden zu können. Am 4. August erschien der Prinz von Oranien von der Feldarmee selbst im Haag. Auch die Flotte wurde näher herangezogen; sie ankerte am 8. bei Scheveningen, und hier bat Ruyter um nähere Order. Seine bisherige, „den Feind anzugreifen, falls es zum Vorteil des Landes wäre,“ erschien ihm zu unbestimmt, der Übermacht des Feindes gegenüber war ihm die Verantwortung zu groß. Schon die Nähe seiner Flotte hatte ja bisher ernste Unternehmungen des Feindes gehindert; die Gefahr einer Landung war wesentlich abgeschwächt, weil man Zeit gehabt hatte, die bedrohten Punkte zu besetzen. Ruyter lag mithin wohl der Gedanke am nächsten, weiter in seiner abwartenden Stellung zu bleiben und seine Flotte nur im dringendsten Falle einzusetzen.

Aber Holland drohte noch eine andere Gefahr. Man erwartete die Heimkehr des großen ostindischen Convois durch die Nordsee zu jeder Stunde, und der Feind stand zwischen der eigenen Flotte und den dem Convoi nächstliegenden Häfen; das glückliche Einlaufen der Handelsschiffe sollte neue[344] Mittel zur Weiterführung des Krieges liefern. Der Kriegsrat der Flotte sah wohl ein, daß dieser Umstand dafür spräche, alles zu versuchen, um den Feind von der Küste zu vertreiben. Die Generalstaaten traten gleichfalls hierfür bei dem Prinzen ein und ersuchten ihn, die schwachen Besatzungen der Schiffe durch ein Regiment Seesoldaten, das am Lande wohl für kurze Zeit zu einem entscheidenden Schlage auf See zu entbehren sei, zu verstärken.

Beratungen am Lande und auf der Flotte[198] — Oranien begab sich selbst am 12. August, stürmisch begrüßt, auf Ruyters Flaggschiff — führten endlich zu dem Beschluß, den Feind zur See je eher je besser anzugreifen, um die Küste freizumachen. Wieder sah das ganze niederländische Volk auf die Flotte als letzte Rettung; in allen Städten wurden tägliche Betstunden für den glücklichen Ausgang der bevorstehenden Seeschlacht abgehalten und man ordnete an, zum allgemeinen Gottesdienst zu läuten, sobald der Donner der Kanonen den Kampf der Flotte verkünde.

Am 13. August ging Ruyter unter Segel, um den Feind zu suchen, der unter Texel oder Vlieland liegen sollte. Die Windverhältnisse — sowohl Stille wie Sturm und im allgemeinen stets Gegenwinde — ließen nur geringen Fortschritt machen, da Ruyter sehr vorsichtig segelte: er war stets bestrebt, nahe der Küste zu bleiben, Beschädigungen zu vermeiden und seine Flotte gut beieinander und in Formation zu halten; mußte er doch bei dem für den Feind günstigen Winde jederzeit auf einen Angriff gefaßt sein.

Erst am 18. ankerte der Admiral wegen frischen Gegenwindes etwa 15 sm. südlich von Helder, zwischen Petten und Camperduin, und blieb hier, besseres Wetter abwartend, am 19. liegen; seine Vorposten hatten den Feind nördlich von Texel, gleichfalls vor Anker liegend, gesichtet. In diesen Tagen fingen die Franzosen einen Ostindienfahrer ab, der dem Convoi vorgelaufen war.

Der Verlauf der Schlacht.[199] Am 20. August lichtete Ruyter Anker und steuerte bei flauem östlichen Winde Nordnordost. Um 10 Uhr vormittags kam der Feind nördlich voraus in Sicht und hielt mit Kurs Südsüdost auf die Holländer zu, bestrebt, die Luvstellung zu halten oder zu gewinnen. Die Angaben über die Windverhältnisse dieses Tages sind nicht sicher; die alten und neuen Holländer sprechen nur von östlichem Winde, die neueren Engländer und Franzosen sagen, der Wind sei im Laufe des Tages nach Nordwest gegangen. Es ist dies ohne Bedeutung, der Wind scheint sehr flau gewesen zu sein, da die Schiffe zuweilen nur mit dem Strom trieben; nur bei flauem Winde auch konnte Ruyter so manövrieren, wie er tat.

Es kam an diesem Tage noch nicht zur Schlacht: Ruyter hielt zurück, weil einige Schiffe nicht auf Position waren; die Verbündeten, die nach übereinstimmenden Aussagen zwar den ganzen Tag die Luvstellung hatten, griffen[345] nicht an, weil sich der Gegner stets nahe unter der Küste hielt. Ruyter wendete am Nachmittag wieder nach Süden, führte unter sorgfältigem Loten seine Flotte bis ganz dicht an den Strand heran und hielt dann nach Mitternacht wieder ab. Die Gegner folgten allen Bewegungen, aber stets in vorsichtig bemessener Entfernung von der Küste. Ruyters Manöver nun, gestützt auf seine Kenntnis des Fahrwassers und den geringeren Tiefgang seiner Schiffe sowie auf richtige Beurteilung der Wind- und Stromverhältnisse, hatten den Erfolg, daß er am Morgen des 21., als der Wind aus Ostsüdost auffrischte, zu Luward des Gegners stand — nur 2 Seemeilen von Land (zwischen Petten und Camperduin), so daß der Seeraum des Feindes nach Luward hin beschränkt war; er hatte seinen Gegner in der Dunkelheit ausmanövriert.

Als die Holländer jetzt mit vollen Segeln zum Angriff herankamen, wendeten die Verbündeten und erwarteten sie über Steuerbord-Bug beim Winde. Ruyter steuerte zunächst etwas nach Norden, wendete dann geschwaderweise, hielt kühn auf den Feind ab und legte sich ihm querab über St. B. Bug. Geschwader stand gegen Geschwader: Bankers gegen d'Estrées, Ruyter gegen Rupert, Tromp gegen Spragge; die Mitten und die Nachhuten der Gegner waren sich ziemlich gleich, Bankers jedoch war wesentlich schwächer als d'Estrées.

Die allgemeinere Annahme geht nämlich dahin, daß an diesem Tage auf Anordnung Ruyters das Geschwader Bankers nur aus 10 oder 12 Schiffen bestand, die beiden andern holländischen aus je 32 oder 33. Auf diese Weise war die Übermacht der Verbündeten bei Mitte und Nachhut ausgeglichen, während den 30 Franzosen eben nur 10 oder 12 Schiffe gegenüberstanden; Ruyter soll die Absicht gehabt haben, diesen Gegner nur zu beschäftigen. Nehmen wir dies vorläufig als zutreffend an.

Infolge der verschiedenen Art, mit der die Geschwaderchefs der Verbündeten den Angriff aufnahmen, entwickelten sich in dem ersten Abschnitt der Schlacht drei getrennte Gefechte:

D'Estrées steuerte hoch am Winde, um die Luvstellung zu gewinnen oder doch die Spitze des Feindes von Luward her zu dublieren — wie er später sagt, auf Anordnung Ruperts; Rupert hielt während des Gefechtes beständig ab, um den Feind von der Küste abzuziehen, damit dieser sich bei etwa umspringendem Winde nicht wieder ihres Schutzes bedienen könne; Spragge drehte bei, um möglichst schnell zum Kampf auf nächste Entfernungen zu kommen — er soll aus irgend einem Grunde persönlichen Haß auf Tromp gehabt haben und hatte seinem König versprochen, jenen tot oder lebendig zurückzubringen oder das eigene Leben zu lassen. Diese Gegner trieben natürlich schnell nach Lee (Lage 1 der Skizze). So mußten sich die Einzelgefechte der Geschwader bald voneinander örtlich trennen (Lage 2).

Bei dem Kampf der Vorhuten gelang es wirklich dem Führer der ersten französischen Division (Martel) vorzulaufen, zu wenden und die Holländer von Luward aus zu dublieren. Bankers aber erkannte die Gefahr. Er hielt sofort ab — scheinbar ehe Martel von Luv aus angriff, da dessen Schiffe infolge etwas umspringenden Windes lange in der Wendung[346] liegen geblieben sein sollen —, lief mit seinen 12 Schiffen durch die in Lee gebliebenen 20 Franzosen, die in sich schlecht aufgeschlossen waren, hindurch und steuerte nach dem Gefechtsfelde der Mitten zur Unterstützung Ruyters. Das kurze Gefecht hier war sehr heftig gewesen, Bankers selbst entging nur knapp der Vernichtung durch einen mit hervorragendem Schneid geführten Brander, aber d'Estrées folgte nicht. Die Franzosen brauchten lange Zeit, „die Ordnung herzustellen und auszubessern“; tatsächlich hörte ihre Teilnahme an der Schlacht auf, obgleich Rupert versuchte, sie durch Signal heranzuziehen.

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Schlacht bei Texel, 21. August 1673.

Von dieser Darstellung weichen die holländischen Angaben — alte wie neue — wesentlich ab. Sie erwähnen nicht, daß Bankers' Geschwader schwächer gewesen sei. Sie sagen sonst: Anfangs nahmen die Franzosen den Kampf mit Mut auf, dann zog sich d'Estrées nach einem Branderangriff zurück und mit ihm die meisten Schiffe, endlich auch Martel; die Franzosen brachen das Gefecht ab; Bankers ließ 8 Schiffe zu ihrer Beobachtung zurück und segelte mit den übrigen zu Ruyter.

Für diese Auffassung dürfte sprechen, daß Ruyter vor der Aktion kaum genau wissen konnte, welches Geschwader den Franzosen gegenüberstehen würde. Ursprünglich waren die Geschwader gleich stark, Ruyter hätte die Änderung also erst am Morgen vornehmen müssen, und es ist auffallend, daß die sonst gerade in solchen Angelegenheiten so genaue alte Quelle („Leben Ruyters“) nichts davon erwähnt. Gegen diese Auffassung spricht, daß die englischen und französischen Quellen ausdrücklich so erzählen, wie vorstehend geschildert, auch die alten, z. B. ein Bericht Colberts an seinen König. In einem Bericht des Intendanten von Brest — beauftragt mit Untersuchung eines Streites zwischen d'Estrées und Martel, von dem später noch die Rede sein wird — heißt es sogar:[347] „Man konnte glauben, daß sich in allen diesen Schlachten Ruyter niemals die Mühe gab das französische Geschwader anzugreifen, so hatte er in der letzten Schlacht (also hier) nur 10 Schiffe des seeländischen Geschwaders geschickt, um d'Estrées zu beschäftigen.“ In diesem Falle fiele also das Verdienst der so erfolgreichen taktischen Maßregel Ruyter zu; Bankers zeigte dann im Gefecht durch sein Verfahren große Umsicht. Nach der holländischen Erzählung stände Bankers in erster Linie das Verdienst zu. Aber sein Verhalten ist auch dann eine Frucht der Erziehung Ruyters; hatte doch dieser dazu das Beispiel am 7. Juni gegeben und immer wieder, so noch einige Tage vor der letzten Schlacht, darauf hingewiesen, den Zusammenhang der ganzen Flotte zu wahren und darauf zu achten, wo gegenseitige Unterstützung nötig sei.

Der Kampf der Nachhuten wurde während dieser Zeit auf nächste Entfernungen mit größter Hartnäckigkeit von beiden Seiten durchgefochten, auch Tromp hatte beigedreht. Die beiden Geschwaderchefs waren ähnliche Charaktere, wie denn Spragges fehlerhaftes Vorgehen hier ganz dem Tromps bei früheren Gelegenheiten gleicht. Sie lagen 3½ Stunden mit ihren Flaggschiffen backgebraßt nebeneinander. Hierbei soll Tromp während der ersten drei Stunden gar keine Verluste gehabt haben — auch der Verlust einiger anderer Schiffe, z. B. Ruyters, in dieser Schlacht war gering —, was nicht für die bisher so berühmte englische Artillerie spricht; es war wohl eine Folge des erwähnten schlechten Ersatzes. Die beiden Geschwader kämpften in voller Melee; beide Chefs mußten ihre Flaggschiffe wechseln und stürzten dann wieder aufeinander ein; bei einem abermaligen Verlassen seines Schiffes ertrank Spragge, aber auch auf holländischer Seite fiel Vizeadmiral Sweers. Die Engländer hatten im allgemeinen die größeren Verluste und Beschädigungen.

Im Gefecht der Mitten scheinen die Aussichten zuerst gleichgestanden zu haben, infolge des beständigen Ausweichens Ruperts kam es nicht zu so nahem Kampfe wie bei der Nachhut; doch wird die gute Ordnung in Ruyters Geschwader hervorgehoben, nur einige Schiffe der Division van Nes waren lau. Als aber Bankers herankam, änderte sich die Lage, nun standen 42 Holländer gegen 30 Engländer. Dabei behielt Ruyter seine Kräfte in der Hand, schnitt durch Abzweigung von 8 Schiffen die Division Chicheley ab und dublierte so die beiden anderen des Feindes. Es spricht für die Engländer, daß diese Divisionen nicht vernichtet wurden, sondern sich sogar nach und nach, allerdings unter schweren Verlusten, der Lage wieder entzogen (Lage 3).

Beide Flottenchefs waren in Unsicherheit und in Besorgnis über das Schicksal ihrer Nachhut, und so steuerten beide nach dem Gefechtsfelde dieser hin; auf Parallelkursen in Schußweite aber wie in stillschweigender Übereinkunft ohne zu feuern. Beide sparten wohl Munition; die Schlacht hatte um 8 Uhr morgens begonnen und die Wiedervereinigung der Mitten mit den Nachhuten fand etwa um 4 Uhr nachm. statt. Wahrscheinlich war es die höchste Zeit für das blaue Geschwader, daß Rupert eintraf. Tromp löste seine Melee, beide Flotten ordneten sich und um 5 Uhr begann ein neues Gefecht, von dem die Quellen nur melden, daß es bis 7 Uhr sehr blutig gewesen sei.

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Ruyter scheint um diese Zeit den Rückzug eingeleitet zu haben, wahrscheinlich weil nun endlich die Franzosen herankamen und weil es dunkel wurde, aber auch die Engländer brachen ab. Die holländische Flotte kreuzte am 22. August vor Texel und ankerte am 23. in See zwischen Texel und Vlieland, um von hier aus die Einfahrten für den erwarteten Convoi zu decken. Ein sofort eingerichteter und ununterbrochen durchgeführter Aufklärungsdienst ergab während der nächsten Tage, daß vom Feinde in gefahrdrohender Nähe nichts zu sehen sei. Die Verbündeten hatten gleich nach der Schlacht zur englischen Küste hinübergehalten, um ihre schwerbeschädigten Schiffe in Sicherheit zu bringen. In dieser Schlacht verlor keine Partei Schiffe, außer verbrauchten Brandern; die Beschädigungen scheinen auf englischer Seite größer gewesen zu sein — nach holländischen Angaben waren hier 12 Schiffe entmastet, während nur 2 holländische gezwungen waren, einzulaufen. Die Holländer verloren die Admirale Liefde und Sweers sowie 6 Kommandanten, die Engländer den Admiral Spragge und 7 Kommandanten; der Offizier- und Mannschaftsverlust war sonst auf englischer Seite wieder weit stärker (nach holländischen Angaben etwa 2000 Tote und Verwundete); wiederum sprach wohl die Überfüllung der Schiffe mit Landsoldaten hierbei mit.

Der Sieg der Holländer, so glaube ich das Ergebnis dieser Schlacht bezeichnen zu können, ist in erster Linie der Umsicht Ruyters und Bankers einerseits, der schlechten Führung auf seiten der Gegner anderseits zuzuschreiben. Wie allgemein üblich, hatte Ruyter den Angriff so angesetzt, daß Geschwader auf Geschwader stieß; wenn nun Bankers und Tromp zunächst von ihrer Mitte abkamen, so war das dieses Mal natürlich, es war hervorgerufen durch die Manöver ihrer Gegner. Bankers erfüllte damit auch zugleich seinen Zweck, die Franzosen zu beschäftigen; mit Umsicht und zum allgemeinen Besten wußte er aber abzubrechen und zur Mitte zurückzukehren, als seine Lage gefährlich wurde. Ruyter verstand es dann, die erlangte Übermacht auszunutzen. Auch Tromp ist dieses Mal wohl zu entschuldigen, wenn er den angebotenen Nahkampf annahm; als er dies tat, konnte er wohl kaum übersehen, daß er sich dadurch dauernd von Ruyter trennen würde, später war er zu heiß engagiert, um abzubrechen.

Auf seiten der Verbündeten liegt die Sache ganz anders. Spragge ließ seinen Flottenchef weiter segeln, um, wie bereits gesagt, persönlichen Haß oder Ehrgeiz zu befriedigen. Rupert beschwerte sich bitter über ihn und ebenso über die Handlungsweise d'Estrées'. Dieser warf dagegen Rupert vor, durch sein Abhalten die Trennung herbeigeführt zu haben. Es ist ja auch richtig: Beabsichtigte der Flottenführer, durch solche Manöver den Feind von der Küste abzuziehen, so hätte er es vorher den Geschwaderchefs bekannt geben müssen.

D'Estrées' Verhalten gab Anlaß zu vielen Berichten, Verhandlungen und Untersuchungen,[200] deren Ergebnis ungefähr folgendes ist: Warum[349] trennte sich d'Estrées? Er habe Anweisung gehabt, die Luvstellung zu gewinnen; dies habe er mit seiner Spitzendivision erreicht. Der Führer dieser aber, Martel, habe zu spät gewendet, zu spät von Luward angegriffen und dadurch Bankers Durchbruch möglich gemacht. Hiergegen wendet sich Martel schroff, da er seine Aufgabe ausgeführt und den Gegner zu dem verzweifelten Manöver gezwungen habe, d'Estrées' Aufgabe wäre nun gewesen, jenen dabei zu vernichten; ja, d'Estrées habe von Anfang an die Schwäche des Feindes übersehen müssen, ihn (Martel) allein demselben gegenüberstellen und sich zu Rupert begeben können — dies ein Vorwurf, den auch Prinz Rupert erhob. Warum kam d'Estrées später nicht heran? Er habe geglaubt, gut zu tun, wenn er sich die Luvstellung für einen späteren Kampf (am nächsten Tage?) möglichst sichere; das Signal Ruperts, das ihn heranrief, habe er nicht verstanden. Er sagt, es sei signalisiert: „venir mouiller (ankern) dans les eaux de l'amiral“; Rupert sagt, das Signal habe bedeutet »venir dans les eaux de l'amiral. Möglich, daß das Signal das erste bedeutete, daß bei der Unvollkommenheit des Signalsystems Rupert es zum Heranruf benutzte, und er hat wohl recht mit der Behauptung, es wäre nicht mißzuverstehen gewesen; d'Estrées kam ja aber auch nicht zum „Ankern“ heran! Im übrigen behauptet dieser, er habe nur etwa eine Stunde ausgebessert, dann aber Rupert erst am Abend erreichen können, da dieser immer abgehalten habe; Bankers hat doch aber die Mitten bald erreicht, und außerdem sagen die meisten Quellen (auch französische), das französische Geschwader habe mehrere Stunden rangiert. Es liegen doch wohl grobe Fehler d'Estrées' vor; Martels Ausfälle gegen ihn waren derart, daß dieser wegen derselben in die Bastille kam.

Wiederum ging das Gerücht, der französische Chef habe geheimen Befehl gehabt, seine Flotte zu schonen, worauf wir später zurückkommen werden; anderseits geben Personalnotizen über d'Estrées vielleicht auch einige Aufklärung:

D'Estrées war einer jener von der Armee übernommenen Offiziere, bis 1668 Generalleutnant und gleich als Vizeadmiral angestellt, tüchtig und tapfer, aber ohne jede seemännische Erfahrung. Von den alten Seeoffizieren, vor denen er einrangiert, wurde er natürlich scheel angesehen, und dabei stieß er sie durch hochmütiges Wesen vor den Kopf. So hatte ihm 1672 du Quesne weichen müssen, Martel hatte er gleich bei dessen Eintreffen im Juli 1673 durch Unterlassung zustehender Ehrenbezeugungen und später durch den Tenor in schriftlichen Befehlen beleidigt. Er war ferner in übergroßem Selbstbewußtsein unzugänglich für Ratschläge erfahrener Seeleute und mischte sich doch in technische Einzelheiten. Ein schlagendes Beispiel der Art sei gegeben, das auch ein Bild der Seegebräuche dieser Zeit zeigt, ehe sich ein Seeoffizierkorps voll ausgebildet hat: 1678 strandete d'Estrées mit allen 8 Schiffen seines Geschwaders in Westindien. Sein Flaggkapitän erzählt darüber: „Mittags hatte der Admiral mit den Steuerleuten das Besteck in die Karte eingetragen. Als ich in die Kajüte treten wollte, traf ich auf den weinend herauskommenden dritten Steuermann. Er sagte mir, er sei vom Admiral beschimpft, weil er mehr Abtrift angenommen habe als die anderen. Mir sagte dann der Admiral: der Lump läßt mich einen Kurs laufen, der Teufel weiß wohin.“ Naiv fügt der Flaggkapitän hinzu: „Da ich nicht wußte, wer recht habe, sagte ich nichts, um nicht einen gleichen Sturm auf mich zu laden.“ — Einige Stunden später ging das Geschwader auf einer Reihe von Felsen, den Avesinseln, verloren.

[350]

Einen Sieg der Holländer können wir also die Schlacht nennen. Alle die Umstände, die nach den beiden Schlachten von Schooneveld zugunsten der Holländer sprachen, treten hier in taktischer und strategischer Beziehung noch weit schärfer hervor: Die Verbündeten haben dieses Mal das Feld geradezu geräumt, weder in der Nähe des Schlachtfeldes geankert, noch eine Verfolgung auch nur scheinbar versucht; sie sind sofort nach der englischen Küste gegangen, um ihre vielen beschädigten Schiffe in Sicherheit zu bringen; ihr Mannschaftsverlust war wieder größer. Der strategische Erfolg der Schlacht war noch bedeutender. Nicht nur war wiederum die augenblickliche Gefahr einer Landung abgewendet, die Verbündeten gaben vielmehr den Plan, von der Küste aus in den Landkrieg einzugreifen, jetzt ganz auf. Wie wir gleich sehen werden, zeigten sich ihre Flotten nicht mehr auf dem Meere, so waren auch die niederländischen Häfen dem Handel wieder geöffnet; der ostindische Convoi kam glücklich ein, einige Schiffe waren den Engländern im Atlantik (bei St. Helena) in die Hände gefallen. Der moralische Einfluß des endgültigen Abschlagens der verbündeten Flotten ging noch weiter, er führte zum Frieden mit England; König Karl konnte das schon lange unpopuläre Bündnis mit den Franzosen nicht länger aufrecht erhalten, nachdem diese sich in den Augen seines Volkes als ungenügende, unzuverlässige, wenn nicht sogar verräterische Verbündete gezeigt hatten.

Die große Bedeutung, die diese letzte Schlacht haben würde, war in Holland allgemein erkannt. Wie angeordnet, strömte das Volk in den Kirchen zusammen, als der Donner der Kanonen in Amsterdam und ganz Nordholland den Zusammenstoß der Flotten meldete, und wohl aus vollem Herzen stieg das Gebet „um den Sieg des Vaterlandes und der gerechten Sache“ zum Himmel auf. Den Eindruck auf das englische Volk hatte Oranien vorausgesehen; als er am 12. August die Flotte besuchte, wies er die höheren Offiziere und die Besatzung des Flaggschiffes darauf hin, daß noch ein Erfolg zur See den Frieden mit England und damit eine wichtige Wandlung im Kriege bringen würde.

Der kleine Krieg gegen den Handel und in den Kolonien war gleichfalls zugunsten der Holländer ausgefallen. Wir wissen, daß sie den eigenen Handel in den nördlichen Gewässern verboten hatten; es wird ausdrücklich gesagt „im Kanal und Nordsee“, die fernen Meere werden dieses Mal nicht erwähnt. Die anfänglich untersagte Kaperei wurde im Herbst 1672 freigegeben und sofort lebhaft aufgenommen. Allein von Seeland, das wie stets darin voranging, liefen gegen 100 Fahrzeuge aus; sie machten reiche Beute, hatte sich doch der englische Handel in den letzten Jahren sehr gehoben. Während der Indiensthaltung der großen Flotte im Sommer 1673 aufs neue verboten, wurde das Auslaufen der Kaper im Herbst auch wieder erlaubt.

In Indien gelang es den Holländern, den Fortschritten der Franzosen wirksam entgegenzutreten. In Westindien griff 1673 ein kleines Geschwader, freilich ohne dauernden Erfolg, englische und französische Niederlassungen an. New York wurde den Engländern entrissen, diese nahmen die damals noch unwichtige Insel Tabago; die beiden Eroberungen wurden[351] beim Friedensschluß zurückgegeben. Dagegen behielten die Engländer St. Helena als wichtigen Stützpunkt gegen die holländische Kapkolonie und für den Weg nach Indien. Die Insel war ursprünglich von Holland besetzt, fiel 1657 an England, wurde 1672 von Holland, aber schon 1673 wieder von England erobert (vgl. über Kolonien auch Kapitel XII).

Der weitere Verlauf des Krieges bis zum Frieden mit England (Westminster 19. Februar 1674) bringt keine wichtigen Ereignisse zur See mehr. Die holländische Flotte wurde schleunigst wieder schlagfertig gemacht und während dieser Zeit der Feind stets beobachtet. Erkundungen und Nachrichten von Kauffahrern ergaben, daß die verbündete Flotte infolge stürmischen Wetters und Gegenwindes erst Anfang September in die Themse eingelaufen sei, später, daß die englische Flotte abrüste und die französische nach ihren Häfen abgegangen wäre. In Holland beabsichtigte man zuerst, sobald als möglich in See zu gehen und den Convoi auf der Doggerbank zu erwarten; als man dann aber vermutete, dieser sei mehr oder weniger versprengt, wurde beschlossen, die Flotte vor die Themse zu senden, um so die einzeln zurückkehrenden Indienfahrer besser schützen zu können und zugleich dem Gegner und Europa zu zeigen, daß man schlagfertig geblieben sei.

Ruyter ging am 12. September in See, aber beständig stürmisches Wetter hinderte die Ausführung des Planes; die Flotte wurde mehrmals versprengt. Am 22. September wurde sie aufgelöst und der Winterdienst eingesetzt, dagegen gab man jetzt die Kaperei frei. Die einlaufenden Kriegsschiffe wurden mit Jubel und Ehren begrüßt; Ruyter und verschiedene Admirale erhielten Dotationen. Die Marine hatte aber auch ihre Pflicht getan; der Landkrieg mit Frankreich nahm jetzt eine andere Wendung, da die Truppen von der Küste und auch Mannschaften von der Flotte frei wurden. Wenn er auch noch vier Jahre dauern sollte, so waren doch die Niederlande bald nicht mehr der Schauplatz.

Oranien eroberte Naarden am Zuidersee (12. September); wie Muyden wichtig war zum Halten der durch die Überschwemmung geschaffenen Defensivstellung, so war es Naarden zu Offensivunternehmungen, die jetzt von hier aus ins Werk gesetzt wurden. Die Franzosen hielten nicht lange mehr stand, sie waren auch sonst bedroht. Infolge ihres Auftretens im Deutschen Reich, Verletzung der Neutralität in verschiedenen Gebieten, mußte der Kaiser endlich Ernst machen und auch Spanien raffte sich auf; um noch rechtzeitig seine Niederlande vor der Eroberungspolitik Ludwigs XIV. zu sichern. Der Kaiser und Spanien schlossen am 30. August 1673 ein Bündnis mit Holland.

Ludwig versuchte jetzt unter milderen Bedingungen mit der Republik Frieden zu schließen und gab seine Pläne hier vorläufig auf, um den Krieg mit dem Hause Österreich in Deutschland und Spanien durchführen zu können; Holland weigerte sich.

Montecuculi kam den Rhein herab, um Oranien die Hand zu reichen; dieser drang nach Belgien ein und vereinigte sich, durch ein spanisches Korps verstärkt, bei Andernach mit den Österreichern. Gemeinschaftlich eroberten sie Bonn (12. November) und mehrere Festungen am Unterrhein; sie drohten so, den Franzosen den Rückzug abzuschneiden. Ludwig XIV. gab deshalb auf Rat Turennes die gefährliche vorgeschobene Stellung in den Niederlanden auf, seine Truppen räumten schleunigst die Provinzen Utrecht und Geldern — nicht ohne diese noch gründlich zu brandschatzen; Marschall Luxembourg brachte[352] nur mit Mühe seine Armee an Montecuculi und Oranien vorbei in Sicherheit. Auch die Bischöfe räumten Oberyssel; das Gebiet der Niederlande war frei vom Feinde.

Der Krieg mit England, und damit der eigentliche Seekrieg, kam bald zu Ende. Von Holland angeknüpfte Verhandlungen wurden von Spanien unterstützt. Dieses drohte bei weiterem Kriege sein friedliches Verhältnis mit England abzubrechen; wenn man nun hier auch diesen Gegner nicht hoch einschätzte, so fürchtete man doch, daß dadurch dann der eigene blühende Handel mit Spanien den Niederlanden zufallen würde. Aber auch sonst war schon länger, wie bereits angedeutet, die Volksstimmung für die Holländer und gegen die Franzosen. Jene hatten sich als brave und tüchtige Gegner die Sympathie erworben, diese waren mindestens unzuverlässige Verbündete gewesen; außerdem regte sich immer mehr der protestantische Geist und das Mißtrauen gegen den König und seine Partei mit ihren Plänen hinsichtlich der inneren Politik. Endlich fürchtete man einen neuen Wettbewerb des Seehandels Frankreichs, dessen Aufblühen durch zu großes Schwächen der Republik begünstigt werden würde, mehr als den alten mit Holland. Als Karl II. im Januar 1674 neue Mittel für Rüstungen verlangte: „nur um dadurch den Frieden schneller herbeizuführen“, erwiderte das Haus der Gemeinen einstimmig, es würde nur dann Gelder bewilligen, wenn Holland billige Friedensbedingungen ausschlüge. In Holland hatte man zwar für das Jahr 1674 die Ausrüstung einer sehr starken Flotte — 84 Schlachtschiffe über 40 Kanonen usw. — beschlossen, was wohl auch einen Druck auf Beschleunigung der Verhandlungen ausüben sollte und auch ausübte, man war aber doch sehr zum Nachgeben bereit. So mußte auch Karl sich fügen und am 19. Februar 1674 wurde der Frieden in Westminster geschlossen.

Wie viel Holland am Frieden lag, zeigen die Bedingungen, die immer noch sehr günstig für England waren, wenn sie auch bei weitem nicht den von Karl früher geforderten entsprachen: Holland mußte auf für England vorteilhafte Vereinbarungen über den Handel in Ostindien eingehen und die während des Krieges wiedergenommene Kolonie New York (von nun ab für immer) zurückgeben; 2 Millionen Gulden an Karl zahlen und vor allem das Flaggenrecht in ausgedehntem Maße anerkennen. Sogar die in England geworbenen Regimenter blieben beim französischen Heere; sie wurden nur auf den Aussterbe-Etat gesetzt, ihre Mannschaft durfte nicht weiter ergänzt werden.

Das Flaggenrecht wurde strenger und genauer festgesetzt. Der Flaggengruß (Seite 229) wurde jetzt von allen holländischen Kauffahrern, Kriegsschiffen und Flotten jedem englischen Kriegsfahrzeuge gegenüber in den englischen Gewässern verlangt. Da der Umfang dieses Machtbereichs in den früheren Verträgen unerörtert geblieben war, wurde er jetzt auf das uns bekannte weite Gebiet (Seite 189) festgesetzt. Auch wurde jetzt besonders betont, daß Holland damit Englands Vorherrschaft zur See anerkenne, während nach dem zweiten Kriege gesagt war, der Gruß gelte der „Majestät“ des Königs.

[353]

So endete der für lange Zeit letzte Krieg zwischen England und Holland. Die Beziehungen der beiden hartnäckigen Gegner wurden bald noch inniger durch Abschluß eines Handelsvertrages (Dezember 1674) und durch die Verheiratung Wilhelms von Oranien mit Maria von York, der ältesten Tochter des späteren Königs Jakob II. Infolge dieser Heirat wurde Oranien, schon durch seine Mutter ein Enkel Karls II., neben Maria König von England (1688).

Mit dem Frieden zwischen England und Holland hört der weitere Krieg Frankreichs und Hollands auf, ein großer Seekrieg zu sein. Diese beiden Länder führten jetzt vorwiegend einen Landkrieg. Zusammenstöße zur See fanden fast nur in fernen Gewässern statt; sie sollen unter „Kolonien“ (Kapitel XII) oder unter „Nebenkriegen“ (im nächsten Kapitel; insbesondere Ruyters letztes Auftreten bei Stromboli und Agosta) angeführt werden. Der weitere Krieg brachte aber England noch unmittelbar große Vorteile, da ihm während seiner Dauer der europäische Zwischenhandel Hollands größtenteils zufiel.

Bemerkenswertes im dritten Kriege.[201] Beim Material ist zwar keine große Änderung in der Anzahl der Schiffe eingetreten, aber es sind doch Fortschritte zu verzeichnen. Auf beiden Seiten hat sich die Vertretung der Klassen in der Gesamtzahl der Schiffe nicht unbedeutend verschoben. Die Hauptkraft der Engländer liegt jetzt in Schiffen von 50–60 Kanonen und in den ganz schweren über 80 Kanonen. Die alte Überlegenheit der englischen Flotte in ihrer Bestückung ist durch die Vermehrung dieser schwersten Schiffe noch gewachsen, da diese auch das schwerste Kaliber führen, das Holland gar nicht besitzt. Die Hauptkraft der Holländer liegt in Schiffen von 60–70 Kanonen, die aber, wie wir wissen, artilleristisch nicht viel mächtiger als englische 50–60 Kanonen-Schiffe sind; die Franzosen haben bei der Gründung ihrer Marine besonders 60–70 Kanonen-Schiffe und solche über 80 Kanonen gebaut — diese letzteren treten allerdings nicht auf. Wir rechnen zwar zu den Schlachtschiffen noch immer alle Schiffe über 40 Kanonen, aber die zu 40–50 Kanonen haben bei Engländern und Holländern in den Flotten sehr abgenommen, bei den Franzosen sind sie überhaupt nicht vorhanden. Dagegen ist die Zahl der Schiffe mit 20–40 Kanonen — bei den Holländern und Franzosen schon ausdrücklich „Fregatten“ genannt — nicht zurückgegangen, die der noch kleineren (in Holland Advisjachten genannt; von 1674 an werden statt ihrer meist „Snauwen“ erwähnt: Fahrzeuge mit 8 Kanonen, 36 Mann, Kuttertakelage) ist sogar wesentlich gestiegen. Man ersieht daraus, das einerseits von dem Schlachtschiff (Linienschiff) immer mehr Gefechtskraft verlangt wird — die Linie wird dadurch mächtiger und auch schon etwas kürzer —, daß anderseits dem Aufklärungs- und Meldedienst mehr Wert beigelegt wird.

[354]

Wir haben früher gesagt (Seite 168 u. 171), der Fortschritt in der Artillerie läge in der Zeit des dritten Abschnittes mehr in der planmäßigen Bestückung der Schiffe als in der Verbesserung der Waffe selbst. Im dritten Kriege haben wir nun die auffallende Erscheinung, daß trotz schärfster Aktionen in nächster Nähe der Verlust an Schiffen weit geringer ist als in den beiden ersten Kriegen; die Artillerie muß also mit dem Fortschritt im Schiffbau nicht Schritt gehalten haben. Ein Hauptfortschritt im Schiffbau ist in diesem Zeitabschnitt ja ebenfalls die Durchführung einer Klasseneinteilung, aber die Schiffe selbst wurden doch auch besser gebaut. Die Möglichkeit, taktische Manöver besser durchzuführen, spricht ferner für größere Segelfähigkeit der Schiffe; endlich ist es nicht unwahrscheinlich, daß, wenn die Winterruhen noch immer lange innegehalten werden, dieses mehr eine Folge alten Brauches als der ungenügenden Seefähigkeit der Schiffe ist.

Sehr bedeutend ist die Zahl der Brander gewachsen. Es werden größere Angriffe mit dieser Waffe geplant (Solebay; erste Schlacht bei Schooneveld), deren Erfolge allerdings durch die Umstände vereitelt werden. Es ist überhaupt bemerkenswert, daß ihre Leistungen gegen den zweiten Krieg zurücktreten; es ist den Schlachtschiffen leichter geworden, ihnen auszuweichen und sie abzuschlagen (Seite 188).

Über die Bewertung des Personals zur Zeit dieses Krieges ist bereits bei Betrachtung der Streitmittel (Seite 313 u. 317) gesprochen; das Wichtigste wird in nachstehendem nochmals mit hervorgehoben werden.

Was nach dem zweiten Kriege über den Fortschritt in der Taktik gesagt ist, trifft in erhöhtem Maße für den dritten zu: das Bestreben, die Kiellinie beim Winde aus Einzelschiffen zu bilden, diese Linie gut geordnet und eng aufgeschlossen zu erhalten, die Geschwader zusammen zu behalten und die ganze Flotte einheitlich zu leiten; die Melee wird vermieden oder doch, wenn schon eingetreten, wieder entwirrt und die Ordnung hergestellt, um dann zu neuem Kampfe überzugehen. Die Holländer sind jetzt in der Durchführung dieser Grundsätze, in der Gefechtsdisziplin überhaupt, den Engländern gleichwertig, ja überlegen; wenn in den Schlachten getrennte Geschwaderkämpfe eintreten, so ist es bis auf einen Fall (Tromp, 7. Juni 1673) die Schuld der Geschwaderchefs der Verbündeten (Solebay, Texel). Dieser Fortschritt auf seiten der Holländer ist unbedingt das Verdienst Ruyters; er gebot ja auch von allen Führern dieser Zeit über die größte Erfahrung. Von Jugend auf als Seemann erzogen und durch alle Dienstgrade gelaufen, war er stets im Kriegsdienste tätig gewesen und hatte die ganze Entwicklung der bis jetzt geschaffenen Taktik in den letzten Kriegen als Divisions-, Geschwader- und Flottenchef durchgemacht. So ist denn Ruyters Taktik als der höchste Stand der Taktik jener Zeit anzusehen, und es ist wohl wert, ihre Hauptgrundsätze nochmals hervorzuheben. Ruyter bringt seine Flotte nicht mehr ungestüm nur zum Schlagen an den Feind; er bereitet seine Schlachten bedächtig vor und führt sie dann planmäßig und doch energisch durch; der Überfall bei Solebay und die drei rangierten Schlachten des Jahres 1673 liefern gleichmäßig die Beweise hiervon.

[355]

Der Überfall bei Solebay glückte infolge guter Beobachtung des Feindes und vorzüglicher taktischer Navigierung, er würde unter günstigeren Windverhältnissen noch weit verhängnisvoller für den Feind geworden sein; dadurch, daß Ruyter die Franzosen nur beschäftigte, war er imstande, dem gefährlicheren Gegner kräftig entgegenzutreten.

In der ersten Schlacht bei Schooneveld wartet Ruyter kampfbereit den Angriff ab und benutzt dann einen günstigen Augenblick zum energischsten Gegenstoß auf den weit überlegenen Feind. Mit seinem eigenen Geschwader den Franzosen gegenüber erfolgreich, nützt er dies nicht aus, sondern entsetzt nacheinander seine beiden weniger glücklichen Geschwader, ordnet die Flotte wieder, bricht ab, als er seinen Zweck erreicht hat und — seinem strategischen Plane entsprechend — nichts mehr aufs Spiel setzen will. In der zweiten Schlacht bei Schooneveld greift er unter den günstigeren Verhältnissen und überraschend an. Die Art, wie der Feind den Angriff aufnimmt — unter beständigem Ausweichen — würde in früheren Zeiten sicher zu einer Lockerung der holländischen Ordnung geführt haben. Ruyter aber hält jetzt die Flotte zusammen, bricht wieder ab, als es ihm passend erscheint, bleibt aber völlig kampfbereit. Möglich sogar, daß er überhaupt nicht entscheidend kämpfen wollte, um seine Flotte unversehrt zu erhalten; er erreichte dennoch seinen strategischen Zweck.

Die Schlacht bei Texel ist sein Meisterstück zu nennen. Hier benützt er seine Stellung unter der eigenen Küste nicht nur, wie vor dem Eintreten in die vorhergegangenen Schlachten, zum Schutz, sondern auch dazu, den Feind auszumanövrieren und dann aus günstiger Windstellung anzugreifen. Wieder beschäftigt er nur durch Bankers die Franzosen, erringt selbst durch Abschneiden eines feindlichen Teiles großen Erfolg und bricht endlich wiederum in vollster Ordnung ab, als er seinen Zweck erreicht hat.

Gleich hier sei hingewiesen auf Ruyters letztes Auftreten im Mittelmeer. Dort liefert er uns noch ein für die Geschichte der Seetaktik höchst bemerkenswertes Beispiel (vgl. Seite 378/79).

Unterstützt wurde Ruyter bei der Durchführung seiner Taktik dadurch, daß die Unterführer und Kommandanten in diesem Kriege seinen Befehlen und Absichten folgten. Aber auch dies ist ein Verdienst seiner Erziehung und seines Vorbildes; er hatte für Stärkung der Disziplin und Einbürgerung eines gesunden militärischen Geistes in der holländischen Marine gesorgt. Sein vorgeschrittener militärischer Standpunkt ist schließlich noch daraus zu erkennen, daß er bei der Indienststellung 1673 „lieber weniger, aber gute Schiffe“ haben wollte.

Begünstigt wurden seine Erfolge allerdings durch die Fehler der feindlichen Führer und durch den schlechteren Zustand der verbündeten Flotten in mancher Hinsicht; diese Fehler und Mängel, sowie ihre wahrscheinlichen Ursachen haben wir bei den Schilderungen bereits genügend hervorgehoben. Gefochten haben die Engländer mit ihrer alten Bravour, wie die Holländer es früher getan, als sie im inneren Wert und in der Taktik unterlegen waren. Die Gegner hatten eben die Rollen gewechselt; York und Rupert, sonst schneidige Männer und tüchtige Seeleute, waren keine Blakes, Moncks und Ruyters, der innere Wert der englischen Marine war gesunken, der der holländischen gestiegen — diese stand 1673 auf ihrem Höhepunkt.

Es führt uns dies nochmals auf das Verhalten der Franzosen, auf den allgemein verbreiteten Verdacht, daß d'Estrées seine Flotte auf Befehl geschont habe. Beweise dafür sind nicht vorhanden. Etwaige Befehle[356] müßten streng geheim gewesen und vernichtet sein; die vorhandenen weisen im Gegenteil alle auf tapferes Fechten hin.

Es ist ja möglich, daß Ludwig XIV. im Jahre 1673 dem Bündnis mit England nicht mehr recht traute; von verschiedenen Seiten ging ihm die Warnung zu, daß in England nur noch der König und sein Hof daran hingen. Aber immer bleibt es schwer, anzunehmen, daß ein Kriegsherr seinem Admiral und seiner Flotte zumuten könnte, eine solche Rolle zu spielen. Jedoch sagt selbst ein französischer Autor (Troude), in der Untersuchung des Streites d'Estrées' gegen Martel habe jener zu verstehen gegeben, daß der König gewünscht habe, „seine Flotte erhalten zu sehen und den Engländern nicht zu sehr zu trauen.“ Wie volkstümlich diese Ansicht war, zeigt ein Gespräch holländischer Matrosen. Als einige dieser bei Texel ihre Verwunderung aussprachen, daß die Franzosen den Engländern nicht zu Hilfe kamen, sagt ein anderer: „Ihr Narren! Sie haben die Engländer geheuert, für sie zu fechten; ihr ganzes Geschäft hier ist, zu sehen, daß sie auf ihre Kosten kommen.“

Die französischen Schriftsteller, die die Ausgabe solcher Geheimbefehle bestreiten, schieben das eigentümliche Verhalten ihrer Flotte in beiden Jahren auf die mangelnde Erfahrung ihrer Offiziere im Flotten- und Geschwaderkampf, insbesondere auf die Unfähigkeit d'Estrées' in dieser Hinsicht und auf seine Unzugänglichkeit für Ratschläge erfahrenerer Untergebener. Dem sei nun wie ihm wolle, immerhin werden wir auf zwei wichtige Punkte hingewiesen; zunächst auf ein neues Verdienst Ruyters. Im Bericht über die mehrfach erwähnte Untersuchung gegen Martel sagt der Intendant von Brest: „Man konnte glauben, daß Ruyter sich in allen diesen Schlachten nie die Mühe gab, das französische Geschwader anzugreifen, und daß er bei Texel 10 Schiffe lediglich zu dessen Beschäftigung abgeschickt habe.“ Ruyter hat dann also diesen Gegner richtig eingeschätzt, dessen Untüchtigkeit oder Unzuverlässigkeit erkannt und seinen Nutzen daraus gezogen; eine wichtige Eigenschaft für einen höheren Führer.

Das Benehmen der Franzosen deckt ferner eine Schwäche der Bündnisse auf. Augenblickliche politische Interessen können zwei Staaten zu Verbündeten in einem Kriege machen. Dabei kann aber bei ihnen eine für die Waffenbrüderschaft gefährliche Abneigung gegeneinander bestehen, und es kann politische Eifersucht dahin führen, daß einer von ihnen die völlige Niederwerfung des gemeinschaftlichen Gegners sowie zu große Erfolge seines Verbündeten gar nicht wünscht. Man ist also nicht sicher, ob und wie weit der Bundesgenosse dasselbe Ziel — in der Schlacht wie im Kriege überhaupt — verfolgt, ob er bereit ist, das Gleiche einzusetzen. Es ist dieses in erster Linie ein Punkt politischer, also gewissermaßen strategischer Natur und den Bündnissen für Land- wie für Seekriege in gleicher Weise eigentümlich.

Den Bündnissen zur See haftet aber noch eine andere Schwäche in taktischer Beziehung an. Wenn in einer Landschlacht verbündete Streitkräfte auftreten, so spielen die Verschiedenheit und ein ungleicher Grad der Ausbildung, die Schwierigkeit gegenseitiger Verständigung keine so große Rolle wie zur See; den verschiedenen Truppenkörpern können verschiedene Aufgaben, wenn auch unter gemeinschaftlichem Oberbefehl und aneinander anlehnend, gestellt werden; sie schlagen dann bis zu einem gewissen Grade[357] getrennte Schlachten. Anders zur See; strategisch können natürlich verbündete Flotten auch hier miteinander arbeiten, taktisch kaum. Hier ist, bei der Schlacht im offenen Meere wenigstens, nur ein Schlachtfeld; die ganze Streitmacht muß in einer Hand bleiben, kann taktisch nur gemeinsam verwendet werden. Da werden sich Verschiedenheit in Art und Stand der Ausbildung und in formaler Taktik, die Schwierigkeit der Befehlsübermittlung durch ein bisher nicht gemeinschaftliches Signalsystem, der Mangel am gemeinsamen Üben taktischer Bewegungen sehr fühlbar machen; die vorhin angeführten gefährlichen Einflüsse moralischer oder politischer Natur werden gleichfalls schwerer wiegend einwirken. — Der zweite und der dritte englisch-holländische Krieg lassen die Schwäche von Bündnissen zur See in allen diesen Hinsichten klar erkennen.

Über Strategie.[202] Im ersten holländisch-englischen Kriege griffen die Engländer den holländischen Handel an; zunächst, indem sie den Convois auflauerten, später als der Gegner erlahmte, indem sie schon seine Küsten blockierten; die Schlachten entspannen sich um Convois oder bei den Versuchen, für diese den Weg freizumachen. Im zweiten Kriege hatten die Holländer den Handel gänzlich eingestellt, da sie die Unmöglichkeit, ihn genügend zu schützen, erkannt hatten. Das Bestreben beider Parteien ging dahin, die Seeherrschaft zu erringen; erst wenn dies gelungen — sei es durch siegreiche Schlachten, sei es durch freiwillige Aufgabe seitens des Gegners —, suchte man den Feind durch größere Angriffe auf Handel oder Küstenplätze und durch Blockaden zu schädigen. Im dritten Kriege aber beabsichtigten die Verbündeten, den Feind, der zu Lande von allen Seiten bedroht war, auch von seiner Küste her mit großer Truppenmacht anzugreifen. Die Durchführung dieser Absicht war einerseits für die Angreifer viel schwieriger, der Angegriffene anderseits sah sich in weit größerem Maße bedroht als in den früheren Kriegen; der Kampf um die Herrschaft auf den trennenden Gewässern war deshalb noch wichtiger als bisher. Die Seestreitkräfte der Verbündeten hatten den Weg über See zur sicheren Überführung und ungestörten Landung der Invasionsarmee völlig und dauernd freizumachen; die Holländer, infolge ihrer schwächeren Flotte in die Defensive gedrängt, mußten dahin streben, bei aller Energie im Kampfe um die Seeherrschaft doch ihre Seestreitkräfte möglichst unversehrt zu erhalten, um sie stets im äußersten Falle — bei der Landung — noch mit Erfolg einsetzen zu können.

Der Strategie auf beiden Seiten war also eine bedeutende Aufgabe gestellt. Diese wurde von der holländischen Marine trotz der sonstigen Schwierigkeiten,[358] mit der sie zu kämpfen hatte, glänzend gelöst, wie denn die holländische Kriegführung überhaupt die einsichtsvollere war. Um eine größere Armee sicher an der feindlichen Küste zu landen, war es für die Angreifer nötig, die feindliche Flotte unschädlich zu machen; es war dies möglich: durch Abziehen derselben von der Küste; durch Festhalten an einem Punkte; durch Vernichtung. Es ist nichts davon gelungen. Der Feind ließ sich nicht weglocken, obgleich der Versuch dazu in beiden Kriegsjahren gemacht wurde; er ließ sich auch nicht verleiten, unter ungünstigen Umständen zu fechten; ihn trotzdem zu vernichten, war die Kriegführung der Angreifer nicht energisch genug, und, ihn an einem Orte dauernd festzuhalten, waren sie nicht stark genug. Diese beiden letzten Punkte sind die wichtigen bei Beurteilung der Kriegführung seitens der Verbündeten, denn sie lagen in ihrer Hand; sie hängen außerdem eng miteinander zusammen.

Von den vereinigten Mächten muß man annehmen, daß sie imstande gewesen, bedeutend stärkere Seestreitkräfte aufzustellen. Die englische Flotte allein hätte der Hollands überlegen sein können; aber sie war vernachlässigt, und man benutzte hier die Bundesgenossenschaft Frankreichs nicht zur Erlangung einer wuchtigen Übermacht, sondern zum Sparen an Rüstungen. Auch Frankreich besaß schon im Material eine gleich starke Marine, aber sie war entweder noch nicht schlagfertig, oder man hatte „andere Gründe“, ihre Kraft nicht voll zu entfalten; vielleicht sprach beides zusammen.

Ich verweise hierbei auf das, was Seite 356 über die Schwäche von Bündnissen gesagt ist. Ein Beweis, daß England (der König) die Bundesgenossenschaft Frankreichs zum Sparen an den eigenen Rüstungen benutzte, dürfte darin zu finden sein, daß Holland mit diesem Umstande rechnete: Es faßte den Beschluß zu größeren Rüstungen 1673 „geheim“, um England zu verleiten, auch weniger zu rüsten. England überschätzte dann den Wert des Bündnisses, anstatt sich auf eigene Kraft zu verlassen.

Die „anderen Gründe“, weshalb Frankreich nicht stärker zur See auftrat, sind dagegen Beispiele zu der Behauptung von der Schwäche der Bündnisse in politischer und strategischer Hinsicht; man wollte die eigene Flotte schonen, die beiden Nebenbuhler um die Seeherrschaft im großen Sinne sich gegenseitig schwächen lassen.

Wenn nun von Seiten der Verbündeten die Rüstungen nicht bis zum höchsten Maße betrieben wurden, so läßt dies darauf schließen, daß man den Feind oder die Schwierigkeit der Aufgabe unterschätzte. Mit einer gemeinsamen Flotte noch einmal so stark als die holländische hätte man versuchen können, den Feind festzuhalten und dennoch gleichzeitig die Truppen unter genügender Bedeckung hinüberzuführen und zu landen; nach der notgedrungenen Herabsetzung der holländischen Flotte im Juli 1672 wären die Verbündeten aber imstande gewesen, mit einer noch weit bedeutenderen Übermacht aufzutreten. Infolge der ungenügenden Rüstungen aber war es notwendig, als ein Ablocken von der Küste nicht gelang, sogar das Blockieren der feindlichen Flotte aufzugeben, um sie durch Demonstrationen an anderen Orten wenigstens zum Verlassen ihrer sicheren Stellung und zum Folgen längs der Küste zu zwingen (1673).

Eine Unterschätzung der Schwierigkeit der Aufgabe ist auch darin zu erkennen, daß man Juni 1673 und, trotz übler Erfahrung, auch im Juli die Flotte selbst mit[359] Anbordnahme von Landungstruppen belästigte. Es erinnert dies an die alte Kriegführung — handstreichartige Einfälle in Feindesland ohne höheren Zweck als Brandschatzung —, während Holland schon bei seinem Zuge 1667 gegen Themse und Medway die zur Landung bestimmten Truppen nur auf besonderen Fahrzeugen einschiffte.

Tatkraft vermißt man aber auch bei der Kriegführung selbst. In beiden Jahren zeigt sich, daß man mit Recht eine Landung für untunlich hielt, solange die feindliche Flotte unversehrt an der Küste stand. Dachte man nun ernstlich an eine Landung, so mußte auch schärfer vorgegangen werden, sobald sich gezeigt hatte, daß sich der Feind nicht zum Schlagen von der Küste abziehen ließ. Aber nur einmal (Schooneveld, 7. Juni 1673) ist der Versuch gemacht, diesen in seiner geschützten Stellung anzugreifen; nach dem Fehlschlagen wird der Versuch nicht etwa gleich wiederholt, man läßt sich sogar selbst überraschen (Schooneveld, 14. Juni). Mangel an Energie zeigt sich endlich darin, daß die verbündeten Flotten in beiden Jahren erst spät auftraten und nach Mißerfolgen stets längere Zeit, endlich sogar ganz, von der See verschwanden; die wahrscheinlichen Gründe hierfür sind im Laufe der Schilderung des Krieges angeführt.

Die Kriegführung der Holländer zeigt sich in einem ganz anderen Lichte; sie ist weit tatkräftiger und dabei planmäßig während des ganzen Krieges. Durch alle Verhältnisse zur Defensive gezwungen, verlieren doch die Leiter — de Witt und Ruyter; Oranien und Ruyter — nicht aus dem Auge, welche Vorteile zuvorkommende Offensivstöße haben können.

Im Jahre 1672 wird versucht, die Ausrüstung der Engländer in ihren Häfen zu stören oder sie wenigstens vor ihrer Vereinigung mit den Franzosen zu schlagen, später beabsichtigt man, ähnlich wie im letzten Kriege gegen die Themse vorzugehen; 1673 will man die Themse durch versenkte Schiffe sperren. Alle diese, strategisch so richtigen Pläne konnten leider nicht durchgeführt werden, da die Flotte nicht rechtzeitig fertig wurde; auch den größten Bemühungen der leitenden Personen war es nicht gelungen, die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich infolge des Mangels an Zentralisation in der Marineverwaltung und des Streites der Parteien im Lande einer schnelleren Ausrüstung entgegenstellten.

Ein glücklicher Schlag 1672 gegen die englische Flotte in ihren Gewässern vor Ankunft der Franzosen würde wahrscheinlich den Verlauf des ganzen Krieges wesentlich beeinflußt haben, wenn man nach seiner späteren Geschichte urteilen darf: England wäre wohl frühzeitig zum Frieden geneigt gewesen; Frankreich hätte dann allein zur See kaum etwas unternommen, wie wir es nach 1674 sehen werden; Holland hätte alle Mittel für den Landkrieg frei, die Küsten und damit seine Lebenskraftquelle offen gehabt.

Aber der Wachsamkeit, der Umsicht und der Tatkraft Ruyters gelingt es doch, im Jahre 1672 den Feind bei Solebay zu überraschen und dadurch Holland zur Zeit der höchsten Not von der Gefahr einer Landung zu befreien.

Nach den Offensivstößen führt dann in beiden Jahren Ruyter meisterhaft eine offensive Küstenverteidigung durch. Den Feind scharf beobachtend, liegt er an seiner Küste auf Wassertiefen, in denen dieser ihn nicht anzugreifen wagt; er läßt sich nicht herauslocken, bricht aber hervor, sobald die Umstände[360] günstig sind. Im Jahre 1672 genügt seine Anwesenheit, den Feind von ernsten Unternehmungen gegen die Küste abzuhalten, obgleich Holland genötigt war, seine Flotte zu vermindern, um Mannschaften und Kriegsmaterial für den Landkrieg freizumachen. Frühzeitig gehen die Verbündeten in englische Häfen zurück und Ruyter gelingt es, einen Convoi Ostindienfahrer aus der Nordsee heimzuholen. Im Jahre 1673 vertreibt er, rechtzeitig von seinem Stützpunkte aus vorbrechend, durch die Schlachten bei Schooneveld den Feind von den Küsten; er folgt aber nie weiter, als sein Plan, die flacheren Gewässer taktisch und strategisch auszunutzen, erlaubt.

Daß er diesen Plan für den einzig richtigen hielt, zeigt sich auch sonst bei verschiedenen Gelegenheiten: Nur auf Drängen de Witts unternimmt er 1672 noch nach der Vereinigung der feindlichen Flotten den Vorstoß in die Themse; er setzt dabei aber nicht die ganze Flotte, sondern nur ein kleines Geschwader unter Ghent ein. Ebenso fanden auch die Vorschläge — November 1672 und Ende Juni 1673; wahrscheinlich von Befehlshabern der Armee ausgegangen —, gegen einen französischen Hafen zu operieren, nicht seine Zustimmung.

Stets geht Ruyters Bestreben dahin, die Flotte zum unmittelbaren Schutz der Küste unversehrt zu halten. Selbst als im Juli 1673 die Gefahr einer Landung sehr ernst wird — eine „Armee“ steht in England bereit — will er nur schlagen, wenn diese wirklich ausgeführt werden sollte; sein schlagfertiges Bereitliegen läßt Zeit gewinnen, die Küsten in Verteidigungszustand zu setzen. Erst als es sich gleichzeitig darum handelt, die Küste für das Einlaufen des großen Convois — wichtig für die Weiterführung des Krieges — freizumachen, ist er bereit, die Flotte einzusetzen. Er führt diese nun mit größter Vorsicht heran, benutzt meisterhaft die taktischen Vorteile, die ihm seine Stellung unter der Küste bietet, und vertreibt durch die Schlacht bei Texel den Feind endgültig von der See.

Einen weiteren Fortschritt in der Kriegführung der Holländer, der wesentlich zur erfolgreichen Durchführung ihrer Strategie beitrug, zeigt der vervollkommnete Aufklärungsdienst (übrigens auch von den Engländern mehr als bisher gepflegt). Durch Agenten und Erkundungen ist man über den Stand der feindlichen Rüstungen unterrichtet; während des ganzen Krieges, besonders auch gleich nach jeder Schlacht, sind Aufklärungsschiffe oder kleinere Geschwader am Feinde, um seine Bewegungen zu beobachten. Die Holländer waren so vor Überraschungen sicher, konnten selbst überraschend auftreten (Schooneveld II; Solebay) und waren imstande, Demonstrationen an der feindlichen Küste zu unternehmen, wenn der Gegner die See geräumt hatte. Diese Beunruhigungen sowie der Beschluß zur Ausrüstung einer sehr starken Flotte für 1674, obgleich schon Friedensunterhandlungen mit England schwebten, zeigen auch die energischere Kriegführung des schwächeren Hollands und haben zur Beschleunigung des Friedensschlusses beigetragen.

Auch im kleinen Kriege war Holland im Vorteil. Sein Handel war in Gewässern, in denen er gefährdet war, eingestellt; seine Kaper machten reiche Beute. Daß in beiden Jahren die wertvollen Ostindienconvois nach[361] siegreichen Schlachten glücklich einkamen, ist ein lehrreicher Beitrag zur Beurteilung des Kreuzerkrieges (vgl. Seite 305).

Eine Zusammenstellung der Hauptereignisse möge vorstehende Betrachtungen belegen und nochmals veranschaulichen, in welcher ruhmreichen und wirkungsvollen Weise die holländische Marine unter schwierigen Verhältnissen in den Krieg eingegriffen hat:

Frühjahr 1672 Krieg mit Frankreich und England unvermeidlich, dennoch nur die Indienststellung von 40 Schiffen beschlossen. 23. März greifen die Engländer den Smyrnaconvoi an; nun Ausrüstung von 96 Schiffen angeordnet, aber die Ausführung, außer in der Provinz Holland, saumselig; 7. April Kriegserklärung.

15. Mai Ruyter an der englischen Küste; zurück, da die feindlichen Flotten schon vereinigt; 23. Mai Ruyter vor der Themse; nach Ghents Vorstoß, auf Wunsch de Witts unternommen, zurück. 29.–31. Mai vergebliche Versuche der Verbündeten, die holländische Flotte von ihren Küsten abzuziehen.

7. Juni überrascht Ruyter (75 Schiffe) den Feind (87 Schiffe) bei Solebay und geht unverfolgt zurück: hierdurch die Gefahr einer Landung in Holland zur Zeit der höchsten Not abgewehrt. Die Flotte, auf 59 Segel herabgesetzt, wird an der Küste gehalten; die Verbündeten, 13.–20. Juli in Sicht, wagen keine Landung, werden durch Sturm zerstreut und räumen für dieses Jahr die See. Ruyter holt den Indienconvoi ein; Kaper in Tätigkeit.

Zu Lande im Juli die Deiche durchstochen, um die Provinz Holland zu halten. Brandenburg und Österreich schreiten ein und die Niederlande erhalten Luft; Luxembourgs Einfall im Dezember schlägt fehl.

1673 Brandenburg und Österreich treten zurück, die Niederlande aufs neue arg bedrängt; wiederum droht eine Landung. 10. Mai versucht Ruyter, die Themse zu sperren; durch Prinz Ruperts Tatkraft vereitelt. 29. Mai verbündete Flotten vereinigt, haben Truppen an Bord und weitere stehen bereit; sie erscheinen 1. Juli an der holländischen Küste (91 Schiffe). Am 7. Juli ihr Angriff mit Brandern bei Schooneveld (erste Schlacht) durch Ruyter (64 Schiffe) abgeschlagen; 14. Juni greift Ruyter überraschend an (zweite Schlacht), die Verbündeten laufen in die Themse ein.

3.–13. Juli Ruyter vor der Themse, dann in seiner Defensivstellung. Die Verbündeten erscheinen Ende Juli: Truppen an Bord, eine „Armee“ zur Überführung bereit; sie versuchen am 31. August und 1. September vergeblich, die holländische Flotte in den Kanal zu ziehen und bedrohen dann die Küsten (90 Schiffe). Ruyter (75 Schiffe) geht zum Angriff vor, um dem Indienconvoi die Einfahrt frei zu machen. 21. August sein Sieg bei Texel: Verbündete zur Themse, Franzosen bald nach Brest; sie geben den Landungsplan endgültig auf. Ruyter zu Demonstrationen in See, der Convoi läuft glücklich ein.

19. Februar 1674 Frieden mit England.

Holland ist zur See frei und kann mit Spanien und Österreich zur Offensive übergehen; der weitere Landkrieg wird außerhalb der Niederlande geführt.

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Fußnoten:

[174] „Krängen“ bedeutet, ein Schiff auf die Seite legen, um den Schiffsboden zu reinigen oder auszubessern.

[175] Die Angaben für 1672 entnommen aus de Jonge, Teil II, Beilage II und IV; die kleineren englischen Schiffe sind aus diesen Angaben nach Schätzung gruppiert. Beilagen V–VII geben die Flotten für die späteren Schlachten 1672–1674.

[176] Quellen: Chab.-Arnault, besonders Colberts Wirken; de Jonge, Teil II, Schiffsbestände, Seite 290 ff.; Mahan, Teil I, über Offizierkorps, siehe dort Sachregister „Marine“; Troude, Teil I, und sonst im „Quellenverzeichnis“ die französischen.

[177] Die beiden Vizeadmirale — der des Ponant (Atlantische Küsten) und der der Levante (Mittelmeer) — waren Oberbefehlshaber der Seestreitkräfte in ihren Gewässern; sie führten auch die großen Flotten dort. Doch war dies nicht immer der Fall; wie in England waren die „Funktionen in den Flotten“ durchaus nicht an die Dienstgrade gebunden. Generalleutnants führten oft als „Admiral“ die Flotte, meist als „Vizeadmiral“ die Vorhut, aber auch als „Kontreadmiral“ die Nachhut. Die Chefs d'Escadre — wohl dem jetzigen Dienstgrade des Kontreadmirals entsprechend — nahmen in den Flotten oft die Geschäfte des Kontreadmirals wahr, meist die Stellungen der Divisionschefs.

[178] Jal: „du Quesne“, Teil II, Seite 64 bringt die Schiffsnamen dieses Kontingents mit Kanonenzahl und Namen der Kommandanten der Schiffe; Seite 98 für das Jahr 1673.

[179] Näheres darüber. De Jonge, Teil II; Clowes, Teil II: minor operations 1660–1714.

[180] Quellen wie Seite 246 angeführt. — Bonfils, Teil I, genaue Angaben über die Flotte usw. der Kreta-Expedition.

[181] Hauptquellen wie Seite 263. Hierzu Jal: „du Quesne“; Bonfils.

[182] Ein Schiff ist auf Legerwall, wenn es durch die Nähe der Küste in Lee in seinen Bewegungen behindert, bei Sturm sehr gefährdet ist.

[183] Über d'Estrées und du Quesne finden sich Angaben gelegentlich der Schlachten von Texel und Stromboli, Seite 349, 367.

[184] Hauptquellen für die nachstehende Schilderung: „Leben Ruyters“; de Jonge, Teil II; Jal: „du Quesne“; Bonfils, Teil I; Mahan, Teil I; Clowes, Teil II.

[185] Mahan, Teil I, Seite 142, verweist auf einen gleichartigen Versuch der Spanier bei St. Vincent 1797, der verhängnisvoll wurde.

[186] Weitere lesenswerte Schilderungen im „Leben Ruyters“.

[187] Die Bewegungen Ruyters von nun an und auch schon früher in seiner Defensivstellung fast tageweise im „Leben Ruyters“.

[188] Nach Jal: „du Quesne“, Teil II, Seite 91, nur ein Vorwand.

[189] Nach de Jonge, Teil II, Beilage V, übereinstimmend mit anderen Quellen.

[190] Einteilung nach „Leben Ruyters“ und „Vie de Tromp“. In ersterem auch die Instruktion Ruyters über die Segelordnung bei verschiedener Lage zum Feinde: in Luv oder Lee, über St. B. oder B. B. Bug. — De Jonge und (danach?) englische Quellen geben Tromp die Vorhut; nach genannter Order war dies aber nur in gewissen Lagen der Fall, wie denn stets der Leutnantadmiral von Seeland, also hier Bankers, den rechten Flügel oder die eigentliche Vorhut führte.

[191] Nach de Jonge, Teil II, Beilage V, und Clowes, Teil II, Seite 310. Genaue Angaben über England sind nicht vorhanden; die französischen Schiffe mit Namen, Kommandanten und Kanonen in Jal: „du Quesne“, Teil II, Seite 48, dort auch die „Namen“ der englischen Schiffe.

[192] Angaben über Prinz Rupert Seite 264.

[193] Die Ankerkette so weit einwinden, daß der Anker nur eben noch hält.

[194] Die beste ältere Beschreibung im „Leben Ruyters“, die beste neuere bei de Jonge, Teil II.

[195] Schilderung nach Vergleich von: „Leben Ruyters“; de Jonge, Teil I; Clowes, Teil II; Jal: „du Quesne“.

[196] Nach holländischen Angaben betrug in beiden Schlachten der Verlust der Engländer 3000 Tote und Verwundete, bei den Holländern kaum die Hälfte, bei den Franzosen (französische Angabe) 500 Mann.

[197] Nach de Jonge, Teil II, Beilage VII.

[198] Die schriftlichen und mündlichen Verhandlungen, Erlasse und Ansprachen an die Flotte sowie die Bewegungen dieser bis zur Schlacht genau im „Leben Ruyters“.

[199] Schilderung nach Vergleich der Quellen Seite 339; besonders Jal: „du Quesne“, hinzu tritt Mahan, Teil I.

[200] Sehr genau in Jal: „du Quesne“, Teil II, Seite 115.

[201] Jurien de la Gravière sagt in einem seiner Werke: in den holländisch-englischen Kriegen werden die stehenden Marinen geboren; Colomb führt aus, daß erst in diesen Kriegen eine Kriegführung um die Beherrschung der See auftritt. In unseren Betrachtungen über die Entwicklung der Seestreitkräfte und in den Schlußbetrachtungen zu den ersten beiden Kriegen haben wir gesehen, wie zutreffend diese Aussprüche sind; der dritte und letzte englisch-holländische Krieg zeigt gleichfalls große Fortschritte im Seekriegswesen.

[202] Anschließend an Seite 231 und Seite 300. Plan des Kriegsschauplatzes Seite 301. — Colomb bespricht (Kapitel IV) den Krieg nach folgender Disposition: die Erfahrung hat gelehrt, daß der größere Handel von einer dem Gegner nur gleichen Flotte nicht geschützt werden kann; Holland verbietet wieder den Handel, bis eine größere Stärke erreicht ist. Der unmittelbare Kampf um die Seeherrschaft wird bei Solebay wieder aufgenommen. Es ist unnütz, Landungen vorzubereiten, ehe die feindliche Flotte vertrieben ist; das Einschiffen von Truppen seitens der Verbündeten war nutzlos.


[362]

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Siebentes Kapitel.
Nebenkriege 1674–1688.

Der französisch-holländische Krieg 1674–1678. Der schwedisch-dänische Krieg 1675–1679. Kämpfe gegen die Barbaresken. Die Franzosen vor Genua 1684.

Nach dem Frieden von Westminster setzte Holland mit Spanien und Österreich verbündet den Kampf mit Frankreich fort. Durch die Parteinahme anderer Mächte — das Reich, Brandenburg, Schweden, Dänemark — wird der Krieg fast zu einem europäischen und bringt uns, wenn auch die Kriegführung zur See nicht mehr die Rolle wie bisher spielt, zwei wichtige Nebenkriege.

Der weitere Verlauf dieses Krieges — der zweite Eroberungskrieg Ludwigs XIV. 1672–1678 —, von uns bis Ende 1673 (zuletzt Seite 351) verfolgt, sei hier zusammengefaßt. Zunächst schloß sich (1674) der Große Kurfürst wieder dem Kaiser an, als Österreich wirklich Ernst machte, und auch das Reich erklärte den Krieg, nachdem Ludwig XIV. das Bistum Trier überfallen hatte; die Bischöfe von Münster und Köln, vom Reiche und Österreich bedroht, schlossen Frieden mit Holland und traten zu den Gegnern Frankreichs.

Nun stellte Ludwig 4 Armeen auf: die erste unter Condé gegen Holland und die spanischen Niederlande; die zweite unter Turenne gegen Österreich und Brandenburg am Oberrhein; mit der dritten bemächtigte er selbst sich der Franche-Comté; die vierte unter Schomberg schützte die Provinz Roussillon gegen Spanien. Auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen wurde mit wechselndem Glück gefochten. Im allgemeinen lag der Erfolg auf seiten Frankreichs — jetzt schon unter schrecklicher Verwüstung der deutschen Lande —, besonders als der Große Kurfürst (1675) durch den Einfall der Schweden gezwungen wurde, vom Rhein nach der Mark zurückzukehren (Fehrbellin).

Schweden hatte sich mit Frankreich verbündet, in der Hoffnung, so den verlorenen Einfluß in Deutschland wieder zu gewinnen; nun aber trat Dänemark auf die Seite Brandenburgs, um womöglich seine an Schweden verlorenen Provinzen (Seite 240) zurückzuerhalten. Der Krieg zwischen Schweden und Dänemark — dieses durch eine holländische Flotte unterstützt — wurde auch wesentlich zur See ausgefochten.

Wenn nun auch Dänemark und Brandenburg Erfolge Schweden gegenüber erzielten (Eroberung Pommerns; Einfall in Schonen; Niederbruch der schwedischen Flotte), so blieben doch Österreich und das Reich am Rhein im Nachteil, Oranien konnte nur[363] eben Holland verteidigen und Spanien war zu schwach, Frankreich ernstlich anzugreifen oder selbst nur seine Niederlande zu schützen. Spanien mußte gleichzeitig gegen einen Aufstand in Sicilien kämpfen, der von Frankreich durch die Flotte und Landtruppen unterstützt wurde, hier traten holländische Seestreitkräfte für Spanien ein; dem Kaiser hatte Ludwig einen neuen Feind in den Türken geschaffen, die in Ungarn angriffen. Schließlich kam hinzu, daß der Kaiser eifersüchtig und argwöhnisch auf den Erfolg Brandenburgs sah. Anstatt im engsten Bunde mit ihm ganz Deutschland in den Kampf zu rufen, um Franzosen, Schweden und Türken zurückzuschlagen, schloß er den Frieden von Nymwegen (1678). Holland trat diesem bei, da ihm Frankreich günstige Bedingungen stellte; es war durch den langen Krieg erschöpft. Ludwig XIV. war ebenfalls zum Frieden geneigt; auch sein Land hatte schwer gelitten, und seit Anfang 1678 drohte England, sich zu den Gegnern zu gesellen. Karl II. hatte auf Drängen des Parlaments ein Offensiv- und Defensiv-Bündnis mit Holland schließen und seine Regimenter vom französischen Heere zurückziehen müssen; er rüstete nun sogar gegen Frankreich. Die englische Nation sah, neben anderen Eifersuchtsgründen, daß die französische Marine der eigenen überlegen geworden war. Ludwig fürchtete nun zwar die Engländer zu Lande nicht, aber zur See fühlte er sich doch den vereinigten Seemächten nicht gewachsen. Er räumte deshalb Sicilien, verdoppelte aber seine Angriffe gegen die spanischen Niederlande. Bisher hatte er diese wegen der englischen Empfindlichkeit in Hinsicht auf die belgische Küste geschont; jetzt brauchte er hierauf keine Rücksicht mehr zu nehmen und bedrohte nun Holland dort, wo es ihn am meisten fürchtete; auch dies bestärkte Hollands Neigung zum Frieden.

Der Frieden von Nymwegen (11. August 1678) bezeichnet die Höhe von Ludwigs Macht. Die Hauptzeche mußten Spanien und das Reich zahlen. Spanien verlor die Franche-Comté und weitere zwölf Städte seiner Niederlande; der Kaiser gab die elsässischen Reichsstädte (Straßburg ausgenommen) auf und trat Freiburg ab, welcher strategische Punkt sofort durch Vauban stark befestigt wurde, ebenso blieb Lothringen tatsächlich in Frankreichs Hand. Auch Brandenburg und Dänemark büßten in dem von Ludwig diktierten Frieden (St. Germain und Fontainebleau 1679) mit Schweden die Früchte ihrer Erfolge wieder ein. Holland verlor nur einige unwichtigere Kolonien, aber auf dem Festlande nichts; daß jedoch dieser weitere Krieg nach 1674 ihm mittelbar großen Schaden brachte, werden wir später sehen. Ludwig XIV. nutzte nun noch in den nächsten Jahren die Schwäche des Reiches und Spaniens aus, indem er — auf Grund der Rechtssprüche der berüchtigten Reunionskammern — seinen Besitz im Elsaß, der Pfalz und den spanischen Niederlanden erweiterte und befestigte, er nahm sogar mitten im Frieden Straßburg weg.

Der französisch-holländische (-spanische) Krieg 1674–1678.

Nach dem Rücktritte Englands zog Frankreich seine Flotte vom Ozean zurück; Ludwig hielt sie mit Recht noch nicht für leistungsfähig genug, allein den Holländern gegenüberzutreten, und er faßte den Entschluß, diesen die Herrschaft im Kanal und Atlantik zu überlassen. Hier wurde nur ein geringer Teil der Seestreitkräfte zur Unterstützung der Verteidigung wichtiger Küstenplätze bestimmt, die Hauptmacht zog man im Mittelmeer zusammen, um den Landkrieg gegen Spanien zu unterstützen. Auch während der folgenden Kriegsjahre stellten die Häfen am Atlantik weiter Verstärkungen für das Mittelmeer, sonst nur kleinere Geschwader für Westindien. Holland verminderte seine Rüstungen zur See, als man sich jetzt dort nicht mehr unmittelbar bedroht sah. Wie wir wissen, war vor dem Frieden mit England beschlossen, für 1674 eine besonders starke Flotte — 84 Linienschiffe — in[364] Dienst zu stellen; dieser Etat wurde im April auf 54 Linienschiffe, 12 Fregatten und 18 Brander herabgesetzt. Die dadurch gemachten Ersparnisse sollten verwendet werden, 10 Regimenter (10700 Mann) zur Einschiffung für Expeditionen aufzustellen.

Nach de Jonge, Teil II, Beilage IX, sind tatsächlich ausgelaufen: 3 Schiffe zu 80 Kanonen; 6 zu 70; 14 zu 60–70; 26 zu 40–56, 10 Fregatten zu 28–36 Kanonen; 15 Brander; 12 Bombenfahrzeuge und 66 kleinere Fahrzeuge, Jachten und Transporter. Frieslands Kontingent fehlte wieder wegen Geldmangels, auch waren in der Eile nur 6000–7000 Soldaten zu beschaffen.

Man beabsichtigte nämlich, gleichzeitig unter Ruyter — mit oder ohne die hierzu zugesagte Unterstützung Spaniens —, Frankreich in seinen aufblühenden Besitzungen Westindiens und seinem zunehmenden Handel dort anzugreifen und unter Tromp gegen die französischen Küsten vorzugehen, sich hier festzusetzen, um den Feind vom Landkriege abzuziehen. Diese Pläne wurden sorgsam geheim gehalten; sie kamen aber dennoch zur Kenntnis Ludwigs, da dieser für Spione und Verräter nie Geld sparte. Die Gesamtflotte sammelte sich schon nach vier Wochen in den Wielingen, ging am 24. Mai in See und ankerte am 8. Juni vor Torbay. Hier nahm Ruyter die Teilung für die beiden Expeditionen vor und trat dann selbst mit dem kleineren Teile schon an dem gleichen Tage die Reise nach Westindien an. Da diese Expedition mit anderen Ereignissen in den Kolonien zusammen besprochen werden soll, wenden wir uns zuerst Tromp zu.

Tromp an der französischen Küste und im Mittelmeer[203] 1674. Tromps Flotte setzte sich zusammen aus: 36 Linienschiffen und Fregatten (es traten später noch einige hinzu), 9 Brandern, 12 Mörserbooten (hier für Holland zum ersten Male erwähnt), zahlreichen kleinen Segeln und Transportern; unter ihm kommandierten 3 Leutnant-, 3 Vize-, 3 Kontreadmirale; die Vorhut führte Leutnantadmiral Bankers, die Nachhut Leutnantadmiral van Nes; 3000–4000 Soldaten unter dem Artilleriegeneral Graf van Hoorn waren eingeschifft. Die Franzosen hatten für den Atlantik nur 14 Linienschiffe in Dienst gestellt. Der Vizeadmiral des Atlantik d'Estrées führte den Oberbefehl, er befand sich in Brest, die Schiffe lagen aber getrennt in Brest, La Rochelle und Rochefort; sie haben sich auch nicht vereinigt, sie hatten eben den Befehl, im Verein mit den Landstreitkräften die Küste ihres Bezirkes zu verteidigen; später wurden sie zu Angriffen auf den holländischen Handel verwendet.

Tromp verließ erst am 18. Juni Torbay; 10 Tage hatte er auf Transporter warten müssen, die Feldgeschütze und Kriegsmaterial brachten; ein übler Vorgang für überraschendes Auftreten. Der Admiral hielt deshalb auch Brest für in zu guten Verteidigungszustand gesetzt, um etwas gegen die Stadt oder auch nur gegen die im Hafen liegenden Schiffe zu unternehmen. So erschien er am 23. vor der Insel Belle-Isle; es wurde auf Vorschlag Hoorns hier eine Landung beschlossen und, durch steife östliche Winde[365] verzögert, am 27. ins Werk gesetzt. Unter dem Feuer von 4 Fregatten gegen einige Schanzen, die der Feind am günstigsten Landungsplatze aufgeworfen hatte, wurde gelandet, der Gegner aus den Befestigungen vertrieben und auf ein festes Schloß zurückgeworfen. Dieses aber war gut armiert (200 Kanonen?), hoch und so gelegen, daß die Schiffe es nicht unter Feuer nehmen konnten, sowie durch reguläre Truppen nebst dem Aufgebot von Adel- und Bauernmiliz der Küste stark besetzt. Die Stellung erwies sich als zu fest; die Holländer schifften sich nach zwei Tagen wieder ein, nachdem sie die ganze Insel durchstreift und viel Vieh für die Flotte weggetrieben hatten.

see caption

Cornelis Tromp.

Am 30. Juni ging Tromp wieder unter Segel, um die Küste zu beunruhigen und einen geeigneteren Landungsplatz zu suchen. Als solcher wurde Noiremoutiers ausersehen, eine Insel vor dem Loir, nur durch einen bei Ebbe trockenfallenden Meeresarm vom Festlande getrennt. Auch hier wurde die Landung trotz mancherlei Schwierigkeiten — Schanzen am Strande; ein Teil der Boote verfehlte den durch Bankers ausgesuchten Landungsplatz und traf auf beschwerlichen steinigen Grund, Gewehre und Munition wurden dabei naß — und tapferer Gegenwehr ausgeführt; die schwache feindliche Streitmacht räumte das Kastell (nur 17 Kanonen) und die Insel. Die Holländer schufen sich hier eine Stellung, fest genug, um einem Angriff vom Festlande her zu widerstehen; Abteilungen der Flotte erkundeten und beunruhigten von hier aus die Küste, sie brachten auch manche Kauffahrer und Fischer auf. Das war aber auch alles. Französischerseits war hier gleichfalls überall die Bevölkerung unter Führung ihrer Edelleute zu den Waffen gerufen und die Küstenplätze hatte man in guten Verteidigungszustand gesetzt; die Holländer waren weder an Seestreitkräften noch an Truppen stark genug, um etwas gegen die Seestädte zu unternehmen oder um von Noiremoutiers aus den Krieg nach dem Festlande hinüberzutragen. Nach drei Wochen (am 26. Juli) gab man den gewonnenen Stützpunkt als unnütz wieder auf und die Flotte segelte nach St. Sebastian (Spanien).

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Hier wurden Tromp und Hoorn von der spanischen Regierung aufgefordert, ins Mittelmeer zu gehen, um den Krieg in den Grenzprovinzen durch Vertreibung der französischen Seestreitkräfte zu unterstützen. Im Mittelmeer standen im August etwa 18 spanische Kriegsschiffe und 22 Galeren — vermutlich nicht in bester Verfassung — 22 Linienschiffen, 24 Galeren und 8 Brandern Frankreichs gegenüber; die französische Flotte war nicht nur dem Landkriege schon von wesentlichem Nutzen gewesen, sie bedrohte auch die spanischen Silberflotten und den Handel Hollands. Da nun die Instruktion den holländischen Führern die Erlaubnis gab, mit ihrer ganzen Flotte oder einem Teile ins Mittelmeer zu gehen, „falls es sehr vorteilhaft erschiene“, so faßten sie einen dementsprechenden Entschluß. Ein Geschwader von 15 Kriegsschiffen, 3 Brandern und 35 anderen Segeln wurde unter van Nes im Atlantik belassen, um weiter den französischen Handel zu schädigen und die Küsten zu beunruhigen; auch die Mörserboote ließ man zurück, sie hielten die Flotte auf und waren nur für etwaige größere Bombardements mitgenommen. Tromp segelte mit 24 Kriegsschiffen, 5 Brandern und 14 der bessern anderen Fahrzeuge, auf denen sich der größere Teil der Landungstruppen befand, am 9. August über Cadiz nach Barcelona.

Van Nes blieb bis Anfang Oktober an der französischen Küste und ging dann heim; besondere Ereignisse fanden in dieser Zeit nicht statt.

Die Franzosen blockierten diese Stadt und hatten Werke zur Belagerung aufgeworfen; bei der Annäherung der Holländer wurden Blockade und Belagerung schleunigst aufgegeben. Tromp segelte weiter nach der Bay von Rosas. Hier hielten die Franzosen (jetzt scheinbar 28 Linienschiffe) die Hauptflotte der Spanier fest, die bestimmt war, 7000 Mann zur Unterdrückung des Aufstandes nach Sicilien überzuführen. Tromp hoffte hier, vereinigt mit den Spaniern dem in Madrid gemeinsam gefaßten Plane gemäß, zum Schlagen zu kommen (Ankunft 2. Oktober), aber auch diese Blockade war von den Franzosen aufgegeben; die Spanier hatten sofort Nutzen daraus gezogen und waren nach Sicilien abgegangen. Dieses Imstichlassen seitens der Spanier empörte Tromp und Hoorn; ihre Entrüstung wuchs, als die spanische Regierung nun das Ansinnen an sie stellte, mit ihrer Flotte nach Sicilien zu gehen und bei der Wiedernahme des empörten Messinas mitzuwirken.

Schon mit der Fahrt nach dem Mittelmeer überhaupt hatten die holländischen Chefs eine große Verantwortung übernommen, und tatsächlich wurde Tromp später von der Admiralität Amsterdam — da der Zug nur so wenig Erfolg gehabt — wegen der dadurch veranlaßten längeren Indienststellung der Schiffe zur Verantwortung (pekuniären) gezogen; Oranien glich die Sache aus.

Trotzdem erklärten sie sich bereit, 1500 Mann zum Entsatz der belagerten Stadt Rosas zu landen und einige Schiffe zu ihrer späteren Rückbeförderung zurückzulassen. Die Flotte selbst ging nach Holland und traf dort am 3. Dezember ein; die zurückgelassenen Schiffe folgten bald, da die Franzosen[367] gleich nach der Landung der Truppen die Belagerung der Stadt abgebrochen hatten.

Die Expedition Tromps hat also wenig Erfolg gehabt; Die französische Küste ist beunruhigt worden, aber nichts deutet darauf hin, daß hierdurch französische Truppen von den östlichen Kriegsschauplätzen abgezogen wurden; das verbündete Spanien ist aus einigen Verlegenheiten befreit; das wichtigste Ergebnis war vielleicht, daß man Europa zeigte, wie trotz des vorhergegangenen schweren Krieges die holländische Marine noch immer der französischen gegenüber überlegen auftreten konnte. Aber entsprach dieser Erfolg den Erwartungen, die man auf dies kostspielige Unternehmen gesetzt hatte? Anstatt wie man geplant und gehofft, einen wichtigen französischen Hafenplatz zu nehmen und zu halten oder doch die Schiffe und Anlagen dort zu zerstören, mußte man sich mit der zeitweisen Besetzung einiger unwichtiger Inseln begnügen. „Warum das eine und nicht das andere geschah, ist dunkel,“ sagt de Jonge. Als wahrscheinliche Gründe führt derselbe Autor an: „Infolge des längeren Winters“ — diesen Grund haben wir nun schon recht oft gehört — „war die Flotte zu spät fertig; trotz aller Geheimhaltung hatte Ludwig Kenntnis erhalten und konnte Gegenmaßregeln treffen; man hatte auf eine Erhebung in der Normandie und Bretagne gerechnet, die die eine oder die andere Stadt den Holländern ausliefern sollte — dies wurde rechtzeitig entdeckt und unterdrückt. Daran endlich, daß nicht wenigstens der französischen Seemacht im Mittelmeer ein schwerer Schlag zugefügt werden konnte, war das Verhalten der Spanier schuld.“ Alles dieses trifft wohl zu, man muß aber doch sagen, daß das Hauptunternehmen gegen die französische Küste mit weit stärkeren Mitteln hätte ins Werk gesetzt werden müssen; so hatte es mehr den Charakter der Brandschatzungseinfälle in Feindesland älterer Zeiten.

Der Krieg in den Kolonien (Ruyter vor Martinique 1674; Kampf um Guayana, Tabago und Westafrika 1676 und 77). Ruyter[204] war von Torbay gleich nach der Teilung der Flotte am 8. Juni 1674 in See gegangen, um keine Zeit zu verlieren. Im Frieden von Westminster hatte Holland Neu-Niederland (New York) an England abtreten müssen. Man betrachtete dies mit Recht als einen großen Verlust für die Ausbreitung des Handels und wünschte, durch Erweiterung der Kolonien in Westindien diesen Schaden wieder wett zu machen. Die Eroberung französischer Besitzungen dort, insbesondere Martiniques, schien dazu sehr geeignet; Ruyter selbst soll gerade auf diese Insel hingewiesen haben.

Das für Westindien bestimmte Geschwader bestand aus 18 Linienschiffen und Fregatten, 6 kleineren Segeln, 6 Brandern und 24 Transportern mit zusammen 1100 Kanonen, 4000 Matrosen, 3380 See- und Landsoldaten. Der Admiral beschleunigte seine Reise in jeder Beziehung; so sandte er einige[368] der schnellsten Schiffe nach Teneriffa voraus, um dort alles zu schneller Proviant- und Wasserergänzung vorzubereiten, auch ließ er durch vier andere gute Segler langsame Fahrzeuge in Schlepp nehmen. In Teneriffa verweilte er nur einen Tag (25. Juni) und traf am 19. Juli vor Martinique ein. Es war einem vorausgesandten Schiffe gelungen, einige Einwohner beim Fischen abzufangen; von ihnen erfuhr man, daß seit etwa vier Wochen auf allen französischen Inseln Ankunft, Stärke und Absicht der Holländer bekannt sei; die Besatzungen seien überall verstärkt, die Schiffe (Kriegs- und Handelsfahrzeuge) unter den Schutz der Batterien gebracht. Man beschloß im Kriegsrat, Fort de France als den wichtigsten der drei Häfen der Insel anzugreifen. Sein Besitz war nötig, wenn man die Insel dauernd halten wollte, seine Eroberung vom Lande her, falls man zuerst einen andern Platz genommen, schwierig; hier lagen ferner die wertvolleren Schiffe und hier waren am leichtesten Wasser und Brennholz für die Flotte zu erhalten, endlich wußte man, daß die Befestigungen dieses Punktes noch nicht ganz fertig waren. Am 20. schritt man zur Landung und hatte anfangs Erfolg.

Ruyter hatte geplant, in den Hafen einzulaufen, doch zeigte sich die Einfahrt für schwere Schiffe zu seicht, durch zwei versenkte Fahrzeuge teilweise gesperrt und durch das Fort (20 Kanonen) sowie durch ein Kriegs- und ein armiertes Kauffahrteischiff zu gut geschützt. Man mußte deshalb in einer benachbarten Bucht, die aber auch durch das Fort und die genannten Schiffe bestrichen werden konnte, landen und das Fort vom Lande her angreifen. Nach einem schon auf der Reise ausgearbeiteten Plane wurde unter dem deckenden Feuer der Schiffe mit allen Booten in breiter Formation eine Brigade von 1000 Soldaten an Land geworfen; es kostete schwere Verluste — der Feind war 5 Kompagnien stark, der Strand war steil, schlüpfrig und schmal — aber es gelang, den Feind in den Busch zu treiben, festen Fuß zu fassen und das Landen zweier gleichstarker Abteilungen zu decken. Verstärkungen von Matrosen wurden sofort nachgesandt und der Feind auch aus dem mit Verhauen gesperrten Busch vertrieben. Die Stellung des Gegners beim Fort war jedoch stark, begünstigt durch eine mit Infanterie besetzte Anhöhe; mehrere Stürme wurden abgeschlagen, eine Umgehung, um das Fort in der Kehle anzugreifen, wurde durch das Feuer der feindlichen Schiffe vereitelt. In den Kämpfen fielen der Chef des Landungskorps, zwei Brigadeführer und mehrere andere höhere Offiziere oder wurden verwundet: ein Teil der Truppen ging fluchtartig nach den Booten zurück. Französische Berichte sagen, viele Holländer hätten sich in Wein- und Branntweinmagazinen am Strande betrunken.

Infolge großer Verluste aber, besonders an höheren Dienstgraden der Soldaten, hielt Ruyter am Abend die Eroberung des Forts für unmöglich, ja sogar das Landungskorps für gefährdet; er befahl deshalb die Wiedereinschiffung, die dann während der Nacht in voller Ordnung vor sich ging.

Nach diesem mißlungenen Versuch segelte der Admiral nach Domingo, um Wasser aufzufüllen. Die Überzeugung, daß auch die andern Inseln zu gut vorbereitet wären, das Vorhandensein der vielen Verwundeten an Bord, der Mangel an Führern für das Landungskorps und endlich das Herannahen der Orkanzeit bestimmten ihn, nach Holland zurückzukehren; er ließ 5 Schiffe in den westindischen Gewässern. Seine Reise nach Holland (Ankunft 30. September) wurde durch Stillen und Stürme verzögert; die[369] Rationen mußten herabgesetzt werden und die Flotte litt sehr unter Ruhr und Skorbut.

Das Mißlingen dieser Expedition wird wiederum der zu späten Seebereitschaft der Schiffe und dem Umstande zugeschrieben, daß der Feind rechtzeitig Kenntnis erhielt. Dies braucht nicht allein eine Folge von Verrat gewesen zu sein, die Ausrüstung der Flotte konnte kein Geheimnis bleiben. Daß sich die Franzosen nicht nur auf einen Vorstoß gegen ihre Küsten, sondern auch gegen ihre auswärtigen Besitzungen gefaßt machten, ist nicht wunderbar, hatte doch gerade Ruyter im Jahre 1664 einen ähnlichen Zug erfolgreich gegen englische Kolonien unternommen und die alten Expeditionen der Engländer sowie eigene der Art gegen Spanien und Portugal, seitdem die Kolonien eine Rolle spielten, waren wohl unvergessen. Wäre es aber für Holland nicht richtiger gewesen, seine Kräfte 1674 nicht zu zersplittern, die Expedition Ruyters stärker zu machen oder die ganze Flotte gegen die französische Küste oder noch besser gegen die feindlichen Seestreitkräfte im Mittelmeer zu verwenden? Wir kommen darauf zurück.

Das Mißlingen der Unternehmung gegen Martinique im besonderen wird dem Mangel an Kenntnis der Örtlichkeit zugeschrieben. Ein französischer Edelmann, der auf der Insel gewohnt hatte, soll den Zug begleitet haben, um Rat zu geben. Dieser äußerte sich später, man habe nicht auf ihn gehört und einen sehr ungünstigen Landungsplatz gewählt.

Die Pläne, Frankreich in Westindien zu schädigen[205] und die eigene Macht dort zu erweitern, wurden keineswegs aufgegeben; die Provinzen von Holland, besonders Amsterdam, legten großen Wert darauf. 1676 gründete eine von Amsterdam ausgerüstete Expedition in Guyana am Cyapoco eine Niederlassung (Oranje), doch wurde diese bereits nach 9 Monaten eine Beute der Franzosen in Cayenne. In demselben Jahre wurde aber noch ein zweites Unternehmen gegen französische Besitzungen ins Werk gesetzt. Unter Jacob Binckes eroberte ein Geschwader von 3 Linienschiffen, 3 Fregatten und 3 Jachten — ausgerüstet unter dem Vorwande, den Handel im Mittelmeer zu schützen — nebst einem Transporter mit 700 Soldaten das Fort Cayenne (Mai 1676); diese Kolonie wurde mit 200 Soldaten besetzt. Auch die Insel Marie Galante wurde genommen, man brandschatzte sie aber nur und führte alle brauchbaren Sachen, sogar die Sklaven hinweg, um sie zur Besiedlung von Tabago zu verwenden. Ein Anschlag auf Guadeloupe mißlang infolge Herankommens einiger starker Linienschiffe von Martinique — 1675 war ein kleines Geschwader unter de Grancey von La Rochelle nach den Antillen gesandt —, mit denen man ein scharfes Gefecht zu bestehen hatte. Endlich brandschatzte Binckes noch St. Martin und nahm einige bewaffnete Kauffahrer an der Nordküste von Domingo. Dann führte er seine Hauptaufgabe aus, die Inbesitznahme Tabagos. Hier hatte schon 1655 eine aufblühende holländische Kolonie bestanden, sie war aber, im vorletzten Kriege verschiedentlich[370] den Herrn wechselnd, verwüstet und fast ganz wieder verlassen. Binckes brachte nun holländische Pflanzer anderer Inseln dorthin, landete seine Truppen und setzte die alten Befestigungen wieder instand; es sollte auch sofort der Kampf um die Insel beginnen.

Ludwig XIV. sandte schon im Oktober 1676 ein Geschwader aus, um Cayenne zurückzuerobern, Tabago zu nehmen und auch sonst Beute zu machen. Admiral d'Estrées, eifersüchtig auf die von du Quesne im Mittelmeer errungenen Lorbeeren, hatte den Anstoß dazu gegeben und selbst einen Teil der Kosten beigetragen; er führte den Oberbefehl. Ende Dezember nahm er leicht Cayenne und Oranje, er erschien dann am 20. Februar 1677 vor Tabago. Binckes hatte seine Ankunft in Westindien erfahren, war aber zu schwach, ihm auf See entgegenzutreten. D'Estrées' Geschwader bestand aus 7 Linienschiffen, 3 Fregatten, 3 Jachten und 1 Brander, auch waren die französischen Linienschiffe weit mächtiger, alle Schiffe weit stärker bemannt und auf ihnen 450 Soldaten sowie 400 Freiwillige von den französischen Inseln eingeschifft. Als eins der ersten Beispiele derartiger Kämpfe um Kolonien, von dem genauere Angaben vorliegen, sei etwas näher auf diese Aktion eingegangen; sie wird außerdem in der Geschichte der holländischen Marine mit Recht als eine hervorragende Waffentat angesehen.

Binckes hatte wegen Mangels an Material und wegen der vorhergegangenen Regenzeit das Fort noch nicht völlig herstellen können. Die Lage war aber günstig, an Busch und Morast gelehnt; zur Bestreichung der Bucht war noch eine behelfsmäßige Batterie vor dem Fort gebaut. Da die Besatzung ungenügend erschien — die Zahl der Soldaten war durch Abgabe der Cayenne-Garnison sowie durch Verluste und Kranke sehr vermindert —, verstärkte der Admiral sie von den Schiffen. Er hielt die Stellung am Lande für die wichtigere; die Schiffe konnten die Insel nicht halten und waren mit dem Verlust der Befestigungen selbst verloren. Dementsprechend erwartete er auch den Hauptangriff am Lande, um so mehr da für einen Angriff das Segeln auf die Rhede zwar leicht, das Wiederabsegeln aber sehr schwer, oft nur vermittels Warpen[206] möglich war. Binckes übernahm selbst auch das Kommando am Lande. Die Schiffe waren im Grunde der Bucht in Linie verankert: eng geschlossen, mit den Breitseiten nach See zu vermoort, die Flügel der Linie an den Strand und an eine Bank mit Klippen gelehnt.

Am 21. landete d'Estrées etwa 1000 Mann, stellte Geschütze auf einem Hügel auf und beschoß, allerdings ohne großen Erfolg, Fort und Schanze; das Geschwader blockierte die Bucht und lotete das Fahrwasser aus. Nach Ansicht Binckes' würden die Franzosen Erfolg gehabt haben, wenn sie den Hauptwert auf die Eroberung des Forts gelegt, dazu das Landungskorps durch Ausschiffen nach Möglichkeit verstärkt und die holländischen Schiffe nur beschäftigt hätten. So aber ordnete d'Estrées, wieder seemännischem Rate unzugänglich, für den 3. März einen gleichzeitigen Angriff zu Lande und zu Wasser an. Der Angriff wurde mit großem Mute durchgeführt, erreichte aber den Zweck nicht. Am Lande können die Franzosen kaum die nötige Übermacht gehabt haben, um eine feste Stellung zu nehmen. Außerdem griffen sie — gegen den Befehl — zu früh und an einer anstatt an mehreren Stellen an. Ein dreimaliger Sturm wurde mit großen Verlusten (200 Tote, viele Verwundete), darunter der Führer und fast alle Offiziere, abgeschlagen. Das Landungskorps mußte sich während der Nacht zurückziehen und wurde später in einer benachbarten Bucht wieder eingeschifft.

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Die französischen Schiffe segelten in zwei Kolonnen auf die Rhede und legten sich längsseit der Holländer, teilweise Bord an Bord. In einem hartnäckigen Kampfe verbrannten sämtliche holländischen Schiffe bis auf 2 Linienschiffe und 1 Fregatte, die sich aber entmastet und leck auf den Strand setzen mußten. Jedoch auch auf französischer Seite flog das Flaggschiff mit seinem Gegner zugleich auf, ein zweites Linienschiff verbrannte, zwei andere und der Brander gerieten auf Strand, die übrigen wurden schwer beschädigt, 3 Kommandanten fielen. Gegen Abend zog d'Estrées die Schiffe aus dem Feuerbereich der Befestigungen; zwei größere Linienschiffe wurden noch 2 Tage durch den Gegenwind in Tragweite der feindlichen Geschütze zurückgehalten und wechselten Schüsse mit diesen. Auch dieser Angriff war mit Bravour ausgeführt, aber es wird darüber geklagt, daß die Offiziere die brennenden Schiffe zuerst verlassen hätten. In den nächsten Tagen zerstörten die Holländer die französischen Schanzen und nahmen die gestrandeten und verlassenen Schiffe in Besitz; ein Versuch d'Estrées', diese Fahrzeuge und den Rest der holländischen durch einen neuhergerichteten Brander zu zerstören, mißlang (11. März); er verließ Tabago.

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Der Angriff auf Tabago, 3. März 1677.

Der Gesamtverlust der Franzosen betrug über 1500 Mann, der der Holländer 350 Tote und Verwundete; trotzdem wurde in Paris eine Siegesdenkmünze geprägt.

Der Angriff war also abgeschlagen; infolge großer Verluste und der schweren Beschädigungen seiner Schiffe mußte d'Estrées nach Frankreich zurückgehen, ohne weiteres in Westindien zu unternehmen. In Holland beschloß man, sofort Verstärkungen nach Tabago zu senden. Geldmangel verzögerte die Ausrüstung, obgleich man hörte, daß auch Frankreich eine neue Expedition für Westindien rüste, der Winter kam dazwischen; als ein kleines Geschwader endlich die Antillen erreichte, war die Insel gefallen.

Schon im Oktober 1677 war d'Estrées mit 13 Linienschiffen und Fregatten wieder ausgelaufen. Er bemächtigte sich zunächst der holländischen Besitzungen in Senegambien (Gorée, Pertudal, Joal u. a.) und segelte dann nach den Antillen, wo er durch 12 Flibustier verstärkt wurde. Am 6. Dezember erschien er vor Tabago, wo nur 2 holländische Kriegsschiffe lagen; diese wurden blockiert und 1500 Mann gelandet. Binckes verfügte nur über 350 gesunde Soldaten und mußte sich ganz auf die Verteidigung[372] des Forts beschränken. Am 11. eröffneten die Franzosen aus Belagerungsbatterien das Feuer, schon die dritte Bombe sprengte das Pulvermagazin auf, wobei Binckes und mehrere Offiziere umkamen. Das Fort wurde erstürmt, die Niederlassung verwüstet, die Schiffe verbrannt. Weiter aber erreichte d'Estrées nichts. Als er nach einigen Monaten Ruhe in Martinique im Frühjahr 1678 aufbrach, um Curaçao anzugreifen, erfolgte die schon erwähnte Strandung seines Geschwaders auf den Aves-Inseln (Seite 349). Auch bei dieser Gelegenheit verließen (nach französischen Angaben) Admiral, Kommandanten und Offiziere die gefährdeten Schiffe und gaben die Mannschaften dem Untergange preis. D'Estrées kam (französische Angabe) der französischen Marine teuer zu stehen, wurde aber trotzdem wegen der „Eroberung von Tabago“ zum Marschall ernannt.

Der Krieg im Mittelmeer 1675–1678[207] (Stromboli, Agosta, Palermo). Ludwig XIV. hatte also nach dem Austritt Englands aus dem Bündnis den Entschluß gefaßt, seine Seestreitkräfte hauptsächlich im Mittelmeer zu verwenden; dementsprechend wurde im Frühjahr 1674 von den Häfen am Ozean ein Geschwader von 10 Schiffen unter dem Chef d'Escadre Valbelle nach dem Mittelmeer gezogen. In Toulon waren die Galeren und eine Hochseeflotte — vorläufig 8 Linienschiffe, 2 Fregatten, 4 Brander, aber nach und nach beträchtlich vermehrt — in Dienst gestellt. Den Oberbefehl führte Graf de Vivonne (Bruder der Montespan), General der Galeren — der Posten des Vizeadmirals der Levante war nicht besetzt; unter ihm befehligten auf der Hochseeflotte Generalleutnant du Quesne als Vizeadmiral und Chef d'Escadre de Preuilly als Kontreadmiral. Die Hochseeflotte und das Geschwader vom Atlantik trafen sich (Anfang Sommer) in Tanger, um den Hafen von Cadiz zu forcieren und die dort liegenden spanischen Kriegsschiffe zu zerstören, wie es früher die Engländer und Holländer auch getan hatten. Dieser Plan wurde jedoch aufgegeben, „weil die Spanier davon Kenntnis erhalten“ — du Quesne und Valbelle sollen den Angriff bei den gegen früher sehr verstärkten Befestigungen für untunlich erachtet haben. Vivonne ging nach Toulon zurück und von dort an die Küsten von Rousillon und Catalonien zur Unterstützung des Landkrieges — Schutz französischer (z. B. Collioure), Angriff spanischer Seestädte; Festhalten der spanischen Seestreitkräfte —, wir haben die Flotte oder Teile davon bei Tromps Operationen vor Barcelona und Rosas gesehen.

Ihre Hauptverwendung sollte die französische Flotte aber in dem Kampf um Sicilien finden. Die Stadt Messina, damals etwa 80–100000 Einwohner, hatte sich gegen Spanien erhoben, den Vizekönig verjagt und bat nun Ludwig um Unterstützung. Dieser ging gern darauf ein: Der Aufstand auf der Insel zog Spanien vom Kriege gegen ihn ab; Frankreich gewann, wenn es in Sicilien Fuß faßte, einen wichtigen Stützpunkt für Unternehmungen gegen Italien und für die Herrschaft im Mittelmeer überhaupt. Infolgedessen[373] sahen wir im September 1674 französische Seestreitkräfte eine spanische Flotte vor Rosas festhalten, die die Truppen nach Sicilien überführen sollte. Vor allem aber war es wichtig, dem schwerbedrängten Messina Lebensmittel zuzuführen. Valbelle brachte Ende September mit 6 Kriegsschiffen und 3 Brandern ein großes Getreideschiff unbehindert hinüber. Das Erscheinen der Holländer unter Tromp hatte inzwischen die spanische Flotte freigemacht, sie gelangte wohlbehalten nach Messina, und die Belagerung ward mit aller Kraft aufgenommen. Valbelle ward deshalb aufs neue hinübergesandt; er führte nur außer Getreideschiffen 500 Soldaten zur Verstärkung der Stadtbesatzung mit sich. Dieses Mal fand er hinter der Straße von Messina (am 30. Dezember) die spanische Flotte, Hochseeschiffe und Galeren. Er wartete günstige Wind- und Stromverhältnisse ab und lief am 3. Januar 1675 durch die Straße und in den Hafen ein, ohne daß die Spanier ihm entgegentraten; kleine Batterien, die Straße und Einfahrt bestrichen, waren leicht zum Schweigen gebracht worden. Es war die höchste Zeit für Ankunft dieser Unterstützung, die Stadt war fast ausgehungert; die Verteidigung erhielt nun neues Leben, die Belagerung ward lauer; die spanische Flotte machte nur einen erfolglosen Nachtangriff mit Brandern und Booten auf die französischen Schiffe.

Messina stellte sich jetzt unter den Schutz Frankreichs, und im Februar führte Vivonne, zum Vizekönig von Sicilien ernannt, eine mächtigere Unterstützung heran. Mit 9 Linienschiffen, 1 Fregatte und 3 Brandern begleitete er — unter ihm du Quesne und de Preuilly — 8 Transporter mit Lebensmitteln und Truppen. Ihm endlich trat die spanische Flotte — 16 oder 17 Hochseeschiffe unter de la Cueva (ein Landoffizier) und 14 Galeren unter del Viso (Generalkapitän der Galeren und Oberbefehlshaber) — entgegen, aber ohne Erfolg.

Am 11. Februar kommt es zu einem wenig Bemerkenswertes bietenden Gefecht zwischen Stromboli und Lipari. östlicher Wind, die Spanier zu Luward. Nur 6 französische Linienschiffe sind in Linie, die Nachhut ist mit dem Convoi weiter in Lee. Die Spanier umzingeln in Gruppen. Die Franzosen wenden, vereinigen sich mit der Nachhut und bilden eine neue Linie. Während des neuen Gefechts kommt Valbelle mit seinem Geschwader von Messina und greift die Spanier von Luward her an. Die Galeren ziehen sich zuerst mit Hilfe der Riemen nach Luward aus dem Gefecht; auch die Schiffe brechen ab und lassen ein 40-Kanonenschiff zurück, das von du Quesne mit Booten genommen wird; die Spanier gehen nach Neapel (Verlust 4 Schiffe?), die Franzosen laufen in Messina ein. Wieder war es die höchste Zeit, die Stadt stand auf dem Punkte, zu kapitulieren.

Weitere Verstärkungen folgten nach; auch neue Kriegsschiffe stießen zur Flotte, geführt von Leutnantgeneral d'Alméras, der jetzt das Amt des Kontreadmirals übernahm (eines der Schiffe führte der bald berühmte de Tourville).

Die französische Flotte beherrschte die See, führte Lebensmittel für die Stadt heran und hinderte die Zufuhren der Spanier. Vivonne eroberte dann am 17. August fast ohne Schwertstreich Agosta durch eine Landung unter dem Schutz der Seestreitkräfte, jedoch warf man ihm vor, daß er nichts gegen die spanische Flotte in Neapel unternommen[374] habe; er verfügte im August über 29 Schiffe, 24 Galeren, 12 Brander. Das eigentliche Kommando über die Flotte hatte er, „durch seine Geschäfte an Messina gebunden“, übrigens bald an du Quesne abgegeben; französische Quellen sagen aber „wegen seiner Neigung zu Ruhe und Vergnügungen“. sein Beiname war „le gros crevé“ (Dickwanst). Auch den Landkrieg führte Vivonne lau, die Stadt blieb belagert. Weitere Unterstützungen an Lebensmitteln und Truppen waren nötig; auch die Flotte mußte instandgesetzt werden, weil man erfuhr, daß Holland den Spaniern Hilfe zur See unter Ruyters Kommando zugesagt hatte. Am 16. September wurde deshalb du Quesne mit zwei Dritteln der Flotte nach Toulon gesandt, um seine Schiffe zu überholen, die Unterstützungen zu beschleunigen und sie sicher heranzuführen. Verwaltung, Werften und Arsenale arbeiteten aber noch nicht zuverlässig, und so konnte der Admiral erst am 16. Dezember mit 20 Kriegsschiffen, 6 Brandern und verschiedenen Transportern Toulon wieder verlassen. Ruyter war schon Ende September in Cadiz angekommen, so daß die Absendung du Quesnes mit dem größten Teile der Flotte recht gewagt war; zu Vivonnes Glück wurde Ruyter lange aufgehalten.

Wenden wir uns nun zu diesem Eingreifen Hollands. Spanien hatte Holland um Unterstützung in Sicilien gebeten. Wir wissen, daß schon Tromp im Herbst 1674 ersucht worden war, nach Messina zu gehen; nach Einmischung der Franzosen und besonders nach dem Siege Vivonnes (Februar 1875) wurden die Bitten um Unterstützung durch eine holländische Flotte immer dringender, ja man bat direkt um Ruyter. Die meisten niederländischen Provinzen waren nicht geneigt, hierfür Mittel zu bewilligen; die Generalstaaten aber und auch wohl die Provinzen von Holland, besonders Amsterdam, fürchteten mit Recht, daß ein Festsetzen der Franzosen in Sicilien ihre Seeherrschaft im Mittelmeer sehr stärken und den holländischen Handel mit Italien und der Levante sehr gefährden würde. Außerdem sah man die alte Gefahr heraufziehen, Frankreich als unmittelbaren Nachbar zu erhalten: es verlautete nämlich, Spanien würde unter Umständen selbst seine Niederlande opfern, um Sicilien zu retten.

Die Verhandlungen im Lande führten zu der außergewöhnlichen Maßregel, daß nur eine Admiralität die erbetene Hilfsflotte stellte: Amsterdam erklärte sich bereit, die Schiffe zu liefern; von den 1½ Millionen Gulden Kosten sollte Spanien die Hälfte zahlen, 450000 wollte Amsterdam auf sich nehmen, so daß für die übrigen Provinzen nur 300000 blieben; die Admiralität der Maas wollte das Flottenflaggschiff stellen, aber nur um ihr altes Recht darauf zu wahren. Genannte Summe reichte nur zu der Indienststellung von 18 Kriegsschiffen, 4 Brandern, 6 kleinen Segeln und 2 Transportern; Spanien verpflichtete sich, 22–24 Kriegsschiffe und seine Galeren zu stellen.

Ruyter hielt die holländische Flotte für zu klein. Ihm war wohl bekannt, daß die französische Marine in jeder Hinsicht Fortschritte gemacht hatte; er achtete du Quesne hoch; er wußte, was von den Spaniern zu erwarten war. Die Generalstaaten aber hatten keine Aussicht, mehr Mittel zu erhalten, und[375] beurteilten auch wohl den Verbündeten und den Gegner anders. Ruyter mußte sogar kränkende Äußerungen hören; er beantwortete sie mit der ihm eigenen einfachen Würde, und die Zukunft sollte zeigen, wie richtig sein Urteil gewesen war.

Schon die Ausrüstung und die Ausreise der Expedition verlief ungünstig und langsam, dann waren die Spanier nicht fertig.

Kurz diese Ereignisse: Die Verhandlungen begannen im Frühjahr 1675 und waren im Juni zum Beschlusse gediehen, trotzdem konnte Ruyter erst am 29. August in See gehen. Als Vizeadmiral der Flotte war Jan den Haen kommandiert, ein tüchtiger Offizier, aber mit Ruyter nicht recht im Einverständnis; Kapitän Verschoor, selbst in seinem Dienstgrade noch jung, erhielt durch Gunst das Amt als Kontreadmiral. Ruyter war kränklich, erklärte aber auf abratende Vorstellungen seiner Verwandten, die Pflicht rufe, und er würde den Zug mitmachen, wenn er auch an Bord getragen werden müsse; ebenso hatte er auf die kränkenden Äußerungen geantwortet, er ginge, ohne Rücksicht auf sein Schicksal, wohin man ihn kommandiere, aber er wundere sich, „daß man die Ehre der holländischen Flagge so leichtsinnig aufs Spiel setze.“ Als böses Omen könnte man fast ansehen, daß sein altes ruhmreiches Flaggschiff („7 Provinzen“) nicht seetüchtig war; er ging an Bord der „Eendragt“ (76 Kanonen).

Sturm und widrige Winde verzögerten die Reise. Erst am 26. September kam er in Cadiz an und mußte hier 11 Tage ausbessern; die Ausrüstung der Schiffe war schlecht, wie sich während der weiteren Indiensthaltung immer mehr herausstellte. In Cadiz erhielt er Befehl, von der Ebromündung 7 spanische Linienschiffe abzuholen, den für Sicilien als Vizekönig bestimmten Don Juan d'Austria an Bord zu nehmen und sich in Palermo mit der spanischen Hauptflotte zu vereinigen. Die Reise wurde zu einer Argonautenfahrt, auf die wir nicht genauer eingehen wollen[208]: Sturm und Gegenwinde; den Haen mit 7 Schiffen im Sturm abgesprengt; keine spanischen Schiffe an der Ebromündung, auch nicht in Barcelona (14. November); hier 14 Tage durch Befehle und Gegenbefehle aufgehalten; d'Austria kommt nicht „wegen Krankheit“, in Wahrheit, weil er in Ränke gegen die Königin-Regentin verwickelt war. Am 4. Dezember ist Ruyter in Cagliari, den Haen in Neapel; am 20. Ruyter in Melazzo (Nordküste Siciliens), hört hier, daß die Spanier in Palermo noch nicht schlagfertig sind und daß sie es auch wegen Uneinigkeit zwischen Vizekönig und Admiral, wegen Lauheit der Behörden und Materialmangels sobald nicht sein würden; selbst den Haen wurde dort festgehalten. Endlich gegen Ende Dezember treffen den Haen und mit diesem 9 spanische Galeren sowie ein Kriegsschiff bei ihm ein; er kann am 31. in See gehen, um vor der Straße von Messina zu kreuzen und der Stadt die Zufuhren von Norden abzuschneiden; die spanische Hochseeflotte soll folgen, sobald sie bereit ist.

Anfang Januar 1676 endlich vor der Straße von Messina angekommen, erfährt Ruyter (über Neapel), daß du Quesne von Toulon aufgebrochen und schon an der Küste Sardiniens gesehen sei; er beschloß, ihm entgegenzutreten. Da der Wind verhinderte, die Straße zu passieren, und den Feind hinter dieser zu erwarten, so suchte er ihn auf. Am 6. befand er sich dicht unter der Insel Lipari und hörte von Küstenschiffern, man könne die Franzosen von den Bergen aus in Nordwest sehen; ein auf die Insel Salina gesandter Offizier bestätigte dies. An demselben Tage erfuhr der Admiral auch, daß die Spanier von Palermo ausgelaufen seien. Am 7. früh sichtete man[376] die Franzosen im Norden Salinas, bei Südsüdwest-Wind über Steuerbord-Bug liegend und aufkreuzend. Ruyter hielt mit vollen Segeln auf sie zu, drehte aber um 3 Uhr nachm. außer Kanonenschußweite bei und bildete die Gefechtslinie gleichfalls über Steuerbord. Dann rief er die Kommandanten an Bord und gab Anweisungen und Ermahnungen für die bevorstehende Schlacht; den Erschienenen soll sein sehr ernstes, ja gedrücktes Wesen aufgefallen sein.

Trotz der Luvstellung griff er an diesem Tage nicht an, sondern hielt sich auf Parallelkurse mit dem Feinde. Ein leichtes Schiff war während der Nacht nah am Gegner stationiert, um dessen Bewegungen zu signalisieren. Um Mitternacht sprang der Wind auf Westsüdwest und frischte so auf, daß die spanischen Galeren unter Lipari Schutz suchen mußten. Gegen Morgen wendeten beide Flotten, die Franzosen zuerst. Durch das Umspringen war der Wind für die Franzosen zur Fortsetzung der Reise günstig geworden, und sie standen jetzt zu Luward; du Quesne sandte seine Transporter voraus mit Kurs nach Messina, bildete mit der Flotte die Schlachtlinie und näherte sich den Holländern.

Jetzt erst konnte Ruyter die Stärke des Feindes genau feststellen, bisherige Nachrichten hatten von nur 12 Linienschiffen gesprochen.

Die Flotten setzten sich zusammen:

    Über 80 K. 70–74 60–64 50 36 Kleinere Brander Galeren Transporter
Franzosen; Schiffe 71) 6 4 3 ? 6 4(?)
Holländer;    42) 2    93) 4    64) 4 9

1) Darunter 3 zu 90 Kanonen, aber fraglich, ob vollarmiert;

2) darunter 2 zu 76 Kanonen; 1 zu 68 Kanonen;

3) darunter 1 zu 47 Kanonen und 1 spanisches;

4) „Snauwen“ zu 8 Kanonen, 36 Mann; seit 1674 an stelle der Advijsjachten aufgeführt; kuttergetakelte Fahrzeuge.

Die Franzosen waren also an Größe der Schiffe und damit in der Armierung wesentlich überlegen; daß die französische Armierung auch in der Kaliberverwendung stärker war, ist uns bekannt. Die Besatzungsstärke — d. h. die gleicher Schiffsgrößen — war diesmal annähernd gleich. Die Flotten, in 3 Geschwader geteilt, wurden geführt auf holländischer Seite: Vorhut Verschoor; Mitte Ruyter; Nachhut den Haen; auf französischer Seite: Vorhut de Preuilly; Mitte du Quesne; Nachhut de Gabaret — d. h. so war die Rangierung in der Schlacht, da beide Flotten in „Kehrt“ standen.[209]

„Abraham du Quesne“, 1610 in Dieppe geboren, Sohn eines Seemannes, der zur See gefallen war, diente in der königlichen Marine und auch mehrere Jahre zu Kriegszeiten in der schwedischen. Nach Frankreich zurückgekehrt, zog er die Freibeuterei dem Dienst in der verfallenen Marine vor; erst unter Colbert trat er wieder ein. 1672 bis 1674 der befähigtste Admiral der Flotte im Kanal; 1674–1678 hervorragend im Mittelmeer, zeichnete sich auch später noch gegen die Barbaresken aus. Nur weil er Protestant war, wurde er nicht zum Vizeadmiral der Levante ernannt, obgleich er diesen Posten[377] ausfüllte — dieser Posten blieb so lange unbesetzt; er erhielt auch nicht den Marschallsstab trotz seiner Taten. Von Charakter fest und gerecht, war er ein vorzüglicher Vorgesetzter und Organisator der jungen Marine, aber kein bequemer Untergebener, besonders nicht den durch Hofgunst Bevorzugten gegenüber. Er starb 1688. — Daß Ruyter ihn als tüchtigen Gegner anerkannte, zeigt dessen Antwort auf die Frage eines englischen Kapitäns, was Ruyter vor Messina mache: „Ich erwarte den tapfern du Quesne.“

Trotz der Stellung in Lee und trotz der Übermacht des Feindes nahm Ruyter den Kampf zwischen den Inseln Stromboli und Panaria an. Die Schlacht bei Stromboli am 8. Januar 1676[210] ist besonders bemerkenswert wegen Ruyters Verhalten.

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Abraham du Quesne.

Warum benutzte er die günstige Windstellung am 7. nicht zum Angriff? Warum nahm er am folgenden Tage den Kampf unter scheinbar ungünstigen Umständen an? Zwar haben wir ihn im letzten Kriege seine Schlachten behutsam vorbereiten aber dann doch — selbst gegen Übermacht — mit äußerster Energie, ja Tollkühnheit durchführen sehen, wenn ein Schlagen nötig war. Daß er auch hier unbedingt dem Feinde den Weg nach Messina verlegen wollte, wird durch sein Bleiben am Feind und sein Schlagen am anderen Tage bewiesen.

Die holländischen Quellen sagen nun: Am 7. habe Ruyter zunächst beidrehen müssen, um Nachzügler zu erwarten, später sei der Tag zu weit vorgeschritten gewesen; als er am 8. die Stärke des Feindes genau erkannt, sei ein Rückzug zu gefährlich gewesen. Beides erscheint nicht unbedingt zutreffend: Ruyter mußte am 7. damit rechnen, daß der Wind sich bis zum nächsten Tage zu seinen Ungunsten ändern könne; sein „gedrücktes“ Wesen läßt darauf schließen, daß er auch an diesem Tage schon die Stärke des Gegners erkannt hatte und deshalb vom Angriff absah. Ich möchte andere Beweggründe für wahrscheinlicher halten. Ruyter brauchte nicht durchaus anzugreifen, um seinen strategischen Zweck zu erreichen. Du Quesne mußte es, wenn er seine Reise fortsetzen wollte; zögerte dieser mit dem Angriff, so konnte jeden Augenblick die spanische Flotte zur Verstärkung der holländischen eintreffen. Hierin ein Grund für Ruyters Verhalten am 7. Januar.

[378]

Hierzu kommt nun, daß ein so erfahrener Seemann wie Ruyter vielleicht schon die Vorteile der Defensive — auch in der Leestellung —, die in der bisher üblichen Taktik noch nicht gewürdigt wurden, erkannt hatte; Vorteile, die besonders ins Gewicht fielen, wo es sich darum handelte, mit schwächeren Kräften einem Gegner von feurigem Mut, aber mangelnder Seemannschaft entgegenzutreten. Dies kann den Admiral des weiteren bestimmt haben, dem Feinde am 7. den Angriff zu überlassen und am 8. den Kampf in einer scheinbar ungünstigen Stellung — der Leestellung — anzunehmen.

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Die Schlacht bei Stromboli, 8. Januar 1676.

Die Schilderung der Schlacht wird zeigen, daß die Holländer tatsächlich infolge der Vorteile einer Defensive in der Leestellung imstande waren, dem starken Angriffe zu widerstehen; die Schlacht bei Stromboli gibt teilweise ein Bild der Defensivtaktik, die die Franzosen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. den Engländern gegenüber oft mit großem Erfolge durchführten.

Die beiden Flotten lagen über Backbord-Bug in Kiellinie beim Winde. Gegen 9 Uhr vorm. hielt du Quesne ab und lief mit der ganzen Linie schräg auf die Holländer zu; ein Manöver, das schwer mit Genauigkeit auszuführen ist und den Angreifer in ungünstiger Lage dem Breitseitfeuer aussetzt, weil dieser selbst wenig Geschütze verwendbar hat und den Bug dem Enfilierfeuer darbietet; die bisher vorzügliche Ordnung ging denn auch verloren. Das französische Spitzenschiff stürzte sich (gegen 10 Uhr) tollkühn auf die Mitte der feindlichen Vorhut, erlitt sofort schwere Beschädigungen in der Takelage und war genötigt, aus der Linie zu holen; nicht besser erging es dem zweiten Schiffe, beide waren wohl etwas voraus. Der dann folgende Admiral Preuilly hatte beim Abhalten zu wenig Raum gelassen, seine nachfolgenden Schiffe waren infolgedessen zu nahe aufgeschlossen, als sie querab vom Feinde wieder an den Wind gingen; sie schoben sich zum Teil nebeneinander und hinderten sich gegenseitig im Feuer (Lage 1). Außerdem[379] kamen die französischen Schiffe nacheinander ins Gefecht; es ist dies eine fast unvermeidliche Folge der gewählten Angriffsart. Der Angriff du Quesne's auf die holländische Mitte verlief deshalb ähnlich, auch hier wurden die beiden ersten Schiffe durch überlegenes Feuer sehr zusammengeschossen. Sonst scheint die französische Mitte mit mehr Ordnung wieder an den Wind gegangen zu sein; auch bei der Vorhut wurde die Ordnung bald wiederhergestellt. Die Holländer leisteten überall kräftigen Widerstand und „keines ihrer Schiffe sah man, das nicht einen Gegner dicht an der Seite hatte“.

Ruyter soll nun aber doch mit seinen beiden vorderen Geschwadern fortwährend Raum gegeben haben. Es ist nicht ersichtlich, ob dies ein Geständnis der Schwäche oder ein taktisches Manöver war, um den Gegner aufs neue zum Herangehen in ungünstiger Lage zu verleiten.

(In späteren Zeiten verfuhren nämlich die Franzosen so, allerdings mit mehr Methode: Eine Gruppe von 2–3 Schiffen hielt ab, gedeckt durch Pulverrauch und das Feuer der übrigen. Nach und nach bildete sich so eine neue Linie, die dann die letzten Schiffe der ursprünglichen Linie bei ihrem Abhalten durch Feuer deckte und aufnahm.)

Das Gefecht währte hier bis gegen 4½ Uhr nachm.; drei französische Brander, zwei davon auf Ruyters Schiff angesetzt, wurden zwischen den kämpfenden Linien entmastet und verbrannten nutzlos. Das Ende des Kampfes ist nicht genau aus den Überlieferungen zu erkennen; Ruyter brach ab, die Franzosen verfolgten nicht. Wahrscheinlich waren sie zu sehr beschädigt, wenigstens bedauerten sie den Mangel an Galeren zur Verfolgung. Die nachgekommenen spanischen Galeren schleppten stark beschädigte Holländer aus dem feindlichen Feuer, sonst hatten sie sich nur durch Abgabe einiger Schüsse aus den Buggeschützen auf weite Entfernung am Gefecht beteiligt.

Auch über den Kampf der Nachhuten sind die Angaben ungenügend; er trennte sich frühzeitig von dem der anderen Geschwader. Infolge der Angriffsart mußte er natürlich zuletzt beginnen, die Trennung scheint aber auch noch andere Gründe gehabt zu haben. Du Quesne warf Gabaret vor, den Anschluß an die Mitte verloren und nicht mit derselben Energie angegriffen zu haben; Gabaret entschuldigte sich mit der Lauheit einiger seiner Schiffe und deren ungeschickten Manövern.

Es gab dies und ein anderer Vorfall — einige Tage später auf dem Marsche beschädigten zwei Schiffe der Nachhut einander so, daß sie fast entmastet wurden — du Quesne Anlaß, dem Könige zu berichten, daß manche Kommandanten aus Mangel an Übung, aber auch infolge nicht genügender Beachtung der Instruktionen durch nachlässige Führung ihrer Schiffe die Aufrechterhaltung der Schlachtlinie gefährdeten. Mit ziemlich deutlichen Worten bittet er, Maßregeln zur Abstellung dieses Übelstandes zu ergreifen.[211]

Auf holländischer Seite scheint aber der Führer der Nachhut auch an der Trennung schuld gewesen zu sein. Anstatt auf seine Mitte aufgeschlossen zu bleiben und das Manöver des Abhaltens dann mitzumachen, scheint er seinen Gegner erwartet zu haben; ein Fehler, dem wir schon öfters als Grund der Trennung eines Geschwaders von der Flotte begegnet sind. Er hätte dadurch in eine gefährliche Lage kommen können, denn du Quesne sandte gegen Ende des Kampfes den Kapitän Tourville (Kommandant von Nr. 5 der Mitte) mit 3 oder 4 Schiffen ab, um ihn von Lee aus anzugreifen und ganz von seiner Flotte zu trennen. Zu den Haens Glück gelangte infolge abflauenden Windes nur ein französisches Schiff (Nr. 7 der Mitte) zum Angriff; dieses kam nun selbst in schwierige Lage, entzog sich ihr jedoch durch geschickte Manöver und vereinigte sich mit der Nachhut (Lage 2). Hier brach das Gefecht mit Eintritt der Dunkelheit ab; beide Nachhuten stießen wieder zu ihren Flotten.

Die Verluste sind nicht ganz sicher bekannt. Die geringsten Angaben sprechen von 400 Toten und Verwundeten bei den Franzosen und von 250 bei den Holländern;[380] hier fiel Verschoor, dort waren du Quesne verwundet und zwei Kommandanten getötet. Ein holländisches Linienschiff sank, während es schwer beschädigt nach Palermo geschleppt wurde; die Franzosen behaupten, nur ihre drei Brander eingebüßt zu haben. Gerüchte von einem größeren Verluste sollen durch den vorhin erwähnten Zusammenstoß auf der Weiterreise entstanden sein. Beide Parteien rühmen den Mut und die Geschicklichkeit des Gegners in der Schlacht; auf französischer Seite zeichnete sich besonders Tourville aus, und du Quesne schlug ihn zur baldigen Beförderung (Chef d'Escadre) vor; wie wir sehen werden, lohnte Tourville seinem Chef diese Anerkennung später schlecht.

Für die Geschichte der Seetaktik ist die Schlacht bemerkenswert. Sie zeigt die Vorteile der Leestellung bei einem Angriff, wie die Franzosen ihn ansetzten, mit ihren Folgen für den Angreifer: Unordnung in der Linie; die Vorhut zuerst der ganzen Heftigkeit des feindlichen Feuers ausgesetzt, die Schiffe nacheinander ins Gefecht eintretend; lahmgeschossene Schiffe vorn, die die folgenden in Verwirrung bringen. Hier fielen sofort zwei französische Schiffe aus, zwei wurden schwer beschädigt, wodurch die Überlegenheit der Zahl nahezu aufgehoben war.

Ruyter hatte durch die Schlacht den Feind wohl aufgehalten, die Fortsetzung seiner Reise konnte er jedoch nicht hindern. Am 9. besserten beide Flotten aus, vormittags noch in Sicht voneinander. Gegen Abend stießen 9 Spanier zu den Holländern, allerdings fast nur Fregatten; man beschloß, dem Feinde weiter den Weg zu verlegen. Schon am Abend des 10. sichtete man die Lichter der Franzosen, aber am anderen Morgen sah man, daß auch diese Verstärkung erhalten hatten; es war der in Messina bei du Quesne's Abgang im September zurückgebliebene Teil der Flotte: 10 Linienschiffe, 1 Fregatte, 3 Brander unter Generalleutnant d'Alméras, die am 10. abends herangekommen waren. Ruyter fühlte sich nun nicht stark genug, anzugreifen; er ging nach Melazzo zurück, um weitere Spanier heranzuziehen. Du Quesne erreichte wohlbehalten Messina aber erst am 22. Januar. Er hatte es doch vorgezogen, den Weg westlich um Sicilien zu nehmen: „günstigerer Windverhältnisse wegen“? Es ist dies ebenso auffallend, wie, daß er „nach dem Siege am 8.“ trotz der erhaltenen Verstärkung den Feind nicht aufsuchte. Er hat den weiteren Weg doch wohl gewählt, weil er nicht wagte, mit dem Feinde in der Flanke durch die Straße zu gehen. Nun ließen ihn allerdings „günstige Windverhältnisse“ in verhältnismäßig kurzer Zeit die wieder in großer Bedrängnis befindliche Stadt erreichen; andernfalls wäre vielleicht Messina gefallen. Es war also ein Zufall, daß die Schlacht nicht ein strategischer Erfolg Ruyters wurde.

Nach der Schlacht von Stromboli trat im Seekrieg eine längere Pause ein. Wie schon erwähnt, wurde der Landkrieg lau geführt. Die Franzosen hatten nur in Messina und in Agosta festen Fuß gefaßt; Messina wurde weiter belagert und bedurfte stets der Zufuhren, die die französische Flotte ermöglichen mußte. Sonst aber unternahm diese nichts von Bedeutung, und auch Ruyter war längere Zeit untätig an der italienischen Küste.

Da die vertragsmäßige Zeit für die Gestellung der holländischen Flotte abgelaufen war, rüstete Ruyter zur Rückreise, um nicht wie Tromp 1674 die Frist der Indiensthaltung zu überschreiten. Aus verschiedenen Gründen — behufs besserer Ausrüstung; um gegebenenfalls einen Convoi mit Schiffen zu verstärken, den sein Sohn in Livorno[381] sammelte; um schneller Nachrichten aus Holland zu erhalten — ging er zur italienischen Küste; hier erhielt er Befehl, noch länger bei den Spaniern zu bleiben. Aufs neue hatte er sich bitter über diese beklagt: Über ihre schwache Beteiligung und darüber, daß sie weder für die Ausrüstung der eigenen Schiffe, noch für die der holländischen genügend sorgten.

Holland drängte Spanien, mehr zu tun; es erbot sich auch, neue Schiffe gegen Erstattung eines Teiles der Kosten hinaus zu senden, stieß aber auf passiven Widerstand.

Am 23. Februar 1676 kehrte Ruyter nach Palermo zurück und trieb zu neuen Operationen an. Man wußte einerseits, daß Frankreich den Abgang großer, für Messina sehr notwendiger Unterstützungen in Toulon vorbereite, anderseits, daß jetzt viele Einwohner Messinas mit der Herrschaft Frankreichs unzufrieden waren. Der Zeitpunkt erschien günstig, einen kräftigen Angriff zu Lande und zu Wasser gegen die Stadt zu unternehmen. In Melazzo, wo sich der spanische Vizekönig mit dem Hauptquartier der Landarmee befand, wurde am 24. März der Entschluß hierzu gefaßt. Die Flotte der Verbündeten ging am nächsten Tage in See, passierte am 26. ungehindert die Straße und legte sich der Stadt gegenüber an die Küste Kalabriens, aus seemännischen Gründen einige Tage später an die Siciliens südlich von Messina, um den Landangriff abzuwarten. Die Operationen zu Lande hatten jedoch keinen Erfolg, und Ruyter sah ein, daß von See her überhaupt nichts zu machen sei, weil die starke feindliche Flotte in und vor dem Hafen lag; er ging deshalb in See, um die von Süden her erwarteten Convois abzufangen.

Es ist nicht zu ersehen, warum die französische Flotte untätig blieb; französische Quellen sagen, sie sei durch Windverhältnisse bis zum 29. festgehalten. An diesem Tage ging Vivonne an Bord, um selbst den Feind aufzusuchen; er ließ sich aber — scheinbar sehr gern — durch die Vertreter der französischen Partei in der Stadt zurückhalten und übergab wiederum das Kommando der Flotte an du Quesne. Dann herrschte längere Zeit sehr stürmisches Wetter, das auch für Ruyter sehr beschwerlich war und ihn hinderte, einen inzwischen ins Auge gefaßten Angriff auf Agosta auszuführen. Als er endlich am 20. April vor dieser Stadt erschien, erfuhr er, daß sie jetzt zu gut vorbereitet sei, daß die spanischen Landtruppen auch hier zu schwach zur Unterstützung seien und daß die französische Flotte herankomme. Diese war am 19. und 20. endlich ausgelaufen; Ruyter ging ihr am 21. abends entgegen, obgleich sie ihm wesentlich überlegen war.

Zusammensetzung der Flotten[212] in der Schlacht von Agosta[213] 22. April 1676:

[382]

Schiffe über 80 K. 70–80 50–70 30–40 Kleinere Brander Galeren
Franzosen:1) 9 10 10 2 2 8 (9?)
Holländer:2)   3 10 4 6 4
Spanier:3)   1   3 5 1 9

1) Französische Galeren sind nicht dabei gewesen, wie einige Quellen sagen; sie kamen erst später als Bedeckung des großen Transportes nach Messina.

2) Die Holländer sind dieselben wie bei Stromboli, also meistens 50-Kanonen-Schiffe.

3) Nach französischen Angaben waren die Spanier noch schwächer armiert, als hier in den Klassen einrangiert; jedenfalls führten sie sehr schwache Kaliber — nur sechs 32-Pfünder in Summa —, waren sehr schwach bemannt und ungenügend mit Munition etc. versehen. den Haen berichtete z. B., daß sie keine Reservesegel an Bord gehabt, daß die Offiziere Teile der Munition, des Proviants und Materials verkauft hätten.

Auf seiten der Verbündeten bildeten die Holländer Vor- und Nachhut unter Ruyter und den Haen, die Spanier die Mitte (von den Holländern ihnen „aus Ehrerbietung für den König“ überlassen) unter de la Cerda; die Galeren standen unter de Bayona. Bei den Franzosen befanden sich als Flaggoffiziere: Vorhut Generalleutnant d'Alméras; Mitte du Quesne; Nachhut de Gabaret; hinzutraten als Divisionsführer die Chefs d'Escadre de Valbelle, de Tourville, de Preuilly.

Am 22. April morgens sichteten sich die Gegner; die Franzosen standen etwa 18 Seemeilen nördlich von Agosta bei flauem Nordwestwinde zu Luward; du Quesne bildete die Gefechtslinie und steuerte heran, Ruyter hielt zunächst von der Küste ab. Gegen Mittag wurde es still, dann kam leichter Südwind auf; jetzt stand Ruyter zu Luward und näherte sich seinerseits zum Gefecht. Bei der Flaute gebrauchte er längere Zeit, um Mitte und Nachhut zur Bildung der Gefechtslinie heran kommen zu lassen; um 3 Uhr Nachmittags hielt er dann zum Angriff ab.

Der Verlauf der Schlacht. Ruyter führte sein Geschwader auf die Vorhut des Feindes. Sein Stoß (4 Uhr) war sehr erfolgreich. Bald fällt d'Alméras, 2 Kommandanten werden schwer verwundet und einige Schiffe zeitweise außer Gefecht gesetzt; das französische Geschwader gerät infolgedessen in Unordnung. Ruyter soll beabsichtigt haben, die feindliche Vorhut zu durchbrechen und von ihrer Mitte abzuschneiden; dies gelang nicht und hätte auch nicht dazu geführt, die feindliche Mitte mit Übermacht anzugreifen. Die Spanier nämlich folgten nicht eng aufgeschlossen der Vorhut, hielten nicht zum Nahkampf ab, sondern führten ein Feuergefecht auf weite Entfernung. So kam auch den Haen, der seinerseits auf die Spanier aufgeschlossen fuhr, zunächst nicht ins Gefecht. Aufgebracht hierüber und ungeduldig setzte er sich an die Spitze seines Geschwaders (gegen 5 Uhr) und suchte den Nahkampf, gleichzeitig mit dem Bestreben, sich an Ruyter anzuschließen; um dieses Manöver zu unterstützen, braßte Ruyter back.[214] Auch auf französischer Seite strebte du Quesne, von den Spaniern nicht angegriffen, nach vorn seiner bedrängten Vorhut zu; so hatte Ruyter das Feuer der an ihm vorüberziehenden feindlichen Mitte auszuhalten. Der zweite und Hauptmoment der Schlacht scheint dann ein Kampf zwischen den beiden holländischen Geschwadern und der französischen Mitte und Nachhut gewesen zu sein; längere Zeit lagen sich Ruyter, unterstützt von einem Schiff unter Graf Styrum, und du Quesne, unterstützt von Tourville und Preuilly, gegenüber.

[383]

„Eine halbe Stunde etwa, nachdem der Kampf heftig geworden war,“ also dicht vor oder dicht nach dem Backbrassen, fiel Ruyter; ihm war der linke Fuß und der rechte Unterschenkel zerschmettert, die erste Verwundung in seinem Leben. Sein Flaggkapitän, Callenburgh, führte das Geschwader mit Umsicht weiter, aber auch der Admiral gab noch Anordnungen, wie er auch später noch den Bericht über die Schlacht aufsetzte.

Die Dunkelheit trennte die Gegner; wie gewöhnlich behaupten beide, der Feind habe abgebrochen. Die spanischen Galeren schleppten während des Gefechts beschädigte Schiffe der Vorhut mit Mut und Tapferkeit aus dem Feuer; von den Hochseeschiffen der Mitte haben sich einige flämisch-spanische bei dem Kampfe Ruyters mit der feindlichen Mitte wacker beteiligt, nachdem Callenburgh den spanischen Admiral dringend um Herankommen ersucht hatte. Das laue Verhalten der Spanier im allgemeinen wurde von den Holländern hart verurteilt, jedoch später etwas mit der Schwäche und dem schlechten Zustande ihrer Schiffe entschuldigt; aber selbst der Vizekönig berichtete dem Könige, daß seine Flotte nicht ihre Schuldigkeit getan habe — im damaligen Spanien eine seltene und gewagte Aufrichtigkeit.

Die Schlacht muß man als „unentschieden“ bezeichnen; beide Gegner wollen das Schlachtfeld behauptet haben, was zutrifft. Die verbündete Flotte blieb die Nacht in der Nähe, beigedreht und ausbessernd, und ging am andern Morgen nach Syrakus, teilweise im Schlepp der Galeren. Die Franzosen sah man von den Toppen aus unter kleinen Segeln ebenfalls ausbessernd; beide Parteien waren eben nicht imstande, etwas zu unternehmen. Du Quesne zeigte sich zwar einige Tage später vor Syrakus, ging dann aber nach Messina (Ankunft 1. Mai).

Man muß wohl fragen, was Ruyter bewogen hat, bei der eigenen Schwäche und der Stärke des Gegners diese Operation gegen Messina zu unternehmen. Hoffte er auf einen erfolgreichen Landangriff, wollte er dabei die französische Flotte nur beschäftigen und rechnete er hierbei dann wieder auf einen großen Nutzen der Galeren? Vertraute er später bei einem Kampfe in offener See auf seine und der Seinigen größere Seemannschaft; dieses vielleicht gerade nach den Erfahrungen bei Stromboli? Man sagt, er habe gewünscht, bei einer Seeschlacht die spanischen Schiffe zwischen die holländischen zu verteilen; jedenfalls befahl er später noch, die holländischen Geschwader nie wieder zu trennen.

Ruyters Tod. Die Verwundung gab anfangs noch Hoffnung auf Heilung. Bald aber verschlimmerte sich der Zustand, er konnte den Bericht über die Schlacht nicht mehr unterschreiben und starb am 29. April abends. Er war 69 Jahre alt, hatte 58 Jahre zur See gedient, über 40 Gefechte mitgemacht — darunter 15 große — und in 7 Schlachten kommandiert. Zunächst in Syrakus begraben, wurde die Leiche Ende 1676 von der heimkehrenden Flotte nach der Heimat übergeführt und am 16. März 1677 in Amsterdam mit großer Feierlichkeit beigesetzt (Denkmal in der „Neuen Kirche“). Auch außerhalb Hollands wurden Ruyters Verdienste anerkannt; alle Verbündeten sandten Beileidschreiben an die Regierung und an die Witwe.[215] Der König von Spanien hatte ihn nach der Schlacht von Stromboli zum Herzog ernannt und ihm eine jährliche Pension ausgesetzt; beides ging auf den Sohn über, der Titel wurde auf dessen Wunsch in Baron[384] geändert. Selbst Ludwig XIV. gab den Befestigungen Befehl, das Schiff mit der Leiche zu salutieren, falls es nahe genug passiere und angekündigt sei.

Das Interesse, das wohl jeder Leser für den großen und sympathischen Seehelden gewonnen hat, läßt es angebracht erscheinen, hier am Schluß seiner Laufbahn noch einige Urteile über ihn hinzuzufügen. (Personalien vgl. Seite 205.) Mahan sagt (Seemacht, Teil I, Seite 142): „In der Schlacht bei Solebay bewies Ruyter einen Grad der Geschicklichkeit und Tatkraft, wie man sie nach ihm bis zu den Zeiten Nelsons und Suffrens zur See nicht wieder zu sehen bekam. Seine Schlachten 1672–1674 waren keine „behutsame Unternehmungen“, wenn sie auch behutsam ins Werk gesetzt wurden; sein Ziel war stets die vollste Niederwerfung des Feindes, indem er taktische Geschicklichkeit mit ungestümem Draufgehn vereinigte. Bei Solebay war er etwas schwächer als sein Feind, später war er es immer in viel höherem Grade.“ Derselbe Verfasser nach der Schlacht bei Texel (Seite 152 abgekürzt): „Texel schließt die lange Reihe der Kriege ab, in denen England und Holland um die Seeherrschaft kämpften; die holländische Marine stand auf ihrem höchsten Punkt und ihre größte Zierde, Ruyter, auf dem Gipfel seines Ruhmes, das Alter von 66 Jahren hatte ihm nichts von seinem kriegerischen Feuer geraubt; sein Angriff war noch ebenso ungestüm wie vor acht Jahren, aber Erfahrung hatte sein Urteil gereift, wie die größere Klarheit seiner Pläne und sein scharfer militärischer Blick erkennen lassen. Er unternahm, um das Vaterland zu retten, den Kampf gegen einen überlegenen Gegner mit einer Marine, die ihm ihre Tüchtigkeit verdankte; er vollbrachte die Aufgabe nicht durch Mut allein, sondern durch Mut, Voraussicht und Geschicklichkeit. Der Angriff bei Texel war in den allgemeinen Zügen derselbe wie bei Trafalgar: Vernachlässigung der Vorhut des Feindes, Angriff mit ganzer Macht auf Mitte und Nachhut; sein Erfolg war geringer als der Nelsons, da sein Gegner ihm in größerem Maße überlegen war als diesem.“ Ebendort: „Noch einmal wird uns dieser einfache und heldenhafte Mann begegnen und, wenn auch unter traurig veränderten Verhältnissen (Mittelmeer 1676), in seinem Wesen immer derselbe.“ — Dieser hohen Anerkennung seiner Fähigkeiten aus maßgebender Feder mögen einige Angaben folgen, die Ruyters Charakter kennzeichnen. Der schon früher angezogene Graf von Guiche, Kriegsfreiwilliger im zweiten Kriege, schreibt nach der Viertageschlacht: „Ich sah ihn niemals anders als ruhig und gleichmäßig; wenn der Sieg gesichert war, so sagte er stets, der liebe Gott hätte ihn uns geschenkt. Als die Flotte in Unordnung war und beim Anblick der Verluste schien ihn nur der Gedanke an das Unglück seines Landes zu bewegen; aber stets unterwarf er sich dem Willen Gottes. Es möge noch erwähnt sein, daß er etwas von der Einfachheit unserer Patriarchen hatte. Einen Tag nach dem Siege traf ich ihn, wie er sein Zimmer ausfegte und seine Küken fütterte.“

Brand („Leben Ruyters“, Teil II, Seite 165) führt — als er davon gesprochen, daß sonst unverzagte Kriegsleute sich auch einmal weniger tapfer zeigen könnten — eine Erzählung Ruyters an, die er „aus des Admirals eigenem Munde“ habe. Kurz gefaßt ist sie folgende: Vor einem größeren Treffen fühlte sich Ruyter gegen alle Gewohnheit kleinmütig und zögerte, die letzten Befehle zu geben. Er begab sich deshalb allein in seine Kajüte, fiel auf die Knie und bat Gott in kurzem, aber andächtigem Gebet, ihn in dieser Stunde nicht zu verlassen, sondern ihm zum Besten seines Vaterlandes beizustehen. Nach diesem Gebet verließ ihn „alle Bangigkeit, und die gewöhnliche Ruhe und Freudigkeit seines Geistes bekam wieder die Oberhand“. Er gab seine Befehle mit standhaftem Mut und führte die Aktion glücklich durch, den Erfolg nachher Gottes Beistand zuschreibend.

Ergreifend ist endlich die Schilderung seiner letzten Tage: wie er noch während der Schlacht für seine Flotte betet, später die Schmerzen mit Geduld erträgt und mit Ergebung dem Tode entgegensieht.

Die verbündete Flotte ging am 6. Mai südlich um Sicilien nach Palermo; es spricht nicht für die französische Leitung, daß dies[385] nicht verhindert wurde, obgleich am 21. April sogar noch 25 Galeren in Messina eingetroffen waren. Erst Ende Mai beschloß Vivonne in Person, den Feind in Palermo anzugreifen — nach französischen Quellen endlich angetrieben durch Eifersucht auf du Quesnes Erfolge und auf die Nachricht, daß man in Paris damit umginge, ihn durch einen schneidigeren Mann ablösen zu lassen; er schiffte sich auf dem Flaggschiffe Tourvilles ein, um dessen Rat zur Hand zu haben. Die ganze Flotte der Hochseeschiffe — 29 Kriegsschiffe, 9 Brander — sowie 25 Galeren liefen am 28. Mai aus; die Nachricht hiervon traf am 30. in Palermo ein. Auf Antreiben den Haens, auf den der Befehl über die Holländer übergegangen war, nahmen die Verbündeten eine Verteidigungsstellung ein, die Holländer sofort, die Spanier nach und nach bis zum 1. Juni: Die Schiffe — 27 aller Größen — wurden in der Bucht im Halbmond verankert, durch Warpanker mit den Breitseiten nach See zu gehalten; den rechten Flügel bildeten nur spanische Schiffe, die Mitte und den linken Flügel hauptsächlich holländische, aber einige Spanier darunter; die Flügel lehnten sich an Batterien auf der Mole und an kleinere Befestigungen, die Mitte wurde durch das Hauptfort des Hafens verstärkt; die Galeren waren auf die Flügel und zwischen den Schiffen verteilt, um Brander abzuwehren.

Die Schlacht vor Palermo[216] am 2. Juni 1676 sollte eine der größten Erfolge dieser Waffe werden, die allerdings unter sehr günstigen Umständen verwendet wurde.

Die Verbündeten hatten beschlossen, vor Anker zu fechten, weil verschiedene Schiffe infolge von Mangel an Material noch nicht wieder seeklar waren; das holländische und das spanische Flaggschiff (jetzt Admiral d'Ybarra) wechselten Masten. Ruyter würde wahrscheinlich mit den segelfertigen Schiffen in See gegangen sein; noch vor Agosta hatte er erklärt, unter keinen Umständen ein Gefecht vor Anker zu liefern, selbst nicht den Feind in einer Bucht zu erwarten; die Folgen bestätigten die Richtigkeit seiner Ansicht. Die Holländer hatten aber wohl zu wenig Vertrauen auf die Spanier, waren selbst niedergedrückt durch Ruyters Tod und rechneten mit einem kräftigen Rückhalt an den Befestigungen.

Vivonne ließ am 1. Juni durch Tourville und Gabaret auf einem kleinen Fahrzeuge, gedeckt durch die Galeren, die feindliche Stellung erkunden und griff am Morgen des 2. an. Ein Geschwader von 9 Schiffen nebst 6 Brandern ging unter Preuilly gegen den rechten Flügel vor und legte sich ebenfalls auf Spring[217] den Schiffen auf Kabellänge querab; die Brander griffen durch Pulverrauch gedeckt an. So bedroht kappt der spanische Vizeadmiral zuerst sein Kabel und treibt auf den Strand; die meisten seiner Schiffe folgen dem Beispiel; 3 Schiffe verbrennen, 2 Galeren werden vernichtet. Das Gros der Franzosen ist inzwischen gegen Mitte und linken Flügel ebenso vorgegangen. Es findet zwar kräftigeren Widerstand, doch das Schicksal des rechten Flügels wirkt entmutigend, um so mehr, da auch hier die Brander Erfolg haben: ein holländisches Flaggschiff fängt Feuer, treibt und entzündet 2 andere Schiffe, alle 3 fliegen auf; das spanische Flaggschiff (bei der Mitte) schlägt zwar 2 Brander ab, 2 andere aber kommen heran, die ganze Besatzung springt über Bord, d'Ybarra (und auch de la Cerda, als Freiwilliger weiter an Bord verblieben) ertrinken dabei, das Schiff fliegt auf. So entsteht auch hier[386] Panik; 4 Holländer kappen und treiben an Land, die meisten Spanier und alle Galeren flüchten in den inneren Hafen; auch Teile der Stadt werden in Brand geschossen und eine Batterie wird aufgesprengt. Nur wenige Schiffe unter den Haen (Mitte) und Callenburgh (linker Flügel) kämpften tapfer weiter; den Haen fiel.

Vivonne brach das Gefecht ab, als seine Brander sämtlich verbraucht waren. Der Verlust der Verbündeten wäre wohl noch bedeutender gewesen, wenn dem Feinde mehr Brander zu Gebote gestanden hätten; der Angriff auf das spanische Flaggschiff war schlecht ausgeführt, er kostete allein 4 Brander. Die Holländer schreiben die Hauptschuld an der Katastrophe der mangelhaften Unterstützung seitens der Befestigungen und der Galeren zu; diese hätten die Brander unschädlich machen können. Die Franzosen haben das Manöver des Längsseitgehens und Ankerns trotz heftigen Feuers unter Preuilly, Tourville mit dem Flaggschiff der Flotte und du Quesne mit dem Spitzenschiff des Gros vorzüglich ausgeführt.

Die Verluste der Verbündeten waren ungeheuer. Die Holländer verloren 2 Flaggoffiziere, 260 Tote und viele Verwundete, mindestens 3 Linienschiffe; die Spanier 4 Flaggoffiziere, 8 Kommandanten, 1700 Mann, mindestens 4 Linienschiffe, 2 Galeren und verschiedene kleinere Fahrzeuge. Der Verlust der Franzosen war unbedeutend, an Fahrzeugen nur 1 Schiff und die Brander.

Wiederum ist es auffallend, daß die Franzosen den Kampf nicht bis aufs äußerste durchführten. Vivonne konnte mit seiner Artillerie auch nach Verbrauch der Brander den Erfolg noch erhöhen; er konnte — wie ihm vorgeschlagen wurde — an einem der nächsten Tage mit neuhergestellten Brandern die Zerstörung fortsetzen. Statt dessen ging er nach Messina zurück, und wiederum schreiben dies französische Angaben seiner Lässigkeit (insouciance) zu; nach seiner Äußerung „hatte er genug getan“, es zog ihn nach seiner Residenz zurück. Immerhin war mit dieser Niederlage der Verbündeten die Kriegführung zur See um Sicilien zu Ende. Die Franzosen beherrschten die See, eine ebenbürtige Flotte stand ihnen nicht mehr gegenüber. Holland wollte, nach all den Opfern und von Spanien nicht unterstützt, seine Schiffe nicht mehr einsetzen, die Spanier waren weder imstande, ihre Seestreitkräfte zu verstärken, noch mit den vorhandenen ohne die Holländer etwas zu unternehmen; sie verblieben in dem möglichst verstärkten Palermo.

Auch für den Landkrieg auf Sicilien hätte diese Schlacht entscheidend werden müssen. Die französische Flotte hatte ihre Hauptaufgabe erfüllt, sie beherrschte die See und hinderte jede Unterstützung der spanischen Armee auf der Insel, falls man überhaupt zu einer solchen imstande gewesen. Frankreich brauchte nur genügend Truppen und einen tüchtigeren General hinüberzusenden. Vivonne aber führte den Krieg in der bisherigen Weise fort: vereinzelte Vorstöße, um die Lage Messinas zu verbessern; Angriffe auf andere Küstenstädte, um dort Fuß zu fassen; alles jedoch ohne Nachhalt, auch wenn vereinzelte Erfolge errungen waren. Man darf ihm aber die Schuld nicht allein zuschieben. Er verfügte zwar zunächst noch über eine starke Flotte, seine Landmacht dagegen war gering und litt sehr unter Krankheiten. Allerdings erhielt er von Zeit zu Zeit Nachschub, dieser war jedoch stets nur schwach und minderwertig; seine Klagen hierüber — selbst bei Frau von Montespan, seiner Schwester — blieben erfolglos. Der König und Louvois — dieser eifersüchtig auf Colbert — betrachteten die Operationen in Sicilien immer mehr nur als eine Diversion für ihren Krieg mit Spanien an den Landesgrenzen; sie hatten ungeheure Kosten verursacht und als Erfolg eigentlich nur einigen Ruhm für die junge Marine gebracht.

Als sich England 1678 Frankreichs Feinden zuneigte und mit Holland in Verhandlungen über eine gemeinsam ins Mittelmeer zu entsendende Flotte eintrat, zog man die Truppen aus Messina zurück und überließ die Stadt den Spaniern.

[387]

Die weiteren Ereignisse zur See[218] seien nur kurz erwähnt. Nach dem Kampfe bei Palermo befahl die holländische Regierung ihrer Flotte, nach Neapel zu gehen, um hier auszurüsten und um einen neuen Admiral (Kontreadmiral van Almonde, über Land kommend) zu erwarten. Der interimistische Chef, Kapitän Callenburgh, führte den Befehl Anfang August aus; er stieß dabei auf die mächtige französische Flotte unter du Quesne, entzog sich aber ihr sehr geschickt.

Am 13. August sichtete Callenburgh nicht weit von Neapel den Feind, 24 Kriegsschiffe mit einem Convoi. Tagsüber manövrierte er, als ob er die günstige Windstellung für ein Gefecht gewinnen und halten wolle. Nachts aber änderte er nach und nach den Kurs nach Westen, kam so dem Feinde aus Sicht, hielt sich noch einige Tage fern von der Küste und erreichte dann wohlbehalten Neapel am 20. August.

Inzwischen begann Holland wieder Unterhandlungen mit Spanien über Entsendung einer neuen Flotte. Da diese aber nicht vorwärts kamen und auch die Gelder für die erste Expedition nicht gezahlt wurden, rief man Almonde zurück. Dieser verließ am 4. Oktober Neapel, blieb einige Zeit in Cadiz — falls Spanien sich noch besinnen sollte —, mußte wegen Sturm und Eis England anlaufen und kam endlich, Ende Januar 1677, in Holland an.

Auf französischer Seite wurde du Quesne wenige Tage nach der Schlacht von Palermo mit der ganzen Hochseeflotte nach Toulon gesandt, um Zufuhr an Truppen, Kriegsmaterial und Proviant zu holen. Ende Juli kehrte er mit 24 Kriegsschiffen und einigen Transportern (6 Schiffe mit weiteren Truppen folgten bald) zurück und traf, wie erwähnt, auf Callenburgh, ohne daß es zum Zusammenstoß kam.

Wohl hatte er die Absicht, die Holländer anzugreifen. Als diese sich ihm aber entzogen, sah er von weiterem Suchen ab; er mußte zunächst die sehnlichst erwarteten Zufuhren abliefern, außerdem drohte der Flotte durch den schlechten Gesundheitszustand der eingeschifften Truppen Gefahr.

Von jetzt ab treten in dem Kriege keine größeren französischen Flotten mehr auf; auffallenderweise werden keine Versuche gemacht, die Reste der spanischen und holländischen Seestreitkräfte zu vernichten. Nur kleinere Geschwader beteiligen sich an Unternehmungen gegen sicilianische Städte — z. B. 1676 Scaletta und Taormina genommen; 1676 und 1677 vergebliche Versuche gegen Syrakus —, die Hauptaufgabe bleibt, die Zufuhren von Frankreich nach Messina zu decken. In den Jahren 1677 und 1678 werden auch wieder kleinere Geschwader zur Unterstützung des Landkrieges an der spanischen Grenze verwendet. Größere Aktionen zur See kamen auch hier nicht vor, selbst nicht als 1678 nochmals die Holländer hier erschienen, wie wir gleich hören werden. Es hat den Anschein, als ob die französische Flotte infolge von Reibungen zwischen den militärischen und den administrativen Behörden in Toulon weniger leistungsfähig geworden war.

Im Februar 1678 ging ein größeres Geschwader nach Messina unter dem Marschall de la Feuillade, der Vivonne ablösen sollte; man wollte diesem die[388] Demütigung ersparen, Sicilien zu räumen. Um Unruhen in der Stadt vorzubeugen, ordnete der neue Vizekönig zunächst Maßregeln an, die auf eine energischere Kriegführung hinzudeuten schienen. Als aber unter diesem Vorwande alles zur Einschiffung bereit war, erklärte er auf einem Gastmahle mit den Behörden plötzlich, daß sein König die Truppen zurückzöge. Der Abzug aus den verschiedenen besetzten Plätzen begann Mitte März, am 1. April verließen die letzten Franzosen die Insel.

Die Räumung Siciliens war, wie wir wissen, beschlossen, da man das Erscheinen einer englisch-holländischen Flotte im Mittelmeer befürchten mußte; sie wurde beschleunigt, als man erfuhr, daß ein holländisches Geschwader schon ausgerüstet werde. Dieses Geschwader hatte nur noch wenig Gelegenheit zu nützen, doch führte seine Reise zu einem letzten Zusammenstoß mit den Franzosen.

Don Juan d'Austria hatte in Spanien an Stelle der Königin-Mutter die Regierung für den unmündigen König übernommen; er bat im Jahre 1677 Holland wieder um Unterstützung unter den früheren Bedingungen und zahlte auch einen Teil der rückständigen Gelder ab. Holland war aber vorsichtig geworden, die Unterhandlungen zogen sich hin und die Rüstungen wurden nur fortgesetzt, wenn die Geldraten eintrafen. So war die Flotte — 18 Kriegsschiffe, 6 Schnauven, 6 Brander — erst im Februar 1678 fertig und wurde dann noch teilweise durch Eis festgehalten. Dennoch erhielt der Führer, Vizeadmiral Cornelis Evertsen (genannt „der Jüngste“ als der dritte dieses Namens, Sohn des Leutnantadmiral Jan E.) Mitte Februar den Befehl, mit 9 Schiffen und 5 Brandern auszulaufen; der Rest sollte baldmöglichst folgen. Es geschah wohl, um Frankreich zu zeigen, daß man Ernst mache, und um England anzufeuern. Mit der Entsendung einer so kleinen Macht verscherzte man die Gelegenheit, den Franzosen eine Schlappe zuzufügen, und setzte sie selbst einer Gefahr aus. Evertsen, einige Zeit in England aufgehalten, traf am 17. März, etwa 30 sm. westlich von Kap Ouessant auf den Chef d'Escadre Chateau-Renault mit 6 schweren Linienschiffen. Auch dieses Geschwader war von Brest nach Sicilien bestimmt, um bei der Räumung mitzuwirken, und gleichfalls durch verzögerte Ausrüstung verspätet. Die Franzosen griffen an. Infolge schweren Seeganges, der das Öffnen der untersten Pforten verbot, blieb das etwa sechsstündige Gefecht ohne große Folgen und ohne Entscheidung; die Nacht trennte die Gegner und Evertsen erreichte Cadiz, wo er die in Holland zurückgelassenen Schiffe schon antraf.

Die holländische Flotte traf erst am 26. März 1678 in Cadiz ein. Sie war also für Sicilien nicht mehr nötig und kam auch zu spät, um gegen den Abzug der Franzosen verwendet zu werden, wenn sie nicht sofort weiterging. Aber wie zu Ruyters Zeit wurde sie durch mangelnde Unterstützung, durch Befehle und Gegenbefehle von Madrid festgehalten. Erst Ende Mai führte sie Truppen nach Barcelona, blieb dort etwa drei Wochen an der Küste, ohne mit dem Feinde zusammenzustoßen, und wurde dann nach Holland zurückgerufen, weil Spanien wiederum seinen Verpflichtungen nicht nachkam.

So endeten die holländischen Unternehmungen im Mittelmeer. Sie hatten große Summen gekostet, große Verluste — besonders den Ruyters — gebracht und fast keine Erfolge gehabt, wenn auch die verhältnismäßig schwachen, zu schwachen Kräfte ihre Pflicht getan und die Ehre ihrer Flagge hoch gehalten hatten. Die größere Schuld an dem[389] Mißerfolge trifft wohl die Spanier, und die Folgen des Zusammengehens mit ihnen fühlte Holland noch lange nach: Spanien zahlte nur dürftig ab. Noch 1684 bestand eine Forderung an diesen Staat von 6 Millionen Gulden, 1713 von 4 Millionen und die Zinsen von 30 Jahren; die Schulden der holländischen Admiralitäten waren aufs neue vermehrt worden, was von größtem Nachteil für das Seewesen der Republik wurde.

Ehe wir die Schilderung dieses französisch-holländischen Krieges schließen, müssen über den kleinen Krieg[219] gegen den Handel wenige Worte gesagt werden. Holland gab bekanntlich in den Jahren 1672 und 1673 die Freibeuterei stets frei, sobald im Herbst die Operationen der Flotten aufhörten. Die Freibeuterei richtete sich von 1674 [** an?] natürlich gegen die Franzosen und wurde wie immer hauptsächlich von den Seeländern betrieben; vom Mittelmeer bis zum Kanal schwärmten ihre Fahrzeuge, oft in kleinen Geschwadern. Sie haben auch dem Gegner großen Schaden getan; so wurden z. B. allein im Jahre 1676 in spanischen Städten 71 von seeländischen Freibeutern aufgebrachte französische Handelsschiffe verkauft. Aber auch die Niederlande erlitten im kleinen Kriege schwere Verluste, weil ihr Handel unverhältnismäßig größer war. Wenn man auch stets Geschwader am Eingange des Mittelmeeres hielt, um die Levantefahrer zu sichern — die schon der Barbaresken wegen stets unter Bedeckung segeln mußten — und ferner die Handelsschiffe durch den Kanal begleiten ließ, so wurden doch viele von ihnen durch Freibeuter der französischen Küste oder durch kleine Kriegschiffsgeschwader von St. Malo und Brest abgefangen.

Der größte Feind des niederländischen Handels wurde seit 1674 wieder Dünkirchen, wie die Stadt es zu Anfang des Jahrhunderts gewesen war. Sie hatte, wie wir wissen, seit jener Zeit mehrfach ihren Herren gewechselt und war dadurch sehr heruntergekommen. England soll absichtlich ihren Hafen haben verfallen lassen, so daß ihn nur kleine Fahrzeuge benutzen konnten; Ludwig XIV. stellte wohlweislich, im Hinblick auf die wichtige Lage, diesen Übelstand wieder ab. Solange der Krieg zwischen England und Holland währte, konnten die Dünkirchener ihr Lieblingsgewerbe noch nicht aufnehmen, die Holländer hatten meistens ihre Schiffahrt eingestellt und auch zu starke Kriegsflotten in See; sobald aber der holländische Handel nach dem Frieden von Westminster wieder kräftig betrieben wurde, erschienen auch die Freibeuter der Stadt in großer und immer größer werdender Zahl von schnellsegelnden Jachten und Fregatten mit 2–24 Kanonen, oft in Geschwadern. Jetzt schon tat sich der später berühmte Jean Bart hervor. Holland sah sich bald genötigt, wie in den älteren Zeiten einen förmlichen Krieg gegen dieses Gemeinwesen zu führen. Anfangs sandte man einige leichte Schiffe gegen die Freibeuter aus, später war man gezwungen, ständige Geschwader[390] aufzustellen, deren Kern kleinere Linienschiffe bildeten. Der Krieg wurde wie vor 30 Jahren geführt: Mit vorzüglichem Personal aller Nationen bemannt, holten die Dünkirchener selbst Fahrzeuge aus den niederländischen Seegatten heraus, griffen große Convois an, ja planten 1676 sogar, sich Briels oder Hellevoetsluis' zu bemächtigen; die holländischen Geschwader mußten immer stärker gemacht werden, um Dünkirchen zu blockieren, die eigenen Küsten reinzuhalten, ihre Ostseefahrer durch die ganze Nordsee zu geleiten und die Fischereigründe zu überwachen. Trotz alledem fügten die verwegenen Gegner dem Handel schweren Schaden zu; trotz der Blockade liefen sie nachts und im Sturm ein und aus.

Rückblick auf die Kriegführung zur See von 1674–1678. In seiner Geschichte des niederländischen Seewesens erhebt de Jonge Einwand gegen den Vorwurf in den meisten Geschichtswerken, daß nach dem Frieden von Westminster in dem holländischen Seewesen kein rechtes Leben mehr gewesen und von seinen Seestreitkräften nicht viel mehr geleistet sei. Er erinnert an alle die hier besprochenen Unternehmungen, zu denen noch die Beteiligung am schwedisch-dänischen Kriege tritt. Er weist dann darauf hin, welche Anstrengungen besonders von der Admiralität Amsterdam gemacht seien, indem von dieser die ganze Flotte Ruyters im Mittelmeer und der größte Teil der Schiffe gegen Schweden, gegen Dünkirchen, zum Schutz der Convois sowie für die Expeditionen nach Westindien gestellt wäre; dieser Admiralität seien solche Leistungen möglich gewesen, da man hier die nötigen Mittel habe aufbringen können. Als Gründe hierfür führt de Jonge an, daß die Provinzen von Holland stets die für das Seewesen bestimmten Gelder zahlten. Dies kam nun den Admiralitäten von Amsterdam, Maas und Norderquartier zu gute; so waren auch die beiden letzten imstande, sich an den Rüstungen zu beteiligen, Amsterdam aber am meisten, weil sein Handel bei weitem der einträglichste war. Der Zuschuß der Landprovinzen fehlte allen Admiralitäten, und da die beiden anderen Seeprovinzen auch schon seit Jahren unregelmäßig und ungenügend zahlten, so waren ihre Admiralitäten, Seeland und Friesland, derart in Schulden geraten, daß ihre Kontingente nach und nach ganz ausfielen; ihre immer schwächer werdende Beteiligung haben wir schon im 2. und 3. englisch-holländischen Kriege gesehen. Soweit de Jonge.

Alles dieses bestätigt doch aber nur, daß die Rüstungen zur See im allgemeinen zurückgegangen sind, auch die Angaben über die Indienststellungen beweisen dies: Schon 1674 zählten die Flotten Ruyters und Tromps zusammen nur 45 Linienschiffe und Fregatten; für 1676 gibt die Zusammenzählung der Kräfte im Mittelmeer, Ostsee, Westindien und gegen Dünkirchen kaum eine größere Zahl. Im Kriege 1672–1674 aber waren Flotten von 64–75 Schiffen aufgestellt.

Der Hauptgrund für diese Herabsetzung war wohl die Erschöpfung des Landes, sahen wir doch selbst Ruyter nach dem Frieden mit England für eine Verminderung der Flotte sprechen. Es mögen aber doch auch die Verhältnisse eingewirkt haben, die schon in den früheren Kriegen oft dahin führten,[391] daß die äußersten Anstrengungen nur gemacht wurden, wenn das Feuer auf den Nägeln brannte. Sonst aber wurde es der Regierung — den Generalstaaten und dem Prinzen von Oranien —, in einer Republik von Kaufleuten, in der stets eine große friedliebende Partei vorhanden sein wird, schwer, Beschlüsse durchzubringen, die die Entfaltung einer großen Macht und damit die Durchführung größerer strategischer Pläne ermöglichten; der Mangel an Zentralisation in der Marineverwaltung erschwerte dies noch mehr, es hatten eben in allen Dingen zu viele mitzusprechen.

Wenn sich Amsterdam am meisten an den Rüstungen beteiligte, so ist dies nicht allein seinen reichlicheren Mitteln zuzuschreiben, sondern auch dem Umstande, daß hier das größere Verständnis für die Wichtigkeit der Kriegführung zur See vorhanden war. Es zeigte sich dies schon in den früheren Kriegen, und auch jetzt in den Jahren 1674–1678 gehen die Forderungen, zur See etwas zu unternehmen, stets von den Provinzen von Holland aus; de Jonge sagt: „Hier war der Geist de Witts noch nicht ganz verschwunden.“

Daß im übrigen die Republik erschöpft war, kann nicht wundernehmen. Die Hälfte ihrer Provinzen war lange Zeit in Feindeshand gewesen, und doch hatte sie den größten Teil der Kosten eines fast europäischen Krieges getragen. Sie mußte mit ihrem Gelde auch die Armeen der Verbündeten wesentlich unterstützen und viele stets geldbedürftige deutsche Fürsten dem Bunde gegen Frankreich treu erhalten; daß dies überhaupt möglich war, ist das Verdienst der Marine, die dem Lande immer wieder das Meer freigemacht hat.

Kommen wir nun zu den Leistungen der holländischen Marine, so drängt sich die Frage auf, ob diese nicht trotz der notgedrungen schwächer gewordenen Kräfte hätten größer sein können. Bei allen Operationen wird, auch von holländischer Seite, der Vorwurf erhoben, sie seien mit zu schwachen Kräften unternommen; gleichzeitig wird geklagt, daß der Handel so sehr durch französische Freibeuter geschädigt wäre. Würde es nicht richtiger gewesen sein, die Kräfte nicht zu zersplittern?

Ruyters Zug nach Westindien konnte nicht bedeutend auf den Verlauf des Krieges einwirken — noch weniger die späteren kleinen Expeditionen —, mit den hierfür verwendeten Kräften wäre wohl besser das Unternehmen Tromps verstärkt und dem sich wieder regenden Dünkirchen, sowie der feindlichen Freibeuterei überhaupt, rechtzeitig fest entgegengetreten. Wenn sich auch dann herausgestellt hätte, daß Tromp nichts von Bedeutung gegen die Küsten ausrichten konnte, hätte man der französischen Flotte im Mittelmeer ernstlich zu Leibe gehen müssen. Dasselbe ist von den späteren Jahren zu sagen, Ostsee und Mittelmeer zu gleicher Zeit war zu viel für die vorhandenen Kräfte. Stets fehlte ein Plan zu einheitlicher Verwendung der Seestreitkräfte, um ein wichtiges Ziel unbedingt zu erreichen; immer folgte man mehr augenblicklichen Antrieben, die oft wohl von interessierten Kreisen ausgingen. Die Zersplitterung führte nur zu Teilerfolgen (Ostsee), die auch nicht einmal immer dem Einsatz entsprachen (Tromp 1674), oder gar zu Verlusten[392] (Mittelmeer, Westindien) und daneben konnte man den Handel nicht genügend schützen, was doch wichtig für die Fortsetzung des Krieges war.

Über die Kriegführung der Franzosen ist folgendes zu bemerken. Wohl war es richtig, daß sie sich im Atlantik auf die Defensive beschränkten — ausgenommen die Expeditionen nach Westindien, die mehr den Charakter der Privatzüge älterer Zeiten hatten. Wenn sie gezeigt hätten, daß sie hier den Seekrieg ernstlich zu führen beabsichtigten, so würde Holland ihnen seine ganze Macht entgegengestellt haben, und dieser waren sie nicht gewachsen. Im inneren Wert stand ihre Marine noch nicht auf der Höhe der holländischen und auch an Schiffen konnten sie noch nicht dieselbe Zahl aufstellen, weil das Personal fehlte; wir zählen in den Kriegsjahren 1674/78 kaum mehr als 40 Linienschiffe und Fregatten gleichzeitig im Mittelmeer und Atlantik: nur sind mehr schwerere Schiffe darunter als in den Jahren 1672/73. Im Mittelmeer aber war die französische Flotte mächtig und stets ihren Gegnern an Stärke und Zahl der Schiffe überlegen, so besonders bei dem Kampfe um Sicilien. Deshalb ist es befremdend, daß man von dieser Übermacht keinen tatkräftigeren Gebrauch gemacht hat.

Bei der Schilderung der Ereignisse wurde hierauf mehrfach hingewiesen. Schon bei Stromboli macht du Quesne keinen ernsten Versuch, Ruyter zum zweiten Male entgegenzutreten, obgleich er unmittelbar nach der Schlacht bedeutende Verstärkung erhielt; in noch höherem Maße erscheint es auffallend, daß er im nächsten Jahre nicht alles daransetzt, den weit schwächeren Callenburgh vor Neapel zu vernichten. Doch kann man in diesen beiden Fällen wenigstens annehmen, er habe zunächst den wichtigen Zufuhrtransport sicher nach Messina führen wollen. Aber auch sonst vermißt man fast durchgehend eine energische Offensive, meist liegt die französische Flotte ohne größere Aufgabe tatenlos vor der belagerten Stadt. Als Ruyter an der italienischen Küste war, hätte sie gegen die getrennten Gegner vorgehen können; die Spanier wenigstens wären ihnen gewiß leicht zum Opfer gefallen. Nach Agosta machen die Franzosen eine lange Pause, ehe sie den Schlag gegen Palermo führen, obgleich sie auch nach dieser Schlacht wiederum durch ihre Galerenflotte verstärkt waren. Der Sieg wird dann nicht völlig ausgenützt, und es wird später nicht daran gedacht, die Reste der aufs neue getrennten feindlichen Flotten gänzlich zu vernichten.

Du Quesne war ein tüchtiger Mann. War er es nur in der Schlacht — Tourville äußert sich später bei der Expedition gegen Algier über du Quesne derart, als ob dieser größere eigene Verantwortung gescheut habe; ein Vorwurf übrigens, der gegen ihn selbst im nächsten großen Kriege auch erhoben wurde — oder konnte er den lauen Vivonne, der stets den Oberbefehl auch über die Flotte führte, nicht zu energischen Taten bewegen? Spielte Eifersucht Vivonnes auf du Quesne, Louvois' auf Colbert hierbei mit? Wenn die französische Flotte endlich in den letzten Kriegsjahren an der spanischen[393] Küste so wenig hervortrat, so scheint dies allerdings seinen Grund in ihrem weniger schlagfertigen Zustande gehabt zu haben; daß es aber dahin gekommen war, macht ebenso wie ihr Verhalten bei Sicilien den Eindruck, als ob man die neue Waffe doch noch nicht zu schätzen verstanden habe.

Über Spanien ist nichts weiter zu sagen; der Krieg zeigt, in welchem Zustande das ganze Reich und seine Marine im besonderen war.

Der Frieden von Nymwegen schloß diesen Krieg ab. Seine Bedingungen kennen wir bereits (Seite 363). Es ist aber gerade für unseren Standpunkt wichtig, die mittelbaren Folgen dieses Krieges für Holland, Frankreich und auch England zu betrachten.

Scheinbar war der Friedensschluß für Holland unerwartet günstig; es verlor in Europa nichts, im Auslande nur wenige bedeutende Besitzungen. Aber sein Schaden während dieser Kriegsjahre nach dem Frieden mit England war doch sehr groß. In dieser Zeit ging ein großer Teil seines europäischen Zwischenhandels in englische Hände über; die holländische Schiffahrt war zu gefährdet und Frankreich begünstigte in jeder Weise die Englands, um Holland zu schädigen und England neutral zu erhalten. England machte dadurch als Seemacht einen Schritt weiter auf Kosten Hollands; Holland begann, von der Stelle einer Seemacht ersten Ranges abzutreten, und als im nächsten Kriege die beiden Nationen vereint gekämpft hatten, sicherte sich England als der nun stärkere Verbündete wiederum den größeren Gewinn zur See.

Aber auch Frankreich zog aus dem Kriege keineswegs nur Nutzen, wenigstens nicht für sein Seewesen; durch ihn ward das Werk Colberts gehemmt. Dieser wollte bekanntlich durch Begünstigung der Produktion und durch Anregung des Seehandels mit Hilfe einer starken Handels- und Kriegsmarine den Wohlstand des Landes heben. Bis zu diesem Kriege war alles gut gegangen; man befand sich auf dem Wege, Holland und England mit Erfolg Konkurrenz zu machen; die Einnahmen des Landes vermehrten sich mächtig.

Ludwigs Politik gegen Holland stärkte aber, wie eben gesagt, den Seehandel Englands schon während des Krieges. Die Friedensbedingungen waren dann zwar sehr vorteilhaft für Landzuwachs und militärische Machtstellung — Frankreich stand jetzt an der ersten Stelle auf dem Festlande —, sie waren es aber nicht für Industrie und Handel des Landes, weil die Schutzzölle zugunsten Englands und Hollands herabgesetzt wurden. Dies traf die Weiterentwicklung der Schiffahrt schwer und die Kriegsmarine war, ohne Rückhalt an eine starke Handelsmarine, wie ein Baum ohne Wurzeln. Zwar wuchs sie in den nächsten Jahren noch sehr und wurde selbst für kurze Zeit der englischen überlegen; sie schwand aber in dem nächsten großen Kriege schnell dahin. Das Scheitern des Planes Colberts, Frankreich zu einer großen Handelsmacht zu machen, ist auch von Einfluß gewesen auf den finanziellen Ruin des Landes im nächsten Jahrhundert, der durch die weiteren kostspieligen Kriege Ludwigs eingeleitet wurde.

[394]

Der schwedisch-dänische[220] (-holländisch-brandenburgische) Krieg 1675–1679.

Im zweiten Eroberungskriege Ludwigs XIV. trat Schweden auf die Seite Frankreichs und griff 1675 Brandenburg an; Dänemark unterstützte diesen Staat. Da es sich hierbei für Dänemark darum handelte, dem Großen Kurfürsten bei der Eroberung Pommerns zu helfen, den Schweden die rückwärtigen Verbindungen von dort abzuschneiden, vor allem aber auch die im letzten Kriege mit Schweden verlorenen Provinzen (z. B. „Schonen“; deshalb auch der „schonische Krieg“ genannt) und die Vorherrschaft in der Ostsee wiederzugewinnen, so spielte der Krieg zur See eine große Rolle.

Die dänische Marine war im letzten Kriege nicht imstande gewesen, ihr Land vor Invasion zu schützen; Christian V. aber (1670–1699) brachte sie hoch, ja er führte sie zu ihrem höchsten Glanze. Schon 1675 besaß Dänemark an Kriegsschiffen: 2 zu 80–90 Kanonen; 11 zu 58–78; 7 zu 36–54; 6 zu 24–32; 4 zu 8–20. Dazu traten 46 Defensionsschiffe der großen Rhedereien (darunter 20 zu 34 Kanonen). Infolge der engen politischen Verbindung mit Holland, der Unterstützung durch seine Flotten, hatten holländisches Wesen und holländische Seeleute in großem Maße Eingang in die dänische Marine gefunden; in dem jetzt ausgebrochenen Kriege wurde sogar 1676 Cornelis Tromp als Oberbefehlshaber berufen, nachdem der bisherige — der tüchtige Admiral Adolar, auch im holländischen Seedienst erzogen — gestorben war.

Nach de Jonge waren die neueren dänischen Schiffe nach holländischem Muster und teilweise von holländischen Schiffbauern gebaut; fast alles Kriegsmaterial ward aus den Niederlanden bezogen. In der dänischen Flotte unter Niels Juel im Jahre 1677 waren der Vizeadmiral, der Kontreadmiral und 17 Kommandanten (von 26) Holländer; 1676 hatte man 3000, 1677 gar über 5000 Seeleute in den Niederlanden angeworben. Kein Wunder, wenn nun dieselbe Quelle, auf ältere gestützt, sagt: Es hätten die Schweden in diesem Kriege eigentlich nur gegen Holländer gefochten; es hätten die dänischen Seeleute von diesen gelernt — auch Juel von Tromp —; selbst die von den dänischen Schiffen allein erreichten Erfolge seien den aus Holland stammenden Offizieren oder doch deren Unterweisung zuzuschreiben.

Gegen diesen holländischen Einfluß, gefördert durch Admiral Adolar, trat von jetzt an eine nationale Partei in der Marineleitung auf und drang nach und nach durch. Sie bewirkte 1678 die Entfernung Tromps, ihr Haupt Niels Juel übernahm die Oberleitung und sorgte für die Schaffung eines tüchtigen nationalen Offizierkorps.

Die schwedische Marine war 1675 der dänischen noch an Zahl und Größe ihrer Schiffe überlegen, aber minderwertig im Personal. Unter der vormundschaftlichen Regierung für Karl XI. (seit 1660) wurden die Offiziersstellen, namentlich die höheren, vielfach nach Gunst an Angehörige der regierenden Adelspartei vergeben, die nicht Seeleute, oft nicht einmal Soldaten waren. Es sollte sich bald zeigen, daß die dänische Flotte auch ohne Unterstützung[395] durch die holländische, die dänischen Führer auch ohne Tromp, den Schweden überlegen waren.

Holland griff in den Krieg ein, „um seinem treuen Verbündeten, dem Großen Kurfürsten, zu helfen“; es geschah aber auch wohl, damit Schweden nicht wieder zu mächtig an der Ostsee werde. In allen früheren Kriegen war es Hollands Bestreben gewesen, keine Macht zu hoch kommen zu lassen, sei es Hansa, Dänemark oder Schweden. Gerade von Holland aus erging an Dänemark die Anregung zum Kriege, Subsidien für die dänische Flotte wurden zugesagt (wie auch von Spanien) und das Werben von Seeleuten in den Niederlanden bereitwilligst gestattet. Endlich wurden auch in den Jahren 1675, 1676 und 1677 Geschwader in die Ostsee gesandt, um mit den Dänen gemeinsam zu operieren. Diese Geschwader waren jedoch nicht groß und erreichten in keinem Jahre die Stärke, die ursprünglich beschlossen war. Die Gründe hierfür — sowohl für die nur gering bemessenen wie auch für die dann nur teilweise durchgeführten Rüstungen — waren dieselben, die wir bei den anderen Unternehmungen nach 1674 kennen gelernt haben: Geteilte Meinungen in den Provinzen über fernerliegende Unternehmungen; Mangel an Geld bei einzelnen Admiralitäten. Die spanische Unterstützung blieb natürlich auch hier aus.

So betrug die Stärke der Geschwader nur:

1675 Schiffe: 3 zu 70 K. ; 2 zu 50–60; 2 zu 40; 6 kleinere ; 2 Brander ; Admiral Binckes
1676 3 70 ; 6 60–64; 6 40–44; 6 ; 3 ; C. Evertsen
1677 1 76 ; 5 60–70; 4 40–50; 3 ; 3 ; Scheppers.

Schließlich müssen wir auch noch die Seestreitkräfte Brandenburgs erwähnen. 1675 erteilte der Große Kurfürst dem Holländer Benjamin Raule (in Middelburg, Seeland) Kaperbriefe gegen Schweden. Dieser trat bald — deshalb der Seeräuberei angeklagt und landesflüchtig — als Marinedirektor in brandenburgischen Dienst. Mit ihm schloß nun der Kurfürst in den Kriegsjahren stets für einige Monate die Gestellung von Kriegsschiffen ab. Es waren dies immer 3 Fregatten, in ihren Größen zwischen 16–20 und 18–24 Kanonen schwankend, sowie einige (3–10) kleinere Fahrzeuge zu 4–10 Kanonen. Im Jahre 1675 traten noch 3 Linienschiffe von 40–44 Kanonen für fünf Monate hinzu, die von der Admiralität Amsterdam geheuert waren.

Der Verlauf des Krieges brachte im Jahre 1675 zur See nichts von Bedeutung. Das holländische Geschwader traf Ende Juni in Kopenhagen ein, aber erst am 23. August lief die vereinigte Flotte, die Dänen unter Adolar, aus. Sie kreuzte meistens zwischen Bornholm und Rügen und fing auch einige schwedische Zufuhrschiffe ab. Die schwedische Flotte zeigte sich zunächst nicht. Sie ging erst am 19. Oktober in See — 44 Kriegsschiffe, mit 9000 Mann Truppen für Pommern oder für einen Einfall in Seeland —, kehrte aber bald um infolge stürmischen Wetters, in dem einige Schiffe verloren gingen, und infolge einer erschreckend zunehmenden Epidemie unter den Soldaten und Matrosen; der Untergang der Schiffe und die Krankheit sollen 5000 Mann gekostet haben.[396] Die Holländer gingen dann in die Heimat zurück und begleiteten dabei eine große Zahl ihrer Ostseefahrer.

Zu Lande wurden die Schweden aus der Mark vertrieben (Fehrbellin 28. Juni) und in Pommern von Brandenburg und Dänemark angegriffen. Der Große Kurfürst nahm in diesem Jahre noch die Inseln Usedom und Wollin sowie Peenemünde und Wolgast, teilweise unter Mitwirkung seiner kleinen Flottille; die Dänen eroberten Wismar und Damgarten.

Im Jahre 1676 trafen die Holländer schon im Mai in Dänemark ein. Es waren aber zunächst nur 9 Schiffe und 2 Brander der Provinzen Hollands unter Kontreadmiral Almonde, das Kontingent Seelands war wieder einmal noch nicht seeklar; mit ihnen kam Tromp als Passagier. Er wurde mit großen Ehren[221] empfangen, übernahm den Oberbefehl über die dänische Flotte und schiffte sich auf „Christian V.“ (86 Kanonen) ein, dessen erster und zweiter Kapitän Holländer waren; das Geschwader brachte auch Matrosen für die dänischen Schiffe mit. Während Tromp vorläufig die Ausrüstung weiterer Schiffe überwachte, stieß Almonde zu Niels Juel, der schon am 29. April Wisby zur Übergabe gezwungen hatte. Die so vereinigte Flotte zählte 10 Linienschiffe, 7 Fregatten, 4 Brander und einige Jachten; sie begegnete am 4. Juni abends bei Bornholm den Schweden, diese 25 Linienschiffe, 10 Brander und Jachten stark unter den Admiralen Creutz und Ugla. Am 4. wurden nur einige Schüsse auf weitere Entfernung gewechselt, es scheint flau gewesen zu sein; am 5. Juni 6 Uhr früh kam es zu einem wirklichen Gefecht, das aber auch ohne größere Folgen und ohne Entscheidung blieb.

Die Schweden standen zu Luward, griffen aber nicht an, sondern steuerten hoch am Winde. Die Holländer, die Vorhut der Verbündeten, versuchten, nahe an den Feind heranzukommen; sie waren gezwungen, unter seinem Feuer vorzulaufen, zu wenden und dann wieder an der feindlichen Linie entlang zu segeln. Diesem Manöver sollen nun nur 2 Dänen, von Holländern kommandiert, gefolgt sein; Niels Juel soll sich auf weiteren Entfernungen gehalten haben: Das holländische Flaggschiff wurde sehr beschädigt und Almonde sah sich genötigt, das Nahgefecht abzubrechen; Juel zog sich gegen 10 Uhr vorm. zurück, Almonde will diesen Rückzug gedeckt haben. Auch die Schweden drangen nicht auf Fortsetzung des Kampfes. Dies ist die Schilderung nach Almondes Bericht; wie häufig beschwert sich ein Verbündeter über den andern: Die dänische Überlieferung rühmt Niels Juel, daß er den überlegenen Angriff mit Erfolg abgewiesen habe, und erwähnt nichts von hervorragendem Auftreten der Holländer. Neuere holländische Quellen geben zu, daß der dänische Admiral den Befehl gehabt haben könne, gegen überlegene Kräfte und vor Tromps Eintreffen nichts einzusetzen. Hierüber sagt aber schon Almonde sehr richtig, dann hätte Juel schon am 4. das Gefecht vermeiden müssen; es muß dann auch auffallend erscheinen, daß der dänische Admiral solche Absicht dem holländischen nicht bekannt gegeben.

Die Schweden segelten nach dem Gefecht nördlich, die Verbündeten westlich. Zu diesen stieß am 7. bei Falsterbo Tromp, der auf die Nachricht von dem Gefecht sofort mit 4 schweren dänischen und 3 neuangekommenen[397] holländischen Linienschiffen in See gegangen war. Tromp sucht jetzt mit der so verstärkten Flotte den Feind, sichtet ihn am 9. unter der schwedischen Küste und verfolgt ihn. In der Nacht aus Sicht gekommen, wird er am 10. mittags durch die Fregatten wiedergefunden, am 11. vormittags endlich erreicht und zwischen Bornholm und Öland bei günstigem Winde (Westnordwest) angegriffen.

In dieser Schlacht bei Ertholm (Christiansö) oder Öland wurde nicht lange rangiert gefochten. Die Verbündeten griffen von Luward an; Tromp selbst („Christian V.“ 86 Kanonen) engagierte das schwedische Flottenflaggschiff „3 Kronen“ (120 Kanonen; 800 Mann, wohl mit das mächtigste Schiff damaliger Zeit). Dieses wollte nach Abgabe der ersten Breitseite wenden, um die andere Lage zu feuern; die Luvgeschütze wurden bei Bemannung der anderen Seite zu früh verlassen und nicht festgesetzt, sie gingen über und das Schiff lag zum Kentern; die brennenden Lunten fielen dabei zwischen aufgehäufte Kartuschen und das Schiff flog auf. Der Unfall rief Schrecken und Unordnung in der Flotte hervor, verschiedene Schiffe hielten ab. Der Vizeadmiral Ugla, einer der wenigen Seeleute in höheren Stellen, leistete mit einigen Schiffen kräftigen Widerstand, aber auch sein Schiff (86 Kanonen) flog in die Luft. Es hatte im Kampfe mit Tromp so schwer gelitten, daß es die Flagge strich. Als schon ein Boot unterwegs war, um es in Besitz zu nehmen, wurde es durch einen holländischen Brander ohne Befehl in Brand gesetzt (Tromp äußert sich empört über diesen Verstoß gegen Kriegsbrauch). Nun erfolgte regellose Flucht der Schweden; jedes Schiff trachtete nur danach, sich dem Kampfe zu entziehen und irgend einen Hafen zu erreichen; dabei wurden 2 Linienschiffe und 2 kleinere eingeholt und genommen. Die Verbündeten verfolgten 2 Tage, sie sahen 4 Schiffe an der Küste stranden; zwei davon gingen verloren, darunter das dritte Flaggschiff. Die Holländer und Dänen hatten keine nennenswerten Verluste und Beschädigungen.

Mit Verlust von 8 Linienschiffen, darunter die 3 Flaggschiffe der Geschwader, wurden die Schweden in voller Auflösung und schwer beschädigt in ihre Häfen gejagt; Tromp ging dann in die Kjögebucht, um weitere Befehle einzuholen. Der Sieg wurde auch sofort strategisch ausgenutzt. Die Schweden zeigten sich in diesem Jahre nicht mehr außerhalb der Häfen, und so konnte eine schon vorbereitete Landung in Schonen ausgeführt werden. Tromp ging mit einem Teil der Flotte nach Ystadt, warf 4000 Soldaten und Matrosen an Land und nahm die Stadt; dann landete der König selbst unter dem Schutz von 11 Kriegsschiffen auf 600 Fahrzeugen 16000 Mann zwischen Helsingborg und Landskrona und eroberte auch diese Städte sowie später Christianstadt leicht. Von See aus wurden durch die Flotte noch Karlshamn und Christianopolis genommen.

Zur Zeit der Landung in Schonen war auch Evertsen mit dem Rest der holländischen Hilfsflotte in Kopenhagen eingetroffen. Er war durch Mannschaftsmangel (häufig in Seeland; infolge des Freibeutereidienstes?) so lange aufgehalten, dann hatte er im Verein mit dem Geschwader für Schutz der Fischerei in der Nordsee vergeblich ein schwedisches Geschwader vor der Elbe und an der Küste Norwegens gesucht. Er übernahm nun den Oberbefehl über die Holländer; Almonde ging, wie uns bekannt, nach dem Mittelmeer, um hier den Oberbefehl zu führen.

Hiermit fanden für 1676 die wichtigen Ereignisse zur See ein Ende. Holländer und Dänen kreuzten noch bis zum Herbst an den pommerschen und schwedischen Küsten, dann gingen jene heim und diese legten auf. Es[398] trat die übliche Winterruhe ein, die Holländer waren auch wohl der Ansicht, Schweden für ihre Zwecke vorläufig genügend geschwächt zu haben.

Im Landkriege war jedoch das Glück den Dänen nicht beständig, ihr Fortschritt in Schonen kam zum Stehen. Ein Versuch, sich Gothenburgs und der dort liegenden Schiffe zu bemächtigen, schlug fehl; Christianopolis, Karlshamn und Helsingborg gingen wieder verloren.

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Niels Juel.

Im Jahre 1677 betrieb Schweden eifrigst mit französischem Gelde die Rüstung seiner Flotte; Dänemark erbat und erhielt wiederum Unterstützung von Holland. Tromp war in Person zu diesem Zweck und um weitere Leute anzuwerben nach Holland gegangen; er selbst, seit Ruyters Tod zum Generalleutnantadmiral befördert, erhielt ein weiteres Jahr Urlaub. Das neue holländische Geschwader, mit Tromp und 1500 Matrosen für Dänemark an Bord, traf am 11. Juli bei Kronenburg ein.

Schon vorher hatte Niels Juel mit seinen Dänen große Erfolge errungen. Er verlegte einem schwedischen Geschwader von 17 Segeln, worunter 8 Linienschiffe, das sich von Gothenburg durch den Belt nach Osten begeben und mit der Hauptflotte vereinigen wollte, auf der Linie WarnemündeGjedser den Weg (11. Juni) und nahm in zweistündigem Kampfe 5 Linienschiffe sowie 2 kleinere. Am 11. Juli erschien die Hauptflotte der Schweden — 37 Linienschiffe, 10 Fregatten, 2 Brander unter Admiral Horn — bei Falsterbo und griff bei günstigem Winde die ihm in der Kjögebucht entgegentretenden Dänen — 25 Linienschiffe, 5 kleinere, 3 Brander unter Niels Juel — an. Der Angriff dieser überlegenen Macht wurde mit Tapferkeit ausgeführt, aber mit wenig Ordnung; es zeigte sich dann die größere Kriegsfertigkeit der Dänen. Juel hielt, obgleich man gerade besonders ihn angriff und er dreimal sein Flaggschiff wechseln mußte, stets die Ordnung aufrecht, gewann den Wind, schnitt einen Teil des Feindes ab und dublierte diesen. Die Schweden wurden vollständig geschlagen — mindestens 4 Linienschiffe wurden genommen, 4 vernichtet — und zogen sich größtenteils schwer beschädigt fluchtartig in ihre Häfen zurück. Bastiansze Scheppers, der mit seinen Holländern gerade den Sund heraufkam, erfuhr, daß 3 Schweden der geschlagenen Flotte auf dem Wege nach[399] Gothenburg in Malmö eingelaufen seien. Er teilte sein Geschwader, besetzte das Fahrwasser bei Kronenburg und bei den Drogden, der Rest suchte die genannten Schiffe. Man traf sie noch in Malmö an, nahm eins und vernichtete die andern durch Brander.

Dieser große Seesieg war von bedeutendem Nutzen für den Landkrieg. Auch 1677 war das dänische Heer nicht erfolgreich. Ein Versuch nach dem Siege bei Warnemünde, sich Malmös zu bemächtigen, mißlang, und am 24. Juli griffen die Schweden die Hauptstellung vor Landskrona an. Nach blutiger Schlacht, an der beide Könige teilnahmen, behaupteten sie das Schlachtfeld; die Dänen mußten sich auf die Stadt zurückziehen. Die völlige Niederlage der schwedischen Flotte erlaubte nun aber eine Diversion mit der eigenen; diese erhielt den Befehl, die schwedische Küste im Rücken der feindlichen Armee zu beunruhigen und zu brandschatzen, insbesondere Kalmar anzugreifen.

Der Stoß wurde gegen die Küste von Smaland und gegen die Insel Öland geführt. Der größere Teil der dänischen Flotte unter Juel traf am 11. August in diesen Gewässern ein, die Holländer folgten erst später und ebenso Tromp mit dem Rest der Dänen. (Der Grund der Verzögerung lag wohl in Reibungen, die gerade nach dem Erfolge der Dänen entstanden zu sein scheinen: Scheppers wollte nicht unter dänischem Oberbefehl stehen und Tromp begann zu fühlen, daß man ihm nicht mehr die bisherige Hochachtung zollte.) Nun begann ein barbarisches Werk der Zerstörung, das man nur mit dem alten Haß zwischen den Dänen und Schweden erklären und in etwas damit entschuldigen kann, daß auch auf den genommenen schwedischen Schiffen die Order vorgefunden war, „im Falle des Sieges die dänischen Lande mit Feuer und Schwert zu verwüsten.“

Die dänische Flotte hatte schon vor Tromps Ankunft verschiedene Dörfer, Schlösser und die kleine Stadt Münsteräs an der Küste Smalands verbrannt. Nun versuchten die Dänen von Norden, die Holländer von Süden in den Kalmarsund vorzudringen, um die dort liegenden Kriegsschiffe (etwa 12) zu zerstören; es war jedoch nicht möglich, weil die Schweden im Fahrwasser die Seezeichen entfernt und Schiffe versenkt hatten. Auch ein Versuch, durch eine Landung von 2000 Mann sich der Stadt Kalmar zu bemächtigen, schlug fehl, man konnte nur die Vorstadt verbrennen und die Umgegend verwüsten. Endlich wurde (28. August) im Norden und Süden auf Öland gelandet; ein Festsetzen, um von hier aus gegen Kalmar vorzugehen, war jedoch wieder nicht möglich, da man die Feste der Insel nicht zu nehmen vermochte. So verbrannte man sämtliche Häuser auf der Insel, die Kirchen ausgenommen, trieb alles Vieh, an 2000 Kühe und Schafe, weg und schiffte sich wieder ein.

Nach Verwüstung der Umgegend Kalmars und der Insel Öland wurde Tromp mit einem Teil der dänischen Flotte und der gesamten holländischen nach Kopenhagen zurückgerufen (Anfang September); Niels Juel verblieb an der Küste Smalands. Er brandschatzte hier weiter in der Nähe Westerviks, erzwang sich am 11. September mit kleineren Kriegsschiffen Eingang in den befestigten Hafen und verbrannte den Ort sowie die dort liegenden Kriegs- und Kauffahrteischiffe; dann lag er bis zum Winter zur Beobachtung des Feindes bei Gothland.

Damit enden in diesem Kriege die wichtigeren Unternehmungen zur See, die von seiten Dänemarks und Hollands gegen Schweden unmittelbar gerichtet waren. Die schwedische Flotte verließ 1678 ihre Häfen nicht.[400] Sie hatte genug mit der Ausbesserung der wenigen noch kampffähigen Schiffe zu tun; die Nation hatte das Vertrauen auf ihre Marine verloren, es war nicht möglich, brauchbaren Personalersatz zu erhalten. Auch als sie sich 1679 wieder zeigen wollte, wurde sie von Juel im Schach gehalten. Dänemark beherrschte bis zum Schluß des Krieges die Ostsee, so daß Schweden auch nicht imstande war, nach Pommern die so nötige Unterstützung zu senden.

Der Krieg In Pommern dagegen bringt in den Jahren 1677 und 1678 noch einige erwähnenswerte Ereignisse. Die im September 1677 von Smaland zurückgezogenen dänisch-holländischen Seestreitkräfte wurden bestimmt, Rügen zu erobern. Sie erschienen unter dem König und Tromp am 17. September 1677 zwischen Wittow und Jasmund und landeten 4000 Mann; nur etwas Kavallerie, bald durch das Feuer der Schiffe vertrieben, versuchte vergeblich die Landung zu hindern. Verstärkungen trafen von Dänemark und auch vom Großen Kurfürsten ein — dieser belagerte seit Juli Stettin, Tromp stellte sich ihm Ende September dort vor — und so wurde die Insel leicht erobert; die Schweden unter Graf Königsmark mußten sich auf Stralsund zurückziehen. Von hier aus aber eroberten sie Ende 1677 die Insel wieder, wobei die dänischen Truppen fast sämtlich gefangen genommen wurden. Die dänischen Schiffe kreuzten im übrigen bis zum Winter vor der pommerschen Küste; die Holländer gingen im Herbst, wiederum einen großen Convoi geleitend, heim.

Die kleinen brandenburgischen Flottillen fanden 1676 und 1677 Verwendung zur Blockade der Häfen von Stralsund, Greifswald und Stettin. Im Juni 1676 hatten sie das Glück, eine schwedische Fregatte und einen Brander zu nehmen, die nach einem der Gefechte von ihrer Flotte abgekommen waren; diese wurden als die ersten „kurfürstlichen“ Schiffe in Dienst gestellt.

Für das Jahr 1678 gelang es Dänemark nicht, die Unterstützung durch eine holländische Flotte zu erhalten, nur neue Werbungen in den Niederlanden wurden gestattet; Holland stand schon in Friedensunterhandlungen mit Frankreich. Infolgedessen setzte nun die nationale Partei der dänischen Marine die Abdankung Tromps durch. Dieser war über den Undank sehr empört, trotzdem bewog er den größten Teil der holländischen Offiziere und Mannschaften, die in dänischem Dienste standen, zu bleiben; über die Entlassung ihres Admirals gleichfalls entrüstet, hatten auch sie den Abschied verlangt; es war fast zu Meuterei gekommen. Nach Holland zurückgekehrt, trat Tromp nicht mehr auf, er zog sich bald ins Privatleben zurück. 1691 wurde er zwar als Oberbefehlshaber der vereinigten englisch-holländischen Flotte in Aussicht genommen, er war jedoch krank und starb am 29. Mai dieses Jahres. Vor dem Verlassen der Ostsee sollte er aber das letzte größere Unternehmen zur See hier noch mitmachen.

Im Januar 1678 war Stettin nach langer Belagerung gefallen, die Schweden verloren immer mehr Boden in Pommern und die Verbündeten planten aufs neue die Eroberung Rügens; der Große Kurfürst hatte hierzu Tromp zu sich berufen.

Zu dieser Expedition hatte der Kurfürst in Peenemünde 350 Fahrzeuge für den Transport von 4000 Mann unter Derfflinger gesammelt; die Flottille — 7 Segel[401] mit 107 Kanonen — sollte Überfahrt und Landung decken. Tromp befand sich als Kriegsfreiwilliger an Bord des Flaggschiffes, Dänemark stellte ein kleineres Geschwader — 7 Linienschiffe und einige kleinere — unter Niels Juel. Am 22. September wurde aufgebrochen, jedoch segelten die Dänen (schon am 21.?!) nach Wittow, der Kurfürst nach Palmerort. Er wollte hier einen Scheinangriff machen, die Truppen aber bei Putbus landen. Die Landung konnte an diesem Tage nicht ausgeführt werden; Flaute zwang zum Ankern und hielt sogar die Flottille eine Zeitlang im Feuer von am Lande aufgefahrenen Geschützen fest, doch taten diese kaum Schaden. Den Dänen dagegen war es am 22. gelungen, ohne wesentlichen Widerstand auf Wittow Fuß zu fassen und Juel meldete dies in Person am 23. dem Kurfürsten. Hierauf ging auch dieser mit seiner ganzen Macht dorthin, die Kriegsschiffe wurden zeitweise wegen neuer Flaute durch Boote getaut. Dann wurde die Landung ausgeführt, obgleich die Schweden Kavallerie bereit hielten und auch Geschütze auffuhren: Die Boote und kleinen Fahrzeuge gingen in bester Ordnung — wo nötig mit Weiterstaken — so nah wie angängig heran, die Truppen wateten oder schwammen an Land und formierten sich schnell; alles ohne Verlust, weil die Schweden keinen ernstlichen Widerstand leisteten, auch Kavallerie kam bald an Land. Der Feind wich und räumte schon am 24. die Insel, nachdem er in einem kurzen aber heftigen Gefechte um die Stellung, die den Übergang nach Stralsund deckte, geschlagen war.

Nach der Eroberung Rügens wurde der Dänholm genommen; nun kapitulierte Ende Oktober Stralsund, von der Land- und Wasserseite eingeschlossen, und im November nach zweistündiger Beschießung mit glühenden Kugeln auch Greifswald; ganz Schwedisch-Pommern war erobert. 1679 ward nur noch in Ostpreußen gefochten — Friedrich Wilhelms Zug über das Kurische Haff.

Schweden büßte in diesem Kriege schwer die Vernachlässigung seiner Marine. Wäre seine an Material so mächtige Flotte schlagfertig gewesen, so dürfte den Gegnern der Krieg in Pommern weit schwerer geworden sein und an Stelle eines dänischen Einfalls in Schonen hätte die Geschichte vielleicht einen schwedischen in Seeland gesehen. Die innerlich tüchtigere und besser geführte dänische Flotte, noch während des Krieges weiter gepflegt, führte schließlich den Sieg ihres Staates trotz der eigentlich nur geringen Erfolge des Landheeres herbei.

Es ist bereits erwähnt, daß in den Frieden von Fontainebleau (oder Lund, September 1679) und St. Germain (Juni 1679) sowohl Dänemark wie Brandenburg ihre Eroberungen zurückgeben mußten; von den übrigen Verbündeten — Holland; Kaiser; Reich — verlassen, hatten sie sich den Forderungen Ludwigs XIV. zu fügen.

Es sei an dieser Stelle noch die weitere Geschichte der brandenburgischen Marine[222] kurz geschildert, wenn sie auch an keinem Seekriege mehr teilnimmt.

Da im Frieden von St. Germain Stettin und Stralsund an Schweden zurückfielen, blieben dem Großen Kurfürsten nur Pillau und Königsberg zu Hafen- und Werftanlagen für handelspolitische und kriegsmaritime Zwecke; hier wurden dann auch Warenhäuser und Arsenale errichtet; 1682 gründete Friedrich Wilhelm eine afrikanische Handelsgesellschaft.[402] Um auch einen Hafen an der Nordsee zu haben, legte er 1683 Besatzungen nach Emden und Gretsiel; er benutzte dazu Zwistigkeiten zwischen den Fürsten und den Ständen von Ostfriesland und folgte einem Wunsche der letztgenannten. Emden wurde nun der Sitz der Kompagnie, die Ostfriesen erhielten dafür das Recht, unter dem Schutz der brandenburgischen Flagge zu fahren.

1684 wurde die bisher gemeinschaftliche Verwaltung der eigentlichen Kriegsmarine und der Handelskompagnie getrennt; die Marine zählte dann bald 10 Segel: 2 zu 50 Kanonen; 1 zu 40; 1 zu 36; 1 zu 20; 1 zu 40; 1 zu 10; 2 zu 6 Kanonen. Der größte Teil dieses Bestandes gehörte zur Station der Nordsee; der höchste Bestand war 1688 erreicht: 35 Schiffe mit 210 Kanonen und 40 Fahrzeuge mit 80 Kanonen. Nach dem Tode des Großen Kurfürsten 1688 ging die Marine schnell zurück, da Friedrich III. keinen Wert auf Entwicklung des Seehandels legte; die Hauptstütze ihres Gründers, Raule, starb 1707; als 1708 noch Soldaten nach Afrika gesandt wurden, mußten sie unter holländischer Flagge fahren. Friedrich Wilhelm I. sah sich genötigt, den Schutz des Seehandels ganz aufzugeben und die Kolonien an Holland abzutreten; damit verschwindet die brandenburgisch-preußische Marine bis zu einem schwachen Versuch 1756.

Von der Verwendung der brandenburgischen Marine nach dem Frieden sei noch folgendes erwähnt: 1680 kreuzte ein Geschwader — 5 Schiffe zu 16–40 Kanonen; 1 Brander; 515 Matrosen, meist Holländer; 180 Soldaten — gegen Spanien im Kanal, um auf diese Weise die nicht gezahlten Subsidien für den letzten Krieg einzutreiben, und nahm ein Schiff zu 50 Kanonen; später segelte das Geschwader nach Westindien und brachte verschiedene Kauffahrer auf. 1682 gingen 2 Fregatten nach der Westküste Afrikas und gründeten dort die Niederlassung Groß-Friedrichsburg (am Kap der drei Spitzen), andere Faktoreien folgten hier. Versuche, auch in Westindien Fuß zu fassen — auf St. Thomas wurde eine Faktorei angelegt —, scheiterten an der Eifersucht Hollands und Frankreichs.

Kämpfe gegen die Barbaresken 1674–1688 und die Franzosen vor Genua 1684 (Bombardements von Algier und Genua).

Wir wissen, daß jedesmal nach größeren Kriegen an die westeuropäischen Marinen die Aufgabe herantrat, kräftiger gegen die Raubstaaten Afrikas vorzugehen; wenn man sich während der Kriege mit der notwendigsten Sicherung der Kauffahrer gegen Seeraub begnügen mußte, nahm dieses Räuberunwesen stets zu.

Von 1675 an hielten die Engländer[223] ein stärkeres Geschwader an der Nordküste Afrikas, unter dessen Druck Verhandlungen mit Algier, Tunis und Tripolis geführt wurden. Blockade der Häfen, Wegnahme einzelner Schiffe, Gefechte mit Seeräubergeschwadern, auch Bedrohung oder gar Bombardement der Hauptstädte (z. B. 1677 der Stadt Tripolis durch Admiral Narbrough) führten dann zur Befriedigung der englischen Forderungen: Rückgabe von Gefangenen, Zahlung von Entschädigungen, Abschluß von[403] Verträgen; doch wurden seitens der Barbaresken stets die Verträge gebrochen und die Raubzüge wieder aufgenommen. Im Jahre 1681 hören diese größeren Unternehmungen auf, wohl weil die Franzosen von jetzt an sehr energisch vorgingen.

Das englische Geschwader wirkte auch mit zur Verteidigung von Tanger, welche Besitzung öfters von Marokko angegriffen wurde. 1683 räumte England Tanger, weil die Kosten der Erhaltung und Verteidigung seinem Werte nicht zu entsprechen schienen. Man gab es auch nicht an Portugal, den früheren Besitzer, zurück, sondern schleifte die Hauptwerke; die Mauren befestigten es aber sofort wieder. Dieses Aufgeben eines strategisch wichtigen Punktes ist selten in der englischen Marinepolitik und wurde auch später bedauert; selbst wenn die Stellung wenigstens von den Portugiesen gehalten wäre, würde es von Nutzen gewesen sein, da diese vom nächsten Jahrhundert an ganz von England abhängig wurden.

Unwesentlicher waren die Operationen der Holländer.[224] In den ersten Jahren nach dem Frieden 1678 mußte man sich wegen Geldmangels und Schulden der Admiralitäten wie während des Krieges auf den allernotwendigsten Schutz der Kauffahrer beschränken. Von 1686 an wurden zwar größere Geschwader entsendet; erwähnenswerte Ereignisse fanden jedoch auch dann nicht statt.

Weit bedeutender aber sind die Unternehmungen der Franzosen.[225] Sie sind besonders bemerkenswert, da bei ihnen zum ersten Male im Seekriege die „Bombe“ eine wichtige Rolle spielt; ferner zeigen gerade sie, mit welcher Hartnäckigkeit und auch Kraft die Barbaresken auftraten, wie schwer es den europäischen Mächten wurde, diese niederzuhalten.

Auch die Franzosen hielten seit dem Frieden 1678 Geschwader an der afrikanischen Küste, die ihre Fahrten zum Schutz des Handels bis zur Levante ausdehnten. So zerstörte du Quesne 1681 im Hafen von Chios eine Anzahl Schiffe von Tripolis, ohne sich um die Türken zu kümmern; die türkischen Batterien, die eingriffen, wurden zum Schweigen gebracht. Zwar entstand darob großer Zorn in Konstantinopel, aber der Sultan, mit Österreich im Kampfe, wünschte keine Zerwürfnisse mit Frankreich; du Quesne drückte sogar mit seiner Flotte weiter darauf, daß der Sultan Tripolis zum Frieden bewöge. Auch die Freibeuter des Kanals, jetzt unbeschäftigt, wurden gegen die Barbaresken verwendet; Jean Bart, schon seit 1679 in der königlichen Marine angestellt, tat hier 1681 den ersten Dienst als Führer kleiner Geschwader solcher Schiffe, die teils von Unternehmern, teils von der Krone unterhalten wurden. Die Erfolge waren aber wie bei den Engländern immer nur von kurzer Dauer; besonders Algier war schwer zu bändigen, der Dey erklärte sogar im Oktober 1681 förmlich den Krieg an Frankreich.

[404]

Man erwog nun den Plan zu einem großen Schlage gegen die Stadt Algier; der später an du Quesne gegebene Befehl lautete: „Diese anzuzünden und von Grund aus zu zerstören.“ Gut befestigt wie die Stadt war, glaubte man nicht, ihn mit der Flotte allein ausführen zu können, und faßte schon einen größeren Einfall in das Land ins Auge, um sie dann regelrecht zu belagern. Um diese Zeit aber hatte ein junger Edelmann, Renau d'Eliçagarey, der sich mit Schiffbaufragen beschäftigte, einen Plan für verbesserte Mörserboote vorgelegt.

Wir haben gehört (Seite 173), daß man um diese Zeit wohl schon in allen Marinen Mörserboote kannte. Sie waren aber nicht genügend segel- und seefähig, um Flotten auf weite Entfernungen begleiten zu können, auch erlaubten Lafettierung und Aufstellung bei schwereren Mörsern wegen des Rückstoßes keine hohen Elevationen. In diesen Hinsichten machte Renau nun Verbesserungen, besonders durch die Konstruktion einer schrägen (um 45° geneigten) und gut federnden Bettung. Die Boote waren etwa 23 m lang und 8 m breit, hatten etwas vor der Mitte zwei Bettungen für je einen Mörser mit der Feuerrichtung nach vorn; sie führten daneben 4 leichte Kanonen und waren mit einer Takelage versehen, die im Gefecht (vor Anker) teilweise niedergelegt werden konnte. Nach den ersten Erfahrungen 1682 wurden sie verbessert; so erhielten sie eine Brustwehr von Netzen mit altem Tauwerk gefüllt, wie man später auf den Schiffen die Hängematten und Kleidersäcke als Schutz verwandte, das Ankergeschirr wurde sehr vermehrt, um die Boote gut festlegen zu können. (Jal: „du Quesne“, Teil II, Seite 414 ff.)

Fünf solcher Galiotes à bombes à la Renau wurden 1681/82 in Havre und Dünkirchen gebaut; sie bewährten sich bei den Proben. Man beschloß nun, zu versuchen, mit ihnen Algier durch ein großes Bombardement niederzuzwingen oder zu vernichten, und zog sie 1682 ins Mittelmeer. Wir werden sehen, daß auch ihr Erfolg den Erwartungen nicht völlig entsprach: Geschütze und Munition waren noch zu unvollkommen; immerhin ist es die erste große Verwendung von Sprenggeschossen im Seekriege. Ehe wir zur Besprechung der verschiedenen Unternehmungen gegen Algier (und auch gegen Tunis und Tripolis) schreiten, sei die taktische Verwendung dieser Mörserboote geschildert, wie sie du Quesne 1682 und 1683 anordnete.

Ich wähle zu dieser Schilderung die Anordnung des Bombardements im Jahre 1683, da diese nach den Erfahrungen des Vorjahres sehr verbessert war (Plan vergl. Seite 405).

Die Mörserboote (1683 waren es 7) sollten ein konzentrisches Feuer auf die Befestigung der Mole (150 Kanonen?), auf die dahinter liegenden Schiffe und auf die Stadt selbst richten: die Beschießung sollte nur während der Nächte vor sich gehen, tagsüber wollte man die Boote dem feindlichen Feuer entzogen halten. Auf die Liegeplätze der Galioten — etwa 1100 m von der Mole — wurden durch Schiffsboote schwere Anker gelegt und von diesen Leinen — mehrere aufeinandergesteckt — zu 7 Linienschiffen geführt, die radial hinter der Galiotenposition, außerhalb Schußweite der Befestigungen, verankert waren. Mit diesen Leinen, über ihr Deck genommen, verholten sich die Fahrzeuge; sie waren somit imstande, ohne fremde Hilfe leicht und sicher erst kurz vor dem Gefecht ihre Posten einzunehmen und sich nach Schluß in den Schutz eines starken Schiffes zurückzuziehen; auch konnten sie während des Kampfes ihre Lage ändern, falls das feindliche Feuer es wünschenswert machte. Zur Sicherung gegen einen Angriff mit Booten oder Galeren wurden jeder Galiote 2 armierte Schiffsboote oder schwere Schaluppen, die zu diesem Zweck besonders mitgenommen waren, zugeteilt.

[405]

Die ganze Stellung ward noch dadurch verstärkt und bewacht, daß auf jedem Flügel ein Linienschiff ankerte; auch für diese waren Anker ausgelegt und auch sie lagen nur nachts dort. Vor den Linienschiffen endlich lagen Boote auf Vorposten, und zwischen den Galioten und der Mole gingen 4 schwere Schaluppen vor, die mit Geschützen für Brandgeschosse armiert waren.

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Bombardement von Algier, 1683.

Am 23. Juli 1682 traf du Quesne zum ersten Angriff vor Algier ein; mit den Schiffen, die bereits die Stadt blockierten, zählte seine Flotte 11 Linienschiffe, 2 Brander, 5 Mörserboote und 15 Galeren. Durch Erkundungen und ungünstiges Wetter hingehalten, konnte er erst am 13. August zum Angriff übergehen. Dieser war folgendermaßen angesetzt: Zwei Gruppen — je 2 Linienschiffe im Schlepp von Galeren — sollten die detachierten Forts im Norden und Süden der Stadt beschäftigen, die übrigen Linienschiffe mit den Galioten, diese zu beiden Seiten des Admirals, sollten von Galeren auf Ankerplätze in Front der Mole geschleppt werden; als aber eben die ersten Schiffe zu Anker gehen wollten, mußte das ganze Unternehmen aufgegeben werden, da plötzlich sehr starker ablandiger Wind aufkam. Am 15. meldete der Chef der Galeren, auf seinen Fahrzeugen ginge das Wasser zu Ende. Du Quesne, der diese Art Schiffe überhaupt wegen mangelnder Seefähigkeit, häufigen Mangels an Wasser und Proviant für hemmender als nützlich bei einer Flotte hielt, sandte sie nach Frankreich zurück und entschied sich nun für eine Verwendung der Mörserboote, wie sie oben beschrieben ist.

Am 18. August wurden 5 Anker ausgelegt, am 20. abends nahmen die Galioten zum ersten Male ihre Position ein und eröffneten das Feuer. Die Beschießung dauerte bis zum 12. September, allerdings öfters unterbrochen. Anfangs mußten die Anker umgelegt werden, sie lagen einander zu nahe und zu weit von der Stadt; mehrfach traten Wetterverhältnisse hindernd auf, einmal mußte ein nächtlicher Bootsangriff abgeschlagen werden; auch Verhandlungen mit dem Dey wurden dazwischen geführt. Immerhin wurden einige hundert Bomben geworfen, aber der Erfolg war nicht bedeutend. Viele Geschosse erreichten das Ziel nicht, einige krepierten nicht und eine nicht geringe Zahl krepierte bald nach dem Verlassen des Rohres. Eins setzte sogar sein Boot in Brand; dieses wurde nur durch die Kaltblütigkeit des Kommandanten gerettet, während der größte Teil der Besatzung über Bord sprang.[406] Am 13. September verließ du Quesne der vorgerückten Jahreszeit wegen, besonders mit Rücksicht auf die Mörserboote, Algier. Auch mit den Verhandlungen hatte er nichts erreicht, doch ließ er einige Schiffe zur Blockade zurück.

Auf Befehl des Königs berichtete du Quesne jetzt, welche Kräfte er für einen zweiten Angriff 1683 für notwendig erachte.

Jal gibt im „Abraham du Quesne“ einen ziemlich genauen Auszug aus dieser Denkschrift; sie ist bemerkenswert, weil man daraus die Umsicht des erfahrenen Admirals ersehen kann. Er verlangte, kurz gefaßt, folgendes: 15 Linienschiffe, 2 Fregatten, 2 Brander außer den Mörserbooten; einen Stützpunkt auf den Balearen als ständigen Sammelplatz und hier: 3 Schiffe mit Proviant usw., ein Zeltlager für Kranke, Vorrat an frischem Proviant, Ausbesserungsgegenstände; ein Lazarettschiff zum Verkehr der Flotte mit dem Stützpunkte; nur etwa 6 Galeren für Polizei- und Wachdienst, dafür aber 6 schwere Schaluppen — gleich geeignet zum Rudern und Segeln — zum Bugsieren der Galioten und zu ihrer Verteidigung; bessere Munition für die Mörser, reichlicheres Ankergeschirr für die Fahrzeuge behufs sicheren Festlegens; 5 mit Steinen gefüllte Schiffe, um die Einfahrt zu sperren (mit der Absicht, den Hafen unbrauchbar zu machen, selbst wenn die Vernichtung der Stadt geglückt wäre); diese sollten auch mit Sprengstoffen gefüllt sein, um die Hafensperre und die Befestigungen auf der Mole zu zerstören. Auch ersuchte er, nicht zu viel Gardes de la marine (Offiziersaspiranten) und keine Kriegsfreiwilligen einzuschiffen, „diese nähmen nur Platz fort und brauchten zu viel Erfrischungen und Wasser, weil sie so oft seekrank wären.“

Er erhielt nahezu alles, was er verlangt hatte. An Mörserbooten waren jetzt 7 vorhanden; die Senkschiffe fehlten — es sind 2 vorbereitet, doch werden sie später nicht mehr erwähnt —, dagegen erhielt er 2 „Kupferminen“ — sehr schwere Gefäße mit Pulver, Projektilen und Feuerwerkskörpern gefüllt, sonst Konstruktion unbekannt —, die in Fahrzeugen gegen die Hafensperre herangeführt werden sollten. Auch 16 Galeren stießen zur Flotte; sie waren jedoch bei Beginn der Operationen noch nicht zur Stelle, wurden später wiederum zur Auffüllung von Wasser und Proviant zurückgesandt und kamen nicht wieder (Grund: zu vorgerückte Jahreszeit oder die bekannte Spannung zwischen der Galeren- und Hochseeflotte). Der Stützpunkt auf den Balearen scheint nicht eingerichtet zu sein. Trotz des Admirals Bitte wurden aber mehrere überzählige Kapitäne und eine große Zahl Gardes de la marine zur Belehrung auf die Flotte kommandiert und zwar besonders an Bord der Schiffe, auf die sich die Mörserboote stützen sollten. Legendenhaft — auch nach Jal — ist endlich die Mitgabe von 2 „großen Bomben“; mitgegeben sind sie, aber es ist nicht zu sagen zu welchem Zweck; ein besonderer Mörser war nicht vorhanden, vielleicht war ihre Verwendung ähnlich gedacht wie die der Kupferminen, oder es sind diese.

Die Ausrüstung der neuen Flotte wurde mit Eifer betrieben; der Sekretär des Marineministeriums, de Seignelay (Sohn Colberts), erschien selbst in Toulon, aber infolge von Verzögerungen und widrigen Winden traf du Quesne erst am 18. Juni 1683 vor Algier ein.

Am 23. waren unter Tourvilles Leitung alle Vorbereitungen für die Bombardementsstellung getroffen, jetzt genau in der Seite 404 beschriebenen Weise; starker ablandiger Wind und Seegang hinderten jedoch bis zum 26. abends das Vorschicken der Mörserboote. Dann wurden, wieder unter Tourvilles Leitung, in dieser und der nächsten Nacht 200 Bomben geworfen. Der Feind antwortete lebhaft aber mit wenig Erfolg, die Franzosen dagegen hatten bessere Ergebnisse als im Vorjahre; die Munition war besser, nur[407] etwa 25 Bomben krepierten zu früh, und die Elevation war richtiger bemessen. Obgleich am 28. früh Wind und See so zunahmen, daß verschiedene Mörserboote vertrieben und beim Verlassen der Stellung mehrere der Verholleinen brachen, sandte der Feind doch Parlamentäre. Du Quesne weigerte sich, auf Verhandlungen einzugehen, ehe nicht sämtliche Sklaven französischer Nation freigelassen seien, worauf während der nächsten Tage gegen 600 auf der Flotte abgeliefert wurden; die Verhandlungen zogen sich aber trotzdem hin. Nach den mitgegebenen und weiter eingehenden Instruktionen sollte der Admiral nicht nur die Herausgabe der Sklaven und die Zahlung von einer Million Franken für französischen Untertanen zugefügten Schaden verlangen, sondern auch, daß der Dey demütig Abbitte tue für die Unverschämtheit (insolence), überhaupt gegen den König Krieg geführt zu haben; endlich war du Quesne streng untersagt, die Auslieferung mohammedanischer Sklaven auf französischen Galeren zu versprechen. Gerade dieser letzte Punkt scheint die herrschenden Elemente in Algier, die Janitscharen, empört zu haben; am 23. Juli brach eine Militärrevolution aus, der Dey wurde ermordet und der Führer der Empörung brach die Verhandlungen ab.

Nach einigen Tagen vergeblichen Wartens eröffnete du Quesne die Beschießung von neuem. Der Kampf wurde jetzt von den Barbaresken auf das energischste und grausamste geführt: das Feuer wurde noch heftiger und nun auch mit mehr Erfolg erwidert; ein nächtlicher Ausfall wurde gemacht und hierbei ein Wachtboot genommen; französische Sklaven und Gefangene, darunter der Konsul, wurden vor die Mündungen der Kanonen gebunden. Bis zum 18. August warfen die Franzosen über 1000 Bomben — dann wurde die Munition knapp —, die Stadt lag halb in Trümmern, aber sie ergab sich nicht. Da auch die Batterien noch nicht zum Schweigen gebracht waren, hielt du Quesne eine Forcierung des Hafens nicht für ratsam.

Für ein Forcieren war der Admiral nie gewesen, wenn nicht die Befestigungen vorher niedergekämpft seien. Ludwig XIV. war empört, daß die Stadt nicht schneller bezwungen wurde; er machte (Ende Juli) du Quesne die schwersten Vorwürfe und schrieb dabei: er müsse annehmen, daß dieser nicht forcieren wolle, weil er stets dagegen gewesen; er beföhle es nunmehr. Wenige Tage später schrieb de Seignelay, im Namen des Königs, etwas milder, wies aber auch auf gewaltsamen Angriff hin und sandte gleichzeitig an Tourville unmittelbar den Befehl, einen solchen auszuführen: mit Hilfe der beiden Minen die Hafensperre (Kette und Pfahlwerk) zu sprengen, die Schiffe im Hafen und die Stadt anzuzünden; Galeren und Schiffsboote seien ihm dazu unterstellt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Tourville — jetzt auch Generalleutnant und Zweiter im Kommando —, der sich hier sonst sehr auszeichnete, gegen du Quesne intriguierte. In Briefen an den Marinestaatssekretär und an den Hof warf er dem Oberbefehlshaber Fehler und Lauheit (z. B. die lange Pause) beim Bombardement vor, auch erklärte er, daß ein Forcieren wohl möglich sei. Das erste war ungerecht, du Quesnes Aufgabe war gewesen, einen Frieden herbeizuführen, und er stand ja in Unterhandlungen; das letzte war mindestens fraglich. Ein gewaltsamer Angriff würde jedenfalls viel französisches Blut gekostet haben, so betrug der Verlust in der Hauptzeit der Beschießung, nämlich bis zum 29. Juli, nur 20 Tote und 78 Verwundete; darunter allerdings 13 Offiziere der Mörserboote und Schaluppen.

[408]

Auch nach Eingang dieser ausdrücklichen Befehle geschah nichts. Du Quesne war beleidigt, und die Forcierung ging ihn nach der Order an Tourville nichts mehr an. Tourville selbst erklärte jetzt aber auch die Sache für nicht ausführbar: Es fehlten die Galeren (die, wie wir wissen, nicht wiedergekommen waren); die Minen seien unbrauchbar, da nach Aussage der damit vertrauten Offiziere keine Fahrzeuge für deren Verwendung vorbereitet seien. Hiermit wurde ein neuer Vorwurf gegen du Quesne verbunden: Diese Offiziere hätten ausgesagt, der Admiral habe trotz ihrer Vorstellung die Herrichtung geeigneter Fahrzeuge in Toulon nicht abwarten wollen.

Im September erhielt du Quesne Befehl, beim Eintritt der ungünstigen Jahreszeit die Belagerung aufzugeben; Anfang Oktober ging er deshalb nach Toulon, Tourville mit 7 der bestsegelnden Linienschiffe zur Blockade zurücklassend. So endete auch dieser Angriff ohne Erfolg; Algier unterwarf sich den Friedensbedingungen erst infolge der beständigen Blockaden im Frühjahr 1684. Die Machthaber der Stadt sollen stets gesagt haben, ein Bombardement schade ihnen nichts, die Stadt sei reich genug und mache so gute Beute, daß sie sich nach einer Beschießung besser als vorher wieder aufbauen könne; auch gab Ludwig etwas nach, da er gerade andere Pläne im Mittelmeer hatte (Angriff auf Genua 1684). Die weiteren französischen Operationen gegen die Barbaresken seien hier noch kurz geschildert.

Tourville hatte im Frühjahr 1684 einen hundertjährigen (!) Frieden mit dem Dey geschlossen, aber schon 1685 nahmen die Räubereien, zuerst von Tunis und Tripolis aus, wieder überhand. Im Juni dieses Jahres erschien deshalb d'Estrées mit einem Geschwader vor beiden Städten und zwang sie durch Beschießung zur Zahlung großer Entschädigungssummen. 1688 griff er auch Algier an; vom 1.–14. Juli wurden aus 10 Mörserbooten gegen 10000 Bomben geworfen. Da sich aber die Boote in schlechtem Zustande befanden und auch sonst die Beschießung weniger sorgfältig vorbereitet war, erreichte man noch weniger als früher du Quesne. Die Stadt weigerte sich zu unterhandeln und gab erst im nächsten Jahre aus anderen Gründen nach.

Diese Züge kommandierte d'Estrées, obgleich er Vizeadmiral des Atlantik war, da sich du Quesne 1684 vor Genua mit de Seignelay überworfen hatte. De Seignelay hatte sich hier zu sehr in die Befehlsbefugnisse du Quesnes gemengt, so daß dieser zeitweise seine Kajüte nicht verließ. Der Staatssekretär hatte nach den leichten Erfolgen 1685 an d'Estrées geschrieben, wenn er 1682 und 1683 kommandiert hätte, würde die Sache wohl besser verlaufen sein; der Mißerfolg des Jahres 1688 war also eine große Genugtuung für du Quesne.

1684 griff Ludwig XIV. Genua an. Die Stadt hielt zu Österreich und Spanien, baute um diese Zeit Galeren für letztgenannten Staat und hatte auch Kriegsmaterial an die Barbaresken verkauft. Ludwig verbot die Lieferung der Galeren unter Androhung schwerster Züchtigung. Genua lehnte ab, stand aber ohne jede Unterstützung da, als Spanien 1684 (Regensburg) mit Frankreich einen Waffenstillstand abgeschlossen hatte.

Nun wurde du Quesne mit einer Flotte — 13 Linienschiffe, 2 Brander, 20 Galeren, 10 Mörserboote — gegen die Stadt gesandt; de Seignelay schiffte sich selbst mit ein. Die Flotte erschien am 17. Mai vor Genua und begann am 18. die Beschießung, nachdem die harten und demütigenden[409] Friedensbedingungen abgelehnt waren; die Stellung der Mörserboote war dieselbe wie vor Algier. Vom 18.–22. und am 24. warf man 4000 Bomben; am letzten Tage wurde eine Scheinlandung im Osten, eine ernsthafte (2500 Mann) im Westen der Stadt unternommen und die Vorstadt San Pier d'Arena verbrannt. Die Stadt hatte durch das Bombardement schwer gelitten, doch waren die Franzosen nicht imstande, sie einzunehmen. Infolge Androhung einer neuen Beschießung unterwarf sich Genua aber doch 1685 den durch Vermittlung des Papstes etwas gemilderten Friedensbedingungen: man lieferte die streitigen Galeren an Frankreich aus und der Doge mußte mit einer Abordnung der edelsten Geschlechter in Paris um Verzeihung bitten.

Es war dies die letzte größere Tätigkeit du Quesnes; er zog sich bald ins Privatleben zurück und starb 1688. Als Höchstkommandierender im Mittelmeer folgte ihm Tourville, der sich auch vor Genua wieder ausgezeichnet hatte. Dieser wurde 1689 zum Vizeadmiral der Levante ernannt, welchen Dienstgrad du Quesne wegen seiner Religion nie erlangt hatte.

Ein venetianisch-türkischer Krieg 1684–1699 soll im Kapitel X besprochen werden (vergl. Seite 297).

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Fußnoten:

[203] Hauptquellen: de Jonge, Teil II; „Vie de Tromp“. — Bonfils; Jal: „du Quesne“.

[204] Hauptquellen: de Jonge, Teil II, und „Leben Ruyters“, in letzterem der Bericht Ruyters über die Expedition mit genauen Dispositionen für die Landung auf Martinique.

[205] Hauptquellen: de Jonge, Teil II, dort auch genauere Angaben über die beiderseitigen Streitkräfte; Chab.-Arnault; Bonfils.

[206] Ein Schiff fortbewegen, indem man mit Booten leichte Anker auslegt und sich an diese heranholt.

[207] Hauptquellen: de Jonge, Teil II; „Ruyters Leben“; Jal: „du Quesne“, sehr genau; Bonfils.

[208] Sehr genau in de Jonge und im „Leben Ruyters“, hier auch die genaue Instruktion, die der Admiral erhalten.

[209] Nach de Jonge, Teil II, Beilagen X und XI; Jal: „du Quesne“ und Bonfils geben die Namen der französischen Schiffe.

[210] Schilderung nach „Ruyters Leben“; de Jonge, Teil II; Jal: „du Quesne“: Bericht desselben, viele Privatbriefe, Aktenauszüge über diese Aktion; Bonfils. — Vgl. auch Mahan, Teil I, Seite 155, hier besonders der Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit, daß Ruyter mit Absicht die Defensive wählte.

[211] Jal: „du Quesne“, Teil II, Seite 205.

[212] Nach de Jonge, Teil II, Beilage XII, nahezu übereinstimmend mit den anderen Hauptquellen; A. Jal gibt in „du Quesne“, Teil II, Namen der französischen und spanischen Schiffe und Kommandanten, für letztere die Armierung nach offiziellen spanischen Angaben.

[213] Schilderung der Schlacht nach de Jonge, Teil II; „Leben Ruyters“; Jal: „du Quesne“; Bon fils. Diese Quellen weichen etwas voneinander ab, aber kaum wesentlich für die Beurteilung der Schlacht.

[214] Backbrassen heißt, das Schiff durch Stellen der Segel eines Mastes gegen den Wind zum Stillstand bringen.

[215] Wörtlich im „Leben Ruyters“, darunter auch die Schreiben des Großen Kurfürsten.

[216] Quellen wie bei „Agosta“.

[217] Um ein Schiff vor Anker in jeder beliebigen Lage zum Winde festlegen zu können, wird vom Heck aus eine Trosse außenbords herum nach vorn genommen, auf die Ankerkette gesteckt und nach Bedarf eingeholt.

[218] Genauer in de Jonge, Teil II, und „du Quesne“, Teil II.

[219] Näheres de Jonge, Teil II, Seite 653 mit Schilderung kleiner Gefechte zwischen Kriegs- und Freibeuter-Geschwadern beider Seiten, besonders auch der Operationen gegen die Freibeuterei Dünkirchens; auch Bonfils, Teil I, Seite 223, hier erstes Auftreten Jean Barts.

[220] Die früheren Kriege Dänemarks und Schwedens und ihre Marinen vgl. Seite 44, 109, 148, 239. Die Quellen dort auch hier gültig. Über die Beteiligung der Holländer siehe de Jonge, Teil II, Seite 153, und „Vie de Tromp“.

[221] Schon jetzt erhielt er den Elefantenorden. Als er dafür aber an Gebühren 2000 Taler zahlen mußte, soll er, sparsam veranlagt, gesagt haben: „Maar duivel! het beestje komt mij een beetje duur te staan.“ (De Jonge.)

[222] Näheres z. B. von Borke, „Die brandenburg-preußische Marine und die afrikanische Kompagnie.“

[223] Clowes, Teil II, Seite 450, gibt die Operationen und manche recht interessante Gefechte genau. Es findet sich dort auch die Bemerkung, daß England 1674–78 sehr von französischen Freibeutern im Kanal zu leiden hatte. Diese, gegen Holland bestimmt, nahmen es wie üblich mit ihren Angriffsobjekten nicht so genau. Der König beschränkte sich auf erfolglose Vorstellungen in Paris. Das Volk mußte den Schaden tragen, merkte es sich aber. — Ebendort auch Angaben über Gefechte mit Piraten in Ost- und Westindien.

[224] Nähere Angaben in de Jonge, Teil III.

[225] Geschildert nach du Sein, Bonfils und Jal: „du Quesne“, hier besonders die Expeditionen sehr genau, die dieser Admiral führte.


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Achtes Kapitel.
Der französisch-englisch-holländische Krieg von 1688–1697.

Die politischen Verhältnisse, die den Krieg herbeiführten. Der jetzt zu besprechende Seekrieg ist der Anteil, den die Kriegführung zur See an dem großen europäischen Kriege 1688–1697 — dem Pfälzischen Erbschaftskriege, auch la guerre de la Ligue d'Augsbourg oder der Orleanssche Krieg genannt — genommen hat. Die Kriegführung zur See in diesem spielt scheinbar eine untergeordnete Rolle. Wenig große Seeschlachten werden geschlagen, nur bei den Versuchen Ludwigs XIV., in England die Stuarts wieder einzusetzen. Der Einfluß der Kriegführung zur See war aber tatsächlich für den Verlauf des ganzen Krieges doch so bedeutend, daß wir ihn wohl zu den großen Seekriegen rechnen können; die eben hochgekommene französische Marine verschwindet in Folge dieses Krieges wieder auf ein halbes Jahrhundert fast ganz von dem Meere.

Mit dem Frieden von Nymwegen (1678) stand Ludwig XIV. auf der Höhe seiner Macht und nutzte sie aus. Durch die berüchtigten Reunionskammern — 1678 und 1679 von ihm in Metz, Breisach, Besançon und Tournay eingesetzt — ließ er sich alle Gebiete zusprechen, die vormals irgendwann und irgendwo mit den durch den Westfälischen oder Nymweger Frieden von Frankreich neuerworbenen Ländern zusammengehangen hatten (deshalb eben: „Wiedervereinigungs“-Kammern). Auf Grund dieser Ansprüche nahm er dann an 600 Herrschaften, Städte und Orte in Deutschland und in den spanischen Niederlanden (hier auch Luxemburg) in Besitz. Das Deutsche Reich konnte nur Einspruch dagegen erheben; hierauf antwortete Ludwig gar mit der Besetzung Straßburgs am 30. September 1681. Österreich war seit 1678 durch Empörungen in Ungarn bedrängt. Hier hatte man die Türken zu Hilfe gerufen, die bis Wien kamen (entsetzt durch Sobieski 1683); auch der Große Kurfürst ließ den Kaiser im Stich, aus Verdruß über das ihm widerfahrene Unrecht. So sah sich der Kaiser, und mit ihm Spanien und Holland, sogar gezwungen, 1684 mit Frankreich einen Waffenstillstand (Regensburg) abzuschließen, in dem die Ansprüche auf die Reunionen anerkannt[411] wurden. Ludwig behielt auch Straßburg, Luxemburg und das 1681 vom Herzog von Mantua gekaufte Casala: drei wichtige strategische Punkte für Unternehmungen nach Norden, Osten und Süden; von seiner gewalttätigen Züchtigung der kaiserlich und spanisch gesinnten Stadt Genua (1684) haben wir gehört.

Ludwig hatte sich aber durch sein Vorgehen neue Feinde geschaffen und alte Freunde entfremdet; alles sah sich geschädigt — selbst der König von Schweden im Herzogtum Zweibrücken und der Papst durch die Gründung der selbständigen französischen Kirche — oder doch bedroht. Auch seine innere Politik sollte dazu beitragen, die Machtstellung Frankreichs zu gefährden; auf diesen Punkt wird später näher eingegangen werden. Trotzdem trat er mit einer neuen Forderung hervor. Als 1685 der Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz starb, beanspruchte Ludwig die Allodialgüter der ausgestorbenen Linie; er erhob diesen Anspruch, bald auf die ganze Pfalz ausgedehnt, im Namen seiner Schwägerin Elisabeth Charlotte (Schwester des verstorbenen Kurfürsten und Gemahlin des Herzogs von Orleans).

Wenn nun aber auch die Erbitterung in allen Staaten Europas tief und allgemein war, so fehlte ihr zur Betätigung doch noch die Organisation und Leitung; auch durfte Ludwig immerhin mit einem Rückhalt an den Stuarts in England rechnen. Die Veränderung der Verhältnisse hier — die Revolution, die Wilhelm von Oraniens Thronbesteigung zur Folge hatte — sollte das Vorgehen Gesamteuropas gegen Frankreich nun beschleunigen.

Karl II. hatte immer noch genügend monarchische Gewalt gehabt, die politische und religiöse Feindschaft des englischen Volkes gegen Frankreich einzudämmen. Er starb 1685. Sein Nachfolger Jakob II. schloß sich nun noch enger an Ludwig an und ließ sich durch seinen katholischen Glaubenseifer zu Handlungen hinreißen, die das Volk dahin brachten, des Königs protestantische Tochter Maria (Gemahlin Wilhelms von Oranien; dieser selbst Enkel Karls I. von mütterlicher Seite) für den Thron ins Auge zu fassen.

Wilhelm von Oranien war von seinem ersten Auftreten an vor die Aufgabe gestellt, den Eroberungsplänen Ludwigs entgegenzutreten; er blieb ihr bis zu seinem Tode treu. Von einer Besteigung des englischen Thrones erhoffte er nicht nur eine Erhöhung seiner Stellung, sondern auch die Erfüllung seines glühendsten politischen Wunsches, die Macht des französischen Königs zu brechen. Er wurde die Seele der gärenden Bewegung in Europa. Zunächst versöhnte er Brandenburg mit dem Kaiser und mit Schweden, Holland mit Spanien und brachte ein Bündnis dieser Staaten zustande, dem die meisten deutschen Fürsten beitraten (den Augsburger Bund, Juli 1686).

Während dieser diplomatischen Schachzüge fand von seiten Hollands und Frankreichs eine Flottendemonstration statt. Ludwig versuchte Dänemark an sich zu ziehen, den einzigen Staat, der von ihm nicht geschädigt war. Dadurch entstand (1683) eine Spannung zwischen Dänemark und Schweden; jenes rüstete zu Lande und zu Wasser mit französischer Unterstützung und näherte sich Brandenburg, das noch nicht mit dem Kaiser versöhnt war. Nun beschloß Holland die Sendung einer Flotte von 24 Linienschiffen nach der Ostsee zum Schutze seines Handels, aber auch gegebenen[412] Falles zur Unterstützung Schwedens, oder gar um Truppen nach Deutschland zu führen. Frankreich kam ihm zuvor, Juni 1683 traf ein Geschwader von 13 Linienschiffen zum Schutze Dänemarks in Kopenhagen ein. Die holländische Flotte ging im August in See, kreuzte in der Nordsee und erreichte erst Ende Oktober Gothenburg; die öffentliche Meinung in Holland billigte aus Furcht vor Frankreich den Schritt nicht. Da sich die Verhältnisse zwischen Dänemark und Schweden friedlicher gestaltet hatten, ging das französische Geschwader schon im September in die Heimat zurück; auf die Kunde hiervon kehrten auch die Holländer heim.

Vorläufig war es nur ein Defensivbündnis und noch nicht stark genug zum Handeln. Noch war Österreich nicht frei im Osten, wenn es auch 1683 die Türken in Ungarn in die Defensive gedrängt und immer weitere Erfolge gehabt hatte (Ofen erobert, September 1686). Noch fehlte es an Geld, die Niederlande waren trotz Oraniens Wunsch nicht willens, wieder den Bankier für einen Staatenbund abzugeben; sie waren auch noch nicht geneigt, Oraniens Absichten auf England mit Schiffen und Geld zu unterstützen, weil sie wußten, daß dies sofort einen Krieg mit Frankreich herbeiführen würde; Oranien selbst war auch wohl seiner Sache dort noch nicht sicher genug. Neue Ereignisse brachten die Angelegenheit in Gang.

Im November 1687 nahm Ludwig die Handelszugeständnisse zurück, die er im Frieden von Nymwegen den Holländern gemacht hatte, und drohte dadurch ihren Handel schwer zu schädigen.

Nun schlug die Stimmung in den Niederlanden um; es gelang Oranien mit Hilfe einiger vertrauter Staatsmänner, sich die Bereitschaft von Kriegsschiffen für das kommende Jahr zu sichern sowie Gelder zum Mieten von Truppen und Transportern zu verschaffen; beides geheim und unter anderen Vorwänden.

Im Juni 1688 wurde in England ein Thronfolger geboren. Die Furcht, das katholische Königstum auch nach Jakob II. fortgesetzt zu sehen, brachte die englische Nation fast allgemein dazu, jetzt Maria und Wilhelm wirklich herbeizurufen. In Köln starb 1688 der Kurfürst. Die französische Partei wählte den französisch gesinnten Wilhelm von Fürstenberg; Kaiser und Reich (auch der Papst) erkannten ihn nicht an, französische Truppen setzten ihn ein und beschützten ihn in Bonn, während Köln ihm die Tore verschloß und mit Hilfe Brandenburgs entgegentrat. So war ein erster Zusammenstoß da und Ludwig erachtete überhaupt die Zeit für den Angriff seinerseits gekommen, ehe der Augsburger Bund völlig kampfbereit sein würde und einen tatkräftigen Führer erhielte. Österreich hatte 1687 neue Erfolge gegen die Türken errungen (Sieg bei Mohacs) und Ungarn wieder ganz unterworfen, konnte also bald seine volle Kraft nach Westen verwenden; anderseits wußte Ludwig Oranien zur Zeit in erster Linie mit seinen englischen Plänen beschäftigt.

Ludwig erklärte deshalb am 24. September 1688 den Krieg an Deutschland und fiel sofort in die Rheinlande ein. Diese Gelegenheit benutzte wieder Oranien, seinen Übergang nach England auszuführen; die Vorbereitungen waren nahezu vollendet, die Niederlande stimmten jetzt auch offiziell zu, die Ausführung wurde allerdings durch[413] Wetterverhältnisse verzögert. Er landete am 15. November bei Torbay und trat dann, sobald er schnell und unblutig festen Fuß gefaßt hatte (18. Februar 1689 wurden Wilhelm III. und Maria zu gleichem Recht auf den für erledigt erklärten Thron erhoben; Jakob floh nach Frankreich), auch für England dem Augsburger Bunde bei; an Holland hatte Ludwig den Krieg erklärt, als er von dem Zuge Oraniens Kenntnis erhielt. Durch Englands und endlich Savoyens Beitritt wurde der Bund zur großen Wiener Allianz von 1689 erweitert.

Ein französischer Autor sagt zutreffend: „Die Revolution in England führte den Krieg von 1688 herbei und dieser Krieg ermöglichte wiederum die englische Revolution.“

So mußte Frankreich gegen ganz Europa einen Krieg ohne einen einzigen Bundesgenossen führen, und es war eingetreten, was seine Politik sonst stets gefürchtet und deshalb bisher verhütet hatte: die Seemächte England und Holland waren verbündet. Sie waren sogar unter demselben Herrscher vereinigt.

Diese letzte Tatsache war die Folge kaum begreiflicher Fehler der Könige Ludwig und Jakob: Ludwig hatte Jakob unablässig und dringend vor den Plänen Oraniens gewarnt und ihm Unterstützung durch Truppen, Geld und Schiffe angeboten. Der englische König schlug alles ab, entweder weil er seiner Flotte unbedingt traute (hiervon später) oder weil er fürchtete, daß bei der Stimmung des englischen Volkes das Eingreifen der Franzosen eine Katastrophe beschleunigen würde. Vielleicht trat eine Unterschätzung der Gefahr hinzu, um so mehr, da ein früherer Versuch gegen seinen Thron leicht niedergeschlagen worden war.

(1685 hatten der Herzog von Monmouth und der Graf von Argyll einen Versuch gemacht, Aufstände in England und Schottland zu erregen. Sie landeten von Holland aus mit einigen wenigen Schiffen und Truppen in Dorsetshire und an der Westküste Schottlands, wurden jedoch beide bald überwältigt und hingerichtet.)

Aber auch Ludwig scheint bei der Hartnäckigkeit, mit der er seine Ziele auf dem Festlande im Auge hatte, diesen Umstand nicht genügend gewürdigt zu haben. Er begann einen schweren Krieg im Osten und bedachte dabei nicht, daß die im Herzen feindliche englische Nation in seiner Flanke darauf brannte, in den Kampf gegen ihn einzutreten, und hierzu nur eines Führers bedurfte. Wenn er Holland zu Lande angriff und seine Flotte — zu dieser Zeit selbst der vereinten englischen und holländischen überlegen — in den Kanal schickte, so konnte er Oranien in den Niederlanden festhalten; wenn dies rechtzeitig geschah, so wäre auch vielleicht das Verhalten der englischen Flotte ein anderes gewesen. Während der Vorbereitungen zu Oraniens Expedition und während der späteren Verzögerung ihres Abganges bestürmten der französische Gesandte im Haag und der Marineminister Seignelay den König, die Flotte auslaufen zu lassen, aber vergeblich. (Des Kriegsministers Louvois Einfluß gegenüber dem Seignelays'?)

Allgemeiner Verlauf des Pfälzischen Erbschaftskrieges und Kennzeichnung der Kriegführung zur See in diesem. Wenn der Kampf zur See scheinbar nur eine untergeordnete Rolle spielt und ihm deshalb auch in den meisten Geschichtswerken (selbst seekriegsgeschichtlichen) nur eine dementsprechende Beachtung geschenkt wird, so hat dies seinen Grund darin, weil nur wenige große Seeschlachten auf einem Nebenkriegsschauplatze geschlagen werden. Der Landkrieg und der Seekrieg stehen nur wenig im Zusammenhange, besonders nicht in den Jahren, in denen der Landkrieg am erbittertsten geführt[414] wurde; nur im Kampfe um Irland und gegen Ende um Katalonien greifen sie ineinander ein. So genügt es denn, von dem Verlaufe des großen europäischen Landkrieges hier nachstehende kurze Zusammenfassung zu geben und auch später nur andeutend auf ihn zurückzukommen.

Die Schauplätze des Landkrieges waren die spanischen Niederlande, der Unterrhein, die Pfalz, Savoyen (Piemont) und Spanien (bes. Katalonien); Irland trat durch den Einfall Jakobs II. dort hinzu. Wie im vorigen Kriege waren die Waffen Frankreichs im allgemeinen glücklich: Ludwig gebot über tüchtige, von Condé und Turenne erzogene Generale, über eine gute und einheitliche Armee von 150000 Mann; Vauban hatte Frankreich — in dessen Besitz überall wichtige Stützpunkte und Waffenplätze übergegangen waren — zu einem verschanzten Lager gemacht.

Am Oberrhein erfolgte die furchtbare Verwüstung der Pfalz im Herbst 1688 und Frühjahr 1689 unter Melac, wobei Speier, Worms, Heidelberg, Mannheim und Hunderte von kleinen Orten verbrannt wurden. Ein ernster Widerstand war nicht möglich: Bayern zeigte sich lässig; der größere Teil der österreichischen Macht war noch in Ungarn beschäftigt; den Verbündeten mangelte das Zusammenwirken, da der österreichische Führer (Caprara) mit dem brandenburgischen (Schöning) stets im Streite lag und der holländische (Waldeck) sich unfähig erwies. 1689 gelang es nur, Mainz wieder zu erobern (Sachsen und Bayern) und die Franzosen mit dem von ihnen eingesetzten Kurfürsten aus dem Kölnischen zu vertreiben. Sonst drangen die Franzosen weiter vor bis Frankfurt, Rothenburg, Göppingen und Ulm, welche Plätze sich hielten; selbst von Bamberg, Nürnberg und Würzburg wurde mit Erfolg Kontribution gefordert, und in Stuttgart ließ die Regierung den Feind hinein; Melac wollte auch diese Stadt verbrennen, wurde aber durch Karl von Baden mit schwäbischen Kreistruppen und aufgestandenen Bauern aus Schwaben vertrieben. 1690 wurde auch Waldeck (Holländer, Spanier, Reichstruppen) bei Fleurus vom Marschall Luxembourg geschlagen und die Franzosen errangen Erfolge in Piemont und an der spanischen Grenze.

Die Seele des Bundes, Oranien, war bisher noch in England unabkömmlich gewesen. Jakob II. war im März 1689 in Irland gelandet, von Frankreich unterstützt und gedeckt durch eine französische Flotte (Seegefecht vor Bantrybay). Mit Ausnahme des vorwiegend protestantischen Ulster fiel ihm ganz Irland zu. Oranien aber gelang es, trotz der französischen Flotte Truppen hinüberzuschaffen und im Juni 1690 selbst hinüberzugehen, Jakob schließlich in der Schlacht am Boyne (11. Juli 1690) völlig zu schlagen und aufs neue zur Flucht nach Frankreich zu zwingen; Oraniens Herrschaft war von diesem Zeitpunkt an als gesichert anzusehen. Selbst der Seesieg der Franzosen bei Beachyhead (10. Juli 1690), in dem die vereinigte englisch-holländische Flotte für dieses Jahr vollständig außer Gefecht gesetzt wurde, konnte Jakobs Sache nicht mehr retten; schwache Versuche der französischen Flotte, nach ihrem Siege an der englischen Küste aufzutreten, blieben erfolglos.

Das Jahr 1691 brachte auf dem Festland einen Stillstand der französischen Erfolge, auch ein Zurückgehen der Franzosen am Oberrhein. Oranien erschien eben nun mit einem Hilfskorps in Holland und, was vielleicht noch mehr Einfluß hatte, Louvois starb. Dieser Stillstand war aber nur von kurzer Dauer; Oranien mußte bald nach England zurück und sofort errang Luxembourg Vorteile über Waldeck (z. B. Sieg bei Leuze im Hennegau, September 1691) und im Jahre 1692 eröffnete Ludwig den Feldzug wieder mit äußerster Energie.

Es wurde eine große Landung in England geplant — ein letzter mächtiger Versuch im Interesse Jakobs — und zugleich auf dem Festlande überall kräftig vorgestoßen. Gegen Holland zog der König selbst, unter ihm Vauban und Luxembourg; hierher war Oranien Anfang des Jahres mit neuen Truppen zurückgekehrt, er war jedoch nicht glücklich im Felde. Namur wurde genommen (Vauban gegen Coehoorn, die beiden berühmten[415] Ingenieure), Oranien selbst mit einem 75000 Mann starken spanisch-holländisch-deutschen Heere bei Steenkirchen von Luxembourg, wenn nicht geschlagen, so doch unter starkem Verluste aufgehalten. Catinat drang siegreich in Piemont (Schlacht bei Marsaille in der Nähe Turins), Noailles in Spanien (Schlacht am Terr) vor; auf beiden Flügeln so im Vorteil, brachen die Franzosen in der Mitte wieder in Deutschland den Neckar entlang ein. Auch 1693 konnten die Franzosen noch Erfolge verzeichnen: Im Juli siegte Luxembourg nochmals bei Neerwinden über Oranien, dieser jedoch behauptete stets mit Hartnäckigkeit und Ausdauer das Feld; am Oberrhein erfolgten neue Raubzüge, ungestraft wegen Uneinigkeit der gegnerischen Führer; aber auch hier setzte Ludwig von Baden, als kaiserlicher Feldherr jetzt, in einer Verteidigungsstellung bei Heilbronn dem Vordringen eine Grenze.

Dagegen hatte der Plan einer Invasion in England mit einer völligen Niederlage der Franzosen (Seeschlacht bei Barfleur und La Hogue, 29. Mai 1692, und die nächsten Tage) geendet. Der Seekrieg hatte bis dahin mit dem Landkriege auf dem Festland in keinem Zusammenhang gestanden. Die französische Flotte war verwendet zur Unterstützung des Aufruhrs in Irland und zu Versuchen, England anzugreifen; die Seestreitkräfte der Verbündeten zur Abwehr. Jetzt verschwand die französische Flotte als solche vom Meere. Man focht auf dem Meere in erster Linie um den Handel, und die Verbündeten versuchten daneben, von See her in den Landkrieg einzugreifen: Durch Bedrohung der französischen Küsten und durch Unterstützung der Spanier in Katalonien. Das letztere setzte den Erfolgen der Franzosen ein Ziel, als Ludwig im Jahre 1694 hier noch einmal kräftig vorstieß. Der Kampf um den Seehandel war aber von noch bedeutenderem Einfluß; besonders von Frankreich mit großem Erfolge geführt, schädigte er England und Holland sehr. Von 1694 an wurde der Krieg von beiden Seiten lauer geführt, außer der Rückeroberung Namurs 1695 durch Oranien treten keine Ereignisse von Bedeutung mehr ein; auf beiden Seiten wünschte man den Frieden. Ludwig gelang es schon 1696, Savoyen durch Rückgabe seines ganzen Gebietes zu befriedigen und so den Bund zu schwächen. Spanien zeigte sich am hartnäckigsten, wurde aber dadurch zum Nachgeben gezwungen, daß Ludwig 1697 noch einmal ihm gegenüber Vorteile errang. Von den englisch-holländischen Seestreitkräften nicht mehr unterstützt, wurde es in die Enge getrieben (Barcelona fiel), gleichzeitig bedrohte ein französisches Geschwader seine westindischen Kolonien (Cartagena). Durch Schwedens Bemühungen trat im Mai 1697 ein erfolgreicher Friedenskongreß in Ryswijk zusammen.

Der Krieg endete mit dem Frieden von Ryswijk (20. September 1697, Spanien, Holland, England; 30. Oktober Kaiser und Reich), da beide Parteien erschöpft und des Kampfes müde waren.

In Deutschland war der gute Wille, sich der Franzosen zu erwehren, durch Neid unter den Fürsten und durch französische Umtriebe immer mehr erlahmt. England und Holland, die auf seiten der Verbündeten allein die Kosten getragen hatten, waren durch den Kreuzerkrieg schwer geschädigt worden. Sie waren unter diesen Umständen (in Holland brach 1695 gar ein Volksauflauf wegen der hohen Kriegssteuern aus) zum Frieden geneigt und rechneten wohl damit, besonders England, auch jetzt schon genügende Vorteile zu erringen. Frankreich war trotz des Reichtums, den das Land barg, erschöpft durch den Riesenkampf gegen ganz Europa, verbunden mit dem Rückgange der wirtschaftlichen Verhältnisse im Lande.

Diese Erschöpfung Frankreichs, unter der besonders auch seine Marine litt — der tatsächliche Verlust an Schiffen war keineswegs der Grund ihres schon während des Krieges eintretenden Verfalls; diese Materialeinbuße wäre leicht[416] zu verschmerzen gewesen —, war eine natürliche Folge der Politik Ludwigs, seiner inneren wie seiner äußeren. Selbst die ungeheuern Opfer, die der Riesenkampf forderte, hätte das an sich sehr reiche Land wohl tragen können, wenn Colberts Pläne voll verwirklicht wären und Zeit gehabt hätten, genügend zu wirken. Colberts Reformen (vgl. Seite 315 „Colberts Tätigkeit“) hatten bis zum Jahre 1672 schon großen Erfolg gehabt. Die Produktion auf landwirtschaftlichem und industriellem Gebiet hatte zugenommen, die westindischen Kolonien blühten auf, der Seehandel hatte sich verdoppelt; der allgemeine Wohlstand war gewachsen. Frankreich, das bei Ludwigs Thronbesteigung unter Schulden und Unordnung seiner Finanzen litt, erfreute sich bei Ausbruch des Krieges 1672 gerade geordneter Verhältnisse.

Der sechs Jahre dauernde Krieg untergrub aber schon die von Colbert geschaffene Grundlage: Die ackerbauende Bevölkerung, die Industrie, Handel und Kolonien wurden durch ihn zu lange lahm gelegt; die ungeheuren Kosten erschütterten die Ordnung in den Staatsfinanzen, nur mühsam konnte Colbert diese von nun an noch aufrecht erhalten. Beim Frieden von Nymwegen wäre es wohl noch wieder gut zu machen gewesen, aber wie erwähnt, wurden nur Bedingungen durchgesetzt, die zwar vorteilhaft für Landzuwachs, aber nicht für Hebung der Produktion und des Handels waren. Nach Colberts Tode wurden seine Wege ganz verlassen und an die Stelle der produktiven Wohlfahrtspolitik trat immer mehr ein nur nach Steuerkraft ringendes Verfahren. Auch durch sein Vorgehen gegen die Hugenotten (Dragonaden 1683; Aufhebung des Edikts von Nantes 1685) hatte Ludwig die Produktionskraft des Landes geschädigt, indem er ein Element geistiger und wirtschaftlicher Kraft zerstörte.

Die Feindschaft mit ganz Europa schloß nun von 1688 an auf lange Jahre Frankreich zu Lande und zu Wasser von dem Verkehr mit allen anderen Völkern ab und kein Land kann sich auf die Dauer aus sich allein heraus gedeihlich erhalten; nicht ohne Grund hatten Richelieu und Colbert eine eigene Macht zur See und ein freundschaftliches Verhältnis mit Holland angestrebt. Ludwig verwarf dieses mächtige Hilfsmittel im stolzen Vertrauen auf seine Stärke und auf seine unumschränkte Herrschaft im Lande.

In diesem Kriege rechtfertigte Frankreich noch dieses Vertrauen durch seine, im ganzen genommen, standhafte Haltung ganz Europa gegenüber. Es machte im Felde zwar keine dauernden Fortschritte, wich aber auch nicht zurück; die Friedensbedingungen fielen aber doch schon recht nachteilig aus. Im bald folgenden nächsten Kriege aber war wohl noch dieselbe Tatkraft, jedoch nicht mehr die nötige Lebenskraft vorhanden; Frankreich wurde überall zurückgeschlagen und an den Rand des Verderbens gebracht.

Die Bedingungen des Friedens — zum ersten Male in französischer, nicht wie bisher in lateinischer Sprache abgeschlossen — waren für Ludwig XIV. ungünstig: Frankreich verlor fast alles, was es im Frieden von Nymwegen gewonnen, was es in den Friedensjahren sich angeeignet oder in den Kriegsjahren erobert hatte; nur die Reunionen im Elsaß sowie Straßburg blieben in seiner Hand. Es erkannte Oranien als König von England an und gewährte den beiden Seenationen Handelsvorteile, die dem Gedeihen der eignen Seemacht höchst nachteilig waren.

Vergegenwärtigen wir uns nun nach der kurzen Zusammenfassung des Gesamtkrieges die Beteiligung der Seestreitkräfte an ihm und damit den Einfluß der Seemacht[226], um an der Hand dieser Betrachtung später die kriegerischen Ereignisse zur See der Zeit nach zu besprechen.

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Zuerst fanden die Flotten Verwendung in den Kämpfen, die die englische Revolution hervorrief: Mit Hilfe der holländischen Flotte ging Oranien nach England hinüber, unterstützt durch die französische Marine fiel Jakob in Irland ein; die Flotten beider Parteien mußten dann ihre Armeen auf dieser Insel unterstützen. 1690 versucht die französische Flotte, dem bis dahin erfolgreichen Unternehmen Jakobs in Irland durch einen mächtigen Schlag gegen die Hauptmacht der englisch-französischen Seestreitkräfte auch in England eine günstige Wendung zu geben, jedoch ohne Erfolg; der ähnliche Versuch 1692 — eine Landung in England — endet mit der Niederlage der französischen Flotte.

Nach dieser Niederlage gibt Frankreich den Seekrieg mit Flotten ganz auf und verlegt sich auf den Kreuzerkrieg in großem Maßstabe, den es schon 1691, noch auf die Flotte gestützt, begonnen hatte. Es fügt dem Handel der Gegner andauernd solchen Schaden zu, daß diese zum Frieden geneigt werden. Anderseits schließen aber auch die Verbündeten die Franzosen vom Seehandel ab und greifen mit starken Flotten in den Landkrieg ein; in Spanien mit Erfolg. Endlich gegen Ende des Krieges trägt das Auftreten französischer Seestreitkräfte gegen Spanien zur Beschleunigung des Friedensschlusses bei.

Die Kriegführung zur See zeigt sich also in diesem Kriege doch recht einflußreich, ja, sogar mitentscheidend. Die Beschreibung des Seekrieges und die sich daranschließenden Betrachtungen werden lehren, daß dieser Einfluß noch weit bedeutender hätte sein können, wenn nicht auf beiden Seiten Fehler in der Verwendung der Seestreitkräfte gemacht wären und wenn nicht diese selbst, ebenfalls auf beiden Seiten, in ihrer Leistungsfähigkeit zu wünschen übrig gelassen hätten. Ganz besonders lehrreich ist aber dieser Krieg auch durch die Folgerungen, die man aus ihm über den Kreuzerkrieg ziehen kann.

Über die Streitmittel (anschließend an Seite 312 ff.).

In England hatte der König Karl II. 1678 die Verwaltung der Marine in die Hand einer Kommission gelegt (an ihrer Spitze stand Prinz Rupert), deren Macht jedoch sehr durch den Einfluß des Königs eingeschränkt war; die schon erwähnten Mißstände — Lockerung der Disziplin, Verminderung und Verwahrlosung des Materials — erreichten eine solche Höhe in den nächsten 5 Jahren, daß ein englischer Autor (Campbell) sagt: „Wenn diese Zustände noch weitere 5 Jahre gedauert hätten, so würde die Marine so weit heruntergebracht sein, daß weitere Fehler in ihrer Verwaltung nicht mehr begangen werden konnten.“ Dies sah schon Karl II. 1684 und griff bessernd ein; nach seinem Tode (1685) setzte Jakob II. das Werk fort. Selbst hervorragender Seemann, war dieser sein eigener Marineminister; er erreichte, daß bei Ausbruch des Krieges 1688 wenigstens reichliches Material vorhanden war. Er sollte aber für seine Person keinen Nutzen daraus ziehen, da die Flotte ihn verließ. Mitte Dezember 1688 stand die ganze Marine Wilhelm von Oranien zur Verfügung.

[418]

Clowes sagt: „Jakob II. war gegen Ende seiner Regierung als tüchtiger Seemann wohl noch populär in der Marine, erfreute sich aber als König nur geringer Loyalität. Die Marine als Ganzes war sehr antikatholisch und nun machte der König, als Oraniens Einfall drohte, im Juni 1688 einen Katholiken — Sir Roger Strickland — zum Befehlshaber der Flotte; er sandte auch Priester an Bord, um Messe lesen zu lassen; diese entgingen nur mit knapper Not körperlichen Mißhandlungen. Es war kein Ersatz an Mannschaften zu erhalten, da niemand für die katholische Sache fechten wollte. Im September wurde ein anderer Chef ernannt — der Earl of Dartmouth; es war zu spät, das Mißtrauen war zu weit eingerissen, der Einfluß der mit der Revolution einverstandenen Offiziere war zu groß geworden: „Cabals in every fore-castle; political meetings in every cabin.“ Es ist fraglich, ob auch nur ein Drittel der Besatzungen, wenn vor die Frage gestellt, gefochten haben würde.“

Admiral Herbert (später Earl of Torrington) und Kapitän Russell (später Admiral Earl of Oxford) gehörten zu den Hauptparteigängern Oraniens; dieser war unter den Abgeordneten, die Oranien herbeiriefen, jener befehligte zu Wasser dessen Expedition.

Der Schiffsbestand[227] war (vgl. genauer Seite 177):

Schiffe: Klasse I. II. III. IV. V. VI. Brander Mörserboote
Kanonen: 96–100 80–90 60–74 40–54 28–32 16–20    
Anzahl: 9 11 39 40 2(12?) 6 26 3

Es würden dies also etwa 100 Schlachtschiffe (über 40 Kanonen) sein. In den während des Krieges aufgestellten Schlachtflotten werden wir aber keine Schiffe unter 50 Kanonen finden, auch bei den Holländern nur wenige; das Linienschiff rechnet also tatsächlich von 50 Kanonen ab. Selbst die Schiffe von 50–60 Kanonen sind schwach vertreten, sie erscheinen ebenso spärlich wie im vorigen Kriege die 40–50 Kanonenschiffe. Die Hauptkraft der Flotten liegt in 70 Kanonenschiffen und auch die noch schwereren sind vermehrt. Vergleichen wir z. B. den Bestand von Solebay 1672 = 8 zu 80 Kanonen und darüber, 11 zu 60–80 Kanonen und den von Barfleur 1692 = 19 zu 80 Kanonen und darüber, 31 zu 60–80 Kanonen.

Aus der letzten Angabe sehen wir auch, daß 1692 fast alle Linienschiffe über 60 Kanonen bei der Hauptflotte waren, und so war es in den meisten Kriegsjahren der Fall. Auch von den kleineren Linienschiffen (40–60 Kanonen) und von den anderen Fahrzeugen war wohl der größte Teil im Dienst; man hatte stets kleine Geschwader in Westindien und den amerikanischen Gewässern, mit den Holländern vereint ein Geschwader vor Dünkirchen, Kreuzer im Kanal und Nordsee und endlich auch Begleitschiffe für Convois (hiervon wohl eine große Zahl, wie genauere Angaben bei den Holländern zeigen werden). Die Armierung der Schiffe ist früher (Tabelle Seite 170) für 1677 gegeben, vielleicht ist bei der jetzt gebräuchlichsten Schiffsklasse die für 1719 mitgeteilte schon mehr entsprechend. Die Mörserboote wurden stark vermehrt, gerade in diesem Kriege spielten sie eine große Rolle.

Wilhelm III. übergab die Verwaltung und Leitung der Marine — die Geschäfte des Lordhighadmiral — wieder einer Kommission, wie es schon[419] sehr früh 1638, dann unter der Republik und endlich, eben gesagt, unter Jakob II. geschehen war. So entstand die Admiralität mit dem „Ersten Lord“ an der Spitze (der Marineminister) und diese hat seitdem — mit kurzer Unterbrechung unter Königin Anna — fortbestanden. (Von 1696 an erscheint auch fortdauernd der Admiral of the Fleet.) Die Mißstände in der Verwaltung dauerten aber noch länger fort, gerade in diesem Kriege werden wir oft von verzögerter und mangelhafter Ausrüstung der Schiffe hören. Auch in einer anderen Hinsicht lagen die Verhältnisse ungünstig. Wohl weil die innere politische Lage im Lande noch nicht geklärt war, die neue Regierung noch keineswegs feststand, scheint vielfach Mißtrauen in Hinsicht auf Zuverlässigkeit und guten Willen mancher höheren Offiziere geherrscht zu haben. Wir werden sehen, daß Frankreich mit solcher Unzuverlässigkeit rechnete, daß von holländischer Seite die Schuld an Verzögerungen militärischer Operationen dem Einfluß englischer Führer zugeschoben wird; auffallend ist es jedenfalls, wie häufig man einen Wechsel im Oberkommando eintreten ließ — zweimal wird es sogar wieder in die Hände dreier Admirale gleichzeitig gelegt —, wie sehr der jeweilige Chef abhängig von Befehlen der Admiralität war und scheinbar nicht wagte, nach eigener Ansicht zu handeln: Mißerfolge konnten ihn verdächtig machen.

Es ist nicht zu verwundern, daß unter der Einwirkung dieser Umstände die englische Marine in diesem Kriege nicht das leistete, was man bei ihrer Stärke hätte erwarten müssen.

Man liest wohl, daß die holländische Marine[228] von Wilhelm von Oranien vernachlässigt sei, namentlich nachdem dieser den englischen Thron bestiegen habe; es wird sogar angedeutet, daß dies nicht nur geschehen, weil er mehr Interesse für den Landkrieg und somit für das Heer gehabt habe, sondern auch — eben später als König von England — um diesen Nebenbuhler der englischen Marine zu schwächen; man kann aber diese Behauptung nicht anerkennen. In Holland wurden während des jetzt zu besprechenden Krieges recht bedeutende Anstrengungen gemacht, die Seestreitkräfte mächtig zu erhalten, und diese sind sämtlich der Anregung und Einwirkung Oraniens zuzuschreiben. In den ersten Jahren nach dem Frieden von Nymwegen wurde allerdings wenig getan, die Schiffe, namentlich die schweren, in gutem Zustande zu erhalten oder für Ersatz zu sorgen; doch haben wir stets gesehen, daß man in dieser Hinsicht nicht sehr vorsorglich war, wenn die Gefahr vorüber; bei der Erschöpfung des Landes und den Schulden der Admiralitäten nach dem letzten Kriege kann es besonders dieses Mal nicht wundernehmen. Aber schon von 1680 an setzte Oranien seinen Einfluß ein, um die Flotte wieder herzustellen; vielleicht bewogen ihn gerade seine Pläne auf England hierzu.

1682 brachte er den Beschluß durch, 36 Linienschiffe in zwei Raten zu bauen, von denen auch sofort die erste Hälfte auf Stapel gelegt wurde (die zweite Rate folgte erst 1688), und 1685 brachte auf sein Drängen eine[420] Kommission von Abgeordneten der Generalstaaten und der Admiralitäten den Antrag ein, den Gesamtbestand auf 96 Linienschiffe — 20 I. Klasse (80–96 Kanonen), 28 II. Klasse (70–74 Kanonen), 24 III. Klasse (60–68 Kanonen), 24 IV. Klasse (50–54 Kanonen) — und 90 Fregatten usw. (14 bis 44 Kanonen) zu bringen und zu erhalten; hiervon waren zur Zeit nur 50 und 32 vorhanden. Wenn dieser Antrag auch nicht durchging, so wurden doch bis 1692 41 Linienschiffe (über 50 Kanonen), darunter besonders zunächst viele der schwereren, und 31 Fregatten usw. gebaut, so daß in diesem Jahre die geplante Stärke fast erreicht war, obgleich inzwischen schon Verluste eingetreten waren; während der weiteren Kriegsjahre kamen noch gegen 20 Linienschiffe zum Bau.[229]

Im ganzen sind unter Oranien von 1683–1701 93 Linienschiffe (I. Klasse = 15 zu 90–96 Kanonen; 2 zu 80–86 Kanonen; 21 II. Klasse; 29 III. Klasse; 26 IV. Klasse und hiervon 40 allein in Amsterdam, in Friesland nur 4, in den 3 anderen Admiralitäten je 14–18) und 65 leichtere Schiffe (meist zu 30–46 Kanonen) fertiggestellt — diese mit den gewöhnlichen Mitteln der Admiralitäten, für die Linienschiffe hatte Oranien außergewöhnliche Gelder beschafft — und zwar besonders seit 1688, also während des langdauernden kostspieligen Krieges.

Es ist anzumerken: Der holländische Schiffbau, der in früheren Zeiten als Muster für die übrigen Nationen dastand, hatte sich nur wenig weiter entwickelt. In England und namentlich in Frankreich wurde dieser mehr und mehr als Kunst, auf Erfahrung und Theorie gestützt, betrieben, in Holland baute man handwerksmäßig nach altem Brauche weiter; die Schiffe besaßen infolgedessen weniger gute See- und Segeleigenschaften, was sich z. B. besonders den Dünkirchenern gegenüber zeigte. Beweise hierfür findet man: in den Berichten der Admirale; in dem Umstande, daß erwogen wurde, aus England einen Chef des Schiffbauwesens kommen zu lassen (der Vorschlag scheiterte am holländischen Nationalstolz); in dem späteren Ausspruch Peters des Großen, daß er Holland verlassen habe, da hier der Schiffbau nicht auf der Höhe stehe. Im übrigen wurden unter Oranien sonst Hafen- und Werftanlagen erweitert und verbessert.

In betreff der Armierung der Schiffe ist schon öfters erwähnt, daß sie in den Kalibern hinter England und auch Frankreich zurückstand; für die Zeit von 1690–1697 liegen Angaben vor, die dies im Vergleich mit genannten Marinen (Tabelle Seite 170) auffallend zeigen.

De Jonge, Teil III, Beilage X (dort genauer): Es führten

Ein Seeländer 94 K.-Schiff = 28:24-Pfdr.; 30:18-Pfdr.; 6:12-Pfdr.; 22:8-Pfdr.; 8:6-Pfdr.
Ein Maas 90 K.-Schiff = 12:36-Pfdr.; 18:24-Pfdr.; 30:18-Pfdr.; 24:6-Pfdr.; 4:4-Pfdr.
Ein Maas 84 K.-Schiff = 28:24-Pfdr.; 28:18-Pfdr.; 22:6-Pfdr.; 6:4-Pfdr.
Ein — 74 K.-Schiff = 14:24-Pfdr.; 12:18-Pfdr.; 26:12-Pfdr.; 10:6-Pfdr.; 10:4-Pfdr.

36-Pfdr. scheinen nur die Schiffe der Maas gehabt zu haben, bei Amsterdam wahrscheinlich nicht, bei den anderen Admiralitäten sicher nicht; bei letzteren führten die 80 Kanonen-Schiffe an Stelle der 24-Pfdr. nur 18-Pfdr.

Im Jahre 1695 wurden auch in Holland die neuaufgekommenen seefähigen Mörserboote gebaut (10 oder 12).

Holland hat in diesem Kriege auch noch stets zu der englisch-holländischen Hauptflotte sein vertragsmäßiges Kontingent gestellt (etwa 30[421] Linienschiffe = 3/8:5/8) und dazu traten stets ein Geschwader vor Dünkirchen, Kreuzer im Kanal und Nordsee (alles Linienschiffe von 40–50 Kanonen, einige von 50–60 Kanonen) sowie 30–35 Convoi-Begleitschiffe (20–50 Kanonen, meist 30–40 Kanonen).

1690 fehlten bei der Hauptflotte in der Schlacht bei Beachyhead etwa 10 Linienschiffe — sie waren, wie auch in England, nicht fertig und traten erst später hinzu —, es waren aber 10 im Mittelmeer. 1692: bei La Hogue waren 29 Linienschiffe, darunter 8 über 80 Kanonen. 1693: 29 Linienschiffe bei der Flotte, 9 über 80 Kanonen; 6 im Mittelmeer; 14 vor Dünkirchen usw. 1694: Gesamt 49, 11 über 80 Kanonen; 1695: 43; 1696: 40 Linienschiffe. Also waren meistens 45–50 Linienschiffe über 50 Kanonen im Jahre im Dienst.

Es muß schließlich erwähnt werden, daß in diesem Kriege zwar wiederum in einzelnen Jahren Verzögerungen bei der Ausrüstung der Schiffe eintraten (Geldmangel bei den Admiralitäten), daß aber über die Ausführung nicht geklagt wird wie zu Ende des vorigen Krieges; wenn die verbündete Flotte durch mangelhaften Zustand der Schiffe gelähmt wurde, scheint es stets an den englischen gelegen zu haben; auch waren die Holländer in der Innehaltung des Termins für die Aufstellung der Jahresflotte pünktlicher.

Was das Personal anbetrifft, so verfügte die holländische Marine über tüchtige Admirale aus der Schule Ruyters, wie z. B. Almonde, Callenburgh, Evertsen (der „Jüngste“); sie traten nicht so hervor, da die Holländer dem Vertrage gemäß stets unter englischem Oberbefehl fochten. In der inneren Organisation waren durch Oraniens Einfluß verschiedene Einrichtungen verbessert und erweitert, die den Geist des Personals heben sollten: Vermehrung der Kapitäne und Offiziere auf Halbsold, um immer unabhängiger von Aushilfskräften zu werden; überetatsmäßige Kommandierung dieser an Bord, um sie in Übung zu erhalten; Instruktionen für Dienstbetrieb und Disziplin, für Verpflegung und Gesundheitspflege. Die Bemannungsfrage war wieder schwierig: der Krieg war nicht so volkstümlich wie der gegen England; Seefahrt und Fischerei wurden im allgemeinen nicht eingestellt, man wollte die Einkünfte daraus nicht verlieren und fürchtete bei der langen Dauer des Krieges, der Handel würde in andere Hände übergehen; die Freibeuterei lockte mehr durch freieres Leben und größeren Gewinn; der Zudrang aus Schweden und Dänemark fiel aus, da auch hier infolge eines drohenden Zusammenstoßes größere Flotten in Dienst gehalten wurden, Fremde kamen nur noch zahlreich von Bremen und Hamburg. Ähnliche Maßnahmen wie früher wurden ergriffen: Zeitweises Verbot der Schiffahrt, wenn die Flotte in Dienst gestellt wurde, oder Verpflichtung der Rhedereien, Leute zu stellen. Der Versuch, ein festes Matrosenkorps zu gründen (1688 etwa 7000 Mann), scheiterte an der Abneigung der seemännischen Bevölkerung, doch gelang es meist, schon im Winter, wenn die Schiffahrt daniederlag — und die Matrosen der Kauffahrer oder der vorjährigen Flotte ihr Erspartes nach Seemannsart bald verjubelt hatten —, eine Reserve von etwa 9000 Mann für das nächste Frühjahr anzuwerben. So wurde der Bedarf, 16–18000 Mann in einigen[422] Jahren 20000, stets gedeckt, man findet keine Klagen hierüber und das holländische Personal errang in diesem Kriege mehrfach das Lob Oraniens.

Das in den beiden letzten Kriegen vorhandene Seesoldatenkorps war wieder aufgelöst, obgleich es sich so gut bewährt hatte. Da die Seeoffiziere besonders den Verlust des gut geschulten Gewehrfeuers bedauerten, sicherte sich die Admiralität von Amsterdam einige Kompagnien der Landtruppen dieser Provinz zur Einschiffung.

So kann man wohl nicht sagen, daß die holländische Marine schon unter Oranien vernachlässigt sei, um so weniger, wenn man die doch schon beginnende Erschöpfung des Landes in Betracht zieht. Auch wenn der König in England war, verhandelte er eifrig — auch mündlich — mit den Vertrauten, die jetzt die Seele des Seewesens in Holland waren: Der Ratspensionär von Holland, Heinsius (vor ihm Fagel, der unmittelbare Nachfolger de Witts), und der Sekretär der Admiralität Amsterdam, de Wildt; dieser war Vertreter des Statthalters im Seewesen, ein Generalleutnantadmiral wurde nach Tromps Tode nicht wieder ernannt.

Daß die Ansicht (sogar durch holländische Schriftsteller) später ausgesprochen ist, Oranien habe die Marine verfallen lassen, erklärt de Jonge mit folgenden Umständen: Mit Ruyters Tode habe Brand, dem die besten Überlieferungen der früheren Kriege zu danken („Leben Ruyters“), aufgehört zu schreiben, Archive usw. seien früher schwer zugänglich gewesen und so hätten genaue Angaben über den Umfang der Indienststellungen und über die Leistungen der Marine gefehlt. Große Ereignisse und Erfolge seien in diesem Kriege selten gewesen; England sei mehr hervorgetreten, da es die größere Zahl der Schiffe und die Oberbefehlshaber gestellt habe.

Wenn Oranien damit einverstanden war, daß Holland so eine zweite Rolle spielte, so braucht man darin allerdings noch keine böse Absicht zu erkennen. Es ist nicht auffallend, daß die Republik mehr zu dem Landkriege, der ihre Grenzen berührte, herangezogen wurde als England; hiermit aber war die jetzt einflußreiche Partei, die aristokratische, wohl sehr einverstanden; wir wissen, daß sie stets das Landheer vor der Marine begünstigte.

De Jonge hebt dann ausdrücklich hervor: Was in Marinesachen geleistet, sei nur Oranien zu verdanken, er habe stets auf noch mehr hingestrebt; wenn dieses nicht erreicht sei, so seien andere Gründe schuld gewesen. (Es sind die uns bekannten: Parteiwesen, Uneinigkeit der Provinzen, Vielköpfigkeit der Regierung; eine äußerste Anstrengung war nur zu erreichen, wenn der Republik das Feuer auf den Nägeln brannte.) Der Verfall der Marine sei erst nach Oraniens Tode eingetreten.

Wir haben die Entwicklung der französischen Marine[230] bis zum Beginn des dritten englisch-holländischen Krieges verfolgt und gesehen, wie Colbert in wenigen Jahren die Seestreitkräfte Frankreichs auf fast gleiche Höhe mit denen Englands oder Hollands brachte, wenigstens was das Material anbetrifft. In derselben Weise arbeitete er weiter.

Für das Jahr 1681 wird der Schiffsbestand auf 70 Linienschiffe über 50 Kanonen und auf 170 Segel insgesamt angegeben; unter Colbert wurden die verbesserten Mörserboote gebaut, die dann auch die anderen Marinen einführten. Mit du Quesne wirkte er für die Ausbildung und Disziplinierung des Personals, besonders der Offiziere; der Krieg mit Holland im Mittelmeer (1674–78), der Kampf mit den Barbaresken später gaben Gelegenheit[423] zum Sammeln von Erfahrungen, und seit dem Frieden von Nymwegen wurden stets große Übungsgeschwader im Dienst gehalten; in Kriegs- und Friedenszeiten waren nichtbeschäftigte Offiziere, auch Kommandanten, überetatsmäßig an Bord kommandiert. Wie früher Artillerie- und Navigationsschulen, so wurde 1680 eine Schiffbauschule gegründet; mit Bau der Mörserboote errichtete man besondere Bombardierkompagnien. So schritt die Entwicklung der Marine unter Colbert stetig fort, trotzdem daß er in seinen letzten Jahren schon mit Finanzschwierigkeiten im Lande zu kämpfen hatte; wenn wir sahen, daß schon 1678 die Ausrüstung der Flotte zu wünschen übrig ließ, so scheint dies mehr an Reibungen zwischen den Verwaltungs- und Kommandobehörden gelegen zu haben, denn die französischen Quellen heben ausdrücklich hervor, daß Colbert noch leistungsfähige Werften und wohlgefüllte Magazine hinterlassen habe.

Nach Colberts Tode aber (1683) ging mit dem Verfall seiner anderen Schöpfungen auch die Marine bald zurück. Ludwig hatte kein Interesse für das Seewesen; er wünschte zwar eine Kriegsmarine für seine Kriege, aber er konnte oder wollte nicht einsehen, daß die Kriegsmarine wenig Zweck und keine Lebensfähigkeit habe, wenn Industrie, Handel und friedliche Schiffahrt zugrunde gingen. Es kam hinzu, daß die Nachfolger Colberts als Marineminister wie Ludwig dachten oder gar die Flotte selbst als Waffe gering achteten.

Der Marquis de Seignelay (1683–1690; Sohn Colberts und schon seit 1672 unter seinem Vater im Marineministerium tätig) strebte zwar auch noch eine Vergrößerung der Marine an, aber nicht im Interesse des Handels sondern wie Ludwig, „um mit ihr als Waffe seinen Ehrgeiz zu befriedigen“; wir sahen ihn schon vor Genua selbst an Bord auftreten. Colbert hatte versucht, der seemännischen Bevölkerung für ihren Dienst Vorteile zuzuwenden — Halbsold, Witwen- und Waisenpensionen usw. —, unter Seignelay fielen diese weg, er nutzte die Menschen nur aus.

Der Schiffsbestand war hoch; 1690 sehen wir in der Schlacht bei Beachy Head: 12 Schiffe von 80 bis über 100 Kanonen, 48 von 60–80 Kanonen und 17 von 50–60 Kanonen. Aber die Werften und Arsenale waren schon um 1688 nicht mehr voll und pünktlich leistungsfähig (Unordnung und Verschwendung riß ein), und um die Schiffe zu bemannen, mußte wieder zum Pressen gegriffen werden (vergl. Seite 182). Dies wurde selbst in Friedenszeiten mit solcher Härte durchgeführt, daß Empörungen vorkamen; das System der Rekrutierung bestand nur noch auf dem Papier. Zur teilweisen Abhilfe des Mannschaftsmangels gründete Seignelay 80 ständige Freikompagnien von Soldaten, je 100 Mann unter Führung eines Seeoffiziers, die als Ersatz für Matrosen gute Dienste leisteten. Nur eins wird ihm nachgerühmt, „daß er durch Sammlung und Vervollständigung der Reglements seines Vaters ein Mittel hinterließ, mit dem sich viel später — unter Choiseul 1760 — die Marine aus dem von ihm durch Vergeudung des vorgefundenen Materials und Personals vorbereiteten Niedergang wieder erheben konnte.“ Er starb, erst 39 Jahre alt, am 6. September 1690.

[424]

Chabaud-Arnault sagt von Seignelay: Seignelay besaß einen festen Willen, große Intelligenz und Arbeitskraft, aber unleidlichen Stolz, Härte und Vergnügungssucht. Colbert war selten zufrieden, tadelte stets, aber strafte ungern; Seignelay tadelte beleidigend und strafte hart. Eins war gut bei ihm: er wußte die Disziplin, namentlich im höheren Offizierkorps, aufrecht zu erhalten, die einzuführen Colbert und du Quesne so viele Mühe gemacht hatte.

In den Krieg 1688 trat nach Vorstehendem die französische Marine also noch als eine mächtige ein. Sie besaß genügendes und gutes Schiffsmaterial wie Personal, insbesondere waren die Flaggoffiziere und Kommandanten in Führung der Geschwader und Schiffe auf der Höhe. Die Marine war den Feinden gewachsen, wenn nicht überlegen, aber ihr Rückgang war schon im Entstehen.

Admiral von Frankreich war dem Namen nach bis 1683 Vermandois (Sohn der Lavallière). Als dieser, 16 Jahre alt, starb, folgte der fünfjährige Comte de Toulouse (Sohn der Montespan). Dieser sprach vorläufig also auch noch nicht mit, sollte aber später ein ganz tüchtiger Seeoffizier werden.

Was Ludwig von seiner Seemacht hielt, geht daraus hervor, daß er ähnlich wie England verlangte, alle Nationen (ausschließlich England) sollten auf See die Lilienflagge salutieren; 1688 zwang Tourville, von der Barbareskenküste zurückkehrend, ein spanisches Geschwader mit Waffengewalt hierzu.

Auf Seignelay folgte Louis de Pontchartrin 1690–1699 und unter ihm schritt der Verfall der Marine fort.

Chabaud-Arnault sagt: Auf einen Minister jung, kriegerisch, ruhmsüchtig, zwar verschwenderisch aber doch wohl bekannt mit der Organisation der Verwaltung und der Flotte folgte ein älterer Mann (47 Jahre) kalt, berechnend, sparsam, friedlich gesinnt und völlig dem Kriegswesen, insbesondere dem Seewesen, fremd. Obgleich wohlwollend und gutem Rate zugänglich, wurde er durch die Umstände gezwungen, mehrfach und ungerecht gegen die tüchtigsten Führer aufzutreten und bei der Verwendung der für die Marine bestimmten Mittel teils unangebrachte Knauserei, teils zwecklose Verschwendung zu zeigen.

Pontchartrin hatte ganz andere Ansichten über die Verwendung der Marine als seine beiden Vorgänger; zum Heben des eigenen Handels konnte er bei den herrschenden Verhältnissen nichts tun, von einer Kriegführung zur See in großem Maßstabe hielt er nichts — vielleicht unter Louvois' Einfluß stehend —; er glaubte die Marine am besten zum Angriff auf den feindlichen Handel zu verwerten und dadurch die öffentlichen und privaten Kassen zu bereichern. Anfang 1691 schlugen Louvois und Pontchartrin gar dem Könige vor: „Die Marine, die so teuer käme und doch nur die Küsten schütze, durch 25000 Mann Infanterie und 4000 Reiter zu diesem Zwecke zu ersetzen!“[231]

Die Schiffszahl wurde zwar, um Ludwigs Wünschen zu genügen, noch erhalten, auch wurden zunächst noch große Flotten in Dienst gestellt. Der Bestand wird für 1692 auf 120 Linienschiffe über 40 Kanonen angegeben. In diesem Jahre verlor Frankreich bei La Hogue 15 Linienschiffe. Oft ist gesagt, hier sei die französische Marine vernichtet! Der Verlust wäre doch wohl zu verschmerzen gewesen, auch waren andere Schiffe im Bau; schon[425] 1693 finden wir 70 Linienschiffe im Atlantik und gegen 17 im Mittelmeer im Dienst, weitere waren noch auf den Werften und für 1696, also gegen Ende des Krieges, wird der Bestand sogar auf 135 Linienschiffe über 40 Kanonen und auf 20 Fahrzeuge von 24–36 Kanonen angegeben; es ist dies der höchste Stand, der erreicht worden ist. Von einer Vernichtung bei La Hogue kann man also nicht sprechen, aber nach dieser Schlacht brach die Ansicht Pontchartrins immer mehr durch; die große Flotte 1693 wurde nur zu einem Schlage gegen den feindlichen Handel (Angriff auf den Smyrna-Convoi) verwendet, und von da an stellte man jährlich nur noch verschiedene kleinere Divisionen auf. Die große Schiffszahl stand bald sozusagen nur noch auf dem Papier; auch wurden die Schiffe vernachlässigt, da Werften und Arsenale sich immer weniger leistungsfähig zeigten. Unter einem in den Seesachen gänzlich unerfahrenen Minister trat zu der schon unter Seignelay eingerissenen Verschwendung in der Verwaltung auch wieder Nachlässigkeit und selbst Untreue wie vor Colberts Zeiten; auch nahm der Hader zwischen den Verwaltungs- und Kommandobehörden zu. Ebenso ging das Personal nach und nach zurück. Der reine Kreuzerkrieg mit kleinen Divisionen und einzelnen Schiffen, besonders wenn er mit Königlichen Schiffen, Offizieren und Mannschaften geführt wurde, die an Private vermietet waren (vgl. später „Kreuzerkrieg“), mußte schädigend auf Disziplin und Geist einwirken; bei vielen wurde doch wohl mehr Lust nach Beute als Ehre und Vaterlandsliebe die Triebfeder. Im Offizierkorps gingen ferner Übung und Erfahrung in Exerzitien und Taktik verloren — nur eine kleine Elite bewahrte das Interesse daran und damit die Überlieferung für die späteren Zeiten Choiseuls. Zwar warf Pontchartrin als gleichzeitiger Generalkontrolleur der Finanzen noch ein großes Budget für die Marine aus, aber die schlechte Verwaltung verschlang noch mehr und die zunehmende Zerrüttung der Geldwirtschaft im Lande machte es oft unmöglich, die nötigen Mittel zu beschaffen. Da konnten denn auch unter ihm der seemännischen Bevölkerung die von Colbert eingeführten Vergünstigungen nicht zu teil werden, selbst die Löhnungszahlung wurde wieder unregelmäßig; die Folge war, daß der Dienst immer unbeliebter wurde, das Pressen immer härter durchgeführt werden mußte; die Fahnenflucht wurde eine Plage, die mit den schärfsten Mitteln nicht zu steuern war.

Der Verlauf des Seekrieges.

Wilhelm von Oraniens Übergang nach England[232] 1688. Es ist erwähnt, daß Oranien frühzeitig dafür sorgte, im gegebenen Augenblick über die erforderlichen Kräfte zur Besitzergreifung des englischen Thrones verfügen zu können. An die Generalstaaten konnte er sich nicht wenden, weil die Angelegenheit[426] möglichst geheim gehalten werden mußte und die Nation vorläufig nicht geneigt war, sich durch Unterstützung seiner Pläne mit Frankreich zu verfeinden. Er gewann aber einflußreiche Vertraute in dem Ratspensionär von Holland, Fagel, in den drei Bürgermeistern von Amsterdam, in Mitgliedern der Admiralitäten usw. Mit ihrer Hilfe gingen schon Ende 1687 Beschlüsse durch, im nächsten Jahre eine stärkere Flotte in Dienst zu stellen als in den letzten Jahren, sowie Gelder zu bewilligen, um die Festungen in Stand zu setzen. Die stärkere Indienststellung wurde für den Handelsschutz, besonders gegen Piraten der Raubstaaten, die sich wieder bis in den Kanal zeigten, verlangt; zu diesem Zweck war ein Beschluß der Generalstaaten nicht nötig, solange es die Admiralitäten aus ihren eigenen Mitteln bestreiten konnten. Die Gelder für die Festungen verwandte Oranien zum Mieten von Truppen bei fremden Fürsten und zum Heuern von Transportern. Die Vertrauten, die Einfluß in den Admiralitäten besaßen, sorgten ferner dafür, daß auch die nicht in Dienst zu stellenden Schiffe bereit gehalten wurden und daß man im Laufe des Sommers 1688, nachdem der Prinz im Juli die Adresse aus England erhalten hatte, die bewilligte Flotte nach und nach noch weiter verstärkte.

Mitte Oktober 1688 lag in Hellevoetsluis eine Flotte von 13 Schiffen zu 60–68 Kanonen, von 7 zu 50–56, 11 zu 40–48, 16 zu 32–36, 10 Brandern und in verschiedenen benachbarten Häfen waren gegen 340 Transporter zur Überführung der Truppen sowie 60–70 kleine Fahrzeuge für die Landung selbst bereit. Die Befehlshaber — Leutnantadmiral Cornelis Evertsen und Vizeadmiral Almonde — erfuhren erst jetzt den wahren Zweck der Flotte sowie, daß der nach Holland geflüchtete englische Admiral Herbert (später Earl of Torrington) als Leutnantadmiralgeneral mit dem Tage der Abfahrt den Oberbefehl übernehmen solle, wie es auch am 27. Oktober geschah. Die Order für die Flotte war: Die Überfahrt der Transporter und die Landung zu decken und dann Diversionen an der Westküste Englands und in Schottland zugunsten Oraniens zu machen.

Tromp war nach Ruyters Tode Leutnantgeneraladmiral geworden. Wenn ihm nicht der Oberbefehl über die immer mehr anwachsende Flotte übergeben wurde, so hatte dies gleichfalls seinen Grund darin, daß man kein Aufsehen erregen wollte; es war ja kein Krieg — auch soll er nicht mehr gut mit Oranien gestanden haben. Der englische Oberbefehlshaber war lediglich aus politischen Gründen gewählt worden; bis zum Tage der Abfahrt befehligte Herbert nur ein Geschwader.

Ende Oktober war alles bereit; die Truppen wurden eiligst und heimlich zusammengezogen und eingeschifft (11090 Mann und 4092 Pferde); Oranien ging am 27. mit Leutnantadmiral Scheppers und Marschall Schomberg auf die ganz neue Fregatte „den Briel“ (30 Kanonen). Bezeichnend für den politisch-religiös gemischten Charakter der Expedition ist, daß, wie Wilhelms Oberbefehlshaber am Lande, eben der frühere französische Marschall Schomberg, so auch ein großer Teil der Armeeoffiziere Hugenotten waren.

Erst unmittelbar vorher hatte Oranien den Generalstaaten seine Pläne eröffnet und nun auch ihre Zustimmung gefunden. Bis dahin soll diesen und auch England[427] gegenüber alles geheim gehalten sein, was jedoch kaum glaublich ist; weiß man doch, daß der französische Gesandte schon länger darüber an Ludwig berichtet hatte; der englische Gesandte soll allerdings sehr „harmlos“ gewesen sein.

Die Flotte setzte bei Südwestwind den Kurs nach Norden, weil die Ostküste Englands (Humber?) zur Landung in Aussicht genommen war, aber schon in der nächsten Nacht zersprengte sie ein schwerer Südweststurm; man mußte zum Wiedersammeln nach Hellevoetsluis zurückkehren. Große Freude war in England und Frankreich, wo übertriebene Berichte über Verluste einliefen; der französische Gesandte im Haag schrieb: „Enfin la flotte du Prince d'Orange est au diable“; diese Gerüchte wurden von holländischen Zeitungen absichtlich genährt, um die Feinde einzuschläfern. Tatsächlich hatte wohl ein schrecklicher Zustand auf den überfüllten Schiffen geherrscht, die Beschädigungen aber waren nur gering und Verluste fast gar nicht zu beklagen; 500? oder 900? Pferde sollen über Bord geworfen sein. Schnell wurde allem abgeholfen.

Am 10. und 11. November ging man wiederum in See mit demselben Ziele; wegen schweren östlichen Windes aber wurde bald beschlossen, in den Kanal zu steuern und bei Torbay und Dartmouth zu landen. Am 13. wurden die Hoofden passiert, die Nachzügler gesammelt und dann mit Trompetenschall und Geschützsalut längs der englischen Küste kanalabwärts gesteuert; voran die Transporter von 4 Fregatten gedeckt, die Flotte zum Schutz gegen die englische hinterher. „Den Briel“ führte im Großtopp eine Flagge mit der Inschrift: „Für den protestantischen Gottesdienst und Englands Freiheit“; darunter Oraniens Devise: „Je maintiendrai“. Der Prinz hatte beabsichtigt, schon am 14. November, seinem 38. Geburtstage, zu landen; die ihn begleitenden Engländer beredeten ihn zur Wahl des 15., des Jahrestages der Pulververschwörung. In der Nacht vom 14. auf 15. überlief die Flotte Dartmouth infolge Unachtsamkeit der englischen Lotsen (die Engländer sagen, Fehler der holländischen Navigateure). Dies konnte bei dem steifen Ostwinde sehr nachteilig werden, weil man fürchten mußte, an anderen Landungspunkten mehr westlich Widerstand von englischen See- und Landstreitkräften zu finden. Der Zufall kam zu Hilfe; der Wind sprang auf Süd um, man erreichte Torbay und konnte noch am 15. den größten Teil der Truppen ausschiffen; Oranien wurde am Lande mit Jubel begrüßt. Am 16. wurde der Rest gelandet, nach einem Feldgottesdienst der Marsch auf Exeter angetreten und diese Stadt noch am Abend besetzt. Gleich nach beendeter Ausschiffung der Truppen kam Sturm auf, so daß die Landung der Geschütze und des Kriegsmaterials verhindert wurde.

Wo waren die Engländer? Jakob II. hatte eine ansehnliche Flotte im Dienst. Diese hatte den Sommer über unter dem katholischen Admiral Strickland vor Dover gelegen mit Vorposten im Kanal und vor der Themse; später aber war sie unter dem protestantischen Admiral Earl of Dartmouth in die Themse zurückgezogen; die holländische Expedition hatte sie beim Steuern in den Kanal fast in Sicht passiert. Der Wind soll an diesem[428] Tage ein Ankerlichten verhindert haben; erst am 15. konnte sie dem Feinde folgen, wurde dann aber, gegen den Sturm aufkreuzend, festgehalten, bis es zu spät war. Es ist wohl anzunehmen, daß weder vom König strikte Befehle eingegangen, weil dieser der Marine nicht mehr traute (auf den Werften usw. hatten schon ungünstige Kundgebungen stattgefunden), noch in der Flotte ernstliche Absichten, einzugreifen, vorhanden waren. Bald nach den geschilderten Ereignissen wurden infolge eines Kriegsrates die katholischen Kommandanten an Land gesetzt und eine Adresse an Oranien gesandt; Mitte Dezember stellte sich die Flotte diesem völlig zur Verfügung.

Oranien marschierte auf London; Truppen, die bei Salisbury standen, gingen zu ihm über. Jakob verkündigte eine Amnestie und versprach, allen Beschwerden abzuhelfen; zu spät, alles verließ ihn, er mußte nach Frankreich fliehen. Am 18. Dezember zog Oranien in London ein und wurde am 18. Februar 1689 als König anerkannt.

Die holländische Flotte kehrte in zwei Abteilungen im Januar und März 1689 nach Holland zurück.

Jakobs II. Einfall in Irland und die Operationen 1689. Ludwig XIV. hatte nach Oraniens Übergang an Holland den Krieg erklärt, aber nicht an England, weil er Oranien nur als einen Eindringling betrachtete, der keineswegs das ganze englische Volk hinter sich habe, jedoch war er bereit, Jakob in seinem Versuche, sein Königreich wiederzugewinnen, zu unterstützen. Tatsächlich besaß Jakob in England noch viele Anhänger; die besten Aussichten hatte er aber in den schottischen Hochlanden und vor allein in Irland; von hier aus wollte er versuchen, seine verlorene Macht wiederzugewinnen. Es wäre nun die beste Gelegenheit gewesen, den Fehler von 1688 — daß man Oranien überhaupt hinübergelassen hatte — wieder gut zu machen, indem man die Überlegenheit der französischen Flotte jetzt noch voll ausnutzte, zunächst den Seekrieg gegen England und Holland führte und damit eine große Invasion in Irland, Schottland oder gar England selbst ermöglichte; dies geschah aber nicht.

Im März 1689 brachte ein kleineres französisches Geschwader — Chef d'Escadre de Gabaret — Jakob mit 8000 Mann in Cork an Land (22. bis 24. März). Er wurde mit Jubel begrüßt, zog in Dublin ein, nur in einzelnen Städten hielten sich die englischen Besatzungen; gleichzeitig erhoben sich unter Viscount Dundee die Hochländer in Schottland. Jakob verstand es aber nicht, seine Sache richtig zu führen — er lebte mehr der Entgegennahme von Huldigungen usw. — und wurde auch in der Folge nicht richtig von der französischen Flotte unterstützt, sonst hätte er mit Hilfe Irlands und Schottlands Wilhelms III. Stellung sehr erschüttern können. Sein Einfall war ohne jeden Widerstand seitens der englisch-holländischen Seestreitkräfte ausgeführt, da diese nicht fertig waren.

England und Holland hatten allerdings schon im Beginn des Jahres einen Vertrag über Ausrüstung einer gemeinsamen Flotte von 80 Linienschiffen, 24 Fregatten, 12 Brandern geschlossen; 50 Schiffe waren für den Kanal, 30 für das Mittelmeer[429] bestimmt. Wie schon im Jahre 1668 (Tripelallianz, Seite 308) wurde dabei auch jetzt und auch später immer das Verhältnis auf 5/8 (England) und 3/8 (Holland) festgesetzt; England sollte 50 Linienschiffe, 15 Fregatten, 8 Brander stellen, Holland 30 Linienschiffe, 9 Fregatten und 4 Brander. Wie 1668 so war auch jetzt als Grund des schwächeren Kontingents Hollands angenommen, daß dieser Staat mehr durch den Landkrieg in Anspruch genommen werden würde, und dementsprechend wurden die aufzustellenden Armeen auf 100000 Holländer gegen 40000 Engländer normiert. Man braucht darin also, wie schon erwähnt, noch keinen Beweis des Rückganges der holländischen Marine zu sehen, aber es kennzeichnet doch wohl schon ein Zurücktreten der Seemacht Hollands hinter die Englands, und ganz besonders tun dies die sonstigen Bestimmungen des Vertrages. Nach diesen nämlich sollten nicht nur die Hauptflotte der Verbündeten, sondern auch alle selbständigen Geschwader oder sonstige detachierte Kräfte stets unter dem Oberbefehl eines englischen Offiziers stehen; ja, bei gemeinschaftlichem Kriegsrat hatten die englischen Flaggoffiziere und Kommandanten am „oberen Ende“ des Tisches zu sitzen (diese Bestimmungen entschuldigt de Jonge mit der „damaligen höheren Auffassung“ der Würde des Königtums).

Aber erst nach und nach sammelten sich die Schiffe der beiden Staaten. Die ersten Holländer trafen im Juni bei Wight ein. Die Schiffe, die 1688 im Dienst gewesen, waren erst im Januar und März zurückgekehrt und bedurften der Überholung; die kleineren Admiralitäten hatten überhaupt nicht genügend Kriegsschiffe und mußten Kauffahrer umbauen; den größeren mangelte Geld, bis die ostindische Kompagnie aushalf. In England hatten wohl die noch unsicheren inneren Verhältnisse eine rechtzeitige Indienststellung verhindert.

Erst als Jakobs Landung bekannt geworden, erhielt Admiral Herbert in Portsmouth den Befehl, mit den segelfertigen englischen Schiffen nach Irland zu gehen. Er erschien Mitte April vor Cork mit nur 12 Linienschiffen, hörte hier, daß das französische Geschwader bereits zurückgesegelt sei, kreuzte dann im Kanaleingang an der französischen Küste und hielt endlich wieder nach Cork hinüber, da er durch Aufklärungsschiffe erfahren hatte, daß eine neue französische Flotte unterwegs sei; am 9. Mai kam auch für kurze Zeit eine größere Zahl von Schiffen in Sicht.

Es war dies eine zweite französische Expedition, die am 6. Mai wiederum mit Truppen (5000?, 6000?, 7000? Mann, Munition und Kriegsmaterial) Brest verlassen hatte. Diese ihrerseits erfuhr am 9. vor Cork, daß Herbert in der Nahe sei; da man bei dem herrschenden Ostwinde auf den Ankerplatz hätte aufkreuzen müssen, steuerte der Chef Generalleutnant Château-Renault nach West und ankerte am 10. Mai 2 Uhr nachm. in der Bantrybay. Herbert war am 9., den Feind suchend, auch nach Westen gesegelt und sichtete die Franzosen am Abend des 10. in genannter Bucht. Château-Renault hatte sofort mit dem Ausschiffen begonnen, und als um 6 Uhr abends seine Vorposten das Herankommen der Engländer meldeten, waren fast alle Truppen schon am Lande. Er warf den Rest, der sich noch auf den Linienschiffen befand, auf die Transporter, lichtete Anker und hielt sich mit kleinen Schlägen gefechtsbereit im Eingang der Bucht, um das weitere Landen des Kriegsmaterials von den Transportern und Brandern zu decken. Die Nacht verbot auf beiden Seiten weitere Operationen; am 11. kam es zum Gefecht. Stärke der Gegner:

[430]

Engländer = 3 Schiffe zu 70 Kanonen; 5: 60–68; 5: 50–54; 5: 46–48; 1: 36; 1 Brander; 2 Mörserboote.

Franzosen = 4: 60–66; 12: 50–60; 8: 40–48; 2 Fregatten, 10 Brander.

Das Gefecht vor Bantrybay[233] 11. Mai 1689: Herbert beginnt morgens in die Bucht hinein aufzukreuzen. Als er aber die Stärke des Feindes genau erkennt, hält er es für ungeeignet, in der Leestellung und im beschränkten Wasser zu fechten. Er hält unter kleinen Segeln wieder in See, dabei bestrebt, seine noch nicht tadellose Linie zu verbessern und die Luvstellung zu gewinnen; das erste gelingt, das zweite jedoch nicht infolge Gegenmanöver der vordersten Franzosen. Château-Renault hatte bis 11 Uhr gewartet und ging dann erst an den Feind heran; auch seine Linie scheint nicht besonders gut gewesen zu sein infolge des Manövrierens in der Bucht.

Um 11½ Uhr vorm. begann das Gefecht. Es wurde auf französischer Seite nur von der Mitte mit Nachdruck geführt, während Vorhut — Chef d'Escadre de Gabaret — und Nachhut — Chef d'E. de Forant — sich lau zeigten. (Französische Quellen sagen wegen Eifersucht der Unterführer gegen den Geschwaderchef — alte Seeleute gegen einen Protegierten; nach Troude berichtete Château-Renault, Gabaret habe die Befehle zum Angriff nicht sofort befolgt, so daß er selbst mit der Mitte die Spitze habe nehmen müssen, und Forant sei nicht im Kielwasser geblieben; beide hatten Entschuldigungen für ihr Benehmen. Chabaud-Arnault sagt: „Gabaret und Forant gaben an, Renault habe das Gefecht schlecht geleitet, die nötigen Orders nicht zu geeigneter Zeit gegeben, dann war es aber Pflicht der Offiziere mit mehr Erfahrung, ihren Chef zu unterstützen. Herbert dagegen verstand es nicht, aus dem Fehler der Franzosen Nutzen zu ziehen“.) Herbert versuchte nun, den Feind von der Küste abzulocken; Ch. Renault jedoch brach um 5½ Uhr nachm. 21 sm. von der Küste das Gefecht ab, um seine Transporter nicht allein zu lassen. Das Gefecht war ziemlich scharf gewesen: ein französisches Schiff (54 Kanonen) war durch eine Explosion angehäufter Kartuschen fast ganz zerstört, auch die Engländer verloren ein Schiff sowie 100 Tote und 300 Verwundete. Für diese war es von großem Vorteil gewesen, daß die französischen Brander nicht zur Stelle waren, da sie noch Munition für die gelandeten Truppen löschten.

Das Gefecht war kein voller Sieg der Franzosen, aber auch keine besondere Leistung der Engländer, soviel schwächer waren diese nicht; dennoch wurde aus politischen Gründen Herbert zum Earl of Torrington ernannt und an zwei Kommandanten die Ritterwürde verliehen.

Auf beiden Seiten hatten viele Schiffe so gelitten, daß nichts weiter unternommen wurde: Herbert segelte nach Plymouth; Renault, der eigentlich nach beendeter Landung an der Küste bleiben und die englischen Seestreitkräfte verjagen sollte, ging nach Brest zurück (16. Mai dort). Er hatte zwar die erste Aufgabe trotz feindlichen Eingreifens in nur 10 Tagen gelöst, ein Verbleiben in den irischen Gewässern wäre aber von großer Wichtigkeit gewesen. Herbert schickte nämlich bei seiner Abfahrt ein kleines Geschwader in die irische See, nur zwei Schiffe (54 und 48 Kanonen) unter Kapitän Rooke, um dort einige kleinere Fahrzeuge an sich zu ziehen und sich dann dem Landkriege zur Verfügung zu stellen. Diese kleine Flottille leistete nun Wesentliches ohne Störung durch französische Seestreitkräfte; sie unterbrach die Verbindung zwischen Irland und Schottland[431] für die Jakobiten und hielt eine solche zwischen Irland und England für Wilhelm III. offen, auch griff sie in den Kampf um Küstenplätze ein.

Londonderry — im Norden Irlands am Lough Foyle — wurde von den Jakobiten belagert und hart bedrängt; General Kirke stand in England mit Truppen zur Verstärkung; Rooke ankert am 10. Mai im Clyde (genauer unter der Halbinsel Cantine) und bestellt hierher die Transporter Kirkes vom Solway. Zunächst stoßen einige kleinere Fahrzeuge zu ihm, dann kommt am 8. Juni der Transport, gedeckt durch drei 48-Kanonenschiffe und ein 36-Kanonenschiff. Rooke geht nun nach dem Lough Foyle, trifft Mitte Juni dort ein; Kirke (früher Seesoldat) versucht nach Londonderry hinaufzukommen, findet aber das Fahrwasser durch Ketten und Sperren mit flankierenden Batterien gesperrt. Rooke läuft in den Lough Swilly ein und belästigt von dort den Feind (läßt nebenbei an der Küste auf kleinere französische Kriegsfahrzeuge kreuzen); Kirke forciert infolge eines antreibenden Befehles vom Marschall Schomberg am 28. Juni die Sperre mit einem Kriegsschiff und zwei Transportern. Es gelingt, die Verstärkungen in die Stadt zu werfen und die Jakobiten geben am 31. Juli die Belagerung auf.

Rooke kreuzt weiter zwischen der Nordspitze Irlands und der Insel Man im Nordkanal und führt den Transport mit Schombergs Hauptheer zur Niederwerfung Irlands nach Belfast Lough über. Nach und nach verstärkt, teilt er seine Flottille und beherrscht auch die irische See sowie den St. Georgskanal; am 18. September nimmt er sogar die wichtigste Insel im Hafen von Cork; erst im Oktober geht er nach den Downs, da seine Schiffe der Ausbesserung und Ausrüstung bedürfen.

Diese Erfolge der kleinen Flottille sind um so bemerkenswerter, als sonst die Beteiligung der Seestreitkräfte beider Gegner im Kampfe um Irland 1689 unbegreiflich gering ist. Die Franzosen hätten das Hinübergehen englischer Truppen hindern müssen, wahrscheinlich wäre dann im Sommer 1689 ganz Irland für Jakob gewonnen worden; die Verbündeten taten nach Bantrybay wenig, um sich die Herrschaft im Kanal zu sichern. Die Untätigkeit beider Gegner ist um so unverständlicher, als sie nach und nach über nicht unbedeutende Flotten verfügten; diese müssen wohl nicht recht kriegsbereit gewesen sein.

Zu Herbert stießen im Laufe des Juni bei Wight die Holländer, und die vereinigte Flotte war nun 61 Kriegsschiffe (34–92 Kanonen) und 17 Brander stark; die festgesetzte Stärke von allein 80 Linienschiffen war also bei weitem nicht erreicht, und von einer Entsendung nach dem Mittelmeer mußte abgesehen werden, dazu war man nicht stark genug. Die Flotte ging in See, um die französische Küste zu beunruhigen und um ein in Brest von Toulon erwartetes Geschwader — 20 Linienschiffe unter Tourville; am 9. Juni abgegangen — abzufangen; sie kehrte bald nach Torbay zurück, „da sie schlecht ausgerüstet war.“ Unmittelbar darauf (31. Juli) traf Tourville in Brest ein und übernahm den Oberbefehl über 70 Schiffe über 40 Kanonen.

Nach Delarbre waren die Verbündeten noch bei Cap Ouessant, als Tourville herankam; in größerer Nähe Brest zu blockieren, erschien ihnen zu gefährlich. Durch Aufklärung gut über den Feind unterrichtet, hielt sich Tourville bei nördlichem Winde 5 Tage lang in der Nähe, aber aus Sicht der Gegner, wartete, bis Südwestwind aufkam und lief dann in Sicht des Feindes in die Bucht (Iroise) ein.

Im August liefen die Verbündeten nochmals aus und Tourville trat ihnen bei den Scillys entgegen (Mitte des Monats); der Minister Seignelay befand sich[432] an Bord. Die Verbündeten standen zu Luward, vermieden aber das „von den Franzosen gesuchte“ Gefecht. Es kam nur zum Zusammenstoß je eines vorgeschickten Linienschiffes in Sicht der Flotten.

Nach holländischen Angaben wollten sie sich wegen ihrer Minderzahl durchaus defensiv verhalten; nach französischen Quellen schonten sie sich, um einen erwarteten Smyrnaconvoi beider Nationen decken zu können. Dieser Convoi lief auch später unbelästigt in den Kanal ein. Beide Erklärungen stimmen also gut überein. Nach einer anderen französischen Angabe endlich waren auch die Franzosen nicht geneigt, in einer großen Schlacht zuviel aufs Spiel zu setzen.

Dann trennten sich die Gegner, gingen nach einigen Tagen in ihre Häfen und rüsteten bis auf kleine Wintergeschwader ab.

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Tourville.

Das Jahr 1690. Die Schlacht bei Beachy Head (oder Béveziers). Für 1690 rüstete Frankreich gewaltig zur See mit der Absicht, die englisch-holländischen Streitkräfte zu vernichten — womöglich einzeln vor ihrer Vereinigung; die Engländer überraschend in ihren Häfen —, die Seeherrschaft völlig zu erringen und dann in England einzufallen. In Rochefort wurden innerhalb dreier Monate 15 Galeren zur Unterstützung der Segelflotte gebaut und Truppen an den Küsten zusammengezogen; es waren zwar nur 8000 Mann, man rechnete aber mit Erhebung der Jakobiten in England und hielt für diese Waffen zur Überführung bereit. In Brest lagen über 60 Linienschiffe unter Tourville, eine Verstärkung aus Toulon wurde erwartet; infolge Mangels an Personal und an Material in den Arsenalen war aber die Flotte (70 Linienschiffe) nicht vor Ende Juni fertig.

Tourville (nach Chabaud-Arnault) geboren 1637; in der harten Schule der Malteser-Ritter erzogen, besonders zum tüchtigen Seemann; 1666 Kapitän in der französischen Marine, trat früh hervor; im Frieden mehrfach Kommandant von Schulschiffen für Seeoffiziere; zeichnete sich aus im Kriege 1674–1678 im Mittelmeer, später vor Algier und Genua. — Kräftige, schöne Erscheinung und aristokratisches Auftreten; ehrenhaft, vielleicht nicht ganz aufrichtig (siehe sein Benehmen gegen du Quesne); gehorsam, scheute sich aber nicht, seine Ansicht auszusprechen; persönlich mutig bis zur Tollkühnheit; klug und geschickt bei Entwerfen von Operationen; ließ sich nicht beeinflussen beim Fassen von Entschlüssen und scheute sich nicht vor Verantwortung; in allen Zweigen des Dienstes erfahren, aber kein Organisator wie du Quesne.

[433]

Wir finden aber auch andere Urteile: Seignelay, dessen Befehle vom grünen Tisch er nicht immer ausführte, sagte von ihm „brave de coeur, mais poltron de tête“, wogegen Sue wohl richtiger sagt „brave de sa personne et poltron pour ses matelôts“.

1689 wurde er Vizeadmiral der Levante und nach d'Estrées' sen. Abgang als ältester Vizeadmiral Chef der großen Flotten, 1693 Marschall, gestorben 1701. — Biographie von Delarbre.

Die Verbündeten hatten die Indienststellung einer gleich starken Flotte wie im Vorjahre (80 Linienschiffe) beschlossen; hier blieb man noch mehr im Rückstande. Am 1. Juli lagen nur etwa 50 Linienschiffe — darunter nur erst 18 Holländer — unter Herbert bei Wight; allerdings waren ein größeres und ein kleineres Geschwader detachiert und einige Schiffe in Plymouth bereit, zur Flotte zu stoßen. Weitere holländische Schiffe, deren Ausrüstung wieder wegen Geldmangels nicht rechtzeitig fertig wurde, kamen erst im Laufe des Juli nach und nach hinzu. Auch in England war die Rüstung mit einer unverständlichen Lauheit betrieben worden, scheinbar ein Fehler der Regierung. Admiral Herbert hatte während des ganzen Winters vergeblich auf rechtzeitige Ausführung gedrungen; der Premierminister Nottingham nahm in Unterschätzung der Franzosen die Sache leicht (vgl. z. B. Colomb, Seite 110: Herberts Verteidigung in seinem späteren Prozeß); auch in Holland scheint der Feind unterschätzt worden zu sein.

Das größere der genannten Geschwader war an der spanischen Küste. Schon bei der Abrüstung 1689 war es im Dienst behalten, 16 englische und 9 holländische Linienschiffe stark. Es sollte Anfang 1690 nach dem Mittelmeer gehen, um einen großen gemeinsamen Convoi dahin zu geleiten und dann die französischen Streitkräfte von Toulon dort festzuhalten. Verschiedene Umstände — Ausrüstung; Wetter; Erwarten der Braut des Königs von Spanien (Maria Anna, Tochter des Kurfürsten von der Pfalz), die nach Coruña gebracht werden sollte; Sammeln des Convois —, in der Hauptsache aber scheinbar Unschlüssigkeit in England (die Holländer klagen darüber), verzögerten die Abfahrt; erst Mitte März ging man mit einem großen Convoi in See. An der spanischen Küste wurden Schiffe abgezweigt, um die Prinzessin zu geleiten, andere zur weiteren Begleitung der Kauffahrer; ein Sturm trennte die übrigen Schiffe und brachte Verluste, so daß erst am 18. April etwa 15 Linienschiffe — die Engländer unter Admiral Killigrew, die Holländer unter Almonde — zur Erfüllung der Hauptaufgabe, Abfangen des Toulon-Kontingents, wieder vereint in Cadiz lagen. Während man hier ausrüstete und ausbesserte, wurde am 19. Mai die Ankunft des französischen Geschwaders — 14 Segel, darunter 6(?) Linienschiffe — unter Château-Renault gemeldet. Killigrew ging am nächsten Tage in See und sichtete die Franzosen am 22. Mai zwischen Gibraltar und Ceuta. Château-Renault, der schwächer war und seine Vereinigung mit der Flotte in Brest im Auge hatte, entzog sich richtigerweise einem Gefecht; er konnte es, weil seine Schiffe bodenrein waren, die der Gegner (besonders der Engländer) jedoch in schlechtem Stande. Killigrew hatte den Befehl, ihm zu folgen, und tat dies auch, aber nicht im Sinne der Order. Er kehrte zunächst nach[434] Cadiz zurück, besserte aus, sammelte einen Convoi von 150–200 Schiffen und segelte dann am 19. Juni. Die Folge war, daß Renault seine Verstärkung wohlbehalten und rechtzeitig zur Vereinigung nach Brest führen konnte, während Killigrew erst am 23. Juli in Plymouth eintraf, als die Schlacht bei Beachy Head geschlagen war.

Das kleinere Geschwader, 6 Kriegsschiffe unter Admiral Shovel, war für die irischen Gewässer abgezweigt und sollte wie im Vorjahre sehr nützlich werden. Es kam allerdings zu spät, oder war nicht stark genug, um einen ersten Erfolg der Franzosen zu hindern. Im Anfang März schon brachte der Chef d'Escadre d'Amfreville mit 30 Linienschiffen, die auch zu diesem Zweck von 1689 im Dienst belassen waren, unbehindert einen Transport von 7000 Mann sowie Kriegsmaterial nach Cork. Er ging dann aber nach Frankreich zurück, und in der Zukunft zeigten sich keine Franzosen mehr hier, um den Engländern die Verbindung mit Irland zu unterbrechen. So wurde es Wilhelm III. möglich, unter Shovels Bedeckung auf 288 Fahrzeugen seine Armee im Juni von Chester nach Irland hinüberzuführen; er landete am 24. Juni in Carrikfergus. Shovel wurde am 28. Juni zur Hauptflotte entlassen, erreichte diese aber auch erst nach Beachy Head.

Mahan sagt zu vorstehenden Ereignissen: „Während des ganzen Kriegsabschnittes, in dem es sich um den Besitz von Irland handelt, ist nichts auffallender als die von beiden Seiten an den Tag gelegte Sorglosigkeit in bezug auf die Verbindung des Gegners mit der Insel. Besonders merkwürdig erscheint dies bei den Franzosen, die die stärkeren Seestreitkräfte hatten und von denen man annehmen muß, daß sie durch die Unzufriedenen in England genau über alle Vorgänge unterrichtet waren. Es scheint, daß ein Geschwader von 25 Fregatten nebst einigen Linienschiffen für den Dienst im St. Georgs-Kanal bestimmt war; aber nur 10 Fregatten kamen nach Kingsale und auch dies erst, als durch die Schlacht am Boyne alles für Jakob verloren war.“ Wir kommen auf diesen Umstand noch zurück.

Die Verzögerung des Seeklarwerdens hatte die Franzosen gehindert, ihrer Absicht gemäß vor Vereinigung der Gegner aufzutreten; Tourville erhielt nun Befehl, trotzdem auszulaufen und den Feind aufzusuchen. Ein großer Schlag zur See versprach die größten Erfolge: Die Lage in England war bedenklich. Irland war über ein Jahr in erfolgreichem Aufstande, und es war den Franzosen geglückt, eine neue Truppenmacht auf die Insel zu werfen; Wilhelm III. war mit dem größten und besten Teile seiner Truppen dort; die Anhänger Jakobs traten in England, wo die Königin die Regierung führte, mit ihren Kundgebungen mehr und mehr hervor. Die Vernichtung der verbündeten Flotte und darauf ein Festhalten des Königs in Irland, sowie eine Landung in England mußten voraussichtlich für Oraniens Stellung verhängnisvoll werden. Die französische Flotte war hierzu der feindlichen ungemein überlegen — die stolzeste, die Frankreich je ins Gefecht geführt hat.

Am 23. Juni lief Tourville von Brest aus; starke Gegenwinde im Kanal hielten ihn auf, auch waren die Galeren genötigt, unter der Küste der Bretagne Schutz zu suchen. Am 3. Juli morgens sichteten seine Aufklärungsschiffe[435] die feindliche Flotte zu Anker bei St. Helens (Wight). Herbert war so wenig kriegsbereit und unterrichtet, daß er nicht einmal Vorposten im Westen hatte. Erst am 2. Juli hatte er Nachricht erhalten, daß die Franzosen in See gegangen seien; jetzt waren sie wenige Seemeilen von ihm.

Er sagte später aus: Da alle unsere Schiffe noch mit Ausrüsten (z. B. auch mit Einschiffen eines Regimentes) beschäftigt waren, hatte ich die Holländer mit dem Sicherheitsdienst betraut (wohl am 2. Juli); die von diesen dazu befehligten Schiffe scheinen aber auch durch Ergänzen von Bedürfnissen festgehalten zu sein. „Sicher ist, daß ich erst durch das Sichten der feindlichen Vorposten von dem Erscheinen der französischen Flotte Kenntnis erhielt. Auch ihre Stärke war mir unbekannt; daß Château-Renault mit dem Toulon-Geschwader dabei war, zeigte mir erst seine Flagge.“ (Z. B. Colomb, Seite 113.)

Herbert lichtete sofort Anker, mußte aber bald wieder bei Dunose (Südostspitze Wights) ankern, da der leichte Nordostwind ganz einschlief; hier stießen am 4. Juli noch einige englische und holländische Schiffe zu ihm, ebenso während der nächsten Tage. Am 5. Juli 9 Uhr vormittags meldete eine Fregatte das Nahen des Feindes. Herbert ging Anker auf und formierte bei leichtem südlichem Winde die Gefechtslinie über Backbord-Bug; bald sichteten sich die Flotten. Als nun aber die Stärke der Franzosen erkannt war, beschloß der Kriegsrat der Verbündeten, einem Gefecht auszuweichen, um die Flotte für eine Defensive unversehrt zu erhalten. Dementsprechend wurde an die Königin in London berichtet und nach Osten gesteuert; die Franzosen folgten.

Herbert berichtete[234] (kurz gefaßt): Er habe zuerst beabsichtigt, ein Gefecht anzunehmen, die Franzosen hätten jedoch nicht angegriffen, obgleich sie zu Luward standen. (Vielleicht hielten sie zurück, weil sie infolge des flauen Windes nicht in guter Ordnung waren, vielleicht um auch erst die Stärke des Feindes kennen zu lernen; sie hatten nämlich am 4. das Salutieren der zu Herbert gestoßenen Schiffe gehört.) Als die Stärke des Gegners erkannt war, sei vorstehender Beschluß gefaßt worden. Man habe dabei in Erwägung gezogen, daß man in einer Schlacht die ganze Flotte und damit die Seeherrschaft aufs Spiel setze. Es sei für richtiger erkannt worden, auszuweichen und bei günstiger Gelegenheit zu versuchen, nach West zu steuern, um sich mit Killigrew, Shovel sowie den Schiffen in Plymouth zu vereinigen und so dem Feinde eher gewachsen zu sein, oder sich nach Osten, wenn nötig bis zur Themse hinter die Gunfleet[235], zurückzuziehen, um von dort aus mit der unversehrten Flotte den Feind im Schach zu halten und erst geeigneten oder notwendigen Falles hervorzubrechen; auch hier könnten die Streitkräfte im Westen über die Bänke trotz der Franzosen zur Flotte stoßen.

Herbert weist jetzt noch einmal auf seine im Winter vergeblich geäußerten Bedenken und Ermahnungen hin; er bittet um Verstärkungen und entsprechende Orders an die Schiffe im Westen.

Flaue Winde hinderten an den nächsten Tagen ein Näherkommen der verfolgenden Franzosen, um so mehr als die Engländer die Stromverhältnisse besser kannten; beide Flotten mußten häufig ankern. Da traf am 9. Juli abends ein Befehl der Königin ein, der Herbert zum Fechten[436] nötigte; in London war man über die Lage — über die zu wählende Strategie — anderer Ansicht und man unterschätzte den Feind.

Nottingham schrieb: Die Franzosen hätten nach sicherer Nachricht nur 60 Linienschiffe, diese seien schlecht bemannt. Shovel und die Schiffe von Plymouth seien bereits unterwegs; Killigrews Ankunft stände ganz nahe bevor. Alle diese aber — und mit ihnen Killigrews großer Convoi — seien sehr in Gefahr, wenn sich die Flotte nach Osten zurückzöge; die Franzosen würden dadurch ferner imstande sein, ganz oder teilweise nach Schottland zu gehen, wo dann ein großer Aufstand erfolgen könne.

Die angeschlossene Order der Königin besagte, daß sie die Absicht, sich bis zur Themse zurückzuziehen, durchaus mißbillige. Ein nach Westen Gehen verbiete sie nicht, wenn es sich mit folgendem vereinigen ließe. Vor allem sei nämlich die französische Flotte „nie“ aus Sicht zu lassen, damit sie nicht etwas gegen die Küsten oder gegen die Themse unternehmen oder „überhaupt ohne Gefecht absegeln“ könne (wohin? nach Schottland oder nach Hause?), eher sei unter günstigen Windverhältnissen (d. h. in der Luvstellung) zu schlagen. In welcher Eile diese Befehle verfaßt wurden, zeigt die Tatsache, daß Nottingham sich nicht einmal Zeit nahm, Konzepte oder Abschriften anzufertigen.

Herbert antwortete sofort: Die Ansicht in London über Stärke und Bemannung des Feindes sei nach seiner Beobachtung und seinen Nachrichten falsch. Er hielte die Schiffe im Westen und die Küsten für nicht gefährdet; er beabsichtige ja gerade, alle Unternehmungen des Feindes zu hindern (durch seine „fleet in being“; dieser jetzt so oft gebrauchte Ausdruck stammt von Herbert); wenn er aber geschlagen würde, dann sei alles bedroht; im übrigen werde die Flotte auf den Befehl hin ihre Pflicht tun.

Am 10. Juli morgens bildete Herbert bei frischem Nordostwind etwa 10–12 sm. südlich von Beachy Head die Schlachtlinie über Backbord-Bug und hielt dann auf die in Lee stehenden Franzosen ab, die ihn über denselben Bug backgebraßt erwarteten.

Stärke und Einteilung der Flotten

    100 K. 80–92 70–80 60–70 50–60 40–50 Brander
Verbündete1) Vorhut3) 2   4   8   7 1   4?
  Mitte 1 4 10   4   2 1   4?
  Nachhut3) 1 2   7   1   2   3?
  Gesamt 2 8 21 13 11 2     11?2)
57 Schiffe; 11 Brander; 3842 Kanonen; 23157 Mann
 
Franzosen1)   104–110 K. 80–90 70–80 60–70 50–60 40–50 Brander
  Vorhut 1   3   2 10   6   6
  Mitte 1   4   1 14   5   6
  Nachhut   5   3   8   5 1   6
  Gesamt 2 12 6 32 17 1 18
70 Schiffe; 18 Brander; 4624 Kanonen, 27-28000 Mann

1) Die verschiedenen Quellen weichen ab. Ich gebe hier die Verbündeten nach de Jonge, Teil III, Beilage XI, ziemlich übereinstimmend mit den englischen Quellen, die Franzosen nach Bonfils, Teil I. De Jonge gibt für diese 6 Schiffe mehr an, Colomb 5 weniger: de Jonge, weil er mehr 40–50 Kanonenschiffe zur Linie rechnet, Colomb wahrscheinlich, weil Tourville sogar einige 50–60 Kanonenschiffe als „zu schwach gebaut“ nicht in die Linie nahm; Angaben über die Schiffe außerhalb der Linie sind sonst nirgend vorhanden.

2)Die Brander der Verbündeten gibt Clowes als 4 + 8 + 8 = 20.

3) Die Vorhut der Verbündeten bestand aus Holländern; die Nachhut geben französische Quellen als von beiden Nationen gemischt an, Clowes und de Jonge erwähnen es nicht, nach den Namen der Schiffe scheint es nicht der Fall. (Namen der Schiffe und Kommandanten im Clowes für alle 3 Nationen; in Bonfils und Delarbre für die Franzosen.)

[437]

Die Flaggoffiziere nach Segelorder der Geschwader und Divisionen.

Verbündete. Vorhut: Vizeadmiral von Callenburgh, Leutnantadmiral Cornelis Evertsen, Vizeadmiral v. d. Putte (zu jeder Division ein Konteradmiral).

Mitte: Vizeadmiral Sir John Ashby, Admiral Herbert, Earl of Torrington, Kontreadmiral Rooke.

Nachhut: Vizeadmiral Sir Ralph Delaval (Divisionschefs nicht angegeben).

Franzosen. Vorhut: Generalleutnant de Villette, Generalleutnant Château-Renault, Chef d'Escadre de Langeron.

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Schlacht bei Beachy Head, 10. Juli 1690.

Mitte: Chef d'E. de Nesmond, Vizeadmiral der Levante Tourville und 2 Chefs d'E. als Vorder- und Hintermann, Generalleutnant d'Amfreville.

Nachhut: Chef d'E. de Flacourt, Vizeadmiral des Atlantik d'Estrées (seinem Vater im Dienstgrade gefolgt), Leutnantgeneral de Gabaret und 1 Chef d'Escadre als Schlußschiff.

Die Schilderung der Schlacht bei Beachy Head ist in allen Quellen[236] ziemlich klar, nahezu übereinstimmend, und kann sehr kurz gegeben werden.

Die verbündete Flotte hielt zugleich auf den Feind ab, Geschwader gegen Geschwader. Die Vorhut, Evertsen, ging dicht heran, holte an den Wind (9 Uhr vormittags), und es entspann sich ein blutiges Gefecht auf nahe Entfernung mit wenig Fahrt (unter „Backen und Füllen“). Genau so verfuhr die Nachhut, Delaval; sie stieß 930 Uhr vorm. mit ihrem Gegner zusammen. Herbert mit der Mitte steuerte nicht genau Schiff auf Schiff auf den Feind, sondern zuerst etwas südlicher; dadurch entstand eine Lücke zwischen ihm und seiner Vorhut. Die erste Division der Mitte, Ashby, sah diese Lücke zu groß werden[438] und versuchte sich der Vorhut zu nähern, ihm folgten dann auch Herbert und Rooke. Die drei Divisionen der Mitte sind infolge dieses Manövers, wenn auch in sich gut geschlossen etwas voneinander getrennt; auch halten sie sich auf weitere Entfernung vom Feinde, bis sie um 10 Uhr vormittags ins Gefecht eingreifen.

Im Kampfe der Nachhuten blieben sich die Aussichten etwa gleich; da bald nach dem Zusammenstoß einige Schiffe der Franzosen aus dem Gefecht holen mußten, wurde ihre Überlegenheit ziemlich ausgeglichen.

Die Holländer aber kamen in eine üble Lage. Beim Heransegeln hatten sie, wie gewöhnlich, mehr gelitten als ihre Gegner (vielleicht hatten sie auch nicht genau Spitze auf Spitze getroffen); Château-Renault sah dies, ließ seine erste Division (de Villette) vorsegeln, wenden und die Holländer von Luward aus dublieren (1 Uhr nachmittags). Von der französischen Mitte, die durch Herbert ja nicht scharf engagiert war und die den Angriff Ashbys abgeschlagen hatte, kam die erste Division (de Nesmond) von hinten auf und dublierte gleichfalls; so war die Vorhut der Verbündeten fast ganz in die Mitte genommen und litt schwer. Bald darauf versuchte dann auch Tourville selbst, mit seiner Division hier einzugreifen; Herbert, der jetzt näher herankommen wollte, war hierzu bei dem flauer gewordenen Winde zu weit ab.

Die Holländer würden völlig vernichtet sein, wenn nicht der Zufall und Evertsens Geschicklichkeit ihnen zu Hilfe gekommen wären. Um 3 Uhr nachmittags wurde es nämlich still, Tourville mußte sich mit Booten tauen; Evertsen aber benutzte die Stille, um sich aus der bedrängten Lage zu befreien, er gab Befehl, mit stehenden Segeln zu ankern, als um 5 Uhr nachmittags die Ebbe stark lief. Die ganze Flotte folgte dann diesem Beispiel; die Franzosen bemerkten oder verstanden dieses Manöver nicht sogleich. Als auch hier der Befehl zum Ankern gegeben wurde, waren sie schon durch den Strom nach Lee (Südwest) aus Schußweite getrieben; damit endete der Kampf.

Die Franzosen geben ihren Verlust auf 500 Tote und Verwundete an. Der der Verbündeten wird größer gewesen sein, besonders aber hatten die Schiffe der Vorhut und Nachhut sehr gelitten; verschiedene der Holländer waren ganz oder teilweise entmastet, andere mit allen Pumpen kaum noch über Wasser zu halten, zwei holländische Kontreadmirale waren gefallen. Zwar war nur ein holländisches Schiff, das nicht geankert hatte und mit forttrieb, genommen worden (es sank später), aber der Zustand der Schiffe — nach de Jonge waren nur noch drei völlig gefechtsfähig; „noch nie sei eine Flotte im ganzen so zugerichtet“ — sollte in der Folge die Schlacht zu einer völligen Niederlage machen.

Die Gründe der Niederlage liegen auf der Hand. Wie stets bei dieser Art des Angriffs kam die Vorhut zuerst und allein ins Gefecht, hatte die heftigste Wirkung des feindlichen Feuers auszuhalten und wurde nicht rechtzeitig entlastet. Was bewog Herbert, der Vorhut nicht zu folgen? Nach Hoste („tactique navale“) hat Herbert die Absicht gehabt, besonders die französische Nachhut anzugreifen und sie zu dublieren (die französische Mitte soll zufällig oder mit Absicht etwas nach Lee eingebogen zur Vorhut und Nachhut gestanden haben; dies soll dem englischen Admiral den Gedanken eingegeben haben). Dann aber war es falsch, zu diesem Zweck zwischen sich und seiner Vorhut eine Lücke entstehen zu lassen und der Vorhut zu erlauben, auf ein ernstes Nahgefecht einzugehen. Er hätte wie Ruyter bei Texel soviel Schiffe des Feindes, von hinten gerechnet, angreifen müssen, wie er niederkämpfen zu können glaubte. Die Vorhut mußte den Befehl haben, die vorderen Feinde nur zu beschäftigen; die geringere Zahl ihrer Schiffe mußte hierzu durch größere Abstände zwischen ihnen, nicht aber durch Lücken zwischen den Geschwadern ausgeglichen werden. Wenn Herbert diese Absicht gehabt hat, so muß er sie doch gleich wieder aufgegeben haben, wohl weil er erkannte, daß Tourville imstande war, die englische Nachhut zu dublieren; um dies stets hindern zu können, hielt er dann vielleicht seine Mitte überhaupt zurück. Zu diesem Verfahren kann und wird ihn aber auch — trotz des Befehls der Königin — seine uns bekannte Ansicht über die Wichtigkeit der Erhaltung der Flotte bewogen haben; wir kommen[439] hierauf bei den Betrachtungen über Strategie (am Schluß des Kapitels) nochmals zurück.

Die Leistungen der Holländer in der Schlacht wurden von den Franzosen und Engländern, von Wilhelm III. und der Königin besonders, anerkannt; Herbert wurde in Haft genommen, zwar kriegsgerichtlich freigesprochen aber nicht wieder verwendet.

Die Schilderung zeigt uns die Niederlage der Verbündeten, der Hauptverlust trat erst nach der Schlacht ein. Ein zusammengerufener Kriegsrat sah ein, daß ein zweites Gefecht unmöglich sei, ja daß man selbst nicht um zurückbleibende Schiffe kämpfen könne, sondern diese zerstören müsse. Abends 9 Uhr mit Einsetzen der Flut trat man den Rückzug nach Osten an, die schwerstbeschädigten Schiffe im Tau von Fregatten. Der flaue Gegenwind zwang häufig während der Ebbe zu ankern, aber mit der besseren Kenntnis der Stromverhältnisse entzog man sich immer mehr den folgenden Franzosen. Tourville hatte zur Verfolgung erst etwas später Anker gelichtet und segelte stets in Formation, anstatt eine allgemeine Jagd anzuordnen; immerhin fiel ihm ein großer Teil der beschädigten Schiffe zum Opfer.

Im Laufe der nächsten Tage mußten zwei mastenlose Holländer verbrannt werden; eins sank vor Anker. Vier setzten sich bei Rye auf den Strand: drei verbrannten sich, nur eins wurde durch Geschicklichkeit und Umsicht seines Kommandanten gerettet. Er ließ sein Schiff halb voll laufen, brachte Kanonen am Lande in Stellung und schlug verschiedene Branderangriffe ab. Auch ein englisches Schiff ging verloren.

Sicher würde der Verlust größer gewesen sein, wenn Tourville seine Galeren zur Stelle gehabt, und vor allem auch, wenn er anders verfahren hätte. Einen geschlagenen und in voller Flucht zurückgehenden Feind soll man mit Ungestüm verfolgen, auf die eigene Ordnung nur soweit Rücksicht nehmen, als nötig ist, um den verfolgenden Schiffen die gegenseitige Unterstützung zu sichern.

Warum nutzte Tourville die Verfolgung nicht besser aus? Mahan sagt (gekürzt): „Die Vorsicht bei der Verfolgung entsprang demselben Charakterzuge Tourvilles, der ihn zwei Jahre später bei La Hogue seine Flotte der fast sicheren Vernichtung entgegenführen ließ, bloß weil er den Befehl seines Königs in der Tasche hatte, so verschieden auch beide Handlungen zu sein scheinen. Er war tapfer genug, um alles zu tun, aber nicht stark genug, um die schwersten Lasten zu tragen.“ (Man denke an Seignelays Ausspruch: „Poltron de tête, mais brave de coeur“.) „Er war nach Beachy Head mit seinen Leistungen in der Schlacht zufrieden, aber kein Nelson, der sagte: Wenn wir von elf Schiffen zehn genommen und das elfte hätten entwischen lassen, während wir es nehmen konnten, so würde ich dies niemals für ein gutes Tagewerk halten. Tourville war der Vorgänger der geschickten aber vorsichtigen Taktiker der kommenden Zeit, allerdings noch voll jener Lust zum Draufgehen, die für die Flottenführer des 17. Jahrh. so bezeichnend ist.“

Am 18. Juli gaben die Franzosen die Verfolgung ganz auf; die Verbündeten ankerten am 20. bei Sheerness. Tourville ging, da auch viele seiner Schiffe[440] schwer beschädigt und knapp an Munition[237] waren, nach Havre; es erregte dies das Mißfallen Seignelays, aber der Admiral war der Ansicht, hier die Flotte schneller wieder gefechtsfähig machen zu können. Nach erfolgter Wiederausrüstung unternahm Tourville nichts von Bedeutung mehr, obgleich man wußte, daß die Verbündeten vor dem 10. September nicht auslaufen würden. Auf Drängen Seignelays, der mit der Leistung der Flotte nach dem großen Siege durchaus nicht zufrieden war, ging er schon am 29. Juli, jetzt mit den Galeren, wieder in See, richtete aber nichts aus. Er erschien vor Torbay, landete (5. August) eine kleine Abteilung, verbrannte einige Häuser und kleine Fahrzeuge in Teignmouth, wurde jedoch durch die aufgebotene Miliz bald zum Wiedereinschiffen gezwungen, anstatt die gehoffte Unterstützung im Lande zu finden. Er zeigte sich auch vor Plymouth, wo Killigrew mit seinem Geschwader und dem Convoi (150–200 Schiffe) lag, hielt es aber nicht für angebracht, den Hafen zu forcieren wie ihm befohlen; nach de Jonge hatten sich dort die Kriegsschiffe in guter Verteidigungsstellung vermoort, Forts und Batterien waren durch die Mannschaften der Kauffahrer verstärkt. Ende August kehrte Tourville nach Brest zurück.

So war die Schlacht bei Beachy Head zwar ein großer Sieg gewesen — der hervorragendste Einzelerfolg, den die Franzosen je über die Engländer errungen —, aber kein entscheidender geworden, weil er weder taktisch noch strategisch genügend ausgenutzt wurde. Die Flotte der Verbündeten war zunächst völlig außer Gefecht gesetzt. Die Schiffe beider Nationen besserten in England aus und erst am 26. September lag wieder eine aktionsfähige Macht — jetzt unter dem Befehl von drei Joint-Admirals: Haddock, Killigrew, Ashby — in Spithead; sie zählte gegen 50 Linienschiffe, weil das Mittelmeergeschwader hinzugestoßen war. Also zehn Wochen lang hatten die Franzosen unbestritten die Herrschaft im Kanal — auch in Holland fürchtete man eine Landung und bot die Bürgerwehren auf, um die wichtigsten Küstenplätze zu besetzen —; sie nutzte ihnen nur dadurch, daß ihre Freibeuter unbehindert den feindlichen Handel schädigten.

Für den Landkrieg in Irland war der Seesieg ohne jede Folge, hier war fast an demselben Tage am Boyne die Lage zugunsten Wilhelms schon entschieden.

Jakob II. hatte sich unnütz mit der Belagerung von Städten (z. B. Londonderry) aufgehalten. Nach Wilhelms Landung in Irland hatte ihm Ludwig (dessen Flotte besser die Landung gehindert hätte) geraten, eine entscheidende Schlacht zu vermeiden und sich an den Shannon, in einen ihm völlig ergebenen Teil des Landes, vorläufig zurückzuziehen. Aber Jakob wollte Dublin nicht aufgeben, um seiner Sache nicht moralisch zu schaden; er nahm zur Deckung seiner Hauptstadt eine Stellung am Boyne ein. Hier wurde er am 11. Juli vollständig geschlagen und schiffte sich in Kingsale auf der erwähnten Flottille französischer Fregatten, die eigentlich den St. Georgs-Kanal hätten bewachen sollen, nach Frankreich ein. Er bestürmte nun den König, den Sieg von Beachy Head zu benutzen und ihn mit einer größeren Armee in England landen zu[441] lassen. Ludwig aber, ungehalten über ihn, schlug dies ab und befahl sogar, die französischen Truppen aus Irland zurückzuziehen.

Inwieweit die Rücksicht auf die Trümmer der verbündeten Flotte als immer noch einer „fleet in being“ Tourvilles Lauheit im August hervorgerufen hat, entzieht sich der Beurteilung; Herbert legte in seinem Prozeß großen Wert auf diesen Umstand. Für die frühe Heimkehr der französischen Flotte im August wurden als Gründe „der Zustand der Schiffe“ und „die herannahende schlechte Jahreszeit“ angegeben; vielleicht hat auch die augenblickliche Verstimmung Ludwigs gegen Jakob dazu beigetragen. Ende September ging nur noch ein Teil der Flotte unter d'Amfreville nach Irland hinüber und holte die französischen Truppen zurück. Die Flotte der Verbündeten war noch nicht imstande, dies zu hindern. Am 30. September erschien dann ein Teil mit 7000–8000 Mann unter Marlborough vor Cork. Unter Mitwirkung leichter Schiffe ward diese Stadt genommen, 300 Offiziere und 5000 Mann Jakobs wurden zur Kapitulation gezwungen, bald darauf fiel auch Kingsale und damit die letzte Stadt Jakobs im Süden Irlands. Ein anderer Teil der Flotte hatte den Handelsschutz gegen die Freibeuter Dünkirchens übernommen; die unbedingte Seeherrschaft Frankreichs war also zu Ende.

Im Oktober legte man, wie üblich, mit Ausnahme der Wintergeschwader auf, einige englische Schiffe blieben ferner in den irischen Gewässern.

Das Jahr 1691. Tourvilles Hochsee-Kreuztour. Für das Jahr 1691 rüsteten beide Gegner mit Macht. Die Franzosen zogen wieder fast alle Streitkräfte in Brest zusammen. Hier lag unter Tourville im Juni eine Flotte von 120 Segeln, darunter wie im Vorjahre 70 Linienschiffe; im Mittelmeer fanden nur etwa 12 Linienschiffe zur Unterstützung des Krieges gegen Spanien Verwendung. Die Verbündeten entwickelten jetzt trotz oder gerade infolge der Niederlage und der Verluste bei Beachy Head eine weit bedeutendere Kraft als im Vorjahre; es kennzeichnet dies wohl im Gegensatz zu Frankreich später den Unterschied zweier Marinen, von denen die eine eine rein militärische Einrichtung ist, während die andere ihre Grundlage in dem Charakter und der Beschäftigung des Volkes hat. Die Flotte der Verbündeten bestand aus etwa 100 Linienschiffen mit Zubehör, darunter 39 Holländer; daneben waren ein gemeinsames Geschwader von 11 Linienschiffen nebst reichlich Fregatten gegen die Freibeuter Dünkirchens sowie zahlreiche Convoischiffe (Holländer 20 zu 20–50 Kanonen) in Dienst gestellt. Aber obgleich die Rüstungen frühzeitig beschlossen und eifrig betrieben wurden, um den Franzosen zuvorzukommen, war die Flotte doch erst wieder Anfang Juni in den Downs seeklar.

In den Niederlanden war der Anstoß zu starker Rüstung wie stets von der Provinz Holland ausgegangen. Die Gründe der Verzögerung waren die alten: Geldmangel infolge des daniederliegenden Handels und Lässigkeit der Landprovinzen; Personalmangel infolge der eigenen Freibeuterei, besonders in Seeland. In England war immer noch der mangelhafte Zustand der Verwaltung ein Hemmnis.

So ist es in den Quellen zu lesen! Wenn man aber immer wieder bei neueren Schriftstellern aller Völker die Klage über „verspätete“ Operationsbereitschaft liest, so drängt[442] sich doch die Frage auf, ob wirklich immer unbeabsichtigte „Verzögerungen“ die Schuld trugen. Auch in den Landkriegen begannen in jenen Zeiten die Operationen häufig erst im späten Frühjahr, selbst noch im Siebenjährigen Kriege.

Die Flotte stand unter dem Befehl des Admiral of the Fleet Russell, das holländische Kontingent unter de Almonde; Tromp war zum Chef bestimmt, starb aber am 29. Mai. Gegenwinde und „andere Umstände“ — wohl hauptsächlich diese, d. h. Nichtbereitschaft — hinderten das Auslaufen bis zum 20. Juni, auch dann brauchte man zehn Tage, um bis Torbay zukommen.

So waren die Franzosen zuerst in See, aber mit ganz anderen Orders als im Vorjahre. Der feurige und ehrgeizige Marineminister Seignelay, der stets die schärfste Offensive gegen die feindlichen Seestreitkräfte im Auge gehabt hatte, war gestorben; sein Nachfolger Pontchartrin war anderer Ansicht. Er bestimmte die Flotte für den Schutz der eigenen Küsten und für die Vernichtung des feindlichen Handels; demgemäß war der Befehl, daß hauptsächlich ein im Juni im Kanal erwarteter großer Convoi englischer und holländischer Levantefahrer abgefangen werden sollte.

Der Befehl[238] lautete (gekürzt): Der englisch-holländische Smyrnaconvoi, auf 30 Millionen Lire Wert geschätzt, am 7. Mai bei Alicante gemeldet und Anfang Juni im Eingange des Kanals erwartet, ist erstes Angriffsobjekt. „Der Fang dieses reichen Convois ist für den König nützlicher als ein zweiter großer Seesieg. Auch andere Convois können der Flotte in die Hände fallen, ohne etwas aufs Spiel zu setzen.“

Die feindliche Kriegsflotte wird an Zahl stärker sein, aber der König hält die seinige in jeder Hinsicht für besser. Dennoch ist der Feind nicht zu suchen, sondern zu vermeiden. Zu schlagen ist nur, wenn man auf wesentlich schwächere Kräfte trifft oder wenn der Feind gegen die französischen Küsten operiert. Dieses letzte aber auch nur, wenn westlich von La Hogue; wenn der Feind östlich im Kanal operiert, sind erst Befehle einzuholen (vielleicht, weil dort keine Zufluchtshäfen waren?).

Wenn bis August nichts vorgefallen ist, wird der Feind viele Kranke haben, dann soll offensiv vorgegangen werden; deshalb größte Sorgfalt für Erhaltung eines guten Gesundheitszustandes auf der eigenen Flotte. Jedenfalls soll die Flotte bis zum 1. September in See bleiben und darf bis dahin nur einige (angeführte) „Rheden“ anlaufen, keinenfalls den Hafen von Brest, falls nicht die Folgen einer Schlacht dies verlangen. (Ist der letzte Teil des Befehls nicht ein Mißtrauensvotum für Tourville?)

Tourville wandte verschiedenes gegen den Befehl ein, so vor allem, daß das Abfangen des Smyrnaconvois ein Kreuzen bei den Scillys verlange, die Aufgabe, die Küsten unter allen Umständen zu sichern, aber ein Verlassen der Küsten nicht erlaube. Er erhielt nur ausweichende Antworten und scheint dann stets die zweite Aufgabe als die wichtigere angesehen zu haben. Dementsprechend operierte er auf seiner sogenannten „Hochseekreuztour“, durch die er den Feind fünfzig Tage lang beschäftigte; diese „Campagne du large“ lebt noch heute als eine der glänzendsten strategischen und taktischen Leistungen in der französischen Marine.

Tourville lief am 25. Juni von Brest aus und kreuzte etwa 20–40 Seemeilen westlich vor der Mitte der Linie Scillys-Ouessant; er richtete einen vorzüglichen Aufklärungsdienst[443] nach allen Seiten ein, um sowohl nach dem erwarteten Convoi wie nach der feindlichen Flotte zu spähen. Russell erfuhr dies Anfang Juli in Torbay und beeilte sich auch, nach dem Eingang des Kanals zu kommen, um den Convoi aufzunehmen; er kreuzte auf der genannten Linie, ohne vom Feinde Kundschaft zu erhalten.

Tourville bekam am 16. Juli (oder kurz vorher) Meldung, daß der Convoi am 8. südlich von der französischen Flotte gestanden habe. Da aber seit dem Tage südwestliche Winde mit unsichtigem Wetter geweht hatten und er auch von der Anwesenheit Russells rechtzeitig unterrichtet war, nahm er an, daß der Convoi bereits Irland erreicht habe und unter dem Schutz der feindlichen Flotte stehe; er sah deshalb von einer ernstlichen Verfolgung ab, zumal da er auch durch Stillen und Nebel behindert war. Seine Annahme war richtig; der Convoi war am 16. in Kingsale eingetroffen; Russell, der um diese Zeit gerade sein erfolgloses Suchen eingestellt hatte und unter die irische Küste gegangen war, traf auf ihn und führte ihn zunächst etwas den Kanal hinauf.

Dagegen erfuhr Tourville von einem aufgegriffenen Kauffahrer, daß ein englischer Transport von zwölf Schiffen nahe, mit Munition und andern Bedarfsartikeln für Westindien, nur gedeckt durch zwei Kriegsschiffe; oder es war ein etwa gleichstarker Convoi von Jamaica; die Quellen weichen ab, doch ist dies wohl ohne Belang. Es gelang ihm während Russells Abwesenheit, die zwei Kriegsschiffe und einige der Transporter zu fangen; dann hielt er sich südlicher, zu Luward von Brest, etwa auf dem 48. Breitengrade. Auch Russell kehrte auf seine alte Beobachtungslinie zurück und suchte den Feind. Es begann nun ein Spiel, das von dem französischen Admiral vorzüglich durchgeführt wurde. Die Kreuzer Russells scheinen stets durch geschickte Manöver getäuscht zu sein; nie wußte man genau, wo Tourville stand. Dieser jedoch war stets unterrichtet, und so gelang es ihm, den Feind die ganze zweite Hälfte des Juli und die erste Hälfte des August hinter sich herzuziehen — auf einem Seeraum vom 49. Breitengrade bis zu dem von Lorient und nach Westen bis auf 120 sm. von Ouessant —, sich dabei stets die Luvstellung und eine Entfernung von 15–30 sm. zwischen den beiden Flotten wahrend. Am 14. August lief Tourville wieder in Brest ein, um neu auszurüsten, und auch Russell ging auf die Kunde hiervon zu gleichem Zweck nach Torbay.

Es war also Tourville nicht gelungen, den reichen Smyrnaconvoi wegzunehmen; nur ein Teil des englischen Transports nach Westindien und einige wenige andere Kauffahrer fielen ihm in die Hände. Er hat aber erreicht, daß die Verbündeten den ganzen Sommer über von ihrer Übermacht keinen Gebrauch machen konnten. Auch zwang er sie, ihre Streitkräfte zusammenzuhalten, und die französischen Freibeuter fanden so die See frei. Wie stets zeichnete sich Dünkirchen im kleinen Kriege aus; das gegen diesen Hafen aufgestellte Geschwader der Verbündeten war nicht imstande, ein Auslaufen völlig zu hindern. Allerdings war der Verlust des englischen Handels nicht so bedeutend, wie er in den nächsten Jahren werden sollte, aber der holländische Nordseehandel litt schwer (auf den kleinen Krieg und besonders auch diesen Umstand kommen wir noch zurück). Endlich war der Verkehr zwischen Frankreich und Irland frei; verschiedene Transporte gingen hinüber.

Ludwig XIV. war von seinem in der ersten Verstimmung über Jakobs Ungeschicklichkeit gefaßtem Beschlusse zurückgekommen und sandte 1691 doch wieder Unterstützung nach Irland. Die vermehrten Anforderungen des Festlandskrieges gestatteten ihm jedoch nicht, dies in ausreichendem Maße zu tun. Im Laufe des Jahres unterwarf Wilhelm III. die ganze Insel und im Anfang Oktober ergab sich der Rest der irisch-französischen Truppen bei Limerik unter der Bedingung freien Abzuges nach Frankreich.

[444]

Die englisch-holländische Flotte ging am 7. September nochmals nach dem Eingange des Kanals. Am 9. aber setzte ein schwerer Sturm ein und versprengte sie völlig; 3 englische Linienschiffe gingen verloren, die Mehrzahl der Schiffe erlitt schwere Beschädigungen und erst nach und nach sammelte man sich wieder in Spithead. Bald darauf wurde mit der Abrüstung begonnen, zunächst durch Außerdienststellung der schweren Schiffe. Ein Geschwader von 24 Linienschiffen wurde für das Mittelmeer bestimmt, jedoch vor Abgang festgehalten; ein anderes gleich starkes blieb bis Ende November an der irischen Küste, ein Teil davon brachte dann einen Convoi nach Gibraltar und führte Ostindienfahrer zurück. Im Dezember wurde sonst bis auf ein kleines gemischtes Wintergeschwader allgemein aufgelegt.

Weshalb Tourville nicht wieder in See ging, ist aus den Quellen nicht recht zu ersehen. Allerdings war nach Auffüllung der Vorräte und nach Ausführung der nötigen Ausbesserungen wohl fast der 1. September herangekommen, der in seiner ersten Order als Schluß der Operationen vorläufig angesetzt war; er erhielt jedoch keine neuen Befehle. Wir wissen, daß 1691 auch der Landkrieg im allgemeinen lauer geführt wurde, und französischerseits scheinen die Sommerfeldzüge zur See stets noch kürzer, als so schon üblich, bemessen zu sein. Wiederum mußte er sich darüber verantworten, daß er nicht genug getan habe, und er hatte doch seinem Befehle entsprochen; freilich war ihm der Smyrnaconvoi entgangen — aber doch hauptsächlich, weil dieser vom Wetter begünstigt — und an leitender Stelle hatte man gerade gehofft, hierdurch dem Gegner einen schweren Schlag zu versetzen und die eigenen Kassen zu füllen. Sein Einlaufen in Brest vor dem erlaubten Zeitpunkt begründete Tourville damit, daß er dort die Flotte hätte schneller und sicherer wieder schlagfertig machen können als auf Rhede.

Von der französischen Atlantikflotte ging 1691 nur noch ein Geschwader im November nach Irland, um die Trümmer der Armee, gemäß den Kapitulationsbedingungen, und einige Tausend auswandernder Irländer nach Frankreich zu holen.

Im Mittelmeer[239] beteiligte sich während des Sommers 1691 ein Geschwader von 12 Linienschiffen, einigen Fregatten und Mörserbooten sowie 26 Galeren unter d'Estrées an Catinats Belagerung von Villafranca und bombardierte Oneglia; dann unternahm man Demonstrationen mit Beschießungen gegen einige andere spanische Küstenstädte (Alicante und Barcelona). Bei der letzteren Gelegenheit wurden die französischen Seestreitkräfte durch ein überlegenes spanisches Geschwader — 17 Linienschiffe — vertrieben, als Barcelona fast zur Zahlung einer bedeutenden Kontribution gezwungen war; zum Zusammenstoß auf See kam es jedoch hierbei nicht.

Das Jahr 1692. Schlacht bei Cap Barfleur-La Hogue. Im Frühjahr 1692 wurde der Krieg, wie bereits erwähnt, überall wieder besonders heftig aufgenommen. Wilhelm III. war in Holland eingetroffen und belebte die[445] Kriegführung auf seiten des Bundes; Ludwig griff energisch auf allen Kriegstheatern des Kontinents an und plante daneben eine Invasion in England — einen letzten großen Versuch zugunsten Jakobs, der gleichzeitig Wilhelm und dessen Truppen vom Festlande abziehen sollte.

Zum Einfall in England wurde eine Armee von 20000 Mann — nach den neuesten französischen Quellen gar 30000 — unter König Jakob und dem Marschall de Belfonds, denen in der Person des Generalintendanten der Justiz und Finanzen der Marine de Bonrepaus (ursprünglich Seeoffizier) ein seemännisch-technischer Beirat gegeben war, an den Küsten des Kanals zusammengezogen — die Infanterie in der Nachbarschaft der Rhede von La Hogue, in Caën und Cherbourg; die Kavallerie, die Munition usw. der leichteren Einschiffung wegen in Havre — und eine Transportflotte von 300 (neuere Angabe 500) Fahrzeugen gesammelt. Eine Flotte von 70 Linienschiffen, in Brest, Rochefort und Toulon in Dienst gestellt, sollte unter Tourville die Überführung der Truppen nach England gegen Ende April sichern.

Ludwig rechnete für den Erfolg der Expedition mit folgenden Umständen: Daß seine Flotte der feindlichen an Kraft und Leistung überlegen wäre; daß sie vor der Vereinigung der Seestreitkräfte Englands und Hollands auftreten würde; daß man in England eine wesentliche Unterstützung durch einen großen Aufstand der Jakobiten fände und daß im besonderen ein großer Teil der englischen Flotte — etwa die Hälfte — nicht gegen ihn fechten würde. In allen diesen Vermutungen täuschte er sich; zunächst wurden seine Rüstungen nicht rechtzeitig fertig und der Beginn der Operationen mußte verschoben werden.

Die Befehle für die Rüstungen waren am 20. Februar erlassen, am 25. April sollte die Flotte von Brest in See gehen und den Armeetransport von La Hogue abholen; man hatte also nur zwei Monate ungünstiger Jahreszeit, um die Flotte in Dienst zu stellen, in Brest zu vereinigen, die Truppen und Transporter zu versammeln.

Bei dem mangelhaften Zustande in der Verwaltung der Werften wurden die Schiffe nicht rechtzeitig fertig. In Rochefort und Toulon waren sie erst Anfang Mai seeklar; auch in Brest konnte eine größere Zahl der Schiffe wegen Personalmangels nur nach und nach bemannt werden. Am 23. April erging deshalb der Befehl an Tourville, die Abfahrt wenigstens bis zum Eintreffen der Rochefort-Schiffe aufzuschieben.

Tourville lag Anfang Mai mit nur erst 39 Linienschiffen segelfertig vor Brest, die Ankunft von 5 Schiffen aus Rochefort stand bevor und von Brest hoffte man noch Verstärkungen zu erhalten; so ging er am 12. in See. An leitender Stelle glaubte man, daß die Gegner auch noch nicht fertig seien und schätzte diese, selbst wenn vereinigt, nur auf 60 Schlachtschiffe; man rechnete immer noch mit der Unzuverlässigkeit vieler englischer Offiziere, mit der Spannung zwischen Engländern und Holländern, mit der Überlegenheit der eigenen Flotte an Zahl und Güte der Schiffe.

Wie sehr der König auf die Überlegenheit seiner Flotte baute, geht aus dem Tenor seiner Instruktion an Tourville[240] vom 16. März hervor: Der Admiral[446] soll am 25. April mit den Schiffen, die bereit sind, in See gehen; soll durch ein vorauszuschickendes Detachement gut segelnder Schiffe die Transporter mit der Kavallerie nach La Hogue holen lassen; er selbst soll auf dieser Rhede die Infanterie — auch auf den Kriegsschiffen — einschiffen; soll nach England gehen, Ort der Landung nach Angabe Jakobs, Bellefonds' und Bonrepaus'; soll nach der Landung die Transporter zurücksenden und selbst zur Verfügung der Armee im Kanal bleiben; soll die Seeherrschaft wahren.

Er soll „unbedingt“ am 25. April auslaufen, auch wenn er gehört, daß der Feind stärker als er selbst in See sei, in diesem Falle nur nichts detachieren. Trifft er den Gegner unterwegs, so soll er ihn „unter allen Umständen“ angreifen und vernichten oder in seine Häfen treiben; liegt der Feind bei Wight, so soll er zu demselben Zweck dorthin gehen; in beiden Fällen die Armee dann überführen.

Kommt der Feind, wenn der Transport unterwegs oder schon in der Landung begriffen ist, soll angegriffen und so hartnäckig gefochten werden, daß die Landung doch ausgeführt werden kann, „es koste was es wolle.“

Nur wenn der Gegner nach vollendeter Landung erschiene, darf der Admiral einem Gefechte ausweichen, „falls der Feind mehr als 10 Linienschiffe stärker sei“; hiervon habe er sich aber „persönlich, nicht nur durch Aufklärungsschiffe“, zu vergewissern.

Dieser Befehl ward noch verschärft durch den handschriftlichen Zusatz des Königs: „Ich füge eigenhändig hinzu, daß dies mein strikt zu befolgender Wille ist.“

Aber auch die Verbündeten hatten stark gerüstet und waren infolge der Verzögerung auf französischer Seite noch rechtzeitig fertig geworden. Wilhelm III. war gleichfalls mit dem Gedanken einer Landung in Frankreich umgegangen, um den Feind vom Landkriege abzuziehen. Diesem Plane waren die Niederlande nicht geneigt, da sie fürchteten, daß dann englische Truppen vom Festlande zurückgezogen würden; anderseits sahen sie ein, daß eine England drohende Landung dieselbe Maßnahme nach sich ziehen müsse. Sie waren deshalb bereit, ein starkes Kontingent zur gemeinsamen Flotte zu stellen und beschlossen die frühzeitige Indienststellung von 48 Linienschiffen mit reichlichem Zubehör. Die alten Gründe verzögerten wieder die Ausrüstung; erst Anfang Mai gingen die ersten Schiffe nach dem Sammelpunkt bei Rye, nach und nach folgten weitere, doch fehlten bei Beginn der Operationen noch etwa 20 Linienschiffe, die erst nach der großen Schlacht zur Flotte stießen. In England hatte man bei Portsmouth zusammengezogen, was an Truppen aufzustellen war, und die Königin drückte persönlich auf Beschleunigung der Indienststellung einer großen Zahl von Schiffen. Auch hier hinderten die Verhältnisse wie im Vorjahre die Ausrüstung; erst am 18. Mai trafen etwa 30 Linienschiffe bei Rye ein. So kam es wohl, daß die Franzosen noch Mitte Mai immer nur mit 50–60 Schiffen der Gegner rechneten; es waren aber noch zwei englische Geschwader im Dienst und nahe bei der Hand.

Diese kreuzten schon seit April unter Delaval und Carteret im Kanal zur Beobachtung der französischen Küste bis La Hogue; eins war mit Convoi aus dem Mittelmeer zurückgekehrt, das andere eigens zu diesem Zweck aus den zuerst fertigen Schiffen zusammengestellt.

Diese vereinigten sich am 23. Mai auf der Rhede von St. Helens mit der Hauptflotte unter Russell, die dadurch 88 Linienschiffe über 50 Kanonen stark wurde. Da man Tourvilles Auslaufen erfahren hatte, wurden sofort[447] Fregatten vorgeschickt und die Hauptflotte ging am 28. mittags zur französischen Küste hinüber. Die Holländer sagen, Russell habe hierzu erst Befehl von London einholen wollen, der holländische Chef Almonde aber im Kriegsrate auf sofortigem Segeln bestanden; wenn dies richtig, so ist es der Sache sehr dienlich gewesen.

Die Franzosen traten somit weder überlegen noch überraschend auf. Tourville war nach dem Inseegehen noch durch Westwinde unter der Küste festgehalten, dann mußte er im Eingang des Kanals gegen steifen Nordost aufkreuzen. Während dieser Zeit stießen zwar die 5 Schiffe von Rochefort zu ihm, aber weitere Verstärkungen aus Brest und vor allem die Schiffe aus Toulon kamen nicht.

Von Toulon waren Anfang Mai 13 Linienschiffe unter d'Estrées ausgelaufen. In der Straße von Gibraltar traf sie am 18. Mai ein schwerer Sturm; 2 Schiffe strandeten bei Ceuta, die übrigen wurden schwer beschädigt: erst im Juli erreichte das Geschwader Brest.

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Edward Russell.

Am 27. Mai endlich wurde der Wind günstig und Tourville steuerte kanalaufwärts. Es war zu seinem Verderben; länger festgehalten, würde ihn voraussichtlich noch rechtzeitig der Befehl erreicht haben, weiter vor Brest zu kreuzen, bis d'Estrées und andere Verstärkungen eingetroffen seien. (Dasselbe wäre möglicherweise der Fall gewesen, wenn die Verbündeten gegen Almondes Rat nicht sofort gesegelt wären.) Ludwig, der bei der Belagerung von Namur anwesend war, hatte sich Anfang Mai doch überzeugt, daß alle seine Voraussetzungen für einen Erfolg in die Brüche gegangen seien. Seine Flotte hatte nicht die beabsichtigte Stärke erreicht; die Vereinigung der Gegner stand bevor; die Hoffnung auf den Abfall englischer Offiziere war erschüttert. Infolgedessen wurden bald Befehle gegeben, die den veränderten Verhältnissen Rechnung trugen (nach Delarbre datiert vom 9. und 12. Mai). Sie erreichten Tourville nicht und ebensowenig ein letzter, der ihm Kenntnis von Änderungen im Operationsplan sowie von der nun schon erfolgten Vereinigung der Gegner geben sollte und den Befehl des Zurückgehens wiederholte. Dieser letzte Befehl wurde am 27. Mai durch 10 Schnellsegler von verschiedenen Kanalhäfen aus abgesandt; die Fahrzeuge stießen, teilweise durch Nebel behindert, nicht auf die Flotte.

In England waren allerdings die Jakobiten eifrig am Werke gewesen. Es sollen die Aufstellung verschiedener Regimenter für Jakob völlig vorbereitet gewesen und[448] hohe Personen, die bisher zu Oranien hielten, für ersteren gewonnen oder doch unsicher gemacht sein. (Marlborough! Russell!?) Ludwig war über alles dieses gut unterrichtet; freilich wird gesagt, daß derartige Gerüchte teilweise auch von Gutgesinnten ausgesprengt seien, um Ludwig zu täuschen. Doch selbst die Königin hegte Befürchtungen; sie schrieb diese an Russell mit dem Hinzufügen, sie könne sich nicht denken, daß die Flotte ihre Pflicht vergäße. Daraufhin aber traten am 25. Mai die Flagg- und Stabsoffiziere zusammen und unterzeichneten eine Ergebenheitsadresse (Russell war abwesend durch Zufall oder mit Absicht? Seine politische Zuverlässigkeit wird von mehreren Autoren angezweifelt). Auch dies kam sofort zu Ludwigs Kenntnis. Schon früher war das Triumvirat der Führer in La Hogue durch die Verzögerung der Expedition unsicher geworden und hatte den Operationsplan geändert; wir brauchen nicht darauf einzugehen, da die Beschlüsse nie zur Ausführung kamen (Näheres vgl. Delarbre). Bemerkenswert ist nur, daß auch in diesen, vom König genehmigten Beschlüssen immer noch eine Unterschätzung des Feindes (65 Schiffe) und eine Überschätzung der eigenen Kraft (augenblicklich 52, nach Ankommen der Verstärkungen 70 Schiffe) zu ersehen ist.

Am 29. Mai, zwischen 3 und 4 Uhr morgens, sichteten sich die Gegner einige Seemeilen nördlich vom Cap Barfleur; es wehte leichter Südost und war diesig; die Franzosen standen zu Luward. Beide Flotten formierten die Gefechtslinie über Backbord-Bug und Tourville führte dann die seinige zum Angriff heran, Geschwader gegen Geschwader und Flaggschiff gegen Flaggschiff.

Die Stärke der Flotten.[241]

Schiffe von 90-b. üb. 100 K. 80–90 70–80 60–70 50–60 26–464) kleinere Brander
Verbündete Vorhut1)   5 3   5   8   5   8 10   7
Mitte       82) 2 11   3   6   6 ? 12
Nachhut       83) 1 13   4   6   6 ? 11
21 6 29 15 17 20 ? 30
88 Linienschiffe über 50 K.; 30 Brander; 6756 Geschütze; 38–39000 Mann.
Franzosen Vorhut 2 1 2 10     13
Mitte 3 3 2   4 4 3 ?
Nachhut 1 1 4   5 3
        6(9)5)     5(6)     8(8)         19(16)     7(5)      13
45(44) Linienschiffe über 50 K.; 13 Brander; 3083(3248) Geschütze; (21400) Mann.

1) Vorhut der Verbündeten das holländische Kontingent.

2) Darunter 5 zu 100 Kanonen, die andern zu 90 Kanonen.

3) Darunter 1 zu 100 Kanonen, die andern zu 90 Kanonen.

Es ist bemerkenswert, daß in allen Quellen die englischen Schiffe gleichstark armiert angegeben werden: zu 100, 90, 80, 70 usw. Kanonen; also scheinbar sehr gleichmäßig.

4) Nicht in der Linie; vielleicht nur bei den Holländern einige über 40 Kanonen.

5) Die eingeklammerten Zahlen nach de Jonge; die Hauptzahlen nach Troude.

[449]

Die Flaggoffiziere:

Verbündete I. Division II. Division III. Division
Vorhut: V.-Adm. Callenburgh Lt.-Adm. v. Almonde V.-Adm. v. d. Putte
  (1. Kontreadm.) (1. Kontreadm.) (1. Kontreadm.)
Mitte: V.-Adm. Sir R. Delaval Adm. Russell K.-Adm. Sir C. Shovel
Nachhut: V.-Adm. Rooke Adm. Sir J. Ashby K.-Adm. Carteret
Franzosen  
Vorhut: Chef d'Esc. de Nesmond Lt.-Gen. d'Amfreville Chef d'Esc. de Relingue
Mitte: Lt.-Gen. de Villette V.-Adm. Tourville de Langeron
Nachhut: Chef d'Esc. de Coëtlogon Lt.-Gen. de Gabaret Pannetier

Die Verbündeten waren also mindestens doppelt so stark als die Franzosen. Sie waren erstaunt über den Angriff; viele Offiziere, namentlich holländische, sollen in dem Augenblick der Ansicht gewesen sein, Tourville müsse begründete Überzeugung haben, daß ein Teil der englischen Schiffe zu ihm übergehen würde. Nach Bonfils fragte Almonde bei Delaval an, ob er sich auf die Engländer verlassen könne; dieser antwortete: „Ich weiß nicht, worauf sich der Verdacht gründet, kann aber für mich einstehen.“

Es ist von älteren und neueren Autoren viel darüber geschrieben weshalb Tourville unter solchen Umständen den Kampf suchte, den er doch bei seiner Luvstellung vermeiden konnte. Alle Auslassungen hierüber abwägend, muß ich mich der Ansicht anschließen, die immer die meistverbreitete gewesen ist: Tourville hat blindlings nach der ersten, der einzigen ihm zugegangenen, Instruktion gehandelt, und zwar nach folgendem Satze in dieser[242]: „En cas qu'il (der Admiral) les (die Feinde) rencontre à la Hogue (auf dem Wege, den Transport abzuholen), Sa Majesté veut, qu'il les combatte en quelque nombre qu'ils soient, qu'il les poursuive jusque dans leurs ports usw.“

Er wurde darin bestärkt dadurch, daß er die Zahl der Feinde unterschätzte, daß er glaubte, nur auf die englische oder nur auf die holländische Flotte gestoßen zu sein — er konnte die Stärke bis dicht vor dem Zusammenstoß nicht feststellen, da es neblig war — und daß er mit der Unzuverlässigkeit eines Teils der Engländer rechnete. Von allen Veränderungen in der Lage der Dinge hatte er ja keine Nachricht; dagegen zog er aber auch nicht in Erwägung, daß der ihm gegebene Befehl mit 70, ja selbst ohne das Mittelmeergeschwader doch mit nahe an 60 französischen Linienschiffen gerechnet hatte. Er fürchtete vielleicht auch, daß ein Ausweichen niederdrückend für den Geist auf der eigenen, aufmunternd für den auf der anderen Seite sein würde. Als sicher aber kann man annehmen, daß seine eigene Gemütsverfassung eine große Rolle bei dem Entschlusse gespielt hat: Sein vorsichtiges Verhalten 1690 und 1691 war von leitender Stelle herb beurteilt. Als er in diesem Jahre Bedenken in Hinsicht auf seine Instruktion geäußert hatte, da die Zeit unbenutzt verfloß und seine Flotte so schwach blieb, ergingen ähnliche kränkende Antworten; so schrieb Pontchartrin[243] z. B.: „Es ist Ihre Pflicht zu gehorchen,[450] nicht die Befehle zu diskutieren, sonst wird man einen gehorsameren und „weniger behutsamen(!)“ Mann finden.“ Er wußte, daß man dem König nahe gelegt hatte, ihm (Tourville) fehle der Mut — man denke an den eigenhändigen Zusatz des Königs unter der Instruktion —; so glaubte er, es seiner Ehre schuldig zu sein, dem Befehle dem Wortlaute gemäß und ohne weitere Überlegung nachzukommen. Persönlich mutig war er, doch hatte ja schon Seignelay von ihm gesagt, er wage nicht, große Verantwortung zu übernehmen (Poltron de tête); eine solche Verantwortung war hier, von dem Buchstaben des Befehls abzuweichen.

Im Mahan, Teil I, Seite 184 steht — allerdings nur in einer Anmerkung —, daß nach einem neueren französischen Schriftsteller de Crisenoy die Instruktion, wenn auch für gewisse Verhältnisse bindend, Tourville doch nicht gezwungen hätte, unter solchen Umständen wie am 29. Mai zu fechten (Clowes deutet Ähnliches an). Meines Wissens ist die Schrift Crisenoys nicht neuer als die Biographie Tourvilles von Delarbre, und dieser gibt nur die früher im Auszuge gebrachte Instruktion, nach der ein Ausweichen allein „unter bestimmten Umständen nach erfolgreicher Landung“ erlaubt war.

In Betreff eines anderen Punktes scheint Crisenoy recht zu haben. Die meisten bisherigen Schilderungen sagen nämlich, vor der Schlacht habe Tourville seine Admirale zusammengerufen und gefragt, ob man fechten dürfe. Als alle dieses verneinten, habe er die Order des Königs gezeigt und nun hätten alle mit „Vive le roi“ (die Szene wird sehr dramatisch geschildert) dem Entschlusse Tourvilles zugestimmt. Crisenoy verweist diesen ganzen Kriegsrat in das Gebiet der Fabel und auch Delarbre sagt nach den Memoiren Bonrepaus': Tourville griff an wie ein Rasender, „ohne einen Kriegsrat zu versammeln, wie es doch bei solchen Gelegenheiten der Brauch ist.“

In der Schilderung der Schlacht bei Kap Barfleur, 29. Mai 1692, weichen die Quellen sehr voneinander ab. Englische geben meist nur den Anfang, später einige Momente; sie sagen, ein Festlegen des Verlaufes sonst sei schon zu jenen Zeiten des diesigen Wetters, zuweilen völligen Nebels wegen nicht möglich gewesen; es wird dies seine Richtigkeit haben. Die genaueste Schilderung fand ich im Delarbre (nach „Sue“); ich gebe diese,[244] da sich die Angaben der anderen im allgemeinen damit wohl in Übereinstimmung bringen lassen. Sues Schilderung mag gefärbt sein, aber auch aus den übrigen ist zu ersehen, daß sich die Franzosen ausgezeichnet geschlagen haben und von allen ihren Führern gut geleitet sind; sie hätten sich sonst auch nicht so aus ihrer verzweifelten Lage ziehen können, wie sie es taten.

[Russell lag die Nacht vom 28. auf 29. Mai über Backbord-Bug, Kurs Südsüdost, nach der französischen Küste zu; Wind Südwest, nebelig. Um 3 Uhr früh hörte man Schüsse der Vorposten im Westen, bald meldeten zwei das Nahen des Feindes.] Mit Sonnenaufgang sichteten sich die Gegner auf etwa 21 Seemeilen. Tourville konnte die Zahl der Feinde nicht genau feststellen, setzte seinen Kurs mit raumen Winde fort und entschloß sich, auch als er den Feind zählen konnte, doch zum Angriff. Russell erwartete ihn beigedreht. Da es flau war, ging die Annäherung nur langsam vor sich; beide Gegner benutzten die Zeit zum Ausrichten, so daß vor dem Zusammenstoß die Gefechtslinien recht gut formiert waren, soweit es auf französischer Seite der Angriff und auf englisch-holländischer Seite der flaue Wind gestatteten.

[451]

Der Angriff war im allgemeinen, wie üblich, Geschwader auf Geschwader angesetzt, wurde aber nicht genau so durchgeführt. Tourville steuerte direkt auf Russell zu und somit Mitte auf Mitte beider Gefechtslinien. Die erste Division der Vorhut (Nesmond) aber segelte auf die vordersten Schiffe der feindlichen Vorhut (Callenburgh) zu, um zu verhindern, daß diese bei der bedeutend längeren Linie der Verbündeten ohne Gegner blieben und imstande wären, die französische Spitze zu dublieren. [In der Tat hatten die Holländer den Befehl, dieses sofort anzustreben.] Dadurch entstand eine Lücke zwischen der I. Division (Nesmond) und der II. (d'Amfreville), namentlich aber auch eine solche zwischen der III. der Vorhut (Relingue) und der I. der Mitte (de Villette), und es war die Gefahr vorhanden, daß die III. Division der Holländer (v. d. Putte) bei näherem Herangehen ohne Gegner bleiben, durch diese Lücke durchbrechen und die französische Vorhut von achtern oder die französische Mitte von vorn dublieren würde; standen in den Gesamtvorhuten doch nur 15 (14?) Schiffe der Franzosen, 26 der Holländer gegenüber. D'Amfreville hielt sich deshalb sehr richtig mit seiner II. und III. Division weiter ab, um einem solchen Manöver stets von Luward her entgegentreten zu können. [Er erweiterte auch die Abstände zwischen den einzelnen Schiffen, um seine Linie zu verlängern.] Von der französischen Nachhut war die III. Division (Pannetier) — wie so oft bei dieser Art Angriff, der ja stets etwas schräg angesetzt werden muß — zurückgeblieben und konnte dies trotz Segelpressen nicht mehr ausgleichen. Die I. (Coëtlogon) und II. (Gabaret) ihrer Divisionen hielten sich aber aufgeschlossen hinter der III. Division der Mitte; so kam es, daß der größere Teil der englisch-holländischen Nachhut keine Gegner erhielt — standen doch auch in den Mitten nur 16 Franzosen 30 Engländern gegenüber.

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Schlacht bei Kap Barfleur, 29. Mai 1692.

Ungefähr um 1030 Uhr vormittags gingen die I. Division der Vorhut, die Mitte und die I. und II. der Nachhut quer ab vom Feinde an den Wind; kein Schuß war bisher gefallen, jetzt schoß ein Holländer, und sofort entbrannte der allgemeine Kampf.

Die französische Vorhut löste ihre Aufgabe vollkommen, allerdings auch durch die Windverhältnisse begünstigt. Sie hinderte sowohl das Dublieren von vorn wie das Durchbrechen vor der Mitte. Ihre I. Division hielt die feindliche Spitze im Schach; die übrigen Holländer versuchten zwar näher an ihre sich hoch am Winde haltenden Gegner heranzukommen, wurden aber durch die Flaute daran gehindert. [So kam nur ihre I. Division in heftiges Feuer, die II. (Almonde) nur auf weitere Entfernung, die III. (v. d. Putte) soll keinen Schuß abgegeben oder erhalten haben.]

[452]

Tourville war mit seinen drei Divisionen der Mitte auf ¾ Musketenschußweite (Pistolenschuß) herangegangen. [Die beiden ersten Divisionen der Nachhut scheinen sich auch ähnlich wie d'Amfreville richtigerweise etwas weiter abgehalten zu haben, um ein Dubliertwerden von achtern zu erschweren.] Der Kampf der Mitten war der heftigste, standen doch fast jedem Franzosen zwei Gegner gegenüber; Tourville („Soleil Royal“ 104) focht mit Russell („Britannia“ 100) und dessen Vorder- und Hintermann (je 100). Es scheint hier jetzt schon die Melee teilweise eingetreten zu sein, da es ganz still wurde und die Gegner durcheinander trieben. [Nach etwa zwei Stunden versucht „Soleil Royal“ sich durch Boote nach Westen abschleppen zu lassen, Russell folgt; „Soleil Royal“ findet Unterstützung durch Schiffe Coëtlogons.]

Um 2 Uhr nachmittags kam etwas Nordwestwind auf. Diesen benutzten die nicht angegriffenen Schiffe der englischen Nachhut — etwa 25 —, die bisher infolge der Stille auch ihrerseits nicht imstande gewesen waren, einzugreifen, um hinter der II. Division der französischen Nachhut vorzubrechen. Sie gingen aber nicht zu Luward der kämpfenden Linie, um die Franzosen von achtern zu dublieren, was ihnen möglich gewesen wäre, sondern sie versuchten, an die noch immer zurückstehende Division Pannetier heranzukommen. Es gelang nicht, da Pannetier geschickt steuerte; er zog sie absichtlich hinter sich her, so daß diese 25 Schiffe bis 7 Uhr nachmittags weiter nutzlos blieben.

In der Schilderung tritt nun eine Pause ein. [Um 3 Uhr nachmittags dichter Nebel und wieder still; allgemeine Unordnung, nur durch Zufall treffen sich die durcheinander treibenden Schiffe; um 5 Uhr nachmittags wird es klarer und etwas Wind aus Ost; man sieht die Franzosen westlich steuern, teilweise durch Boote geschleppt. Russell gibt Signal zum Folgen, kurze Zeit neuer Kampf.] Auch die Zeitangaben schwanken; Delarbre fährt erst mit 7 Uhr nachmittags fort. Um diese Zeit erscheinen einige der englischen Schiffe, die Pannetier gefolgt waren, zu Luward der Franzosen und ankern hier. Tourville in großer Bedrängnis wird wieder von Coëtlogon unterstützt, auch Gabaret kommt heran; also völlige Melee der Mitten und der Nachhuten. Jetzt etwa setzte die Flut ein; Tourville ließ ankern, wie es die zu Luward angekommenen Engländer getan hatten. Auch die französische Vorhut ankerte; sie hatte bis dahin ihre Stellung gegen die Holländer gehalten und hielt sie so weiter, jedoch jetzt ohne Kampf. Die englischen Schiffe in Lee der Franzosen (Russell usw.) ankerten zu spät, so daß sie außer Schußweite trieben. Dennoch kam Tourville nochmals in arge Bedrängnis, als es um 8.30 Uhr abends wieder aufklärte und der Kampf — zu Anker und durcheinander treibend — nochmals bei Mondschein entbrannte. Auch Shovel war es geglückt, mit einigen seiner Schiffe zu Luward zu kommen. Er schickte fünf Brander gegen Tourville, die nur mit Mühe abgeschlagen wurden (zwei durch Boote; einmal kappte Tourville). Sonst aber waren die zu Luward stehenden Engländer jetzt im Nachteil, da der Feind in Lee nicht mehr bedrängt wurde; aus Furcht, bei aufkommendem Winde gefährdet zu sein, kappten sie und ließen sich durch die Feinde zur eigenen Flotte treiben, wobei sie enfilierend arg beschossen wurden. Zwischen 9 und 10 Uhr abends wurde es wieder ganz dick und die Schacht war beendet. [Englische und holländische Quellen erwähnen ein Ankern während des Kampfes nicht; sie sagen, beide Flotten ankerten bei dem letzten Nebel und die Schiffe zu Luward ließen sich dann durchtreiben; doch heben alle französischen Berichte, die unmittelbar nach der Schlacht aufgesetzt sind, gerade das Ankern hervor.]

In dem zehnstündigen Kampfe gegen die ungeheure Übermacht verloren die Franzosen kein Schiff, keines war völlig außer Gefecht gesetzt; die Verbündeten sollen, nach Aussage französischer Offiziere, zwei Schiffe verloren haben, jedenfalls verbrauchten sie mehrere Brander ohne Erfolg. Keiner der französischen Führer hat einen wesentlichen Fehler gemacht, tüchtig haben sie sich gegenseitig unterstützt; die richtige Verwendung der Vorhut hinderte[453] ein Dublieren von vorn; auf seiten der Verbündeten muß man doch wohl das Verfolgen Pannetiers als Fehler bezeichnen.

Clowes, also ein englisches Urteil, sagt: „Russell verdient Anerkennung für das rechtzeitige Zusammenziehen der Flotte; in der Schlacht und in der Verfolgung konnte er kaum weniger leisten. Er gewann einen wichtigen aber keinen glorreichen Sieg. Tourville verlor nur wenig von seinem Ruf; Russell gewann nicht mehr.“

Auch Ludwig erkannte Tourvilles Verdienst an, indem er sagte: „Ein Glück, daß Tourville gerettet ist; Schiffe lassen sich wieder bauen.“ Er ernannte ihn zehn Monate nach der Schlacht zum Marschall; wohl ein Beweis, daß der Admiral nach seinem Sinne gehandelt hatte.

Die Schlacht bleibt eine glorreiche Tat für Tourville und die französische Marine, wenn auch ihre unmittelbaren Folgen verhängnisvoll wurden.

Die Vernichtung vieler Schiffe bei La Hogue und Cherbourg. Am 30. Mai 1 Uhr vormittags kam leichter Ostnordost auf. Tourville gab Befehl zum Ankerlichten und die Schiffe sammelten sich bei dem nächsten Geschwaderchef: bei Tourville 8, bei Villette 15, bei d'Amfreville 12. Um 7 Uhr nachmittags vereinigten sich die Admirale, nun also 35 Linienschiffe stark; von den fehlenden 9 waren 6 unter Nesmond nach La Hogue und 3 unter Gabaret nach der Küste Englands gegangen; diese drei erreichten wohlbehalten Brest.

Russell hatte mit Einsetzen der Ebbe gleichfalls Anker gelichtet und allgemeine Verfolgung befohlen. Am 30. Mai blieben sich die Flotten in Sicht — ankerten während der Flut —, kamen aber nicht auf Gefechtsdistanz, sondern blieben etwa 3 Seemeilen auseinander. Tourville bemerkte jedoch, daß die Verbündeten nach und nach aufkamen, er beschloß deshalb, von dem Rückzuge nach Brest zunächst abzusehen und die bessere Kenntnis der Strom- und Küstenverhältnisse zu benutzen, um sich dem Gegner zu entziehen. Er wollte durch den Blanchard-Kanal — zwischen dem Festlande und den Inseln d'Aurigny (Aldernay) und Jersey — unter die Küste der Normandie laufen und nahm an, daß die Verbündeten die schwierige Passage scheuen würden, der starke Strom, der in diesem Kanal läuft, würde ihm dann schnell einen großen Vorsprung gegeben haben. Aber er beging einen großen Fehler dabei. Sein Flaggschiff „Soleil Royal“, das er für seine Person verlassen hatte, und zwei andere große Schiffe waren schwer beschädigt; sie hielten die Flotte auf und der Admiral wagte nicht, die Verantwortung zu übernehmen, jene allein einen Zufluchtsort aufsuchen zu lassen. Infolge des Wartens auf sie stimmten beim Einlaufen in den Kanal (31. Mai, morgens) die Stromverhältnisse nicht mehr; zwar gelang es 12 Schiffen noch mit der Ebbe den Kanal zu passieren, aber 13 — unter ihnen der „l'Ambitieux“, auf dem sich Tourville jetzt befand — waren genötigt, beim Einsetzen der Flut im Kanal zu ankern. Die Lotsen wählten einen ungünstigen Platz; die Anker hielten nicht oder die Taue brachen; da im Gefecht verschiedentlich gekappt war, besaßen manche Schiffe nur noch ungenügendes Ankergeschirr. Der Admiral mußte mit den 13 Schiffen zurückgehen und beschloß nun, auf der Rhede von La Hogue, wo einige Batterien aufgeworfen waren, möglichst dicht unter Land Schutz zu suchen; auf dem Wege dahin schickte er jetzt die 3 beschädigten[454] Schiffe in den Hafen von Cherbourg, den sie auch erreichten. Er ankerte am 31. abends auf der Rhede und fand hier 2 Schiffe de Nesmonds vor; die 4 anderen Schiffe dieses Admirals waren soeben kanalaufwärts gesegelt und gelangten um Schottland herum glücklich nach Brest.

Russell war tatsächlich vor dem Blanchard-Kanal geblieben. Er sandte nun Ashby mit der Nachhut und einigen Holländern westlich um die Kanalinseln herum zur Verfolgung der Schiffe, denen die Durchfahrt geglückt war, doch entkamen sie unbelästigt nach St. Malo; er selbst folgte Tourville, schickte Delaval nach Cherbourg, und es gelang, die 12 Schiffe vor La Hogue (unter den Augen Jakobs) und die 3 in Cherbourg zu vernichten.[245]

Delaval griff am 31. die 3 Schiffe vor Cherbourg, damals noch ohne Wellenbrecher und ohne Hafen, mit kleineren Linienschiffen und Brandern an, wurde aber durch heftiges Feuer abgeschlagen. Am 1. Juni gelang es, gedeckt durch Feuer der Linienschiffe mit Booten 2 Brander heranzubringen; ein dritter wurde durch das feindliche Feuer zu früh entzündet, doch steckten die begleitenden Boote auch das dritte Schiff in Brand.

Tourville war auf der Rhede von La Hogue mit Jakob und den Führern des Heeres in Verbindung getreten; man hatte beschlossen, die Kriegsschiffe auf das äußerste zu verteidigen, sowie möglichst Mannschaften, Material und Munition zu retten. Die Schiffe wurden bei Flut mit Leinen von Land in der Nähe zweier Forts möglichst hoch auf den Strand geholt und man begann mit Löschen von Material usw. Um sie gegen Brander- und Bootsangriffe besser schützen zu können, wurden alle ihre Boote sowie Fahrzeuge von Land mit Matrosen besetzt, am Lande Batterien gebaut und die Truppen zusammengezogen. Aber die Zeit war nur kurz, große Unordnung herrschte, einheitliche Leitung fehlte; nach einem hochgestellten Augenzeugen soll Tourville den Kopf verloren haben. Russell beauftragte Rooke mit dem Angriff. Am 2. Juni versuchte dieser auch hier, mit leichteren Linienschiffen Brander an eine Gruppe von 6 Schiffen heranzuführen; es mißlang, da das Wasser zu flach war; auch ein Versuch, die Brander mit Booten heranzuschleppen, blieb fruchtlos. Darauf wurden bei Eintritt der Nacht gegen 200 Boote armiert, die feindlichen Boote zurückgeschlagen, die Schiffe geentert und angezündet; in den Bootskampf auf seichtem Wasser sollen selbst französische Reiter eingegriffen haben. Am 3. vormittags wurde, wiederum mit Booten, die andere Gruppe von Schiffen unter dem zweiten Fort vernichtet, auch einige Transporter fielen zum Opfer. Noch im Jahre 1833 waren die Spanten der vernichteten Schiffe zu sehen; bei niedrigem Wasser sind damals verschiedene Überreste geborgen und ins Pariser Marinemuseum geschafft worden.

Der Verlust dieser 15 Linienschiffe, worunter viele der stärksten, war aber kaum die wichtigste Folge der Schlacht: er wäre bei der großen Zahl der vorhandenen Schiffe zu ertragen gewesen und wurde auch zum großen Teil durch Neubau ersetzt. Der Eindruck, den die Niederlage auf die an Ludwigs Erfolge gewöhnte öffentliche Meinung und auch an leitender Stelle hervorbrachte, war bedeutsamer. Eine volkstümliche Waffe war die Marine in Frankreich noch nicht geworden, und wir haben schon gehört, daß Pontchartrin und andere nicht viel von ihr hielten. Jetzt drang die Ansicht dieser Personen, den Krieg zur See nur gegen den feindlichen Handel zu führen, mehr durch und der[455] Marine wurde immer weniger Sorge zugewendet; die französische Flotte trat den feindlichen nicht mehr entgegen. Zunächst hören wir in diesem Jahre gar nichts mehr von ihr; vielen Mannschaften wurde erlaubt, auf Freibeutern zu dienen, die gesammelten Transporter wurden teilweise als solche verwendet und der kleine Krieg blühte.

Aber auch die Verbündeten blieben untätig. Nach den letzten Vorfällen ging das Gros ihrer Flotte zum Instandsetzen nach Wight. Ein kleineres gemischtes Geschwader unter Ashby und Callenburgh kreuzte noch an der Küste, um etwa versprengte Franzosen oder die nach St. Malo geretteten auf ihrem Wege nach Brest abzufangen; es ging auch nach Havre, wo man die Schiffe Nesmonds vermutete, fand diese jedoch — wie wir wissen — nicht und wagte auch nicht, etwas gegen die Transporter dort zu unternehmen; dann vereinigte es sich wieder mit dem Gros. Dieses lief am 28. Juni wieder aus, teilte sich in zwei Teile, von denen der eine westlich im Kanal gegen die St. Malo-Schiffe kreuzte, der andere östlich, um die Verbindung zwischen England und Holland zu sichern.

Nach Colomb (Seite 268) waren die englischen Seeoffiziere der Ansicht, ohne einen gleichzeitigen Landangriff nichts gegen die in St. Malo geborgenen französischen Schiffe unternehmen zu können; es gelang diesen, später unbewacht, nach Brest durchzukommen.

Die englisch-holländische Flotte beherrschte also den Kanal und es wurde auch wieder der Plan einer Landung in Frankreich ins Auge gefaßt. Truppen wurden bei Portsmouth versammelt und Anfang August mit der Einschiffung auf der dort wieder vereinigten Flotte begonnen. Der Plan kam aber nicht zur Ausführung: Befehle und Gegenbefehle von London, Kriegsratsversammlungen der Armee und Marine verzögerten die Maßnahmen; endlich erachtete man die Jahreszeit für die schweren Schiffe zu weit vorgeschritten; holländische Quellen deuten wieder an, daß Russell an der Verzögerung schuld gewesen sei. (Er habe zu denen gehört, die es durch Entfaltung zu großen Eifers nicht ganz mit Jakob verderben wollten.) Das Ergebnis war die Überführung einiger englischer Truppen nach Holland. Gegen die immer zahlreicher auftretenden Freibeuter des Feindes hatte man auch keine ernste Maßregeln ergreifen können, da man die Flotte — schließlich unnütz — stets zusammengehalten hatte.

Im September wurden die schweren Schiffe abgerüstet, andere kreuzten noch im Kanal, bis endlich die Flotte auf die kleinen Wintergeschwader vermindert wurde.

Die Ereignisse der Jahre 1693–1697. Während der weiteren Kriegsjahre führten die Franzosen, wie schon mehrfach erwähnt, den Krieg in der Hauptsache nur gegen den feindlichen Handel, besonders in den nördlichen Gewässern. Wenn auch zuweilen noch größere Flotten zusammengezogen wurden — im Jahre 1693 sogar noch eine solche von 70 Linienschiffen, aber auch nur um einen großen Schlag gegen den feindlichen Handel in führen —, so versuchten diese doch nicht mehr, dem Feinde die Seeherrschaft streitig[456] zu machen. Im Mittelmeer wurden wie bisher stets noch etwas stärkere Geschwader im Dienst gehalten, um an den Küsten im Landkriege zu wirken; im Atlantik waren die Streitkräfte meistens in kleineren Divisionen auf die verschiedenen Häfen verteilt, um diese zu schützen und von ihnen aus gegen die feindlichen Handelsfahrzeuge zu kreuzen. Der Kreuzerkrieg wurde dabei durch die vom Staate in jeder Hinsicht unterstützte Freibeuterei ungemein verstärkt; je weniger Pflege der Marine im Laufe der kommenden Jahre zuteil wurde — wegen Geldmangels, und wegen fehlenden Interesses an maßgebender Stelle —, um so mehr entwickelte sich die Freibeuterei.

Die Tätigkeit der englisch-holländischen Flotten äußerte sich nach drei Richtungen: Unternehmungen gegen französische Küstenstädte, um hierdurch auf den Landkrieg einzuwirken; Unterstützung des Landkrieges in Spanien; Schutz des eigenen Handels. Mit den Angriffen auf die Küstenstädte beabsichtigte man in den meisten Fällen und hauptsächlich, den Kreuzerkrieg des Gegners in seinen Stützpunkten anzugreifen. Um die Gesamtrüstungen der Verbündeten in diesen Jahren richtig beurteilen zu können, sei vorausgeschickt, daß neben den Hauptflotten, deren Tätigkeit uns zunächst beschäftigt, stets ein starkes Geschwader — bis zu 20 Linienschiffen — gegen Dünkirchen aufgestellt war.

Das Jahr 1693 zeigt uns die Kriegführung der Verbündeten in einem sehr trüben Lichte. Unentschlossenheit an leitender Stelle in England — schon Ende 1692 bemerkbar —, der Zustand der Verwaltung in der Marine hier und Uneinigkeit in der Führung der Flotte ließen es nicht nur zu keinerlei Erfolg kommen, sondern führten sogar einen großen Verlust herbei.

Im Oktober 1692 war von England und Holland mit Spanien ein Vertrag abgeschlossen, wonach die schwachen spanischen Seestreitkräfte durch englisch-holländische verstärkt werden sollten, um den Angriffen der Franzosen auf die spanischen Küsten sowie der Bedrohung der Silberflotten entgegenzutreten; England und Holland gedachten dadurch auch ihren Mittelmeerhandel zu sichern und einer Vereinigung der Flotten von Brest und Toulon stets vorzubeugen.

Nach dem Vertrage sollte Spanien 16 Linienschiffe und 25 Galeren stellen, England und Holland je die gleiche Zahl Schlachtschiffe; Spanien sollte in einem seiner Häfen Magazine einräumen, damit die Verbündeten sich einen Stützpunkt schaffen könnten. Dieser Vertrag blieb grundlegend für spätere während des ganzen Krieges, doch wurde Spanien bald lau in der Erfüllung seiner Pflicht.

Das schwache Spanien kam zunächst seiner Pflicht nach, die Verbündeten nicht. Zwar wurden schon im März Schiffe zu diesem Zwecke bestimmt — 4 Holländer, 11 Engländer —, aber sie kamen nicht fort. Befehle wechselten mit Gegenbefehlen. Erst sollte das Geschwader auf Kauffahrer warten, dann hielt man es für nicht stark genug den Franzosen in Toulon gegenüber und endlich wollten die Rhedereien ihm ihre Schiffe nicht anvertrauen.

Außer diesem Mittelmeergeschwader war die Indienststellung einer ebenso großen Hauptflotte wie im Jahre 1692 beschlossen, weil man wußte, daß auch[457] die Franzosen stark rüsteten. Von Mitte April an sammelte sich diese Flotte bei Wight und bestand bald aus 76 Linienschiffen (46 Engländer, 30 Holländer). Russell war seines Postens enthoben worden (Differenzen wegen La Hogue), das Kommando führten 3 Jointadmirals — Killigrew, Shovel, Delaval — auf einem Flaggschiff, das holländische Kontingent kommandierte Almonde; aus den angedeuteten Gründen lag die Flotte wochenlang untätig und auch wohl teilweise unfertig auf der Rhede von St. Helens.

In Frankreich hatte man tatsächlich stark gerüstet, und zwar dem neuen Plane gemäß, den Kampf nur gegen den Handel zu führen, zu einem besonderen Zwecke: dem Abfangen des jährlichen großen englisch-holländischen Levanteconvois bei seiner Ausreise, der ja auch 1691 auf seiner Heimreise Tourville als Hauptangriffsobjekt bezeichnet war. Wieder unter Tourville waren in Brest 71 Linienschiffe zusammengezogen; in Toulon wurden etwa 20 Linienschiffe unter d'Estrées gegen Spanien in Dienst gestellt.

Wie stets bisher, war man in Frankreich durch Spione und Parteigänger Jakobs über alle Vorgänge in England gut unterrichtet. So erhielt man auch jetzt rechtzeitig Nachricht, als die Abfahrt des Convois bevorstand, und Tourville wurde sofort in See gesandt, obgleich die Flotte noch unvollkommen ausgerüstet war, um ihn in der Straße von Gibraltar zu erwarten. In England hatte man sich endlich entschlossen, den Convoi mit dem für das Mittelmeer bestimmten Geschwader segeln zu lassen, da man aber die Stärke der Franzosen in Brest kannte, wurde bestimmt, daß die Hauptflotte bis in den Atlantik mitgehen solle; zu einem rechtzeitigen Festhalten Tourvilles in Brest war sie nicht fertig geworden.

Am 9. Juni verließ alles Wight; der Convoi war an 400 Segel stark. Am 14. Juni, etwa 36 Seemeilen südwestlich von Ouessant, wurden die für Westindien und andere transatlantische Gewässer bestimmten Schiffe mit den üblichen kleinen Bedeckungen entlassen, die Hauptflotte kehrte in den Kanal zurück; das Mittelmeergeschwader unter Admiral Rooke (Holländer unter van der Goes) setzte mit den Kauffahrern für Portugal, Spanien und Mittelmeer die Reise fort.

Auf der Hauptflotte wußte man nichts von dem vierzehn Tage vorher erfolgten Auslaufen Tourvilles. Dieser kaum zu verstehende Fehler wird mit einer Nachlässigkeit im englischen Ministerium erklärt: „Nottingham hatte vor Abgang der Flotte einen Brief erhalten, der Tourvilles Auslaufen meldete; er sandte die der Nachricht angeschlossene Liste der französischen Schiffe an die drei Admirale, der Brief selbst aber wurde vergessen beizulegen.“ Der Führung der Flotte ist aber doch wohl vorzuwerfen, daß sie nicht erkunden ließ, ob Tourville noch in Brest sei. Hätte man gewußt, daß die Franzosen in See waren, so würde doch die Hauptflotte bis zum Mittelmeer mitgegangen sein; so wurde der Angriff Tourvilles auf den Smyrnaconvoi vor Lagos am 27. Juni 1693 ein großer Erfolg.

Rooke entließ an der portugiesischen Küste die nach Lissabon bestimmten Kauffahrer mit einigen Kriegsschiffen, die später wieder zu ihm stoßen sollten; er war[458] so nur 15 Linienschiffe über 50 Kanonen, etwa 10 leichtere Schiffe, 4 Brander und 2 Mörserboote stark, der Convoi zählte noch 130–140 Segel. Anstatt nun gleich in Portugal Nachrichten einzuziehen, steuerte er zunächst von der Küste ab und machte erst am 26. Juni Land bei St. Vincent. (Nur ein leichtes Fahrzeug hatte er nach Lagos vorausgesandt; es kam nicht zurück, da es unter der Küste bekalmt wurde.) Jetzt meldeten seine Vorposten einige französische Schiffe im Süden — es waren die Vorposten Tourvilles —; da diese sich aber zurückzogen und der nördliche Wind günstig war, wurde die Fahrt fortgesetzt. Mit Tagesgrauen am 27. bekam man 10 Linienschiffe und einige kleinere Segel in Sicht; auf einen Angriff gingen auch diese zurück; ein kleines Fahrzeug wurde genommen und sagte aus, Tourville sei allerdings unter der spanischen Küste, aber nur mit 15 Linienschiffen, einen Transport nach Toulon geleitend. Um 10 Uhr vormittags aber sichtete man den Feind überall: voraus 18 Kriegsschiffe, zu Luward 16 (Gabaret) und weiter ab in Lee 40 (Tourville selbst), die ganze Flotte von Brest.

Tourville war am 27. Mai mit 71 Linienschiffen, 4 kleineren Fahrzeugen und 35 Brandern in See und geradeswegs nach Lagos gegangen. (Hier soll er nach Bericht des holländischen Gesandten in Lissabon unter englischen und holländischen Flaggen gelegen haben.) Von hier hatte er sofort zwei starke Geschwader der besten Segler — eben die genannten 18 und 16 Linienschiffe — zum Kreuzen bei Kap St. Vincent entsandt. Er hatte den Befehl: den Convoi abzufangen, aber ein Gefecht zu vermeiden, wenn der Feind viel stärker wäre; an der spanisch-portugiesischen Küste bis Anfang September zu bleiben, aber auch Unternehmungen gegen die französische Küste entgegenzutreten (vgl. seinen Auftrag 1691; der jetzige war wohl noch schwieriger). Als nun Rooke am 27. in Sicht kam, hielt sich Tourville zunächst zurück, um ausweichen zu können, falls es die Hauptflotte der Verbündeten wäre; sobald er aber erfahren hatte, daß es der verhältnismäßig nur schwach bedeckte Convoi war, gab er den Befehl zum Angriff, vor allem dem am günstigsten stehenden Geschwader Gabaret.

Rooke war seit dem Sichten der feindlichen Vorposten am Morgen mit dem Geschwader, in dessen Linie einige der stärksten Kauffahrer eingestellt waren, vor dem Convoi gesegelt. Als er sah, daß bei der Stärke des Feinden ein Widerstand unmöglich war, formierte er die Gefechtslinie hoch am Winde mit einem Kurse nach See zu und gab an die Schiffe des Convois den Befehl, sich auf eigene Faust namentlich unter dem Schutze der Nacht zu bergen; den Schiffen unter Land wurde geraten, spanische Häfen aufzusuchen, den weiter in See befindlichen gewährte das Geschwader vorläufig eine Deckung. Das vorderste französische Geschwader Gabaret, das aus den bestsegelnden Schiffen bestand, kam gegen Abend (6 Uhr nachmittags) an Rooke heran. Zwei holländische Schiffe opferten sich, indem sie das Gefecht aufnahmen, nach Land zu wendeten und einen Teil der Feinde auf sich zogen; sie wurden nach hartnäckigem Widerstande genommen; das übrige Geschwader entzog sich während der Nacht dem Feinde. Am andern Morgen sah Rooke nur noch wenige Gegner, die bald von der Verfolgung abstanden; er erreichte mit dem Geschwader und etwa 50 Kauffahrern wohlbehalten Madeira.

Es wird Gabaret der Vorwurf gemacht, daß er das Geschwader angegriffen und dazu sogar seine vordersten Schiffe zurückgerufen habe, um erst die Gefechtslinie zu formieren, anstatt gleich an die Verfolgung und Vernichtung der verstreuten Kauffahrer zu gehen oder wenigstens durch die vordersten Schiffe das feindliche Geschwader rechtzeitig festhalten zu lassen.

Einem zweiten Teile der französischen Flotte (wohl dem 18-Schiffe-Geschwader) gelang es während der Nacht die unter Land segelnden Fahrzeuge des Convois zu umzingeln und am nächsten Tage zu nehmen oder zu zerstören; viele wurden durch die eigene Besatzung auf Strand gesetzt und versenkt oder verbrannt. An dieser Vernichtung beteiligten sich wahrscheinlich auch Schiffe des erst später herangekommenen Gros. So gingen gegen 70 (90?) englisch-holländische Kauffahrer — mit einem Werte von einer Million Lstrl. — verloren; einige wenige erreichten spanische Häfen. Der Verlust würde voraussichtlich noch weit bedeutender gewesen sein, wenn Tourville nicht — allerdings[459] seiner Instruktion entsprechend — das Gros seiner Flotte anfangs so vorsichtig zurückgehalten hätte.

Die Hauptflotte der Verbündeten war nach der Trennung von dem Convoi einige Tage vor dem Kanal geblieben, um Tourville in Brest zu beobachten, bis man über England von dessen Auslaufen Nachricht erhielt; nun ging sie nach Torbay zurück (2. Juli dort), um „Vorräte zu ergänzen“ und „Befehle einzuholen“ — bezeichnend für die Art der Ausrüstung der (englischen) Schiffe und für die Leitung. Der hier zusammentretende Kriegsrat sah wohl ein, daß sofortiges Abgehen nach der spanischen Küste das richtigste sei, um Tourville vor oder nach seinem Anschlage gegenüberzutreten, aber erst am 21. Juli war man seeklar und konnte wegen Gegenwindes gar erst am 27. endgültig unter Segel gehen, nachdem nunmehr auch die Sprengung des Convois bekannt geworden war. Die Flotte kreuzte wiederum vor Brest, „die Rückkehr Tourvilles erwartend,“ dann mußte auch die Absicht aufgegeben werden, weil die dorthin bestellten englischen Proviantschiffe ausblieben. Die Flotte kehrte am 26. August nach Torbay, am 8. September nach St. Helens zurück und wurde bald bis auf das Wintergeschwader — in diesem Jahre ziemlich stark, z. B. 18 holländische Linienschiffe, aber wie üblich keine schweren — aufgelegt.

Die Untätigkeit der Flotte, insbesondere das Schicksal des Convois, legte die englische Nation (Haus der Gemeinen) den drei Oberbefehlshabern zur Last; in einer Untersuchung wurden sie aber freigesprochen, die Hauptschuld traf auch wohl die Leitung von London und die Verwaltung. Jointadmirale ernannte man aber nicht wieder, oder doch nur einmal unter ganz anderen Umständen (einen Oberbefehlshaber für die See- und einen für die Landoperationen einer Expedition).

Tourville war nach der Vernichtung des Convois ins Mittelmeer eingelaufen und hatte sich am 18. Juli vor Malaga mit dem Toulon-Geschwader vereinigt. Er mußte annehmen, im Atlantik jetzt der weit stärkeren Hauptflotte des Feindes zu begegnen; er bedurfte der Ausrüstung, da er ja Brest sehr eilig verlassen hatte, auch war so die französische Seeherrschaft im Mittelmeer unbedingt gesichert. Die spanische Küste entlang laufend, gelang es ihm noch, in Gibraltar (durch Brander) und in Malaga (durch armierte Boote) einige englische und holländische Schiffe zu zerstören. Dann aber blieb die ganze, jetzt 94 Linienschiffe (190 Segel) starke Flotte untätig in Toulon liegen; Mitte September kehrte der Admiral mit den Atlantik-Schiffen ungehindert nach Brest zurück.

Von dem Jahre 1693 ist nur noch das Bombardement von St. Malo zu erwähnen. Von dieser Stadt aus wurde die Freibeuterei jetzt ebenso erfolgreich betrieben wie von Dünkirchen. Ende November erschien hier ein englisches Geschwader von Linienschiffen IV. Klasse, kleineren Fahrzeugen, Brandern und Mörserbooten; ein besonders konstruierter Brander war beigegeben.

Dieser Brander — Machine oder Infernal genannt; in England durch einen holländischen Ingenieur Meesters konstruiert — war ein altes Hafenfahrzeug von 350 tons mit ausgemauertem Boden, gefüllt mit losem Pulver und solchem in Fässern,[460] darüber eine dicke Schicht von Pech, Harz, Werg und dgl. Alles war so gestaut, daß eine Entzündung schnell um sich greifen mußte; auf der deckenden Schicht lagen Brandgeschosse, Kugeln und Ketten.

Stadt und Hafen von St. Malo waren gedeckt durch einige Forts auf kleinen Inseln. Das Geschwader ankerte am 26. November bei Cap Fréhel, sandte schon nachmittags einige Mörserboote gegen das äußerste Fort, vertrieb die Franzosen hier und errichtete eine Batterie. Am 27. wurden dann die übrigen Befestigungen von hier aus und durch die Mörserboote beschossen; der Erfolg war jedoch gering infolge schlechter Munition (vgl. Seite 174), das Feuer wurde kräftig erwidert, die Mörserboote und die sie deckenden Schiffe mußten zurückgehen. In der Nacht vom 30. November bis 1. Dezember wurde der Infernal losgelassen. Bei glatter See und auflandigem Winde kam er bis auf 50 Schritt an die Stadtmauer heran, wurde nun aber durch eine Windveränderung auf einen Felsen geworfen und leck gestoßen; entzündet, zerstörte er dennoch gegen 300 Häuser.

Es ist dies der erste Fall der Unternehmungen gegen französische Städte. Da sie keinen Einfluß auf den Krieg hatten und nur die friedlichen Einwohner schädigten, werden sie — auch von englischen Autoren — als nutzlos und barbarisch bezeichnet. Man muß doch aber wohl die von den englischen Quellen angeführte Entschuldigung gelten lassen, daß Ludwig XIV. durch das Bombardement von Genua 1684 das Beispiel zu solchen Unternehmungen gegeben habe, auch daran denken, daß man in ihnen ein wirksames Mittel gegen die sonst nicht niederzuhaltende Freibeuterei zu finden hoffte.

Wenn wir im Jahre 1693 noch einmal eine große französische Flotte sehen und infolgedessen auch ein Zusammenhalten der Streitkräfte Englands und Hollands, so treten jetzt von 1694 an die Verhältnisse in der Kriegführung, wie sie vorhin angedeutet sind, völlig ein. Die Franzosen stellten im Atlantik etwa 50 Linienschiffe in Dienst, von denen einige ins Mittelmeer gesandt, die anderen in kleinen Divisionen auf die Häfen am Kanal und Atlantik verteilt wurden. Im Mittelmeer verfügte Tourville so über eine Flotte von etwa 20 Linienschiffen und die Galeren; er griff von Anfang Mai an in den spanischen Landkrieg ein — Eroberung von Palamos; Belagerung von Barcelona —, in dem bekanntlich Ludwig in diesem Jahre wieder kräftig und, eben durch Unterstützung der Flotte, anfangs auch erfolgreich vorging. Die Divisionen in den nördlichen Gewässern sollten nur zum Schutz der Küste und zum Kreuzerkriege dienen; jetzt begann Frankreich, den feindlichen Handel ganz besonders heftig mit kleinen Divisionen von Kriegsschiffen oder von Freibeutern anzugreifen. Die Verbündeten hatten auch für dieses Jahr stark gerüstet und waren jetzt in der Lage, ihre Streitkräfte für die verschiedenen Aufgaben zu teilen und den Spaniern die vertragsmäßige Hilfe zu bringen. Kurz seien die Operationen des Jahres 1694[246] aufgeführt.

Am 6. Januar ging ein gemeinsames Geschwader von 25 Linienschiffen unter Vizeadmiral Wheeler (die Holländer unter Callenburgh) mit einem Convoi nach dem Mittelmeer. Es hatte den Befehl, die Levantefahrer des Convois bis Malta zu führen, dann von Cadiz aus die Silberflotten zu sichern und später zurückkehrende[461] Levantefahrer heimzugeleiten. Am 28. Februar verlor dieses Geschwader in einem schweren Sturm nahe bei Gibraltar 4 Linienschiffe, darunter das Flaggschiff mit dem Admiral; unter Callenburgh kehrte es nach Cadiz zurück, weil es ein Zusammentreffen mit der Toulonflotte fürchtete, und war nicht einmal imstande, die von Brest abgegangenen französischen Schiffe (am 14. Mai bei Gibraltar) an ihrer Vereinigung mit Tourville zu hindern.

Die Hauptflotte der Verbündeten unter Russell (Holländer unter Almonde) begann sich im April zu sammeln. Im Mai wurde der Versuch gemacht, die von Brest nach Toulon bestimmten Schiffe festzuhalten; man kam zu spät, vernichtete aber einen feindlichen Convoi. Im Juni waren gegen 80 Linienschiffe bei St Helens vereinigt; es wurden jetzt (15. Juni) zwei Flotten formiert. Russell selbst ging mit 44 Linienschiffen zum Mittelmeer, vereinigte sich am 11. Juli mit dem dort befindlichen Geschwader und war jetzt, da auch 10 Spanier hinzustießen, 75 Linienschiffe und 15 Brander stark. Er ging nach Barcelona, traf hier am 8. August ein und hob die Belagerung auf; Tourville hatte sich schon bei seiner Annäherung auf Toulon zurückgezogen. Die Flotte blieb dann bis Mitte Oktober an der Ostküste Spaniens und zeigte sich auch an der französischen. Zwar wurde nichts gegen die Küstenstädte Kataloniens, die in französischen Händen waren, unternommen, weil sich die spanische Landmacht unzureichend erwies, aber man hielt doch Tourville in Toulon fest, hinderte das Zurückgehen der Brest-Schiffe für den Winter und sicherte den Handel im Mittelmeer. Die Flotte überwinterte in Cadiz, um im nächsten Jahre früh bereit zu sein.

Dies ist bemerkenswert. Es geschah zum ersten Male; man kann von hier an die dauernde Stationierung einer englischen Flotte im Mittelmeer rechnen. Es war so neu, daß es anfänglich den Widerpruch Russells (und auch wohl anderer Offiziere) hervorrief; anderseits sah England den Fehler ein, den es mit der Aufgabe von Tanger gemacht hatte, und sorgte nun bald für Gewinnung eines Stützpunktes im Mittelmeer (zunächst Port Mahon).

Der zweite Teil der Hauptflotte — 36 Linienschiffe (16 Holländer) mit Fregatten, Brandern und einer größeren Zahl von Mörserbooten — wurde unter Admiral Lord Berkeley of Stratton zu Unternehmungen gegen die französische Küste[247] bestimmt. Insbesondere beabsichtigte man Brest anzugreifen, zu welchem Zweck 6000–7000 Mann unter General Talmash eingeschifft wurden. Diese sollten die Forts nehmen, die die Einfahrt verteidigten, damit die Schiffe auf die Binnenrhede einlaufen könnten. Aber die Franzosen waren vorbereitet; die Unternehmung war durch hochgestellte Personen in England, die sich für alle Fälle bei Jakob gut stellen wollten, verraten. Vauban selbst hatte die Verstärkung der Befestigungen geleitet; insbesondere waren am Strande der Außenrheden (Bucht von Camaret und von Bertheaume) zahlreiche neue Batterien aufgeworfen, von denen die Verbündeten nichts wußten, und Truppen in Verschanzungen aufgestellt worden. Am 17. Juni ankerte Berkeley in der Camaret-Bucht — südlich vom Goulet de Brest, der Einfahrt zur Binnenrhede — außerhalb Schußweite und nach einer Erkundung wurde auf Talmash' Drängen die Landung in dieser Bucht beschlossen. Am 18. wurde sie, gedeckt durch das Feuer von 3 Linienschiffen und 6 Fregatten, mit Bravour ausgeführt, aber zurückgeschlagen. Von den Gelandeten (1200? 600? Mann) kamen nur wenige (100?) zurück, weil die Boote trocken gefallen[248] waren, Talmash selbst wurde schwer verwundet. Auch die deckenden Schiffe litten, ein Holländer geriet auf Strand und ging verloren. Da die Mörserboote wegen der Außenforts nicht nahe genug herangehen konnten, um die Stadt oder die Binnenrhede mit Erfolg zu beschießen, segelte die Flotte nach St. Helens zurück (25. Juni dort).

[462]

Es kam jetzt der Befehl, andere Städte zu bombardieren oder mit Infernals anzugreifen. (Es sei erwähnt, daß in den Jahren 1694/95 gegen 30 solcher Fahrzeuge erbaut wurden, aber schon 1695 gab man diese Waffe wieder auf.) Die Truppen wurden ausgeschifft, von Landungen also abgesehen. Am 18. Juli erschien Berkeley vor Dieppe, warf am 23. aus den Mörserbooten gegen 1100 Bomben und Brandgeschosse in die Stadt, wodurch diese auf lange Jahre hinaus fast ganz zerstört wurde; der Angriff mit einem Infernal mißlang, weil dieser wegen einer Sperre zu weit abblieb. Am 26. wurde Havre bombardiert. Der Erfolg war hier aber unbedeutend, da Seegang ein gutes Zielen unmöglich machte; dagegen flog ein Mörserboot im feindlichen Feuer auf. Die Flotte ging dann nach England zurück und die großen Schiffe wurden aufgelegt.

Im September wurde nochmals ein Geschwader unter Shovel gegen Dünkirchen gesandt. Die Seeoffiziere erachteten zwar die Jahreszeit für nicht mehr dazu geeignet, gerade gegen diese Stadt zu operieren; sie erhielten aber Befehl zum Angriff, weil von hier aus in letzter Zeit die Freibeuter bedeutende Erfolge erzielt hatten und über Dünkirchen große Kornladungen (durch Jean Bart) aus der Ostsee nach Frankreich eingeführt waren. Das Geschwader war sehr stark (18 Linienschiffe), besonders an Infernals (17) und vereinigte sich noch mit der ständig gegen Dünkirchen aufgestellten Flottille; Es wurde nichts erreicht. Die Franzosen waren wieder von dem Plane unterrichtet und hatten die in den letzten Jahren verstärkten Befestigungen gut im Stande gehalten. Mehrere Forts deckten die Stadt und 2 Forts auf den langen Molen den Hafeneingang, der außerdem gesperrt war. Zwar wurde durch Ausloten des wenig bekannten Wassers trotz heftigen Feuers (am 22. September) festgestellt, daß ein Beschießen der Stadt von der Westseite möglich sei, aber die Mörserboote waren noch nicht eingetroffen. Man schickte vorläufig 2 Infernals gegen die Molenforts; der eine wurde vom Feinde in Brand geschossen, der andere durch Boote abgeschleppt. Ehe die Mörserboote zum Geschwader stießen, wurde dieses durch ungünstiges Wetter zum Verlassen der Rhede gezwungen. Am 26. September beschoß man noch Calais, ebenfalls erfolglos, weil Wind und Seegang die Mörserboote zwang, unter Segel zu operieren. Am 29. traf das Geschwader in den Downs ein; die Unternehmungen fanden für 1694 ihr Ende.

Aus vorstehendem ist zu ersehen, wie bedeutend die Rüstungen der Verbündeten[249] für dieses Jahr gewesen waren, und daß sie als unmittelbaren Erfolg nur die Zerstörung von Dieppe, den Entsatz von Barcelona und die Sicherung ihres Handels im Mittelmeer zu verzeichnen hatten; ihre Seeherrschaft im Kanal und in der Nordsee war keineswegs eine unbestrittene gewesen, wie wir bei Betrachtung des Kreuzerkrieges sehen werden.

Die Operationen des Jahres 1695 waren derselben Art. Russell im Mittelmeer war von gleicher Stärke wie im Vorjahre, weil man die Schiffe, die zu Ausbesserungen heim mußten, sofort durch andere ersetzte. Die Flotte blieb in Cadiz, bis einige Mörserboote und 3000 Soldaten (General Stewart) eintrafen; bis dahin hielt sie nur die Straße von Gibraltar besetzt, um den Verkehr zwischen Brest und Toulon zu hindern. Am 9. Mai ging sie die spanische Küste hinauf, hielt sich einige Zeit vor Toulon und erschien dann vor Palamos; man beabsichtigte, im Verein mit spanischen Truppen diese Stadt zu nehmen. Die Soldaten und auch eine Anzahl Seeleute wurden gelandet (16. August) und die Stadt von den Mörserbooten beschossen. Es gelang, ein kleines französisches Heer, das in der Nähe stand, zu vertreiben;[463] die Stadt würde auch gefallen sein, wenn die spanischen Truppen stärker gewesen wären und die Verbündeten ausgehalten hätten. Aber bald (27. August) ging Russell wieder nach Toulon, weil er von gefangenen französischen Fischern gehört hatte, daß die französische Flotte auslaufen wolle. Sofort kehrten die Franzosen am Lande zurück und der spanische General mußte die Belagerung aufgeben. Die Nachricht war (absichtlich) falsch gewesen, die französische Flotte war keineswegs seeklar. Bis Ende September kreuzte Russell bei Sardinien und den Balearen; das ganze Ergebnis war also wieder, daß der Handel geschützt und die Franzosen in Toulon festgehalten wurden.

Am 27. September traf die Flotte in Cadiz ein und fand von England und Holland den Befehl vor, heimzukehren. Etwa 20 Linienschiffe blieben unter Rooke, der mit einigen neuen Schiffen herausgekommen war, als Winterflotte in Cadiz.

Auch im Kanal war wiederum eine große Flotte unter Berkeley zusammengezogen worden — daneben die übliche Flottille gegen Dünkirchen und zum Schutz des Nordseehandels —, etwa ebenso stark, wie im Vorjahre bei der Trennung dort. Es ist aber bemerkenswert, daß jetzt die meisten Schiffe über 80 Kanonen fehlten, weil man erkannt hatte, daß diese bei den Unternehmungen gegen die Küste nutzlos waren; die Holländer stellten gar keine solcher schweren Schiffe in Dienst, dafür aber in diesem Jahre auch Mörserboote (6). — Wieder hatte man Angriffe auf Küstenstädte ins Auge gefaßt, aber wie am Lande und im Mittelmeer kann man auch hier sehen, daß die Kriegführung lauer wurde. Erst Ende Juni war die Flotte operationsfähig; es wurde aber nicht mehr geleistet als im Jahre 1694; die französischen Häfen waren natürlich in immer besseren Verteidigungszustand gesetzt.

Am 14. und 15. Juli ward St. Malo von der ganzen Flotte angegriffen. Es gelang zwar, einen Brander an eines der beiden auf Felsen gelegenen Hauptforts so nahe heranzuführen, daß dieses infolge des Rauches längere Zeit nicht feuern konnte, aber niederzukämpfen waren die massiven Befestigungen nicht, obgleich die Mörserboote ziemlich nahe herangingen; nachdem etwa 900 Bomben geworfen und einige Häuser der Stadt in Flammen aufgegangen waren, wurde abgebrochen. Am 18. Juli beschossen einige Schiffe die offene Stadt Granville, die teilweise verbrannte. Nach einem Aufenthalt in St. Helens und den Downs, um Munition zu ergänzen und Infernals — eine größere Zahl unter dem Kommando des Erfinders Meesters — heranzuziehen, erschien, verzögert durch Gegenwind, die Flotte am 11. August vor Dünkirchen. Da dieser Angriff gut vorbereitet war und energisch durchgeführt wurde, sei etwas näher darauf eingegangen.

Wieder hatten die Franzosen Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Bei Erwähnung des Unternehmens der Verbündeten 1694 wurde gesagt, daß die Wasserverhältnisse westlich von der Einfahrt für einen Angreifer zum Bombardement der Stadt und des Hafens die günstigsten sind; deshalb war schon früher westlich von der Stadt ein starkes Fort erbaut worden. Dieses war jetzt verstärkt durch eine neue Batterie am Strande und durch Stationierung von 9 schweren Kanonenschaluppen längs des Strandes zwischen dem Fort auf der Westmole (in ihm kommandierte Jean Bart) und dienen Befestigungen. Eine gleiche Zahl Schaluppen legte man in die Hafeneinfahrt, um sie zu sperren und um Branderangriffe auf die beiden hölzernen Molenforts abzuweisen; die ganze Stellung[464] war endlich durch Verankerung von abgetakelten, schwer armierten Schiffen, deren Feuer sich mit dem der Forts kreuzte, verstärkt.

Die Verbündeten konnten ihre schwereren Schiffe des Tiefgangs wegen nicht verwerten; das Gros der Flotte ankerte deshalb bei Gravelines und detachierte (11. August) 18 Mörserfahrzeuge, viele armierte Boote und einige Brander unter dem Schutz von 16 Fregatten sowie anderen kleineren Segeln. Die Mörserboote legten sich — zuerst etwas zu weit, dann aber näher — in Halbmondform um die Molenforts sowie das große Westfort und bombardierten von 8 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags; der Erfolg war gering, der Feind antwortete kräftig und Seegang beeinträchtigte das Schießen. Inzwischen wurde ein Angriff von 4 Infernals vorbereitet, von dem man sich gerade den Holzforts gegenüber großen Erfolg versprach. Ein neuer Gedanke des Erfinders sollte hierbei verwertet werden, nämlich den Angriff durch Vorausschicken von Rauchschiffen (eine Art Brander, die angezündet hauptsächlich Rauch erzeugten) zu maskieren; diese sollten einerseits das Feuer des Feindes auf sich ablenken, anderseits eben die Infernals verbergen. Auch diese Gruppe wurde durch einige Fregatten gedeckt, die voraussegelten und zuerst das Feuer auf sich zogen. Aber durch irgend welche Umstände verzögert, blieben Rauchschiffe und Infernals zu weit achteraus; die Fregatten mußten zurück und auch die armierten Boote, die gegen die feindlichen Schaluppen zwischen den Forts vorgegangen, wurden abgeschlagen. Als endlich der Angriff der Infernals erfolgte, hatte er das ganze Feuer auszuhalten; die Fahrzeuge wurden zu früh entzündet, verlassen und dann von französischen Booten aus gefahrdrohender Nähe geschleppt. Um 5 Uhr nachmittags gab Berkeley Befehl zum Rückzug. Da der Wind auflandig war und die Ebbe noch nicht eingesetzt hatte, wurde es den Mörserbooten und den deckenden Schiffen schwer, sich aus dem Feuer zu ziehen, sie litten sehr; mehrere kamen auf Strand und konnten erst bei der nächsten Flut wieder abgebracht werden, eine holländische Fregatte wurde genommen. Man hatte nichts erreicht, obgleich 1200 Bomben und 2000 Kugeln verschossen waren. (Dieser Vorfall gab Anlaß zu einer Abhandlung über die Schwierigkeit einer Beschießung von See aus im Vergleich zu einer solchen vom Lande: Man müsse sie ohne jede Deckung ausführen; sei abhängig von Wind und Strom; könne seine Stellung nicht so genau wählen; der Geschützstand sei zu bewegt.) Das Unternehmen wurde aufgegeben; man erachtete die Westseite für zu stark, weil man mit den schweren Schiffen nicht nahe genug kommen konnte, gegen die weniger starke Ostseite wagten die Lotsen nicht einmal kleinere Fahrzeuge heranzuführen.

Ein hierauf beschlossener Angriff auf Calais wurde durch ungünstige Wetterverhältnisse und dadurch verzögert, daß die Infernals nicht zur Stelle waren; man sagt, Meesters habe sich absichtlich mit ihnen ferngehalten, weil man ihm allein die Schuld des Mißerfolges gegen Dünkirchen zugeschoben hatte. Es wurde jetzt ein Versuch mit einem improvisierten Brander, gedeckt durch schwere Schiffsboote, gegen ein Fort gemacht, aber abgeschlagen; auch eine Beschießung durch Mörserboote hatte nur geringen Erfolg. Am 28. ging die Flotte nach England zurück und die Holländer trennten sich von ihr, weil Berkeley das Kommando an einen jüngeren Flaggoffizier abgab, unter dem Almonde nicht dienen wollte. Sie kreuzten noch einige Zeit im Kanal, dann wurden die Wintergeschwader gebildet.

Im Jahre 1696 gaben die Verbündeten die Operationen im Mittelmeer auf. Anstatt das dort belassene Wintergeschwader wieder zu einer mächtigen Flotte zu verstärken, erhielt es den Befehl zur Heimkehr. Man scheint es müde geworden zu sein, Spanien zu unterstützen, weil dieses seinerseits den Krieg nur lau führte; es hatte nach dem ersten Jahre nie wieder zur Verstärkung der Seestreitkräfte beigetragen und trat auch am Lande stets ungenügend auf. Man glaubte auch wohl bei der eigenen fortschreitenden Erschöpfung alles, was man aufstellen konnte, in den nördlichen Gewässern[465] nötiger zu haben; das Geschwader unverstärkt im Mittelmeer zu lassen, erschien nicht ratsam, weil Frankreich in Toulon stark rüstete. So verließ Rooke Anfang April Cadiz — infolge stürmischer Witterung etwa 14 Tage verzögert — und führte einen Convoi von 130 Levantefahrern heim. Es war unter diesen Umständen auch hohe Zeit, denn schon im März war Château Renault mit 47 Kriegsschiffen von Toulon in See gegangen und auch nur durch Sturm aufgehalten worden.

Als man im Winter den Beschluß faßte, das Mittelmeer aufzugeben, war allerdings im Kanal eine gewisse Gefahr aufgetaucht: Frankreich zog in Calais Truppen und in Dünkirchen Transporter zusammen. In den Niederlanden wurde zunächst ein Angriff auf Seeland von See her gefürchtet und in Eile dagegen gerüstet, so gut es der Winter erlaubte; da alle schweren Schiffe auflagen und ausgebessert wurden, stellte man hauptsächlich Schiffe der Kompagnie, Freibeuter und Fahrzeuge sonst nur zum Convoieren bestimmt, in Dienst und zog Truppen an der Küste zusammen. Bald aber erfuhr man, daß es dem Versuch einer überraschenden Landung in England gelte. Noch einmal wollte Ludwig für Jakob eintreten; die Gelegenheit schien günstig, da die Königin Maria von England gestorben war und die Jakobiten sich aufs neue rührten. Jean Bart mit den in Dünkirchen vorhandenen Kriegsschiffen und de Nesmond mit einer Division von Brest sollten etwa 20000 Mann auf 300 Transportern hinüberführen; Jakob selbst begab sich nach Calais. Nun brachten die Holländer unter dem Schutz der eben in Dienst gestellten Schiffe einige tausend Mann in die Themse (im März) und die Engländer schickten gleichzeitig die Winterseestreitkräfte beider Länder, nach Möglichkeit noch verstärkt, in den Kanal. Russell erschien mit diesen an der französischen Küste bei Gravelines; er ging zwar bald zurück, ließ aber am 13. April durch ein Geschwader unter Shovel Calais beschießen, wohin sich die Transporter schon begeben hatten. Die Beschießung hatte zwar wenig Erfolg, aber Ludwig gab doch seinen Plan auf, weil er ein überraschendes Auftreten ausgeschlossen sah. Die Vorbereitungen waren nicht schnell und rechtzeitig genug fertig geworden; französische Quellen sagen: Jakob, leicht erkrankt, sei schuld an der Verzögerung gewesen. Jakobs Schicksal war hiermit endgültig entschieden.

Infolge dieses Vorganges trat auch die Sommerflotte der Verbündeten in diesem Jahre früher zusammen als in den Vorjahren, schon im April gingen die ersten Holländer nach England. Diese Flotte wird die übliche Stärke gehabt haben; das holländische Kontingent betrug 37 Linienschiffe, darunter 8 über 90 Kanonen.

Anfang Mai ging Rooke, der den Oberbefehl übernommen hatte, mit den zur Zeit fertigen Schiffen kanalabwärts, um der in Brest erwarteten Toulonflotte entgegenzutreten; er kam zu spät, sie traf am 15. in Brest ein. (Ebensowenig gelang es einer Flottille, die unter Bembow Dünkirchen bewachte, zu hindern, daß Jean Bart mit seiner Division am 17. Mai auslief, wovon später.)

[466]

Die Flotte lag dann vom 3. Juni an untätig vor Torbay — die Holländer sagen, „Befehle aus London erwartend“; sie klagen, daß auf diese Weise in den letzten Jahren öfters die Operationen aufgehalten seien —, erst nach drei Wochen ging sie, nun unter Berkeley nach Brest, um den Feind herauszulocken. Ihr Erscheinen zwang die Division de Nesmond, die zum Kreuzerkrieg an die spanische Küste gehen wollte, zurückzulaufen. Man erfuhr dann, daß ein großer Teil der aus Toulon gekommenen Schiffe abrüste, daß also der Gegner nichts Größeres beabsichtige. Die verbündete Flotte wandte sich deshalb wieder gegen die Küsten. Mit den Operationen gegen die Städte am Kanal hatte man nichts erreicht, so sollte nun versucht werden, den Gegner an der Westküste mehr zu schädigen; der Erfolg war noch geringer.

Die Flotte segelte nach Belleisle, wo Tromp vor 22 Jahren gelandet war. Da jedoch hier die Befestigungen zu stark erschienen, begnügte man sich damit, die Inseln Houat und Haedik zu verwüsten, und eine Abteilung von 8 Linienschiffen mit sämtlichen Mörserbooten südlicher zu senden. Dieses Detachement schoß am 15. Juli St. Martin auf der Insel Ré und am 17. die kleine Stadt Les Sables d'Olonne auf dem Festlande in Brand (2000 Bomben, die ganze Munition, verbraucht) und vereinigte sich wieder mit der Flotte.

Am 30. Juli wurde die Rückfahrt nach Torbay angetreten, um Vorräte zu ergänzen, und die Operationen hatten ein Ende. Vom holländischen Kontingent wurden gleich verschiedene Divisionen abberufen — zum besseren Schutz des Handels in der Nordsee und zur Deckung der erwarteten Ostindienfahrer — und im September verminderte man die Streitkräfte überhaupt auf eine gemeinsame Winterflotte. Diese übernahm in kleinen Divisionen den Handelsschutz. Eine solche Division führte einen Convoi nach dem Mittelmeer; die holländischen Schiffe dieser geleiteten im März 1697 wieder Kauffahrer heim; die englischen gingen unter Vizeadmiral Neville nach Westindien, wo wir sie wieder treffen werden.

Vom Jahre 1697, in dem die Friedensverhandlungen begannen, sind keine größeren Ereignisse in europäischen Gewässern mehr zu melden. Die Sommerflotte unter Rooke wurde weit schwächer bemessen — die Holländer z. B. nur 22 Linienschiffe —; vereint oder in mehrere Teile geteilt, hielt sie im Kanal und in der Biscaya die kleinen französischen Divisionen, deren Zahl und Stärke immer geringer geworden war, im Schach.

Spanien wurde weiter seinem Schicksal überlassen und, wie schon erwähnt (Seite 415), dadurch zum Frieden gezwungen. Die französischen Truppen, unterstützt durch ein Toulongeschwader unter d'Estrées, machten rasche Fortschritte; Barcelona fiel jetzt. Von Einfluß war auch ein Vorstoß der Franzosen in Westindien gegen Cartagena, dem seit alten Zeiten als Sammelplatz der Reichtümer von Peru stets beliebten Angriffsobjekt der Feinde Spaniens.

Im Januar 1697 verließ der Chef d'Escadre de Pointis mit 6 Linienschiffen, 5 Fregatten, einigen Mörserbooten und kleinen Fahrzeugen sowie Transportern mit 6000 Mann Frankreich, um die spanischen Kolonien und die Silberflotten zu bedrohen;[467] in Westindien durch 12 Flibustier verstärkt, erreichte er am 12. April Cartagena. Nach regelrechter Belagerung zu Wasser und zu Lande wurden bis zum 30. nacheinander die 3 schützenden Forts erstürmt und am 4. Mai ergab sich die Stadt; sie mußte eine Kontribution von 10 Millionen zahlen, reiche Beute fiel den Siegern in die Hände; die Befestigungen wurden geschleift, da man den Platz nicht halten konnte und ihm überdies Hilfe nahte.

Als man nämlich in England die Abfahrt de Pointis' erfahren hatte, wurde der Vizeadmiral Neville mit den englischen Schiffen an der spanischen Küste, in Madeira noch durch holländische der Kanalflotte auf 27 Kriegsschiffe verstärkt, hinterher gesandt. Pointis erfuhr Nevilles Eintreffen in Barbados, verließ deshalb Anfang Juni Cartagena und wählte den Weg durch die Floridastraße anstatt durch die Windward-Passage, um dem Feinde zu entgehen; er war nicht nur zu schwach, sondern auch durch Prisen behindert, ferner waren seine Schiffe überladen und Krankheit herrschte auf ihnen. Durch die Wahl des Weges stieß er aber gerade auf den Feind, der von Jamaica nach Cartagena unterwegs war. Fünf Tage lang verfolgte Neville die Franzosen zeitweise auf Schußweite, es gelang aber nur, ihnen eine Prise wieder abzunehmen. Pointis erreichte mit dem größeren Teile seines Geschwaders über Neufundland, wo er zum Wassernehmen anlief und fast einem dortigen englischen Geschwader in die Hände gefallen wäre, im August glücklich Brest; hier traf er den Rest seiner Schiffe schon an, bei Ouessant hatte er noch den Angriff einer englischen Division abzuschlagen gehabt. Auch auf Nevilles Geschwader war eine Epidemie ausgebrochen, die schwere Opfer (etwa 1/3 der Besatzungen) kostete: Die Engländer verloren daran 2 Flaggoffiziere, 7 Kommandanten, 1500 Mann; die Holländer 1 Admiral, 3 Kommandanten, 400 Mann. Die Spanier in Havanna verweigerten aus Furcht vor Ansteckung das Auffüllen von Wasser und Proviant, ja lehnten sogar die angebotene Begleitung der dort bereitliegenden Silberflotte ab. Der Rest der Besatzungen konnte wegen Entkräftung auf der Heimreise kaum die Schiffe bedienen.

Am 20. September 1697 wurde der Frieden von Ryswijk geschlossen, dessen Bedingungen wir schon kennen (vergl. Seite 416.)

Der kleine Krieg; der Kreuzerkrieg der Franzosen.[250] Wie in den früheren Kriegen so wurde auch in diesem die Freibeuterei von beiden Parteien von Anfang an lebhaft betrieben. Auf seiten der Verbündeten zeichneten sich hierin die Seeländer aus, die bekanntlich von alters her diesem Gewerbe (der „freien Nahrung“) sehr zugetan waren; wie früher bildeten sich hier, besonders in Vlissingen und Middelburg, Gesellschaften zu diesem Zwecke. Von Frankreich aus machten die Freibeuter der Städte Dünkirchen, St. Malo, Dieppe, Havre, Bayonne die Meere unsicher.

Die Franzosen waren dabei wohl stets im Vorteil. Einerseits war ihr Handel weit geringer, anderseits stand ihnen dazu mehr Material zur Verfügung; ihre Schiffahrt war schon vor dem Kriege (seit Colberts Tode) zurückgegangen, es ist verständlich, daß die Rhederei die vorhandenen Schiffe und Seeleute in dieser Weise zu verwenden suchte. Infolge ihrer Lage schädigten besonders Dünkirchen und St. Malo den Feind; St. Malo machte jetzt Dünkirchen fast den Rang streitig.

Da Dünkirchen den wichtigen Handel nach der Ostsee durch die Nordsee, sowie den Fischfang in diesem Meere, in hohem Maße gefährdete,[468] sahen sich die Holländer von Anfang an genötigt, wie in früheren Kriegen eine Flottille zur ständigen Beobachtung der gefährlichen Stadt aufzustellen. Von 1691 an wurde diese stehende Flottille zu einem gemeinsamen englisch-holländischen Geschwader, von Jahr zu Jahr verstärkt, weil die Gefahr immer zunahm.

Die Holländer stellten als Dünkirchen-Geschwader:

1690 = 2 kleine Linienschiffe (50 Kanonen),   6 Fregatten.
1691–1693 = 5 (50 Kanonen), 11
1694–1696 = 9–11 Linienschiffe (bis zu 60 und 70 Kanonen) und gegen
12 Fregatten. Von England trat seit 1691 stets etwa die gleiche
Zahl, besonders an Linienschiffen, hinzu.

Dieses Geschwader war nur dazu bestimmt, den Hafen zu blockieren und den östlichen Eingang in den Kanal reinzuhalten, Abgang und Ankunft größerer Convois im Osten zu decken, wie wir es von Geschwadern der Hauptflotte oder von dieser selbst im Westen für Convois von und nach dem Atlantik sowie Mittelmeer gesehen haben. Auf ihren weiteren Reisen wurden die Convois in allen Meeren durch besondere Schiffe in kleinerer Zahl begleitet; Holland hatte zu diesem Zweck jährlich gegen 30–40 sogenannte Convoijers — Fahrzeuge von 16–50 Kanonen; meist 24–40 — im Dienst.

Wir wissen schon, daß in diesem Kriege der Handel nicht nur durch Freibeuter, oder auch Kriegsschiffe, und durch vereinzelte Operationen der Hauptstreitkräfte (Geschwader; selbst Flotten) gegen größere Convois bei günstiger Gelegenheit neben anderen Aufgaben angegriffen wurde, sondern daß Frankreich bald fast seine ganze Kriegführung zur See darauf richtete. So wurde denn auch der eigentliche Kreuzerkrieg von ihm zu Ende dieses Zeitabschnittes (auch im nächsten und letzten Kriege — dem Spanischen Erbfolgekriege — bleiben die Franzosen dabei) in einem Grade geführt, der weder vorher noch nachher erreicht ist; er ist deshalb wohl geeignet zur Beurteilung des Wesens und des Wertes eines solchen Krieges.

Was führte nun Frankreich auf diesen Weg? Es ist schon darauf hingewiesen (Seite 4424), daß der Marineminister Pontchartrin nicht viel von einer Marine hielt, und es ist mehrfach angedeutet, daß Ludwig selbst die Wichtigkeit der Erringung der Seeherrschaft nicht genügend erkannte. So kam es, daß nach der Niederlage von La Hogue die Ansicht des Ministers, den Krieg nur gegen den Handel der Verbündeten zu führen, bei der entscheidenden Stelle immer mehr Anklang fand. (Im conseil d'Etat — die Vertrauensmänner des Königs —, der über alle wichtigen Sachen entschied.)

Schon der Zug Tourvilles, die campagne au large, 1691 sollte in der Hauptsache diesem Zweck dienen (der Versuch, den Smyrnaconvoi abzufangen); 1692 nach La Hogue wurden die gesammelten Transporter zur Freibeuterei benutzt, mit großem Erfolge, da die Verbündeten ihre Flotte fälschlich zusammenhielten; die letzte große Flotte, die Frankreich 1693 aufstellte, war nur für einen Schlag gegen den feindlichen Handel bestimmt (Tourvilles Vernichtung des Smyrnaconvois). Von Ende 1693 an verschwinden die[469] großen Flotten; es war dies allerdings nicht nur eine Folge der neuen Ansicht über die geeignetste Art der Kriegführung, sondern auch des Verfalls der Marine, hervorgerufen durch ihre mangelnde Pflege sowie durch die Erschöpfung des Landes. Nun wurde der Krieg gegen den Handel zum reinen Kreuzerkriege und erhielt einen eigentümlichen Charakter, ähnlich dem englischen zur Zeit der Königin Elisabeth gegen Spanien: er wurde teils von der Regierung, teils von Privaten, Hand in Hand, geführt.

Wir wissen, daß die Franzosen von 1694 an in den Häfen des Kanals und des Atlantik nur kleine Divisionen für den Küstenschutz aufstellten; diese nahmen auch an dem Kreuzerkriege teil. Vor allem aber erreichte die Freibeuterei einen großen Umfang. Die französische Schiffahrt hatte nach und nach fast ganz aufgehört, weil das Land vom Meere fast völlig abgeschnitten war und auch im Innern Handel und Wandel stockten. Die Freibeuterei wurde so immer mehr die einzige Möglichkeit, Schiffe und Seeleute zu verwerten. Jetzt traten noch die auf der Flotte entbehrlichen Mannschaften hinzu, und die Regierung begünstigte den Kreuzerkrieg in jeder Weise. Schiffe und Offiziere der Marine wurden Firmen und Gesellschaften, die Freibeuterei betreiben wollten, zur Verfügung gestellt, als Gegenleistung erhielt der König einen Anteil vom Gewinn; Minister und andere hochgestellte Personen nahmen Anteilscheine von solchen Unternehmungen, ja mußten es tun, um dem Könige zu gefallen.

Meist kreuzten die Freibeuterkapitäne mit ihren Schiffen allein, da Männer dieses Gewerbes ungern abhängig waren. Auf den Schiffen folgte man einer eigentümlichen Sitte: Vor dem Auslaufen wurde über den Operationsplan vom Kapitän, den Offizieren und den Mannschaften in freimütiger Besprechung der Beschluß gefaßt; einmal unterwegs herrschte strengste Disziplin. Häufig aber auch operierten diese Fahrzeuge in kleinen Divisionen von 3–6 Schiffen unter besonders tüchtigen Männern, wie Jean Bart, Forbin, Duguay-Trouin u. a., die in der Freibeuterei groß geworden waren, später einen Rang in der königlichen Marine erhalten hatten und auch zeitweise in dieser beschäftigt wurden; von den eigentlichen Seeoffizieren, die königliche oder Freibeuter-Divisionen führten, haben sich Coëtlogon, de Nesmond, Renau (der Erfinder der Mörserboote), du Casse u. a. ausgezeichnet.

Diese Verwendung der königlichen Offiziere und Schiffe hatte zwar sehr verderbliche Folgen für die Marine, wie schon erwähnt — Rückgang der Güte des Offizierkorps; Verlust vieler guter Schiffe —, verlieh aber dem Freibeutertum einen Geist und eine Tatkraft, die ihm sonst kaum innewohnen; man muß auch zugestehen, daß die Besatzungen unter den erwähnten hervorragenden Führern wohl lieber fochten als plünderten.

Der Handel der Engländer und Holländer litt außerordentlichen Schaden. Verschiedene Autoren geben die Zahl der 1691–1697 von den Franzosen genommenen Kauffahrer auf mehr als 4000 an; die Unternehmer gewannen Reichtümer und auch in die erschöpfte französische Staatskasse flossen bedeutende Summen. Zwar wollen auch die Gegner viele Schiffe aufgebracht haben — englische Quellen sprechen von über 2000 —, doch war der eigene Verlust der größere und trug schließlich viel mit zum Friedensschluß bei.

Der kleine Krieg führte zu ungezählten Gefechten zwischen einzelnen Schiffen und zwischen kleinen Divisionen, zu Angriffen und Verteidigungen von Convois in allen Meeren, besonders von der Küste Spaniens bis in die Nordsee. Die Geschichten der Marinen[251] erzählen manche davon; mit besonderer[470] Liebe, da sich gerade in ihnen seemännisches Geschick und Mut zeigen; die französischen Freibeuter, vor allen Jean Bart, manövrierten meist auf sofortiges Entern.

Als Beispiel sollen hier nur die Haupttaten Jean Barts, des berühmtesten Freibeuters dieses Krieges, gegeben werden: Als Sohn eines Fischers 1650 in Dünkirchen geboren und selbst Fischer, diente Jean Bart während des zweiten Krieges mit Auszeichnung in der holländischen Marine, ging aber bei Ausbruch des dritten Krieges nach Frankreich, obgleich ihm in Holland ein Schiff angeboten war. Er zog bald als Freibeuter die Aufmerksamkeit Colberts auf sich, erhielt 1679 ein Leutnantspatent in der königlichen Marine und wurde 1689 Kapitän. Als solcher führte er ein Schiff bei Beachyhead; meist jedoch fuhr er auch während dieser Jahre als Freibeuter, er wurde dabei 1689 nebst Trouin von den Engländern gefangen, entfloh aber bald mit diesem.

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Jean Bart

Von 1692 an jedoch kommandierte er eine Division für den Kreuzerkrieg, die „Escadre du Nord“ oder „de Dunkerque“ genannt. Bei seinem ersten Auftreten in dieser Stellung gelang es ihm trotz des englisch-holländischen Blockadegeschwaders auszulaufen, 3 feindliche Kriegsschiffe und etwa 20 Kauffahrer zu nehmen, 80 Fischerfahrzeuge zu vernichten und den Hafen wohlbehalten wieder zu erreichen. 1693 führte er in dem Gefecht bei Lagos (Vernichtung des Smyrnaconvois) ein Schiff mit Auszeichnung. Er übernahm dann wieder seine Division und leistete 1694 seinem Lande einen großen Dienst. Wegen Mißernten war Frankreich in diesem Jahre auf Kornzufuhren aus der Ostsee angewiesen, 120 Fahrzeuge mit Getreide wurden von dort erwartet. Schon im Februar lief Jean Bart aus und brachte einige 20 Segel glücklich ein, obgleich englische und holländische Geschwader in der Nordsee waren. Im Juni ging er mit 5 Schiffen (40–52 Kanonen) dem Rest entgegen, der durch Eisverhältnisse aufgehalten war; er traf ihn in der Nordsee schon von 8 holländischen Kriegsschiffen (38–58 Kanonen) umringt, befreite ihn nach heftigem Kampfe (280 gegen 390 Kanonen), in dem 3 Holländer genommen wurden; darunter das Flaggschiff, nach de Jonge das erste holländische, das in Feindeshand blieb (früher genommene sind stets gesunken). Für diese Tat wurde er geadelt. 1695 zeichnete er sich bei der Verteidigung seiner Vaterstadt als Kommandant des Westmolenforts aus. 1696 bricht er wieder die Blockade mit 7 Segeln (300 Kanonen), um einen Convoi rückkehrender holländischer Ostseefahrer abzufangen. Er trifft ihn nördlich von Texel, nimmt sämtliche begleitende Kriegsschiffe (5 mit 200 Kanonen) und etwa 30 Kauffahrer. Er verbrennt diese, weil das holländische Dünkirchengeschwader (14 Segel) erscheint, das gerade einen ausgehenden Convoi Ostseefahrer geleitet, entzieht sich aber selbst dem Angriff.

Im Jahre 1697 führte Jean Bart trotz feindlicher Geschwader den Prinzen von Conti, Prätendenten für die Krone Polens, nach Danzig. Dies war seine letzte Tat. Er starb, 52 Jahre alt, im April 1702, als der Ausbruch des Spanischen[471] Erbfolgekrieges ihm neue Lorbeeren in Aussicht stellte, aber er hinterließ tüchtige Schüler.

Seine Tätigkeit von Dünkirchen aus soll die üblichen drei bis vier englisch-holländischen Convois im Jahre nach der Ostsee oft auf einen beschränkt haben; kein Wunder, daß die Gegner ihr Geschwader vor dieser Stadt immer mehr verstärkten und verschiedene Versuche machten, sie zu zerstören.

Die ungeheueren Verluste, die die Verbündeten erlitten, beweisen, daß ihre Marinen die Aufgabe, den Seehandel zu schützen, nicht gelöst haben. Es führt uns dieser Umstand zu einer theoretischen Betrachtung über das Wesen des Kreuzerkrieges.[252]

Es gilt jetzt wohl allgemein als Grundsatz, daß der Kreuzerkrieg nur von großem Einfluß sein kann, wenn er sich auf eine starke Flotte stützt. Mahan sagt hierzu: „Um wirksam zu sein, muß der Kreuzerkrieg durch eine Geschwaderkriegführung oder durch Abteilungen von Linienschiffen unterstützt werden. Indem diese den Feind zwingen, seine Streitkräfte zusammenzuhalten, geben sie den Kreuzern die Möglichkeit der erfolgreichen Zerstörung des feindlichen Handels; ohne eine solche Rückendeckung wird das Ergebnis die Wegnahme der Kreuzer sein.“ Unser Krieg scheint nun dagegen zu sprechen; der Handel der Verbündeten litt nämlich am meisten, als nach La Hogue 1692 die französische Flotte vom Meere verschwunden war — wie man gemeiniglich sagt.

Angaben einiger Schriftsteller hierfür. Macaulay sagt: Während vieler Monate im Jahre 1693 war der englische Handel nach dem Mittelmeer beinahe gänzlich unterbrochen. Es war nicht möglich, nach der Straße von Gibraltar zu gelangen, ohne von einem französischen Kreuzer angegriffen zu werden; ein Schutz dagegen war aber nicht leicht zu erhalten. — Martin (Geschichte Frankreichs) sagt von den späteren Jahren des Krieges bezüglich Englands: Der Zustand der Finanzen war kläglich, die Seeversicherung betrug 30%; die Navigationsakte war tatsächlich außer Kraft gesetzt und die englischen Schiffe waren genötigt, unter schwedischer oder dänischer Flagge zu fahren. Campbell (Live of the Admirals) sagt von dieser Zeit: In dem Jahre, in dem die Franzosen Herren der See waren (also nach Beachyhead 1690), hatte unser Handel weit weniger gelitten.

Bonfils endlich tut den obenerwähnten Ausspruch, daß statt drei bis vier Convois jährlich nur einer nach der Ostsee abging.

Die Verhältnisse liegen aber bei näherer Betrachtung doch anders. Zwar gab die französische Flotte tatsächlich die aktive Kriegführung auf, aber die Verbündeten glaubten zu verschiedenen Zeiten doch noch mit ihr rechnen zu müssen — um so mehr, als der Eindruck des Sieges bei Beachyhead und des tapfern Verhaltens der Franzosen bei La Hogue noch einige Zeit bei ihnen nachwirkte —, oder wenn dies nicht der Fall war, versäumten sie eben, die richtigen Maßregeln gegen den Kreuzerkrieg zu ergreifen. Bis zu den allerletzten Jahren hielten sie ihre Hauptstreitkräfte zusammen, anstatt sie zur Verfolgung der feindlichen Kreuzer aufzulösen und die feindlichen Kreuzerhäfen[472] schärfer zu blockieren; nur gelegentlich (wenn Convois erwartet) detachierten sie Teile.

Ein kurzer Rückblick möge dies veranschaulichen. 1692 nach La Hogue war die französische Flotte wirklich brach gelegt. Die Seestreitkräfte der Verbündeten wurden aber bis zum Winter bei Spithead zusammengehalten, um Truppen für eine Landung in Frankreich aufzunehmen; die Franzosen hingegen armierten mit den Leuten der Flotte und den gesammelten Transportern eine außergewöhnliche Zahl von Freibeutern, so daß die Kaperei gerade in diesem Jahre besonders stark betrieben werden konnte und in den betroffenen englischen Kreisen die größte Entrüstung hervorrief.

1693 wurde die Flotte der Verbündeten zusammengehalten, weil Frankreich die seinige in Brest zusammenzog. Ungenügendes Unterrichtetsein, sowie Mangel an Entschluß und Disposition an den leitenden Stellen, schlechter Zustand des Materials führte dann doch den Verlust des Smyrnaconvois durch die französische Flotte, die man im Schach halten wollte, herbei; auch nachher geschah nichts zum Schutz des Handels.

1694 und 1695 war die eine Hälfte der Streitkräfte im Mittelmeer, die andere blieb in den nördlichen Gewässern zu den fruchtlosen Unternehmungen gegen die feindlichen Küsten vereint; wie viel besser wäre sie gegen das Freibeuterwesen verwendet worden!

1696 vergingen das Frühjahr und der Sommer bis zum August mit dem Bereithalten gegen eine Landung der Franzosen, mit dem vergeblichen Versuch, die Vereinigung der Toulon- und Brestflotte zu hindern und dann wieder mit den Unternehmungen gegen die atlantische Küste des Gegners.

Erst im August 1696 und im Jahre 1697 wurden die Seestreitkräfte mehr zur Bekämpfung des Kreuzerkrieges verwendet, und jetzt auch mit Erfolg.

Als dies endlich, vom Herbst 1696 an, mehr geschah, wurde die Tätigkeit der französischen Freibeuter auch wesentlich eingeschränkt; viele wurden weggefangen, die Kreuzerdivisionen in den Häfen festgehalten. — Die Ereignisse dieses Krieges entkräften also obigen Satz nicht. Im nächsten Kriege, als die französische Marine völlig ohnmächtig war, wird sich die geringe Wirksamkeit eines Kreuzerkrieges, der nicht auf Flotten gestützt ist, noch deutlicher zeigen. Dabei muß man noch im Auge behalten, daß die Lage der französischen Häfen ungemein günstig zur Bedrohung der englisch-holländischen Handelswege war.

Die Zusammenstöße in den Kolonien[253] während dieses Krieges können wir auch zu dem kleinen Kriege rechnen, weil sie ohne großen Erfolg und Einfluß waren; es handelte sich neben dem Aufbringen von Kauffahrern fast nur um Brandschatzungen feindlicher Niederlassungen, weil der Angreifende, wenn er eine solche wirklich genommen hatte, doch nie lange in ihrem Besitz blieb.

In den westindischen Gewässern befanden sich stets einige Kriegsschiffe beider Gegner, Kauffahrer wurden dort armiert oder Flibustier in Sold genommen. England sandte fast in jedem Jahre ein kleines Geschwader, oft mit Truppen, hinaus, Frankreich seltener. So hatten die Engländer häufiger die Seeherrschaft und traten im ganzen genommen offensiver[473] auf; da aber die französischen Kolonien schon stärker bevölkert waren, konnten sie meist Widerstand leisten und zeitweise, wenn ihre Streitkräfte überwogen, bedrohten die Franzosen die feindlichen Niederlassungen. Die französischen Kolonien waren auch reicher, führten den Krieg gegen den Handel mit Flibustiern und hatten hierin wohl den größeren Erfolg, besonders natürlich, wenn die Engländer nicht ausgesprochen die See beherrschten.

Die Franzosen nahmen gleich zu Beginn des Krieges (1688) den Holländern St. Eustache ab, verdrängten (1689) die Engländer aus dem gemeinschaftlich besetzten St. Kitts und plünderten durch Flibustier spanische Niederlassungen. Aber schon 1690 setzten sich die Engländer wieder in den alleinigen Besitz von St. Kitts, eroberten Marie Galante, landeten auf Guadeloupe und belagerten die Garnison in Basse-Terre. Beide Inseln mußten sie 1691 wieder aufgeben, als ein größeres französisches Geschwader auf der Station erschien. 1692 kam es zu einem Gefecht auf offener See bei Désirade, in dem die Engländer einen Convoi gegen den Angriff einer überlegenen Kraft deckten. 1693 machten die Engländer einen vergeblichen Angriff auf Martinique; 1694 fielen die Franzosen in Jamaica und 1695 die Engländer und Spanier in den französischen Teil Haitis ein. Aber alle diese Expeditionen hatten eben keinen dauernden Erfolg.

Das größte Unternehmen Frankreichs — der Zug de Pointis' gegen Cartagena, 1697 — haben wir als militärisch-seemännisch wie politisch bemerkenswert näher berührt (Seite 466).

In Nordamerika hatten schon vor dem Kriege Feindseligkeiten an den Grenzen begonnen; hier waren zwar die englischen Kolonien den französischen an Bevölkerung weit überlegen, aber Frankreich strebte sehr nach Erweiterung seiner Macht und scheint vor und während des Krieges stets die stärkeren regulären Landstreitkräfte — allerdings auch nur sehr geringe — gehabt zu haben.

Schon 1686 nahmen sie einige englische Besitzungen an der Hudsonbai weg und bekriegten englisch gesinnte Indianerstämme; es lag in der Absicht, New York zu nehmen, um einen eisfreien Hafen für Kanada zu erhalten. 1689 sollte hierzu zu Wasser und zu Lande vorgegangen werden, aber die von Frankreich erwarteten Schiffe kamen zu spät und mußten dann gleich zurück, da sie infolge langer Überfahrt ihre Vorräte aufgebraucht hatten; zu Lande unternahm man noch im Winter (Februar 1690) Einfälle an den Grenzen, durch Indianerhorden mit großer Grausamkeit ausgeführt. Nun aber rüsteten die englischen Kolonien mit aller Kraft. Ein englisches Geschwader — Admiral Phips mit 8 Linienschiffen — traf ein und nahm im April 1690 die festen Plätze von Akadia (Neuschottland); dann wurde ein Angriff auf Quebec ins Werk gesetzt. Phips führte Mitte August die Kriegsschiffe und 32 Transporter — mit Milizen von Massachusetts, etwa 2000 Mann — den Lorenzstrom hinauf, landete unweit Quebec — ungünstiger Winde auf See und schwieriger Navigation im Flußrevier wegen erst Mitte Oktober — und versuchte die Stadt zu nehmen; einige Schiffe beschossen diese. Aber die Artillerie der Stadt[474] war der der Schiffe gewachsen, die Garnison dem durch Krankheit geschwächten Landungskorps überlegen; das Unternehmen mußte mit bedeutendem Verlust aufgegeben werden. Ein gleichzeitiger Vormarsch zu Lande von Albany auf Mont Real — 3000 Milizen der Kolonien — war auch infolge Uneinigkeit zwischen den Kontingenten nicht vorwärts gekommen. — Während der folgenden Jahre beschränkte sich die Kriegführung auf Grenzstreifzüge; beide Parteien wurden von Europa nicht unterstützt. Die Franzosen bemächtigten sich nach und nach Akadiens wieder und besetzten weitere Plätze an der Hudsonbai sowie in Neufundland. Ein zweiter Plan gegen New York und Boston 1696 kam wieder nicht zur Ausführung, da das dafür bestimmte Geschwader — 15 Kriegsschiffe unter de Nesmond — abermals zu spät (1697) und von allem entblößt eintraf. Im ganzen hatte aber doch Frankreich die meisten Vorteile errungen; beim Frieden gab England die Hudsonbai und Neuschottland auf und auch von Neufundland behielt Frankreich den festen Platz Placentia sowie die Niederlassungen an der Westküste.

Bemerkenswertes in diesem Kriege.Über Strategie. In Hinsicht auf das Kriegsmaterial ist bei diesem Kriege wenig zu sagen. Das Schlachtschiff wächst weiter (vgl. Seite 353 u. 418); trotz der nur kurzen Zeit seit dem letzten englisch-holländischen Kriege hat dieser Prozeß wieder einen Schritt vorwärts gemacht: das 40–50 Kanonenschiff ist ganz aus der Linie verschwunden, die 50–60 Kanonenschiffe erscheinen so selten wie im vorigen Kriege die 40–50er; die Zahl der Schiffe über 80 Kanonen hat zwar auch zugenommen, aber die Hauptkraft der Flotten liegt in den 60–70 Kanonenschiffen.

Es ist also der angedeutete (Seite 178/179) Abschluß des Abschnittes fast erreicht. Dort wurde gesagt, daß man im nächsten Zeitabschnitt, nach 1740, in England das 74 Kanonenschiff als das geeignetste Schlachtschiff ansah. (So sehr, daß man, wenn das Auftreten der Seemacht überhaupt bezeichnet werden sollte, nur von „unseren 74ern“ sprach, schon in diesem Kriege lag die Hauptkraft der Engländer in 70 Kanonenschiffen.

Von den Spezialwaffen sind die Brander, die im letzten Kriege, was die Zahl anbetrifft, auf ihrem Höhepunkte waren, nicht mehr so stark bei den Flotten vertreten; ihre Leistungen sind noch geringer geworden. Infolge der vielen Unternehmungen gegen Küstenstädte treten die Mörserboote, bisher nur von den Franzosen im Mittelmeer verwendet, auch bei den Engländern und Holländern auf; ihre Wirkung läßt aber zu wünschen übrig. Völlig versagten die von England gegen Küstenbefestigungen und Hafenanlagen gebauten Infernals.

In bezug auf die Taktik bringen die wenigen großen Aktionen nichts Neues. Sie zeigen eigentlich nur, inwieweit das Personal — und zwar die höheren Offiziere — der verschiedenen Marinen seinen Aufgaben gewachsen war. Bei der eingehenden Schilderung der Schlachten sind die vorzüglichen Leistungen und die Fehler hervorgehoben.

Es genügt hier, darauf hinzuweisen, daß die Franzosen in diesem Kriege auf der Höhe standen; sie wandten die Taktik, die sich nach und nach entwickelt[475] hatte, richtig an. Sie zeigen dies sowohl bei Stärke wie bei Schwäche auf ihrer Seite: bei Beachy Head durch Ausnutzung der eigenen Überlegenheit und der Fehler des Gegners; bei Barfleur, indem sie durch geeignete Manöver und durch gegenseitige Unterstützung die Überlegenheit des Feindes nach Möglichkeit aufhoben. Größere taktische Fehler machten eigentlich nur der sonst so hervorragende Führer Tourville als Verfolger in der ersten, als Verfolgter in der zweiten Aktion und de Nesmond bei Lagos. Auch Holland gebot über tüchtige Admirale, Schüler Ruyters, doch kamen sie nicht genügend zur Geltung; das einzige Mal, wo es der Fall war, bewährten sie sich — Evertsen bei Beachy Head.

Taktische Fehler in den Schlachten sind nur englischen Führern vorzuwerfen: das Verhalten der Nachhut bei Barfleur, als sie sich von der Hauptschlacht abziehen ließ, und Herberts schwache Beteiligung mit seiner Mitte bei Beachy Head. Das Verhalten Herberts bei dieser Gelegenheit soll jedoch weiter unten nochmals besprochen, werden, da es höchst wahrscheinlich strategischen Erwägungen entsprang.

Wenden wir uns nun eingehender den Betrachtungen über Strategie zu. Es ist eingangs dieses Kapitels gesagt, daß der Pfälzische Erbschaftskrieg zwar in der Hauptsache ein Landkrieg war, daß aber doch die Kriegführung zur See von großem Einfluß gewesen ist; es ist ferner darauf hingewiesen, daß dieser Einfluß bei richtigerer Verwendung der Seestreitkräfte und bei größerer Leistungsfähigkeit dieser — beides auf beiden Seiten — wohl noch weit bedeutender hätte sein können. Nachstehender Rückblick auf den Verlauf des Krieges soll diese Behauptungen bekräftigen.

Ludwig XIV. hatte es dahin gebracht, daß sämtliche Staaten des Festlandes gegen ihn die Waffen zu erheben drohten; vertrauend auf seine Macht griff er 1688 selbst Deutschland an. Er beging aber sofort einen großen Fehler dadurch, daß er Wilhelm von Oranien — die Seele des gegen ihn gerichteten Bundes — den Thron von England besteigen ließ. Infolgedessen trat auch dieser Staat zu seinen Feinden, ja, England und Holland kamen unter eine Leitung und diese beiden Seenationen waren seine gefährlichsten Gegner, da sie mit ihrem Reichtum dem Gesamtbunde die Mittel zum Kriege liefern mußten.

Ludwig hätte es hindern können, wenn er, anstatt hauptsächlich gegen Deutschland vorzugehen, dessen schwache Kräfte vorläufig nur im Schach gehalten und mit großer Macht, zu Lande wie auch gerade zu Wasser mit seiner mächtigen Marine, Holland angegriffen hätte; Seignelay riet hierzu auf das dringendste. Nach Oraniens Thronbesteigung ermöglichte und unterstützte Ludwig die Erhebung Jakobs in Irland und der erste Fehler hätte wieder gut gemacht werden können, wenn Ludwig noch jetzt seine Hauptanstrengungen gegen die Seemächte richtete — gegen Oraniens Stellung in England und gegen die englisch-holländische Verbindung; noch war er, selbst beiden Mächten vereint, zu Wasser überlegen.

[476]

Irland war der schwächste Punkt in Oraniens Stellung, hier war der vertriebene König mit Begeisterung aufgenommen. Aber auch in England hatte er viele Parteigänger, und Oranien wurde sogar von denen, die ihn gerufen hatten, in seiner königlichen Macht durch eifersüchtige Einschränkungen geschädigt. Ludwig hätte nun mit aller Energie die Stuarts unterstützen und England selbst angreifen müssen — Irland dem Könige Jakob erhalten, in England einfallen —; dies war nur möglich durch einen tatkräftig geführten Seekrieg. Mit der Wiederentthronung Oraniens würde dem Bunde der Gegner die Spitze abgebrochen sein.

Wiederum vertrat Seignelay diese Ansicht, aber der Einfluß Louvois' — eifersüchtig auf die Seestreitkräfte und scheinbar die Wirkung eines Seekrieges sowie die Lage überhaupt verkennend — überwog; Ludwig blieb bei der Teilung seiner Kräfte. Die Folge war, daß Irland fiel, Oranien in seiner Stellung gesichert und damit in den Stand gesetzt wurde, den Krieg auf dem Festlande zu unterstützen, ja sogar persönlich zu leiten. Dieses Beharren in dem großen politischen und strategischen Fehler bei Beginn des Krieges ist wohl als entscheidend für den Ausgang anzusehen; alle Erfolge auf dem Festlande konnten nicht hindern, daß sich der Kampf in die Länge zog und erst wegen allgemeiner Erschöpfung endete. Die Gegner hatten aber den Krieg nur mit den Mitteln der Seenationen durchführen können und die Erschöpfung Frankreichs war nicht zum wenigsten durch den stillen aber anhaltenden Druck der Seestreitkräfte Englands und Hollands herbeigeführt; ihre Marinen waren, weil auf gesunderer Grundlage ruhend, bald der französischen überlegen geworden.

Gehen wir nun zu der Kriegführung zur See im besonderen über. Wir können sie in zwei Abschnitte teilen: in dem ersten ist die französische Flotte die angreifende 1689–1692; in dem zweiten tritt die Flotte der Verbündeten in die Offensive durch Angriffe auf die feindliche Küste und durch Eingreifen in den spanischen Landkrieg, die französische beschränkt sich auf die Defensive und auf den Kampf gegen den Handel 1694–1697; das Jahr 1693 bildet gewissermaßen den Übergang zwischen beiden.

Das Jahr 1689 zeigt den besprochenen Fehler Ludwigs: Er greift zwar Holland zu Lande an, tut aber zur See nichts gegen England und Holland, obgleich deren Flotten anfangs nicht bereit sind; auch sein Eingreifen in Irland ist nur schwächlich. Im März wird Jakob ungehindert mit Truppen übergeführt und im Mai gelingt es, trotz des feindlichen Angriffs (Bantrybay) Verstärkungen nachzusenden. Aber die mächtige französische Flotte zeigt sich nicht rechtzeitig, und die Geschwader, die die Überführungen bewerkstelligten, kehren stets sofort zurück; so gelingt es einer ganz schwachen englischen Flottille (Rooke), im irischen Kanal die Verbindung Jakobs mit seinen Anhängern in Schottland zu unterbrechen, die Belagerung der Stadt Londonderry aufzuheben und den Marschall Schomberg mit einer Angriffsarmee in Irland zu landen.

Im Juli verfügen die Verbündeten über 60 Kriegsschiffe. Sie zeigen sich an der französischen Küste, hindern aber nicht, daß sich das französische Mittelmeergeschwader mit den Kräften des Atlantik vereinigt; hierdurch wird[477] die französische Flotte gegen 70 Schiffe stark. Im August erscheinen die Verbündeten wiederum vor Brest und Tourville tritt ihnen entgegen. Es kommt aber zu keinem Zusammenstoß, die Verbündeten schützen nur das Einlaufen eines Mittelmeerconvois. Die Kriegführung war also sehr lau auf beiden Seiten.

Die wahrscheinlichen Gründe hierfür: England war durch den Einfall in Irland überrascht, aber auch im weiteren Verlauf waren die Verbündeten nicht fertig. In England mögen dies die noch unsicheren politischen Verhältnisse hervorgerufen haben, in Holland die uns bekannten Umstände, die stets das Auftreten lähmten, wenn dem Volke das Feuer nicht auf den Nägeln brannte. So fühlte sich die Führung der Flotte nicht sicher genug — holländische Quellen sprechen dies unumwunden aus — und vermied ein ernstes Zusammentreffen.

In Frankreich war die Lauheit doch wohl ein Zeichen des geringen Verständnisses der einflußreichsten Kreise für die Wichtigkeit der Kriegführung zur See. Warum war die Flotte nicht rechtzeitig bereit? Französische Quellen schieben es auf die schon eingerissene Unordnung in der Organisation; aber dies ist doch nicht durchaus stichhaltig, auch als sie fertig war, tat sie nichts. Man wollte nicht zuviel aufs Spiel setzen (auch nach französischen Angaben).

Im Jahre 1690 plante Ludwig, energisch vorzugehen. Wenn es auch England gelungen war, Truppen nach Irland zu werfen, so stand Jakobs Sache dort noch nicht schlecht, falls ihn Frankreich ernstlich unterstützte, besonders mit der Flotte. Diese konnte nun entweder in erster Linie ganz in den Dienst des irischen Landkrieges gestellt oder dazu bestimmt werden, zunächst die feindliche Flotte zu vernichten und dadurch einen Einfall in England zu ermöglichen. Ludwig entschied sich für den zweiten Weg. Dies war zweifellos richtig; noch konnte er sich zur See als überlegen betrachten, aber er durfte dabei nicht die Unterbrechung der Verbindung seines Gegners mit Irland ganz vernachlässigen, doch dies geschah wie im Vorjahre. Im März führte ein französisches Geschwader Truppen und Kriegsmaterial nach Irland, ungehindert obgleich die Engländer Schiffe im Kanal hatten.

So z. B. das für das Mittelmeer bereitliegende Geschwader unter Killigrew. Die kleine Flottille unter Shovel, die für die irischen Gewässer in Dienst gestellt wurde, kam zu spät. Diese scheint nur zur Deckung des eigenen, bald folgenden Überganges bestimmt gewesen zu sein, ging sie doch auch nach Erfüllung dieser Aufgabe zur großen Flotte zurück.

Wie im Vorjahre kehrte dieses aber sofort nach Frankreich zurück, und weitere Seestreitkräfte von Belang waren später nicht in den irischen Gewässern. So konnte Wilhelm III. im Juni mit großer Macht in eigener Person nach Irland hinübergehen. Es ist wohl möglich, daß dieser Fehler französischerseits begangen ist, weil man annahm, der Expedition nach Irland bald den geplanten großen Angriff mit der Hauptflotte folgen lassen zu können. Auffallend bleibt es doch und läßt auf mangelndes Verständnis in dieser Hinsicht schließen, wie völlig „beide Parteien“ die Unterbrechung der Verbindung des Gegners mit der Insel während der ganzen Dauer des Kampfes um diese vernachlässigen.

[478]

Die mächtige französische Flotte, für den Angriff auf England bestimmt, 70 Linienschiffe unter Tourville war erst Ende Juni in Brest bereit; zu spät, um, wie beabsichtigt, die Verbündeten vor ihrer Vereinigung zu schlagen. Als sie auftrat, entschied sich gerade Jakobs Schicksal durch die Schlacht am Boyne (11. Juli). Trotz dieser Verzögerung — dieses Mal wirklich wohl allein hervorgerufen durch die seit Colberts Tode eingerissenen Übelstände — war Tourville den Verbündeten — 57 Linienschiffe unter Herbert — weit überlegen und er schlug sie fast vernichtend bei Beachy Head (10. Juli). Daß er so überlegen auftreten und hiervon Gebrauch machen konnte, war die Folge einer Summe von Fehlern der Gegner: Ungenügende und verspätete Rüstung, Zersplitterung der Kräfte, falsche Führung.

Das schon im Winter bereite Geschwader unter Killigrew, das im Frühjahr Kauffahrer ins Mittelmeer geleiten und die Toulonschiffe dort festhalten sollte, segelte infolge von Unschlüssigkeit in London zu spät. Als es doch noch auf das Toulon-Geschwader traf, vermied dieses (Château-Renault) richtigerweise das Gefecht und vereinigte sich rechtzeitig mit seiner Hauptflotte. Killigrew dagegen folgte nicht sofort und traf erst nach der großen Schlacht in England ein.

Die Ausrüstung der Hauptflotte hatten die Verbündeten so lässig betrieben, daß sie am 1. Juli nur 50, kaum voll gefechtsbereite Linienschiffe zählte. In beiden Ländern war man schlecht über die Rüstungen des Gegners unterrichtet und unterschätzte ihn vielleicht infolge seines schwächlichen Auftretens im Vorjahre. Als man die Gefahr erkannte, gab man Herbert den Befehl, unter allen Umständen zu schlagen, und nun war auch sein Verhalten beim Zusammenstoß nicht einwandfrei.

Es sei hier nochmals etwas näher darauf eingegangen, was aus der Untersuchung in dieser Sache zu entnehmen ist und wie Herberts Verhalten bei Beachy Head von verschiedenen Seiten beurteilt wird. Auf seine Vorstellungen im Winter, die Rüstungen zu verstärken und zu beschleunigen, erhielt Herbert die Antwort des Ministers Nottingham: „Sie werden stark genug gegen die Franzosen sein;“ Herbert antwortete: „Mein Lord, ich kenne mein Geschäft und werde mein Bestes tun. Aber ich bitte sich später zu erinnern, daß es nicht meine Schuld gewesen ist, wenn die Flotte nicht stärker ist. Ich bin jetzt in Sorge, wo die Gefahr noch abzuwenden ist; Sie werden es im Sommer sein, wenn es zu spät ist.“ Er erhielt auch den Befehl, sich einzuschiffen, erst Ende Mai, und vorher waren von höherer Stelle keine Anordnungen getroffen, um die Franzosen zu beobachten. Man schätzte sie nur auf 66 Linienschiffe, schlecht bemannt und somit der eigenen Macht nicht überlegen.

Aus dem bereits teilweise wiedergegebenen Briefwechsel (S. 435 ff.) zwischen Herbert und Nottingham geht hervor, daß Herbert keine Schlacht schlagen wollte, nachdem er sich durch Augenschein von der Überlegenheit des Gegners überzeugt hatte. Sein Plan war, nach Westen zu gehen, um die dort stehenden Teile der Seestreitkräfte an sich zu ziehen, oder falls dies nicht möglich wäre, von einer sicheren Stellung im Osten aus mit seiner unversehrten Flotte den Gegner im Schach zu halten. Dies entsprach also dem Verhalten Ruyters im dritten englisch-holländischen Kriege. Nottingham billigte den Plan nicht und erwirkte, immer noch mit falscher Einschätzung der Stärke des Feindes, den Befehl der Königin, der zur Schlacht führen mußte.

Colomb hält Herberts Standpunkt für den einzig richtigen; Clowes stimmt nicht völlig bei: „Es sei doch nicht sicher, daß Herbert unbedingt imstande gewesen sein würde, die sich gestellte Aufgabe zu lösen; Wind- und Wetterverhältnisse hätten ihn hindern können.“ Dieser Einwand ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Lage ist z. B. nicht durchaus mit der Ruyters zu vergleichen: Ruyter hatte eine weit kürzere Küstenstrecke zu schützen und stand im Westen (westliche Winde vorherrschend)[479] der bedrohten Punkte; Herbert wollte von der Themse aus den ganzen Kanal bewachen. Mit beiden Kritikern muß man aber den Umstand verurteilen, daß Herbert von London aus so bindende Befehle erhielt; soweit darf der Einfluß auf den Chef einer Streitmacht nicht gehen, wie es hier geschah.

(Clowes führt hier den Ausspruch eines Admirals der Neuzeit, Sir G. Th. Hornbys, an. Als man in England gelegentlich von Differenzen mit einer fremden Macht erwog, ein Kabel zur Flotte zu legen, wenn diese an der feindlichen Küste sei, um stets von Whitehall mit ihr in Verbindung zu bleiben, äußerte genannter Admiral: „Wenn ich der Chef der Flotte wäre, würde man — so fürchte ich — bald hören, daß das Kabel gebrochen sei.“)

Kommen wir nun zu Herberts Verhalten bei dem Zusammenstoß. Er kannte die Überlegenheit des Feindes, griff trotzdem an, führte aber den Kampf nicht mit äußerster Energie durch. Clowes sagt hierzu: „Drei Wege standen ihm nach Eingang des Befehls offen:

1. Direkter Ungehorsam und Handeln nach seiner Überzeugung; das tun nur sehr bedeutende Männer: Napoleon, als General, und Nelson haben es getan.

2. Nachdem er die Schlacht beschlossen hatte, fechten, solange er eine Planke unter den Füßen hatte; Nelson würde dies getan haben.

3. Ein Kompromiß: Gehorsam gegen den Buchstaben, aber nicht den Sinn des Befehles; diesen Weg wählte er.“

Herbert selbst sagte in der Untersuchung aus, er habe nicht annehmen können, daß die Königin die Order unterzeichnet haben würde, wenn sie die Überlegenheit des Gegners voll gekannt hätte. So habe er nun die Flotte nicht ganz opfern und damit das Land völlig dem Feinde preisgeben wollen; „die Folgen hätten ihm Recht gegeben.“ (Ferner: „Ich war stets der Ansicht — und so kam es —, daß der Feind nichts unternehmen würde, whilst we had a fleet in being.“)

Auch dies erkennt Colomb als richtig an, aber es ist doch wohl auch nicht ganz zutreffend: Denn wenn Tourville seinen Sieg — zunächst schon taktisch durch schärfere Verfolgung, vielleicht gar Nachdringen in die Themse — mehr ausgenutzt hätte, wäre Herbert wahrscheinlich auch bei dem gewählten Verfahren vollständig vernichtet worden. Clowes dagegen sagt: „Wenn Herbert anders gefochten, so hätte er möglicherweise einen glorreichen Sieg erkämpft, jedenfalls aber den Gegner bedeutend mehr geschädigt, und dieser würde um so weniger etwas unternommen haben; keinenfalls würden die Franzosen so unbedingte Herren der See geworden sein, wie sie es für einige Zeit wurden.“ Auch diese Ansicht kann man angreifen, aber man muß doch wohl sagen: Wählte Herbert die Schlacht, von der er wußte, daß sie entscheidend werden würde, so mußte er auch alles tun, was er vermochte; Kompromisse sind in großen Sachen wohl stets das Ungeeignetste und Unsicherste.

Die Franzosen nutzten ihren Sieg weder taktisch noch strategisch aus. Eine schärfere Verfolgung würde den Verlust der Verbündeten weit größer, vielleicht entscheidend für den Krieg mit England gemacht haben; die für fast drei Monate errungene Seeherrschaft wurde nur zu unbedeutenden Unternehmungen gegen die feindliche Küste und zum Abholen der französischen Truppen von Irland benutzt, als Ludwig die Sache Jakobs vorläufig aufgab.

Diese letzte Tatsache zeigt nochmals, wie wenig auf Unterbrechung der Verbindung des Gegners mit der Insel auch von England gegeben wurde. Tourville war Ende August nach Brest gegangen, Killigrew's und Shovel's Geschwader waren nicht im Gefecht gewesen und doch geschah nichts, um das Abholen zu hindern!

Die von den Franzosen angegebenen Gründe für ihre Lauheit nach Beachy Head sind: Nach der Schlacht Munitionsmangel, dann schlechter Zustand der Schiffe, endlich Herannahen der schlechten Jahreszeit. Seignelay verlangte mehr von der Flotte,[480] vor allem den Versuch, in die Themse einzudringen, wie es Ruyter einst getan habe. Dies oder ähnliches hätte die Hauptflotte unternehmen müssen, während leichte Schiffe Irland abschlossen, wo sich Wilhelm III. in Person befand. Möglich, daß die Reste der Flotte der Verbündeten immer noch als eine „fleet in being“ ernstliche Unternehmungen gegen die Küste verhindert haben; zulässig auch erscheint mir, die nach der Schlacht am Boyne eingetretene Mißstimmung Ludwigs gegen Jakob und seine Sache als Grund der Lauheit anzunehmen; geschah doch auch nichts von französischer Seite, als Ende September endlich ein Teil der Flotte der Verbündeten die letzte Stadt Irlands im Süden nahm.

Der strategische Plan Ludwigs im Jahre 1690 war gewiß richtig, genügende Kraft dafür bestimmt und die Gelegenheit zur Ausführung günstig, weil die französische Flotte noch überlegen auftreten konnte; er scheiterte an ungenügender Vorbereitung und am Nichtausnutzen der errungenen Erfolge. Sollte eine Invasion gelingen, so mußte die geschlagene feindliche Flotte vernichtet werden.

Das Jahr 1691 bringt nur die strategisch und auch taktisch glänzende Leistung Tourvilles, seine Hochseekreuztour. Die Franzosen hatten wiederum 70 Linienschiffe aufgestellt, auch die Verbündeten spannten endlich ihre Kräfte an und brachten jetzt gegen 100 Linienschiffe unter Russell zusammen. Aber die Franzosen waren zuerst seeklar und nur bei ihnen kann man einen strategischen Plan wahrnehmen. Dieser war jedoch, nach Seignelays Tode, ein ganz anderer als im Vorjahre: anstatt einer Offensive gegen die feindlichen Streitkräfte oder gar Küsten nur Schutz der eigenen Küste und Angriff des feindlichen Handels, insbesondere des großen Levanteconvois. Ohne Antwort auf seinen Einwurf, daß diese Aufgaben sich kaum vereinigen ließen, tat Tourville sein Bestes, doch sah er im Gegensatz zu seiner Regierung den Schutz der Küste als die wichtigere an. Als der Convoi ihm, durch Wetterverhältnisse begünstigt, entgangen war, verstand er es, den Feind wochenlang hinter sich herzuziehen, ohne ihm Gelegenheit zum Schlagen zu geben. Damit hinderte er die Gegner, von ihrer starken Rüstung irgendwelchen Gebrauch zu machen, und hielt den Kanal für die französischen Freibeuter sowie für die wiederaufgenommene Verbindung mit Irland frei.

Das Verhalten der Verbündeten war so schwächlich wie in den Vorjahren. Wieder waren sie durch verzögerte und mangelhafte Ausrüstung gelähmt, aber auch Tatkraft in der Führung fehlte. Man muß annehmen, daß sie noch unter dem Eindruck der Niederlage von Beachy Head standen (Herberts abschreckendes Schicksal), daß sie deshalb trotz der übermacht ihre Kräfte so ängstlich zusammenhielten, alles andere preisgaben und doch nichts wagten.

Zu erwähnen ist noch, daß in diesem Jahre die französischen Streitkräfte im Mittelmeer zu den Erfolgen gegen Savoyen und Spanien am Lande beitrugen; die schwache spanische Marine konnte ihnen nicht entgegentreten.

Wie Ludwig XIV. im Jahre 1692 den Landkrieg aufs neue mit aller Kraft begann, so nahm er auch seinen Plan von 1690 wieder auf: Frühzeitiges Zusammenziehen der gesamten Seestreitkräfte, um die Flotten der Verbündeten[481] vor der Vereinigung zu vernichten und dann in England einzufallen. Wieder rechnete er mit einem allgemeinen Aufstande der Jakobiten, hatte aber dieses Mal richtigerweise — im Sinne des verstorbenen Seignelay — trotzdem eine große Invasionsarmee aufgestellt. 1689 und 1690 lagen die Aussichten für einen solchen Plan günstig; jetzt war es zu spät. Bei der eigenen Marine waren die Schäden in der Organisation fortgeschritten, auch machte sich infolge des langen Krieges schon Geldmangel bemerkbar; die Feinde dagegen waren imstande, ihre natürlichen Hilfsmittel auszunutzen. Eine Überlegenheit zur See war nicht mehr vorhanden, selbst nicht wenn sämtliche Schiffe Frankreichs rechtzeitig fertig und vereint gewesen wären; doch auch dies war nicht der Fall. Zu dem für Beginn der Operationen festgesetzten Zeitpunkt (Ende April) verfügte Tourville nur über 39 Schiffe; die Verbündeten aber waren in diesem Jahre früher als bisher mit ihrer ganzen Macht bereit (am 19. Mai 88 Linienschiffe). Ludwig glaubte trotzdem an die Überlegenheit seiner Flotte und gab den Befehl zum Auslaufen, als diese 45 Schiffe stark war.

Er hielt die Gegner für nicht bereit oder doch, wenn dies der Fall und selbst wenn vereinigt, seiner Flotte kaum gewachsen und er rechnete mit der Unzuverlässigkeit eines großen Teiles der englischen Flotte. So sagen die Quellen! Diese Unkenntnis ist aber auffallend, weil man in Frankreich bisher und auch später wieder stets rechtzeitig und genau von den feindlichen Rüstungen und Plänen unterrichtet war. Man muß fast annehmen, daß Ludwig durch Hochmut und Ungeduld fortgerissen worden ist.

Zu spät kam Ludwig Nachricht und Einsicht, daß alle seine Voraussetzungen falsch seien, daß er vorläufig von dem Unternehmen absehen müsse; Tourville war ausgelaufen, die Gegenbefehle und die Benachrichtigung, daß die Gegner vereint seien, erreichten ihn nicht. Er stieß unvermutet bei Cap Barfleur (29. Mai) auf den Feind und griff seinem Befehle gemäß an, obgleich er dessen Überlegenheit erkannte. Was Tourville zu diesem Schritte bewogen hat, wissen wir; strategische Überlegungen leiteten ihn nicht. Er stand ganz unter dem Einfluß persönlicher Gefühle, und die Schuld an der Katastrophe trifft in erster Linie den König, der die berechtigten Einwendungen seines Admirals unbeachtet gelassen und ihm so bindende Befehle gegeben hatte. Es erfolgte die Niederlage in der Schlacht und die Vernichtung so vieler Schiffe nach dieser bei La Hogue. Wichtiger für den Verlauf des Krieges als der Verlust an Material war aber, daß Frankreich die Offensive zur See von jetzt an aufgab.

Der Erfolg der Verbündeten ist nur dem Umstande zuzuschreiben, daß sie ihre Rüstung beeilt hatten, große Tatkraft und strategische Kunst haben sie auch in diesem Jahre nicht entfaltet. Sie wären sogar noch überrascht worden, wenn Tourville für seinen Marsch günstigen Wind gehabt hätte. Bis zum 18. Mai lagen sie getrennt bei Rye und in den Downs, zwei Geschwader kreuzten im Kanal; es war wohl ein Fehler, daß man diese anstatt leichter Schiffe zum Erkunden entsendet hatte. Wie sich die Sache entwickelte, schlug die Verzögerung der Ausrüstung und Vereinigung ihrer Flotte zum Vorteil der[482] Verbündeten aus, denn hierdurch wurde Ludwig im Festhalten an seinem Plane bestärkt.

Es ist nicht sicher, ob die Verbündeten genau über die Absichten der Franzosen unterrichtet waren. Holländische Quellen behaupten es, englische zweifeln daran. So sagt Colomb, man habe bis zum letzten Augenblick selbst ein Unternehmen gegen St. Malo im Auge gehabt und hierzu seien die Truppen in Portsmouth zusammengezogen gewesen. Das Zusammentreffen bei Barfleur scheint jedenfalls auch ihnen unerwartet gekommen zu sein.

In der Schlacht waren die Verbündeten von erdrückender übermacht, und doch brachte diese den Franzosen den größeren Ruhm. Die Verfolgung kostete ihnen infolge der Rücksichtnahme auf die beschädigten Schiffe zwar schwere Opfer, aber die Verbündeten hätten den Sieg mehr ausbeuten müssen, die nach der Schlacht entkommenen Schiffe durften ihnen nicht entgehen.

Haben sie endlich die errungene Seeherrschaft ausgenutzt? Die französische Flotte legte auf und die Transporter wurden mit Marinemannschaften in den Dienst der Freibeuterei gestellt, die gerade noch in diesem Jahre den Handel der Verbündeten auf das empfindlichste schädigte, weit mehr als im Jahre 1690, in dem die Franzosen die See beherrschten. Die Flotte der Verbündeten wurde zwei Monate hindurch behufs Vorbereitungen zu einem Unternehmen auf dem Festlande, zu dem es schließlich nicht kam, untätig zusammengehalten.

Das Jahr 1693 zeigt den Übergang in den zweiten Abschnitt der Kriegführung: die Franzosen richten ihren Angriff nur gegen den Handel, aber noch mit einer großen Hauptflotte; die Verbündeten halten weiter ihre Kräfte zusammen, können sich aber noch nicht zur Offensive entschließen. Ihre Leistung ist auch in diesem Jahre recht mäßig und zeigt eine Reihe von Fehlern und Mißständen.

Die Verbündeten beabsichtigten, ein Geschwader zur Unterstützung Spaniens ins Mittelmeer zu senden und mit der Hauptflotte in den nördlichen Gewässern zu operieren. Das Geschwader sollte ferner auf der Ausreise den Frühjahrsconvoi Levantefahrer geleiten und gerade diesem galt der französische Angriff. Infolge des schlechten Unterrichtetseins und der Unentschlossenheit auf seiten der Verbündeten sowie der Fehler des Kommandos der Hauptflotte und des Convoiführers gelang es Tourville, den Convoi großenteils zu vernichten.

Die Abfahrt des Convois war zu lange verzögert. Frankreich, gut unterrichtet, sandte Tourville in See, als die Abfahrt bevorstand. Die Hauptflotte der Verbündeten war nicht rechtzeitig bereit, um die französische in Brest festzuhalten. Als sie dann das Geschwader nebst Convoi durch den Kanal geleitete, wußte sie nichts vom Auslaufen Tourvilles, und die „drei Admirale auf einem Schiff“ versäumten es, sich hierüber zu vergewissern. Sie entließen ihre Schutzbefohlenen zu früh und diese fielen infolge der Unvorsichtigkeit des Geschwaderchefs dem Feinde in die Hände. Die Flotte blieb vor Brest und erfuhr erst über London die Abfahrt Tourvilles; sie ging dann nach England, um „neu auszurüsten“ und „Befehle einzuholen“, anstatt dem Feinde zu folgen.

Dieselben Mißstände und dieselbe Unentschlossenheit zeigen sich weiter. Wohl sah man ein, daß es richtig sei, Tourville zu folgen, um ihn an seinem[483] Vorhaben zu hindern oder, als es hierzu zu spät war, ihn wenigstens zur Schlacht zu zwingen. Es kam nicht dazu; die Flotte war ungenügend ausgerüstet und wurde schließlich frühzeitig aufgelöst. Tourville kehrte im Herbst unbehelligt zurück, nachdem er den Sommer über zum Schaden des feindlichen Handels die See im Mittelmeer beherrscht hatte.

Im Herbst 1693 setzte der Kreuzerkrieg der Franzosen mit dem ihm eigentümlichen Charakter ein. Auch hier traten die Verbündeten nicht mit der nötigen Kraft auf; im November machten sie den ersten Versuch gegen einen der Hauptstützpunkte der Freibeuterei (St. Malo). So beginnt Ende 1693 die Kriegführung, die wir in den letzten Jahren des Krieges durchweg finden.

In den Jahren 1694–1697 beschränkten sich die Franzosen in den nördlichen Gewässern auf Küstenschutz und Kreuzerkrieg; im Mittelmeer unterstützten sie den Angriff auf Spanien. Die Verbündeten stellten ihren Seestreitkräften drei Aufgaben: Unterstützung Spaniens, Angriff auf französische Küsten, Handelsschutz.

Im spanischen Landkriege hatten die Franzosen 1694 Erfolge durch Unterstützung der Flotte, bis Russell im August mit der Hälfte der verbündeten Flotte erschien. Dann ging Tourville nach Toulon und wurde hier, auch das Jahr 1695 über, festgehalten. Russell beherrschte die See, aber Erfolge für den Landkrieg errang er nicht, da die Spanier am Lande zu schwach waren. Als er 1695 imstande war, diese durch ein Landungskorps zu unterstützen, brach er schon günstig liegende Unternehmungen ab, sobald er das Auftreten der französischen Flotte fürchten mußte. 1696 zogen sich die Verbündeten aus dem Mittelmeer zurück und die Franzosen hatten 1697 Erfolge in Spanien, die wichtig für den Verlauf des Krieges waren. Wir sehen also auf beiden Seiten die Flotten nur dann größere Aufgaben an der Küste durchführen, wenn die Seeherrschaft gesichert ist.

Die Angriffe der Verbündeten auf die französischen Küsten begannen 1694 mit dem größeren Unternehmen gegen Brest, das völlig scheiterte, weil man den Gegner gut vorbereitet fand. Es folgt dann die Reihe von Beschießungen der Küstenstädte, die den Gegner wenig schädigten und ihren einen Hauptzweck, nennenswerte Truppen von seiner Feldarmee abzuziehen, nicht erreichten. Ein englischer Schriftsteller sagt: „Sie kosteten England mehr, als sie nutzten.“ Den zweiten Hauptzweck, die Freibeuterei lahmzulegen, würde man durch eine andere Verwendung der Seestreitkräfte besser erreicht haben.

In Hinsicht auf die dritte Aufgabe, den Schutz des Handels, versagten die Flotten der Verbündeten überhaupt, wenigstens bis auf die allerletzte Zeit, weil man die Kräfte aus Vorsicht oder eben zu unfruchtbaren Unternehmungen zusammenhielt. Anderseits zeigt der Kreuzerkrieg der Franzosen, wenn er auch erfolgreich war, doch, daß ein solcher nur gestützt auf eine Flotte lebensfähig ist.

Die koloniale und überseeische Kriegführung ist auch in diesem Kriege noch unbedeutend; nur der Zug de Pointis' gegen Cartagena (1697) war von[484] Einfluß auf den Verlauf. Im nächsten Kriege spielt sie eine etwas größere Rolle, von wirklicher Bedeutung wird sie erst in den Kriegen des folgenden Zeitabschnittes.

Colomb (Naval warfare) zieht auch aus den Ereignissen dieses Krieges bemerkenswerte Schlüsse. In den Kapiteln VI und VII: „Versuche, zu einem bestimmten Zwecke die Seeherrschaft zu erringen“ — nämlich einer Invasion — wird gesagt: Die Ereignisse des Jahres 1690 zeigen, daß eine teilweise Beherrschung der See (Tourville nach Beachy Head) noch keine Invasion erlaubt, daß selbst noch mit einer teilweise geschlagenen Flotte gerechnet werden muß. Das Jahr 1692 zeigt die Schwierigkeit, eine „zeitliche“ Seeherrschaft zu gewinnen, sowie die damit verbundene große Gefahr, wenn man eine solche unter allen Umständen erzwingen will.

Colomb sagt: „1690 wurde der französische Versuch vereitelt durch Herberts gesunde Politik, geleitet durch die Überzeugung, daß er die größte Gefahr heraufbeschwöre, wenn seine Flotte infolge eines anderen Verhaltens vernichtet würde.“ (Wir wissen, daß Colomb die Ansicht Herberts billigt.) „Man kann sagen, daß die Franzosen 1692 gerade entgegengesetzt handelten, indem sie ihre Flotte auf einen Wurf einsetzten, um die Invasion zu ermöglichen.“

Weiter wird darauf hingewiesen, daß der Plan einer Invasion 1696 sofort aufgegeben wurde, als man sah, daß die verbündete Flotte fertig und somit eine Überraschung ausgeschlossen sei.

Im Kapitel XII: „Die Bedingungen, unter denen Angriffe von See her gelingen oder scheitern“, nimmt Colomb die Ereignisse an der spanischen Küste als Beispiele dafür, daß auch zu solchen Unternehmungen die unbedingte Seeherrschaft notwendig ist. Beide Parteien geben Belagerungen von See aus auf, sobald sich der Feind nähert, ja nur seeklar gemeldet wird; in den nördlichen Gewässern beginnen die Verbündeten mit den Angriffen auf die Küste erst Ende 1693, als sie unbestritten die See beherrschen. In Hinsicht auf die Durchführung solcher Angriffe bespricht Colomb den größeren auf Brest 1694. Er sagt: die Seeherrschaft war hier vorhanden, aber die Expedition war nicht stark genug und wurde fehlerhaft geleitet.

„There was no heart in it“ (dies sagt er mit Beziehung auf alle derartigen Unternehmungen dieser Jahre) und die Landtruppen waren nicht annähernd genügend stark. Man durfte auch nicht in einer der Buchten bei der Einfahrt landen, deren Strand ganz in eine befestigte Stellung verwandelt war. Man hätte eine stärkere Macht z. B. in der Douarnenez-Bucht außer Bereich der feindlichen Stellung ausschiffen müssen.

Colomb schließt das Kapitel XII: „Wenn man die Stärke der Befestigungen genau kennt, genügend Truppen verwendet, diese außer Bereich der Befestigungen landet, durch die Flotte schlagfertig hält und unterstützt, so ist kein Grund, daran zu zweifeln, daß jeder Platz fällt, vorausgesetzt, daß kein Entsatz über See kommt“.

Unsere Betrachtungen über Strategie dürften zeigen, daß der Einfluß der Kriegführung zur See weit größer hätte sein können. Ludwig XIV. versäumte es, von der zu Anfang vorhandenen Überlegenheit seiner Marine Gebrauch zu machen. Die Seemacht der Verbündeten gewann[485] Zeit, ihre Kraft zur Entfaltung zu bringen, hätte dann aber weit mehr leisten müssen. Sogar Clowes schreibt: „Wenn auch der Frieden günstig war, so kann man doch nicht sagen, daß die Marine in dem achtjährigen Kriege viel zur Hebung des Rufes beigetragen hat, den sie unter Cromwell und auch noch unter Karl II. errungen hatte.“ Die Gründe sind jedoch teilweise durch die Verhältnisse zu entschuldigen.

Grobe Fehler wurden allerdings von der höchsten Leitung (Whitehall) gemacht: Hier war man stets vom Feinde ungenügend unterrichtet; es mangelte an Einsicht und Entschlossenheit, und dabei beanspruchte man die Leitung bis ins kleinste.

Aber auch die Verwaltung war infolge der früheren Mißregierung schlecht: Die Schiffe waren, wenn am meisten nötig, schlecht im Stande, schlecht bemannt und schlecht ausgerüstet. Endlich fehlte die Tatkraft in der Führung, doch ist dies wieder größtenteils eine Folge der politischen Verhältnisse. Die Führer wagten zwar einesteils wegen des mangelhaften Zustandes der Flotte nichts, anderseits aber scheuten sie sich vor Verantwortung. Jakob glaubte an eine besondere Anhänglichkeit der Seeoffiziere an seine Person; auch die unter Wilhelm III. leitenden Kreise hatten diesen Verdacht, sie zweifelten dah433 er an der Treue und Zuverlässigkeit vieler Offiziere. Mißtrauen herrschten im Kabinett und in der Hauptstadt, Parteiwesen und Unentschlossenheit im Offizierkorps. Ein Mann, der sich im Gefecht unglücklich oder unfähig zeigte, mußte gewärtig sein, abgesetzt und zur Verantwortung gezogen, gar des Verrats angeschuldigt zu werden. Da ferner gerade manche der erfahrenen Männer in Verdacht standen, der Regierung feindlich zu sein, so wurden diese nicht ihren Fähigkeiten entsprechend verwendet. Die öffentliche Meinung klagte, daß man ungeeignete Personen bei Besetzung der Stellen bevorzugte, in deren Händen die Leitung der Seemacht lag. Eine weitere Folge dieser Verhältnisse war der beständige Wechsel im Oberkommando der Flotte, zweimal sogar ernannte man Joint-Admirals. Ein solches Unding war nur ohne Schaden möglich gewesen zu Zeiten eines Blake oder Monck, neben denen die Kollegen keine Rolle spielten.

Die holländische Marine war in diesem Kriege in jeder Hinsicht besser als die englische. Sie kam aber nicht zur Geltung, weil sie in der gemeinsamen Flotte wesentlich schwächer vertreten war und stets unter englischem Oberbefehl stand.

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Fußnoten:

[226] Vgl. Mahan, Teil I (Seite 168 ff.), von mir bei Vorstehendem zu Rate gezogen und auch stellenweise angeführt.

[227] Clowes, Teil II, Seite 244. Er gibt hier zum letzten Male eine genaue Gesamtliste, später nur noch Veränderungen.

[228] Hauptquelle: de Jonge, Teil III.

[229] De Jonge, Teil III, Beilage VII und VIII.

[230] Hauptquellen: Chab.-Arnault; Bonfils, Teil I und II; Delarbre: „Tourville“.

[231] Delarbre „Tourville“, Seite 194.

[232] Nach de Jonge, Teil III, und Clowes, Teil II, worin die Ereignisse für die betreffende Nation genannt; in ersterem auch besonders über die Vorbereitungen, z. B. Geheimhaltung und Beschaffung der Mittel, sowie in Beilage I, Aufzählung der holländischen Schiffe für die Expedition, genaue Angabe der Truppen, Instruktionen für Herbert und Evertsen.

[233] Nach Clowes, Teil II, Bonfils, Teil I, Troude, Teil I; sie stimmen nicht ganz überein, selbst nicht die französischen Quellen unter sich. Doch ist dies von wenig Belang, da das Gefecht ohne taktisches Interesse.

[234] Diese und noch folgende Auszüge aus Berichten Herberts und Befehlen von London vgl. z. B. Colomb, Seite 115.

[235] Gunfleet: Bänke östlich von der Themse von Foulness bis Harwich; ein geeigneter, sicherer Ankerplatz für große Flotten.

[236] Hier benutzt: Clowes, Teil II; de Jonge, Teil III, am ausführlichsten, was die Holländer betrifft; Delarbre; Bonfils, Teil I; Mahan, Teil I.

[237] Munitionsmangel herrschte bei allen drei Nationen und wird überall der schlechten Ausrüstung, nicht der Dauer der Aktion zugeschrieben.

[238] In Delarbre „Tourville“, Seite 349 ff., findet man den Befehl (vom 20. Mai) sowie Berichte Tourvilles mit Vorstellungen dagegen; aus diesem Schriftwechsel ist das geringe seemännische Verständnis des Ministers zu ersehen.

[239] Etwas Genaueres hierüber in Troude, Teil I.

[240] Nach Delarbre „Tourville“ im Auszuge; dieses Werk ist hier besonders benutzt, vergleichend mit anderen französischen Quellen, aber auch mit Clowes, Mahan, de Jonge.

[241] Nach de Jonge, Teil III, Beilage XV; Clowes, Teil II; Troude, Teil I; Bonfils, Teil I; Delarbre. Mit Ausnahme de Jonges geben diese Quellen die Namen der Schiffe und der Kommandanten.

[242] Delarbre „Tourville“, Seite 197.

[243] Chab.-Arnault, Seite 94.

[244] Zusätze nach anderen Quellen gebe ich in [—], besonders nach Clowes und de Jonge, weitere Hauptquellen sind Bonfils; Troude. Kurz in Mahan, Teil I.

[245] In Delarbre „Tourville“ findet man die genauen englischen, holländischen und französischen Berichte.

[246] Die (ungefähren) Angaben über die Anzahl der Linienschiffe bei diesen sind aus de Jonge, Teil III, entnommen.

[247] Die Bombardements der französischen Küstenstädte in diesen Jahren etwas genauer in Bonfils, Teil I, und in de Jonge, Teil III.

[248] D. h. sie lagen nach Zurückweichen des Wasser bei Ebbe auf dem Strande.

[249] De Jonge, Teil III führt in Beilage XVII 49 Linienschiffe, darunter 9 über 90 Kanonen, im Kanal, Mittelmeer und gegen Dünkirchen allein für Holland auf.

[250] Hauptquellen: Chabaud-Arnault, Seite 99; Bonfils, Teil I, Seite 352, 357; Mahan, Teil I, Seite 188; de Jonge, Teil III, an verschiedenen Stellen.

[251] Z. B. in den soeben angeführten Quellen; für die englische Marine im Clowes, Teil II, Kap. „minor operations“.

[252] Vgl. Mahan, Teil I, Seite 188 und Seite 126–132. Von Mahans Auslassungen ist bereits früher (Seite 305) ein Auszug gegeben, an den gewissermaßen hier angeschlossen wird.

[253] Etwas genauer geschildert in Colomb, Kapitel XI, XII; in Bonfils, Teil I; in Clowes, Teil II, „minor operations“. In Zimmermann „Europäische Kolonien“, Band II und IV ist näher auf die Kriege Englands und Frankreichs um Kanada usw. eingegangen.


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Neuntes Kapitel.
Der Spanische Erbfolgekrieg 1702–1713.

Die politischen Verhältnisse und Verhandlungen vor Ausbruch des Krieges.[254] Auch dieser Krieg erscheint in der Hauptsache nur als ein großer europäischer Festlandskrieg, ist aber doch von der größten Bedeutung für die Seekriegsgeschichte. Er wird schon ebensosehr durch die Eifersucht der Staaten in maritimen Interessen wie durch Streit um Länderbesitz hervorgerufen; in Beziehung auf maritime Interessen sind seine Folgen von großer Wirkung. In ihm entscheidet sich der Kampf der drei großen Seemächte um die Herrschaft auf dem Meere. England erringt den von jetzt an kaum noch bestrittenen ersten Platz. Große Aktionen zur See bringt dieser Krieg noch weniger als der Pfälzische Erbschaftskrieg. Der Einfluß der Seestreitkräfte auf den Verlauf ist zwar besonders auf seiten der Gegner Frankreichs groß, aber er besteht, ähnlich wie in dem vorigen Kriege von 1694 an und noch mehr, fast nur in dem geräuschlosen andauernden Drucke, mit dem die Seemacht arbeiten kann, indem sie dem Feinde die Hilfsquellen abdämmt, während sie die eigenen offen hält. Aus diesen Gründen wird sich schon die Schilderung des Spanischen Erbfolgekrieges ebensosehr mit genauer Auslassung über die vorstehenden Punkte — Ursachen und Folgen des Krieges in maritimer Hinsicht; Einfluß der Seemacht — wie mit der Beschreibung kriegerischer Ereignisse zu beschäftigen haben.

Wie der Name sagt, gab die Thronfolge in Spanien — beim Aussterben des habsburgischen Zweiges — den Anlaß zum Kriege; schon vor dem Tode des letzten Königs, Karls II., beschäftigte diese Frage die Kabinette. Es handelte sich darum, ob der Nachfolger aus dem Hause Bourbon oder aus dem habsburgischen Zweige, der in Österreich regierte, hervorgehen sollte. Diese Häuser waren erbberechtigt: In erster Linie durch die beiden Schwestern Karls II., von denen Maria Theresia mit Ludwig XIV. und Margarete Theresia[487] mit Kaiser Leopold I. verheiratet gewesen waren; in zweiter Linie auch schon durch die beiden Schwestern König Philipps IV., von denen Anna die Gemahlin Ludwigs XIII. und Maria Anna die Kaiser Ferdinands III. gewesen waren (die Mütter Ludwigs XIV. und Leopolds I.).

Ludwig XIV. und Leopold sahen wohl ein, daß die übrigen Staaten nicht zulassen würden, Spanien mit ihren Ländern zu vereinigen, sie traten deshalb für ihre Person und ihre Thronfolger zurück. Ludwig verlangte den spanischen Thron für seinen Enkel Philipp von Anjou (einen „jüngeren“ Bruder), Leopold für seinen zweiten Sohn (aus dritter Ehe).

Maria Theresia hatte bei ihrer Verheiratung auf die Erbfolge verzichtet; das einzige Kind Margarete Theresias verzichtete zugunsten ihres Vaters auf die Thronfolge in Spanien, als sie sich mit Max Emanuel von Bayern verband, doch erkannten weder Ludwig XIV. noch der Kurfürst diese Verzichte an. Erbberechtigt erschienen so: Der Dauphin von Frankreich, der Kurprinz von Bayern und der älteste Sohn Leopolds; der Dauphin und Leopolds Sohn auch schon von den Schwestern Philipps IV. her.

Man mußte sich also vereinbaren und legte Wert auf die letzte Willensmeinung des Königs von Spanien. Dieser war seinen deutschen Verwandten zugeneigt, aber die Partei der Königin arbeitete, von Frankreich beeinflußt, für das Haus Bourbon. Für die anderen Staaten handelte es sich aber im Hinblick auf das politische Gleichgewicht nicht nur darum, an welches der beiden Häuser Spanien fallen, sondern wohl noch mehr darum, ob es in seinem ganzen ungeheuren Umfange bestehen bleiben sollte. Dies war besonders wichtig für die Seenationen, weil bei ihrer Auffassung des Gleichgewichts der Einfluß der neuen politischen Gestaltung auf Handel und Schiffahrt, auf die Beherrschung des Ozeans und des Mittelmeeres schwer ins Gewicht fiel.

Zu Spanien gehörten: Neben Mailand und anderen Provinzen in Norditalien der Süden dieser Halbinsel, Sicilien, Sardinien, die Balearen; die spanischen Niederlande; auf der westlichen Halbkugel Kuba, Portorico und die großen Staaten Südamerikas, deren Bedeutung für den Handel man gerade zu erkennen begann; endlich große Besitzungen in Indien. Solange Spanien wie in den letzten Jahrzehnten ohnmächtig war, hatten die Seenationen gleichgültig auf diese große Ausdehnung, gerade in maritimer Hinsicht, geblickt. Anders wurde die Sachlage für sie, wenn eine stärkere Regierung in Spanien das Ruder führte, die vielleicht gar einen Rückhalt an einer anderen Großmacht hatte; wir werden sehen, daß während aller Verhandlungen, später während des Krieges und endlich beim Friedensschluß diese maritimen Interessen von größtem Einfluß waren.

Wegen der Wichtigkeit in maritimer Hinsicht — aber auch wegen des Charakters Ludwigs XIV. — mußte ein Erfolg Frankreichs bei der Lösung der Frage des Seenationen bedenklicher erscheinen als der der Gegenpartei; die Verhandlungen der Kabinette näherten sich infolgedessen immer mehr einer neuen Allianz gegen Frankreich, und wieder wurde Wilhelm III. von England die Seele dieser Bewegung. England und Holland fürchteten ganz besonders, wenn ein Bourbon den Thron Spaniens bestieg, den Einfluß Frankreichs in den spanischen Niederlanden, ein französisches Handelsmonopol im spanischen Amerika und die Beherrschung der Straße von Gibraltar zugunsten Frankreichs; dieses erschien ihnen sowohl im Hinblick auf den Handel wie vom militärischen Standpunkte aus gefährlich; hatte ihnen doch im letzten Kriege Cadiz als Stützpunkt gegen die Verbindung der französischen Streitkräfte von Toulon und Brest gedient.

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Die Seenationen machten nun zunächst einen Vermittlungsvorschlag (im Haag 1688): Joseph, der Kurprinz von Bayern, sollte Spanien, Indien und die Niederlande erben; an Karl, des Kaisers Sohn, sollten Mailand und an einen Sohn Ludwigs Neapel und Sicilien fallen. So waren alle Erbberechtigten bedacht, und auch sie erreichten ihren Zweck; Frankreich erhielt zwar eine stärkere Stellung im Mittelmeer, aber dieser glaubten die Regierungen der Seestaaten gewachsen zu sein. Ludwig ging auf diesen Vorschlag ein, vielleicht nur um im Bunde mit England und Holland den Kaiser zu schrecken oder um für seine Umtriebe in Madrid Zeit zu gewinnen. Der Kaiser jedoch widersetzte sich, da er seiner Familie gerade die Mittelmeerstellung erhalten wollte, und alles flog in die Luft, als der Kurprinz 1699 plötzlich (an Gift?) starb.

In Spanien war die öffentliche Meinung gegen jede Lösung der Frage, die das Reich zersplitterte, und der Partei der Königin gelang es, den König zu bestimmen, in seinem Testament (Oktober 1700) Philipp von Anjou als Thronfolger einzusetzen; der König starb am 1. November 1700. Ludwig XIV. erkannte das Testament an, ohne auf seine Verhandlungen mit den Seemächten Rücksicht zu nehmen; er ließ seinen Enkel zum König ausrufen und sandte ihn im Januar 1701 nach Spanien. Anjou fand dort keinen Widerstand, er zog im April als König Philipp V. feierlich in Madrid ein; auch in Mailand und Neapel wurde er anerkannt, ebenso vom Papst und von Mantua. Er war aber ganz auf Frankreichs Unterstützung angewiesen, da in Spanien Heer und Flotte gänzlich verfallen waren.

Bei seiner Abreise sagte ihm Ludwig: „Sei ein guter Spanier, das ist deine erste Pflicht, aber vergiß auch nicht, daß du ein geborener Franzose bist, um stets die Verbindung zwischen beiden Ländern und damit den Frieden Europas aufrecht zu erhalten.“ Ludwig frohlockte auch schon mit dem Ausspruch: „Es gibt keine Pyrenäen mehr!“ Sein Triumph war berechtigt: die Vereinigung der Länder beim Hause Bourbon versprach große Vorteile für Frankreich, schon weil dieses dadurch einen alten Feind im Rücken verlor, der trotz seiner Schwäche oft die Erweiterungspläne nach Osten behindert hatte. Tatsächlich haben ja auch die beiden Königreiche dann lange Zeit, mit nur kurzer Unterbrechung, in einem auf Familienbeziehungen beruhenden Bündnisse gelebt, das nur wegen Spaniens Ohnmacht nicht gefährlich für das übrige Europa wurde.

Nun drohte der Krieg; die Bevölkerung der Seestaaten wollte aber nach den Leiden des letzten Kampfes noch Ruhe haben. Man versuchte deshalb, Ludwig zu einigem Nachgeben zu bewegen, und machte einen neuen Vermittlungsvorschlag, nach dem Anjou Spanien behalten sollte, aber Frankreich keine Handelsbevorzugung in den Kolonien gewähren dürfe; die italienischen Provinzen sollten sämtlich an Karl fallen, wodurch dem vorhin erwähnten Anspruch des Kaisers genügt wäre. Den Seemächten erschien es für ihre maritimen Interessen weit unbedenklicher, Süditalien in habsburgischen Händen zu sehen als in bourbonischen; es ist bemerkenswert, daß diese Lösung der Frage annähernd schließlich das Ergebnis des zehnjährigen Krieges wurde.

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Ludwig XIV. war aber inzwischen schon weiter gegangen, indem er im Februar, im Einverständnis mit dem spanischen Statthalter, aus den Festungen der spanischen Niederlande die holländischen Besatzungen vertrieben hatte, die dort nach altem Vertrage zum Schutze dieser Provinz und somit Hollands selbst lagen. Nun begann Holland zu rüsten und auch der Kaiser sammelte Truppen (Prinz Eugen), um sich die Lombardei zu sichern. Ludwig sandte sofort ein Heer (Catinat) nach Oberitalien, um den Österreichern den Weg zu verlegen; hier begann der Krieg schon im Mai 1701.

Der Kaiser war zunächst noch in bedrängter Lage. Infolge der Türkenkriege war der Schatz erschöpft und in Ungarn erforderten neue Unruhen ein Heer; Ludwig hatte Savoyen sowie die Kurfürsten von Bayern und Köln für sich gewonnen, auch ganz Italien stand gegen den Kaiser; mit ihm gingen allerdings die meisten anderen deutschen Fürsten, besonders Preußen und Hannover, die er sich durch Gewährung der Königs- und Kurfürstenwürde verpflichtet hatte.

Die neuen Versuche der Seemächte, auf friedlichem Wege ihren Zweck zu erreichen, hatten auch keinen Erfolg. Ludwig gab nicht nach, und wie Holland genötigt war, zu seinem eigenen Schutze zu rüsten, so wurde auch in England die Stimmung feindlicher. Schon der erste Teilungsvorschlag war hier dem Volke nicht genehm gewesen, weil durch ihn Neapel und Sicilien unter französischen Einfluß gekommen wären; jetzt sprach sich das Parlament offen gegen jede Lösung der Frage aus, die Frankreichs Herrschaft im Mittelmeer stärke, und gab dem Könige freie Hand, eine neue große Allianz gegen Ludwig XIV. herbeizuführen. Im September 1701 schlossen die Seemächte einen geheimen Vertrag mit dem Kaiser, in dem folgende Grundzüge für einen bevorstehenden Krieg niedergelegt wurden: Besetzung der spanischen Niederlande zum Schutze Hollands; Eroberung der italienischen Provinzen für den Kaiser; Berechtigung der Seemächte, außereuropäische spanische Besitzungen für sich zu erobern. Keiner der Verbündeten solle allein mit Frankreich in Unterhandlung treten und ohne sicherzustellen, daß niemals Frankreich Spanisch-Indien erhielte oder dort Handelsbeziehungen anknüpfe, endlich daß England und Holland die Handelsvorrechte behielten, die sie unter dem verstorbenen Könige besessen hatten. Diese Bedingungen entsprachen also dem letzten Teilungsvorschlage: Anjou wurde als König anerkannt, aber die Seenationen sicherten sich große maritime Vorteile und berücksichtigten doch die Ansprüche des Kaisers — deutsche Truppen mußten ja in erster Linie den Landkrieg führen.

Zum Ausbruch des allgemeinen Krieges kam es aber noch immer nicht. Holland wollte nicht ohne England losschlagen, und hier konnten sich die Handelskreise noch nicht entschließen, noch nicht von dem Eindruck der Verluste im letzten Kriege freimachen. In diesem kritischen Augenblicke starb Jakob II. (16. Dezember 1701) und Ludwig ließ sich bewegen, trotz der Bedingung im Frieden von Ryswijk dessen Sohn als König Jakob III. von England anzuerkennen. Dies faßte das englische Volk als Drohung und Beleidigung auf, und das Parlament bewilligte jetzt alle verlangten Mittel zum Kriege sowie Subsidien für Deutschland. Wilhelm III. starb zwar am[490] 8. März 1702, doch die Königin Anna blieb seiner Politik treu; der Herzog von Marlborough wurde nicht nur in England, sondern für die Verbündeten überhaupt, die in diesem Kriege treibende Persönlichkeit, wie es früher Wilhelm von Oranien gewesen war. In den Niederlanden, wo kein neuer Statthalter gewählt wurde, gelang es dem Ratspensionär der Staaten von Holland, Heinsius, die Politik im Sinne Wilhelms fortzuführen. Im Mai 1702 wurde der Krieg erklärt.

Die Kriegserklärung erging: von Holland an die Könige von Frankreich und Spanien; von England an den König von Frankreich und an Spanien, da Anna nach der Proklamation Jakobs zum Könige von England Philipp nicht mehr als Herrscher anerkannte; vom Kaiser an den König von Frankreich und an Philipp von Anjou, da er Spanien als Eigentum seines Hauses ansah.

In dem Kriegsplane der Verbündeten trat bald eine, für uns besonders wichtige, Veränderung ein. Im Jahre 1703 wurde von allen Verbündeten Karl von Österreich als Karl III. zum Könige von Spanien ausgerufen. Portugal trat dem Bunde bei und Karl sollte mit Unterstützung dieses Landes sowie der Seemächte sein Reich erobern. In Spanien hatte er besonders in Katalonien und Aragonien Anhänger, während die südlichen Provinzen und besonders Kastilien auf seiten Philipps standen.

Der König von Portugal, Dom Pedro II., hatte aus Furcht vor Frankreich Anjou anerkannt, obgleich er im Herzen sein Gegner war; auch er fürchtete für die Zukunft den wachsenden Einfluß Frankreichs in Spanien. Österreich versprach ihm nun Abtretung spanischen Gebietes, England Geldhilfe. Er wollte sich aber nicht erklären, ehe nicht Karl in Lissabon gelandet und damit den Verbündeten die Verpflichtung erwachsen sei, auch auf der Pyrenäischen Halbinsel in einen Landkrieg einzutreten.

Gleichzeitig schlossen Portugal und England den Methuen-Vertrag — benannt nach dem die Verhandlungen führenden englischen Gesandten —, des Inhalts, daß England sich verpflichtete, die Einfuhr der Weine Portugals, Portugal die der englischen Fabrikate zu begünstigen. Wenn der Vertrag auch scheinbar beiden Teilen gleich günstig war, so brachte er doch tatsächlich den Handel Portugals ganz in Englands Hände und führte das Gold Brasiliens über Lissabon nach England; ein Vorteil, der schon in diesem Kriege von Nutzen und von Wichtigkeit wurde.

Von dieser Zeit an blieb Portugal notgedrungen, weil es von England mehr zu hoffen und mehr zu fürchten hatte als von irgend einer anderen Macht, ein treuer Bundesgenosse Englands, mit dessen Häfen als Stützpunkten die englische Seemacht rechnen konnte.

Damit wurden die Seemächte in einen großen Landkrieg auf der Pyrenäischen Halbinsel verwickelt und mußten ihre Seestreitkräfte vornehmlich dafür verwenden, während sich bei der einfachen Durchführung des Vertrages vom September 1701 die Kriegführung zur See wohl neben dem Mittelmeer in großem Maße auf die überseeischen Gewässer und die Kolonien erstreckt haben würde. Wenn bisher mehrfach gesagt ist, in diesem Falle würden die Seestreitkräfte im Mittelmeer nicht nötig gewesen sein, so ist dies nicht richtig. Auch nach dem ersten Kriegsplane lagen wichtige Aufgaben für die Flotten im Mittelmeer, und es dürfte jetzt kein Zweifel mehr sein,[255][491] daß Wilhelm III. und nach ihm Marlborough vom Beginn des Krieges an und während seines ganzen Verlaufes eine Stärkung der Macht Englands im Mittelmeer im Auge hatten, insbesondere die Beherrschung der Straße von Gibraltar; schon bei den Verhandlungen über die Teilung Spaniens verlangte Wilhelm, daß England einen Hafen an der Straße (Ceuta oder Oran) sowie einen oder zwei innerhalb dieser (z. B. Port Mahon) erhalten müsse, wenn ein französischer Prinz den Thron Spaniens bestiege.

Auch der Herzog von Savoyen, der anfangs auf französischer Seite stand, trat 1703 der großen Allianz bei; aus dem hochmütigen Auftreten Philipps V., seines Schwiegersohnes, ihm gegenüber schloß er, daß er sich auf Versprechungen Ludwigs doch nicht verlassen könne.

Der allgemeine Verlauf des Krieges. Der Landkrieg spielte sich in den Niederlanden, Deutschland, Italien und Spanien ab. Nur auf den beiden letztgenannten Kriegsschauplätzen griffen die Seestreitkräfte in den Kampf ein, es ist aber doch nötig, einen Überblick über den Gesamtkrieg zu geben — in dem so viele berühmte Generale fochten —, um den Einfluß des Seekrieges zu verstehen und zu würdigen.

Im Jahre 1701 besetzte Ludwig XIV. die spanischen Niederlande und sandte ein Heer unter Marschall Catinat nach Italien, um den Österreichern unter Prinz Eugen bei der Veroneser Klause den Weg nach der Lombardei zu verlegen; Prinz Eugen aber gelang es, über die Gebirge den Feind zu umgehen und im Mai bei Verona in seinem Rücken zu erscheinen. Obgleich weit schwächer, brachte er dann durch den Überfall bei Carpi (9. Juli) seinem Gegner eine Schlappe bei und schlug, als Catinat infolgedessen abberufen war, den weit weniger fähigen Marschall Villeroi bei Chiari (1. September), ja nahm ihn sogar durch Überfall bei Cremona (2. Februar 1702) gefangen.

Auch das ganze Jahr 1702 hindurch hielt sich Eugen gegen den Marschall Vendôme; 1703 wurde der Prinz als Präsident des Hofkriegsrates nach Wien berufen und bald darauf zur Niederwerfung des Aufstandes nach Ungarn gesandt.

Im Frühjahr 1702 begann der Krieg in den Niederlanden und in Deutschland. Der Herzog von Marlborough sollte mit einem englisch-holländischen Heere die spanischen Niederlande erobern und Ludwig von Baden gleichzeitig ein Reichsheer gegen Frankreich führen. Marlborough, durch Brandenburg von Cleve her unterstützt, fiel ins Kölnische ein und nahm Bonn; in den Niederlanden wurde er durch die vielen Festungen aufgehalten und konnte nicht vordringen, um Baden zu unterstützen. Dieser eroberte zwar Landau und schlug die Franzosen, die ihn umgehen wollten, zurück; er konnte aber nicht hindern, daß der Kurfürst Max Emanuel mit den Bayern ihn im Rücken bedrohte und die feste Reichsstadt Ulm besetzte.

Die Flotte der Verbündeten unternahm 1702 einen fruchtlosen Angriff auf Cadiz (August-September) und vernichtete die Silberflotte[492] in Vigo (23. Oktober). Dieser Erfolg trug nicht wenig dazu bei, Portugal auf seiten der Gegner Frankreichs zu bringen; er zeigte ihm, daß eine die See beherrschende Macht (England) mehr Einfluß auf sein Schicksal habe als die Nachbarlandmacht (Spanien).

1703 vereinigte Marschall Villars die französische Rheinarmee mit der bayerischen an der oberen Donau; Ludwig von Baden würde den Gegnern erlegen sein, wenn diese einig gewesen wären. Aber der Kurfürst trennte sich von Villars und wandte sich nach Tirol, um sich mit Vendôme in Italien zu vereinigen. Er kam in dem von Truppen entblößten Lande bis zum Brenner, wurde dann durch das aufgestandene Volk unter schweren Verlusten (z. B. die Steinüberschüttung an der Pontlatzer Brücke) wieder verjagt. Vendôme, der von Italien aus in Tirol eindringen wollte, war vom Grafen Starhemberg, Eugens Nachfolger, weiter festgehalten. Auf diesem Kriegsschauplatze fanden die Österreicher jetzt Unterstützung an Savoyen, wenn auch dessen Herzog (sein Land von den Franzosen besetzt, Turin belagert, das Heer entwaffnet) sich zunächst auf den kleinen Krieg im Rücken der Franzosen beschränkt sah.

1704 machte Ludwig XIV. die größten Anstrengungen, eine baldige Entscheidung herbeizuführen, waren doch Portugal und Savoyen zu den Gegnern getreten; die Seemächte bereiteten einen Angriff von Portugal aus auf Spanien vor, mit Savoyen hatte er seine Rückendeckung in Italien verloren. Vendôme stand in Italien mit 60000 Mann, Villeroi in gleicher Stärke in den Niederlanden, der Hauptschlag sollte in Deutschland geführt werden. Hierzu waren 100000 Mann aufgeboten; sie standen zum Teil, mit den Bayern vereint, unter Marzin bei Augsburg, zum Teil unter Tallard, der Marzin verstärken sollte, endlich unter Coigny an der Mosel den Brandenburgern im Clevischen gegenüber. Baden stand mit nur 30000 Mann zwischen Marzin und Tallard in den Stollhofer-Linien. Zwar rückte Prinz Eugen heran, um ihm Luft zu machen, aber nur mit 20000 Mann. Aus dieser schwierigen Lage wurden die Verbündeten durch das selbständige Eingreifen ihrer beiden größten Feldherren, Eugen und Marlborough, die sich behufs Vereinigung in Einverständnis gesetzt hatten, befreit; der englische General war bereit, auf der gefährdeten Stelle zu erscheinen. Es war schwierig, denn in England durfte es nicht bekannt werden, weil Ludwig XIV. sonst sofort Kenntnis davon erhalten hätte, und die Generalstaaten wollten das Heer in den Niederlanden nicht geschwächt haben. Aber mit dem Ratspensionär Heinsius im Einverständnis ließ Marlborough nur die Holländer Villeroi gegenüberstehen und marschierte (im Mai) mit den englischen und den von Holland besoldeten deutschen Truppen nach dem Neckar. Wenn nun auch Villeroi zu Tallard eilte und Tallard Verstärkungen für Marzin absandte, so wurde dieser doch abgehalten, weiter auf Wien zu marschieren; er wandte sich nach Ulm, um Tallard zu erwarten.

Eugen, Marlborough und Baden vereinigten sich bei Groß-Heppach im Remstal. Baden, der gegen eine entscheidende Schlacht war, beanspruchte[493] anfangs den Oberbefehl, doch einigte man sich darüber, diesen abwechselnd zu führen. Man rückte gegen Donauwörth vor, und als Marlborough am 2. Juli kommandierte, schlug er die Bayern am Schellenberge; Baden ward dann veranlaßt, Ingolstadt zu belagern. Eugen und Marlborough schlugen bei Höchstädt (Blindheim; englisch Blenheim) am 13. August mit 52000 Mann das feindliche Heer, 58000 Mann, unter Max Emanuel, Marzin und Tallard, ehe der schon in der Nähe befindliche Villeroi herankam. Tallard wurde mit 12000 Mann gefangen genommen; der Kurfürst und Marzin flohen auf Villeroi zurück; Ulm wurde den Bayern, Landau den Franzosen abgenommen. Die Sieger waren aber nicht stark genug, ihren Erfolg auszunutzen, doch wurde mit Höchstädt Deutschland von den Franzosen gesäubert und blieb in der Folge nur noch ein untergeordneter Kriegsschauplatz; Max Emanuel wurde geächtet — er führte später französische Heere in den Niederlanden — und Bayern trat von der französischen Verbindung zurück.

Die Tätigkeit der verbündeten Seestreitkräfte bestand im Jahre 1703 der Hauptsache nach nur darin, die französische Flotte in Toulon festzuhalten, im Jahre 1704 aber war sie von großer Bedeutung. Eine Flotte brachte Karl III. nach Lissabon, eroberte Gibraltar und trieb die französische, die diese Stadt decken oder wiedernehmen sollte, durch die Schlacht bei Malaga — die einzige Seeschlacht dieses Krieges — zurück; damit war die Erringung einer dauernden Seeherrschaft im Mittelmeer eingeleitet. Der Landkrieg in Spanien wurde in diesem Jahre nur erst schwach an der portugiesischen Grenze geführt.

Im Jahre 1705 sollte Marlborough die spanischen Niederlande, Eugen Italien von den Franzosen säubern, es gelang aber nicht; der Tod des Kaisers Leopold (11. Januar) trat verzögernd dazwischen, die Holländer zeigten sich lau, Eugen war nicht stark genug. Besser stand es auf der Pyrenäischen Halbinsel. Hier wurde die Wiedereroberung Gibraltars, schon seit dem Winter 1904 durch ein spanisches Heer unter dem französischen Marschall Tessé belagert, durch das Wintergeschwader der Verbündeten vereitelt und Spanien von zwei Seiten angegriffen. Das Vordringen von Portugal aus gegen Tessé kam zwar nicht vorwärts, aber mit Hilfe einer großen Flotte wurde Barcelona genommen (3. Oktober) und von hier aus Katalonien, Aragonien und Valencia erobert. Zwar sandte Ludwig XIV. früh im Jahre 1706 ein Heer unter Noailles nach Spanien, das von Norden her gegen Katalonien vorging, während Tessé von Westen herankam, und König Karl wurde auf Barcelona zurückgeworfen und dort mit Unterstützung einer französischen Flotte belagert. Aber auch diese Stadt entsetzte die verbündete Flotte (10. Mai), die französische Armee ging nach Frankreich zurück, die Verbündeten drangen von Portugal aus vor und zogen in Madrid ein (26. Juni); König Philipp floh nach Frankreich. In diesem Jahre wurden auch sonst Erfolge errungen. Marlborough schlug Villeroi bei Ramillies (23. Mai); Prinz Eugen, durch Brandenburger[494] unter Leopold von Dessau verstärkt, drängte die Franzosen unter dem Herzog von Orleans (Nachfolger Vendômes) zurück und warf sie durch die Schlacht vor Turin (7. September) ganz aus Norditalien hinaus. Nur am Rhein konnte Ludwig von Baden kaum seine Stellung Villars gegenüber behaupten, da die Reichsstände ihre Kontingente nur unvollständig stellten.

Das Eingreifen der Flotte war in diesen beiden Jahren von großer Bedeutung: Entsatz von Gibraltar; Überführung des Heeres nach Katalonien; Eroberung Barcelonas und anderer Küstenstädte, sowie Mallorcas; Entsatz Barcelonas. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Erfolge stets im Winter wieder auf dem Spiele standen, wenn sich die Flotte zurückzog, weil man nicht wagte, sie im Mittelmeer überwintern zu lassen.

1707 stand Frankreich also sehr ungünstig da und wäre vielleicht niedergezwungen, wenn ein Plan Marlboroughs durchgeführt wäre. Dieser geniale Feldherr und Staatsmann versuchte schon seit Beginn des Jahres 1706, die verbündeten Regierungen zu einem Hauptangriff auf die Provence zu bewegen, um die lange französische Stellung von den Niederlanden bis Spanien in der Mitte zu durchbrechen und Frankreich auch im Mittelmeer von allen Zufuhren abzuschneiden, wie es an den anderen Küsten schon nahezu geschehen war. Prinz Eugen sollte mit dem Herzog von Savoyen, verstärkt durch englisch-holländische Truppen und unterstützt von der Flotte, den Stoß ausführen, gleichzeitig sollte ein kräftiger Vorstoß in den Niederlanden erfolgen und der Krieg in Spanien möglichst gefördert werden; auch mit einer stark wieder auflodernden Erhebung der Protestanten in den Cevennen, die 1703 entstanden und eben erst in der Hauptsache unterdrückt war, wurde gerechnet. Der Plan kam nicht zur vollen Durchführung: Der Vorstoß in den Niederlanden unterblieb; Eugen wurde nach seinen Erfolgen 1706 nicht nur nicht verstärkt, sondern sogar durch Abgabe von Truppen zur Eroberung Neapels für Karl III. (1707) geschwächt. Eugen drang zwar in die Provence ein und belagerte Toulon, beides unterstützt durch die Flotte, mußte aber nach Italien zurückgehen (Juli–August). Marlborough machte in den Niederlanden 1707 noch einige Fortschritte, am Rhein dagegen drangen die Franzosen nach Ludwigs von Baden Tode (Januar 1707) vor und wurden nur dadurch gehemmt, daß sie Truppen nach Toulon senden mußten. Der Vorstoß in die Provence hatte sonst nur den einzigen unmittelbaren Erfolg, daß die Franzosen eine große Zahl ihrer Linienschiffe in Toulon, die sie versenkt hatten, verloren.

Auch in Spanien hatte sich das Blatt schon im Herbst 1706 gewandt. Die Verbündeten konnten sich in Kastilien nicht halten, da sich das Volk erhob und ein neues französisches Heer erschien. Sie zogen nach Katalonien ab und Philipp V. traf wieder in Madrid ein (Oktober 1706). Bei dem Versuch 1707, unter dem Earl of Galway wieder gegen Madrid vorzudringen, wurden sie bei Almansa (25. April) geschlagen und ganz Spanien fiel bis auf Katalonien an Philipp zurück.

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Schon 1707 war Ludwig XIV. zum Frieden geneigt; er unterhandelte, geheim und getrennt, mit dem Kaiser und mit England. Jener sah sich ungenügend vom Reiche unterstützt und hatte Aussicht, wenigstens Italien zu erhalten; in England war man gleichfalls wegen der Rückschläge in Spanien und wegen des Fehlschlages auf Toulon teilweise geneigt, doch Marlborough arbeitete dagegen und es wurden dann auch dem Kaiser neue Versprechungen gemacht. Marlborough hatte für England recht, das Ausharren sollte im nächsten Jahre belohnt werden.

Im Jahre 1708 schlugen Marlborough und Eugen den Marschall Vendôme bei Oudenaarde (11. Juli), viele Festungen fielen in ihre Hand und die Franzosen wurden aus Flandern sowie Brabant vertrieben. In Spanien machten die Franzosen kaum noch Fortschritte, dagegen wurde Sardinien und Minorca für König Karl erobert.

Die Tätigkeit der Seestreitkräfte war 1707 und 1708 zuerst eng an den Landkrieg geknüpft. Sie führten Verstärkungen von England und Holland nach Spanien, begleiteten längs der Küste den Vor- und Rückmarsch Eugens und wirkten bei der Belagerung Toulons mit; später sicherten sie die Überführungen deutscher Truppen von Italien nach Katalonien. Dann aber brachte die Flotte die Insel Sardinien unter Karls Oberhoheit (August 1708) und unterstützte die von Katalonien ausgehende (General Stanhope, September) Einnahme Minorcas. England sicherte sich wie bei Gibraltar durch alleinige Besetzung Port Mahon als Stützpunkt.

Zu Ende des Jahres 1708 war Ludwig in größter Bedrängnis: Italien und die Niederlande verloren; Spanien nur eben zu halten; das Heer geschwächt und das Land erschöpft. Er entschloß sich zu demütigenden Friedensverhandlungen; er wollte für Philipp nur Neapel behalten, das Elsaß, Straßburg, Lille, Tournay zurückgeben. Als ihm aber zugemutet wurde, selbst seinen Enkel mit französischen Truppen aus Spanien zu vertreiben, setzte er den Krieg fort; es sollte jetzt auch ein Umschlag eintreten.

1709 errangen zwar Eugen und Marlborough nochmals einen großen Sieg bei Malplaquet über Villars (11. September). Ludwig mußte seine Truppen aus Spanien zurückziehen, Karl III. drang wieder vor, siegte später (20. August 1710) bei Saragossa und zog jetzt endlich in Madrid ein. Philipp mußte aufs neue fliehen und auch Ludwig riet ihm nun, Spanien aufzugeben und sich mit Sicilien und Sardinien zu begnügen. Aber Philipp blieb im Vertrauen auf die Kastilier standhaft und auch Vendôme zog wieder zu Felde. Die Lage war günstiger geworden. Im Jahre 1710 begann der Bund gegen Frankreich zu verfallen. In England kam die Gegenpartei Marlboroughs ans Ruder, sie war gegen die Fortsetzung des Krieges. Auch im Volke war man zum Frieden geneigt; man war überzeugt, schon jetzt für sich so günstige Bedingungen zu erreichen, daß ein Mehr den weiteren Opfern nicht entsprechen würde. So begannen Unterhandlungen zwischen England und Frankreich, die eifriger betrieben wurden, als Kaiser Joseph (17. April 1711) starb. Karl III. kam dadurch auf den österreichischen Thron und auch seine Wahl zum Kaiser[496] war vorauszusehen; England konnte aber nicht zulassen, daß jetzt Spanien mit Österreich vereinigt würde.

Dementsprechend gab England 1711 die Sache Karls in Spanien auf; diese war schon dadurch fast unhaltbar geworden, daß Vendôme im Dezember 1710 den österreichischen General Starhemberg bei Villa Viciosa völlig geschlagen und bald darauf den Engländer Stanhope mit seinen Truppen gefangen genommen hatte. Karl III. verließ Ende September 1711 Spanien und wurde am 12. Oktober als Karl VI. zum Kaiser gewählt. Schon am 8. Oktober ward zwischen England und Frankreich im geheimen ein gegenhabsburgischer Vertrag geschlossen und bald darauf eröffnete man die Friedensverhandlungen. Vergebens ging 1712 (Januar) Prinz Eugen nach England, um für seinen Freund Marlborough und für die gemeinschaftliche Sache einzutreten. Marlborough fiel völlig in Ungnade und wurde vom Kommando abberufen; sein Nachfolger unterstützte Eugen und die Holländer nicht mehr, sie wurden von Villars geschlagen (27. Juli bei Denain) und zurückgedrängt, Als dann Philipp V. auf die Thronfolge in Frankreich verzichtete und Ludwig XIV. diesem Verzicht staatsrechtliche Gültigkeit verlieh, wurde zwischen England (nebst Portugal) und Frankreich (nebst Spanien) Waffenstillstand geschlossen; der Friedenskongreß in Utrecht wurde eröffnet, dem Holland notgedrungen beitrat.

Der Flotte der Verbündeten fielen in den letzten Jahren des Krieges nur wenig in die Augen springende Aufgaben zu: Deckung von Truppen- und Zufuhr-Transporten von Italien nach Spanien; Hinderung der Verbindung Frankreichs über See mit Spanien, Afrika und der Levante; Druck auf die bourbonisch gesinnten Staaten Italiens. Diese Aufgaben ließen sich jetzt von Port Mahon, wo die Flotte ausrüsten und überwintern konnte, weit besser und vor allem ständig durchführen.

Wir haben die erfolgreiche Mitwirkung der Seestreitkräfte der Verbündeten während der ganzen Dauer des Krieges angedeutet. Daß die französische Marine ihnen nicht wirksamer entgegentrat, lag vornehmlich an ihrem Verfall infolge Geldmangels (vgl. Seite 425). In der ersten Hälfte des Krieges wurden ihr noch einige Male (1701, 1704, 1706) Aufgaben von Wichtigkeit gestellt. Sie konnte diese in ihrer Schwäche nicht lösen; das Vertrauen zu ihr sank und mit zunehmender Vernachlässigung schritt der Verfall fort. Wie in den letzten Jahren des vorigen Krieges wurde nur Tatkraft im kleinen Kriege, besonders in den nördlichen Gewässern, entfaltet und auch dem Handel der Seenationen schwerer Schaden zugefügt. Hiergegen und gegen den französischen Handel operierten die Teile der englischen und holländischen Marinen, die im Mittelmeer nicht nötig waren; es geschah dies mit immer mehr Erfolg, weil auch hierin die Kraft der Franzosen nachließ und in den letzten Jahren die Flotte im Mittelmeer vermindert werden konnte.

Am 13. April 1713 wurde der Frieden von Utrecht geschlossen. Die Bedingungen waren ganz besonders günstig für England. Ludwig XIV. mußte die von England in Aussicht genommene Thronfolge des Hauses[497] Hannover anerkennen, wodurch die protestantische Regierung in England gesichert war, und den Prätendenten Jakob ausweisen. England erhielt Gibraltar und Minorca — Stützpunkte für seine Seemacht im Mittelmeer, zu denen bei der engen Verbindung mit Portugal auch noch die Häfen dieses Landes traten — sowie in Amerika Neufundland, Akadia (die Kap Bretoninsel, der Schlüssel zum Lorenz-Golf verblieb noch bei Frankreich) und die französischen Besitzungen an der Hudsonbai — der erste Schritt zum Gewinn Kanadas. Von Frankreich und von Spanien erhielt England endlich sehr günstige Handelsverträge bewilligt. Der wichtigste dieser war der Assiento-Vertrag, durch den England allein von Spanien die Einfuhr von Negersklaven in Spanisch-Amerika gestattet wurde; schon an sich lohnend, wurde dieser Sklavenhandel noch wertvoller als Grundlage eines ungeheuren Schmuggelhandels. Von Frankreich an Portugal gemachte Zugeständnisse in Südamerika kamen ebenfalls England zugute.

Philipp von Anjou behielt den spanischen Thron und Spanien seine außereuropäischen Besitzungen; von den spanischen Niederlanden fielen Geldern an Preußen, dessen Königtum gleichzeitig anerkannt wurde, die übrigen Provinzen (Belgien) an den Kaiser, der auch Mailand, Neapel und Sardinien erhielt; an den Herzog von Savoyen, dem man gleichfalls den Königstitel zugestand, wurde Sicilien abgetreten.

Holland erhielt das Besatzungsrecht einiger Städte Belgiens — die „Barrierenstädte“, teils allein, teils im Verein mit Österreich —; die Sperrung der Schelde im Interesse der holländischen Häfen blieb auch für den Handel der jetzt österreichischen Niederlande bestehen; der Handelsvertrag mit Frankreich gab Holland dieselben Vorrechte wie England.

Das Deutsche Reich kam am schlechtesten weg. Die ungünstigen Bedingungen des Friedens von Ryswijk wurden bestätigt, nur seinen rechtsrheinischen Gewinn gab Frankreich zurück; die Kurfürsten von Bayern und Köln wurden aus der Reichsacht gelöst und erhielten ihre Länder wieder.

Die Bedingungen, die Österreich und das Deutsche Reich betreffen, wurden im Frieden von Utrecht nur vorgeschlagen und erst in späteren Sonderfrieden bestätigt. Der Kaiser setzte den Krieg fort; ohne die Subsidien der Seestaaten und von den Reichsfürsten nur mangelhaft unterstützt — die östlichen und nördlichen Staaten des Reiches waren in den nordischen Krieg (1700–1721; vgl. Kapitel X) verwickelt — konnte er aber dem Andringen Frankreichs (Villars gegen Eugen) nicht mehr widerstehen. Es schloß am 7. März 1714 den Frieden von Rastatt für Österreich und am 7. September den von Baden für das Reich mit Frankreich. Mit Spanien wurde von Österreich der Frieden noch nicht geschlossen (erst 1720); Karl verzichtete also noch nicht auf den spanischen Thron.

„Der Frieden von Utrecht ist ein Markstein in der Geschichte.“ Von ihm datiert Englands Vormachtstellung zur See; die von England gestellten Forderungen zeigten, daß es in vollstem Maße eine Seemacht geworden und sich dessen bewußt war. Wir kommen hierauf in den Schlußbemerkungen zu diesem Kriege zurück.

[498]

Über die Streitmittel (anschließend an Seite 417 ff.).

Da der Spanische Erbfolgekrieg der letzte große Seekrieg unseres dritten Abschnittes ist, soll die innere Geschichte der drei großen Marinen hier gleich bis zum Jahre 1739 fortgeführt werden. Wir haben sie kennen gelernt bis 1697; Als genannter Krieg 1702 ausbrach, hatte sich kaum etwas geändert; große Wandlungen aber sollten während des Krieges und in der Zeit bis zum Beginn des nächsten Zeitabschnittes in den Marinen vor sich gehen: die alte, stolze Marine Hollands verschwand nahezu ganz; die französische sank tiefer und tiefer; die englische schritt fort auf ihrem Wege zur Beherrschung der Meere.

In Holland beginnt mit dem Spanischen Erbfolgekriege der Verfall der Marine.[256] Wir haben gesehen, daß sie im vorigen Kriege noch mächtig dastand; Wilhelm von Oranien war bestrebt, sie auch nach dem Frieden von Ryswijk so zu erhalten, da er voraussah, daß der Friede nicht lange dauern würde. Es handelte sich zunächst darum, die nötigen Mittel zu beschaffen, da die Admiralitäten stark verschuldet waren, besonders die von Seeland, Amsterdam und der Maas, die fast allein die Schiffe gestellt und während des Krieges kaum von den eigenen Provinzen, geschweige denn von den Landprovinzen, die zustehenden Gelder empfangen hatten.

Die Admiralität Amsterdam z. B. hatte von der Provinz Holland 4840000 Gulden und von den andern 1900000 Gulden zu fordern; man war hier sogar den meisten Kapitänen einen 8–17 monatliches Gehalt schuldig.

Es gelang Wilhelm, die Generalstaaten zur Aufnahme einer Anleihe von 12 Millionen zu bewegen; die Admiralitäten wurden dadurch in den Stand gesetzt, die Schiffe auszubessern, die Magazine zu füllen und ihren Kredit wieder herzustellen. Man setzte den Bau der 18 Linienschiffe, die schon vor dem Frieden bewilligt waren, fort und beschloß 1701 weitere 12 (II. und III. Klasse) auf Stapel zu legen. Wilhelm brachte ferner die Formierung von drei Regimentern Seesoldaten durch, die sich, wie die der englischen Marine; im kommenden Kriege nicht nur an Bord, sondern auch am Lande in Spanien sehr gut bewährten.

Der Schiffsbestand hatte im vorigen Kriege meist gegen 90 Linienschiffe betragen. Um 1700 waren infolge der Verluste und Ausrangierungen nur noch 74 — darunter 15 I. Klasse, 80–96 Kanonen; 16 II. Klasse, 70 bis 74 Kanonen; 24 III. Klasse, 60–68 Kanonen — vorhanden, doch war durch die Neubauten für baldigen Ersatz gesorgt. Die Marine hätte somit im Spanischen Erbfolgekriege ebenso mächtig auftreten können wie im Pfälzischen Erbschaftskriege, aber der Tod Wilhelms trat hindernd dazwischen. Da kein neuer Statthalter gewählt wurde, zeigten sich die Übelstände der früheren statthalterlosen Zeit aufs neue; der Ratspensionär von Holland war zwar bestrebt, die Marine weiter zu pflegen, er besaß aber nicht den Einfluß, den Oranien und auch de Witt besessen hatten. Mit der Statthalterwürde fiel[499] auch die Stelle des Admiralgenerals weg, dessen Befugnisse wieder geteilt an die Generalstaaten, an die Regierungen der Provinzen und an die Admiralitäten übergingen; dem Seewesen fehlte der Mittelpunkt und die treibende Kraft. Die Landprovinzen hatten wie früher kein Interesse oder kein Verständnis für den Seekrieg, der fern im Mittelmeer geführt wurde, aber auch die Seeprovinzen ließen sich öfters mehr von Privatinteressen — Schutz des Handels — leiten. Den Admiralitäten wurden außergewöhnliche Mittel, wie sie zum Bau und zur Indiensthaltung größerer Schlachtschiffe nötig waren, nicht mehr bewilligt; die gewöhnlichen Mittel, die nur für die Erhaltung der Schiffe zum Handelsschutz bemessen waren, gingen bald wieder unregelmäßig und unvollständig, von den Landprovinzen häufig gar nicht ein; durch die Indienststellungen für den Krieg gerieten die Admiralitäten bald wieder in Schulden. So kam es, daß von 1701–1713 nur 21 Linienschiffe, nicht einmal die Zahl der 1697 und 1701 bewilligten, gebaut wurden, obgleich Heinsius 1703, 1706, 1710 Neubauten beantragt hatte.

Der Verfall der Marine trat schon bei den Rüstungen während des Krieges zutage. Die Beratungen über die jährlichen Indienststellungen wurden spät begonnen und träge geführt, das dann Beschlossene entsprach nicht der Größe der Marine; die Ausführung wurde infolge Geldmangels verzögert, ja blieb häufig hinter dem Beschlusse zurück. Die Engländer erhoben gegen Ende des Krieges die Klage, Holland habe es anfangs an der Hälfte und von 1707 ab an 2/3 der nach der Abmachung zu stellenden Streitkräfte (England 5/8, Holland 3/8 der gemeinsamen Flotte) fehlen lassen.

Wenn de Jonge, wie wir gehört haben, nachdrücklich Wilhelm von Oranien gegen den Vorwurf in Schutz nimmt (vgl. Seite 419, 422), den Verfall der Marine verschuldet zu haben, so sagt er doch von diesem und von Heinsius später, daß sie beim Eingehen der Verbindlichkeiten für einen großen Land- und Seekrieg gleichzeitig die Kraft der Niederlande überschätzt hätten. Der Landkrieg nahm die Mittel sehr in Anspruch, für ihn stellte Holland ein weit größeres Kontingent als England. Der holländische Seehandel litt nicht allein durch den eigenen Krieg, sondern auch durch ungünstige Handelsverhältnisse in der Ostsee (nordischer Krieg; Epidemien an einzelnen Küsten dort), so daß auch die reichen Seeprovinzen die großen Opfer nicht mehr aufbringen konnten.

Es sind während des Krieges in Dienst gestellt, Linienschiffe:

1702 20 Mittelmeerflotte 15 nördliche
Gewässer
1707 16 Mittelmeerflotte 16 nördliche
Gewässer
Ferner: 8 Fregatten bei
der Mittelmeerflotte und
30–40 Convoi-Begleitschiffe
jährlich.
1703 12 22 1708 14 17
1704 18 17 1709 14 16
1705 20 15 1710 14   7
1706 18 12 1711 13

Der Frage, wie weit hiernach die englische Klage berechtigt erscheint, werden wir bei den Schlußbetrachtungen über den Krieg näher treten.

Kennzeichnend für die ungünstigen Verhältnisse aber ist, daß von 1707 an auf die Flotte im Mittelmeer aus Sparsamkeit nur ein Admiral kommandiert wurde; man erinnere sich an die übergroße Zahl der Flaggoffiziere auf den Flotten früherer Zeiten.

So hatte der Ruf der holländischen Marine schon während des Spanischen Erbfolgekrieges sehr gelitten, und es kann nicht wundernehmen, wenn die[500] Engländer sie nicht mehr für voll ansahen, wenn bei gemeinschaftlichen Unternehmungen die englischen Befehlshaber auf die holländischen, wie diese häufig klagen, immer weniger Rücksicht nahmen.

Immerhin hat die holländische Marine in diesem Kriege noch eine Rolle gespielt, dann aber wurde ihr Verfall in wenigen Jahren ein vollkommener. De Jonge sagt: „Der Frieden von Utrecht ist ein Wendepunkt in der Geschichte der Niederlande im allgemeinen und in der der Marine im besondern. Bis zu diesem Zeitpunkt sprach die Republik, gestützt auf ihre Seemacht, in allen großen politischen Angelegenheiten, in allen Kriegen und bei allen Friedensschlüssen ein gewichtiges Wort mit. Von jetzt an aber hält sie sich zurück, vermeidet den Krieg mit Ängstlichkeit, schließt Verträge über Verträge selbst mit Gefährdung der Ehre des Staates, um den Frieden zu erhalten, und verwahrlost ihre Land- und Seestreitkräfte.“ Wir werden der Marine der Niederlande von jetzt an nur noch als einer sehr untergeordneten begegnen, sie war nicht mehr imstande, den an sie herantretenden Anforderungen zu genügen.

Nach Utrecht blieb die Lage der Admiralitäten in dem traurigen Zustande, wie er nach dem Tode Oraniens eingetreten war. Außergewöhnliche Mittel wurden nicht mehr bewilligt, die Landprovinzen zahlten Jahre hindurch nicht einmal die gewöhnlichen Beiträge. Mühsam gelang es den Seeprovinzen, innerhalb der nächsten zehn Jahre die Schulden ihrer Admiralitäten zu decken, darunter jahrelang rückständige Gehälter der Offiziere sowie Pensionen für Witwen und Waisen.

Von 1715 an erforderte der nordische Krieg eine Machtentfaltung Hollands (und Englands) in der Ostsee zum Schutze des Handels. In diesem Jahre gelang es noch, 12 Linienschiffe zu entsenden; 1716 waren es nur 2 Linienschiffe und 4 Fregatten, 1717 kein Segel. Die Folge war, daß in diesem Jahre nur 200 Kauffahrer zur Ostsee gingen gegen sonst 500. 1718 beabsichtigten die Generalstaaten deshalb, 30 Kriegsschiffe auszurüsten, aber nur 12 waren aufzubringen. Ähnlich war es im Mittelmeer, wo seit 1716 die Belästigung des Handels durch die Raubstaaten wieder zunahm. Erst 1721 konnte man 4 kleine Linienschiffe und 4 Fregatten dagegen aufstellen, später bis 1740 nur noch kleine Divisionen von Fregatten. 1727 und 1729 entsandte man allerdings 5 und 9 Linienschiffe. Diese waren aber ursprünglich in Dienst gestellt, da man eine Störung des europäischen Friedens befürchtete; welch unbedeutende Macht für einen solchen Fall! Gegen die Seeräuber mußte man Kaperbriefe ausgeben und die alte Bestimmung, nach der die Levantefahrer zum Selbstschutz stark armiert und bemannt sein sollten, wieder streng durchführen.

Man war nicht imstande, das Material in seiner Stärke zu erhalten; die Schiffe verrotteten auf den vernachlässigten Werften und der Ersatzbau war ganz unbedeutend. Bis 1723 wurden nur in Amsterdam 9 Schiffe gebaut, dann bis 1740 bei allen Admiralitäten etwa 50, unter allen diesen nur 30 Linienschiffe. Um 1740, bei Beginn des nächsten Abschnitts, war der Schiffsbestand: 1 zu 90 Kanonen, 1699 erbaut und in Seeland wohl nur deshalb erhalten, weil diese Provinz das Flottenflaggschiff zu stellen hatte; 5 zu 72 Kanonen, darunter 3 von 17151719 erbaut; 8 zu 64 Kanonen, 15 zu 52 bis 58 Kanonen. Insgesamt waren 29 Linienschiffe und 22 kleinere Fahrzeuge vorhanden, von denen 14 und 17 zu Amsterdam gehörten.

In gleicher Weise ging das Personal zurück. Bei den geringen Indienststellungen verließen in den Jahren nach dem Kriege viele Offiziere,[501] Deck- und Unteroffiziere, den Dienst, um zu den großen Kompagnien oder ins Ausland zu gehen; der Dienst wurde nicht mehr gesucht. Die im Dienst bleibenden Offiziere wurden alt in ihrem Range und hatten keine Aussicht auf Beförderung, denn freiwerdende höhere Stellen blieben unbesetzt. Der Ersatz wurde infolgedessen ungenügend und, da die Stellen (auch in der Verwaltung) oft nach Gunst vergeben wurden, minderwertig. Auch für die Deck- und Unteroffiziere fand sich nur spärlicher und schlechter Ersatz; ebensowenig waren gute seeerfahrene Matrosen zum Eintritt zu bewegen. Selbst bei den wenigen Indienststellungen machte die Bemannungsfrage die größten Schwierigkeiten; Disziplin und Kriegsfertigkeit litten natürlich unter solchen Umständen. Zu Beginn des nächsten Abschnittes war Holland nicht imstande, auch nur ein größeres Geschwader schlagfertig in Dienst zu stellen; erst ein neuer Statthalter, Wilhelm IV. 1747, versuchte, die Marine wieder zu heben.

Als die Republik in den Österreichischen Erbfolgekrieg hineingezogen war, verpflichtete sie sich (April 1744), zu einer gemeinsamen Flotte mit England 15 Linienschiffe und 5 schwere Fregatten zu stellen. Wer sollte dieses Kontingent kommandieren? In Seeland waren vorhanden: ein Leutnantadmiral, zu alt und zu gebrechlich, um an Bord zu gehen; ein Kontreadmiral, völlig taub; ein Vizeadmiral. Nach altem Brauch mußte aber der Leutnantadmiral von Holland führen und die Admiralitäten von Amsterdam und der Maas verfügten nur noch über einen Kontreadmiral von 72 Jahren. Dieser (Grove) wurde deshalb sofort zum Leutnantadmiral der Maas ernannt, drei schon bejahrte Kapitäne zum Leutnantadmiral von Amsterdam, zum Vize- und zum Kontreadmiral; außer Grove, der die Streitkräfte 1717/1718 in der Ostsee kommandiert, hatte keiner der neuen Flaggoffiziere je einen größeren Verband von Schiffen geführt. Von den zu stellenden Schiffen stießen zunächst nur 8 Linienschiffe und erst im August zu den Engländern — die Fregatten waren zur Aufnahme des ostindischen Convois entsandt — und als die vereinigte Flotte kaum vier Wochen in See war, mußten drei Schiffe wegen Krankheit an Bord einen Nothafen aufsuchen; weitere 8 Linienschiffe stießen erst im Winter zur Flotte. Um dieses Geschwader zu bemannen, hatte man Werbeoffiziere nach Hamburg, Bremen und Kopenhagen gesandt, aber dort nur wenig befahrene Matrosen erhalten; man mußte noch mit Sträflingen aus den Gefängnissen auffüllen. Brauchbare Unteroffiziere fehlten, Feuerwerkerpersonal mußte z. B. in Dänemark angeworben werden. Viele der Offiziere waren minderwertig, sie und auch die Kommandanten hatten keine Übung im Geschwaderfahren. Der tüchtigste der Admirale (Schrijver, mit 58 Jahren noch verhältnismäßig jung) erwähnte dies später in einer Denkschrift für den neuen Statthalter und fügte hinzu: „und der Geschwaderchef konnte sie nicht belehren, da er es selber nicht verstand. Wenn die Flotte mit einem gleichstarken Feinde, der Ordnung gehalten hätte, zusammengekommen wäre, so würde das holländische Kontingent durch Unordnung wohl eine Niederlage herbeigeführt haben.“

In Frankreich[257] war, wie wir gehört haben (Seite 422 ff.), die Marine seit Colberts Tode zurückgegangen, besonders unter dem Marineminister Louis de Pontchartrin; und es ging weiter mit ihr bergab. 1699 übernahm Jerôme de Pontchartrin, der Sohn von Louis, der schon mehrere Jahre unter seinem Vater gearbeitet hatte, das Ministerium. Er gilt gemeiniglich[502] als ein schlechter Marineminister, doch ist das Urteil über ihn wohl durch seine vielen Feinde getrübt. Er war 39 Jahre alt, klug, unterrichtet und von festem Willen, aber auch tyrannisch, hart, ehrgeizig und eifersüchtig in Hinsicht auf seine Autorität. Zweifellos ehrlich bestrebt, den schnellen Verfall der Marine aufzuhalten, beschleunigte er ihn durch seine Fehler, aber ihm allein darf man doch die Schuld nicht aufbürden. Der Hauptgrund war der Mangel an Geld. Jerôme war nicht, wie sein Vater, gleichzeitig Finanzminister, konnte also die Mittel nicht selbst bestimmen. Schon sein Vater hatte nach dem Frieden 1697 das Budget der Marine von 25 Millionen auf 18 herabgesetzt; Jerôme forderte später ununterbrochen genügende Mittel und sagte die traurigen Folgen falscher Sparsamkeit voraus.

Und noch ein zweiter Umstand trat ihm hindernd entgegen. Wir wissen, daß seit Colbert die Verwaltungsbehörden in der Marine eine größere Macht besaßen als die militärischen, daß die Seeoffiziere stets bestrebt waren, diese Macht zu brechen und daß infolgedessen für den Dienst höchst nachteilige Reibungen zwischen den „officiers de plume“ und den „officiers d'épée“ auftraten. Als Jerôme sein Amt übernahm, war der Admiral von Frankreich, Graf von Toulouse (Sohn der Montespan), kein Kind mehr, und durch ihn wurde der Widerstand der Seeoffiziere wesentlich gestärkt. Dies mußte die Tätigkeit des Ministers lähmen; anderseits wird ihm aber vorgeworfen, er habe aus Eifersucht die Rüstungen und die Operationen der Flotte, die Toulouse kommandierte, gehemmt. Unter ihm blieb allerdings, wie unter seinem Vater, während des größten Teiles des Krieges die Tätigkeit der Seestreitkräfte auf den kleinen Krieg beschränkt, aber es ist doch die Frage, ob er es wie dieser aus Mangel an Verständnis für die Kriegführung zur See, oder gar aus Eifersucht getan hat, oder ob er nicht durch die Schwächen der Marine dazu gezwungen war. Gleich bei Beginn des Krieges 1701 entsandte er eine größere Flotte, 1705 eine solche von 50 Linienschiffen und 1706 eine von 30, sie waren nie stark genug oder zu spät bereit, um Erfolge zu erzielen; auch in den Zwischenjahren wurde gerüstet, man zog aber die Kräfte nicht zusammen, und von 1707 ab fanden keine bedeutenden Indienststellungen mehr statt. Stets litt die Marine unter Geldmangel und unter dem schon eingerissenen innern Verfall; sie konnte ihre Kraft nicht entfalten, verlor dadurch an Bedeutung in den Augen des Königs, seiner Räte und sogar des Volkes, was wieder noch geringere Fürsorge für sie zur Folge hatte.

Der Geldmangel führte weitere schlimme Zustände herbei; die Verwaltung geriet in Schulden. Die Lieferanten konnten nicht bezahlt, das technische Personal und die Arbeiter auf den Werften nicht gelöhnt werden; die besten verließen den Dienst und, um den Rest zu behalten, mußten häufig die Vorräte in den Arsenalen usw. zu Schleuderpreisen verkauft werden. Das Einreißen von Unehrlichkeit im Personal der Verwaltung, für das der Finanzminister 1702 gegen 100 neue Stellen geschaffen und an „Meistbietende“ verkauft hatte, war eine Folge dieser Mißwirtschaft.

[503]

Auch auf das Personal der Flotte wirkte sie demoralisierend, der Kreuzerkrieg half dabei. Viele der unregelmäßig besoldeten Offiziere nahmen Dienst auf den von Privaten ausgerüsteten Schiffen und auch auf den vom Staate armierten waren sie auf ihren Vorteil bedacht; im Offizierkorps gingen Disziplin und das Gefühl für Ehre und Pflicht verloren. Ebenso stand es mit der Mannschaft. Da sich bei der Bestechlichkeit der Beamten die Inskribierten, die über einige Mittel verfügten, vom Dienste freimachen konnten, war selbst bei den geringen Indienststellungen der Bedarf nur durch Pressen zu decken; mit Härte mußte diese Maßregel durchgeführt werden, wie Verbrecher wurden die Leute ihren Schiffen zugeführt.

Was aus dem Schiffsmaterial unter solchen Verhältnissen wurde, ist klar; die Schiffe verwahrlosten auf den Werften, an Ersatz verlorener oder verbrauchter wurde nicht gedacht. 1696 besaß die Marine 135 Schiffe über 40 Kanonen und 20 von 34–36 Kanonen; 1712 nur 85 Linienschiffe und 10 von 10–44 Kanonen, sämtlich in schlechtem Zustande.

Chabaud-Arnault sagt (Seite 122): „Dahin war es mit der Marine unter Jerômes de P. Amtstätigkeit gekommen, gewiß teilweise durch seine Schuld, aber mehr noch infolge der Verhältnisse und durch die Schuld der anderen Minister und Ludwigs XIV. selber, der der Größe seiner Marine nicht mehr die Wichtigkeit beilegte wie ehemals.“

Während der Regentschaft 1715–1723 sank die Marine noch tiefer; Kardinal Dubois wagte nichts zu ihrer Hebung zu tun, um nicht Englands Eifersucht zu erregen. An Stelle des Marineministers trat unter dem Admiral von Frankreich (Toulouse) eine Kommission, bestehend aus einem Präsidenten, Marschall Victor d'Estrées, 3 Seeoffizieren und 3 Verwaltungs-Beamten. Toulouse und d'Estrées hatten wohl den guten Willen, Ordnung in der Verwaltung herbeizuführen, die Schiffe zu erhalten, Disziplin und Geist der Offiziere zu heben; aber auch sie scheiterten am Geldmangel: die guten Kräfte der Werften verließen weiter den Dienst; die Bleibenden und so auch viele Offiziere lebten im Elend; die Seestädte entvölkerten sich. Für 1729 wird der Schiffsbestand nur noch auf 45 Linienschiffe, 10 Fregatten und 10 Transporter angegeben.

Mit der Mündigkeit Ludwigs XV. wurde wieder ein Marineminister ernannt: der Graf de Maurepas, der Sohn Jerômes de Pontchartrin; er blieb es 26 Jahre hindurch. Er war klug, tätig und von bestem Willen beseelt, aber auch er kämpfte vergebens. Wieder fürchtete der jetzige Leiter Frankreichs, Kardinal Fleury (Premierminister 1723–1743), die Eifersucht Englands, und das Marinebudget betrug nur 8 Millionen; unter Ludwig XIV. war es selbst in Friedenszeiten nie unter 18 Millionen gesunken und das Geld war jetzt weit weniger wert. Trotzdem verlor Maurepas den Mut nicht; er strebte an, ein wenn auch geringes so doch gutes Schiffsmaterial zu beschaffen. Doch der Geldmangel erschwerte dies ungemein, die Ersatzbauten wurden in grünem Holz ausgeführt und hatten keine lange Lebensdauer, der Zustand der Werften blieb schlecht.

[504]

Ebensowenig Erfolg hatten seine Bestrebungen, das Personal zu heben. Aber wie konnte er Lust und Liebe zum Dienst in einem Offizierkorps erwecken, in dem seit 20 Jahren jede Beförderung stockte; der Etat war auf die Hälfte herabgesetzt, es gab gardes de la marine von 40 Jahren. Die Reibungen zwischen den Offizieren und den Beamten nahmen immer mehr zu. Die Schiffskommandos weigerten sich häufig, den Anweisungen der Verwaltung zu folgen, die gelieferten Vorräte und Ausrüstungsgegenstände anzunehmen, Abrechnungen einzureichen, ja sogar das Personal in den Stellungen zu verwenden, für die es überwiesen war; man gab ihnen aber auch erbärmliche Mannschaft, unbrauchbare Bordbeamte, die Ausrüstung wurde ohne Verständnis und von schlechter Beschaffenheit geliefert.

Die Disziplin der Mannschaft — gepreßt, widerrechtlich festgehalten, unregelmäßig gelöhnt, schlecht gekleidet und verpflegt — sank soweit, daß man bei Außerdienststellungen Zivilarbeiter heranziehen mußte, da die Besatzung im Hafen nicht arbeiten wollte; selbst auf Rhede gingen die Leute fast nach Belieben an Land, man mußte zufrieden sein, wenn sie beim Auslaufen zur Stelle waren.

Maurepas gelang es immerhin, einiges Gute zu schaffen. Nach und nach führte er eine mildere Behandlung der Dienstpflichtigen ein und die vielfach fortgezogene Küstenbevölkerung mehrte sich wieder, das Wachsen der Kauffahrteimarine sowie das Aufblühen der Kolonien unter Fleury wirkte mit; in das System der Einschreibung für den Seedienst kam wieder Ordnung. Er vervollkommnete den wissenschaftlichen Unterricht der Offiziere, stellte Schul- und Übungsschiffe in Dienst und entsandte in alle Meere Fahrzeuge zu geographischen und hydrographischen Arbeiten; er gründete Schulen für Marineärzte. So wird von ihm wohl mit Recht gesagt, daß er dem späteren Aufschwung der Marine vorgearbeitet habe.

Am Schluß des Abschnittes stand die Marine aber noch traurig da. Der Schiffsbestand 1742 war nur 48 Linienschiffe, 15 Fregatten, 14 Transporter[258]; die Fahrzeuge waren in mangelhaftem Zustande, die Werften ohne fähige Arbeiter, Arsenale und Magazine leer. Das Offizierkorps war von 1140 im Jahre 1696 (1040 um 1701) auf 660 Köpfe gesunken. Früher hatte man in Kriegszeiten auch noch eine große Unterstützung durch tüchtige Kräfte der Handelsmarine gehabt (Jean Bart, Trouin usw. stammten daher), die besonders auf kleineren Fahrzeugen, Transportern, Kapern verwendet wurden; die guten Elemente dieses Ersatzes zogen sich, von den aktiven Offizieren immer hochmütiger behandelt, nach und nach ganz zurück. Bei Ausbruch des Krieges 1744 machte nur die Bemannung mit Matrosen weniger Schwierigkeit als früher.

Chabaud-Arnault sagt (Seite 133): „Die französische Marine hat von 1713–1744 keine Geschichte, sie wurde durch die leitenden Staatsmänner zur Untätigkeit, ja zu beispielloser Demütigung verdammt, um nicht Eifersucht und Mißtrauen bei den Engländern[505] zu erregen. In zwei Kriegen, in denen die Flotte eine wichtige Rolle hätte spielen können (1719 Quadrupelallianz gegen Spanien; 1733 Polnischer Erbfolgekrieg), blieb sie in den Häfen, nur mit einigen Schiffen wurden unbedeutende Demonstrationen gemacht; im ersten Kriege wurden sogar französische Truppen auf englischen Schiffen an die feindlichen Küsten geworfen.“

In England[259] schritt die Entwicklung der Marine stetig fort. Der Schiffsbestand betrug:

Schiffe: I. Klasse II. III. IV. V. VI. Gesamt
(96–100 K.) (80–90 K.) (60–74 K.) (40–54 K.) (28–32 K.) (16–20 K.)
1688 9 11 39 40 12   6 117
1702 8 12 45 44 18 16 153
1727 (100 K.) (90 u. 98) (80 u. 70) (60 u. 50) (40) (20)   (und 14 Sloops
4–10K.)
7 13 16, 24 24, 40 24 29 177
Dreidecker.

Die Gesamtzahl von 1727 war schon um 1714 erreicht. Auch später wuchs der Bestand weiter, besonders in der III., V. und VI. Klasse. Nach einigen Quellen (z. B. Campbell) soll er in den dreißiger Jahren auf 70 Linienschiffe und 19 Schiffe von 50 Kanonen gefallen sein. (dagegen sagt Clowes, die Marine sei seit 1727 ständig gewachsen), doch waren nach derselben Angabe um 1744 wieder 90 Linienschiffe über 64 Kanonen und 84 Fregatten (wohl Klasse IV–VI) vorhanden.

Die Tabelle zeigt, wie die Entwicklung stetig in der früher geschilderten Weise (Seite 174 ff.) fortschreitet. Schon 1702 sehen wir einen geringen Zuwachs in der III. und IV. Klasse, einen bedeutenden in der V. und VI. 1727 haben sich die Grenzen der Klassen sehr verschoben, in allen ist die Armierung weit stärker geworden und auch der Tonnengehalt gewachsen.[260] Die Zahl der Schiffe von 60 Kanonen aufwärts ist sehr gewachsen, die der I. und II. Klasse jedoch nicht mit. Auch später nimmt der Bestand der III., V., VI. Klasse weiter zu. Die Schiffe der III. Klasse, bald nun 64–84 Kanonen, werden als die geeignetsten Schlachtschiffe erkannt, die der V., nun 30–40 Kanonen, und der VI., nun 20–30 Kanonen, als die geeignetsten Fahrzeuge gegen Kreuzer und Handelsschiffe; die Schiffe der IV. Klasse, nun 50–60 Kanonen, sind für die Linie zu leicht, für letzteren Zweck zu schwer; sie werden im Kolonialdienst verwendet.

In Hinsicht auf die Machtentfaltung der englischen Marine in dem jetzt zu besprechenden Kriege sind leider keine Angaben über die jährlichen Gesamtindienststellungen vorhanden; die Schilderung der Ereignisse sowie die späteren Schlußbetrachtungen werden zeigen, daß man sie auf 70–80 Linienschiffe und alle vorhandenen kleineren Fahrzeuge annehmen kann.

Dem Personal ward weiter Fürsorge zuteil. Wir wissen, daß nach dem ersten englisch-holländischen Kriege der Seeoffizierstand anfing, ein Lebensberuf zu werden, daß man anstrebte, Personen der besseren Stände heranzuziehen; schon 1676 waren Bestimmungen erlassen, die dies begünstigen sollten. Um 1700 wurde der Halbsold eingeführt, auf den alle Kommandanten, erste[506] Offiziere und Master, wenn sie ein Jahr als solche gedient, ein Anrecht hatten. 1728 wurde in Portsmouth eine Marineschule (naval academy) mit Schlußprüfung als Vorbildungsschule gegründet. Jedoch nicht alle Offiziere besuchten diese; lange Jahre noch bis 1794 soll es (nach Clowes) vorteilhafter gewesen sein, als Page eines Admirals oder Kapitäns (Junker?) einzutreten. Seit 1688 gab es eine Rangliste, von 1700 an erschien sie von Zeit zu Zeit im Druck. Es entwickelte sich also immer mehr ein festes Seeoffizierkorps und dieses blieb in Übung, da die englische Marine auch nach dem Frieden von Utrecht mehrfach gezwungen war, große Flotten aufzustellen (Nordischer Krieg 1714 bis 1721; Quadrupelallianz gegen Spanien 1718–1720; 1733 eine aufs neue drohende Verwicklung mit Spanien; stets gegen die Barbaresken) und stets eine große Anzahl von Schiffen zur Wahrung der maritimen Interessen im Dienst halten mußte; auch wurden überzählige Offiziere zur Handelsmarine beurlaubt.

In diese Jahre fällt wohl die Ausbildung des dem englischen Seeoffizierkorps des 18. Jahrh. eigentümlichen Charakters im Gegensatz zu dem des französischen (vgl. Seite 319); bei der Verschmelzung des Soldaten und des Seemanns gewann der Seemann die Überhand. Macaulay sagt: „In der Marine Karls II. gab es Sailors und Gentlemen, aber die Seeleute waren keine Gentlemen und diese keine Sailors.“ Man muß dabei beachten, daß die Gentlemen eben das militärische Element darstellten. Als nun die Offiziere im allgemeinen den seemännischen Dienst übernahmen, verdrängte der Seemann allmählich den Gentleman und mit ihm den militärischen Ton und Geist. „Selbst Männer aus guter Familie, wie die Admirale Wilhelms III., Herbert und Russell, die wirklich Seeleute waren, konnten nur als solche gelten, indem sie die derben Manieren der Teerjacken annahmen.“ Zwischen dem Spanischen Erbfolgekrieg und den großen Seekriegen des nächsten Abschnittes liegen nun 30 Jahre, in denen die englischen Offiziere viel zur See fuhren, aber nie beachtenswerten Gegnern entgegenzutreten hatten. Da wuchs wohl ihre Lust und ihr Interesse am rein seemännischen Dienste immer mehr, und so ist es gekommen, daß sie später — im Gegensatz zu den Franzosen und längere Zeit zu ihrem Nachteile — mehr ihren Ruhm in geschickten Segelmanövern als in der Entwicklung der militärischen Leistungsfähigkeit ihrer Schiffe suchten, daß sogar der Taktik für Verbände zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Auch für die Mannschaft wurde von 1700 ab manches getan. Es wurden die Zahlung eines Handgeldes beim Eintritt, Zulagen für gute Führung sowie Pensionen für Witwen und Waisen der Gefallenen eingeführt; das Hospital in Greenwich für Invalide wurde gegründet. Eine wichtige Änderung betraf die Seetruppen. Man hatte bei diesen — seit 1664 bestehend, jedoch zeitweise und so auch 1699 aufgelöst — bisher nicht nur den Zweck im Auge gehabt, auf den Schiffen gute Gewehrschützen und Landungsmannschaften zu haben, sondern sie dienten auch zur Auffüllung der Besatzungen. Am Lande wurden sie auf den Werften beschäftigt; Leute, die hier und an Bord einige seemännische Erfahrung gewonnen hatten, wurden dann gern als Matrosen eingestellt. 1702 wurden nun 6 neue Regimenter gegründet, aber nicht mehr als Schule und Ersatz für Matrosen; eine Versetzung zu diesen wurde verboten. Sie waren so eine rein militärische Truppe, stets zur Verfügung der Admiralität für überseeische Expeditionen; als eine stehende Truppe im Gegensatz zu den[507] Matrosen trugen sie jetzt noch mehr als schon bisher zur Hebung der Disziplin und des militärischen Geistes an Bord bei. Es war dies wichtig, denn immer noch mußte bei Einstellung der Matrosen zum Pressen, wobei man in der Wahl der Personen wenig wählerisch war, gegriffen werden; der ungemein stark zunehmende Seehandel schuf zwar zahlreiche und vorzügliche Seeleute, aber diese waren bei Ausbruch eines Krieges über die ganze Erde zerstreut.

Corbett sagt: „Einer der Hauptbeweggründe Wilhelms III. zur Errichtung der Seeregimenter 1702 ist gewesen, eine stehende Truppe für Expeditionen in dem bevorstehenden Kriege zu haben. Gegen ein stehendes Heer hatte sich das Parlament 1699 energisch gewehrt, da waren auch die bisherigen Seetruppen weggefallen; als ein Teil der geliebten Marine wurden sie wieder bewilligt. Daß sie 1704 bereit waren, hat die Erwerbung von Gibraltar und Port Mahon für England sehr begünstigt; 1702 wurde die Entsendung der Flotte ins Mittelmeer durch Mangel an Soldaten sehr verzögert.“

England übernahm im Spanischen Erbfolgekriege wie im vorigen Kriege die Hauptleistung zur See, es verpflichtete sich, 5/8 der gemeinsamen Seestreitkräfte zu stellen; mit dem Nachlassen Hollands mußte es seine Kräfte noch mehr anspannen. Beim Frieden von Utrecht stand die englische Marine allein noch groß da und wurde in der Zukunft so erhalten.

Der Verlauf des Seekrieges.[261]

Schon im Jahre 1701 begannen England und Holland zu rüsten. Eine starke gemeinsame Flotte wurde im April in Portsmouth unter Admiral Sir George Rooke zusammengezogen, um beim Ausbruch des Krieges bereit zu sein.

Holland hatte 24 Linienschiffe in Dienst gestellt. Der größere Teil davon befand sich unter Leutnantadmiral Almonde bei der gemeinsamen Flotte; da sich aber Holland nach Besetzung der Grenzbefestigungen in den spanischen Niederlanden durch die Franzosen auch zu Lande bedroht sah, blieb der Rest der Linienschiffe bei Schooneveld, und zur Beschützung der Seegatten war eine große Zahl von Fregatten, Convoijers und flachgehenden Fahrzeugen in Dienst gestellt, Truppen waren mobil gemacht und Marlborough stand mit 10000 Engländern in Holland.

Die Flotte blieb lange untätig. Es lag wahrscheinlich (nach Corbett) in der Absicht Wilhelms III., als er sich im Sommer 1701 im Haag befand, um die Verhandlungen mit Frankreich auf Grund der letzten Vermittlungsvorschläge zu leiten, sie nach der spanischen Küste zu senden, um einen Druck auf den Gang der Unterhandlungen auszuüben oder um bei Ausbruch des Krieges sofort einen Angriff auf Cadiz zu unternehmen. Hierdurch wäre nicht nur der spanische Handel arg bedroht gewesen, sondern man hätte auch die Straße von Gibraltar beherrscht und die Verbindung der französischen[508] Seestreitkräfte des Mittelmeeres und des Atlantik unterbrochen. Man mußte sogar darauf gefaßt sein, daß Frankreich sich dieses Stützpunktes bemächtigen würde. Ludwig XIV. hatte gezeigt, daß er mit einem Kampfe um die Seeherrschaft im Mittelmeer rechnete; unmittelbar nach Anerkennung des Testamentes Karls II. von Spanien hatte er die Regentschaftsjunta gebeten, die Befestigungen der spanischen Häfen, insbesondere die von Cadiz, Gibraltar und Port Mahon zu verstärken, und ihr zu diesem Zwecke Offiziere zur Verfügung gestellt. Rooke soll gegen diesen Plan gewesen sein, weil er sich wie die meisten Admirale jener Zeit scheute, so spät im Jahre nach dem Süden zu gehen, daß er gezwungen sein würde, im Herbst mit schweren Schiffen nach dem Kanal zurückzukehren. Wir wissen, daß auch im vorigen Kriege die Seeoffiziere sich sträubten, bis zum Herbst an der spanischen Küste zu bleiben, und damals standen ihnen die spanischen und portugiesischen Häfen zur Verfügung.

Als aber die Verhandlungen nicht fortschritten und man erfuhr, daß ein kleines französisches Geschwader unter Coëtlogon Anfang August mit Truppen und Kriegsmaterial von Brest nach Westindien auslaufen und ein zweites größeres (etwa 10 Linienschiffe) unter Vizeadmiral Château-Renault in See gehen solle, wurden die Operationen zur See begonnen; Rooke erhielt Befehl, Château-Renault zu beobachten, oder, falls dieser schon ausgelaufen, zum Schutz des Handels vor dem Kanal zu kreuzen. Von der Entsendung der großen Flotte nach dem Süden war also abgesehen, sei es, daß Rookes Einwendungen Erfolg gehabt haben, sei es, daß man es nicht für nötig hielt, weil man erfahren hatte, daß die übrigen französischen Schiffe in Brest erst zur Indienststellung im nächsten Frühjahr bestimmt seien. Ein Teil der Hauptflotte sollte jedoch nach dem Süden abgezweigt werden. Rooke ging am 25. August in See, erreichte am 13. September Ouessant und entließ hier das erwähnte Geschwader; er ging dann nach Brest, sah, daß Renault ausgelaufen war und kehrte nach Portsmouth zurück. Bald darauf wurde die Flotte aufgelöst und der Winterdienst eingerichtet.

Der abgezweigte Teil der Flotte — 25 englische und 10 holländische (Kontreadmiral Wassenaer) Linienschiffe — unter Vizeadmiral Benbow war zunächst bestimmt, auf der Route der spanischen Silberflotte, die unter französischer Bedeckung erwartet wurde, zu kreuzen. Sollte er sie auch vor Ausbruch des Krieges aufbringen, wie man es früher mit holländischen Convois gemacht hatte? In seiner Order war (nach Corbett) gesagt: Die Franzosen zu hindern, sich der Silberflotte zu bemächtigen und „to take care of it for those, who were intitled to it“. Später sollte Benbow dann mit 10 englischen Linienschiffen nach Westindien zur Verstärkung dieser Station gehen. Am 10. Oktober erreichte er die Azoren und hörte hier, daß die Silberflotte schon in Cadiz eingetroffen sei; tatsächlich war sie gar nicht gesegelt. Das französische Geschwader Coëtlogon hatte längere Zeit auf sie gewartet und war dann allein zurückgekehrt (in Brest Februar 1702); die Galeonen waren nicht fertig gewesen oder zurückgehalten, weil man die Bedeckung für ungenügend[509] hielt. Der größere Teil des Geschwaders Benbows ging nach England heim, er selber traf am 13. November in Barbados ein; wir kommen später auf ihn zurück.[262]

Château-Renault war mit seinem Geschwader von Brest (26. August) nach Lissabon gegangen; er sollte auf Portugal einen Druck dahin ausüben, der Verbindung mit Frankreich treu zu bleiben. Von dort ging er nach Cadiz (Ende Oktober). Hier traf er eine französische Flotte unter Vizeadmiral Comte d'Estrées, der durch Aufklärungsschiffe von Benbows Expedition unterrichtet war. Renault ging nun mit 14 Linienschiffen nach Westindien, nahm die Silberflotte in Vera-Cruz unter seinen Schutz (März 1702) und führte sie über Havanna nach Vigo; über seine Vernichtung dort werden wir bald Näheres erfahren.

D'Estrées hatte seit Mai an der spanischen Küste einige 20 Linienschiffe, von Toulon aber auch aus Brest, zusammengezogen und nach Cadiz geführt; ein weiterer Beweis, daß auch Frankreich die Wichtigkeit dieser Position erkannt hatte. Durch Renault wäre er sehr verstärkt gewesen, falls es nötig geworden wäre, der Flotte der Verbündeten entgegenzutreten. Nach Renaults Abfahrt verließ auch d'Estrées Cadiz, wo er nur einige Schiffe zurückließ. Er brachte spanische Truppen nach Neapel und Sicilien, wo Aufstände der Kaiserlich-Gesinnten begonnen hatten, und ging dann für den Winter nach Toulon zurück.

Zusammenstöße auf der See hatte also das Jahr 1701 noch nicht gebracht.

Das Jahr 1702. Angriff auf Cadiz. Vernichtung der Silberflotte in Vigo. Im September 1701 war der Vertrag zwischen den Seemächten und dem Kaiser geschlossen, nach dem die spanischen Niederlande besetzt, die italienischen Provinzen für den Kaiser erobert werden und die Seemächte das Recht haben sollten, überseeische spanische Besitzungen für sich zu erwerben. England und Holland beschlossen daraufhin, frühzeitig im Jahre 1702 wieder eine große gemeinsame Flotte aufzustellen.

Es ist nun bisher angenommen, daß man mit dieser Flotte zunächst einen Vorstoß gegen Cadiz, als den reichen und wichtigen Stützpunkt des spanischen Handels nach Amerika, habe machen wollen und daß dann die Seestreitkräfte weiter vornehmlich gegen diesen Handel und gegen die spanischen Kolonien verwendet sein würden. Dies hätte ja auch dem zum Vorteil der Seemächte im Vertrage aufgenommenen Satze in erster Linie entsprochen. Corbett sagt aber, nach den neuesten Forschungen sei es zweifellos, daß Wilhelm III. und mit ihm Marlborough die Einnahme von Cadiz nicht hauptsächlich als einen Schlag gegen den Handel und daneben als eine Diversion, sondern von einem höheren strategischen Standpunkte aus ins Auge gefaßt habe. Er habe von Anfang an beabsichtigt, die Seeherrschaft im Mittelmeer zu erringen, um die französischen Streitkräfte zu trennen, Frankreich von den Zufuhren[510] im Mittelmeer abzuschneiden, in den Landkrieg in Italien einzugreifen, ja, in Frankreich selber vom Süden her einzudringen; hierzu war es nötig, den Verbündeten Stützpunkte zu verschaffen, die England dann wohl behalten wollte.

Da sich die Angaben der anderen Quellen über die Operationen wohl mit dieser Ansicht in Einklang bringen lassen und da anderseits jene Quellen über die Vorgeschichte der Cadiz-Expedition Näheres nicht enthalten, so sei eine solche nach Corbett gegeben:

Rooke legte im Januar 1702 dem Könige einen Plan für die Verwendung der Flotte vor. Er rechnete mit einer gemeinsamen Flotte von 80 englischen und 50 holländischen Linienschiffen; was sonst noch an Seestreitkräften vorhanden war, bestimmte er für den Schutz des Handels im Kanal. Von der großen Flotte sollten nur 30 Engländer und 20 Holländer mit 8000 Mann Landungstruppen nach dem Süden gehen, um „irgend etwas“ in Spanien oder Portugal zu unternehmen. Über die Verwendung des größeren Restes sagt der Plan nichts; er sollte wohl im Norden bleiben, um französischen Unternehmungen entgegenzutreten oder die feindlichen Küsten zu bedrohen. Es war dies also — so sagt Corbett — nicht viel mehr als die unbestimmte Defensivstrategie zur Zeit Elisabeths, gegen die schon Drake energisch gesprochen hatte.

Während nun Holland und die deutschen Fürsten mit diesem Plane wohl einverstanden waren, in der Hoffnung, daß dadurch französische Truppen von ihren Grenzen abgezogen würden, hatte Wilhelm III. (und Marlborough) eben mit den vorhin erwähnten Absichten die Inbesitznahme von Cadiz durch die Hauptflotte im Auge und hiermit stimmten der Kaiser und Prinz Eugen in Hinblick auf den Krieg in Norditalien und auf die Eroberung beider Sicilien überein. Mit Beziehung hierauf sagt Corbett: „Wenn nun bisher angenommen wurde, die Seemächte hätten anfangs den Krieg hauptsächlich gegen Handel und Kolonien führen wollen, das Unternehmen gegen Cadiz habe nur diesem Zwecke dienen sollen und nur durch Zufall — durch den Ausbruch des Landkrieges in Spanien 1704 — sei die Haupttätigkeit der Seestreitkräfte ins Mittelmeer verlegt, so ist das nicht zutreffend; Wilhelm schaute weiter. Es wird dies schon durch die erste Instruktion bewiesen, die Rooke erhielt, als der Krieg (4. Mai) erklärt war. (Die Order war nicht mehr vom Könige unterzeichnet, aber in seinem Sinne gehalten.) Sie besagte, Rooke solle Cadiz oder — falls sich herausstellte, daß dieser Platz zu stark oder von einer zu großen Flotte gedeckt sei — Gibraltar, Vigo, Ponta Vedra, Coruña oder sonst einen geeigneten Hafen nehmen und den Landtruppen dort ein genügend starkes Geschwader lassen, um ihn zu halten; dann erst solle ein Teil der Flotte mit 2000 Mann nach Westindien abgezweigt werden. Angriffe auf spanische Kolonien standen also nach Zeit und Bedeutung erst in zweiter Linie, einen Stützpunkt für Operationen im Mittelmeer zu gewinnen, war die Hauptsache. Die Befehle für die Flotte in späteren Jahren, auch ehe Karl III. in Portugal landete, bestätigen dies und zeigen auch, daß man schon damals daran dachte, Frankreich vom Mittelmeer aus anzugreifen. Marlborough sagte später im Oberhause, er habe Befehl von der Königin erhalten, mit Prinz Eugen über einen Angriff auf Toulon zu unterhandeln, dessen Eroberung Ihre Majestät von Beginn des Krieges an als das beste Mittel zu seiner Beendigung erkannt habe.“

Nach vorstehendem ist anzunehmen, daß die Operationen für das Jahr 1702 dem Plane Wilhelms entsprechend angesetzt sind, sie wurden aber nicht mit der nötigen Tatkraft begonnen und durchgeführt. Der König befand sich in den Niederlanden, wurde bald schwer krank und starb vor der Kriegserklärung. Die Königin Anna führte zwar die Politik in seinem Sinne fort, konnte aber den Widerstand, der sich dem geplanten Vorgehen zur See von gewisser Seite entgegenstellte, nicht überwinden; Marlborough, der dieses mit aller Kraft weiter vertrat, befand sich bei dem Heere auf dem Festlande.

[511]

Die Rüstungen der Verbündeten hatten rechtzeitig begonnen. Holland beschloß 48 Linienschiffe in Dienst zu stellen, England hätte demnach 80 zur gemeinsamen Flotte liefern müssen und diese würde 128 Schlachtschiffe stark gewesen sein; mit 130 rechnete ja auch Rooke in seinem Plane. Auf der Flotte, die nach Spanien gehen sollte, wollte man 10000 englische und 5000 holländische Soldaten einschiffen. Es währte jedoch sehr lange, bis eine gemeinsame Flotte operationsbereit war; die Gründe der Verzögerung sind wohl in der Krankheit und dem Tode (8. März) Wilhelms zu suchen.

Wenn auch die holländischen Schiffe sich schon im März in den Seegatten sammelten, so verging doch nach dem Tode Wilhelms lange Zeit mit Verhandlungen, inwieweit der alte Vertrag über die Aufstellung der gemeinsamen Flotte bestehen bleiben solle (endgültig abgeschlossen erst am 9. Juni 1703), und erst am 31. Mai kam das holländische Kontingent in Spithead an. Hier fand es auch die englische Flotte noch nicht bereit; es fehlte besonders an Soldaten für das Landungskorps, weil die neuerrichteten Seeregimenter noch nicht voll aufgestellt waren, aber auch sonst waren die Rüstungen im Rückstande.

Erst Ende Juni lagen bei St. Helens seeklar: 30 englische und 20 holländische Linienschiffe über 50 Kanonen, 13 Fregatten, 9 Brander, 8 Mörserboote und zahlreiche Transporter für Soldaten, Proviant und Kriegsmaterial sowie 6 Hospitalschiffe, insgesamt 160–200 Segel; etwa 9000 englische und 4000 holländische Soldaten, in beiden Ländern meist den Seeregimentern entnommen, waren eingeschifft. Den Oberbefehl führte Admiral Rooke, die Holländer kommandierte Leutnantadmiral von Almonde; das Landungskorps stand unter den Generalen Herzog von Ormond (englisch) und de Sparre (holländisch).

Neben dieser Hauptflotte hatte Holland ein Geschwader von 15 Linienschiffen unter Vizeadmiral Evertsen an der flämischen Küste gegen Unternehmungen der Franzosen auf diese im Dienst und England eine Flotte von 30 Schiffen (später noch verstärkt) unter Admiral Shovel im Kanal, die bei Abwesenheit der Hauptflotte Brest blockieren und den Handel schützen sollte. In beiden Staaten war also die geplante Stärke der Gesamtindienststellung nicht erreicht.

Aber auch jetzt begannen die Operationen noch nicht, obgleich der Krieg am 4. Mai erklärt war. Wenn nun auch dieser weitere Verzug wohl mit eine Folge des Personalwechsels in den höheren Stellungen der englischen Admiralität nach dem Tode Wilhelms III. war — Mitte Mai war der Gemahl der Königin Anna, Prinz Georg von Dänemark, zum Lordhighadmiral ernannt; der vorhin angeführte Befehl für die Flotte wurde erst am 7. Juni erlassen —, so wird doch allgemein die Hauptschuld dem Admiral Rooke zugeschrieben. Wieder äußerte dieser mit fortschreitender Jahreszeit seine Bedenken, die großen Schiffe nach dem Süden zu führen; die Order entsprach eben nicht seiner Ansicht. Unterstützt wurde er durch Shovel, der erklärte, mit seinen 30 Schiffen könne er seine Aufgabe nicht lösen; Shovel äußerte auch, wenn man dem Feinde nur gleich sei, könne man nie auf einen entscheidenden Sieg rechnen.[263]

[512]

Die neue Admiralität bestand nun zwar noch energischer auf der Durchführung des Planes Wilhelms — der Bruder Marlboroughs, der in der Admiralität angestellt war, hatte großen Einfluß auf den Prinzadmiral und arbeitete im Sinne seines Bruders, während der vorhergehende Lordhighadmiral Lord Pembroke die Ansicht Rookes teilte —, sie hatte jedoch in ihrem Streben, Rooke anzutreiben, wenig Erfolg.

Über die Rüstungen der Franzosen in diesem Jahre liegen nähere Angaben nicht vor; aus den französischen Quellen kann man entnehmen, daß sowohl in Brest wie in Toulon zahlreiche Indienststellungen stattgefunden haben, die zusammen wohl eine Flotte gebildet hätten, mit der die Gegner rechnen mußten. Kleinere Geschwader oder Divisionen waren wie zu Ende des vorigen Krieges zum Schutz der Häfen, zur Bedrohung des feindlichen Handels oder zu bestimmten Zwecken in Dienst gestellt; einige von diesen (unter berühmten Führern, wie: du Casse, Saint-Pol; Forbin, Trouin) werden uns bei Betrachtung des kleinen Krieges beschäftigen.

Eine solche Abteilung sei hier erwähnt, da sie von Bedeutung für den Landkrieg in Norditalien war. Dort war Prinz Eugen auf Zufuhren von Triest über Venedig angewiesen, und im Juni 1702 erschien Forbin mit einigen Fregatten im Adriatischen Meere. Es gelang ihm, die Verbindung zu unterbrechen, doch wurde er bald abberufen, weil er zu scharf gegen die neutrale Republik Venedig vorging; immerhin war die Folge, daß die Befehle für die Flotte der Verbündeten später darauf hinwiesen, das Adriatische Meer von französischen Streitkräften freizuhalten.

Eine zweite Abteilung gab den Anlaß zu den ersten Operationen der Hauptflotte der Verbündeten. Eine auf Erkundung im April ausgesandte englische Fregatte meldete, daß sich in La Rochelle ein Geschwader sammle, um Truppen von Ferrol oder Coruña nach Westindien zu bringen sowie Galeonen dorthin zu geleiten. (Es war du Casse mit 6 Linienschiffen und 8 Transportern.) Infolgedessen wurden im Mai 9 Linienschiffe nebst 2 Fregatten ausgesandt, um du Casse abzufangen. Der Führer, Sir John Munden, sichtete am 27. Mai 14 Franzosen bei ihrem Einlaufen in Ferrol. Da er sie alle für Kriegsschiffe hielt und auch nach anderen Nachrichten 17 feindliche Linienschiffe in Ferrol vermutete, ging er nach England zurück (Ende Juni dort. In kriegsgerichtlicher Untersuchung freigesprochen, wurde Munden doch der öffentlichen Meinung zuliebe entlassen). Nun beschloß der Kriegsrat der Flotte, zu einem See- und Landangriff gegen Coruña vorzugehen und sich dann gegen Cadiz zu wenden; die Admiralität stimmte bei, hielt aber auch ihre früheren Befehle aufrecht und betonte, falls der Spätherbst vor Lösung der Aufgaben einträte, solle Rooke die schweren Schiffe in dem von ihm genommenen spanischen Hafen bergen; alles zur Neuausrüstung Nötige werde man hinaussenden.

Anfang Juli sandte Rooke etwa die Hälfte der Flotte — 22 Linienschiffe unter Admiral Fairborne — voraus; sie sollte die Franzosen in Coruña festhalten oder, wenn diese schon ausgelaufen wären, ihn bei Finisterre erwarten.[513] Er selbst verließ mit dem Rest bald darauf St. Helens, blieb dann aber wieder „wegen Gegenwindes“ in Torbay liegen; seine Bedenken wegen der schweren Schiffe hatte er immer wieder zur Sprache gebracht. Endlich gelang es der Admiralität, ihn dadurch in Bewegung zu setzen, daß sie verfügte, Shovel solle ihm seine schweren Schiffe gegen leichtere umtauschen, wodurch auch dieser seinem Wunsche gemäß verstärkt würde. Dies paßte Rooke nicht; er verließ, ehe Shovel ihn erreichte, am 1. August den Kanal.

Der Admiralität erschien ein baldiges Auslaufen geboten, weil von Benbow in Westindien die Nachricht eingegangen war (14. Juli), daß Château-Renault im März mit der Silberflotte die Heimreise antreten werde. Diese war, wie wir wissen, im Vorjahre zurückgehalten und Spanien fühlte schmerzlich den Ausfall; mit ihrem Abfangen konnte ihm ein schwerer Schlag zugefügt werden. Es wurde deshalb der Befehl erlassen, daß Rooke die spanische Küste von Cadiz nördlich und Shovel die französische von Brest südlich sperren solle. Im übrigen blieb die alte Order wieder bestehen, nur wurde Gibraltar von den etwa zu nehmenden Plätzen gestrichen und auch dem Admiral freigestellt, mit den schweren Schiffen heimzukehren, sobald ein Hafen genommen sei; er habe dann Shovel durch 10–12 gute Schiffe zu verstärken, falls Renault noch nicht eingetroffen sei. Man glaubte in England und in Frankreich, Renault würde die Silberflotte nach einem französischen Hafen führen.

Am 10. August traf Rooke bei Finisterre ein und stellte fest, daß die Franzosen Coruña verlassen hatten. Sie waren schon vor Fairbornes Ankunft ausgelaufen; dieser war durch Sturm vom Rendezvousplatze vertrieben, vereinigte sich aber am 18. August vor Lissabon mit der Hauptflotte. Jetzt wandte sich Rooke gegen Cadiz. Dieses Unternehmen sollte jedoch kläglich verlaufen, da es ohne jede Tatkraft und Umsicht ins Werk gesetzt wurde; dies ist um so auffallender, als es doch so lange vorbereitet war und man die Erfahrungen des glorreichen Angriffes 1596 (Howard und Essex) sowie des Mißerfolges 1625 (Wimbledon) für sich hatte. Der diesmalige Mißerfolg wird von den Quellen den verschiedenen Führern zugeschrieben: die Holländer (z. B. de Jonge) klagen den General Ormond des Mangels an Tatkraft an, hervorgerufen durch Unfähigkeit oder gar böse Absicht, weil er ein Gegner Marlboroughs gewesen sei; englische Quellen (und zwar fast alle) schieben die Schuld mehr auf die Lauheit Rookes und seiner Flaggoffiziere (Fairborne ausgenommen) sowie auf Mangel an Einigkeit zwischen den Land- und Seeoffizieren. Die Schilderung wird zeigen, daß beide Auffassungen ihre Berechtigung haben; hinzu trat noch die Einwirkung des Prinzen Georg von Hessen-Darmstadt,[264] der sich als Repräsentant des Kaisers auf der Flotte befand. Dieser sprach gegen jedes allzu schroffe Auftreten,[514] in der Absicht; die Bevölkerung Südspaniens für Habsburg zu gewinnen oder sie wenigstens nicht dagegen auf zubringen; man muß annehmen, daß seine Bedenken dann den englischen Führern ganz erwünscht kamen. Von Rooke sagen Zeitgenossen, er habe von dem Unternehmen so gleichgültig gesprochen, daß man daraus hätte folgern können, er würde dem Feinde nicht viel Schaden tun; er lag auch während der Ausreise und während des Angriffs fast stets krank (?) im Bett. Der Angriff bietet wenig von Bedeutung.

Am 23. August ankerte die Flotte in der Bucht westlich von Cadiz. Hier lagen 3 Kriegsschiffe und einige (4–6) Galeren der Franzosen, die in den Hafen einliefen; Fairborne wollte sofort folgen, aber Rooke verbot es. Auf der Reise war öfters Kriegsrat abgehalten, meist Land- und Seeoffiziere getrennt, es bestand jedoch noch kein Plan über das, was man unternehmen und wie weit man gehen wollte. Eine Aufforderung zur Übergabe, gestellt in der Hoffnung auf habsburgische Gesinnung in der Stadt, wurde abgelehnt; man erfuhr, daß die Befestigungen gut im Stande seien, und daß 4000–5000 Mann in der Stadt lägen, und hielt deshalb einen Handstreich für ausgeschlossen. Nach seiner Instruktion hätte Rooke sich jetzt gegen einen anderen Hafen wenden können; die Order scheint nur mit einem Handstreich gerechnet zu haben, sei es, um nicht zu viel aufs Spiel zu setzen oder um nicht zu lange Zeit auf eine Belagerung zu verwenden, sei es, um die Bevölkerung zu schonen, aus demselben Grunde, den der Prinz von Hessen vertrat. Ein gemeinsamer Kriegsrat beschloß aber den Angriff.[265] Der Generalstabschef Ormonds schlug nach einer Erkundung vor, auf der Insel Leon, also möglichst nahe östlich von der Stadt, zu landen; der Kriegsrat lehnte es ab, vielleicht aus seemännischen Gründen (zu offene Küste). Die Truppen wurden zwischen S. Catalina und Rota ausgeschifft und Rota besetzt; beides geschah ohne nennenswerten Widerstand. Erst nach fünf Tagen marschierte Ormond nach S. Maria, das verlassen vorgefunden wurde; auch hier blieb man vier Tage untätig stehen, plünderte aber die Stadt, ja selbst die Kirchen, und diese Plünderung, an der sich sogar Offiziere, auch der höheren Dienstgrade, beteiligten, wirkte höchst nachteilig für die habsburgische Sache. Große Weinlager waren gefunden worden und die schlecht in Disziplin gehaltenen, meist betrunkenen Leute „behaved in a most disgraceful and abominable manner“ (nach Clowes). Inzwischen war S. Catalina von den Mörserbooten beschossen und ergab sich sofort einem heranrückenden kleinen Truppenteil.

Bis dahin waren also Erfolge erzielt, wenn auch langsam; Almonde soll stets versucht haben, durch General Sparre bei Ormond auf lebhafteres Vorgehen hinzuwirken. Jetzt mußte man den Hafen und Cadiz selbst angreifen; hierzu war die Mitwirkung der Flotte nötig. Man wollte das Fort Matagorda nehmen, das dem Fort Puntales gegenüber gelegen die Einfahrt von Osten her deckte, sowohl um der Flotte das Einlaufen in den Hafen zu erleichtern, als auch um von dort die Truppen auf die Insel Leon überzuführen. General Sparre marschierte mit 3000 Mann über Puerto Real vor das Fort, konnte aber wegen der schlechten Wege nicht genügend Artillerie hinschaffen. Die Flotte machte Schwierigkeiten, Truppen usw. von S. Maria oder Rota dorthin zu bringen: die Schiffe müßten erst Wasser nehmen und könnten auch die Boote nicht entbehren. Geradezu ablehnend verhielt sich Rooke nicht, aber er tat auch nichts. Schon waren Schiffe zum Forcieren bestimmt gewesen, falls Matagorda gefallen sei, später jedoch äußerte sich der Kriegsrat der Seeoffiziere wieder, auch dann könnten die Schiffe nicht einlaufen; er schlug vor, zunächst die Stadt in einer „günstigen“ Nacht zu beschießen. Hiergegen[515] sprach aber der Prinz von Hessen und auch Rooke fand nie günstiges Wetter. Matagorda hielt sich, unterstützt durch das Feuer der Galeren, und die Spanier versenkten Schiffe in der Einfahrt. Der Kriegsrat der Landoffiziere erklärte, ohne Hilfe der Flotte könne das Landungskorps das Fort nicht nehmen und nicht vor die Stadt gelangen, da es der schlechten Wege und der vielen Wasserläufe halber von P. Reale nicht ganz über Land bis zur Insel Leon marschieren könne; zu einer förmlichen Belagerung fehle ihm überhaupt das nötige Material. So wurde am 16. September allgemein beschlossen, das Unternehmen aufzugeben; nachdem alle Magazine mit Schiffs- und Kriegsvorräten in den besetzten Plätzen verbrannt waren, schiffte man am 25. September die Truppen ein.

Man hatte nichts erreicht als die Vernichtung einiger Magazine, und weit mehr hatte die Plünderung der Ortschaften der allgemeinen Sache geschadet.

Rooke und sein Kriegsrat beschlossen, nach England zurückzukehren, sie hatten nur die Sicherheit der Schiffe im Auge. Es ist möglich, daß auch die Lauheit bei dem Unternehmen teilweise dem Gedanken zuzuschreiben ist, die Flotte unversehrt zu erhalten, falls eine französische sich zeigen sollte. Vergeblich versuchte der Prinz von Hessen, unterstützt durch die Generale und durch Almonde, Rooke zu bewegen, einen anderen Hafen zu nehmen. Der Prinz wies auf die in der Instruktion genannten Städte hin, Rooke fand bei allen seemännische Bedenken; der Prinz schlug einen Hafen an der Ostküste vor — z. B. Valencia, Aragonien und Katalonien würden sich gegen Philipp V. erheben — Rooke sagte, seine letzte Order verböte ihm, weiter als Cadiz zu gehen. Eine Rückkehr nach England lag keineswegs in der Absicht der englischen Regierung, wie aus späteren Befehlen zu ersehen ist. Der Admiral hat diese wohl nicht rechtzeitig erhalten; aber auch eine Aufforderung des englischen Gesandten (Methuen) in Portugal, nach Lissabon zu kommen und dort zu überwintern, konnte seinen Entschluß nicht ändern.

Am 1. Oktober verließ die Flotte die Bucht von Cadiz, nahm vor Lagos Wasser, zweigte hier 6 Linienschiffe mit 2000 oder 3000 Mann auf Transportern unter Kapitän Walker nach Westindien zur Verstärkung Benbows ab und trat dann die Reise nach England an.

Einige Andeutungen über die ebenerwähnten späteren Befehle (genauer in Corbett, Teil II, Seite 266): Mitte August wurde Rooke die Einnahme von Cadiz dringender als bisher ans Herz gelegt; man wußte, daß Frankreich wieder im Adriatischen Meere sich zeige, und glaubte, daß von Toulon eine größere Macht dorthin abgehen solle. Mit dem Zurückbringen seiner Schiffe im Winter brauche Rooke nicht zu rechnen; er könne in Cadiz bleiben, weil im Frühjahr eine große Flotte im Mittelmeer auftreten solle. (Marlboroughs Plan gegen Südfrankreich und Eroberung Neapels für den Kaiser.)

Ein zweiter Befehl, Mitte September, als die ungünstigen Nachrichten von Cadiz eingetroffen, weist wiederum auf Einnahme eines anderen Platzes hin. Man wollte Rooke an der spanischen Küste festhalten, weil man wußte, daß die Silberflotte bald ankommen müsse und in einen spanischen Hafen einlaufen wolle.

Die dritte Verfügung, vom 24. September, als man annahm, die Silberflotte müsse schon unbemerkt eingelaufen sein, fordert wieder die Eroberung von Cadiz; jedenfalls müsse Ormond kräftig unterstützt werden, die großen Schiffe solle Rooke, wenn durchaus nötig, nach Lissabon schicken. Methuen teilte ihm mit, er könne dorthin kommen. Der König schwanke schon, seitdem die Flotte an der Küste sei; käme eine Streitmacht in den Tajo, so würde er den Verbündeten beitreten. Diese Nachricht erhielt Rooke in Lagos.

[516]

Stürmische Gegenwinde ließen die Reise längs der Küste nur langsam fortschreiten und hierdurch sollte Rooke die Gelegenheit finden, einen großen Schlag zu tun:

Die Vernichtung der Silberflotte in Vigo. Château-Renault hatte mit dieser unbelästigt Westindien verlassen können; auf den Azoren hörte er, daß Rooke mit der Hauptflotte an der spanischen Südküste sei. Seinem Vorschlage, die Galeonen nach einem französischen Hafen zu bringen, trat der spanische Admiral entgegen — „spanischer Stolz“ sagen die französischen Quellen; „Mißtrauen gegen ihren Verbündeten“ meinen die englischen —, so entschloß er sich, nach Vigo zu gehen. Am 27. (21.?) September traf er dort ein, gerade noch rechtzeitig, denn auch Shovel hatte Mitte September den Befehl erhalten, von der französischen Küste nach Finisterre zu segeln. Methuen in Lissabon scheint Renaults Ankunft sehr spät erfahren zu haben, denn erst zehn Tage darauf kam sein Bote mit der Nachricht in Faro an. Die Flotte hatte soeben die Reise fortgesetzt, so daß der Konsul trotz aller Bemühungen Rooke nicht mehr erreichen konnte. Der Bote traf aber noch einige Transporter beim Wassernehmen und der Kommodore der begleitenden Kriegsschiffe sandte sofort eine Fregatte (Kapitän Hardy) der Flotte nach.

Nach einer anderen Erzählung erfuhr der Kommodore die Ankunft der Silberflotte durch beurlaubte Offiziere — besonders einen Prediger —, denen gegenüber der französische Konsul damit großgetan hatte, daß Renault den Verbündeten entwischt sei; es ist wohl eine Sage.

Daß der Angriff auf die Silberflotte überhaupt ganz dem Zufall zu verdanken sei, wie oft gesagt, ist nicht richtig. England hatte alle Schritte dazu getan: Methuen gab acht, Shovel hatte entsprechenden Befehl und auch Rooke versuchte sich zu unterrichten. Er fragte auf seiner Reise in Faro an und schickte auch ein Schiff nach Lissabon, doch konnte dieses wegen Sturmes nicht gleich wieder auslaufen. Von England waren acht Fahrzeuge an Shovel und Rooke mit dem Befehle abgesandt, Renault auf der Reise oder in Vigo anzugreifen; Shovels Station wußte man und Rooke hatte seine Kreuzer so vor sich verteilt, daß er voraussichtlich jede Nachricht von England erhalten mußte.

Hardy traf die Flotte bei Finisterre (17. Oktober), Rooke rief seine Kreuzer zurück und sandte sie gegen Vigo, um die Richtigkeit der Nachricht zu prüfen; er selber folgte mit der Flotte. Das schlechte Wetter hatte zwölf Stunden die Kommunikation zwischen Hardy und dem Admiral gehindert und erst am nächsten Tage konnte ein Kriegsrat stattfinden, zu dem auch nur die zu Luward stehenden Flaggoffiziere erschienen. Der Angriff auf Vigo wurde beschlossen. Auf dem Wege dorthin erfuhr Rooke, daß Shovel in der Nähe sei. Er rief ihn zur Mitwirkung heran, wartete jedoch nicht auf seine Ankunft. Sobald die Verhältnisse in Vigo erkundet waren, ging man zum Angriff über.

Im Kriegsrat soll ein großer Teil der englischen Offiziere dagegen gewesen sein, in so später Jahreszeit an der gefährlichen Küste etwas zu unternehmen; Almonde soll energisch dafür eingetreten sein, Rooke nur zögernd eingewilligt haben. Rooke fühlte sich auch während der Durchführung des Angriffes zu krank, um die Kajüte zu verlassen!

Château-Renaults Flotte bestand aus 15 (13?) französischen Linienschiffen, darunter 11 über 70 Kanonen, 3 spanischen, einigen kleineren Kriegsschiffen und 3 Brandern;[517] die Silberflotte zählte 13 Galeonen, 20–30 Kanonen, mit Edelmetallen und wertvollen Gütern beladen. Von dem Silber war allerdings der größere Teil schon ausgeschifft und vieles auch schon landeinwärts gebracht. Der französische Admiral hatte sich nach Möglichkeit eine gute Stellung geschaffen. Die meisten Schiffe und die Galeonen waren in die Bucht von Redondela gelegt; das Fort im Süden der nur ¾ Seemeilen breiten Einfahrt hatte man durch eine Batterie verstärkt (zusammen 38 Kanonen) und eine zweite Batterie im Norden gebaut (20 Kanonen). In die Einfahrt war eine schwere Floßsperre gelegt, flankiert durch 2 der schwersten Linienschiffe, hinter der Sperre waren 5 Linienschiffe im Halbmond vermoort; diese lagen aber etwas zu weit von der Sperre, um die heransegelnden Feinde gerade bei ihr mit vollem Feuer zu überschütten.

see caption

Vigo 23. Oktober 1702.

Die Flotte der Verbündeten segelte am 22. Oktober trotz rauhen und unsichtigen Wetters in die Bucht von Vigo ein; unbehindert, weil sich außerhalb der Enge nur bei der Stadt einige schwache Befestigungen befanden. Der Kriegsrat der Flaggoffiziere setzte den Angriff für den nächsten Tag an: 15 englische und 10 holländische Linienschiffe, meist über 70 Kanonen und mit allen Flaggoffizieren, sollten in 7 Gruppen von 3–5 Schiffen die Sperre forcieren, unterstützt von den Mörserbooten und Brandern; etwa 4000 Mann sollten landen und die Befestigungen des Südstrandes nehmen. Am 23. mit Tagesanbruch wurde dem Plane gemäß verfahren. Vizeadmiral Hopson führte die erste Gruppe (5 Engländer), Vizeadmiral van der Goes die zweite (3 Holländer) und nur diese beiden kamen zur Verwendung.

Die Landung ging (2000–3000 Mann) unter dem Schutze einiger Schiffe ohne Widerstand vor sich; spanische Milizen (8000? Mann), die dem Feinde entgegentraten, wurden leicht in die Flucht geschlagen und darauf die Befestigungen trotz tapferer Gegenwehr (300 bis 500 französische Seesoldaten nebst einigen Spaniern) genommen. Das Landungskorps besetzte Redondela und machte hier reiche Beute an schon gelandeten Gütern; wenn sich auch zahlreiche Mannschaften der Schiffe am Lande befanden, so war doch kein Widerstand organisiert, allgemeine Flucht riß ein. Der Angriff zu Wasser war weniger leicht, wurde aber mit Bravour durchgeführt. Mit der Landung hatten die Schiffe Anker gelichtet, mußten aber wegen Windstille gleich wieder ankern. Als bald darauf Wind aufsprang, kappte Hopson sofort sein Kabel und sprengte unter äußerstem Segeldruck die Sperre; der Wind schlief wieder ein, so daß seine Hinterleute nicht dicht aufgeschlossen bleiben und die Sperre nicht beiseite drängen konnten, zwei Holländer z. B. blieben hängen und mußten sich mit Beilen loshauen. Ein englisches Linienschiff legte sich zwar vor die Nordbatterie und kämpfte sie nieder, aber Hopson lag allein zu Anker hinter der Sperre in schwerem Kampf mit den flankierenden Franzosen, bis bei[518] wieder aufkommendem Winde nach und nach die Schiffe der beiden Gruppen durchsegelten.

Nun begann das Vernichtungswerk. Auf den feindlichen Schiffen herrschte Verwirrung und Schrecken, Renault gab selber bald den Befehl, die Schiffe anzuzünden oder auf Strand zu setzen. Der Widerstand war sehr gering; nur Hopsons Flaggschiff wurde durch einen Brander in Flammen gesetzt, mit Mühe wurde das Feuer gelöscht. Bis Sonnenuntergang waren 6 französische Linienschiffe und 5 noch reich beladene Galeonen genommen, die übrigen Schiffe verbrannt oder gesunken. Der Verlust der Verbündeten war sehr gering, nur Hopsons Schiff hatte gegen 100 Tote, am Lande waren etwa 40 Mann gefallen. Der Verlust der Gegner war bedeutender, vornehmlich an Gefangenen, doch wurden diese bis auf die Offiziere — worunter Renault, mehrere französische Kapitäne und auch der spanische Admiral — freigelassen.

Wohl mit Recht sagt Colomb, daß es von Renault richtiger gewesen sein würde, nur die Galeonen in die innere Bucht zu legen und mit den Kriegsschiffen den Gegner in der äußeren Bucht zu erwarten, wo er die Breitseiten aller Schiffe hätte zur Verwendung bringen können. Er muß seine Stellung für unbedingt sicher gehalten haben; es ist doch auch auffallend, daß man während der drei Wochen nicht alle Schätze der Galeonen geborgen hatte. Renault wurde zwar später Marschall, doch nicht wieder zur See verwendet; man traute seinem Stern nicht mehr.

Der Erfolg war groß. Frankreich verlor bei Beginn des Krieges ein stattliches Geschwader, Spanien einen großen Teil seiner Hilfsmittel. Die Silberflotte mit der Bergwerksausbeute von zwei Jahren soll eine der reichsten gewesen sein, die je gefahren ist. Portugal erkannte die Macht der Seemächte. Colomb nimmt diesen Fall als Beispiel für das Gelingen von Unternehmungen gegen Land, wenn man die See beherrscht. Daß die Verbündeten die See beherrschten, war eine Folge der falschen Kriegführung der Franzosen, hervorgerufen durch falsche Sparsamkeit oder Unverständnis. Man hätte eine Flotte zur Aufnahme Château-Renaults zusammenziehen können; in Brest, Toulon sowie den kleineren Häfen waren Divisionen im Dienst und an Schiffen fehlte es überhaupt noch nicht.

Für Rooke war der Vorfall von großem Nutzen. In England wie in ganz Europa war der Eindruck großartig, er verdunkelte in diesem Jahre die Erfolge Marlboroughs und Eugens; in Holland wurden Dankgottesdienste und Freudensalute in allen Grenzfestungen angeordnet. Der Admiral wurde wieder beliebt, besonders im Unterhause, und die Klagen Ormonds im Oberhause über mangelhafte Unterstützung seitens der Flotte hatten keinen Erfolg. Rooke verteidigte sich dagegen mit der schlechten Vorbereitung der Expedition; eine Sache, auf deren nähere Untersuchung die Minister und die Admiralität lieber nicht eingingen.

Seine Abneigung gegen die Pläne der Regierung zeigte Rooke nochmals gleich nach Vigo. Einige Tage nach dem Ereignis traf Shovel ein, ihm überließ der Chef die weiteren Maßregeln für Verladen der Beute und Kanonen, Segelfertigmachen der Prisen, Zerstörung des Nichtmitzunehmenden, Einschiffen der Truppen; er selbst ging mit dem größten Teil der Flotte, darunter die ihm so sehr am Herzen liegenden Dreidecker, nach England. Shovel folgte einige Tage später. Vergeblich hatten wiederum der Prinz von Hessen und Ormond gebeten, auch die Stadt Vigo zu nehmen, dem Landungskorps ein starkes[519] Geschwader zu lassen und so den gewünschten Stützpunkt zu schaffen. Rooke ging nicht darauf ein, er hatte auch sofort seine Transporter mit Proviant und Material nach der Heimat vorausgesandt. Corbett sagt: „So hat Rooke doch seinen Willen behalten. Der Plan der Regierung war gescheitert, er aber hat „etwas an der Küste getan“ (wider Erwarten sogar einen großen Erfolg erzielt) und seine Schiffe vor dem Winter heimgebracht.“

Die Flotte wurde nach Rückkehr aufgelöst, die großen Operationen waren zu Ende.

Die Jahre 1703 und 1704. Einnahme von Gibraltar, Schlacht bei Malaga. Das Jahr 1703 bringt uns wenig Tatsachen, eigentlich nur Pläne, die erst in späteren Jahren zur Ausführung kommen. Im Winter 1702/03 fanden in London Beratungen über die nächsten Operationen statt, denen auch Marlborough und de Almonde beiwohnten; es war für dieses Jahr dem Kaiser versprochen worden, ihn bei der Eroberung beider Sicilien zu unterstützen. Es wurde beschlossen, schon im Februar 30 englische und 12–15 holländische Linienschiffe ins Mittelmeer zu senden; da man annahm, daß Rooke nicht damit einverstanden sein würde, sollte er „mit Rücksicht auf seine Gesundheit“ die Admiralität übernehmen. Diesen Plan ließ man jedoch fallen, entweder weil die Schiffe wegen der späten Rückkehr im Vorjahre nicht fertig geworden waren, oder und wahrscheinlicher weil der Kaiser infolge der ungarischen Unruhen keine Truppen stellen konnte. Man setzte nun eine 96 Schiffe starke Flotte im Kanal fest, von der nur 35 Linienschiffe unter Shovel für das Mittelmeer abgezweigt werden sollten. Der Befehl für diese[266] lautete: den Frühjahrs-Levanteconvoi sicher bis Malta zu führen; die Verträge mit den Barbaresken zu erneuern und sie womöglich zur Kriegserklärung gegen Frankreich zu bewegen; Toskana und Venedig, die zu Frankreich neigten, zu strenger Neutralität zu zwingen; das Adriatische Meer für Österreich freizuhalten, dieses in Norditalien sowie die habsburgische Partei in Neapel zu unterstützen; bei günstiger Gelegenheit Cadiz, Toulon oder andere spanische oder französische Häfen anzugreifen; endlich im September/Oktober den Levanteconvoi heimzuführen. (Nach Corbett war in einem Begleitschreiben der Hauptwert auf Sicherung der Convois gelegt.) Shovel sollte frühzeitig segeln, wurde aber sehr verzögert und dadurch gehindert, etwas von Bedeutung auszuführen; der Rest der Seestreitkräfte war noch tatenloser, für die Flotte im Kanal stellte Holland kein Schiff.

Holland stellte in Dienst: 12 Linienschiffe für die Nordsee, hauptsächlich zur Deckung der erwarteten Ostindienfahrer; 10 Linienschiffe gegen Dünkirchen und gegen eine Division Galeren in Ostende. Es sollte 18 Linienschiffe für das Mittelmeer stellen, brachte es aber nur auf 12, die erst am 25. Juni in Spithead eintrafen. Außer Amsterdam und Maas klagten die Admiralitäten über Geldmangel; Wilhelm von Oranien fehlte eben.

Die Hauptflotte der Engländer unter Rooke trat frühzeitig, aber nur nach und nach zusammen; genaue Angaben fehlen, englische Quellen nennen sie „vast“. Ihre Order war [520]„so altmodisch wie möglich, ganz nach Rookes Geschmack“ (nach Corbett): Im Kanal und in der Biscaya die Küsten bedrohen, um französische Truppen vom Landkriege abzuziehen, den Handel zu stören und die feindlichen Divisionen in den Häfen festzuhalten. Selbst hierin wurde nichts geleistet. Rooke blieb untätig in Spithead; als Ende April bekannt wurde, daß ein Geschwader von Brest nach Toulon gehen wolle, erhielt er ausdrücklichen Befehl auszulaufen; er schützte Krankheit vor und gehorchte erst, als man mit seiner Ablösung drohte. Die Flotte kreuzte dann den Sommer über, ohne mit dem Feinde zusammenzustoßen, zu obengenannten Zwecken; dazu würde auch die Hälfte der Streitkräfte genügt haben.

Das langsame Sammeln der Hauptflotte und das späte Eintreffen der Holländer hielten Shovel auf, erst am 12. Juli ging er mit 35 Linienschiffen in See. Inzwischen waren zwei wichtige Punkte zu seinen Aufgaben hinzugetreten. Als Portugal sich offen gegen Frankreich erklärt hatte, rüstete Ludwig XIV. ein Geschwader in Toulon gegen dieses Land aus und auch das erwähnte Brestgeschwader war wohl dazu bestimmt — in diesem Jahre die einzigen Anzeichen für ein geplantes größeres Unternehmen von seiten Frankreichs. Ferner hatten sich in Südfrankreich die protestantischen Bauern erhoben (die Camisarden, Cevennenkrieg) und auch Savoyen zeigte sich den Verbündeten geneigt. Wenn man Savoyen gewann und den Empörern die erbetene Unterstützung, von Cette her, gewährte, mußten die Franzosen in Norditalien in sehr bedrängte Lage kommen. Hierfür erhielt Shovel entsprechende Befehle, auf Portugal brauchte bei seiner Abfahrt schon keine Rücksicht mehr genommen zu werden. Ludwig hatte die Indienststellungen in Toulon aufgegeben, da er die Rüstung der Verbündeten für das Mittelmeer überschätzte; Portugal wurde dadurch überzeugt, daß die Seemächte es schützen könnten. Dies war aber auch der einzige Erfolg der diesjährigen Mittelmeerexpedition, zu allem andern war sie zu spät in See gegangen.

Shovel erreichte erst am 5. August Lissabon. Der Vorschlag Almondes, Cadiz anzugreifen, fand im Kriegsrat keinen Anklang; Shovel erklärte, seine anderen Aufgaben, insbesondere die Unterstützung der Camisarden, gingen vor. Am 9. September auf der Höhe von Cartagena angekommen, beschloß der Kriegsrat, wegen der vorgerückten Jahreszeit nur 2 Kriegsschiffe mit Waffen und Kriegsmaterial an die gefährliche Küste bei Cette zu senden, mit der ganzen Flotte aber und mit den dorthin bestimmten Kauffahrern nach Livorno zu gehen; wieder schlug Almonde vor, gerade wegen der vorgerückten Jahreszeit die Kauffahrer nur unter einer Bedeckung segeln zu lassen und zu versuchen, mit der Flotte doch noch andere der gestellten Aufgaben zu lösen. Die nach Cette gesandten Schiffe kehrten bald zurück, die verabredeten Signale waren von den Aufständischen nicht beantwortet worden. Infolge ungünstiger Winde traf die Flotte erst am 30. Oktober in Livorno ein, die Zeit ihrer Heimfahrt war also schon längst gekommen. Die kurze Spanne, die allenfalls noch geopfert werden konnte, benutzte Shovel zur Einwirkung auf Toskana.

[521]

Großen Eindruck soll es in Livorno gemacht haben, als die Flotte auf die Nachricht, daß Karl von Österreich zum König von Spanien ausgerufen sei, Salut feuerte.

In Livorno hörte man, daß zwar noch keine österreichischen Truppen in Neapel seien, daß es aber sehr günstig gewesen wäre, wenn die Flotte dort erschienen wäre, wie Almonde vorgeschlagen hatte. Wir wissen, daß dieser schon im vorigen Kriege oft das Richtige geraten und auch durchgesetzt hatte. Jetzt aber, nach Wilhelms III. Tode, war das Verhältnis zwischen den englischen und holländischen Offizieren sehr viel schlechter geworden; diese beklagten sich mehrfach darüber, daß sie nicht mehr beachtet würden und natürlich gegen die überwiegende Stimmenzahl im Kriegsrate nicht durchdringen könnten.

Die Flotte ging dann nach England zurück, von dem holländischen Kontingent überwinterten 6 Linienschiffe in Lissabon. Erreicht war also nur, daß Frankreich sich im Mittelmeer nicht rührte, daß Toskana eingeschüchtert wurde, und vielleicht hat das Erscheinen der Flotte auch Savoyens Abfall von Frankreich beschleunigt. Eine zu den Barbaresken gesandte Flottenabteilung hatte zwar die Verträge erneuert, aber die Kriegserklärung gegen Frankreich nicht erreicht.

Ein nachgesandter Befehl, ein Geschwader für das Adriatische Meer zurückzulassen, traf Shovel nicht mehr. Er hätte ihn auch nicht befolgen können, da die Schiffe zu schlecht ausgerüstet waren und die Besatzungen sehr unter Krankheit litten.

Nach dem Eintreffen in der Heimat erlitten die so wenig widerstandsfähigen Schiffe ein großes Unglück. In einem schweren und anhaltenden Sturme, Ende November bis Anfang Dezember, gingen in den Downs 9 Linienschiffe und 4 andere Fahrzeuge mit 1500 Mann verloren, die übrigen Schiffe wurden fast zu Wracks. Shovels Flaggschiff rettete sich durch Kappen der Masten; Vizeadmiral Fairborne wurde, vor dem Sturme lenzend, bis in die Ostsee vertrieben, und galt bis zu seiner Rückkehr im Frühjahr für verloren; in diesem Sturme wurde auch der Leuchtturm von Eddystone völlig weggewaschen.

Wie das Jahr 1704 im Landkriege sehr bemerkenswert ist, so bringt es auch zur See wichtige Unternehmungen sowie die einzige Seeschlacht dieses Krieges. Portugal war den Gegnern Frankreichs nur unter der Bedingung beigetreten, daß der von diesen aufgestellte König Karl III. in Lissabon lande und von hier aus sein Reich erobere; die Seemächte sollten dazu 10000 Mann Infanterie und 2000 Kavallerie stellen sowie ständig eine Flotte in den portugiesischen Gewässern halten. Die Verhandlungen hatten schon im Sommer 1703 begonnen, zogen sich aber so lange hin, daß die Rüstungen erst im November fertig wurden, und nun hinderte die ebenerwähnte Sturmperiode, die am 21. November einsetzte und fast den ganzen Dezember andauerte, das Zusammentreten der Expedition in Portsmouth.

Der größere Teil des für die Expedition bestimmten holländischen Kontingents wurde auf der Fahrt von Texel nach der Maas in die Nordsee vertrieben und traf erst am 3. Januar in Portsmouth ein. In der Maas lag der Rest der Holländer sowie eine Anzahl englischer Schiffe, mit dem König Karl, seiner Begleitung und Truppen an Bord; auch dieser Teil der Flotte konnte erst am 3.–4. Januar nach England hinübergehen. Sowohl in der Nordsee wie in der Maas waren die meisten Fahrzeuge — Kriegsschiffe, Transporter und Kauffahrer —, denn auch ein Convoi sollte angeschlossen werden — schwer beschädigt, so daß längere Ausbesserungen nötig waren; die sechs Wochen in der Nordsee gewesenen Schiffe mußten ihre Ausrüstung ergänzen.

[522]

Erst am 16. Januar 1704 konnte die Flotte Spithead verlassen und kanalabwärts segeln, wurde aber durch Sturm wieder nach Torbay zurückgetrieben und dort drei Wochen festgehalten, bis sie endlich am 24. Februar die Reise antrat. Den Oberbefehl führte Sir George Rooke; die Flotte zählte 17 (18?) englische und 12 holländische (Leutnantadmiral Callenburgh) Linienschiffe, einige Fregatten, 3 holländische Mörserboote und Transporter mit Truppen; ein großer Convoi schloß sich an, so daß gegen 300 Segel beisammen waren. Um König Karl möglichst bald überzuführen, segelten 23 Linienschiffe voraus; der Rest der Kriegsschiffe folgte mit dem Convoi später, traf aber nur wenige Tage nach dem Könige in Lissabon ein.

Holland hatte sich verpflichtet, 24 Linienschiffe zu stellen. 6 waren im Vorjahre in Lissabon geblieben, 12 stießen zu Rooke, es fehlten also 6. Zwar stellte die Republik 1704 wieder 35 in Dienst, behielt aber 17 in den nördlichen Gewässern, geteilt in 3 Geschwader: Schutz der Nordsee; gegen Dünkirchen und die Galeren in Ostende; zum Erwarten der Ostindienfahrer. Zum Handelsschutz traten noch 35 Konvoijers hinzu. Man erreichte, daß in diesem Jahre Handel und Fischerei geringere Verluste erlitten, als je zuvor in diesem oder dem früheren Kriege; die Franzosen wagten nur wenige Vorstöße und diese schlugen fehl. Aber England erhob doch später die Klage, Holland habe die „gemeinsame“ Sache vernachlässigt.

England stellte im Frühjahr unter Shovel noch eine zweite Flotte auf — das West-France-Squadron, 25 Linienschiffe, das auch bald ins Mittelmeer ging.

Nach der Landung des Königs und der Truppen, Mitte März, ging Rooke mit dem größeren Teile der Flotte in See, um an der spanischen Küste gegen den Handel zu kreuzen und um eine Vereinigung der französischen Mittelmeerstreitkräfte mit denen des Atlantik zu hindern.

Ludwig XIV. hatte für dieses Jahr noch einmal eine Gesamtverwendung seiner Kräfte ins Auge gefaßt. Im Vorjahre waren die Divisionen in den nördlichen Häfen blockiert, der Handel hatte sehr gelitten und auch die Toulonflotte war am Auslaufen gehindert. Jetzt sollte alles zusammengezogen werden, um, gestützt auf Toulon und die spanischen Häfen, schon von der Straße von Gibraltar an die Seeherrschaft im Mittelmeer zu behaupten. In allen Häfen wurde eifrig gerüstet. Es wurden auch insgesamt etwa 55 Linienschiffe in Dienst gestellt und schließlich vereinigt — im Norden scheint nur in Dünkirchen eine Division von 3–5 Schiffen zurückbehalten zu sein —, aber wegen Geldmangels blieben die Rüstungen sehr zurück, besonders in Toulon. Die Atlantikflotte, 25 Schiffe unter dem Admiral von Frankreich, dem jetzt 26 Jahre alten Graf von Toulouse, lief am 6. Mai von Brest aus und erreichte, wie wir sehen werden, Anfang Juni wohlbehalten Toulon; die Toulonflotte, 30 Schiffe, war aber erst Ende Juli seeklar. Als man in England erfuhr, daß die Divisionen in den atlantischen Häfen bereit seien, erhielt Shovel (Mitte April) den Befehl, seine eben erwähnten Kräfte zusammenzuziehen und auszulaufen; er sollte ausgehende Convois sowie die Zufuhren nach Lissabon schützen, die Vereinigung der französischen Divisionen hindern oder, wenn diese schon geschehen, den Gegner in Brest festhalten[523] und, falls dieser schon nach dem Süden ausgelaufen sei, zu Rookes Verstärkung ihm folgen.

Corbett sagt: „Man findet hierin den von Oranien (und Marlborough) zuerst gefaßten und seitdem fast stets durchgeführten Gedanken, daß das Kanal- und das Mittelmeergeschwader als „eine“ Flotte zu betrachten ist, die je nach der Verteilung der feindlichen Kräfte innerhalb oder außerhalb der Straße von Gibraltar zusammen oder geteilt verwendet wird.“

Shovel erhielt bei Lizard Mitte Mai die Nachricht, daß Toulouse schon in See sei, er suchte ihn vergeblich vor dem Eingang des Kanals und ging dann nach dem Süden. Ende Juni vereinigte er sich mit Rooke, dessen Operationen wir jetzt folgen müssen, da sie allein für den Krieg von Bedeutung sind; in wie enger Verbindung sie mit dem Landkriege standen, zeigen die Befehle, die Rooke erhielt. Der erste Befehl hatte nur besagt, Portugal und König Karl bei der Eroberung Spaniens zu unterstützen und die Vereinigung der Franzosen zu hindern. Bald darauf wurde aber hinzugefügt, der Admiral könne auch an der Küste der Provence zur Unterstützung Savoyens auftreten, und dieser Zusatz erhielt Ende März eine genauere Fassung. Man hatte erfahren, daß Frankreich beabsichtige, Nizza und Villafranca zu erobern, um nach dem Abfall Savoyens eine sichere Verbindung mit dem Heere in Italien, auch über See, zu behalten. Rooke bekam deshalb Befehl, ins Mittelmeer zu gehen und sich so zu halten, daß er den Städten sofort Hilfe bringen könne, wenn er gerufen würde. Der Befehl war sonst ähnlich, wie der Shovel im Jahre 1703 gegebene: Unterstützung des Landkrieges in Norditalien; Abschneiden der Seeverbindung der französischen Heere, ihr Freihalten für die Kaiserlichen; auch der Befehl, die Vereinigung der Franzosen zu hindern, blieb bestehen. Aber der Wirkungskreis der Flotte war doch jetzt ausdrücklich ins Mittelmeer verlegt, mit dem Hinzufügen, daß König Karl auch an der Ostküste Spaniens erfolgreich unterstützt werden könne. Rooke erhielt aber gleichzeitig (nach Corbett) geheime Instruktionen und Marlborough stand jetzt in geheimer Beratung mit Prinz Eugen über ihr gemeinsames Vorgehen. Auch hatte der General den Herzog von Savoyen benachrichtigt, daß im Frühjahr 1704 eine mächtige Flotte erscheinen werde, um ihn zu unterstützen; er selbst wolle durch einen kräftigen Vorstoß Ludwig XIV. hindern, seine Truppen in Italien zu verstärken. Rooke wurde nun dahin verständigt, daß der Krieg in Spanien für die Flotte, ja für den ganzen Kriegsplan, nicht die Hauptsache sei. Mit dem Vorstoß Marlboroughs und Eugens an der Donau — dem linken Flügel der langen französischen Stellung solle durch Savoyen und die Flotte ein Angriff auf Toulon — die Mitte dieser Stellung und den Stützpunkt der französischen Macht am Mittelmeer — erfolgen, die Eroberung Spaniens sei nur als eine Diversion auf dem rechten Flügel anzusehen. Die Flotte habe sich an den Unternehmungen in Spanien nur soweit zu beteiligen, als zur Verbergung ihrer Hauptaufgabe nötig sei; wenn der Angriff auf Toulon gelungen wäre, solle Rooke versuchen, Neapel und Sicilien zu gewinnen. Dieser Plan sei streng geheim zu halten, gelte aber[524] als Hauptrichtschnur der Flotte, solange Savoyen mitwirken wolle; nur die Unterstützung Nizzas und Villafrancas sowie das Festhalten der Toulonflotte gehe vor.

Corbett fügt hinzu: Dieses Programm war für Rooke allerdings kaum durchführbar und hing zu sehr von Savoyen ab. Und doch darf es nicht ganz als eine Illusion verworfen werden, sondern kann als einen Hinweis auf die große strategische Kraft betrachtet werden, die in einer Mittelmeerflotte (einer englischen?) liegt. Bei richtiger Auffassung der Lage und dementsprechender Verwendung seiner Streitkräfte konnte Rooke vier französische Armeen festhalten und sie hindern, Verstärkungen nach dem Hauptkriegsschauplatz abzugeben.

Rooke erhielt die letzte Order Ende April in Lissabon, als er von seiner Kreuzfahrt zurückkam, und machte sie im Kriegsrate bekannt, soweit sie nicht geheim war; es wurde beschlossen, sofort ins Mittelmeer zu gehen, um in Katalonien für König Karl zu operieren und doch für die bedrohten Städte bei der Hand zu sein. Am 8. Mai verließ Rooke mit 33 Linienschiffen und den 3 Mörserbooten Lissabon; bei Kap Palos wurden 6 Franzosen, die von Toulon ausgelaufen oder in Spanien gewesen waren, ohne Erfolg gejagt; gegen Ende des Monats traf die Flotte in Barcelona ein. Der Prinz von Hessen war der Überzeugung, daß sich die Stadt für König Karl erklären werde, sobald eine militärische Demonstration gegen sie gemacht würde; es wäre dies auch vielleicht eingetroffen, wenn nicht der Gouverneur ein tatkräftiger Mann gewesen. Am 30. Mai wurden 1600 Seesoldaten ohne Widerstand gelandet und dem Prinzen zur Verfügung gestellt, die Mörserboote legten sich in Schußweite bereit. Aber auf die Aufforderung zur Übergabe eröffneten die Spanier das Feuer gegen die Mörserboote und als diese am nächsten Tage einige Bomben geworfen hatten, wurde bekannt, daß der Gouverneur die vornehmsten Anhänger Karls verhaftet habe, daß andere geflohen seien und daß die Besatzung gewillt wäre, auszuhalten. Zu einer förmlichen Belagerung war das Landungskorps nicht stark genug, eine ernstliche Beschießung der Hauptstadt einer vorwiegend habsburgisch gesinnten Provinz wollte man vermeiden und Rooke mußte ja auch nach seinem Geheimbefehl alle Unternehmungen hier nur als Diversionen betrachten, war also geneigt, sich nicht zu weit einzulassen. Die Einschiffung der Soldaten wurde beschlossen, zu ihrer Deckung und zur Genugtuung der herbeigeströmten karlistischen Landbevölkerung warf man noch einige Bomben, dann ging die Flotte nach den Hyèren-Inseln in See. Eine Division wurde zur Erkundung gegen Toulon abgezweigt, vereinigte sich aber bald wieder mit der Hauptmacht. Bei den Hyèren erhielt Rooke vom englischen Gesandten in Lissabon die Nachricht, daß Graf Toulouse mit den Schiffen von Brest auf der Fahrt zum Mittelmeer an der portugiesischen Küste gesehen sei. Da eine der Hauptaufgaben der verbündeten Flotte war, eine Vereinigung der französischen Streitkräfte zu hindern, und da die andern nur gelöst werden konnten, wenn man die See beherrschte, beschloß der Kriegsrat (5. Juni) ganz richtig, Toulouse entgegenzugehen, ihn anzugreifen oder, falls er gesichert in Cadiz läge, nach Lissabon zu gehen, um Shovel, dessen Order man kannte, aufzunehmen und dann Toulouse zu folgen.

[525]

Corbett sagt hierzu: Auch nach seiner Geheiminstruktion mußte Rooke so handeln, da sich die Verhältnisse geändert hatten. Als der Gesandte Englands im April nach Turin kam, sah er, daß der Herzog dem Plane eines Angriffs auf Toulon nicht mehr geneigt war; Holland soll, mehr auf den Schutz seines Handels bedacht und deshalb gegen größere Unternehmungen im Mittelmeer gestimmt, von einer so gewagten Operation abgeraten haben. Auch wurde in England bekannt, daß Frankreich von dem Angriff auf Nizza und Villafranca abgesehen habe, um die dafür bestimmten Truppen zur Armee in Piemont (Belagerung Turins) stoßen zu lassen, sowie, daß die österreichischen Truppen in Norditalien zu schwach seien, um einen Erfolg in der Provence zu erzielen. Infolgedessen erging ein neuer Geheimbefehl an Rooke, nach dem neben der Beobachtung der Brestflotte der Hauptwert wieder auf den Krieg in Spanien gelegt wurde; der Admiral habe sich zu diesem Zweck dem König von Portugal und Karl III. zur Verfügung zu stellen. — Diesen Befehl, von Mitte Mai, kann Rooke allerdings bei den Hyèren nicht mehr erhalten haben, wohl aber vom Gesandten in Turin die Nachrichten, durch die er hervorgerufen war.

Schon am 7. Juni bekamen die Aufklärungsschiffe und am nächsten Tage die Flotte Toulouse in Sicht, 40–50 Segel, darunter etwa 25 Linienschiffe. Die Franzosen standen zu Luward und bildeten die Gefechtslinie; flauer Wind hinderte zwei Tage hindurch die Verbündeten, näher heranzukommen, sowie auch den Versuch, den Gegner von Toulon abzuschneiden — Clowes sagt, mit dem Abhalten eines Kriegsrates sei Zeit verloren worden. Da sich die Flotten immer mehr Toulon näherten und man damit rechnen mußte, daß aus diesem Hafen Verstärkungen entgegenkommen würden, brach man die Verfolgung ab und nahm die Reise nach Lissabon auf. Den Franzosen war die Vereinigung geglückt.

Rooke traf am 26. Juni in der Bucht von Lagos mit Shovel zusammen. Es war also kein Grund mehr da, nach Lissabon zu gehen, und die Flotte, jetzt 56–58 Linienschiffe, war selbst der vereinigten französischen gewachsen. Die Admirale, die jetzt nur noch diese im Auge hatten, wären gern ins Mittelmeer zurückgegangen, am nächsten Tage aber erhielt Rooke den offenen Befehl, sich ganz den beiden Königen zur Verfügung zu stellen. Er mußte also in Lissabon anfragen, und da er wußte, daß den Königen viel an einem Unternehmen in Andalusien, besonders gegen Cadiz, liege, erklärte er sich bereit, auf dem Weg ins Mittelmeer diese Stadt anzugreifen, falls genügend Landtruppen zur Verfügung ständen. Die Antwort erwartend, ging er zum Wassernehmen nach Malaga — er mußte sich mit Waffengewalt der Wasserplätze bemächtigen — und hielt dann die Straße von Gibraltar besetzt. Erst gegen Ende Juli traf die Antwort ein; sie war zustimmend, aber Truppen waren nicht verfügbar. Da faßte der Kriegsrat am 27., 20 Seemeilen östlich von Tetuan, den Beschluß, von Cadiz abzusehen, aber Gibraltar zu erobern.

Auf eine Eroberung der Stadt Cadiz zu verzichten, war wohl richtig. Zwei Jahre vorher war sie trotz der Verwendung eines großen Landungsheeres nicht gelungen, jetzt standen nur die Besatzungen der Schiffe zur Verfügung; man durfte auch nicht wagen, die ganze Flotte für eine nicht absehbare Zeit festzulegen, da doch mit dem Erscheinen der französischen Seestreitkräfte gerechnet werden mußte. Bei Gibraltar lag die Sache anders, die Befestigungen[526] waren unbedeutend und die Besatzung schwach; beides war bekannt und man konnte von einem plötzlichen Angriff Erfolg erwarten, ohne viel aufs Spiel zu setzen. Ein Handstreich erforderte weder lange Zeit noch die Verwendung der ganzen Flotte — sogar weit weniger Schiffe, als tatsächlich dazu herangezogen wurden —, der Hauptteil konnte bereitgehalten werden, den Franzosen entgegenzutreten.

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Die von Natur sehr starke Lage der Festung war damals noch nicht ausgenutzt, der Fels noch nicht befestigt Im Mittelalter war die an der Westseite des Felsens terrassenförmig liegende Stadt nur mit Stadtmauer und Türmen umgeben, eine Mole (die alte) bildete den Galerenhafen. Später waren die Mauern durch modernere Umwallungen ersetzt, ein Fort im Süden der Stadt am Strande erbaut, durch eine neue Mole ein Hafen für Segelschiffe geschaffen und dieser durch kleine Kastelle auf dem Molenkopfe sowie am Strande geschützt; immer blieb es nur eine Befestigung zum Schutz gegen Überfälle der Barbaresken. Eine Citadelle war nicht vorhanden, weil das alte maurische Schloß in der Stadt als solche aufgegeben und ein Ersatz noch nicht geschaffen war; die bei Beginn des Krieges von französischen Genieoffizieren geplanten Verbesserungen hatte man noch gar nicht in Angriff genommen. Die Besatzung betrug kaum 100 Mann regulärer Truppen, die sonst zur Verfügung stehenden waren in den wichtigeren Häfen Andalusiens zusammengezogen; mit der Miliz gebot der Gouverneur kaum über 500 Mann und 100 Geschütze, eine Macht, für die selbst die vorhandenen Befestigungen noch zu ausgedehnt waren.

Nachdem der Angriff beschlossen war, ankerte die Flotte in der Tangerbucht. Hier wurden die Dispositionen ausgegeben und die Vorbereitungen getroffen. Ein kleines Geschwader wurde nach Osten gesandt, um auf der Höhe von Malaga als Vorposten gegen die Franzosen zu dienen, die Flotte segelte am 31. Juli zur Ausführung des Angriffes nach Gibraltar hinüber.

Voran liefen 17 Linienschiffe nebst den 3 Mörserbooten unter Kontreadmiral Byng; sie waren zum Angriff von See aus bestimmt und ankerten am 1. August dicht unter der Stadt. Rooke mit dem Rest der Flotte, auf dem auch die Seesoldaten der[527] Schiffe Byngs eingeschifft waren, legte sich auf die Westseite der Bucht von Gibraltar. Sofort wurden 1800 Seesoldaten gelandet; sie marschierten unter Befehl des Prinzen von Hessen nach der Landenge und schlossen die Stadt vom Festlande ab; der Prinz ließ diese im Namen König Karls zur Übergabe auffordern. Byng war von den Batterien mit Feuer empfangen, da er aber vor der Beantwortung der Aufforderungen die Feindseligkeiten nicht eröffnen sollte, warpte er seine Schiffe aus dem Feuerbereich. Während der Nacht traf keine Antwort ein. Byng gab am 2. August morgens den Befehl, die Beschießungsstellung einzunehmen. Während der Ausführung, die den ganzen Tag bis in die Nacht hinein in Anspruch nahm, kam die Antwort des Gouverneurs, daß er die Stadt als treuer Soldat verteidigen werde; Rooke sandte nun noch 5 Schiffe. Die Schiffe wurden folgendermaßen in eine Linie gelegt: 6 Holländer, 60–70 Kanonenschiffe unter v. d. Dussen, gegenüber der alten Mole; 10 Engländer, 70 Kanonenschiffe unter Byng, gegenüber der Stadt und dem Südfort; 6 Engländer, unter Kapitän Hickes, gegenüber der neuen Mole.

Der 2. August ging ohne ernstlichen Kampf hin. Die Spanier versuchten von Zeit zu Zeit durch ihr Feuer die Manöver zu hindern; Byng ließ während der Nacht, um den Feind zu beschäftigen, von den außer der Linie liegenden Mörserbooten einige Bomben werfen und ein französisches Schiff, das an der alten Mole lag, durch Boote verbrennen. Am 3. August mit Hellwerden war die Stellung eingenommen und zwar so nahe am Lande, daß z. B. Byng nur 1 bis 2 Fuß Wasser unter dem Kiel hatte. Die Spanier eröffneten wieder das Feuer, dieses wurde jetzt aber von allen Schiffen der Verbündeten breitseitweise beantwortet. Man sah noch die Einwohner, Frauen und Kinder, aus der Stadt nach der Kirche S. Maria von Europa, auf der Südspitze des Felsens gelegen, flüchten, dann nahm der Pulverrauch alle Aussicht, so daß Rooke durch Boote zunächst den Befehl geben mußte, das Feuer der oberen Batterien einzustellen, um überhaupt ein Zielen zu ermöglichen, später das Feuer ganz abzubrechen, um den Erfolg festzustellen. Es war gegen Mittag, der Feind hatte seit einer Stunde nicht mehr geantwortet. Das Feuer der Verbündeten scheint nicht viel Wirkung gehabt zu haben — nach de Jonge; die anderen Quellen schweigen darüber — nur auf Hickes' Division wurde bemerkt, daß das Fort auf der Südmole außer Gefecht gesetzt war und daß die Besatzung floh. Hickes sandte die Meldung an Byng, daß eine Landung hier Erfolg verspreche. Byng ließ seine sämtlichen Boote armieren und bat Rooke um die der übrigen Schiffe; schon ehe diese kamen, ging Hickes mit seinen Booten vor, die Byngs schlossen sich nach und nach an. Beim Nahen der ersten Boote begannen die Flüchtlinge aus der Kirche nach der Stadt zurückzuströmen; als das Flaggschiff dieses durch einige Schüsse hindern wollte, hielten die andern Schiffe es für das Signal zur Wiederaufnahme des Feuers, was für kurze Zeit geschah.

Die Landung fand keinen Widerstand, brachte aber doch empfindliche Verluste, da ein Pulvermagazin im Molenkastell durch Unvorsichtigkeit der ohne Ordnung Vordringenden aufflog; mehr und mehr verstärkt setzten sich die Gelandeten vor dem Südfort fest. Während des ganzen Tages hatte auch der Prinz von Hessen angegriffen; die Verteidiger waren überall hart bedrängt und die geflohenen Familien von der Stadt abgeschnitten, da schloß denn der Gouverneur auf eine erneute Aufforderung die Übergabe ab. Die Besatzung verließ am 4. August mit allen militärischen Ehren die Stadt. Diese wurde im Namen Karls III. in Besitz genommen; die Eroberung hatte den Verbündeten etwa 280 Mann gekostet, fast das Dreifache der Besatzung an regulären Truppen.

Rooke soll die nach der Übergabe geheißte Flagge Karls niedergeholt und die englische geheißt haben. Corbett sagt, nach neuern Forschungen in spanischen Quellen sei dies nicht der Fall gewesen, und die alte Behauptung sei wahrscheinlich dadurch hervorgerufen, daß die Engländer auf den eroberten Werken zunächst ihre Flagge gesetzt hätten.

So war Gibraltar im Namen König Karls erobert. England besetzte es aber vorläufig und behielt es nach dem Friedensschluß; König Philipp V.[528] mußte damit seine Anerkennung seitens Englands bezahlen. Englische Quellen sagen, die Stadt würde spanisch geblieben sein, wenn Karl III. den Thron behalten hätte. Da England schon lange einen Stützpunkt im Mittelmeer, besonders zur Beherrschung der Straße, wünschte, dürfte dies wohl nicht so ganz ausgemacht sein. Schon in diesem Kriege wurde Gibraltar ein beliebter Sammelpunkt für die Seestreitkräfte der Verbündeten, wenn es auch wegen Mangel an Einrichtungen noch nicht als Stützpunkt dienen konnte; dies blieb Lissabon bis zur Erwerbung Port Mahons.

Die Besitzergreifung Gibraltars hat dem Namen Rookes eine bleibende Erinnerung gesichert, das richtige Urteil und der Mut der Verantwortung, die er durch diese Tat bewiesen hat, sind ihm hoch angerechnet. „Mit Recht“, sagt hierüber z. B. noch Mahan, „denn Rookes richtigem Urteil und seinem Mut der Verantwortung verdankt England den Schlüssel zum Mittelmeer.“ Neuere englische Autoren, Corbett und Clowes, urteilen aber einschränkender. So führt Corbett aus, daß die Einnahme der Stadt keineswegs eine so hervorragende militärische Leistung gewesen wäre, als die sie so lange angesehen sei. Sie sei auch von andern Admiralen der Flotte, z. B. Byng, für keine schwere Aufgabe gehalten worden, aber „Rooke had always the grand manner and he approached it with all the pomp of a great operation“. Die gegebene Beschreibung dürfte dies bestätigen: 22 Linienschiffe und 2000 Mann gegen schwache Befestigungen und kaum 100 Soldaten.

Ebenso spricht Corbett dem Admiral das Verdienst der Übernahme einer großen Verantwortung ab: Rooke wußte, daß Gibraltar von Oraniens Zeit, ja schon von Cromwells an ein Ziel der englischen Regierung war, der Platz war ja auch in seiner Order als einer der zu nehmenden bezeichnet; er wußte, daß die beiden Könige, denen er augenblicklich unterstellt war, es sehr gern sahen. Rooke führte eine Proklamation Karls an „seine Stadt Gibraltar“ mit sich, und der Prinz von Hessen war gewiß mit dem Plane einverstanden, wenn er nicht gar dessen Urheber im Kriegsrate gewesen ist. Rookes einziges Verdienst war, daß er den Widerspruch einiger seiner Unterführer, die mit Rücksicht auf die französische Flotte dagegen waren, überwand.

Corbett belegt auch (Teil II, Seite 276) mit einer Äußerung Marlboroughs, daß dieser stets damit gerechnet hat, Gibraltar für England zu behalten.

Am Tage der Einnahme Gibraltars traf von England und Lissabon die Nachricht ein, daß die französische Flotte nicht wagen würde, Toulon zu verlassen, da sie wesentlich schwächer als die der Verbündeten sei, und Rooke wurde wieder auf Unternehmungen gegen Cadiz und Barcelona hingewiesen. Sein Kriegsrat verwarf Barcelona unbedingt, da es zu spät in der Jahreszeit und die Schiffe ausrüstungsbedürftig seien; er erklärte sich aber bereit, bis Mitte September bei einer Belagerung von Cadiz mitzuwirken, falls eine genügende Armee mit Belagerungstrain erschiene und eine Besatzung nach[529] Gibraltar gelegt würde. Beides war ausgeschlossen und somit der in diesem Sinne nach Lissabon gesandte Bericht eine Weigerung, irgend etwas zu unternehmen; man wollte nur Gibraltar sichern. Wahrscheinlich waren die Admirale anderer Ansicht über die Franzosen und, obgleich sie keine Nachrichten hatten, mit Recht.

Graf Toulouse war am 22. Juli von Toulon nach Barcelona gegangen, wohin man die Flotte der Verbündeten beordert glaubte; hier erhielt er die Nachricht vom Fall Gibraltars und den Befehl König Philipps, zur Rückeroberung der Stadt mitzuwirken — es koste, was es wolle —, ein Heer sei zu diesem Zwecke schon unterwegs. Toulouse war dem Gegner auch nicht unterlegen. Er führte 51 Linienschiffe, zu denen noch französische und spanische Galeren treten konnten, und ging sofort weiter. Rooke besaß auch nur 51 Linienschiffe; er hatte van der Dussen mit 5 Holländern nach Plymouth gesandt, um einen Convoi Kauffahrer sowie einen Transport mit Kriegsmaterial für Portugal zu holen, eine andere Division war nach den Azoren abgezweigt, um den brasilianischen Convoi heimzuführen.

Die Antwort auf seinen Bericht nach Lissabon erwartend, ergriff Rooke zunächst Maßregeln, Gibraltar zu sichern. Dem Prinzen von Hessen wurden 1800 englische Seesoldaten als Besatzung überwiesen und die 3 Mörserboote zur Verfügung gestellt; das technische Personal dieser sollte bei der Instandsetzung der Festung helfen. Die Flotte ging (12. August) nach Tetuan und nahm hier geschwaderweise Wasser, um stets bereit zu sein, dem Gegner entgegenzutreten. Am 19. August verließ Rooke den Wasserplatz und hielt östlich von der Straße nach Europa hinüber, 12 Schiffe waren noch beim Wassernehmen. An diesem Tage meldeten die bis Malaga vorgeschobenen Vorposten, daß der Feind gesichtet sei, er käme heran und stehe, bei östlichem Winde, etwa 30 Seemeilen zu Luward. Der sofort zusammengerufene Kriegsrat konnte nicht schlüssig werden: man befürchtete das Abschneiden der Schiffe in Tetuan; man fühlte sich nicht stark genug, ohne diese zu fechten; einige Stimmen waren gar dafür, den Gegner in der Bucht von Gibraltar zu erwarten, um die Festung zu decken. Noch während der Beratung traf die Meldung ein, daß die Franzosen nach Malaga abzuhalten schienen. Toulouse beabsichtigte, nachdem er den Feind gefunden hatte, die dort liegenden Galeren heranzuziehen und Wasser zu nehmen, dessen er dringend bedurfte; hätte er die augenblickliche Schwäche Rookes gekannt, würde er sich wohl kaum die günstige Gelegenheit zum Angriff haben entgehen lassen. Die Verbündeten beschlossen jetzt, die Hälfte der Seesoldaten von Gibraltar holen zu lassen, die Schiffe von Tetuan heranzuziehen und während dieser Zeit, sowie später, solange östliche Winde wehten, gefechtsbereit in der Straße zu kreuzen, um Gibraltar zu schützen; wenn der Wind westlich ginge, wollte man dem Feinde folgen, aber der vorgerückten Jahreszeit wegen nicht weiter als bis Malaga. Dementsprechend wurde verfahren. Die Flotte lag in Gefechtslinie bis zum Morgen des 20. August nach Norden, an diesem Tage brachten die Mörserboote und Brander die Seesoldaten; dann steuerte Rooke[530] nach Süden und vereinigte sich mit den schon am 19. benachrichtigten Schiffen von Tetuan. Während der verflossenen Nacht hatte man Signalschüsse der Franzosen gehört, die jedoch immer schwächer wurden; da am Tage nichts zu sehen war, nahm Rooke an, daß der Gegner ihm ausweichen wolle. Er kreuzte nun mit Segelpressen zwei Tage lang nach Osten auf. Am 23. morgens fürchtete man, daß es Toulouse gelungen sei oder noch gelingen könne, ungesehen nach Gibraltar zu kommen. Der Kriegsrat beschloß deshalb, nach der Straße zurückzukehren, aber kaum war nach Rückkehr der Admirale auf ihre Schiffe der neue Kurs aufgenommen, als die Franzosen, nordwestlich in Lee und vor dem Winde westwärts steuernd, gesichtet wurden.

Graf Toulouse hatte am 22. August vor Malaga geankert, erhielt hier die Nachricht vom Herankommen der Verbündeten. Er ging am 23. mit Tagesgrauen wieder unter Segel, begleitet von den Galeren; unter Land laufend, während die Gegner auf einem Schlage nach Süden lagen, hatte er diese passiert, ohne sie zu sichten, und so seine Luvstellung verloren. Auf beiden Seiten mangelte es an Aufklärungsschiffen. Wie leicht hätte Toulouse Gibraltar und die dort liegenden Vorratsschiffe der englisch-holländischen Flotte überraschen können, er konnte aber auch dabei, da Rooke ja rechtzeitig den Entschluß zum Umkehren gefaßt hatte, in sehr gefährliche Lage kommen. Der Zufall hat hier beide Teile gleich gut bedacht.

Die Franzosen standen beim Sichten etwa 25 Seemeilen Süd von Malaga und bildeten sofort die Schlachtlinie über Steuerbord-Bug, auch Rooke formierte sich zum Gefecht und hielt auf den Feind ab. Der leichte und unbeständige östliche Wind hinderte an diesem Tage das Zusammentreffen, aber der Morgen des 24. August fand die Flotten auf etwa 12 Seemeilen Entfernung gefechtsbereit einander gegenüber; Rooke, zu Luward, hielt zum Angriff ab, Toulouse erwartete ihn unter kleinen Segeln (die Marssegel auf die Kappe geführt).

Die Schlacht bei Malaga, die einzige dieses Krieges und die letzte von Bedeutung in unserem Zeitabschnitt, entbrannte.

Die Zusammensetzung der Flotten.

Verbündete Schiffe: über 90 K. 80–90 70–80 60–70 50–60
Vorhut:    3  3    6  2  1
Mitte:    2  6  11  3  2
Nachhut:    1    3  6  2
Summe:       61)     93)     205)     117)     59)
51 Schlachtschiffe mit 3626 Kanonen.
Franzosen     Vorhut:    1  4    2    6    4
Mitte:    3  3    2    3    6
Nachhut:    3  2    2    3    7
Summe:       72)     94)     206)     118)         510)
  51 Schlachtschiffe mit 3596 Kanonen
3 Schiffe zu 96 K.; 3 zu 90 K.;     Franzosen sehr überlegen.
1 zu 104 K.; 1 zu 102 K.; 1 zu 96 K.; 4 zu 92 K.;
 
sämtlich zu 80 K.;     Franzosen überlegen.
sämtlich zu 84–88 K.
Die Verbündeten hatten 7–9 Dreidecker, die Franzosen 16.[531]
Die englischen zu 70 K.; 1 zu 76 K.; die Holländer zu 72 K.;     Verbündeten an Zahl sehr überlegen.
zu 70 oder 74 K.;
 
Die englischen zu 60 K.; 1 zu 66 K.; Holländer zu 64 K.;     Franzosen an Anzahl und Stärke überlegen.
6 zu 60 K.; 6 zu 62–68 K.;
Die englischen zu 50 K.; Holländer zu 52–54 K.;
9 zu 58 K.; 5 zu 56 K.; 3 zu 54 K.

Bemerkenswert zu unseren früheren Betrachtungen über die Schiffsklassen ist die geringe Zahl der Schiffe unter 60 Kanonen bei den Verbündeten, die große Zahl der 70 Kanonenschiffe und die Stärke der Franzosen an Dreideckern; doch schätzte Admiral Leake die englischen Zweidecker zu 80 den französischen Dreideckern zu 84–88 Kanonen an Gefechtskraft gleich.

Die Tabelle ist zusammengestellt nach einer sehr ausführlichen Liste in Clowes, Teil II, Seite 399, nahezu übereinstimmend mit holländischen und französischen Quellen. Die meisten Autoren geben für die Verbündeten 53 Linienschiffe an. Der Unterschied kommt daher, daß Rooke 2 Schiffe zu 50 Kanonen nicht in die Schlachtlinie einstellte, sondern zur Beobachtung der Galeren bestimmte. Clowes, Bonfils, Troude geben die Namen der Schiffe und der Kommandanten.

Hierzu traten bei den Verbündeten 12 leichtere Schiffe (24–50 Kanonen), 7 Brander, 2 Mörserboote; bei den Franzosen 8 kleinere Fahrzeuge (6–30 Kanonen) und 9 Brander, auch verfügte Toulouse über 22 (24?) französische und spanische Galeren, die mit ihren 500–700 Mann und 4–6 schweren Kanonen im Bug, dabei unabhängig vom Winde und geeignet zum Rammen, wohl eine Rolle spielen konnten; sie waren auf die Geschwader verteilt und standen in zweiter Linie.

Die Flaggoffiziere waren auf seiten der Verbündeten: Vorhut — Admiral Shovel, Vizeadmiral Leake; Mitte — Rooke, Kontreadmirale Dilkes und Byng; Nachhut (Holländer) — Leutnantadmiral Callenburgh, Vizeadmiral von Wassenaer. Bei den Franzosen: Vorhut — Generalleutnant de Villette, Generalleutnant d'Amfreville, Chef d'Escadre de Belle-Isle; Mitte — Graf Toulouse (als Vorder- und als Hintermann je ein Chef d'Escadre), Generalleutnant de Coêtlogon, Chef d'Escadre de Pointis; Nachhut — Generalleutnant de Langeron, die Chefs d'Escadre de Septville und de la Harteloire.

Die Schlacht bei Malaga ist bemerkenswert für die Geschichte der Seetaktik. Sie gilt als die erste eines Zeitabschnittes, in dem die Engländer immer mehr ausgesprochen eine Taktik nur schematisch durchführen, nämlich: Gewinnen der Luvstellung; Heranführen der Flotte genau Spitze auf Spitze und dann Kampf genau Schiff gegen Schiff, beides unter starrer Aufrechterhaltung der Formation; Absehen von jedem Versuch, schon durch Ansetzen des Angriffes die feindliche Linie an einer Stelle mit Übermacht zu bedrohen. Auf die Nachteile dieser Art des Heranführens der Flotte ist schon mehrfach hingewiesen und auch gesagt worden, daß die Franzosen im nächsten Zeitabschnitte gegen diese Angriffsart eine Defensivtaktik in der Leestellung aufbauten, die die Nachteile mit Erfolg ausnutzte. Diese unwissenschaftliche Angriffsmethode einerseits, die reine Defensivtaktik anderseits schlossen entscheidende Schlachten aus, und man[532] kann mit Recht sagen, daß die Seetaktik gegen die Zeiten der geschickten Manöver Moncks, Ruyters und Tourvilles einen Rückschritt gemacht hatte und bis zu dem Auftreten Rodneys und Suffrens auf einer niedrigeren Stufe stand. Es ist aber wohl gerecht, zu fragen, ob dies wirklich allein, wie lange angenommen ist, dem Mangel an Verständnis oder Interesse für Taktik seitens der Seeoffiziere, vornehmlich der englischen, zuzuschreiben ist oder nicht teilweise eine natürliche Folge der bisherigen Entwicklung der Seetaktik war.

Corbett sagt bei der Betrachtung der Schlacht von Malaga: „Es muß daran erinnert werden, daß es erst 40 Jahre her war, seitdem man die alte Gruppentaktik verlassen und die Linie aus Einzelschiffen, ausgesprochen zuerst wohl bei Texel 1665, eingeführt hatte. 1697 veröffentlichte Hoste[267] sein Werk über Seetaktik; seitdem war keine Schlacht geschlagen, seine Ansichten können also wohl als die zu jener Zeit allgemein anerkannten betrachtet werden. Hiernach war es allerdings das Hauptziel, einen Teil des Feindes abzuschneiden und zu dublieren. Man hatte es in der ersten Zeit der neuen Taktik durch Durchbrechen der feindlichen Linie mittels plötzlichen Wendens im Kontremarsch (d. i. ein Schiff der Kiellinie nach dem andern, so daß die Kiellinie erhalten bleibt, im Gegensatz zum „Wenden zugleich“ vgl. Seite 260, Fußnote) versucht, dieses Verfahren war aber wegen der damit verbundenen Gefahren in Mißachtung gekommen. Hoste lehrte nämlich, beim Angriff dürfe ein Durchbrechen der Linie nur unter besonderen Umständen angewendet werden, z. B., um sich selber einer Gefahr zu entziehen, oder wenn der Feind durch ungeschickte Manöver eine Lücke darböte; wenn der Feind gute Formation hielte, sei es nicht zu wagen. Ein sonstiges Dublieren solle man nur versuchen, wenn die eigene Linie infolge größerer Schiffszahl die feindliche überrage; dieses Dublieren solle hinten geschehen, also bleibt der Angriff Spitze auf Spitze bestehen. Ein Durchbrechen während der Schlacht solle nur ausgeführt werden, wenn man sich durch Niederkämpfen von 2 oder 3 Schiffen an derselben Stelle eine Lücke geschaffen habe. — Auf eine Zeit wagemutiger Offensive, die mehr oder weniger besonders hervorragenden Persönlichkeiten zuzuschreiben ist, folgte nun fast naturgemäß als Rückschlag ein defensiveres Verfahren: Abwarten, ob der Feind sich eine Blöße gäbe oder an einer Stelle niedergekämpft werden würde. Daraus mußte die Ansicht entstehen, daß diejenige Flotte die größte Aussicht habe, an einer Stelle mit Übermacht aufzutreten, die am längsten Formation hielte. Das Bestreben, dies zu tun, mußte also für wichtiger gehalten werden als der Versuch, schon durch Ansetzen des Angriffes einen taktischen Erfolg[533] zu erringen.“ Diese Auslassungen Corbetts sind gewiß beachtungswert, aber doch wohl etwas zugunsten der Beurteilung der englischen Seeoffiziere geschrieben; die größere militärische Einsicht der französischen Offiziere wird jedenfalls durch den Umstand gekennzeichnet, daß sie zu ihrem Vorteil mit der Taktik der Engländer rechnen lernten, während diese zu ihrem Nachteil bis 1782 daran festhielten.

Die Schilderung der Schlacht bei Malaga[268] (24. August 1704) wird zeigen, daß die Engländer dort in vollem Maße diese unvollkommene Taktik verwenden, daß aber auch die Franzosen nur einen schwachen Versuch machen, durch Manöver einen Vorteil zu erringen.

Beide Flotten lagen über Steuerbord-Bug, die Franzosen in Lee. Um jeder Bewegung des Feindes leichter folgen zu können, steuerte Toulouse mit halbem Winde; nach Hostes Ansicht die gefährlichste aller Lagen, da sie selbst einem schwächeren Gegner die Gelegenheit gäbe, die Nachhut ungestraft zu dublieren. Die französische Mitte war etwas nach Lee eingebogen. Vielleicht war dies ein Zufall, da es aber auch unter Tourville bei Beachy Head der Fall gewesen war, muß man fast eine Absicht annehmen; die englischen Offiziere sollen darin ein vorläufiges Zurückhalten dieses Geschwaders und damit die Vorbereitung eines verstärkten Angriffes auf ihre Vor- oder Nachhut, je nach Umständen, gesehen haben. Rooke machte keinen Versuch zum Dublieren der Nachhut, er führte seine Flotte zum Angriff auf der ganzen Linie heran. Wie gewöhnlich entstanden durch das lange Steuern in Dwarslinie und das schräge Herangehen Lücken zwischen den Geschwadern und Divisionen. Der Führer der Vorhut, Shovel, drehte deshalb auf halbe Kanonenschußweite querab vom Admiral der französischen Vorhut (Villette) bei, um Rooke herankommen zu lassen; die beiden gegnerischen Geschwader lagen sich schweigend und abwartend gegenüber. Nun stand Shovels Flaggschiff um eine Nummer weiter von der Spitze ab als das Villettes, die englische Linie überragte also die französische um ein Schiff. Das französische Spitzenschiff meldete dies durch Zuruf von Schiff zu Schiff seinem Admiral und Villette gab Befehl, aufzusegeln. Shovel folgte diesem Beispiel, um der Gefahr, vorn dubliert zu werden, entgegenzutreten; die Gefahr lag um so näher, als die französische Vorhut zwei Schiffe mehr als die englische zählte. Hierdurch wurde der Abstand zwischen Shovel und Rooke noch größer. Toulouse beabsichtigte jetzt, in diese Lücke einzubrechen, mit seiner Mitte Shovel von Luward aus zu dublieren und seine Nachhut Rooke entgegenzustellen; er hoffte so, die englische Vorhut zu vernichten, ehe noch die feindliche Nachhut ins Gefecht eintreten könnte, und ließ Mitte und Nachhut Segel mehren.

Rooke, der unter Segelpreß herankam, erkannte zwar nicht die wahre Absicht Toulouses, glaubte aber, es handle sich um ein Aufsegeln der ganzen feindlichen Flotte, um die englische vorn zu dublieren. Obgleich er noch nicht so nahe am Feinde war, wie er beabsichtigt hatte, gab er doch seinem Geschwader den Befehl zum Beidrehen und Eröffnen des Feuers, um die feindliche Mitte festzuhalten; es gelang, Toulouse sah von seinem Manöver ab. Die beiden vordersten Schiffe Rookes, unter Dilkes, wandten sich gegen die letzten Schiffe Villettes und glichen so die Minderzahl der englischen Vorhut aus; Rooke befand sich querab von Toulouse, es lagen Vorhut und Mitte beider Flotten genau Schiff gegen Schiff (etwa 10 Uhr vormittags). Die Nachhut der Verbündeten scheint erst nach längerer Zeit zum Gefecht gekommen zu sein. Ihr Führer,[534] Callenburgh, griff Langeron an; da beide Admirale in der Mitte ihres Geschwaders lagen, etwa das 7. bezw. das 9. Schiff von vorn, und nur 12 Holländer 17 (16?) Franzosen gegenüberstanden, müssen die Franzosen vorn um 2 oder 3 Schiffe überragt haben, doch griffen hier wohl die hinten überschießenden Nummern Rookes ein.

Im Gefecht der Vorhuten errangen die Engländer Erfolg, sie waren ja auch etwas überlegen. Nach etwa drei Stunden geriet das Flaggschiff Villettes am Heck infolge einer Explosion in Brand und war genötigt, die Linie zu verlassen; ein Teil der andern Schiffe folgte, da sie das Abhalten für ein taktisches Manöver hielten. Admiral Leake war dafür, den Weichenden scharf zu folgen, so die feindliche Formation ganz über den Haufen zu werfen und dadurch auch Toulouse zum Abhalten zu zwingen, um nicht von Lee aus dubliert zu werden. Es wäre wohl richtig gewesen, denn im Gefecht der Mitten standen die Engländer nicht gut. Rooke und seine nächsten Nachbarn lagen gerade sehr starken Franzosen gegenüber und im Zentrum der Verbündeten befanden sich außerdem mehrere Schiffe, die bei der Beschießung Gibraltars viel Munition verbraucht hatten; etwa 5 wurden durch Munitionsmangel gezwungen, die Linie zu verlassen. Die übrigen Schiffe der Mitte waren hart bedrängt und litten schwer, so insbesondere Rookes Flaggschiff. Da nun Toulouse Anstalten machte, in die durch Ausfall der Schiffe entstandene Lücke einzudringen, sah Shovel vom Ausnutzen seines Sieges ab und führte die Linie seines Geschwaders über den Hintersteven in diese Lücke. (Durch „backing astern“; das Manöver wurde seinerzeit aufs höchste bewundert.) Er rettete zwar so die Lage der Mitte, aber seine vordersten Schiffe fanden jetzt keine Verwendung mehr; die Linie des Geschwaders blieb erhalten, die überschießenden Schiffe wurden weder zur Verfolgung der weichenden Franzosen noch zum Dublieren der feindlichen Linie vorn benutzt.

Das Gefecht der Nachhuten scheint erst kurz vor diesem Ereignis begonnen zu haben. Auch hier wichen die Franzosen nach einigen Stunden nach Lee aus, und dann brach auch Toulouse gegen Sonnenuntergang den Kampf ab; die Verbündeten drängten nirgends nach.

Vom Eingreifen der zahlreichen Galeren hört man fast nichts. Nach de Jonge versuchten einige, das Schlußschiff der Holländer von achtern anzugreifen; sie wurden aber bald abgewiesen, der holländische Kommandant hatte Geschütze achteraus bringen lassen. Auch Branderangriffe werden nicht erwähnt, dagegen sprechen de Jonge und französische Quellen von verschiedenen Enterversuchen, die jedoch sämtlich schon vor dem Zusammenstoß durch Geschützfeuer abgewiesen seien. Nach französischen Angaben sollen die schweren Verluste und Beschädigungen einiger ihrer Schiffe eine Folge von Bombenfeuer der Mörserboote und auch aus Geschützen anderer Schiffe gewesen sein. Englische Quellen bestreiten die Verwendung von Bombengeschützen auf ihren Schiffen, und de Jonge sagt in Hinsicht auf die holländischen Mörserboote, daß sie, auch wenn sie noch bei der Flotte gewesen wären, kein wirksames Feuer hätten abgeben können: die See sei so bewegt gewesen, daß die Franzosen damit das Nichteingreifen der Galeren entschuldigt hätten. Engländer und Holländer schreiben den großen Verlust der französischen Schiffe deren stärkeren Besatzungen und der besseren Artillerie der Verbündeten zu; wir wissen, daß die Engländer von jeher besonders ihr Feuer gegen die feindlichen Besatzungen, weniger gegen die Takelage richteten.

Der Kampf war sehr hartnäckig gewesen, namentlich der der Mitten. Rooke berichtete, alle Schiffe der Verbündeten hätten ihre Pflicht getan, auf seiten der Franzosen habe die Mitte mit großer Tapferkeit gefochten, Vorhut und Nachhut weniger gut. Die Verbündeten verloren nach Clowes, der die Verluste für jedes englische Schiff angibt, in der Vorhut: 215 Tote und 497 Verwundete, in der Mitte: 492 und 1126, in der Nachhut: 95 und 268. Der Verlust der Franzosen betrug nach demselben Autor 1500 Tote und weit mehr Verwundete, französische Quellen führen nur 1500 Tote und Verwundete an. Nach den neuesten Angaben beider Nationen scheinen Schiffe im Gefecht nicht vernichtet zu sein. Clowes sagt, die Franzosen „sollen“ im Gefecht eins und später[535] noch vier verloren haben. Das holländische Flaggschiff flog zwei Tage später auf; der Grund ist unbekannt; der Admiral hatte das schwer beschädigte Fahrzeug vorher verlassen. Im übrigen waren die Schiffe auf beiden Seiten schwer beschädigt, besonders die der englischen Mitte.

Man muß wohl die Schlacht als unentschieden bezeichnen; bei einer anderen Art des Angriffs wäre der Ausgang vielleicht anders gewesen. Corbett sagt hierzu: „Rooke machte keinen Versuch, den Angriff anders anzusetzen, da gerade seinem vorsichtigen Charakter die neue defensivere Taktik sehr entsprach; auch teilte er wohl Shovels Ansicht, daß bei gleicher Stärke nie ein entscheidender Sieg zu erringen sei (vgl. Seite 511). Er suchte aber auch einen solchen nicht, da er seine Hauptaufgabe im Schutze Gibraltars erblickte. Wurde er infolge eines mit Gefahr verknüpften Manövers — als solches sah man jede Abweichung von der gewählten Angriffsart an — geschlagen, so war Gibraltar sowie die Herrschaft im Mittelmeer verloren und auch die Flotte arg gefährdet, denn von ihrem einzigen Zufluchtshafen, Lissabon, war sie durch den Feind getrennt. Fechten mußte er, aber politisch wie seemännisch war es wichtiger, eine Niederlage zu vermeiden, als einen großen Sieg zu gewinnen; so ist es zweifelhaft, ob er besser verfahren konnte, als er getan hat.“ Es ist bemerkenswert, daß Corbett so urteilt, da er sonst kaum je zu Rookes Gunsten spricht.

Die Schlacht wurde in England, Holland und Frankreich als Sieg gefeiert. Aber wenn sie auch vom taktischen Standpunkt aus eine unentschiedene genannt werden kann — keiner der Gegner hat zunächst das Feld geräumt, die Flotten blieben in Sicht voneinander liegen —, so war sie doch strategisch ein Erfolg der Verbündeten.

Rookes Lage nach der Schlacht war zwar nicht unbedenklich. Auf seiner Flotte herrschte Munitionsmangel, gegen 25 Schiffe sollen in dem Kampfe ihre ganze Munition verschossen haben; eine Folge der Verschwendung bei der Beschießung von Gibraltar. Ferner stand der Feind noch immer zwischen ihm und dem gefährdeten Gibraltar sowie seinem einzigen Stützpunkte Lissabon. Die Franzosen nutzten dies aber nicht aus; Toulouse und einige seiner Offiziere, die den Kampf erneuern wollten, wurden im Kriegsrate überstimmt. Während der Nacht besserten beide Flotten aus, der Wind wurde westlich, so daß die Franzosen am 25. zu Luward standen. Die Verbündeten bereiteten sich auf einen neuen Angriff vor, indem sie ihre beschädigten Schiffe in Lee der Linie nahmen, als sie aber sahen, daß der Gegner weiter ausbesserte, taten sie desgleichen und gaben Munition an die deren bedürftigen Schiffe ab. Abends trat der Kriegsrat zusammen und beschloß, unter allen Umständen nach Gibraltar zu gehen, falls der Feind sich dem entgegenstelle, sich durchzuschlagen; beschädigte oder munitionslose Schiffe sollten ihre Rettung auf eigene Faust versuchen oder sich im äußersten Falle verbrennen.

Am 26. August morgens war es anfangs still und nebelig, später kam leichter östlicher Wind auf. Rooke steuerte auf den Gegner zu, der in Schlachtlinie mit nördlichem Kurse auf dem Wege der Verbündeten etwa 12 Seemeilen entfernt lag. Da der Wind so flau blieb, daß ein Zusammentreffen vor der Nacht unmöglich war, drehte Rooke gegen Abend bei, um seine beschädigten Nachzügler zu erwarten und den Durchbruch am nächsten Tage zu versuchen, aber am 27. morgens war der Feind aus Sicht. Der Admiral nahm[536] nun Kurs nach Gibraltar auf. Er glaubte, Toulouse sei ebendorthin oder zur Ausbesserung nach Cadiz gegangen, er hörte aber schon am 28. in der Straße, daß der Feind diese nicht passiert habe; noch zwei Tage wartete Rooke unter Segel und ankerte dann am 31. vor Gibraltar.

Toulouse war mit dem größten Teile seiner Flotte über Malaga und Alicante nach Toulon gegangen, er hatte also die Wiedernahme Gibraltars, ja sogar alle Unternehmungen mit den Gesamtstreitkräften aufgegeben. So konnte man in England und Holland die Schlacht bei Malaga wohl als einen Sieg ansehen. In Frankreich rühmte man sich allerdings, durch die Schlacht dem Gegner den Eintritt ins Mittelmeer verlegt zu haben, trotzdem aber war das Auftreten der Flotte bei dieser Gelegenheit der letzte ernstliche Versuch in diesem Kriege, den Verbündeten die Seeherrschaft streitig zu machen. Ähnlich wie im vorigen Kriege hatte man nach dem Mißerfolge Toulouses alles Zutrauen zu der Flotte verloren und ließ ihr immer weniger Pflege zuteil werden.

Bonfils sagt: „Im Volke machte sich eine bedauernswerte Abneigung gegen die Marine geltend. Ihre Verdienste waren vergessen, man glaubte nicht mehr an ihren Wert; die Armee, die mehr in unmittelbarer Berührung mit der Nation stand, hatte deren ganze Gunst.“ Bonfils führt aber auch an, der Marineminister Pontchartrin habe aus Eifersucht die Tätigkeit Toulouses gelähmt.

Das Jahr 1704 bringt zwar noch weitere Operationen um den Besitz von Gibraltar, aber die Hauptflotten beteiligen sich nicht mehr daran. Rooke war zu rechter Zeit vor der Stadt eingetroffen, die von Philipp V. entsandten Belagerungstruppen waren schon in größter Nähe. Da der Zustand der Flotte ein Bleiben nicht erlaubte, wurden auf Ersuchen des Prinzen von Hessen sämtliche englische Seesoldaten, 2000 Mann, eine Abteilung von Zimmerleuten und Artilleristen zur Instandsetzung der Befestigungen, Munition und endlich Proviant für 6 Monate gelandet, sowie zwei Mörserboote zurückgelassen. Es wurde ferner beschlossen, die noch diensttauglichsten englischen Schiffe unter Vizeadmiral Sir John Leake als Wintergeschwader in den südlichen Gewässern sowie einige sehr schwer beschädigte in Lissabon zur Ausbesserung zu belassen. Darauf ging die Hauptflotte am 5. September heim, traf am 4. Oktober im Kanal ein und wurde dann abgerüstet. Leakes Geschwader, 10 Linienschiffe (11?) und 2 Fregatten, hatte sich bei Kap St. Vincent abgezweigt und war nach Lissabon zum Überholen gegangen; hier wurde es am 30. Oktober durch die holländische Division v. d. Dussen, die mit den von Plymouth abgeholten Transportern eintraf, verstärkt; zu dieser trat bald noch ein Schiff der ebenfalls vorhin erwähnten Azorendivision. Da die portugiesischen Werften in sehr schlechtem Zustande waren, wurde Leakes Geschwader auch erst Ende Oktober wieder seeklar, und es war die höchste Zeit, dem bedrängten Gibraltar Hilfe zu bringen. Toulouse hatte vor Alicante den erneuten Befehl König Philipps erhalten, die Belagerung der Stadt zu unterstützen; er ließ zu diesem Zweck 13 Linienschiffe (10?) und 9 Fregatten unter dem Chef d'Escadre de Pointis zurück. Dieser traf im Oktober mit 3000[537] Mann und großem Belagerungspark vor der schon zu Lande eingeschlossenen Festung ein. Der förmliche Angriff wurde eröffnet, und man rechnete auf den Fall der Stadt zu Mitte November; hartnäckig verteidigte sich Hessen, aber eines seiner Mörserboote war in Brand geschossen und die Belagerungsarbeiten schritten vorwärts.

In dieser höchsten Not kam, vom Zufall begünstigt, die Hilfe. De Pointis war nicht vor Gibraltar geblieben, sondern nach Ausschiffen der Truppen usw. nach Cadiz gegangen, um Proviant einzunehmen, nur fünf Fregatten (20 bis 40 Kanonen) zurücklassend. Anderseits hatte Leake, der von Hessen beständig um Hilfe angerufen war, infolge des Eintreffens der Transporter seine Ausrüstung beenden können; er ging am 5. November von Lissabon in See und traf am 9. abends vor Gibraltar ein. Gerade für den 10. hatten die Belagerer einen Hauptschlag geplant. 500 Freiwillige waren in der Nacht heimlich im Süden der Stadt gelandet, sie hatten mit Hilfe von Tauen und Leitern den Felsen erklommen und sich dort verborgen; sie sollten vorbrechen, wenn eine Landung bei der neuen Mole vom Festlande aus, zu der Hunderte von Booten gesammelt waren, erfolgte. Aber gerade als die zur Landung bestimmten Mannschaften eingeschifft wurden, lief Leake in die Bucht ein. Eine der französischen Fregatten, die auf Vorposten war, hatte man schon auf See genommen, die andern sowie ein Brander und ein Mörserboot mit Belagerungsmunition setzten sich jetzt auf Strand und in Brand. Die Landung mußte natürlich aufgegeben werden, die 500 Freiwilligen wurden aufgerieben. Gibraltar war zum zweiten Male gerettet.

Zu verstehen ist nicht, weshalb Pointis so lange in Cadiz geblieben war. Colomb sagt: „Gedrängt, wieder auszulaufen, habe er geantwortet, bei der Anwesenheit von 30 (!) feindlichen Schiffen in Lissabon müsse er in Cadiz bleiben, bis er Verstärkung erhalte; von hier aus könne er wenigstens Zufuhren nach Gibraltar hindern.“ Ein Fehler war es allerdings wohl gewesen, sein Geschwader nicht so stark zu bemessen, daß er ein Wintergeschwader der Verbündeten unter allen Umständen von der belagerten Stadt abhalten konnte.

Leake unterstützte einige Zeit die Belagerten durch Beschießen der Parallelen und durch Bootsangriffe auf das feindliche Lager bei Algeciras. Seine Lage war nicht ungefährlich, weil die Winterstürme einsetzten, in denen seine Schiffe viel Ankergeschirr verloren; auch trafen ständig Nachrichten ein, daß sich Pointis zum Inseegehen vorbereite, daß einige seiner Schiffe schon auf der Rhede von Cadiz lägen. Leake ging erst Anfang Dezember auf die Nachricht hin in See, daß ein neuer Transport für Gibraltar in Lissabon angekommen sei und beabsichtige, weiterzusegeln. Obgleich schwach bemannt, ließ er einige hundert Matrosen zurück, da der Prinz von Hessen infolge Krankheit und Verlusten nur noch über etwa 1000 Mann verfügte. Er beabsichtigte, vor Cadiz zu gehen und Pointis dort festzuhalten, während der Transport vorbeisegelte. Sturm und Gegenwinde hielten ihn in der Straße fest, und in dieser Zeit griff Pointis tatsächlich den Convoi an, aber ohne Erfolg.

[538]

Pointis lag unter englischen und holländischen Flaggen bei Kap Spartel; der Convoi, 20 Transporter und 4 Kriegsschiffe, näherte sich ahnungslos. Als aber die Franzosen zu früh eine umfassende Formation einnahmen, schöpfte der Convoiführer Verdacht und benutzte die zufällig eintretende Windstille, seine Schiffe durch Boote aus der Gefahr schleppen zu lassen; nur zwei Fahrzeuge fielen dem Feinde in die Hände, zwei andere retteten sich nach Lissabon.

Der größere Teil des Convois erreichte Gibraltar und warf 2000 Mann und reichliche Vorräte hinein, so daß die Festung vorläufig wieder gesichert erschien. De Pointis kehrte nach Cadiz zurück, und auch Leake ging auf die Nachricht, daß die Franzosen hier in den inneren Hafen eingelaufen seien, Anfang Januar 1705 zum Ausrüsten und Bodenreinigen nach Lissabon.

Die Jahre 1705 und 1706. Entsatz von Gibraltar und Einnahme von Barcelona. 1705 begannen die Operationen zur See um den Besitz von Gibraltar, ehe die großen Flotten in Dienst gestellt waren. Französisch-spanischerseits hatte man wegen der Belagerung dieser Stadt den Krieg an der portugiesischen Grenze vernachlässigt, und doch war kein Erfolg errungen worden. Die Festung stand eher günstiger da; denn auch im Januar und Februar trafen, unbelästigt von Pointis, noch mehrere nur schwach bedeckte Transporte mit Kriegsmaterial und Verstärkungen von Lissabon dort ein. Ludwig XIV. rief jetzt den Marschall Tessé von der portugiesischen Grenze ab, um die Belagerung zu leiten. Dieser faßte die Aufgabe schärfer an und verlangte vor allem die Unterstützung durch die Flotte, insbesondere durch Pointis. So schrieb er z. B. an Condé: „Die Engländer zeigen uns, daß man zu jeder Zeit die See halten kann; sie fahren darauf wie die Schwäne auf Euerem Flusse bei Chantilly.“ Pointis erhielt nun den schärfsten Befehl, einzugreifen, trotz seiner weiteren Vorstellungen in Paris und Madrid, daß er besser erst Verstärkungen erwarte. Am 16. März traf er dann mit 13 Linienschiffen vor Gibraltar ein und wurde hier vom Marschall zu einem gemeinsamen Angriff festgehalten, obgleich er bat, auf See gegen Zufuhren für die Stadt kreuzen zu dürfen. Als Seemann fürchtete er, vor Anker sowohl durch die Frühjahrsstürme als auch durch einen plötzlichen Angriff zu sehr gefährdet zu sein; beides sollte ihn gleichzeitig treffen, ehe der gemeinsame Angriff reif war.

In Lissabon war man in großer Sorge. Ein frühzeitiges Erscheinen der großen Flotte war für dieses Jahr in Aussicht gestellt, sie wurde aber nicht rechtzeitig fertig. Leake hatte Schwierigkeiten, seine Schiffe in Lissabon instandzusetzen. Anfang März war er noch nicht völlig seeklar. Da traf von England ein Transport mit Kriegsmaterial, sowie eine Division Linienschiffe unter Kontreadmiral Dilkes ein, so daß er um die Mitte des Monats in See gehen konnte. Er war 19 englische (23?), 4 holländische Linienschiffe, sowie 9 portugiesische Kriegsschiffe stark und führte 3 Regimenter (3000? Mann) an Bord; am Abend des 20. März erschien er vor der Bucht von Gibraltar.

Am 18. waren 8 französische Schiffe durch einen schweren Sturm vom Ankerplatz vertrieben und durch die Straße nach Osten gesegelt, Pointis selber wurde mit dem Rest seines Geschwaders am Morgen des 21. durch das[539] Erscheinen des Feindes völlig überrascht; die Signalstationen, die sofort nach seinem Eintreffen längs der Küste bis nach Cadiz errichtet waren, hatten nichts gemeldet; kaum blieb ihm Zeit, Anker zu kappen und unter Segel zu gehen. Leake befahl sogleich allgemeine Jagd ohne Aufrechterhaltung einer Formation. Drei Franzosen wurden nach tapferer Gegenwehr genommen; dem Flaggschiff und dem fünften Schiff gelang es zwar, Enterangriffe abzuschlagen, sie wurden aber auf den Strand getrieben und setzten sich dort in Brand. Die durch den Sturm vertriebenen 8 Schiffe waren bis Malaga gelaufen; als sie das Geschützfeuer hörten, segelten sie von dort ohne Unterbrechung nach Toulon. Gibraltar war zum dritten Male und nunmehr in diesem Kriege endgültig gerettet. Leake landete Mitte April die Truppen; er war bis Malaga gegangen und auf der Rückfahrt durch stürmische Westwinde aufgehalten worden. Tessé hob Ende des Monats die Belagerung auf und ging zu der Armee an der portugiesischen Grenze zurück.

Die Befreiung Gibraltars ist gewissermaßen noch ein Nachspiel des Kriegsjahres 1704. Wenden wir uns jetzt zu dem eigentlichen Kriegsjahre 1705. Aus der allgemeinen Schilderung des Krieges wissen wir, daß die Seemächte und Portugal in diesem Jahre beabsichtigten, Spanien von Portugal und von Katalonien aus für Karl III. zu erobern; die Hauptseestreitkräfte wurden zur Unterstützung des Angriffs von Katalonien aus bestimmt.

Corbett sagt hierzu: „Es war dies gegen Marlboroughs Ansicht. Dieser hatte stets weiter im Auge, Frankreich vom Mittelmeer abzuschließen, Toulon anzugreifen, die Seeherrschaft im Mittelmeer völlig sicherzustellen und dazu einen Stützpunkt neben Gibraltar in diesem Meere zu gewinnen. Die Seeoffiziere waren ohne einen solchen Stützpunkt gegen ein Vorgehen auf Toulon, und Marlborough ordnete wie stets seine Ansicht der der Fachleute unter; außerdem waren Savoyen und Österreich nicht in Bewegung zu bringen, letzteres legte mehr Wert auf die Eroberung Spaniens.“ Wir wissen, daß Prinz Eugen 1705 zu schwach war, um viel ausrichten zu können.

Zu diesem Zwecke wurde während des Winters von England und Holland die Aufstellung einer Flotte von 48 Linienschiffen — 18 holländische und 30 englische, einschließlich der schon in den südlichen Gewässern befindlichen — sowie eines Landungsheeres von 7500 Mann — 2500 Holländer und 5000 Engländer — vereinbart;[269] es traten später noch 8 englische und 2 holländische Schiffe hinzu, auch scheinen die Truppen vermehrt zu sein, denn verschiedene Quellen sprechen bei dem Auftreten an der Ostküste Spaniens von 12000 Mann.

England hatte ferner im Norden ein Blockadegeschwader von etwa 12 Schiffen gegen Brest in Dienst gestellt. Ein zweites unter Dilkes, ursprünglich gegen Dünkirchen bestimmt, wurde später der Mittelmeerflotte zugeteilt. Es wurde sogar vorausgesandt, als Gibraltar so arg bedrängt war; wir sahen Dilkes schon im März bei Leake eintreffen. Holland hatte im Norden, wie 1704 und mit den gleichen Aufgaben, drei Geschwader von zusammen 15 Linienschiffen aufgestellt. Englische Kriegsschiffe und holländische Convoijers traten wie üblich zur Begleitung der Kauffahrer hinzu.

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Frankreich rüstete in diesem Jahre in Toulon 35 Linienschiffe unter Toulouse aus. In Brest sollen 16 in Dienst gestellt sein, doch traten in den nördlichen Gewässern nur kleine Divisionen (unter Torbin und Trouin) gegen den Handel der Verbündeten auf, besonders wieder von Dünkirchen aus, sowie zahlreiche einzelne Freibeuter.

Die Hauptflotte der Verbündeten kam erst spät in Tätigkeit, da sich wie gewöhnlich und aus den bekannten Gründen in beiden Ländern die Indienststellungen verzögert hatten. Am 10. Mai ging das holländische Kontingent unter de Almonde nach Wight hinüber und, da die Engländer noch nicht segelfertig waren, gleich weiter nach Lissabon, wo es am 13. Juni eintraf; acht Tage später kam der größte Teil der englischen Flotte an. Den Oberbefehl führten der Earl of Peterborough und der nunmehrige Admiral of the fleet Sir Clowdesley Shovel.

Hier erscheinen zum letzten Male „Joint-Admirals“, doch war Peterborough nicht eigentlich Seeoffizier; er hatte zwar in der holländischen Marine gedient, aber nie ein englisches Schiff befehligt. Während dieses Krieges in Spanien führte er auch mehr das Kommando über die Landtruppen.

Im Kriegsrate wurde beschlossen, daß die Flotte, soweit sie versammelt war, nämlich 48 Linienschiffe, in der Straße von Gibraltar gegen ein Vereinigen der französischen Seestreitkräfte kreuzen solle. Shovel lief am 4. Juli aus, Peterborough blieb in Lissabon, um Truppen aus Irland zu erwarten und um mit Portugal über dessen Beteiligung am Kriege sowie über die Kriegführung überhaupt zu verhandeln. Am 31. Juli stieß er mit den Transportern und dem Rest der Flotte zu Shovel; mit ihm kamen König Karl und der Prinz von Hessen, die sich von dem Angriff in Katalonien mit Recht mehr Erfolg versprachen als von dem nur lau vorgehenden Portugal. Nachdem der König in Gibraltar die Huldigung der Stadt entgegengenommen hatte, trat die Flotte am 5. August — jetzt 58 Linienschiffe, 11 Fregatten, 9 Mörserboote und einige Brander stark — die Reise nach Barcelona an und traf nach kurzem Aufenthalt in Altea (11.–16.) am 22. August vor dieser Stadt ein. Schon am nächsten Tage wurden die Truppen ausgeschifft, die Belagerung begann und am 3. Oktober kapitulierte Barcelona.

Am 23. August begann die Ausschiffung von 12 englischen, 4 holländischen und 1 spanischen Bataillonen Infanterie, 2 Regimentern englischen Dragonern, zusammen 12000 Mann (nach Colomb), in einiger Entfernung von der Stadt; sie ging ohne jede Störung vor sich und war am 25. beendet. Da die Führer bald nach der Landung der Ansicht geworden waren, daß ihre Kräfte gegenüber der Größe der Stadt und der Besatzung nicht genügten, wurde der Angriff zunächst nicht ernstlich betrieben. Zahlreiche Beratungen fanden statt, ohne zu Entschlüssen zu führen, scheinbar herrschte Uneinigkeit zwischen den Land- und Seeoffizieren; beinahe ging im Kriegsrat der Landoffiziere der Beschluß durch, das Unternehmen aufzugeben, da man weder bei den Einwohnern noch bei der Flotte die erwartete Unterstützung fände. Die Schiffe hatten etwa 1000 Mann ihrer Besatzung für die Erdarbeiten und zur Bedienung gleichfalls gestellter Geschütze gelandet. Auf Drängen König Karls beschloß der Kriegsrat endlich, ernstlich vorzugehen, wenn die Flotte weitere Geschütze und noch 1500 Mann lande; die Admirale bewilligten dies unter der Bedingung, daß die Gelandeten stets zur Wiedereinschiffung[541] bereit seien; es konnten ja bedrohliche Nachrichten über die französische Flotte eintreffen. Als diese Abmachung eben erfolgt war, wurde schon ein wesentlicher Erfolg erzielt. Der Prinz von Hessen, der die Befestigung der Stadt als ihr früherer Gouverneur genau kannte, führte mit Erlaubnis Peterboroughs, aber ohne Kenntnis der übrigen Befehlshaber in der Nacht vom 14.–15. September einige auserlesene Truppen gegen das Fort Montjuich und nahm dessen Außenwerke. Das Fort, der stärkste Punkt der Befestigung, lag auf dem steilen Berge südwestlich von der Stadt und beherrschte diese sowie den Hafen; bald darauf wurde ein zweites Fort genommen und damit die Verbindung Montjuichs mit der Stadt unterbrochen. Inzwischen landete die Flotte die Verstärkungen und begann (16. September) aus den Mörserbooten sowie 8 Linienschiffen die Beschießung der Stadt; diese wurde schonend durchgeführt, da die Einwohner dem König Karl wohlgesinnt waren. Bald fiel Montjuich, der Angriff wandte sich gegen die Stadt selber, und es wurde Bresche gelegt; als der Sturm drohte, kapitulierte der Gouverneur auf Drängen der Einwohner.

Daß sich die Admirale mit Rücksicht auf die französische Flotte anfangs nicht zu sehr und auch später nur bedingt engagieren wollten, ist wahrscheinlich und war berechtigt; selbst Peterborough, der am Lande befehligte, soll die Forderung des Landkriegsrates für zu weitgehend und für bedenklich erachtet haben. Es ist möglich, daß Shovel später die Nachricht erhalten hat, die Franzosen seien nicht seeklar oder fürchteten einen Angriff auf Toulon; nach Sue hatte Graf Toulouse den Befehl, die Befestigungen dieses Hafens zu verstärken und die Flotte dort zurückzuhalten.

Nach dem Falle Barcelonas erklärten sich alle Städte Kataloniens für Karl. Diese Bewegung setzte sich durch Aragonien und Valencia fort; bald war der König Herr dieser drei Provinzen, zu deren Schutz die gelandeten Truppen unter Peterborough zurückblieben. Die große Flotte wurde aufgelöst, der größere Teil ging (23. Oktober) zur Heimat; ein Wintergeschwader — 15 Engländer und 10 Holländer, zu denen später noch 10 und 5 treten sollten — unter den Admiralen Leake und Wassenaer segelte nach Lissabon.

Gleich nach Übergabe der Stadt gingen die fünf holländischen Schiffe der Division v. d. Dussen, die jetzt fast zwei Jahre im Dienst waren, heim und nahmen von Lissabon einen Convoi mit. Almonde hatte die Erlaubnis, mit den übrigen Schiffen im Mittelmeer zu überwintern, um weiter die Seeherrschaft zu behaupten, falls die Hauptmacht der Engländer ein Gleiches täte. Diese jedoch erklärten, es sei wegen Mangels an Vorräten und an Material zum Instandsetzen nicht möglich. So wurde nur ein Wintergeschwader gebildet, aber auch dieses war genötigt, zur Wiederinstandsetzung nach Lissabon zu gehen. Leake machte infolge ungünstiger Winde eine unglaubliche Reise: Er war von Ende Oktober bis zum 4. Februar unterwegs, so daß beinahe Hunger- und Wassernot an Bord entstand; das Flaggschiff „Prince George“ begrub auf dieser Reise 50 Mann. Es kennzeichnet die Verhältnisse jener Zeit, daß dieses Schiff, das mit Shovel von England gekommen war und stets Krankheit an Bord gehabt hatte, vom 1. April 1705 bis zum 4. Februar 1706 gegen 300 Mann verlor.

Wie die Erfolge in Spanien 1705 nur infolge des Ausbleibens der französischen Flotte möglich geworden waren, so wurden sie im Jahre 1706 dadurch wieder in Frage gestellt, daß die Seestreitkräfte der Verbündeten nicht rechtzeitig genügend stark auftreten konnten. Die Franzosen gingen früh im Jahre gegen Karl III. vor. Marschall Tessé griff Katalonien von Spanien aus an, indem er die Pässe an der portugiesischen Grenze nur besetzt hielt; der Herzog von Noailles rückte von Roussillon aus vor. Tessé warf den König bis nach Barcelona zurück und belagerte mit 40000 Mann die Stadt, Toulouse unterstützte[542] Tessé dabei mit 30 Linienschiffen, die Belagerungsmaterial sowie sonstige Vorräte brachten und auch an der Beschießung der Stadt teilnahmen. Peterborough stand in Valencia, zu schwach, um einzugreifen; man hatte französischerseits alles getan, Erfolge zu erringen, ehe die Verbündeten Verstärkungen senden konnten und die See wieder beherrschten.

Als die französischen Vorbereitungen in England bekannt wurden, erhielt Leake den Befehl, sein möglichstes zu tun, um die Pläne des Gegners zu vereiteln. Zu ihm war eine Verstärkung von 4 holländischen Linienschiffen, nebst einem Convoi mit Ausrüstungsmaterial, gestoßen, aber ein großer Teil seiner alten Schiffe war noch nicht seeklar. Trotzdem ging er am 9. März mit 18 Schiffen in See.

Es lag in seiner Absicht, schon am 8. zu segeln, weil er erfahren hatte, daß das Auslaufen der westindischen Galeonen aus Cadiz bevorstehe. Als aber das Geschwader am genannten Tage den Tajo abwärts segelte, wurde es durch scharfes Feuer der Außenforts zum Wiederankern gezwungen. Auf die Beschwerden antwortete die portugiesische Behörde, es sei aus Versehen geschossen; die Forts hätten Befehl gehabt, das Auslaufen sämtlicher Kauffahrer zu hindern, damit die Abfahrt des Geschwaders geheim gehalten würde. Nach Annahme der englischen Offiziere aber sind die Kriegsschiffe tatsächlich absichtlich zurückgehalten, um sie zum Schutz des erwarteten Brasilienconvois zur Verfügung zu haben. Jedenfalls wurde das Unternehmen, das die besten Aussichten hatte, durch die Verzögerung von einem Tage vereitelt. Am 11. abends erfuhr Leake von einem holländischen Freibeuter, daß die Galeonen am 10. Cadiz verlassen hätten, auch fing er am 12. zwei Schiffe, die 24 Stunden später gesegelt waren; er hätte also ohne die Verzögerung wohl sicher seinen Zweck erreicht. Jetzt erschien ihm eine Verfolgung aussichtslos, weil der Wind den Galeonen günstig war.

Infolge ungünstigen Windes traf Leake erst am 10. April in Gibraltar ein. Hier stieß am 14. der Rest seiner Flotte, 12 Linienschiffe nebst Transportern mit zwei englischen Regimentern, zu ihm, so daß er nun 30 Linienschiffe stark war. Auf die Nachricht vom König Karl, daß Barcelona von Tessé und Toulouse belagert und schon sehr bedrängt sei, beschloß der Kriegsrat, nach Altea zu segeln, um dort genaue Nachricht über die französische Flotte einzuziehen und diese, wenn sie nicht stärker als 30 Schiffe sei, anzugreifen; die englischen Regimenter wurden zur Verstärkung der nur schwachen Besatzungen auf die Schiffe verteilt. Am 29. in Altea angekommen hörte der Admiral von einem holländischen Kauffahrer, daß ihm ein Transport mit Truppen aus Holland unter Bedeckung von 6 Linienschiffen auf dem Fuße folge; dieser traf am nächsten Tage ein und gleichzeitig die Nachricht, daß ein englisches Geschwader von 14 Schiffen unter Sir George Byng nahe. Leake wartete auch diesen ab und ging dann, 50 Schiffe (36 englische, 14 holländische), 6 Fregatten, 2 Brander, 2 Mörserboote stark, nach Barcelona weiter. Auf der Höhe von Tortosa (6. Mai) kam eine neue Nachricht vom König Karl: Die Stadt könne sich nur noch wenige Tage halten, Montjuich sei genommen, der Sturm stünde bevor; nur sofortiges Erscheinen der Flotte könne retten, Toulouse sei 28 Schiffe, 6 Fregatten, 10 Galeren und 5 Mörserboote stark. Leake gab seinen Schiffen sofort den Befehl, ohne Aufrechterhaltung[543] einer Formation Segel zu pressen. Am Morgen des 7. Mai trafen die ersten Schiffe vor Barcelona ein, sie fanden die Rhede leer; Toulouse war, wie im vorigen Kriege Tourville, auf die Kunde vom Nahen des Gegners nach Toulon aufgebrochen; nach französischen Angaben hatte er Befehl, seine Flotte keiner ernsten Gefahr auszusetzen.

Englische Quellen sagen, Byngs Schiffe (wohl die bodenreinsten) seien die ersten Schiffe auf der Rhede gewesen. Nach de Jonge waren es die besten Segler Wassenaers, der die Vorhut führte. Nach Corbett sahen die ersten Schiffe die Nachhut Toulouses gerade noch am Horizont verschwinden.

Noch an demselben Tage ankerte die ganze Flotte und die Soldaten wurden in die Stadt geworfen. Barcelona, und damit Katalonien, war gerettet. Ja, die Belagerer, insbesondere die spanischen Truppen, scheinen durch das so plötzliche und gerade noch rechtzeitige Erscheinen Leakes völlig entmutigt worden zu sein. Marschall Tessé sah sich am 10. Mai genötigt, die Belagerung abzubrechen; er ließ über 100 Geschütze und sogar die Verwundeten zurück. Das französische Heer litt auf seinem Rückzuge nach Roussillon sehr unter Angriffen der katalonischen Bergbewohner: „eine verlorene Schlacht hätte nicht schlimmer sein können“ (nach Bonfils).

Colomb sagt (gekürzt): „Barcelona ist die Wiederholung der Geschichte Gibraltars. Beide Plätze werden durch gemeinsame Angriffe von Land und See genommen, bei denen die Admirale infolge der günstigen Aussicht auf Erfolg die deckende Flotte vielleicht stärker eingesetzt haben — bei Gibraltar durch das Abzweigen so vieler Schiffe für die Beschießung, bei Barcelona durch das Ausschiffen so zahlreicher Leute — als richtig scheint, denn nur bei vollständiger Beherrschung der See waren die Unternehmungen möglich. Der Feind versucht dann, die Festungen während der Abwesenheit der verbündeten Flotte durch Land- und Seestreitkräfte wiederzunehmen, doch wurden ihre Seestreitkräfte im letzten Augenblick vertrieben.“ Man kann hier wohl sagen „ihre nicht genügend starken Seestreitkräfte“ und hinzusetzen „teilweise infolge glücklicher Zufälle für den Gegner“.

Die Entsetzung Barcelonas war wie die Gibraltars 1705 gewissermaßen wieder ein Nachspiel des Vorjahres, ein Unternehmen, das den Verbündeten durch das frühzeitige Vorgehen des Gegners im neuen Kriegsjahre aufgezwungen und nur vom Wintergeschwader ausgeführt wurde; dieses war allerdings durch die Verstärkungen, insbesondere durch die beschleunigte Entsendung Byngs mit 14 Schiffen der Hauptflotte, schon zur Größe der bisherigen Sommerflotten im Mittelmeer angewachsen. Eine andere Operation von Bedeutung, die für dieses Jahr geplant war, eine Landung bei Rochefort unter dem Admiral of the fleet Shovel, kam wohl infolgedessen nicht zur Ausführung. Erst im Juli konnte Shovel seine Flagge heißen; er wartete dann vergeblich auf ein holländisches Kontingent und wurde endlich durch Gegenwinde bis in den September bei Torbay festgehalten; dann war die Jahreszeit zu weit vorgeschritten. Dieses englische Kanalgeschwader beteiligte sich nur im Juni an der Belagerung und Einnahme der Stadt Ostende durch das Heer in Flandern.

Zu diesem Landungsplane schreibt Corbett: „Marlborough behielt stets als Hauptziel im Auge, Frankreich vom Mittelmeer aus anzugreifen; ihm war auch die beschleunigte[544] Entsendung Byngs zu verdanken. Er wollte sogar in Person mit 20000 Mann in englischem und holländischem Solde nach Italien gehen, um hier mit Prinz Eugen, mit dem er sich besser verstand als mit den holländischen und deutschen Führern, vereint aufzutreten. Vom Ratspensionär Heinsius unterstützt, hatte er die Generalstaaten fast für diesen Plan gewonnen, als die Franzosen am Rhein über Ludwig von Baden Vorteile errangen. Jetzt sahen die Generalstaaten die linke Flanke der Stellung in den Niederlanden bedroht, wollten nur noch 10000 Mann bewilligen und verlangten, daß Marlborough selber in den Niederlanden bliebe. Er fügte sich wiederum, betrieb aber dafür ein Unternehmen, dem er wenigstens den Wert einer für den Krieg in Italien und Katalonien nutzbaren Diversion beilegte. (Er selbst ging zu gleichem Zweck energisch vor, schlug die Schlacht von Ramiliers und bedrohte die Franzosen weiter in Flandern.) Im Frühjahr 1706 hatte ein französischer Réfugié, Comte de Guiscard, eine Landung an der Mündung der Charente vorgeschlagen, um von dort aus den Aufstand in den Cevennen wieder zu beleben. Die Landungskräfte sollten vorzugsweise aus Réfugiés gebildet werden, doch wollte auch Marlborough einige Regimenter stellen.«

Über die Stärke der Flotte Shovels sind keine Angaben vorhanden, sie kann nicht bedeutend gewesen sein. Die auswärtigen Stationen und der Handelsschutz erforderten zahlreiche Schiffe; 36 Schiffe waren im Mittelmeer, und wie im Vorjahre hatte man ein Geschwader zur Beobachtung der französischen Küsten in Dienst gestellt; vielleicht war dieses für die Expedition in Aussicht genommen. Von dem erwarteten holländischen Kontingent erwähnt der sonst sehr genau berichtende de Jonge nichts. Nach de Jonge hatte Holland 1706 im Mittelmeer 18 Schiffe — gemäß der Abmachung, eine Vermehrung hier war erst für das Ende des Jahres vorgesehen — und 12 Schiffe, in zwei Geschwader wie früher geteilt, in den nördlichen Gewässern. Es hatte also seine Verpflichtungen erfüllt; zwar waren 5 Linienschiffe weniger im Dienst als im Vorjahre, doch fehlten diese im Norden: das Geschwader gegen die Galeren in Ostende, das nach der Eroberung der Stadt nicht mehr nötig war“.

Wenden wir uns nun wieder zum Mittelmeer. Nach dem Abzuge des französischen Heeres von Barcelona wurden auf 4 Kriegsschiffen 600 Mann nach Gerona geführt, um die Stadt gegen den nach Norden abziehenden Feind zu verstärken. In längeren Beratungen mit den Ministern und Generalen König Karls beschloß man dann, daß die Flotte alle in Katalonien entbehrlichen Truppen zu Peterborough bringen und mit diesen gemeinsam gegen Alicante, das bourbonisch gesinnt und stark besetzt war, vorgehen solle. Die Soldaten wurden in Valencia gelandet und von dort in Marsch gesetzt. In der Zwischenzeit segelte die Flotte nach Cartagena, wo die Partei Karls das Übergewicht hatte. Die Stadt war zwar nicht gleich zur Übergabe bereit, erkannte aber doch Karl III. an, als man Vorbereitungen traf, mit einigen Schiffen in den Hafen einzulaufen und gleichzeitig die Landungsabteilungen der Flotte an Land zu werfen (10. Juni). Nachdem dann in Altea Wasser genommen war, traf die Flotte am 7. Juli vor Alicante ein, und auch Landtruppen erschienen am 20. vor der Stadt; da diese aber nur 1300 Mann reguläre Soldaten, sonst bewaffnete Landbewohner, zählten, wurden von den Schiffen 800 Seesoldaten und 800 Matrosen nebst Geschützen gelandet. Die Belagerung wurde eröffnet, 12 Linienschiffe begannen mit Erfolg die Beschießung, indem sie nach und nach die Befestigungen niederkämpften und dann immer näher ankerten. Am 8. August wurden aus nächster Nähe zwei Breschen gelegt, die Stadt durch die Truppen am Lande sowie[545] die Landungsabteilungen gestürmt und geplündert; die Citadelle ergab sich erst am 6. September wegen Wassermangels.

Vor Alicante stießen 4 dem holländischen Kontingent bisher noch fehlende Linienschiffe zur Flotte. An diese knüpfen sich Umstände, die das Verhältnis der englischen und holländischen Seestreitkräfte zueinander in diesem Kriege kennzeichnen. Leutnantadmiral de Almonde hatte sie hinausgeführt, er sollte dann den Oberbefehl über die Holländer übernehmen; er ging aber von Lissabon in die Heimat zurück, da er nicht unter Vizeadmiral Leake dienen wollte. Holland hatte vor und während seiner Ausreise England ersucht, Shovel hinauszuschicken. England aber antwortete, dieser sei zu einem anderen Unternehmen (Rochefort?) bestimmt, jetzt wurde Almonde zurückgerufen und Holland hielt von jetzt an nur einen Vize- oder Kontreadmiral im Mittelmeer; sämtliche höhere Flaggoffiziere fanden in diesem Kriege keine Verwendung mehr. Die letzten tüchtigen Schüler Ruyters verbrachten ihre späteren Dienstjahre untätig am Lande: de Almonde, der seit 1691 die Holländer in allen größeren Unternehmungen und Schlachten geführt; Callenburgh, uns gleichfalls rühmlichst bekannt; zwei Evertsen, Söhne und Neffen der Seehelden Cornelis und Jan Evertsen. Vielleicht haben Sparsamkeitsrücksichten mitgesprochen.

Von Alicante segelte die Flotte (13. September) nach Ibiza und dann nach Mallorca; die erste Insel erkannte den König Karl sofort an und auf der zweiten zwang die Bevölkerung den Gouverneur dazu, als eine Beschießung der Stadt Palma drohte. Gern hätten Karl und Peterborough auch die Einnahme Minorcas mit seinem vorzüglichen Hafen Port Mahon, von den Engländern schon lange als Stützpunkt ins Auge gefaßt, gesehen, aber Leake hielt die französische Besatzung dort für zu stark, um mit seinen Landungsabteilungen allein anzugreifen. Peterborough war geneigt, mit den nötigen Truppen „unter eigener Führung“ mitzuwirken, er wurde jedoch nach Italien gesandt, um Savoyen anzufeuern und mit Prinz Eugen über den Feldzug des nächsten Jahres zu verhandeln; als er zurückkam, war es nach Leakes Ansicht für die Flotte zu spät in der Jahreszeit. Seiner Instruktion gemäß trat der Admiral am 4. Oktober die Reise nach der Heimat an, mit ihm das ganze holländische Kontingent (Mitte November dort); nur ein Wintergeschwader von 17 englischen Linienschiffen zweigte sich unter Admiral Byng in Gibraltar ab und ging nach Lissabon.

Infolge der Entsetzung Barcelonas nahm auch der Landkrieg in Spanien von Portugal aus für Karl III. eine günstige Wendung; Madrid wurde genommen, Philipp V. war mit dem französischen Heere nach Frankreich geflohen. Karl war im Besitz der Herrschaft und wurde infolge der Siege des Prinzen Eugen auch in Mailand anerkannt (vgl. Seite 493).

Die Jahre 1707 und 1708. Belagerung von Toulon. Eroberung von Port Mahon. Für 1707 war von den Seemächten wiederum die Aufstellung einer starken Flotte im Mittelmeer vereinbart. Die Generalstaaten hatten sich bereits im Sommer 1706 verpflichtet, 24 Linienschiffe dazu zu stellen, die schon vor Ende des Jahres abgehen sollten. Die pekuniäre Lage der Admiralitäten war jedoch so schwierig, daß erst um die Wende des Jahres 10 Schiffe unter Vizeadmiral van der Goes auslaufen und nur 5 im Mai 1707 folgen konnten; diese letztgenannten stießen erst vor Toulon zur Flotte. Daneben[546] stellte Holland wieder 17 Schiffe in zwei Geschwadern für die nördlichen Gewässer auf. England dagegen sandte wirklich noch im Spätherbst 1706 den Admiral Shovel nach den spanischen Gewässern ab; die Zahl seiner Schiffe mag etwa 16 betragen haben.

Genaue Angaben waren nicht zu finden. Nach französischen Quellen erschienen im Juli vor Toulon 48 Linienschiffe, darunter 15 Holländer. Byngs Wintergeschwader zählte 17 Schiffe; es bleiben mithin 16 neuhinzugekommene Engländer.

Shovel traf Anfang Januar in Lissabon ein und ging sofort weiter ins Mittelmeer. Die Kriegslage in Spanien hatte sich seit der Heimfahrt der Flotte im Herbst 1706 sehr zuungunsten der Verbündeten geändert. König Karl machte die Erfahrung, daß mit dem Schlagen der spanischen Truppen nicht alles getan war. Er verstand es nicht, sich beliebt zu machen; in Kastilien und in den Südprovinzen erwachte der alte Haß gegen die Portugiesen und die Ketzer, die beide ihn unterstützten. Das Volk stand in Guerrillabanden auf und die Franzosen schickten ein neues Heer unter dem Herzog von Berwigk. Die Verbündeten konnten sich in Madrid nicht halten, sie zogen nach Osten ab, um sich Karl in Katalonien anzuschließen. Shovel warf nun zunächst eine aus England mitgebrachte Verstärkung von etwa 7000 Mann nach Alicante, kehrte dann aber nach Lissabon zurück, um seine Schiffe zu weiteren Unternehmungen instandzusetzen und auszurüsten.

Corbett bezeichnet diese „weiteren Operationen“ ausdrücklich als die gegen Toulon geplanten. Marlborough habe schon die Abfahrt Shovels beschleunigt, da ihm nach den Erfolgen Eugens in Italien sein großer Plan jetzt reif erschienen sei. Dieser Plan, durch dessen Durchführung er den Krieg zu beenden hoffte, ist uns bekannt (Seite 494). Wenn er um diese Zeit schon feststand, wenigstens wie anzunehmen ist zwischen Eugen und Marlborough, so war er doch geheim gehalten. De Jonge sagt ausdrücklich, daß das holländische Geschwader erst vor Barcelona von dem beabsichtigten Angriff auf Toulon Kenntnis erhalten habe.

In Lissabon fand Shovel das Wintergeschwader (Byng) und das am 10. März eingetroffene holländische Kontingent, das auch Ersatz für die in Spanien fechtenden holländischen Regimenter mitgebracht hatte, vor. Da die Nachrichten vom Landkriegsschauplatze weiter ungünstig lauteten, wurde Byng mit den segelfertigen englischen und sämtlichen holländischen Schiffen sofort (10. April) ins Mittelmeer gesandt, um die Verstärkungen zu landen und bis zu Shovels Ankunft an der Ostküste zu kreuzen. Byng erfuhr in Alicante, daß die Armee der Verbündeten unter dem Earl of Galway, der jetzt den Oberbefehl führte, bei dem Versuche, wieder nach Madrid vorzudringen, bei Almansa (24. April) vernichtend geschlagen sei und daß ihre Trümmer sich größtenteils auf Tortosa zurückgezogen hätten (vgl. Seite 494). Der Admiral sammelte nun in den Küstenstädten die Versprengten, Verwundeten und Kranken des Heeres, brachte diese sowie die Ersatzmannschaften nach Tortosa und segelte dann nach Barcelona (20. Mai). Hier traf Shovel bald darauf ein. Erkundungen ergaben, daß weder in Toulon noch in Marseille (der Galerenstation) Ausrüstungen von Seestreitkräften betrieben wurden; Frankreich stellte in diesem Jahre nur zwei Divisionen unter Forbin und[547] Trouin für die nördlichen Gewässer auf. Am 4. Juni ging Shovel mit der ganzen Flotte in See, um mit Prinz Eugen gegen Toulon zu operieren und um dessen Verbindung mit den Magazinen in Livorno und Genua aufrecht zu erhalten.

Wir wissen bereits (Seite 494), daß es Marlborough nicht gelang, seinen großen Plan vollständig durchzuführen. Er selber war behindert, in diesem Jahre im Norden kräftig vorzustoßen, und der Kaiser hatte, anstatt Eugen nach seinen Erfolgen zu verstärken oder doch wenigstens in seiner Stärke zu belassen, einen Teil des italienischen Heeres unter Graf Daun abgezweigt, um Neapel zu erobern, obgleich ihm England vorstellte, dies für ihn mit Leichtigkeit ausführen zu können, sobald Toulon gefallen sei. Da Ludwig XIV. um diese Zeit zu Friedensunterhandlungen geneigt war, wollte der Kaiser wohl vor Beginn dieser die Lande in seinen Besitz bringen; auch wird vermutet (nach Corbett), daß man in Österreich dem Plane Marlboroughs nicht günstig war, man fürchtete die Übermacht Englands im Mittelmeer nach Toulons Fall.

Ein schleuniger Angriff auf Toulon war erwünscht. Man mußte annehmen, daß Frankreich nach seinen Erfolgen in Spanien von dort Truppen zur Armee in der Provence heranziehen würde, auch konnte bei der Schwäche Eugens nur ein Handstreich gelingen. Dieser wäre fast geglückt. Marschall Tessé, der die Armee in der Provence führte, hatte mit unzureichenden Kräften eine lange Grenze zu decken, und Prinz Eugen verstand es, ihn in Unsicherheit darüber zu halten, wo er vorgehen wolle: ob ein Angriff auf die Provence oder ein Einfall in die Dauphiné oder in die Franche-Comté, beide von Truppen entblößt, erfolgen würde. Eugen operierte dann so schnell, daß Tessé erst klar sah, als der Gegner fast schon die Grenze überschritten hatte. Toulon war auf der Landseite nur schwach befestigt und ungenügend besetzt. Infolge von Verzögerungen auf dem Marsch und bei dem Angriff der Verbündeten jedoch gelang es, diesen Übelständen abzuhelfen. Der Gouverneur der Provence bot die Milizen auf und Tessé warf mit Eilmärschen Truppen in die Stadt; die Verbündeten waren nicht stark genug, dies durch völlige Einschließung zu verhindern. Die Verzögerungen werden dem Herzog von Savoyen zur Last gelegt.

Die Flotte trat in Finale an der Riviera Mitte Juni mit dem Heere Eugens und Savoyens in Verbindung. Kleinere Divisionen wurden bestimmt, Vorräte aus den genannten Häfen zu holen, die Flotte ging nach der Bucht vom Cap St. Hospice, um mit den die Küste entlang vorrückenden Truppen in steter Verbindung zu bleiben, ihnen mit Geschützen und Munition auszuhelfen. Zum tätigen Eingreifen kam sie nur am 11. Juli, als das Heer den Übergang über den Grenzfluß Var erzwingen mußte. Hier standen 3000 Mann Fußvolk und 500 Reiter der Franzosen, gestützt auf eine Schanze an der Mündung. 4 Fregatten beschossen diese Stellung und Anstalten zu einer Landung in großem Maßstabe wurden getroffen; es scheint aber nur zur Beschäftigung des Feindes damit gedroht zu sein, denn nur einige hundert Mann wurden wirklich an Land geworfen. Während dieser Zeit überschritten die Landtruppen ungehindert den Fluß weiter nördlich. Den Weitermarsch begleitete dann Admiral Byng mit 15 Schiffen, längs der Küste segelnd, der Rest der Flotte ging geradeswegs nach den Hyèren; am 29. Juli traf die Armee vor Toulon ein. Bei schnellerem Vormarsch und überraschend sowie tatkräftig durchgeführtem gewaltsamen Angriff wäre die Stadt wahrscheinlich gefallen; so aber kam es nur zu einer erfolglosen Belagerung Toulons.[270]

[548]

Toulon war gedeckt durch eine Reihe von Forts nahe bei der Stadtumwallung (etwa die jetzige zweite Verteidigungslinie): Vom Fuße des im Norden der Stadt liegenden Mt. Faron nach Osten bis zur Küste die Forts St. Artigues, St. Catherine und La Malgue, nach Westen St. Antoine und Malbousquet; zur Hinderung der Einfahrt an der Küste die Forts St. Louis am Eingang zur Innenrhede und St. Marguerite etwa 2 km östlich von La Malgue. Bei der so plötzlich auftretenden Gefahr hatte man die Kriegsschiffe zum großen Teil — einige Angaben sagen die Hälfte (gegen 20 Linienschiffe), nach andern muß man annehmen, fast alle (gegen 50) — versenkt, um sie dem feindlichen Feuer zu entziehen, aber auch um die Einfahrt in die Hafenanlagen zu sperren; die Besatzungen und auch Schiffsgeschütze wurden zur Verstärkung der Befestigungen herangezogen. Nur 2 oder 3 schwere Linienschiffe waren, mit altem Tauwerk gepanzert, als schwimmende Batterien so verankert, daß sie die Umgebung der Forts Malbousquet, La Malgue und St. Catherine bestrichen.

Prinz Eugen nahm schon am 29. Juli trotz kräftigen Widerstandes die Forts Artigues und St. Catherine. Er versuchte dann, nördlich um den Mt. Faron marschierend, auf die Westseite der Stadt zu gelangen, fand aber einen auf Hindernisse und Feldbefestigungen gestützten zu starken Widerstand. Der Herzog von Savoyen, scheinbar zu vorsichtig, schuf sich zunächst ein befestigtes Lager und bereitete, auf St. Catherine gestützt, den förmlichen Angriff auf La Malgue und die Küstenforts vor. Die Flotte, die gleichzeitig mit Eugens Angriff eine Überrumpelung der Küstenforts vergeblich versucht hatte, schiffte Geschütze mit Bedienungsmannschaften aus und hielt die Hafeneinfahrt blockiert. Erst am 12. August begann man ernstlich mit der Beschießung der Küstenforts, auch um der Flotte ein Näherkommen zu erleichtern. In der Zwischenzeit aber hatten die Franzosen die Befestigungen verstärkt und die Verteidigung organisiert. Tessé war mit 18 Bataillonen herangekommen, hatte die Westseite besetzt und Verstärkungen in die Stadt geworfen; die Milizen hielten die Verbindung nach Marseille offen. Schon am 15. machten die Belagerten in stürmischer Nacht einen großen Ausfall und warfen den Feind aus dem größten Teil seiner Angriffslinie. Die Belagerer sahen ein, daß sie nichts erreichen konnten, ja, daß sie sogar eine kräftige Offensive fürchten mußten, und beschlossen, die Belagerung abzubrechen. Um den Abzug zu decken und um doch etwas zu leisten, wurde ein Bombardement eingeleitet; es wurden in der Tat vom 17.–20. die Forts St. Louis und St. Marguerite außer Gefecht gesetzt. Am 21. gingen nun 5 Fregatten und 5 Mörserboote bis zur Höhe von St. Louis und beschossen Hafen und Stadt, man sah einige Schiffe sowie ein großes Magazin brennen; die Fahrzeuge mußten sich aber am 22. bei Tagesanbruch zurückziehen, weil eine neu errichtete Batterie sie unter wirksames Feuer nahm. Immerhin war die Armee während der Nacht ungehindert abgezogen und kam auch, ohne verfolgt zu werden, über den Var zurück. Die Flotte begleitete wieder diesen Rückmarsch.

Erwähnenswert ist, daß die Gardes-marines (die Seekadetten) sich bei der Verteidigung so ausgezeichnet haben, daß die Stadt Toulon ihnen von da an, bis 1786, freies Kasernement gab, oder ihnen, wenn sie auf Kosten des Königs untergebracht waren, für die Person und für den Monat 9 Francs zahlte.

So war nicht nur der große Plan, den Krieg durch Eindringen in die Provence zu beenden, fehlgeschlagen, sondern auch der Angriff auf Toulon unter großen Verlusten mißglückt. Dieser hatte nur den Erfolg, daß Villars' Vordringen in Deutschland gehemmt wurde, weil dieser einen Teil seiner Truppen nach der bedrohten Provinz senden mußte, und daß die französische Marine auch im Mittelmeer den Kampf ganz aufgab. Trotz aller Vorsichtsmaßregeln war ein Teil der versenkten Schiffe (etwa 15?) unbrauchbar geworden. Frankreich stellte in den letzten Jahren des Krieges in Toulon nicht einmal kleinere Divisionen auf, wie es im Norden doch noch bis 1709 geschah.

[549]

Die Operationen der großen Flotte der Verbündeten waren für dieses Jahr zu Ende. Sie zweigte am Var 9 Schiffe ab, um Truppen von Genua nach Spanien zu bringen, und ging dann über Barcelona, Altea und Gibraltar in die Heimat.

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John Leake.

Bei dieser Gelegenheit trat wieder das schlechte Verhältnis der Verbündeten zueinander zutage; über „die zunehmende Mißachtung von seiten der Engländer“ klagen die Holländer. Vizeadmiral v. d. Goes war am 9. Juli gestorben. Am 12. September traf als Ersatz Vizeadmiral van Wassenaer über Land in Genua ein; ein zweiter Flaggoffizier war aus Sparsamkeitsgründen (nach de Jonge) nicht beim Kontingent gewesen. Wassenaer segelte über Barcelona nach Altea und fand hier sein Geschwader; Shovel war mit den englischen Schiffen, „ohne Kriegsrat zu halten und ohne mit den Holländern das Wintergeschwader zu vereinbaren,“ nach Gibraltar gesegelt, nur äußernd, er müsse dort Proviant nehmen. Wassenaer folgte und traf die englische Flotte am 10. Oktober vor Gibraltar schon unter Segel, um die Reise fortzusetzen; hier drang er auf Abhaltung eines Kriegsrates.

Vor Gibraltar wurde die Winterflotte entlassen, 6 holländische und 12 englische Linienschiffe unter Kontreadmiral Dilkes. Der holländische Chef, Vizeadmiral Wassenaer, blieb mit zwei weiteren Schiffen zum Überwintern in Lissabon, aber getrennt von seinem Geschwader, da er nicht unter Dilkes stehen wollte.

Auf der Rückreise trat die Katastrophe ein, die die englischen Admirale, so auch besonders Shovel, stets gefürchtet und vorausgesagt hatten, wenn man die Schiffe in später Jahreszeit aus dem Mittelmeer zurückzöge. Die Flotte verfehlte in schwerem und unsichtigem Wetter den Eingang des Kanals und geriet auf die Scillys; vier Linienschiffe gingen verloren, darunter das Flaggschiff; Sir Clowdesley Shovel wurde nach einigen Angaben von einem Strandräuber wegen seiner Ringe ermordet.

Das Wintergeschwader ging von Gibraltar wieder nach Barcelona und von dort nach Livorno, um Truppen abzuholen; es traf erst am 24. März in Lissabon zur Neuausrüstung ein.

Das Jahr 1708 ist nun das letzte, in dem von den Seestreitkräften Waffentaten von einiger Bedeutung ausgeführt wurden. Am 7. April traf Sir John Leake, jetzt Admiral of the Fleet, mit 5 englischen und 2 holländischen Schiffen bei dem Wintergeschwader ein; 4 weitere Holländer folgten bald, so daß die Seestreitkräfte im Mittelmeer 31 Linienschiffe zählten. Man sieht, daß die Flotte schon wesentlich kleiner war; ein Auftreten der Franzosen war nicht zu befürchten, so konnte auch England jetzt mehr Schiffe zum[550] Schutze des Handels im Norden zurückbehalten. Sie wurde auch noch geteilt: 4 Schiffe wurden bestimmt, vor der Straße von Gibraltar gegen einige französische Fregatten, die in Cadiz für den kleinen Krieg lagen, zu kreuzen; 4 andere sandte man nach den Azoren, um portugiesische Brasilienfahrer zu holen und dann holländische und englische in die Heimat zu führen. Die Hauptflotte, 23 Linienschiffe, ging am 8. Mai in See, um Truppen von Italien nach Barcelona zu bringen. Am 22. traf sie an der Küste von Katalonien auf einen französischen Convoi von 100 Tartanen[271] mit Zufuhr, besonders Proviant, für das spanische Heer; sie nahm 69 Fahrzeuge und zerstreute die übrigen. Bei der unzureichenden Menge von Nahrungsmitteln, die die fechtenden Heere aus Spanien selber ziehen konnten, war dies ein schwerer Schlag für die spanischen Truppen und ein großer Gewinn für die des Königs Karl. In Barcelona wurden wieder 7 Schiffe zurückgelassen, um jede Verbindung Frankreichs mit Spanien über See zu unterbinden; der Rest ging nach Vado (26. Mai). Hier wurde die Flotte bis Mitte Juli aufgehalten, da die Kavallerie von Genua und Livorno geholt werden mußte, dann kehrte sie mit 6000 Mann und 2300 Pferden nach Barcelona zurück; es hatte sich ferner die Braut König Karls, Prinzeß Elisabeth Christine von Braunschweig, eingeschifft.

Dem Admiral wurde nun aufgegeben, Sardinien zu unterwerfen, eine Insel, die als reiche Kornkammer für Karls Heer wichtig war; die Aufgabe wurde schnell gelöst. Am 12. August erschien Leake vor Cagliari und legte seine Mörserboote sofort zur Beschießung aus. Als auf die Aufforderung zur Übergabe die Antwort erst für den nächsten Tag in Aussicht gestellt und damit der Verdacht hervorgerufen wurde, daß der Gegner Zeit zu Verteidigungsmaßnahmen gewinnen wolle, landete man in der Nacht ein Regiment Spanier sowie 1200 englische Seesoldaten und eröffnete die Beschießung; das für Karl günstig gesinnte Volk erhob sich und zwang den Gouverneur zur Übergabe, die ganze Insel folgte diesem Beispiel. Nach der Übergabe der Stadt nahm Leake bei Pula, am Eingang der Bucht von Cagliari, Wasser, und hier erreichte ihn, auf seine Meldung von dem Erfolge, die Bitte König Karls, ein Unternehmen des General Stanhope, des jetzigen Oberbefehlshabers der verbündeten Truppen in Katalonien, gegen Minorca zu unterstützen.

Stanhope hatte auf Anweisung der englischen Regierung, die schon länger Port Mahon als günstigsten Stützpunkt im Mittelmeere selbst ins Auge gefaßt hatte, die Anregung zu diesem Unternehmen gegeben. Die Bevölkerung der Insel war karlistisch gesinnt, aber die Gegenpartei hielt die festen Punkte besetzt. Diese wurde von den Franzosen unterstützt, die im Januar 1707 eine Division Schiffe zur Unterdrückung eines Aufstandes gesandt und dann eine Besatzung zurückgelassen hatten. Stanhope zog im August 2600 Mann, vorwiegend Engländer, in Barcelona zusammen, er fühlte sich aber ohne eine größere Seestreitkraft zu schwach. Er hatte zwar die an der katalonischen Küste stationierten Linienschiffe zur Begleitung gewonnen — sie standen[551] weder unter ihm noch unter König Karl, aber eins davon führte sein Bruder, und dieser bestimmte die anderen Kommandanten zur Teilnahme —, er bat aber doch auch Leake mitzuwirken und schrieb dabei, er sei segelfertig und auch in Mallorca ständen Truppen und Geschütze bereit. Leake beschloß sofort, der Bitte zu willfahren.

Corbett sagt hierzu: „Die Inbesitznahme von Gibraltar war allerdings schon von großem Werte für England, aber fast nur als eine Station zum Schutze des Handels; zur Behauptung der Seeherrschaft im Mittelmeer brauchte man einen Hafen in diesem Meere, der auch sicher genug war, ein Wintergeschwader dort zu halten und auszurüsten. Ohne einen solchen blieb Frankreich imstande, sobald die verbündete Flotte im Herbst heimging und das Wintergeschwader nach Lissabon zurück mußte, seine Freibeuter auslaufen zu lassen sowie auch den Verkehr mit Spanien wieder aufzunehmen; es trat hinzu, daß eine ständige Flotte im Mittelmeer wünschenswert erschien, um dauernd auf den Papst und andere bourbonisch gesinnte Fürsten Italiens zu drücken. So war die Besetzung Gibraltars nur ein erster Schritt. Die englischen Seeoffiziere hatten schon immer auf den vorzüglichen Hafen von Port Mahon hingewiesen und 1705 erschien in England eine anonyme Schrift („An inquiry into the causes of our naval miscarriages“), die die Besetzung dieses Platzes dringend empfahl. Auch Marlborough war, besonders nach dem Fehlschlage gegen Toulon, für Gewinnung eines Stützpunktes und wies, da Karl III. beständig um eine Flotte auch während des Winters bat, den König und den Kaiser nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin, Port Mahon zu nehmen. Diese schlugen Spezia vor, aber die englischen Admirale erklärten den Platz für seemännisch nicht geeignet und Port Mahon außerdem für viel günstiger gelegen, Toulon zu überwachen. Auf Marlboroughs Drängen ward Stanhope im Juni 1708 beauftragt, in diesem Sinne vorzugehen, und er bereitete im August, als der Feldzug zu Lande wie üblich zu Ende ging, die Einschiffung sämtlicher in Katalonien entbehrlichen Streitkräfte vor. Leake kannte zwar die Pläne, hatte aber keine Befehle. Karl hatte ihn gebeten, nach der Unterwerfung Sardiniens die Truppen von Neapel, die dort nicht mehr nötig wären, nach Spanien zu bringen; von England hatte er den Befehl, eine Demonstration gegen den Papst, der die Partei Jakobs III. in Schottland mit Geld unterstützte, zu machen, falls seine Hauptaufgabe, für König Karl einzutreten, dies erlaube.

Als die Aufforderung Karls III. zu dem Unternehmen gegen Minorca eintraf, war der Admiral im Begriff, mit den englischen Schiffen nach Civitavecchia unter Segel zu gehen; die Truppen in Neapel waren noch nicht zur Einschiffung bereit und den Holländern war verboten, sich an der Demonstration gegen den Papst zu beteiligen. Der gemeinsame Kriegsrat, dem die Wichtigkeit Port Mahons als Stützpunkt für die Flotten völlig klar war, faßte jetzt den Beschluß, der Bitte Folge zu geben.“

Die Flotte segelte am 24. August und traf am 5. September vor Port Mahon ein. Stanhope war noch nicht dort, aber Leake bereitete alles vor: Er sandte Schiffe nach Mallorca, um die Truppen zu holen; er stellte die Stärke des Feindes fest; sie betrug 1000 Mann, zur Hälfte auserlesene französische Seesoldaten und zur Hälfte ein altes Minorca-Regiment; er erkundete und markierte einen geeigneten Landungsplatz etwa 2 Seemeilen von der Stadt entfernt. Am 10. September trafen die Schiffe von Mallorca und am 12. Stanhope mit seiner Hauptmacht ein. Man landete und besetzte die offene Stadt, die sich wie die ganze Insel für König Karl erklärte; die feindlichen Soldaten zogen sich in zwei Forts, die den Hafen beherrschten, zurück. Da nun zu deren Belagerung wie zu der der anderen Städte die Gesamtflotte nicht mehr nötig war, verließ Leake (18. September) seiner Instruktion gemäß mit[552] dem größeren Teile Port Mahon und segelte nach der Heimat, nachdem er die entbehrlichen Vorräte des Proviants und der Munition an Stanhope abgegeben hatte.

Ein Wintergeschwader — 12 englische und 3 holländische Linienschiffe, 5 Fregatten, 3 Mörserboote — blieb unter Kontreadmiral Sir Edward Whitaker zurück und unterstützte die weiteren Unternehmungen. Einige Schiffe nahmen ein kleines Fort bei Fornells, um diesen Hafen an der Nordküste vorläufig als Liegeplatz für die Transporter zu haben; andere zwangen mit einigen hundert Mann die Hauptstadt Ciudadela zur Übergabe; die übrigen Schiffe landeten Geschütze mit Bedienung zur förmlichen Belagerung der gut ausgestatteten Werke Port Mahons. Diese wurden nach Breschelegung am 29. September stürmender Hand genommen.

Port Mahon war in englischem Besitz. England behielt es 50 Jahre und hatte damit eine ebenso sichere Machtstellung im Mittelmeere wie Frankreich und Spanien gewonnen. Von Gibraltar aus beherrschte es Cadiz und Cartagena, mit Port Mahon stand es Toulon gegenüber; Lissabon blieb weiter ein Stützpunkt in zweiter Linie.

General Stanhope ging mit den spanischen und portugiesischen Soldaten nach Barcelona zurück, sobald sie entbehrlich waren — „er zeigte so seinen Eifer für die Sache Karls“. Er ließ auf der Insel nur eine englische Besatzung zurück. In seinem Bericht nach England äußerte er auch seine „unmaßgebliche“ Ansicht, daß man Port Mahon nie wieder herausgeben dürfe, ja seinen Besitz zur Bedingung weiterer Unterstützung in Spanien machen müsse; auch bat er um Ernennung des augenblicklichen Befehlshabers dort zum Gouverneur. Natürlich fühlten sich der Kaiser, König Karl und Holland sehr verletzt, aber England ließ sich nicht irre machen.

Dem Ersuchen Karls III., schon in diesem Jahre das Wintergeschwader in Port Mahon zu überwintern, konnte nicht Folge gegeben werden, da weder Einrichtungen noch Vorräte zur Instandsetzung vorhanden waren. Whitaker holte nochmals Truppen von Italien nach Spanien und ging dann nach Lissabon; schon seine Anwesenheit an der italienischen Küste nach dem Fall von Port Mahon hatte genügt, den Papst zur Anerkennung Karls zu bewegen.

Im Jahre 1708 planten die Franzosen neben dem kleinen Kriege in den nördlichen Gewässern noch einmal einen Einfall in Schottland; der Prätendent Jakob III. sollte mit etwa 6000 Mann dorthin übergeführt werden. Das Unternehmen, ganz gegründet auf eine kräftige Erhebung in Schottland und auf völlige Überraschung, scheiterte kläglich, da diese Bedingungen fehlten; der seemännische Führer der Expedition, Chef d'Escadre Graf Forbin, zeigte jedoch dabei seine Geschicklichkeit. Nach diesem Fehlschlage wurde in den nächsten Jahren in Dünkirchen keine reguläre Division für den Krieg mehr aufgestellt, nur noch in Brest oder La Rochelle.

Die Expedition sollte früh im Jahre 1708 in See gehen, wohl unmittelbar nach der Abfahrt von Leakes Flotte zum Mittelmeer. Der Zustand der französischen Marine erlaubte keine große Rüstung. Forbins Geschwader bestand aus den wenigen Kriegsschiffen der Dünkirchen-Division und einer größeren Zahl Freibeuter und Transporter; holländische Angaben sprechen von 5 Kriegsschiffen und 30 andern Fahrzeugen, englische von 8 und 24; wenn französische Quellen nur 20 Segel nennen, so sind wohl nur die Kriegsschiffe[553] und Freibeuter gezählt. Eine Krankheit des Prätendenten soll die Abfahrt verzögert haben. In England und Holland hatte man Kenntnis von dem Plane; Admiral Byng erschien schon am 12. März mit 35 Schiffen vor Dünkirchen. Forbin war jetzt für Aufgeben des nach seiner Überzeugung aussichtslosen Unternehmens, aber Jakob bestand auf der Ausführung; als Byng durch Sturm nach den Downs getrieben war, ging man am 19. nachts in See. Holland, dessen Sommergeschwader für die nördlichen Gewässer noch nicht segelfertig waren, sandte wenigstens 4 starke Convoibegleitschiffe nach England; diese stießen am 20. zu Byng und gleichzeitig erhielt der Admiral die Nachricht vom Auslaufen Forbins. Er sandte sofort einige seiner Schiffe sowie die Holländer nach Ostende, um von dort Truppen abzuholen und dann in Newcastle die Nachricht abzuwarten, wo diese nötig seien. Er selber folgte den Franzosen. Forbin war zum Firth of Forth gesegelt, stellte hier aber sogleich fest, daß England alle Maßregeln getroffen hatte, um sowohl die Landung zu hindern wie eine Erhebung zu unterdrücken; er schlug daher Jakob und seinen Offizieren den Wunsch, zu landen, unbedingt ab. Als er das Nahen der Engländer erfuhr (23. März), ging er in See, Byng sichtete ihn gerade noch und befahl allgemeine Verfolgung. Forbin steuerte zunächst nordöstlich, änderte nachts geschickt den Kurs und entkam wohlbehalten nach Dünkirchen; nur ein Schiff, das eingeholt wurde oder, wie die Franzosen sagen, tollkühn den Kampf aufnahm, wurde genommen.

Die letzten Kriegsjahre 1709–1712. Wir wissen, daß zu Ende des Jahres 1708 Ludwig XIV. ernste Versuche machte, Frieden zu schließen (vgl. Seite 5495). England soll dazu geneigt gewesen sein; wohl möglich, denn es besaß ja schon, was es haben wollte. Da die Verbündeten zu viel verlangten, nahm der Krieg seinen Fortgang; die Seestreitkräfte fanden zwar keine Gelegenheit mehr zu größeren Waffentaten, aber ihr stilles Wirken blieb von Wichtigkeit. Im Mittelmeer sicherten sie weiter die Verbindung König Karls mit Sardinien, seiner Kornkammer, sowie mit seinen italienischen Ländern und schnitten Frankreich vom Meere ab. Das Verschwinden der französischen Marine vom Mittelmeer erlaubte eine Verminderung der dortigen Flotte; dies kam dem Handelsschutz in den nördlichen Gewässern zugute, auch konnten stärkere Unternehmungen als bisher gegen die französischen Kolonien in Nordamerika ausgeführt werden. Es wird genügen, die Tätigkeit der verbündeten Flotte in großen Zügen zu geben, und nur einzelne Vorfälle näher zu schildern, ohne wie bisher auf alle Operationen und Bewegungen näher einzugehen.[272]

1709 traf Admiral Byng schon im Januar mit Verstärkungen bei der Winterflotte ein, er brachte Material und Vorräte zur Schaffung eines Stützpunktes in Port Mahon mit. Die Zahl der englischen Linienschiffe wird etwas über 20 gewesen sein, Holland verstärkte sein Kontingent erst im Mai auf 9. Byng kreuzte hauptsächlich an der französischen Küste; ein Versuch, das belagerte Alicante zu entsetzen, mißlang, man konnte bei seinem Fall nur die Garnison mitnehmen. Im Herbst ging der Admiral mit einem Teil seiner Schiffe heim; die 3 Holländer des vorjährigen Wintergeschwaders wurden durch 6 neue ersetzt, so daß dies Kontingent jetzt 11 Schiffe stark war. Das Wintergeschwader unter Vizeadmiral Whitaker verblieb, gesammelt oder[554] in Divisionen geteilt, an der spanischen und französischen Küste, nunmehr auf Port Mahon gestützt.

Trotz dieser Blockade gelang es dem Kapitän Cassard 1709, ebenso 1710 und 1711, einen Getreide-Convoi von Tunis oder von der Levante nach Marseille einzubringen, zweimal unter Abschlagen englischer Divisionen; die Zufuhren waren von großer Wichtigkeit, weil in Frankreich Hungersnot herrschte.

Im März 1710 kam Admiral Sir John Norris in Port Mahon an. Die Streitkräfte waren auf etwa 34 Linienschiffe verstärkt, doch wurde die Hälfte zur Deckung von Getreideconvois aus Oran und der Levante für König Karl und zur Bewachung der Straße sowie Sardiniens und der italienischen Küste abgezweigt. Mit der anderen Hälfte ging Norris nach Barcelona und erfuhr hier Ende April, daß eine französische Expedition gegen Sardinien bevorstehe. In Sardinien waren Unruhen gegen den unbeliebten Gouverneur ausgebrochen; Frankreich beabsichtigte, diese durch eine Sendung von Truppen (2000 oder 3500 Mann) unter Bedeckung von 6–8 Kriegsschiffen und 20 Galeren zu unterstützen. Norris gelang es, das Unternehmen zu vereiteln.

Der Admiral brachte Ende April einen neuen Vizekönig nach Cagliari, wodurch die Ruhe sofort wieder hergestellt wurde; von den Franzosen war nichts zu bemerken. Er ging dann nach Vado, um Truppen zu holen, und wurde hier bis Mitte Juni aufgehalten; ein Versuch, durch eine Division einen Convoi an der Küste der Provence abzufangen, mißlang. Auf die Nachricht, daß die französische Expedition jetzt von Toulon und Marseille gesegelt sei, ging Norris nach Sardinien, nahm in der Bucht von Terra Nova 4 französische Transporter und zwang die von diesen gelandeten 400 Mann durch Landung seiner Soldaten zur Übergabe. Er erfuhr, daß 10 Galeren mit Transportern bei seinem Nahen von der Westküste der Insel, wo der Hauptangriff geplant war, nach Ajaccio geflüchtet seien, und folgte dahin. Die Galeren waren schon nach Frankreich zurückgegangen, aber 8 Transporter (500 Mann und das gesamte Kriegsmaterial der Expedition) wurden genommen; die Neutralität Genuas, dem Corsica gehörte, beachtete Norris nicht.

Als die Flotte in Barcelona wieder eingetroffen war, trat eine andere Aufgabe an sie heran, eine Landung in der Languedoc, um einen neuen Aufstand der Camisards zu unterstützen. Der mit viel zu geringen Kräften unternommene Versuch schlug vollständig fehl.

Man beabsichtigte, in Cette festen Fuß zu fassen, um mit den Camisarden, die etwa 12 Meilen von der Küste unter Waffen standen, in Verbindung zu treten. Diese Stadt, die auf einer schmalen Landzunge zwischen dem Meere und einem Küstensee fast wie auf einer Insel liegt, hätte bei genügend starker Besetzung wohl gehalten werden können, weil die Verbündeten die See beherrschten. Die Flotte erschien am 24. Juli, landete 700 Spanier sowie einige Seesoldaten und nahm noch am selben Tage ohne Widerstand Cette. Am nächsten Tage sicherte man sich durch Besetzung des kleinen südwestlich liegenden Ortes Adge und einer Brücke dort gegen einen Angriff von dieser Richtung her. Der Versuch der Franzosen, mit 400 Dragonern und 2000 Mann Miliz über den See auf die Landzunge zu gelangen, wurde durch die Boote der Flotte vereitelt, aber infolge eines falschen Alarms verließ die Besatzung Adges ihre Stellung. Da nun Marschall Noailles in Eilmärschen mit 2000 Reitern, deren jeder einen Grenadier hatte aufsitzen lassen, hier herankam, wurden die Gelandeten unter Verlust ihrer Nachhut wieder eingeschifft und das Unternehmen aufgegeben; aussichtslos war es überhaupt, weil man eine Verstärkung nicht vorgesehen hatte.

[555]

In diesem Jahre überwinterten die Engländer sämtlich im Mittelmeer, die Holländer gingen heim. Auch für diese war der Befehl unterwegs, dort zu bleiben, da man nach den letzten Erfolgen Karls III. (Sieg bei Saragossa) hoffte, bei kräftiger Unterstützung durch die Flotte den Krieg in Spanien zu beenden; die Order erreichte das Geschwader nicht. Zwar wurde in Holland sogleich die Entsendung von 24 Linienschiffen beschlossen, aber man konnte nur 13 ausrüsten und auch diese trafen nur nach und nach — meist mit englischen Schiffsverstärkungen oder Ablösungen und stets mit englischen Truppentransporten — an der spanischen Küste ein, die ersten Ende März, die letzten erst im Hochsommer 1711; sie blieben dann bis Ende 1712 im Mittelmeer. Die Engländer werden in den letzten Jahren des Krieges, im Sommer wie im Winter, einige 20 Schiffe dort gehabt haben; die Gesamtflotte zählte etwa 35.

Im Jahre 1711 kreuzten einzelne Schiffe sowie kleine Divisionen im Westbecken des Mittelmeeres und zeigten sich an der Küste Italiens, weil in den habsburgischen Provinzen Unruhen ausbrachen; ein größeres Geschwader versuchte vergeblich, an der französischen Küste einen Convoi (Cassard) abzufangen. Die Hauptflotte lag in Port Mahon oder Barcelona zur Verfügung König Karls bereit, dessen Erwählung zum Kaiser nach Josephs Tode (17. April) bevorstand: sie sollte ihn nach Italien bringen, sobald er es wünsche. Als im Hochsommer eine größere Verstärkung zur Flotte stieß, ging Norris mit einigen seiner Schiffe, wohl den schwereren, nach England und gab den Oberbefehl an Admiral Jennings ab. Dieser brachte mit 24 Schiffen, (6 ließ er zum Schutz der Königin in Barcelona zurück), im Herbst (27. September) den König nach Genua (am Tage seiner Erwählung 12. Oktober dort), führte dann Truppen nach Katalonien zurück und nahm endlich Winterlager in Port Mahon.

Um diese Zeit waren schon Friedensunterhandlungen zwischen England und Frankreich im Gange. Wie die Engländer jetzt im niederländischen Feldzuge des Jahres 1712 ihre Verbündeten nicht mehr unterstützten, so hielten sie sich auch im Mittelmeer zurück; nur noch einmal traten sie gemeinsam mit den Holländern auf. Im April hörte Jennings, daß ein französisches Geschwader aus Toulon auslaufen solle, Ziel unbekannt. Er ging von Port Mahon in See, um zwischen den Balearen und Katalonien zu kreuzen, kam jedoch infolge stürmischer Winde zu spät. Cassard kam mit 6 Linienschiffen und 2 Fregatten wohlbehalten durch, gelangte ungehindert nach Westindien und brandschatzte hier holländische und englische Kolonien. Die Flotte segelte dann noch vereint nach Vado, hier aber trennten sich die Kontingente; Jennings kehrte nach Port Mahon zurück, die Holländer führten allein Truppen nach Spanien und bald darauf noch einmal. Dann erhielten sie Befehl, in die Heimat zu kommen und gingen am 7. September 1712 dahin ab. Der Kriegsrat wagte nicht, ohne Befehl der Bitte der Königin Elisabeth Christine, zu bleiben, Folge zu geben.

Der Seekrieg im Mittelmeere war zu Ende — England und Portugal schlossen im November Waffenstillstand mit Philipp V. — und die[556] habsburgische Sache in Spanien war verloren. Die Kaiserin sah sich genötigt, mit ihren deutschen Truppen Katalonien zu räumen und die treue Provinz ihrem Schicksal zu überlassen. Philipp eroberte sie mit französischer Hilfe; 1714 wurde Barcelona erstürmt. Auch die Balearen unterwarfen sich 1715.

Von den Ereignissen des kleinen Krieges in den letzten Jahren ist eine französische Expedition gegen Rio 1712 hervorzuheben, weil sie mit größeren Mitteln unternommen wurde und auf den Friedensschluß zwischen Portugal und Frankreich von einem ähnlichen Einfluß war, wie die Expedition de Pointis' auf Spanien gegen Ende des Pfälzischen Erbschaftskrieges.

Schon im Jahre 1710 hatte eine französische Freibeuterflottille den Versuch gemacht, Portugal in Brasilien, seiner Hauptgeldquelle, zu schädigen. Kapitän Duclerc hatte versucht, mit 5 Schiffen in den Hafen von Rio einzulaufen. Als dies durch die Forts verhindert war, landete er 1000 Mann und drang in die Stadt ein, dann erst gelang es dem unentschlossenen Gouverneur, und auch nur durch Beistand der Einwohner, ihn zu überwältigen. Die Franzosen wurden fast sämtlich hingemetzelt, Duclerc und viele andere nach der Übergabe ermordet. Im Jahre 1711 gab der schon berühmte Kapitän Duguay-Trouin die Anregung zu einem zweiten Unternehmen. Da der Marineminister mit seinen Mitteln nicht genügend Schiffe ausrüsten konnte, bildete sich eine Gesellschaft, die die Kosten teilweise übernahm. Der König stellte Schiffe und Besatzungen, hatte Anspruch auf ein Fünftel des Reingewinns, mußte aber den etwaigen Verlust an Schiffen tragen; die Gesellschaft verpflichtete sich, für jeden gestorbenen, gefallenen oder fahnenflüchtigen Soldaten eine Entschädigung von 30 Franken zu zahlen. So erhielt Trouin 7 Linienschiffe, davon 2 zu 74 Kanonen, 8 Fahrzeuge von 20–26 Kanonen, 2 Mörserboote und 2000 Mann. Obgleich der Plan in England wie in Portugal bekannt wurde, hatte die Expedition vollen Erfolg: Rio wurde auf längere Zeit besetzt, eine Kontribution von etwa 1300000 Mark erhoben und reiche Beute gemacht. Die Gesellschaft gewann 92%; der Verdienst des Königs wird nur gering gewesen sein, weil 2 Linienschiffe auf der Rückreise verschollen.

Trouin[273] verließ am 9. Juni 1712 La Rochelle und traf am 11. September vor Rio ein. England hatte durch ein Postschiff Portugal von der bevorstehenden Abfahrt der Franzosen in Kenntnis gesetzt und diese Nachricht wurde, mit demselben Fahrzeug weitergesandt, Ende August in Rio bekannt. Trotzdem waren nur ungenügende Gegenmaßregeln getroffen worden; es gelang Trouin, während der Nacht in den Hafen einzulaufen, die Insel das Cobras unmittelbar vor der Stadt zu besetzen und hier Batterien zu bauen. Die Behörden verloren den Kopf; 4 Kriegsschiffe, die im Hafen lagen, setzten sich auf Strand und in Brand; die Truppen, 12000–13000 Mann, hielten sich in den Befestigungen und ließen die Franzosen am 13. unbehindert landen. Diese, etwa 3000 Mann mit 24 Kanonen, begannen nun die Belagerung der Forts und die Beschießung der Stadt so wirksam, daß die Bürger in Masse flohen und der Gouverneur nach Anzündung der Magazine abzog. Er verschanzte sich vor der Stadt, und benützte nicht einmal die Gelegenheit zum Angriff, als sich die Franzosen am 21. zu einer gründlichen[557] Plünderung in der Stadt zerstreut hatten. Trouin verlangte dann unter Androhung völliger Zerstörung die Kontribution, und der Gouverneur bewilligte sie am 10. Oktober, obgleich er wußte, daß Hilfstruppen aus den Nachbarprovinzen heranzogen; diese trafen schon am 11. ein. Am 13. November zogen die Franzosen nach erfolgter Zahlung der Kontribution und Einschiffung der Beute ab. Etwa 350 Gefangene der ersten Expedition wurden befreit; einige Offiziere dieser waren nach Bahia gebracht. Den Versuch, auch sie zu befreien, mußte Trouin widriger Winde an der Küste halber aufgeben; das Aufkreuzen hielt ihn 40 Tage auf, erst am 6. Februar 1713 traf er in Brest ein.

Es berührt eigentümlich, daß England weder das Auslaufen noch die Durchführung der Expedition gehindert hat; es war doch die Gelegenheit, sowohl einen gewissermaßen in Schutz genommenen schwachen Verbündeten vor großem Schaden zu bewahren als auch dem gemeinsamen Feinde einen empfindlichen Schlag zu versetzen.

Der Verlust an Schiffen Im Kriege 1702–1713 war sehr bedeutend. Es verlor

England Schiffe: 80 K. 70 K. 60 K. 50 K. über 30 K. kleinere
  In Gefechten 2 4 1 10 9 22
  Sonst verunglückt 2 8 4   7 2 10
  Summe: 38 Linienschiffe; 43 kleinere
 
Frankreich
  In Gefechten 6 7 15 12 10 86
  Sonst gegen 50 Segel.

Für Holland sind genaue Angaben nicht vorhanden.

Die Angaben schwanken in den Quellen sehr. Clowes, dem die vorstehenden entnommen sind, glaubt, daß diese auf Grund der neuesten Untersuchungen ziemlich genau sind. Er gibt (am Schluß des Kapitels XXIV) von den englischen Schiffen eine namentliche Liste mit Tag und Ort des Verlustes.

Troude führt für beide Gegner weit geringere Zahlen an. Bei den Linienschiffen (über 50 Kanonen) spricht er nur von 11 englischen und 20 französischen; es ist möglich, daß er auf englischer Seite die großen Verluste durch Schiffbruch (1703 in den Downs 9, 1707 bei den Scillys 4) und auf französischer Seite die durch Versenken in Toulon unbrauchbar gewordenen (nach Andeutungen auf etwa 15 zu schätzen) nicht eingerechnet hat. An Fregatten nennt er gar nur 2 englische und 11 französische; es ist dies nur so zu erklären, daß er den kleinen Krieg nicht berücksichtigt hat, namentlich nicht die königlichen Schiffe, die als Freibeuter im Privatdienst standen. Für Holland zählt er 3 Linienschiffe und 7 kleinere, auch wohl eine viel zu geringe Angabe besonders bei den kleineren.

Chabaud-Arnault gibt den Gesamtverlust der Franzosen mit 35 Linienschiffen, einigen 50 kleineren Kriegsschiffen und mehreren Hunderten von Freibeutern; diese Angabe stimmt mithin annähernd mit Clowes überein, unter den Freibeutern befanden sich ja viele Kriegsschiffe.

Da bekanntlich in den größeren Aktionen nur Frankreich bei Vigo, Gibraltar und Toulon bedeutendere Verluste erlitten hat, sind die meisten verlorenen Schiffe Opfer des kleinen Krieges geworden; wir kommen hierauf noch zurück.

Der kleine Krieg und die Kolonien.

Der Krieg gegen den Seehandel spielte im Spanischen Erbfolgekriege eine ebenso bedeutende Rolle wie im vorigen Kriege und wurde auch ebenso[558] eigenartig von seiten der Franzosen betrieben (vergl. Seite 467 ff.). Wir können an die früheren Betrachtungen anknüpfen und uns auf Angaben beschränken, die den Umfang und damit den Einfluß des kleinen Krieges 1702–1713 beurteilen lassen.

Vom Beginn der Feindseligkeiten förderte, dem Beispiel seines Vaters folgend, der französische Marineminister Jerôme de Pontchartrin den Krieg gegen den Handel mit allen Kräften. Auch er stellte der Freibeuterei Schiffe und Personal der Kriegsmarine zur Verfügung; wiederum durchkreuzten zahlreiche Kaper, besonders von Dünkirchen und St. Malo aus, einzeln oder in kleinen Verbänden den Kanal, den Eingang zu diesem und die Nordsee. Jerôme stellte wie sein Vater kleine Divisionen in den nördlichen Häfen für den Kreuzerkrieg auf; die „Escadre du Nord“ wurde wiederum ständig in Dünkirchen gebildet, andere Divisionen traten meist in Brest oder La Rochelle hinzu. Diese kleinen Verbände der königlichen Marine, in ihrer Stärke zwischen 3–14 Kriegsschiffen schwankend, aus kleineren Linienschiffen (50–60 Kanonen) oder schweren Fregatten (40–50 Kanonen) bestehend und bisweilen durch Freibeuter verstärkt, griffen vornehmlich größere Convois von Handelsschiffen oder von Transportern mit Kriegsmaterial für Spanien an. Solange Ostende in französischem Besitz war (bis 1705), wurde hier eine Division von Galeren (6) gehalten, geeignet, die holländische Küste zu beunruhigen oder in der Schelde in den Landkrieg einzugreifen.

Frankreich bedrohte so den englischen und holländischen Handel sehr, aber es ist wohl zu bemerken, daß sich dieser Angriff der Hauptsache nach auf die erwähnten Gewässer, also nahe bei den eigenen Küsten, beschränkte; im Mittelmeer konnte sich die französische Freibeuterei überhaupt nur wenig regen, weil hier während des größten Teiles des Jahres die Flotten der Verbündeten die See beherrschten. Gegen Ende des Krieges ließ die Kraft dieser Kriegführung nach, es fehlten die Mittel. Nach 1709 wurde wegen Geldmangels das Nordgeschwader nicht mehr ausgerüstet; eine große Zahl der Freibeuter, Kriegs- wie Kaperschiffe, war weggefangen worden. Die kleinen Divisionen haben bei ihren Angriffen, weil sie nicht durch Convois behindert waren, fast immer Erfolg gehabt oder sich doch dank der Geschicklichkeit ihrer Führer und der Segeleigenschaften ihrer Schiffe größeren Verlusten entziehen können. Die Galerenflottille hatte nur einen Erfolg zu verzeichnen: sie fing in Windstille ein von seinem Geschwader versprengtes holländisches Linienschiff.

Auf seiten der Verbündeten ging naturgemäß das Hauptbestreben dahin, ihren weit größeren Handel zu decken. Holland stellte zu diesem Zweck in jedem Jahre 2–3 Geschwader auf: zum Beobachten der Galeren; zum Schutz der Nordsee gegen Dünkirchen, wie in allen früheren Kriegen; zum Geleiten der großen Ostindienconvois auf ihren Aus- und Heimreisen durch die Nordsee. Zahlreiche Convoijers (30–40 zu 20–50 Kanonen) traten als ständige Begleitung der Convois hinzu.

[559]

Die Stärke dieser Geschwader war beträchtlich; sie zählten zusammen:

1702 = 15 Linienschiffe, 4 Fregatten  
1703 = 22 3  
1704 = 17 8  
1705 = 15 6  
1706 = 12 6 und 4 Schiffe der ostindischen Kompagnie
1707 = 17 6  
1708 = 17 6  
1709 = 16 7 und 2 Schiffe der ostindischen Kompagnie
1710 =   7 5  

Von 1706 an war das Geschwader gegen die Galeren nicht mehr nötig; 1710 war nur das Geschwader für die Ostindienconvois in Dienst gestellt und 1711–1712 wurden alle ausgerüsteten Schiffe zum unmittelbaren Convoidienst herangezogen.

Holland übernahm also in erster Linie den Handelsschutz östlich von Dünkirchen; hier kamen nicht nur sein Ostseehandel und seine Nordseefischerei in Betracht, sondern auch die transatlantische Schiffahrt wählte während des Krieges den Weg um Schottland. Die Tabelle zeigt, daß, als der französische Kreuzerkrieg um 1709 aufhörte, Holland, selbst erschöpft, ebenfalls nachließ. Aber auch die Freibeuterei war von Holland lebhaft betrieben und bald besonders gegen die feindlichen Kaper gerichtet. Wie in den letzten Jahren des vorigen Krieges setzte die Regierung 1702 hohe Preise für das Aufbringen solcher aus; die eigenen Kaper hielten sich sonst wegen des höheren Gewinns lieber an das Wegfangen von Kauffahrern, und es war doch wichtiger, den eigenen Handel zu schützen. Wie stets waren die Seeländer die Tätigsten als Freibeuter.

Die Prämien wurden berechnet nach der Besatzungsstärke und Armierung (Kopfzahl und Geschoßgewicht einer Chargierung) des genommenen Schiffes und waren höher für die in der Nordsee gemachten Prisen. Ein Schiff von 220 Mann und 40 Kanonen brachte in der Nordsee 42900 Gulden, in andern Gewässern zwei Drittel dieser Summe.

In Seeland bildeten sich wieder Gesellschaften, die Freibeuter ausrüsteten. Schon 1703 liefen von Middelburg und Vlissingen 47 Fahrzeuge (10–40 Kanonen) aus; 25 Kauffahrer, doppelt bemannt, durften neben dem Handel auch Kaperei treiben; viele Schiffe wurden eigens zu diesem Zwecke neu erbaut. Die Seeländer waren nach ihrer Gewohnheit nicht sehr wählerisch und nahmen auch Schiffe neutraler oder verbündeter Völker; die Generalstaaten verweigerten deshalb die Ausgabe weiterer Kaperbriefe, aber die Provinz setzte es doch durch, indem sie behauptete, die fraglichen Schiffe hätten unter dem Schutz ihrer Flagge mit Frankreich Handel getrieben. 1706 stellten Middelburg und Vlissingen 74 Segel (die größere Zahl mit über 26 Kanonen und hinauf bis zu 52) mit insgesamt 1760 Kanonen und 11750 Mann, diese Schiffe schwärmten bis in die fernsten Meere, besonders aber in der Nordsee. Auch in den anderen Provinzen rüsteten die Städte, sogar einzelne Dorfgemeinden, Fahrzeuge aus; bei dem stockenden Handel wurde die Freibeuterei eine Erwerbsquelle für die seemännische Bevölkerung.

Nach 1708 nahm die Jagd auf feindliche Kaper ab, weil diese seltener wurden und weil die für die Prämien ausgesetzten Mittel erschöpft waren; auch stieg jetzt der eigene Handel wieder; seine Stockung in den ersten Jahren hatte viele Schiffe und Seeleute in den Dienst der Freibeuterei getrieben.

England beteiligte sich an der Bewachung Dünkirchens und an der Sicherung der Nordsee, hat aber wohl in erster Linie den Schutz des Kanals[560] und die Blockierung der französischen Küste durch eine größere Flotte, teils vereinigt, teils in Geschwader geteilt, übernommen; auch hier wurden natürlich die Convois durch Kriegsschiffe, hinauf bis zu selbst schwereren Linienschiffen, begleitet sowie einzelne Kreuzer entsandt. Englischen Geschwadern glückte es, größere französische Convois abzufangen, da diese ja in ihren Bereich kommen mußten.

Über die Stärke der englischen Seestreitkräfte in den nördlichen Gewässern liegen genaue Angaben nicht vor. Nach den Abmachungen über das Verhältnis der Rüstungen zur See müssen sie weit bedeutender als die holländischen gewesen sein. England beklagte sich später, und selbst nach holländischen Quellen nicht ganz ohne Berechtigung, daß Holland seiner Pflicht nicht nachgekommen sei; da dieses aber bei der Hauptflotte im Mittelmeer annähernd geschehen ist, muß der Unterschied in den heimischen Gewässern gelegen haben.

Nach allen Angaben muß man annehmen, daß England im Gegensatz zu Holland den kleinen Krieg gerade in den letzten Jahren, als die Flotte im Mittelmeer vermindert werden konnte, mit immer wachsender Tatkraft durchgeführt hat.

Einen Begriff von dem Umfang des kleinen Krieges geben die ungeheuren Verluste auf beiden Seiten: England hat gegen 50, Frankreich gegen 100 Kriegsschiffe sowie zahlreiche Kaper in Gefechten[274] verloren. Über Holland fehlen nähere Angaben.

Nach den früher gemachten Angaben (Seite 557) kann man mit einiger Sicherheit annehmen, daß England 17 Linienschiffe im kleinen Kriege verloren hat. Der Verlust der dort angeführten 7 schwereren (über 60 Kanonen) ist durch die Schilderungen größerer Gefechte im Kreuzerkriege festgestellt worden; die 10 50-Kanonenschiffe und die 31 Fregatten usw. werden auch zum größten Teile als Convoischiffe und als Kreuzer gefallen sein — wir hörten ja von keinen bemerkenswerten Verlusten bei der Hauptflotte. Einige der als verunglückt angeführten Schiffe sind gleichfalls wohl Opfer des seemännisch gefährlichen Blockadedienstes geworden.

Die Franzosen haben einen Gesamtverlust von 40 Linienschiffen gehabt. Rechnen wir die Verluste von Vigo, Gibraltar und Toulon mit 35 ab, so bleiben 5 für den Kreuzerkrieg; diese werden im Privatdienst gestanden haben, denn in den Gefechten ihrer Kreuzerdivisionen sind keine Verluste erwähnt, oder es sind die 5, von deren Verlust bei Malaga einige englische Quellen sprechen. Dazu kommen aber die angeführten 95 kleineren Kriegsschiffe und „mehrere hundert“ Kaper.

Vorstehende Berechnung eines Verlustes von 50 englischen und 100 französischen Kriegsschiffen während des ganzen kleinen Krieges stimmt gut überein mit den Angaben eines Kommissionsberichtes im Hause der Lords vom Jahre 1707. Nach diesem hatte England 1702–1707 80 französische Kriegsschiffe sowie 175 Kaper genommen und selber 30 Kriegsschiffe verloren.

Wenden wir uns schließlich zu den Erfolgen des kleinen Krieges. Angaben über die Gesamtzahl der aufgebrachten Kauffahrer sind nicht vorhanden, einen Anhalt gibt der ebenerwähnte Kommissionsbericht[561] im Hause der Lords. Nach diesem hatten die Engländer in den ersten fünf Kriegsjahren 1300–1400 französische Kauffahrer genommen und 1100–1200 verloren, von denen aber 300 wiedergenommen sind. Dies war in den Jahren, in denen der französische Kreuzerkrieg blühte, und trotzdem war der Verlust der Franzosen größer; zieht man aber in Berechnung, daß der englische Handel ungemein überlegen war, so stellt sich der relative Verlust auf französischer Seite noch ganz anders dar. Ähnlich wird das Verhältnis Holland gegenüber gewesen sein. Der mit aller Anstrengung geführte Kreuzerkrieg der Franzosen — unter besonders fähigen und tätigen Geschwaderführern sowie Kaperkapitänen mit tüchtigstem Personal — konnte nicht hindern, daß der eigene Seehandel, nach französischen Angaben, schlechter geschützt war als im vorigen Kriege und lahmgelegt wurde und daß der der Gegner, wenigstens der englische, sogar zunahm. Ferner ward Frankreichs Geldnot während des Krieges immer größer und sein Kredit fiel. Es muß dies großenteils dem Abgeschnittensein von der See zugeschrieben werden, denn das reiche Land selber ward nicht vom Feinde betreten und seine Industrie hatte nicht unter unmittelbaren Feindseligkeiten zu leiden; England und Holland waren dagegen imstande, die eigenen Kriegskosten und die ihrer Verbündeten zu tragen. Das Abgeschlossensein von der See brachte Frankreich auch schwere unmittelbare Nachteile, so z. B. Mangel an Korn in den Jahren der Mißernte 1709–1712.

Als 1709 der Kreuzerkrieg der Franzosen in der Nordsee nicht mehr kräftig geführt wurde, erhielten die englischen und holländischen Geschwader hier den Befehl, jegliche Kornzufuhr aus der Ostsee nach Frankreich und Spanien zu hindern. Sie durften zu diesem Zweck jedes Kornschiff anhalten; aufgebrachten Fahrzeugen mit andern Bestimmungshäfen wurde eine Entschädigung für den Zeitverlust zugestanden.

Ganz ist Frankreich nie von der See abgeschnitten gewesen. Dies beweist das Auslaufen Trouins nach Brasilien, sowie der Umstand, daß noch 1710 gegen 40 Freibeuter Dünkirchen verließen und eine Beute von 700 000 Francs machten.

So liefert auch dieser Krieg einen Beweis für die Behauptungen (vgl. Seite 305 und 471), daß ein Kreuzerkrieg, der sich nicht auf eine Flotte stützt, nicht dauernd durchgeführt werden kann und daß eine solche Kriegführung allein nicht imstande ist, einen seemächtigen Gegner niederzuwerfen.

Haupttaten berühmter französischer Freibeuter-Führer.[275] Kapitän Saint Pol, Chef des Dünkirchen-Geschwaders nach seines Lehrmeisters Jean Barts Tode, nahm April 1703 im Kanal mit nur 3 schweren Fregatten mehrere Schiffe eines englischen Convois und von den 3 Schiffen der Bedeckung 2, darunter das führende Linienschiff. Im August vernichtete er mit einem Linienschiff, dem kürzlich eroberten, und 3 Fregatten in der Nordsee von 4 holländischen Kriegsschiffen 3, verlor selber nur 1 und zerstörte mit Booten 200 Fischerfahrzeuge, die sich in eine Bucht der Orkaden geflüchtet hatten; dann nahm er 3 holländische Fregatten, die zum Schutz einer anderen Fischerflotte unterwegs waren. 1704 brachte er einige holländische Kauffahrer in der Nordsee auf und später mit 4 Kriegsschiffen und 5 Freibeutern einen englischen Convoi von 11 Segeln nebst den begleitenden 3 Kriegsschiffen. Bei dieser Unternehmung fiel er.

[562]

Kapitän de Forbin, gleichfalls ein Schüler Jean Barts, folgte im Kommando. Nachdem er dem Handel der Gegner schon großen Schaden in der Nordsee zugefügt hatte, schlug er im Oktober 1706 mit 8 Schiffen, von 20–54 Kanonen, 6 Holländer von 46 bis 50 Kanonen und nahm 2 davon. Im Mai 1707 eroberte er ein englisches Schiff von 72 Kanonen und gegen 20 Kauffahrer; im Juni brachte er noch 30 Kauffahrer auf. Als seine letzte Tat ist uns die Überführung Jakobs III. schon bekannt (Seite 552).

Fregattenkapitän Duguay-Trouin nahm von Brest aus in den Jahren 1702–1706 mit nur 3 kleineren Fregatten in verschiedenen Gefechten 2 Schiffe zu 74 Kanonen, 1 zu 52 Kanonen, 4 Fregatten und eine große Zahl von Kauffahrern; einmal schlug er den Angriff eines portugiesischen Geschwaders von 6 Schiffen ab. 1707 kommandierte er als Linienschiffskapitän die Brest-Division von 4 Linienschiffen (50 bis 74 Kanonen) und 2 Fregatten (40–44 Kanonen). Im Oktober trat er unter Forbins Befehl; die beiden Divisionen waren zusammengezogen worden (zusammen etwa 700 Kanonen), um einen großen englischen Transport mit Truppen und Material für Spanien anzugreifen. Am 21. trafen sie bei Lizard auf den Feind, 80 Transporter gedeckt von 5 Linienschiffen (340 Kanonen). Forbin zögerte mit dem Angriff, weil er erst die Linie bilden wollte, und die Engländer mehrten Segel. Da griff Trouin, ohne die erbetene Erlaubnis abzuwarten, an und hielt den Feind durch Entern fest, bis auch Forbin herankam. Vier der englischen Schiffe wurden aufgesprengt oder genommen, 60 Transporter fielen den Siegern in die Hände. Noch im selben Jahre nahm Trouin ein Schiff von 80 Kanonen und im nächsten einen Convoi von 22 Segeln. Sein Freibeuterzug nach Rio ist uns bekannt (Seite 556).

Chef d'Escadre du Casse führte 1701, 1702, 1708, 1711 mit großem Geschick die spanische Silberflotte nach Europa und leistete damit Spanien und Frankreich ungemein wichtige Dienste. Ihm war fast fortlaufend der Schutz der Kolonien und des Handels in Westindien anvertraut.

Kapitän Cassard führte, wie schon erwähnt, in den Jahren 1709–1711 drei große Getreidezufuhren nach Toulon; zweimal schlug er dabei überlegene Kräfte ab. 1712 lief er, wie auch schon angedeutet, mit 6 Linienschiffen und 2 Fregatten von Toulon aus; er brandschatzte eine der Kapverden (St. Jago) sowie verschiedene westindische Besitzungen Englands und Hollands.

Die Zusammenstöße in den Kolonien[276] beschränkten sich auch im Spanischen Erbfolgekriege auf Handelsstörung und Brandschatzung der Ansiedlungen. Die Verbündeten würden wohl mehr unternommen haben, wenn sie nicht von 1703 ab mit ihrer Hauptkraft an den spanischen Landkrieg gebunden gewesen wären (vergl. Seite 490). Wie im vorigen Kriege trat vorzugsweise England jenseits des Ozeans offensiv auf, Holland entsandte keine nennenswerten Streitkräfte; Frankreich übernahm auch für das schwache Spanien den Schutz des Handels und der Kolonien. Die Hauptereignisse, für die nur Westindien und Nordamerika in Betracht kommen, seien kurz angeführt.

Bei Beginn des Krieges hatte es den Anschein, als ob Westindien ein Schauplatz von größerer Bedeutung werden solle. Wir hörten (Seite 508), daß Frankreich schon 1701 eine schwache Division (Coëtlogon) entsandte, um Truppen hinüberzubringen und die Galeonen abzuholen, England ein stärkeres Geschwader (Benbow; 10 Linienschiffe), um mit Ausbruch des Krieges sofort die Silberflotte und Cartagena anzugreifen, und daß nun wieder Frankreich 10 Schiffe (Château-Renault) hinterher schickte; Benbow erhielt im Mai 1702[563] noch eine Verstärkung unter Admiral Whetstone. Bei Ausbruch des Krieges waren mithin ziemlich starke Streitkräfte beider Parteien in Westindien.

Benbow hielt sich vor Beginn des Krieges schlagfertig bei Jamaica, möglichst unterrichtet über die Stärke der Franzosen sowie ihrer und der Silberflotte Bewegungen; er mußte aber auch den Schutz der Kolonien im Auge behalten, weil der Gegner überlegen war. Coëtlogon verließ bekanntlich schon im Winter und Château-Renault im Frühjahr 1702 mit den Galeonen (in Vigo dann vernichtet) unbehindert Westindien. Benbows Vorsicht war berechtigt gewesen. Renault hat die Absicht gehabt, die Antillen anzugreifen, erhielt aber den Befehl, die Silberflotte zu begleiten. Whetstone hat wahrscheinlich an Benbow den Auftrag überbracht, die Feindseligkeiten zu eröffnen, jedenfalls die Nachricht, daß ein neues französisches Geschwader nahe; es war du Casse mit 4 Linienschiffen und 8 Transportern, eine Truppensendung für spanische Kolonien. Benbow sandte nun einige leichtere Schiffe in die kubanischen Gewässer zum Kreuzen gegen Kauffahrer, stationierte Whetstone mit 6 Linienschiffen an die Südküste Haitis, um du Casse abzufangen, und ging selber mit 7 Linienschiffen zu gleichem Zweck einige Tage später (21. Juli von Jamaica) an die Westküste dieser Insel. Hier hörte er, daß du Casse nach Cartagena bestimmt sei, folgte und traf ihn am 29. August bei St. Marta (östlich von der Mündung des Magdalenenstromes). Du Casse bildete die Gefechtslinie zwischen seinem Transport und dem überlegenen Gegner und schlug den Angriff in einem mehrtägigen Gefechte glänzend ab. Das Gefecht ist bemerkenswert: Die Franzosen sehen in ihm einen weiteren Beweis (neben den vielen Erfolgen im Kreuzerkriege) dafür, daß sie in allen Aktionen zwischen Einzelschiffen oder Divisionen den Sieg davon getragen hätten; die Engländer bezeichnen dieses Ereignis als eins der peinlichsten ihrer Marinegeschichte.

Das Gefecht zwischen Benbow und du Casse vor Cartagena. Schiffe mit Angabe der Kanonenanzahl und Gefechtsordnung:

Defiance 64   Heureux 68 (du Casse)
Pendennis 48   Agréable 50
Windsor 60   Phénix 60
Breda 70 (Benbow)   Apollon 50
Greenwich 54   Prince de Frise 30
Ruby 48   1 Brander
Falmouth 48   3 kleine Fahrzeuge.

Du Casse lag unter Marssegeln nach Westen, den Angriff erwartend, Benbow stand zu Luward. Schon das Bilden der Gefechtslinie machte diesem Schwierigkeit, da „Defiance“ und „Windsor“ dem Signale nicht folgten und der Befehl durch Boote wiederholt werden mußte. Gegen Abend greift Benbow an, aber nach dem Wechseln einiger Breitseiten verlassen die genannten Schiffe mittels Anluvens die Linie und das Gefecht wird abgebrochen. Nachts nimmt Benbow die Spitze und diese Schiffe als unmittelbare Hinterleute, bei Tagesanbruch ist jedoch nur „Ruby“ bei ihm, die übrigen sind und bleiben den Tag über (30. August) weit zurück; trotzdem hält sich Benbow am Feinde, die Bug- und Heckgeschütze der Gegner feuern. Am 31. vormittags kommen „Breda“ und „Ruby“ zum Nahgefecht; „Ruby“ wird in der Takelage so beschädigt, daß der Admiral beidrehen und sie mit Booten aus dem Gefecht tauen muß. [564]„Defiance“ und „Windsor“ waren zwar auch in Schußweite, feuerten aber nicht. Auch am Nachmittage fällt die ganze Last auf „Breda“, die übrigen Schiffe schießen nur gelegentlich. Tag und Nacht weht das Signal „Gefechtslinie“, trotzdem ist am 1. September außer „Ruby“ kein Schiff auf Position, „Greenwich“ sogar 9 Seemeilen achteraus. Infolge einer Windänderung haben die Franzosen nachmittags die Luvstellung, aber Benbow greift doch ihr Schlußschiff an; „Prince de Frise“ muß schwer beschädigt während der Nacht aus dem Geschwaderverbande entlassen werden. Am 2. steht Benbow wieder zu Luward; er kommt wegen zu flauen Windes nicht an den Feind, nimmt aber eins der kleinen Fahrzeuge. Am 3. greifen „Breda“ und „Falmouth“ den „Apollon“ an; dem Admiral wird ein Bein zerschmettert, doch bleibt er in einer Hängematte an Deck. „Apollon“ wird kampfunfähig, und von beiden Seiten kommen sämtliche Schiffe heran. Aber während die Engländer nur einmal in Lee passieren, und eine Breitseite abgeben, decken die Franzosen ihren Kameraden und tauen ihn in Sicherheit, nachdem sie „Breda“ zum Abstehen gezwungen haben. Als nun Benbow seine Kommandanten an Bord gerufen hat, dringt der Kapitän der „Defiance“, von den andern unterstützt, auf Abbruch des Kampfes; der Admiral mußte nach Jamaica zurückgehen, wo er seiner Wunde erlag. Du Casse schrieb ihm vor der Trennung: „Gestern morgen glaubte ich, in Ihrer Kajüte zu Abend essen zu müssen. Ihre Kommandanten, diese Feiglinge, hängen Sie auf. Sie haben es, bei Gott, verdient.“ Die Kapitäne der „Defiance“ und „Greenwich“ wurden auch erschossen, zwei starben während der Untersuchung, die der „Windsor“ und „Falmouth“ wurden begnadigt; nur der der „Ruby“ war nicht angeklagt worden.

Du Casse brachte seine Truppen nach Cartagena und führte dann einige Galeonen nach Europa, obgleich er bei Ouessant nochmals (März 1703) auf eine englische Division stieß.

In den Jahren 1702/03 fanden einzelne gegenseitige Überfälle statt. Die Franzosen versuchten 1702, mit einigen Freibeutern, wahrscheinlich in Sold genommenen Flibustiern, von Haiti aus in Jamaica einzufallen; die Expedition wurde durch Whetstone, der beim Kreuzen gegen Kauffahrer zufällig auf sie stieß, vernichtet. Als eine englische Verstärkung auf der Station eintraf, die von dem Mittelmeer abgezweigten 6 Linienschiffe und 12 Transporter mit Truppen unter Walker (vgl. Seite 515), griff man Guadeloupe an. Es gelang, die Besatzung in die Berge zu vertreiben, die Stadt Basseterre mit ihren Befestigungen zu zerstören und die Insel zu plündern. Die Truppen litten aber sehr in dem Kampfe und auch durch Krankheit und wurden wieder eingeschifft, als eine Verstärkung von Martinique anlangte. Zwischen den englischen Land- und Seeoffizieren soll Uneinigkeit geherrscht haben; dies mag zutreffen, denn weshalb haben sonst die Schiffe den Nachschub nicht gehindert, da sich nennenswerte französische Seestreitkräfte nicht in den Gewässern befanden?

Bald darauf wurden auch die englischen Kräfte in Westindien vermindert, und bis 1705 unternahm keine Partei etwas gegen Ansiedlungen. In diesem Jahre brandschatzten die Franzosen von Haiti aus St. Kitts und Nevis; ein größeres englisches Geschwader erschien und versuchte vergeblich, durch eine Demonstration Cartagena für die Sache Karls III. zu gewinnen. In den Jahren 1706/07 scheint der englische Handel sehr gelitten zu haben, denn der Chef der Station wurde auf Drängen des Unterhauses abberufen und nicht wieder verwendet. Von 1708 an haben die Engländer die westindischen[565] Gewässer im allgemeinen beherrscht. Sie konnten aber doch nicht hindern, daß du Casse zweimal (1708 und 1710) die Galeonen abholte (1708 fielen einige dem Admiral Walker in die Hände), daß 1711 von Martinique aus Montserrat und 1712 durch Cassard, auf seinem Freibeuterzuge, wiederum Montserrat, St. Kitts und das holländische Surinam geplündert wurden. Die Überlieferungen über die Verhältnisse in Westindien während dieser Jahre, auch über die Stärke der Seestreitkräfte dort, werden selbst in englischen Quellen als ungenügend und unzuverlässig bezeichnet.

In Nordamerika wurde der Krieg fast nur mit Milizen und Fahrzeugen der Kolonien ausgefochten; reguläre Truppen und Seestreitkräfte waren auf beiden Seiten schwach vertreten, erstere auf englischer Seite bis 1710 gar nicht. Die englischen Niederlassungen waren zwar weit stärker bevölkert, aber die Franzosen verwandten mit Erfolg große Indianerhorden, die schreckliche Verwüstungszüge unternahmen. 1704 und 1707 versuchten die Engländer von Boston aus über See mit Schiffen der Kolonie, Port Royal (jetzt Anapolis) in Akadia (Neu Schottland) zu nehmen, die Franzosen schlugen alle Angriffe ab, ja sie bemächtigten sich nach und nach fast des ganzen Neufundlands und vernichteten durch Flibustier nahezu Handel und Fischerei des Gegners. Lange baten die erschöpften englischen Kolonien ihr Mutterland vergeblich, genügend Schiffe zu senden, um sich durch einen kräftigen Vorstoß gegen Kanada und Akadia Luft zu verschaffen. Endlich erschien im Juli 1710 ein Geschwader unter Kapitän Martin und mit seiner Hilfe wurde im Herbst Port Royal genommen, doch blieb Akadia sonst in französischem Besitz. Als dann 1711 Admiral Walker mit 11 Linienschiffen, 4 kleineren Fahrzeugen, 30 Transportern und 5300 Soldaten in Boston ankam, hoffte man auf einen endgültigen großen Erfolg: Man wollte Quebec durch die englische Macht von See her und durch 4500 Mann vom Lande aus angreifen. Das Unternehmen unterblieb aber, weil das Vorgehen der Flotte kläglich scheiterte.

Walker verließ Anfang August Boston. Seine zwei 80-Kanonenschiffe legte er vor den Eingang zum St. Lorenz-Golf, weil er sie für zu tiefgehend hielt und weil man von der bevorstehenden Ankunft zweier französischer Kriegsschiffe gehört hatte. Die Flotte segelte in den Golf ein, war aber am Abend des 31. August auf der Höhe der Insel Anticosti gezwungen, wegen Nebels bei starkem Ostwinde beizudrehen; der Admiral ging zu Bett, obgleich die Lotsen schon Beweise ihrer mangelhaften Kenntnisse gegeben hatten. Um 10 Uhr abends glaubte man, über Steuerbord-Bug liegend, Land voraus zu haben, und wendete. Ein Landoffizier sah jetzt Brandung voraus; er drang, als man seiner Wahrnehmung nicht traute, in die Kajüte und holte den Admiral (even in his dressing gown and slippers) an Deck. Tatsächlich hatte man Land dicht voraus und nur durch großes seemännisches Geschick entzogen sich die Schiffe der gefährlichen Lage, aber doch gingen 8 Transporter mit zwei Drittel ihrer Mannschaften (gegen 900 Mann) verloren. Der Unfall wirkte so niederdrückend, daß nicht nur der Angriff auf Quebec, sondern auch ein nach diesem geplanter auf Placentia (Neufundland) aufgegeben wurde. Allerdings war die Flotte auch nur noch mit Proviant auf einige Wochen versehen; sie ging nach England zurück.

Trotzdem wurden im Frieden von Utrecht Neufundland und Akadia von Frankreich an England abgetreten.

[566]

In anderen Kolonien waren nur der Zug Trouins gegen Rio und der Cassards gegen die Capverden von Bedeutung.

Schlußbetrachtungen. In Hinsicht auf die Streitmittel sind nur zwei Punkte noch einmal zu berühren. Colomb führt in seinen Betrachtungen „The conditions under which attacks on territory from the sea succeed or fail“ die Ereignisse dieses Krieges als Beispiele der Notwendigkeit einer unbedingten augenblicklichen Seeherrschaft für derartige Angriffe an, er weist gleichfalls auf die Wichtigkeit einer dauernden für erfolgreichen Schutz des Handels hin. Den Grund, daß im Spanischen Erbfolgekriege die zur See stärkere Partei in beiden Hinsichten ihren Zweck nicht völlig erreicht habe, sieht er darin, daß strikte Blockaden nie durchgeführt, nicht einmal versucht sind; er sagt: „The practice, perhaps even the idea, of barring the enemy in his ports, and so preserving a free sea in rear, is not yet developed.“ Dies ist wohl richtig; man dachte noch nicht daran und war auch nicht imstande dazu. Wie zu Lande, so wurde auch zur See der Krieg im Winter abgebrochen; es kam hinzu, daß man den Schiffen noch nicht genügend traute, und es handelte sich ja auch um stürmische Gewässer: Kanal, Biscaya, Golf von Lyon; aus dem Mittelmeer zog man sogar die Schiffe so früh zurück, daß sie vor Einsetzen der schlechten Jahreszeit in den Kanal einlaufen konnten. So wurde also im Winter die Behauptung der See aufgegeben. Aber auch im Sommer war man häufig dazu genötigt, sehr oft wurden Operationen (auf seiten beider Gegner) infolge schlechter oder ungenügender Ausrüstung der Schiffe, oder Krankheit an Bord, abgebrochen. Bei den auswärtigen Gewässern, Mittelmeer, Westindien und Nordamerika, machte sich in dieser Hinsicht der Mangel an Stützpunkten fühlbar; den Verbündeten standen zwar die portugiesischen Häfen sowie später Gibraltar zur Verfügung, aber diese Plätze lagen zu entfernt vom Wirkungsfelde der Flotte und es fehlte ihnen an leistungsfähigen Werften usw.; sie waren deshalb nicht einmal zum Überwintern größerer Flotten geeignet. Unter solchen Umständen waren scharfe Blockaden ausgeschlossen.

Es ist jetzt schwer zu beurteilen, inwieweit die Besorgnis vor ungenügender Seefähigkeit der Schiffe berechtigt war oder nur alter Anschauung entsprang, und inwieweit die sonstigen Mängel des Materials in den allgemeinen Verhältnissen jener Zeit lagen oder Schuld der Verwaltungen waren. Klagen in Quellen über alle drei Marinen lassen mehr auf schlechte Verwaltung schließen; in Frankreich und Holland gingen die Marinen abwärts, aber auch in England war nicht alles, wie es sein sollte.

Ein zweiter bemerkenswerter Punkt ist das Verhältnis der englischen und holländischen Marine zueinander. Schon im vorigen Kriege klagten die holländischen Seeoffiziere über das hochmütige und rücksichtslose Auftreten der englischen, selbst in dienstlichen Angelegenheiten. Diese Klagen nahmen nach dem Tode Wilhelms III. noch zu: Im Kriegsrat würde nichts auf ihre Ansicht gegeben (Almonde 1703), von wichtigen Vorhaben würde ihnen keine Mitteilung gemacht u. dgl.; sehr zum Nachteil der allgemeinen Sache. Dies ist wieder ein Faktor der Schwäche von Bündnissen, von der wir früher (Seite 356) gesprochen haben. Der[567] Grund lag darin, daß England die holländische Marine nicht mehr als gleichwertig ansah. Damit kommen wir auf die von England erhobene Klage, Holland habe seine Verpflichtungen nicht erfüllt, es habe es in den ersten sieben Jahren an der Hälfte, später sogar an zwei Dritteln der zugesicherten Schiffe fehlen lassen. Mit diesem Umstand begründete England bei den Friedensverhandlungen seinen Anspruch auf Einheimsung fast aller maritimen Vorteile. Diese Klage scheint bislang überall, außer wohl in Holland, als berechtigt angenommen zu sein, wenigstens wird nicht näher auf eine Prüfung eingegangen. Unparteiisch betrachtet, glaube ich, stellt sich die Sache so, daß Holland allerdings hinter den Abmachungen zurückgeblieben ist, jedoch nicht in dem von England behaupteten Umfange.

Im Februar 1712 klagte das Haus der Gemeinen in einer Adresse an den Thron: „Während des ganzen Krieges mußten jährlich große Flotten ausgerüstet werden, um die Herrschaft im Mittelmeer aufrecht zu erhalten und um jeder Streitmacht, die der Gegner in den nördlichen Gewässern aufzustellen beabsichtigte, entgegentreten zu können. Holland ist stets im Rückstande geblieben, so daß Ew. Majestät genötigt waren, diesen Ausfall zu decken; unsere Schiffe mußten zum großen Schaden des Materials zu ungünstigen Jahreszeiten in entfernten Gewässern verweilen. Dies führte ferner zur Beschränkung des Convoischutzes; es war nicht möglich, dem Feinde den Verkehr mit Westindien zu unterbinden, von wo ihm die starke Zufuhr an Silber ermöglicht wurde, ohne die er die Lasten des Krieges nicht hätte tragen können.“ Der Eingabe war eine Tabelle über die von Holland „zu stellenden“ und „gestellten“ Schiffe beigefügt. Die Generalstaaten erhoben hiergegen Widerspruch und führten ganz andere Zahlen auf. Stellen wir nun die Angaben gegenüber; es handelt sich nur um Linienschiffe.

  Englische Angaben Holländ. Angabe Nach de Jonge
  Es waren zu stellen Es sind gestellt Es sind gestellt waren im Dienst
1702 44 33 55 35
1703 47 22 50 34
1704 44 18 56 35
1705 47 20 56 35
1706 46 15 54 30
1707 43 27 49 32
1708 43 25 53 31
1709 42 11 50 30
1710 37 13 43 21
1711 35 12 40        13[277]

Die Generalstaaten behaupteten nun, die Zahlen in Reihe 1 seien zu hoch; sie seien berechnet nach dem Verhältnis einer gemeinsamen Rüstung wie 3: 5, während 1703 vereinbart sei, daß für jedes Jahr die Anzahl festgestellt werden solle, und diese Zahlen habe man erfüllt. Die Zahlen in Reihe 2 seien zu niedrig gegriffen, man habe die in den nördlichen Gewässern befindlichen holländischen Schiffe nicht mitgerechnet.

Nun würde aber noch der große Unterschied zwischen der Angabe der holländischen Admiralitäten (Reihe 3) und de Jonges (Reihe 4) zu ergründen sein. De Jonge erklärt ihn damit, daß die Admiralitäten die großen Convoijer (über 40 Kanonen) eingerechnet und allerdings auch damit, daß sie Schiffe mitgezählt hätten, deren Indienststellung beschlossen, aber wegen Geldmangels nicht ausgeführt sei. Vielleicht liegt ein Unterschied auch darin, daß de Jonge (und ebenso England) die Schiffe unter 50 Kanonen nicht als Linienschiffe berechnet hat, während die Admiralitäten alle über 40 Kanonen[568] als solche zählten. De Jonge erkennt die Berechtigung der englischen Klage nur insoweit an, als sie die Beteiligung Hollands an der Mittelmeerflotte anging; hier hätten stets einige Schiffe gefehlt. Es ist zweifelhaft, ob man die großen Convoijers mitzählen durfte, doch sollte man glauben, daß England in Hinsicht auf seine Leistungen, und somit auf Berechnung des Verhältnisses, sich gleichfalls die Linienschiffe angerechnet hat, die im Convoidienst verwendet wurden.

Die Zahlen der Reihe 1 sind von England als im Verhältnis 3: 5 der englischen Indienststellungen berechnet und als solche von Holland nicht angefochten worden. Man kann aus ihnen mithin schließen, daß England durchschnittlich 70–80 Linienschiffe jährlich im Dienst hatte, wie wir es bei Besprechung der Streitmittel (Seite 505) angenommen haben.

In Hinsicht auf die Entwicklung der Taktik ist nur noch einmal hervorzuheben, daß die Schlacht bei Malaga, die einzige dieses Krieges, als die erste einer Zeit gilt, in der mehr Wert auf Aufrechterhaltung der Gesamtformation in Linie als auf taktische Manöver gelegt wird. Zur Zeit Tourvilles war eine Taktik ausgebildet und wurde angewandt, jetzt wird sie besonders von den Engländern nur schematisch durchgeführt.[278]

Über die Strategie in diesem Kriege; die Aufgaben der Seestreitkräfte, und wie sie diese lösten. Wenn wir auch bei der Schilderung der Ereignisse schon näher auf diese Punkte eingegangen sind als bei den früheren Kriegen, so ist es doch wünschenswert, durch einen Überblick nochmals zu zeigen, welchen Einfluß die Kriegführung zur See gehabt hat oder hätte haben können; gerade dieser Krieg ist lehrreich.

Ein neuerer englischer Autor[279] sagt: „Für die höhere Seestrategie ist kein Krieg lehrreicher als der Spanische Erbfolgekrieg; in vielen Hinsichten gleichen die damaligen Verhältnisse den jetzigen. Der Krieg wurde geführt gegen das gefahrdrohende Übergewicht eines ehrgeizigen und mächtigen Militärstaates, es war ferner ein Krieg für die Freiheit des Handels und England verfügte durch seine Marine über ein Kampfmittel, das kein Festlandsstaat in gleicher Stärke besaß. Ludwig XIV. war durch die Wiederherstellung seines Heeres nach dem letzten Kriege so in Anspruch genommen, daß er seine Marine vernachlässigen mußte, während sich anderseits in England die Abneigung gegen ein stehendes Heer, die die Landmacht Wilhelms III. schwächte, nicht auf die Marine erstreckte; diese blieb in ihrer bisherigen Kraft erhalten.“

Frankreichs Kriegführung. Wie im Jahre 1688, so standen auch 1702 die beiden Seemächte verbündet Frankreich gegenüber, weit überlegen, weil sie etwa 200 Schiffe und Frankreich nur 135 über 40 Kanonen besaßen. Die Aufgabe der französischen Marine war aber größer als im vorigen Kriege, sie hatte neben dem Schutz der eigenen Küsten und Kolonien, sowie des eigenen Handels auch die Interessen Spaniens hierin wahrzunehmen, dessen Marine gar nicht in Betracht kam.

Im vorigen Kriege hatte Frankreich, vertrauend auf die Leistungsfähigkeit der eigenen Flotte sowie auf eine für sich günstige Lage der Verhältnisse in England, den Versuch gemacht, um die Seeherrschaft in großem Sinne zu kämpfen; er war fehlgeschlagen. Jetzt war ein solcher Kampf in den nördlichen Gewässern,[569] in unmittelbarer Nähe der feindlichen Länder, mit unterlegenen Streitkräften, die außerdem an innerem Wert verloren hatten und in zwei weitgetrennte Kontingente geteilt waren, völlig aussichtslos. Es war mithin richtig, daß Frankreich sich im Norden auf den Küstenschutz und den kleinen Krieg beschränkte und sich die Aufgabe stellte, gestützt auf Spanien das Mittelmeer zu halten. Dieses Meer mußte der Hauptkriegsschauplatz zur See werden. Wir wissen, daß in den Verwicklungen, die zum Kriege führten, für die Seemächte die Frage eine Hauptrolle spielte, ob die Stellung des Hauses Habsburg oder Bourbon hier an Kraft gewinne, und daß sie die italienischen Provinzen des spanischen Erbes für Habsburg erobern wollten. Im Mittelmeer konnte also die Flotte der Verbündeten mit mehr Aussicht auf Erfolg in den Landkrieg eingreifen als im Norden, anderseits waren die französischen Seestreitkräfte hier eher imstande, den feindlichen die Stirne zu bieten, weil diese keine Stützpunkte besaßen, bei Ausbruch des Krieges nicht einmal die portugiesischen Häfen. So strebte Frankreich danach, seine Hauptkraft im Süden zusammenzuziehen und von den nördlichen Häfen aus neben Küstenschutz und kleinem Kriege nur die westindischen Kolonien und den Handel von dort, insbesondere die wichtigen Silberflotten, zu schützen. Diese richtige Strategie wurde aber nicht stetig und nie tatkräftig genug durchgeführt.

Vor Ausbruch des Krieges mit den Seemächten, 1701, wurden zwei größere Flotten ausgesandt. Die eine (Château-Renault; von Brest) ging nach Portugal, um dieses Land Frankreich treu zu erhalten, die andere (d'Estrées; von Toulon und von Brest verstärkt) nach Cadiz, gegen das die Verbündeten schon rüsteten. Beide vereint waren dem Gegner gewachsen, wenn er erschienen wäre; es war also für dieses Jahr zweckentsprechend verfügt worden. Renault ging später nach Westindien und führte im nächsten Jahre die Galeonen trotz der Anwesenheit zweier feindlicher Flotten an den europäischen Küsten nach Vigo; d'Estrées brachte spanische Truppen nach Neapel.

Im Jahre 1702 wurde keine größere Flotte zusammengezogen, obgleich in Brest und Toulon stark gerüstet war. Nichts geschah, als die Verbündeten gegen Cadiz vorgingen und später die Silberflotte in Vigo vernichteten. Die Folge dieser Untätigkeit war der Beitritt Portugals zu den Gegnern. Nur ein Geschwader von Brest (du Casse) segelte nach Westindien; und eine Flottille von Toulon (Forbin) bedrohte in der Adria die rückwärtigen Verbindungen der Österreicher in Italien. Auch 1703 verlief tatenlos. Man hatte beabsichtigt, Portugal zu züchtigen, gab aber die Rüstung hierzu auf, als man mit Erscheinen einer feindlichen Flotte rechnen mußte. So war eine verhältnismäßig schwache Kraft der Verbündeten (Shovel) Herrin im Mittelmeer, und ihr Auftreten trug zu Savoyens Abfall von Frankreich bei.

Als mit der Aufnahme des Krieges in Spanien seitens der Seemächte die Herrschaft im Mittelmeer 1704 noch weit wichtiger wurde, machte man endlich größere Anstrengungen. Es gelang, die Schiffe von Brest nach Toulon zu führen und hier eine große Flotte (Graf von Toulouse) zu vereinigen. Sie war aber zu spät bereit, um die Einnahme Gibraltars zu hindern, und ging nach der unentschiedenen Schlacht bei Malaga auf Toulon zurück; ein zurückgelassener Teil (de Pointis) wurde bei dem Versuche, Gibraltar wieder zu nehmen, vernichtet. 1705 fand trotz der Rüstungen im Norden und Süden keine Vereinigung statt, und von Toulon aus wurde kein Versuch gemacht, die allerdings überlegene feindliche Flotte in ihren erfolgreichen Unternehmungen an der spanischen Küste zu hindern. 1706 erschien Graf Toulouse vor Barcelona, zog sich aber beim Nahen des Feindes zurück,[570] und als 1707 Toulon angegriffen wurde, rechnete man gar nicht mit der Flotte, sondern versenkte die Schiffe zu ihrem eigenen Schutze.

In den letzten Jahren des Krieges wurden keine Kräfte für den großen Krieg mehr aufgestellt, der Kampf um die Seeherrschaft war aufgegeben worden.

Diese schwächliche Kriegführung ist nur mit dem Verfall der Marine, mit dem dadurch stets weiter wachsenden Mangel an Zutrauen zu dieser Waffe und mit dem Fehlen des Verständnisses für Art und Wichtigkeit der Kriegführung zur See zu erklären. Man pflegte die Marine nicht mehr, man verwandte sie auch falsch. Denn wenn auch die eingerissene Mißwirtschaft und der Geldmangel die Rüstungen lähmten, so hätte doch mehr geleistet werden können.

So sagt Bonfils z. B. von dem Jahre 1702: „Der schwere Verlust, den Frankreich und Spanien durch die Vernichtung der Silberflotte mit ihrer Bedeckung erlitten, war eine Folge davon, daß man die vorhandenen Kräfte nicht zu einer Flotte zusammenzog. Untätig lagen die Geschwader in den verschiedenen Häfen und verursachten doch die gleichen Kosten.“ Dies bleibt für die ganze erste Hälfte des Krieges zutreffend. Am unverständlichsten ist das Verhalten der Flotte 1704. Bei Malaga waren die Franzosen dem Gegner gewachsen, die Verhältnisse lagen nach der unentschiedenen Schlacht für sie günstiger als für die Verbündeten; schwächlich brachen sie den Feldzug des Jahres ab. Hatten sie mehr gelitten, als man weiß? Glaubten sie mit „dem Verjagen des Feindes aus dem Mittelmeer (?)“ (wie sie sich rühmten) ihre Pflicht getan zu haben? Waren dem Grafen Toulouse die Hände gebunden, um nicht zu viel aufs Spiel zu setzen, oder gar aus Gründen der Eifersucht und aus bösem Willen Pontchartrins ihm gegenüber?

Die Kriegführung der Verbündeten. Wie schon angedeutet, waren die Verbündeten auf eine Offensive im Mittelmeer hingewiesen; im vorigen Kriege hatten die Vorstöße gegen die französischen Küsten nicht einmal ein Abziehen bemerkenswerter Streitkräfte von den Kriegsschauplätzen an den Grenzen erzielt. Im Norden konnte man sich darauf beschränken, den eigenen Handel zu schützen, Frankreich von der See abzuschließen und seine Streitkräfte in Häfen festzuhalten. Im Süden war es möglich, in den Landkrieg in Norditalien einzugreifen, Süditalien für den Kaiser zu erobern, Frankreich auch hier abzuschließen und somit ganz zu vereinzeln, sowie endlich den spanischen Handel mit Westindien und Südamerika zu bedrohen.

Wilhelm III. und nach ihm Marlborough sowie Heinsius strebten deshalb von Anfang an dahin, die Haupttätigkeit der Flotte nach dem Süden zu legen und vor allem zur leichteren Lösung der Aufgaben Stützpunkte an der Straße und im Mittelmeer selber zu gewinnen; England hatte wohl sicher die Absicht, diese dauernd zu behalten. Marlboroughs Partei und Heinsius fanden aber in ihren Ländern wenig Verständnis für ihre Pläne und starken Widerstand bei deren Durchführung. In den Niederlanden war keine Neigung zu einem Kriege in fernen Gewässern, man wollte lieber die Streitkräfte zum Schutz des Handels und der Küsten in der Nähe behalten, man glaubte auch, daß dies von günstigem Einfluß auf den Landkrieg an den Grenzen sein würde; in England huldigte eine starke Partei, darunter hohe Seeoffiziere wie Rooke und Shovel, der alten Defensivstrategie und scheute sich, die schweren Schiffe länger im Jahre im Süden zu belassen, als gelegentliche Offensivstöße erforderten.[571] Die Folge dieses, oft nur passiven Widerstandes (z. B. von seiten Rookes) war, daß in den ersten Jahren die Operationen meistens verzögert — mangelhafte Zustände in den Marinen traten hinzu — und dann ohne die nötige Tatkraft durchgeführt wurden. Sie hätten auch mit größeren Kräften unternommen werden müssen und unternommen werden können, aber stets nur die Hälfte der Seestreitkräfte wurde darangesetzt. Den Rest hielt man für die Aufgaben im Norden zurück, ohne diese ganz zu lösen; hierzu hätten auch geringere Kräfte genügt, ein mächtigeres Auftreten im Mittelmeer wäre aber für den Verlauf des Krieges sicher von größerem Einfluß gewesen.

1701 wurde schon im April eine starke Flotte (Rooke) aufgestellt; sie sollte nach Spanien gehen, um einen Druck auf die noch schwebenden Verhandlungen auszuüben, oder bei Ausbruch des Krieges sofort Cadiz anzugreifen. Erst im August ging sie in See und nur zur Beobachtung von Brest; sie kam zu spät, um Château-Renaults Abgang nach Westindien zu hindern, und zweigte ein Geschwader (Benbow) zur Verstärkung dieser Station ab.

1702 lief im Mai ein kleines Geschwader aus, um die nach Westindien bestimmte Division du Casse abzufangen; dies mißlang infolge der Unentschlossenheit des Führers (Munden). Die für den Süden bestimmte große Flotte war erst im Juni seeklar (Rooke; Landungstruppen unter Ormond, auch ein Gegner Marlboroughs). Sie sollte einen spanischen Hafen nehmen und als Stützpunkt festhalten. Später trat der Befehl hinzu, der erwarteten Silberflotte (Château-Renault) die spanischen Küsten zu sperren; der Flotte im Kanal (Shovel) war der gleiche Auftrag hinsichtlich der französischen Küsten gegeben. Ende August wurde Cadiz angegriffen, wegen Lauheit und Uneinigkeit der Führer ohne Erfolg. Zu weiteren Unternehmungen war Rooke nicht zu bewegen, und auch nur zögernd benutzte er auf der Rückreise die günstige Gelegenheit, die Silberflotte in Vigo anzugreifen. Er hatte nun allerdings ungeheuern Erfolg und gewann durch diesen noch Portugal mit seinen Häfen für die Seemächte, aber er ging weder auf den Vorschlag des Prinzen von Hessen ein, in Vigo einen Stützpunkt zu schaffen und einen Teil der Flotte zu belassen, noch auf den des Gesandten Methuen, die schweren Schiffe in Lissabon zu überwintern, obgleich er in beiden Fällen den Absichten seiner Regierung entsprochen hätte.

1703 sollte Süditalien für den Kaiser erobert werden. Der Plan wurde aufgegeben, weil die Schiffe im Vorjahre zu spät heimgekommen waren und weil Österreich keine Truppen stellen konnte. Die Hauptflotte blieb tatenlos im Kanal, nur eine kleinere (Shovel) ging erst spät im Sommer ins Mittelmeer mit recht allgemein gehaltenen Befehlen. Diese unternahm denn auch nichts von Bedeutung, ihr einziger Erfolg war, daß Savoyen den Verbündeten beitrat.

So wurde in den ersten drei Jahren in Hinsicht auf den großen Kriegsplan nichts erreicht; die Seestreitkräfte nutzten der allgemeinen Sache nur durch den Erfolg bei Vigo und durch den Druck auf Portugal und Savoyen, daneben schützten sie den Handel und sorgten so dafür, daß der Strom der Hilfsgelder, von denen der Landkrieg abhing, keine ernste Unterbrechung erlitt.

Im Jahre 1704 trat der Seekrieg in einen zweiten Abschnitt. Mit der Aufnahme des Landkrieges in Spanien war man gezwungen, tatkräftiger vorzugehen, auch schien Ludwig XIV. ernstlicher um das Mittelmeer und schon am Eingang in dieses kämpfen zu wollen. Frankreichs Lage war schwieriger geworden: Ein neuer Kriegsschauplatz, weit entfernt von den anderen, war hinzugekommen; seine Stellung war durch den Abfall Savoyens an der[572] italienischen Grenze stark bedroht; die feindliche Seemacht hatte hier und in Spanien noch günstigere Gelegenheit zum Eingreifen erhalten. Diese Änderung der Lage bestärkte Marlborough in seinem stets gehegten Plane, Frankreich zu Lande und zur See in der Provence anzugreifen und Toulon zu nehmen, so die lange französische Linie zu durchbrechen und mit einem Schlage die Frage der Herrschaft im Mittelmeer zu lösen. Wenn der Plan durchgeführt wäre, so würde damit wohl der Krieg entschieden sein. Marlborough ließ ihn nicht mehr aus dem Auge, und Prinz Eugen sowie Heinsius — der tüchtigste Feldherr, sowie die beiden weitestblickenden Staatsmänner auf seiten der Verbündeten neben Marlborough — waren seiner Ansicht, aber es gelang nicht, die allgemeine Zustimmung in Holland und die tatkräftige Mitwirkung Österreichs und Savoyens zu gewinnen. Sonderinteressen trübten deren Blick; wieder ein Beweis der Schwäche von Bündnissen. So wurde der Krieg zwar kräftiger geführt, aber man nützte die Seestreitkräfte doch nicht voll aus und verwandte sie nicht immer richtig.

1704 sollte die Mittelmeerflotte zur Eroberung Spaniens von der Ostküste her mitwirken und sich bereithalten, Österreich und Savoyen zu unterstützen, wenn die Franzosen einen Vorstoß gegen Nizza machen würden. Ein geheimer Zusatz zum Befehl wies sogar schon auf ein gemeinsames Unternehmen gegen Toulon hin und stellte diese defensiven und offensiven Operationen an der italienischen Küste denen an der spanischen überhaupt voran. Rooke machte im Mai den wegen Mangels an Truppen vergeblichen Versuch, Barcelona zu nehmen; er durfte sich wegen der Aufgaben in Italien und wegen der Möglichkeit des Erscheinens französischer Seestreitkräfte von Toulon und Brest nicht zu sehr engagieren. Zu einem Eingreifen in Italien kam es nicht, da einerseits Frankreich den Angriff auf Nizza aufgegeben hatte und anderseits Österreich und Savoyen weder stark genug noch gewillt zur Offensive waren. Der Versuch, die französische Brestflotte (Graf Toulouse), die das englische Kanalgeschwader (Shovel) nicht hatte festhalten können, vor Toulon abzufangen, mißlang gleichfalls. Rooke vereinigte sich später mit Shovel und nahm Gibraltar. Von weiteren Unternehmungen sah er der vorgerückten Jahreszeit halber ab, er hielt sich nur bereit, Gibraltar gegen die vereinigte französische Flotte zu decken; es kam zur Schlacht bei Malaga. Rooke ging dann heim, jedoch blieb zum ersten Male ein Wintergeschwader in Lissabon (Leake). Es war nur schwach, aber doch imstande, trotz einer französischen Division (de Pointis) in Cadiz, während des Winters das belagerte Gibraltar durch Zufuhren zu unterstützen und, selber verstärkt, im Frühjahr die genannte Division zu vernichten, sowie die Belagerung aufzuheben.

1705 griffen die Verbündeten Spanien von Portugal und von der Ostküste (jetzt auch von hier mit einem Heere) aus an. Mit Hilfe einer starken Flotte (Shovel) wurden Barcelona genommen und die Provinzen Katalonien, Aragonien sowie Valencia erobert. Marlboroughs Plan gegen Toulon fand noch keinen Anklang; die Admirale forderten dazu einen Stützpunkt im Mittelmeer, Österreich legte größeren Wert auf den Krieg in Spanien. Da aber während des Winters wieder nur ein schwaches Geschwader (Leake) in Lissabon blieb, warfen die französisch-spanischen Heere den König Karl auf Barcelona zurück, und die französische Flotte (Graf Toulouse) unterstützte die Belagerung dieser Stadt. In der höchsten Not erschien Leake, nach und nach zu einer starken Flotte verstärkt, zum Entsatz. Die Flotte nahm später Ibiza und Mallorca; weshalb Port Mahon, der günstigste Platz als Stützpunkt, nicht angegriffen wurde, ist nicht klar zu ersehen. Als sich darauf die Kriegslage aufs neue ungünstig für König Karl gestaltete, wurde 1707 schon im Januar die große Flotte (Shovel) zusammengezogen, sie konnte aber nur die Trümmer des bei Almanza geschlagenen Heeres retten.

[573]

Trotz der üblen Lage in Spanien wurde 1707 der Plan Marlboroughs endlich ins Werk gesetzt, aber nicht in seinem ganzen Umfange durchgeführt: der so wichtige gleichzeitige Vorstoß in den Niederlanden unterblieb, weil er Holland zu gewagt erschien; dem Prinzen Eugen in Norditalien wurden Truppen entzogen, um das Königreich Neapel zu erobern; Savoyen war lau. So schlug der Angriff auf Toulon fehl, aber die französische Flotte konnte infolge des Versenkens der Schiffe nichts mehr leisten und Frankreich gab das Mittelmeer auf. Selbst das Wintergeschwader der Verbündeten beherrschte jetzt die See zugunsten des spanischen Krieges; die Sommerflotte 1708 (Leake) konnte schwächer sein als bisher, sie unterwarf trotzdem Sardinien und nahm jetzt endlich auch Port Mahon.

So wurden allerdings mit der Einnahme von Gibraltar und Barcelona, sowie durch die Beherrschung des Mittelmeeres große Erfolge erzielt. Aber die Seeherrschaft wurde in den ersten Jahren im Winter stets aufgegeben, und die errungenen Vorteile im Landkriege gingen dann größtenteils wieder verloren, weil das Meer für Frankreich wieder offen stand; man mußte, sozusagen, im nächsten Jahre von vorn anfangen. Es wäre richtiger gewesen, nach der Einnahme von Gibraltar zunächst selbst ohne Rücksicht auf den Krieg in Spanien einen Stützpunkt im Mittelmeer zu gewinnen.

Daß der große Plan Marlboroughs im allgemeinen, der Angriff auf Toulon im besonderen scheiterte, war mehr die Folge anderer Umstände als eines Fehlers der Strategie zur See. Wie richtig dieser Plan war, zeigt selbst der Mißerfolg: Die französische Flotte hatte so gelitten, das Vertrauen auf sie war so erschüttert, daß Frankreich das Mittelmeer aufgab. Nun wurde es den Verbündeten leicht, die See auch im Winter zu beherrschen, besonders nachdem Port Mahon genommen war. Es ist zu verwundern, daß Marlborough nicht nachdrücklicher auf die rechtzeitige Schaffung eines Stützpunktes vor der französischen Küste hingearbeitet hat, das Unternehmen gegen Toulon würde dadurch gleichfalls an Kraft gewonnen haben; er hat stets darauf hingewiesen, aber die Verwendung der Landstreitkräfte lag ihm wohl näher, wenn er auch während des ganzen Krieges die Macht der Seestreitkräfte hoch einschätzte.

Im Jahre 1709 trat die Kriegführung zur See im Mittelmeer in einen dritten Abschnitt. Die Flotte der Verbündeten hatte nur noch die Aufgabe, Frankreich vom Meere abzuschließen und für König Karl die Verbindung mit seinen Besitzungen in Süditalien und seinen Hilfsquellen in Norditalien aufrecht zu erhalten. Großes wurde nicht mehr geplant, weil Marlboroughs Einfluß schwand. Frankreich ganz abzuschließen gelang nicht, doch wurde sein Versuch, eine Erhebung in Sardinien zu unterstützen, verhindert. Der Seekrieg erlahmte immer mehr; Holland war erschöpft, England zum Frieden geneigt. Als 1711 König Karl deutscher Kaiser geworden war, wurde seine Sache in Spanien von England nicht mehr unterstützt und 1712 auch von Holland aufgegeben.

Die Kriegführung der Verbündeten Im Norden, wo in fast allen Jahren etwa die Hälfte ihrer Seestreitkräfte tätig war, beschränkte sich erfolgreich nur auf den kleinen Krieg. Das einzige für 1706 geplante Unternehmen,[574] eine Landung an Frankreichs Westküste, ließ man fallen; die Aufgabe, die französischen Geschwader, die nach dem Mittelmeer oder nach Westindien bestimmt waren, festzuhalten, wurde nicht gelöst. Aber selbst im kleinen Kriege hätte man bei der Stärke der Verbündeten größere Erfolge erzielen können. Der französische Handel wurde zwar schwer geschädigt und nach und nach ganz lahm gelegt, doch auch der eigene Verlust war groß. Es spricht dies für die Tatkraft und Geschicklichkeit, mit denen die Franzosen den Kreuzer- und Freibeuterkrieg führten; man muß dabei allerdings die günstige Lage der Ausgangshäfen — Dünkirchen, St. Malo, Brest — zu den Wegen des englisch-holländischen Handels, die Größe dieses, sowie die Schwierigkeit einer scharfen Durchführung der Blockade seitens der Verbündeten mit derzeitigen Segelschiffen in Betracht ziehen.

Die Maßnahmen Hollands zum Schutze des Handels sind genau bekannt: Ein Geschwader an der flämischen Küste; ein zweites in der Nordsee; ein drittes zum Geleiten der ostindischen Convois durch dieses Meer; eine große Zahl Convoijers zur ständigen Begleitung der Handelsschiffe. Der Angriff auf den französischen Handel lag hauptsächlich in den Händen zahlreicher Freibeuter. Über die Maßnahmen Englands liegen keine genauen Angaben vor. Aus Andeutungen ist zu entnehmen, daß man viele Kreuzer in See hatte, daß man die Handelsconvois sowie die Militärtransporte nach Spanien durch Kriegsschiffe deckte und zur Blockade der feindlichen Häfen sowie zum Abfangen größerer Convois Geschwader aufstellte oder von der Hauptflotte abzweigte. Die Bedeckung der Convois scheint aber öfters nicht stark genug gewesen zu sein, nicht einmal den hauptsächlich aus Freibeutern bestehenden französischen Divisionen gewachsen; ähnlich wie im vorigen Kriege scheint man ohne Grund die Streitkräfte zu sehr zusammengehalten zu haben. Man hätte wohl mehr für den Handelsschutz tun können und tun müssen; Englands Aufgabe in dieser Hinsicht war, der langen Küste Frankreichs gegenüber, größer und schwieriger als die Hollands.

Die Ereignisse in den Kolonien zeigen immer noch den Charakter des kleinen Krieges, wenn sie auch in diesem Kriege bedeutender als im vorigen sind (vergl. Seite 481, unten); nur Trouins Zug gegen Rio war von Einfluß auf den Krieg. Die Überlegenheit der Verbündeten tritt auch hier nicht so hervor, wie man hätte erwarten können; oft schädigen die Franzosen Handel und Niederlassungen schwer. Es wurden nicht dauernd genügende Kräfte draußen gehalten, um die Seeherrschaft zu wahren, oft mußten erst die geschädigten Kreise — Kolonisten, Kaufleute, Rheder — den Anstoß zur Entfaltung größerer Tatkraft geben.

Wenn man die Kriegführung zur See auf französischer Seite falsch und schwächlich nennen kann, so muß man doch auch sagen, daß die Verbündeten von ihrer ungeheuren Macht einen durchgreifenderen Gebrauch hätten machen können, insbesondere die Engländer, deren Marine während des Krieges eher stärker als schwächer wurde. So sagt auch Clowes mit Beziehung auf die englische Marine: „Der Krieg weist keine großen oder gar glänzenden Erfolge auf; man kann den Operationen der Flotte keine große Genialität zusprechen, der Organisation und dem Auftreten der Seestreitkräfte kein Lob spenden. The country merely stuck to its work and hammered away, often blunderingly[575] and stupidly until the end. The day of its (der Marine) most brillant performances were still before it.“

Die Ergebnisse des Krieges für die Teilnehmer.

Die Bedingungen des Friedens von Utrecht sind im allgemeinen schon angeführt (Seite 496); es ist auch gesagt, daß England am meisten erreichte und im gesicherten Besitz der Vormachtstellung zur See aus dem Kriege hervorging. Eine nähere Betrachtung der Ergebnisse für die verschiedenen Teilnehmer wird dies veranschaulichen.

Frankreich hatte zwar dadurch, daß das Haus Bourbon auf Spaniens Thron kam, an Stelle eines Feindes einen Freund im Rücken erhalten, es hatte aber wichtige Stellungen an seiner Nordostgrenze verloren, mußte das günstig gelegene Dünkirchen als Kriegshafen aufgeben, und mit den ersten Abtretungen in Nordamerika war der gänzliche Verlust der Besitzungen dort eingeleitet. Durch den Krieg waren seine Seestreitkräfte erschöpft, seine Bevölkerung verarmt, seine Finanzen zugrunde gerichtet.

Spanien verlor seine Niederlande, Mailand, Sardinien und Neapel an Österreich, Sicilien an Savoyen, Gibraltar und Minorca an England, also einen großen Landbesitz, der fast durchgängig wichtig in maritimer Hinsicht war. Nur seine Kolonien blieben ihm erhalten, die nach dem ersten Kriegsplane der Verbündeten auch in Gefahr gewesen waren, und es war wohl ein Vorteil, daß das Land mit einem lebenskräftigen Volke wie Frankreich in engere Verbindung gebracht wurde.

Österreich hatte großen Landzuwachs erhalten, doch fehlte ihm Sicilien, an dem ihm mehr als an Sardinien lag; bald folgten auch Verhandlungen über einen Austausch. Immerhin erlangte es die gewünschte Stellung am Mittelmeer und hätte sich hier zu einer Seemacht entwickeln können.

Für Holland hatte es Bedeutung, daß die spanischen Niederlande vor Frankreich gerettet und an Österreich gefallen waren; sein alter Wunsch war erfüllt, hier sicherer vor Frankreichs Angriffen dazustehen. Aber war dieser einzige Erfolg die Kosten wert? Der Krieg führte den Zusammenbruch seiner Seemacht herbei! Die Marine wurde vernachlässigt, und damit ging die wichtigste Kraftquelle des kleinen Landes, der Seehandel, zurück. Holland wurde bald nicht mehr zu den Großmächten gezählt, seine Marine war für die Diplomatie kein militärischer Faktor mehr. Die Schwäche der Republik trat schon in den Friedensverhandlungen zutage; man konnte für die maritimen Interessen nichts erreichen. England berief sich auf Hollands ungenügende Beteiligung am Seekriege und weigerte sich hartnäckig, Holland an den für sich geforderten Vorteilen teilnehmen zu lassen; nur im Handelsvertrage mit Frankreich wurden auch den Niederlanden einige Zugeständnisse gemacht.

England aber gewann ungemein in maritimer Hinsicht. Durch den Besitz von Gibraltar, Port Mahon und die in Nordamerika errungenen Kolonien erhielt es neue Stützpunkte zur Stärkung und Erweiterung seiner Seeherrschaft; Frankreich gab das gefährliche Dünkirchen auf; Sardinien, Neapel und Sicilien[576] fielen nicht an eine Seemacht, sondern an Staaten, die bislang zur See nicht aufgetreten waren. Ferner schloß England mit Frankreich und Spanien günstige Handelsverträge.

Insbesondere dem Wunsche Hollands, Gibraltar und Port Mahon gemeinschaftlich zu besetzen und an den Verträgen mit Spanien, Westindien betreffend, teilzunehmen, trat England schroff entgegen. Diese Verträge waren ein Hauptgewinn Englands. England versprach Spanien seinen Beistand, um dessen Besitzungen wieder in den Zustand zu bringen, wie er unter Karl II. gewesen war; Spanien verpflichtete sich dagegen, keinerlei Besitz in Amerika an Frankreich oder andere Völker abzutreten; beide Staaten sagten sich volle Meistberechtigung in ihren Besitzungen zu. Noch wichtiger aber war der sogenannte Assiento-Vertrag (El Pacto del Assiento de Negros): das von Spanien an England erteilte alleinige Recht auf Einführung von Negersklaven in die spanischen Kolonien (4800 Neger im Jahre). Spanien selbst führte keine Sklaven ein; das Recht war früher schon an die Niederlande, später an die Genuesen und 1703 von Philipp V. an die Franzosen vergeben. Aus dem Sklavenhandel entwickelte sich jetzt aber bald ein Schmuggelhandel in solchem Maße, daß fast die ganze Gütereinfuhr in die spanischen Besitzungen in englische Hände kam. Die Engländer erhielten ferner das Recht, jährlich ein Schiff mit Waren nach Mittelamerika, zum Markte von Porto Bello, zu senden, und auch dies wurde unrechtmäßig ausgebeutet. Das Fahrzeug diente gewissermaßen nur als Niederlage: die Vorräte wurden beständig erneuert; auf der einen Schiffsseite gingen die Waren von Bord, auf der anderen kamen neue an Bord. Diese Verstöße der Engländer und die dadurch hervorgerufenen Vergeltungsmaßregeln der Spanier gaben den Anlaß, wenigstens den äußern, zum nächsten Kriege im Jahre 1739.

Auch mittelbar zog England aus dem Kriege weitgehenden Nutzen. Die Marinen Frankreichs und Hollands waren in Verfall geraten; die zweite, die alte Nebenbuhlerin, sollte sich nicht wieder daraus erheben. Die englische Marine aber stand nach dem Kriege mächtiger da als zuvor; gerade durch die Schwäche der holländischen war sie zu größerer Kraftentfaltung gezwungen worden. Ferner war ein Teil des holländischen Handels schon während des Krieges in englische Hände übergegangen, und dieser Vorgang setzte sich fort, da sich bei dem Verfall der holländischen Marine die britischen Handelsfahrzeuge immer mehr den Ruf erwarben, sicherer zu fahren. Die enge Verbindung mit Portugal, die der Krieg gezeitigt hatte, kam auch dem englischen Handel zugute, und außerdem war sie militärisch von Nutzen, weil die portugiesischen Häfen den englischen Flotten fortan zur Verfügung standen.

Vor dem Spanischen Erbfolgekriege war, durch den Pfälzischen Erbschaftskrieg schon mächtig gefördert, England eine der Seemächte, nach dem Frieden von Utrecht war es die Seemacht. Diese Macht erhielt England aufrecht; es war reich genug dazu und hatte in seiner Seeherrschaft und in seiner ausgebreiteten Schiffahrt die Quelle des Reichtums so in der Hand, daß ihm zunächst kein Nebenbuhler erwachsen konnte. Schon die beiden letzten größeren Nebenkriege des bisher geschilderten Abschnittes werden seine Macht zur See zeigen.

Fußnoten:

[254] Diese Betrachtungen bedürfen der Nachsicht. Die Verhältnisse und diplomatischen Verhandlungen sind sehr verwickelt, und bei der gebotenen Kürzung waren Unvollständigkeiten, selbst Ungenauigkeiten, nicht zu vermeiden; es dürfte dies jedoch ohne Einfluß auf die Beurteilung der Sachlage sein.

[255] Corbett „Mediterranean“.

[256] De Jonge, Teil III, Seite 542, 568, Teil IV, Seite 94, 231, bespricht — blutenden Herzens — genauer diesen Verfall mit seinen Gründen.

[257] Hauptquelle: Chab.-Arnault, dem hier besonders die Kennzeichnung der leitenden Männer entnommen ist. Die Angaben über Schiffsbestände nach Bonfils, Teil II, Seite 177.

[258] Mahan, Teil I, Seite 249, gibt nach Campbell 45 Linienschiffe und 67 Fregatten, womit wohl überhaupt kleinere Schiffe gemeint sind, an.

[259] Hauptquellen wie früher: Clowes, Teil II und III; Colomb.

[260] Über Armierung nach Kalibern vgl. für 1719 die Tabelle Seite 170; über Tonnengehalt für 1688 und 1727 vgl. Seite 177/178.

[261] Hauptquellen: de Jonge, Teil III und IV; Clowes, Teil II; Bonfils, Teil II; Chab.-Arnault; Mahan, Teil I; Troude, Teil I; Colomb; Corbett „Mediterranean“, Teil II. Besonders genau sind de Jonge und Corbett. Corbett ist sehr eingehend in strategischen Betrachtungen, doch erscheinen diese seinem Zwecke zuliebe (vgl. den genauen Titel des Werkes) etwas gefärbt. — Wenn eine Quelle Angaben macht, die andere Quellen nicht oder sehr abweichend bringen, wird sie besonders gekennzeichnet werden (z. B. nach Corbett).

[262] Die Ereignisse in den Kolonien sowie die des kleinen Krieges sollen wie bisher später zusammengefaßt betrachtet werden; wir folgen zunächst nur den Operationen der größeren Flotten.

[263] Näheres Corbett, Teil II, Seite 211. Corbett fügt hinzu: Zum Glück haben englische Admirale diese Lehre öfter durch die Tat widerlegt als befolgt.

[264] Der Prinz von Hessen befand sich in Portugal, um den König für das Bündnis gegen Frankreich zu gewinnen; als die Flotte erschien, schiffte er sich ein. Die englischen Quellen nennen ihn „den fähigsten Mann“ auf der Flotte. Er war im vorigen Kriege als Gouverneur von Katalonien die Seele des Widerstandes gegen die Franzosen gewesen und bei den Spaniern sehr beliebt; er fiel 1705 bei der Eroberung von Barcelona.

[265] Vgl. die Skizze von Cadiz, Seite 136, der nur hinzuzufügen ist, daß an der von Puerto S. Maria nach West laufenden Küste von genannter Stadt 5 km entfernt die kleine Festung S. Catalina, und 15 km entfernt die offene Stadt Rota liegt.

[266] Genauer Corbett, Teil II, Seite 228 ff.

[267] Der Jesuitenpater Hoste war der Kaplan des Admirals Tourville. Es ist anzunehmen, daß er das, schon Seite 160 erwähnte, Werk „L'art des armées navales ou traité des évolutions navales“ nach den Anweisungen Tourvilles — des neben Ruyter tüchtigsten Taktikers des Zeitabschnittes — geschrieben hat. Die Weiterentwicklung der Taktik nach 1740 baut sich gewissermaßen auf Hostes Buch auf, es soll deshalb im nächsten Bande näher darauf eingegangen werden. Über den Inhalt des Werkes siehe Quellenverzeichnis.

[268] Hauptsächlich nach Corbett, Teil II, mit dem sich die sonst benützten Quellen — Clowes, Teil II; de Jonge, Teil III; Bonfils, Teil II; Troude, Teil II; Chab.-Arnault — gut in Einklang bringen lassen, Abweichungen dort wenigstens ohne Einfluß auf Beurteilung. Einige der andern Quellen, so z. B. de Jonge und die Franzosen, bringen Taten einzelner Schiffe, meist ziemlich gefärbt zugunsten ihrer Landsleute.

[269] de Jonge, Teil III, Seite 678, und Beilage XXIV.

[270] Schilderung vornehmlich nach de Jonge, Teil IV, und Bonfils, Teil II.

[271] Kleinere Küstenfahrzeuge.

[272] Auch sonst genaue Quellen wie Clowes und de Jonge halten sich allgemeiner; de Jonge ist noch am genauesten, soweit es das holländische Kontingent betrifft.

[273] Bonfils, V. II, Seite 117. Genauer Bericht Trouins.

[274] In Hinsicht auf Beispiele für die zahlreichen Gefechte zwischen Einzelschiffen und Verbänden im kleinen Kriege verweise ich auf die Spezialgeschichten der einzelnen Marinen, z. B. Clowes, Teil II, Kapitel „minor operations“; Troude, Teil I; Bonfils, Teil II; de Jonge, Teil III und IV. Hier sollen nur (Seite 561) die Taten der berühmtesten französischen Freibeuterführer erwähnt werden.

[275] Quelle: Chabaud-Arnault, die nach Vergleich mit anderen Quellen nur wenig gefärbt erscheint. Gefechte teilweise genauer beschrieben in Bonfils, Teil II, sehr schwülstig.

[276] Die Hauptereignisse genauer in Colomb, Kapitel XIII und XIV; Clowes, Teil II, „minor operations“; Bonfils, Teil II.

[277] und viele Linienschiffe zur Begleitung von Convois.

[278] Vgl. die Auslassungen über Taktik vor Schilderung der Schlacht von Malaga (Seite 531/532), ferner Seite 474 sowie in der „Einführung in den Abschnitt“ (Seite 184).

[279] Corbett, Teil II, Seite 200; hier frei übersetzt wiedergegeben.


[577]

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Zehntes Kapitel.
Nebenkriege 1689–1739.

Die Quadrupel-Allianz zur Aufrechterhaltung des Friedens von Utrecht, 1718–1720. In Spanien wirkte seit 1714 der Kardinal Alberoni als Minister, der mit der ehrgeizigen zweiten Gemahlin Philipps V., Elisabeth Farnese von Parma, dorthin gekommen war. Er beabsichtigte, Spaniens alte Größe wiederherzustellen; sein nächstes Ziel war, die verlorenen italienischen Staaten zurückzugewinnen. Mit Erfolg arbeitete er an der wirtschaftlichen Hebung des Landes, am Ausbau der Flotte und an der Stärkung des Heeres. Auf eine Unterstützung Frankreichs konnte er aber nicht mehr rechnen und auch der Versuch, eine Verbindung mit England herzustellen, schlug fehl; in beiden Ländern waren Veränderungen eingetreten, die eine Annäherung zwischen ihnen herbeigeführt hatten.

In England war 1714 Georg I., Kurfürst von Hannover, zur Regierung gelangt. Seine Stellung war noch nicht unbedingt fest; noch immer bestand eine Partei der Stuarts, und seine eigene verhielt sich ihm als Ausländer gegenüber kühl. In Frankreich führte seit 1715 für den unmündigen und schwächlichen König Ludwig XV. der nächste Agnat, Philipp von Orleans, die Regentschaft. Dieser mußte in noch höherem Grade Nebenbuhler um seine Stellung und etwaige Thronfolge fürchten, vor allen Philipp V. von Spanien, gegen den er im letzten Kriege intrigiert hatte und dessen Thronbesteigung in Frankreich gerade Alberonis letztes Ziel war. Beide Herrscher scheuten einen neuen Krieg, der den unzufriedenen Elementen in ihrem Lande nur gelegen gekommen wäre. Die Lage Philipps war schwieriger, und so bot dieser auf Rat seines Ministers, des Kardinals Dubois, Georg I. ein Bündnis an; zwischen Frankreich und Spanien trat dagegen eine Entfremdung ein, die den wahren Interessen beider Staaten völlig zuwider lief. Im Januar 1717 schlossen England und Frankreich einen Vertrag zur Aufrechterhaltung der Bedingungen des Friedens von Utrecht (vgl. Seite 497), soweit diese im beiderseitigen Interesse lagen, und zur gegenseitigen Gewährleistung der Thronfolge der Häuser Hannover und Orleans; auch Holland wurde zum Beitritt gewonnen. Frankreich mußte hierzu neue Zugeständnisse auf Kosten seines Handels und seiner Seemacht machen: Weitere Handelsvorteile für England und Holland,[578] sowie Aufgeben des Baues eines Kriegshafens bei Mardyk, der als Ersatz für Dünkirchen bereits in Angriff genommen war.

Alberoni hatte gleichfalls versucht, England durch Angebot neuer Handelsbegünstigungen zu bewegen, ihn in seinen Plänen auf Unteritalien zu unterstützen. Georg I. verhielt sich ablehnend, da er als deutscher Fürst für den Kaiser Partei nahm, und auch die englischen Staatsmänner sahen diese Länder lieber im Besitz Österreichs als in den Händen Spaniens. Nun war der Kaiser mit den Bedingungen des letzten Friedens nicht zufrieden, er wollte Sicilien haben und hatte seinen Anspruch auf den spanischen Thron noch nicht aufgegeben; wir wissen, daß es zwischen ihm und Philipp V. überhaupt noch nicht zum Frieden gekommen war. Der neue Bund beschloß deshalb, um alle diese, den allgemeinen Frieden stets bedrohenden Fragen aus der Welt zu schaffen, den Kaiser dadurch zu befriedigen, daß er gegen Abgabe von Sardinien an Savoyen Sicilien erhielte. Man mußte aber mit Spanien rechnen, weil dessen militärische Kraft schon sehr gestärkt war. Ehe aber die Verhältnisse sich friedlich weiter entwickeln konnten, schlug Spanien los, obgleich es noch nicht genügend gerüstet war. Ein hoher spanischer Beamter, der auf der Rückreise von Rom durch die italienischen Provinzen des Kaisers kam, wurde dort als aufrührerischer Untertan verhaftet; auf diese Beleidigung sandte Spanien im August 1717 12 Kriegsschiffe mit 8600 Mann nach Sardinien und unterwarf diese kaiserliche Insel in wenigen Monaten.

Jetzt schloß sich der Kaiser dem Bunde — nunmehr eine Quadrupel-Allianz — an, und die vier Mächte kamen überein, den Austausch Sardiniens gegen Sicilien durchzuführen, wenn nötig, mit Waffengewalt. Wie sehr man aber in England und Holland einem Kriege abgeneigt war, zeigen die günstigen Vorschläge, die Spanien gemacht wurden: Spanien sollte Parma und Toskana als Sekundogenitur erhalten; Georg I. wollte Gibraltar zurückgeben; der Kaiser würde endgültig auf den spanischen Thron verzichten. Dennoch, und obgleich England schon eine Flotte für das Mittelmeer rüstete, blieb Alberoni eigensinnig und traf Vorbereitungen, auch Sicilien zu erobern. Zugleich strebte er danach, sich auf politischem Wege Rückhalt zu verschaffen. Er versuchte Rußland und Schweden, deren Krieg (vgl. „Nordischer Krieg“ S. 589) 1718 durch Verhandlungen unterbrochen war, zu einem gemeinsamen Einfall in England zugunsten Jakobs III. zu vereinen; er hetzte die Türken gegen den Kaiser auf; in Frankreich wurde eine Verschwörung gegen den Regenten angezettelt und in England die Unzufriedenheit geschürt; er versuchte den König von Savoyen, der mit dem beabsichtigten Tausch der Inseln nicht einverstanden war, an sich zu ziehen. Aber alle seine Pläne schlugen fehl. Die Türken waren durch Prinz Eugen schwer geschlagen worden (1716 Peterwardein; 1717 Belgrad), auch sollen sie die englische Flotte gefürchtet haben; in Schweden und Rußland wurden nach dem Tode Karls XII. die Verhandlungen abgebrochen; die Verschwörung gegen Philipp war rechtzeitig entdeckt worden. Vor allem aber scheiterte der Angriff auf Sicilien völlig und Spanien selbst wurde mit Erfolg angegriffen. Hieran hatte die englische Flotte den[579] größten Anteil, wie sie auch wohl durch ihr Auftreten in der Ostsee den Plan Alberonis dort störte. Es wirkte überall die augenblickliche Alleinherrschaft Englands zur See.

Der Verlauf des Krieges. Spanien besaß, dank den Bemühungen Alberonis, 1718 etwa 40 Linienschiffe, von 44 Kanonen aufwärts gezählt, und gegen 20 waren im Bau. Offiziere und Mannschaften waren allerdings nicht genügend vorhanden, um sämtliche Fahrzeuge in Dienst zu stellen, auch war die Güte des Personals noch geringer als zu Ruyters Zeiten (Schlacht bei Agosta). Wie eben gesagt, hatten die Spanier 1717 Sardinien besetzt und rüsteten dann zur Eroberung Siciliens. England stellte 1718 eine Flotte unter Sir George Byng in Dienst und sprach, auf Spaniens Anfrage, rückhaltslos aus, diese solle den Frieden in Italien aufrechterhalten. Die Order des Admirals (vom 24. Mai) lautete dementsprechend: Er solle im Mittelmeer alle geeigneten Maßregeln ergreifen, um die Streitigkeiten zwischen Spanien und Österreich beizulegen, sowie Feindseligkeiten verhindern; wenn Spanien darauf bestände, kaiserliche Provinzen anzugreifen oder sonst in Italien Fuß zu fassen, so solle er einschreiten, wenn nötig mit Waffengewalt. Diese Weisungen habe er nach Eintreffen auf der Station dem Könige von Spanien und den Gouverneuren von Mailand und Neapel mitzuteilen.

Byng segelte am 15. Juni und sandte am 30. auf der Höhe von Cadiz seinen Befehl an den englischen Gesandten in Madrid. Spaniens Antwort war, er möge tun, wie ihm befohlen; der Gesandte führte zwar die Verhandlungen weiter, der Krieg war noch nicht erklärt, warnte aber alle englischen Kauffahrer in spanischen Häfen vor einem plötzlichen Bruche. Der Admiral erfuhr am 8. Juli bei Cap Espartel, daß eine spanische Flotte am 18. Juni Barcelona verlassen habe, er nahm in Malaga Wasser, lief Port Mahon behufs Ablösung eines Teils der Garnison an und sandte von dort seinen Befehl nach Neapel und Mailand. Er hörte hier, daß die spanische Flotte am 30. Juni vor Neapel erschienen sei. Diese war dann Anfang Juli mit 30000 Mann von Neapel nach Palermo gegangen. Die schwachen savoyischen Truppen gaben ohne Widerstand die Stadt sowie fast ganz Sicilien auf und zogen sich in die Citadelle von Messina zurück. Byng verließ am 25. Juli Port Mahon, traf am 1. August in Neapel ein und nahm hier 2000 Österreicher an Bord, um sie nach Messina zu bringen; der König von Savoyen hatte sich inzwischen mit den Abmachungen der Verbündeten einverstanden erklärt. Als der Admiral am 9. vor Messina ankam, war die Stadt schon von den spanischen Truppen eingeschlossen, die feindliche Flotte war jedoch nicht zu sehen. Er bot dem spanischen General einen Waffenstillstand von zwei Monaten an, um Unterhandlungen zu führen; als dies abgeschlagen wurde, schiffte er die Truppen in Reggio wieder aus. Er beabsichtigte, wieder nach Messina zur Entsetzung der Citadelle hinüberzugehen, und scheint angenommen zu haben, daß die spanische Flotte ihm ausweichen würde. Am 10. August morgens traf aber die Nachricht ein, daß diese von den Bergen Kalabriens aus beiliegend gesehen sei, und als Byng unter Segel gegangen war, stieß er[580] auf zwei feindliche Vorposten. Als die Engländer diese jagten, wurden sie auf die spanische Flotte geführt; sie kam gegen Mittag, die Gefechtslinie bildend und nach Süden ausweichend, in Sicht. Durch tatkräftige Verfolgung wurde sie am nächsten Tage erreicht und fast vollständig vernichtet; eine Schlacht ist der Zusammenstoß kaum zu nennen.

Die Vernichtung der spanischen Flotte durch Admiral Byng bei Cap Passaro, 11. August 1718. Die englische Flotte zählte 22 Schiffe — 1 zu 90 K.; 2 zu 80 K.; 9 zu 70 K.; 7 zu 60 K.; 2 zu 50 K.; 1 zu 44 K. — 2 Mörserboote und 2 Brander.

Die spanische Flotte bestand aus dem Gros unter Vizeadmiral Casteñata: 1 Schiff zu 74 K.; 1 zu 70 K.; 5 zu 60 K.; 1 zu 54 K.; 1 zu 44 K.; 1 zu 36 K. und 7 Galeren. Während der Affäre traten noch 2 Schiffe (zu 60 K.) hinzu, die nach Malta abgezweigt gewesen waren. Ein leichtes Geschwader unter Kontreadmiral de Mari zählte 1 Schiff zu 60 K.; 1 zu 54 K.; 2 zu 46 K.; 3 zu 44 K.; 1 zu 36 K.; 9 zu 18–30 K.; 3 Mörserboote; 1 Brander; 5 Tender. Die Flotte lief in Gefechtslinie nach Süden.

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George Byng.

Byng sandte die vier besten Segler, 70-Kanonenschiffe, mit dem Befehle vor, während der Nacht die Admiralslichter (drei am Heck und eins im Großmast) zu führen; er folgte mit der Flotte unter Segelpreß. Der Wind war leicht, die spanischen Galeren tauten die langsamsten Schiffe ihrer Flotte. Am 11. August bei Tagesanbruch hatten die Engländer den Feind fast erreicht. Seine leichte Division lief unter Land; Byng schickte ihr 8 kleinere Linienschiffe unter Kapitän Walker nach (Wiedervereinigungsplatz Syracus), er selbst folgte ohne jede Ordnung der Hauptmacht. Seine vier vorgesandten Schiffe greifen die letzten Feinde mit Erfolg an, laufen aber weiter, ihre Opfer den Nachkommenden überlassend. Die Spanier sind bald versprengt, und in mehr oder weniger heftigen Einzelgefechten werden 7 Schiffe genommen, nur das Flaggschiff und 3 oder 4 andere entweichen nach Malta. Nachts erhielt Byng die jetzt noch in der englischen Marine durch ihre Kürze berühmte Meldung von Walker: „Sir! Wir haben alle Schiffe und Fahrzeuge an dieser Küste genommen. Anzahl am Rande vermerkt.“ Es waren 9 genommen, 5 auf den Strand gejagt und verbrannt (4 davon durch ihre Besatzung). Im ganzen verlor Spanien 11 Linienschiffe, 3 Fregatten und 8 Fahrzeuge.

Mit dieser Schilderung nach englischem Bericht stimmen spanische Angaben überein. Sie fügen hinzu, die spanische Flotte habe sich zurückgezogen, um nicht Anlaß zu Feindseligkeiten zu geben. Die Schiffe seien dann durch Übermacht einzeln überwunden; eine rangierte Schlacht würde günstiger für sie verlaufen sein, auch hätten dann bei dem leichten Winde die Galeren mit Vorteil eingreifen können. Dies ist fraglich; die spanischen Schiffe waren wesentlich schwächer und ihre Besatzungen sicher den englischen nicht gleichwertig; deshalb konnte auch Byng ohne jede Rücksicht auf Formation angreifen.

Wenn auch der Krieg noch nicht erklärt war, so war Admiral Byng doch wohl zu dieser Tat berechtigt. Nachdem man am Lande seinen Vorschlag[581] zur Einstellung der Feindseligkeiten zurückgewiesen hatte, befand er sich im Kriegszustande; er folgte nur seinem Befehle, von dem er Spanien Wochen vorher Kenntnis gegeben hatte. Immerhin übernahm er mutig eine große Verantwortung.

Mit der Vernichtung der spanischen Flotte war der Kampf um Sicilien entschieden. Byng ging zwar für den Winter nach Port Mahon und Messina fiel den Spaniern in die Hände, aber im Frühjahr 1719 erschien er wieder in Neapel und unterstützte nun die Österreicher bei der Eroberung der Insel; der Krieg war im Dezember 1718 erklärt. Er landete Truppen in Melazzo, die von dort gegen Messina marschierten, er unterstützte die Belagerung dieser Stadt und schnitt Sicilien von jeder Verbindung mit Spanien ab. Messina fiel im Oktober, dann deckte die Flotte die Einnahme verschiedener Plätze an der Süd- und Westküste, doch räumten die Spanier die Insel erst völlig während des Waffenstillstandes, der dem Frieden vorherging (1720).

Während der Belagerung Messinas lagen einige spanische Kriegsschiffe im Hafen. Byng befürchtete, daß der Festungskommandant ihre freie Rückkehr nach Spanien zu einer der Übergabebedingungen machen oder daß Österreich sie beanspruchen würde. Er setzte deshalb durch, daß sie durch eine eigens zu diesem Zweck errichtete Batterie zerstört wurden — ihm lag im englischen Interesse daran, jede fremde Seemacht zu schädigen. Im gleichen Sinne handelte England auf den anderen Kriegsschauplätzen.

Alberoni gab trotz der Niederlage bei Passaro und der Aussichtslosigkeit seiner Pläne im Mittelmeer seit Erscheinen der englischen Flotte den Kampf nicht auf. Er rüstete für 1719 in Cadiz und Coruña zwei Geschwader aus, um Truppen an der Küste der Bretagne und in Schottland zu landen, indem er in beiden Ländern mit Aufständen rechnete. Auch diese Unternehmen schlugen fehl.

Der Plan gegen Frankreich wurde nach Entdeckung der Verschwörung gegen den Regenten aufgegeben. Die andere Expedition segelte im Februar von Cadiz — 40 Transporter mit 5000 Mann, und vielem Kriegsmaterial, gedeckt durch 5 Kriegsschiffe — unter dem geächteten James Buttler, Herzog von Ormond, wurde aber am 28. Februar auf der Höhe von Finisterre durch Sturm arg beschädigt und völlig zerstreut. Nur 3 Fregatten mit 5 Transportern erreichten Ross-shire; 400 Mann wurden gelandet und etwa 1500 schottische Jakobiten stießen zu ihnen. Die kleine Macht wurde bald vernichtet, sowie ein Depot der Aufständischen in Donancastle durch Kriegsschiffe genommen. England war an den Küsten vorbereitet gewesen, wenn auch die Kanalflotte, die der Expedition hatte entgegentreten sollen, nicht rechtzeitig seeklar war — englische Quellen sagen: „Wie gewöhnlich!“

Dagegen gingen England und Frankreich jetzt angriffsweise vor. Eine Division der englischen Kanalflotte, Vizeadmiral Mighells, landete im Oktober 1719 24000 Mann bei Vigo, eroberte die Stadt, sprengte die Befestigung, machte reiche Beute und zerstörte die Schiffe dort und in Ponte-Vedra. Eine zweite Division unterstützte französische Truppen, die unter dem Herzog von Berwick von Bayonne aus in Spanien eindrangen und Fuenterrabia, St. Sebastian sowie Santona nahmen. Auch hier wurden auf englisches[582] Drängen überall Hafenanlagen, Werften, sowie alle Kriegsschiffe zerstört; England tat sein möglichstes, das Neuaufblühen der spanischen Marine im Keime zu ersticken, und Frankreich half kurzsichtig dabei. Berwick meldete gar dem Regenten: die englische Regierung kann dem Parlamente zeigen, daß wir alles getan haben, um die spanische Marine zu vernichten.

Selber tat Frankreich so gut wie gar nichts zur See, es transportierte und unterstützte nicht einmal die eigenen Truppen. Nur 11 Linienschiffe wurden nach dem Golf von Mexiko gesandt, um die Niederlassung in Louisiana zu schützen; diese schlugen dort eine schwache spanische Division zurück und eroberten den befestigten Hafen von Pensacola. Holland regte sich gar nicht. Während des kurzen Krieges fanden natürlich Handelsschädigungen statt; gleich nach Passaro hatte Spanien die englischen Schiffe in seinen Häfen mit Beschlag belegt, England antwortete mit Vergeltungsmaßregeln.

Die ununterbrochene Reihe von Niederlagen und die Hoffnungslosigkeit, ohne eine Marine seine Kolonien schützen zu können, brach den Widerstand Spaniens. Alberoni wurde entlassen (5. Dezember 1719) und Philipp V. gab im Haager Frieden 1720 den Forderungen der Quadrupel-Allianz nach. Der König von Savoyen nannte sich von nun an König von Sardinien.

Der Nordische Krieg 1700–1721.

Während des Spanischen Erbfolgekrieges und seiner eben besprochenen Folgen spielte sich im Norden und Osten der große Nordische Krieg ab. Er ist für uns bemerkenswert: Mit ihm endet das anderthalbhundertjährige Zeitalter der Seekriege Dänemarks und Schwedens um die Herrschaft in der Ostsee; eine neue Seemacht, Rußland, tritt hier auf. Auch auf den Verlauf dieses Krieges haben die Seestreitkräfte wesentlichen Einfluß. Endlich zeigt sich in ihm die Macht Englands zur See. Zunächst seien einige Angaben über die beteiligten Marinen gemacht,[280] die deren Entwicklung bis zum Ende unseres Abschnittes veranschaulichen.

Die dänische Marine hatte sich, wie wir wissen, unter Christian V. kräftig entwickelt und im letzten Kriege bewährt; dieser König ließ ihr bis zu seinem Tode (1699) die gleiche Pflege zu teil werden. 1700 war der Schiffsbestand: 33 Linienschiffe — 1 zu 110 Kanonen, 7 zu 80–100, 11 zu 60–78, 14 zu 48–56 —, 9 Fregatten und 33 kleinere Fahrzeuge. Auch für die Ausbildung der Offiziere und Mannschaft wurde gesorgt. Der Nachfolger, Friedrich IV., verstärkte die Flotte weiter, beim Ausbruch des Krieges 1710 zählte sie 41 Linienschiffe; die nützliche Einrichtung der Defensionsschiffe hatte der König 1701, auf Drängen Hollands, leider aufgeben müssen.

Die schwedische Marine hatte sich unter Karl XI. von den Folgen des Krieges erholt, sie war eigentlich durch den Grafen Wachtmeister seit 1680 neu geschaffen. Die Hauptflottenstation war nach Karlskrona verlegt, hier[583] hatte man große Werften eingerichtet. Von 1679–1709 wurden in Stockholm, Kalmar, Riga und Karlskrona 37 Linienschiffe erbaut; das im letzten Kriege sehr minderwertige Offizierkorps wurde reorganisiert. 1700 erschienen vor Kopenhagen 36 Linienschiffe — 1 zu 108 Kanonen, 6 zu 80–90, 29 zu 50–80; 1710 zählte die Marine 48 Linienschiffe und 7 Fregatten.

Der Nordische Krieg schädigte beide Marinen ungemein. 1720 war die dänische Flotte, trotz Neubauten und Einstellung genommener schwedischer Schiffe, auf 25 Linienschiffe (10 Fregatten, 31 Fahrzeuge) zusammengeschmolzen und diese befanden sich in schlechtem Zustande. Infolge der Erschöpfung des Landes ging der Bestand an brauchbarem Material in den nächsten Jahren noch mehr zurück. Als sich unter Christian VI. der Handel wieder hob, erreichte die Marine wieder den Stand einer mittleren Marine damaliger Zeit; 1746 waren 29 Linienschiffe, 10 Fregatten und 34 kleinere Fahrzeuge vorhanden. Die schwedische Flotte zählte 1720 überhaupt nur 33 Segel, die bei weitem nicht sämtlich Linienschiffe waren, und auch hier ging der Ersatz nur langsam vor sich. 1734 besaß Schweden 22 Linienschiffe, 8 Fregatten und Brigantinen, 11 Spezialschiffe und 18 Galeren. Die Erfolge der Russen mit Ruderfahrzeugen der letzten Art hatten gezeigt, daß eine Schärenküste nur mit Schärenfahrzeugen verteidigt werden könne, aber erst 1756 wurden die Mittel zum Bau einer größeren Zahl bewilligt (1788 waren 170 Galeren und ähnliche Fahrzeuge vorhanden).

Die russische Marine wurde erst von Peter dem Großen (1689–1725) gegründet. Von der Ostsee, nach der es stets gestrebt, seit 1617 wieder vertrieben, stand Rußland nur durch Archangel mit Europa zur See in Verbindung, doch lag der Seehandel hier in fremden Händen. Frühere Versuche, eine russische Schiffahrt zu gründen, waren fehlgeschlagen, ebenso das Bestreben, auf friedlichem Wege von Kurland einen Hafen an der Ostsee zu erhalten. Peter betätigte nun von frühester Jugend an sein Interesse für die Schiffahrt, zunächst richtete er sein Augenmerk neben dem Weißen Meer auf das Schwarze. 1695 gründete er in Woronesch am Don, in der Nachbarschaft ungeheuerer Eichenwaldungen, eine Bauwerft für seetüchtige Fahrzeuge; 1696 baute er in dem von den Türken eroberten Asow Hafenanlagen und Magazine, um die Schiffe hier auszurüsten und zu stationieren. Er plante eine Flotte von 60 Linienschiffen für das Schwarze Meer. Der Ausbruch des Krieges im Norden 1700 zwang ihn aber, diese Unternehmung ruhen zu lassen, auch ging 1711 Asow wieder verloren.

Bald nach Beginn des Krieges faßte er jedoch an der Newa Fuß, gründete 1703 St. Petersburg und ging, um von hier aus weiter an der Küste vorzudringen, an die Schaffung einer Ostseeflotte. Anfangs zwar wurde nur wenig Tatkraft entwickelt; noch hielt Peter wohl seine Stellung hier nicht für sicher genug, um kostspielige Aufwendungen zu machen, aber nach der Niederlage Karls XII. bei Pultawa (1709) nahm er den Ausbau der Marine ernstlich in Angriff. In St. Petersburg wurde eine große Bauwerft geschaffen; Kronstadt auf der Insel Kotlin, mächtig befestigt und noch gesichert durch die gewaltige Bastion[584] von Kronslot quer vor der Einfahrt, wurde der Ausrüstungs- und Hauptkriegshafen; bald (1713) trat Reval als zweiter Stützpunkt hinzu. Die Zahl der Schiffe wuchs schnell. Während 1710 nur 2 Schiffe zu 50 Kanonen und 5 zu 14–32 vorhanden waren, erscheinen:

Schiffe zu 90 80 70 60–64 50–54 48–36 14–32 K.
1714 bei Reval vereint 1 2 10 10  
1718 in Tätigkeit 4 7   9 7  
1721 seefähig 4 1 4 8   7 5 eine große
Anzahl
1722       „ 6 1 5 8   6 6

Anfangs wurden die Schiffe aus dem Auslande bezogen, bald aber auch in Rußland gebaut und zuletzt ausschließlich; von 1710–1724 kamen auf 30 gekaufte 41 gebaute. Ein englischer Seeoffizier, zu dieser Zeit in russischen Diensten, lobt Bau und Ausrüstung der Schiffe, für die nur Erzeugnisse des eigenen Landes verwendet wurden. Rußland besaß alles nötige Rohmaterial, nur der Transport aus dem Innern war schwierig und kostspielig. Die Kosten wurden noch ungemein erhöht, weil geschulte Kräfte aus dem Auslande zur Bearbeitung des Rohmaterials herangezogen werden mußten, wie denn auch Ausländer, besonders Engländer und Holländer, die Hafen-, Werft- und Schiffsbauten leiteten.

Noch vor dieser Hochseeflotte schuf Peter eine Galerenflotte für die Eroberung Finnlands. Die flachgehenden Ruderschiffe konnten sich über alle Untiefen zwischen dem Gewirr von Klippen und Inseln der Schärenküste durchwinden, wo ihnen kein Kriegsschiff zu folgen vermochte; über schmale Landzungen konnten diese leicht aus Fichtenholz gebauten Fahrzeuge hinweggetragen werden; nach dem offenen Meere zu wurden sie durch die mitsegelnde Hochseeflotte gedeckt. Der Galerenflotte mehr als der Hochseeflotte sind die Erfolge im Kriege, nämlich die Eroberung Finnlands usw. und die Angriffe in Schweden, zuzuschreiben.

Schwieriger als die Beschaffung des Materials war die des Personals, das russische Volk stand der See völlig fremd und abgeneigt gegenüber. Es war nötig, viele Ausländer anzuwerben, doch gelang es bald, die Schiffe wenigstens überwiegend mit Eingeborenen zu bemannen. Den Ersatz nahm man zunächst aus den Gebieten an der Küste, an den großen Seen und Flüssen. Bevorzugt wurden sonst, weil bildungsfähiger, Minderjährige, Matrosen- und Soldatenkinder, sowie junge Tataren ihrer Behendigkeit halber. Sogenannte Navigatorenschulen wurden gegründet, deren Zöglinge man nach der Entlassung zur weiteren Ausbildung auf Kauffahrteischiffe schickte. Ganze Regimenter Landsoldaten wurden zu Seesoldaten befohlen; die Bemannung der Schiffe war um 1/5–¼ stärker als die englischer von gleichem Range.

Das Offizierkorps war noch viel stärker mit Fremden durchsetzt. 1715 waren fast sämtliche Offiziere Ausländer und nur einige in fremdem Dienst herangebildete Russen. Noch 1724 zeigt eine Liste der höheren Offiziere unter 82 Namen nur 19 Russen gegen 23 Engländer, 17 Dänen, 13 Holländer und 5 Deutsche, doch schritt auch hier die Russifizierung fort. Zur artilleristischen[585] Ausbildung wurde eine große Anzahl Russen nach Berlin kommandiert, sie bildeten dann ein eigenes Korps der Bombardiere und wurden nach Bedarf an Bord verwendet. Auch eine Seeakademie wurde gegründet, sie zählte 1716 300 junge Edelleute als Schüler. Das Seeoffizierkorps war, wie die Marine überhaupt, besser besoldet als das der Armee. Die Galerenflotte hatte ein eigenes Offizierkorps, es war stark mit Südländern vermischt und wurde vom Seeoffizierkorps als minderwertig angesehen. Fremdartigkeit in Sprache und Sitten seiner Angehörigen, unter denen halbbarbarische Elemente vertreten waren, mag dazu beigetragen haben, aber auch die Roheit und Grausamkeit, die sie im schwedischen Feldzuge gezeigt haben.

Peter der Große hatte sich die Aufgabe gestellt, eine Flotte von 40 jederzeit kampfbereiten Linienschiffen zu schaffen, mit der er der dänischen und der schwedischen Flotte, die nur kurze Zeit im letzten Kriege je über 30 besaßen, überlegen gewesen wäre. Er hat dieses Ziel zwar nicht erreicht — bei seinem Tode zählte die Marine 27 Linienschiffe, von denen 3 unbrauchbar und 9 gebrechlich waren, sowie 6 Neubauten —, aber er stand doch den geschwächten Nebenbuhlern gleich. Nach Beendigung des Krieges wurde durch Friedensübungen, im einzelnen und in Geschwadern, die Schlagfertigkeit der Flotte weiter gepflegt. Freilich sagt der schon angezogene englische Seeoffizier von seinen russischen Kameraden: „Fremde tuen gut, ihnen aus dem Wege zu gehen. Bei gutem Wetter kennt ihre Überhebung keine Grenzen, wenn sie aber bei schlechtem Wetter Dienst tun sollen, stellen sie sich krank. In der Stunde der Gefahr versagt ihnen Mut und Tatkraft.“ Wie weit dies Urteil zutreffend war oder auf Abneigung beruhte, muß dahingestellt bleiben.

Der Verlauf des Krieges. In Schweden war 1697 König Karl XI. gestorben und Karl XII. hatte mit nur 15 Jahren den Thron bestiegen. Die Nachbarn hielten die Gelegenheit für günstig, sich auf Kosten Schwedens auszubreiten: Peter der Große wollte Esthland erobern, um an die Ostsee zu gelangen; August II., Kurfürst von Sachsen und König von Polen, wollte Livland für Polen zurückgewinnen; Friedrich IV. von Dänemark wollte den Teil Schleswig-Holsteins, der noch im Besitz der Linie Holstein-Gottorp war, wieder mit Dänemark vereinigen; diese Linie war aber seit langem mit Schweden verwandt, auch der augenblickliche Herzog war ein Schwager und Freund Karls XII. Die drei Monarchen verbanden sich 1700 zu einem Angriffskriege und fielen in die von ihnen begehrten Länder ein, aber der junge Schwedenkönig zeigte eine unerwartete Tatkraft.

Karl XII. warf sich zunächst nur gegen Dänemark, um sich für den Kampf im Osten den Rücken freizumachen, da die dänische Flotte seine Verbindungen mit den anderen Kriegsschauplätzen gefährdete. Mit Unterstützung einer englisch-holländischen Flotte bedrohte er Kopenhagen zu Wasser wie zu Lande und zwang Friedrich IV. in wenigen Wochen zum Frieden (Travendal, 18. August 1700).

[586]

England und Holland nahmen in Hinblick auf das Gleichgewicht in der Ostsee wie stets bisher die Partei der gefährdeteren Seemacht, sie waren auch die Bürgen des letzten Vergleichs zwischen Dänemark und dem Hause Gottorp. Sie sandten Ende Mai eine gemeinsame Flotte, 11 englische und 13 holländische Linienschiffe, einige Fregatten, 3 Mörserboote, unter den Admiralen Rooke und de Almonde zur Ostsee. Der Befehl lautete, den eigenen Handel zu schützen und die Interessen des Herzogs von Holstein wahrzunehmen; es war erlaubt, zu diesem Zweck schwedische Truppen nach Holstein zu führen, nicht aber angriffsweise vorzugehen, sondern nur Gewalt mit Gewalt zu erwidern. Die Flotte traf am 19. Juni vor Gothenburg ein, segelte zur Vereinigung mit den Schweden weiter, ging dann aber vor dem Sunde zu Anker, weil die 33 Linienschiffe starke dänische Flotte zwischen Kronburg und Hven lag. Hier wollte man abwarten, ob die Schweden vom Süden herankämen und die Dänen zum Rückzug auf Kopenhagen nötigten, oder ob die Vereinigung im Großen Belt stattfinden solle.

Am 7. Juli ging die dänische Flotte nach Kopenhagen und die Vereinigung der Engländer und Holländer mit den Schweden fand bei Landskrona statt. Die schwedische Flotte unter Graf Wachtmeister zählte 29 Linienschiffe, einige Fregatten sowie ein Mörserboot; 6 schwere Schiffe hatte man wegen ihres Tiefganges südlich von Kopenhagen gelassen. 2000 Mann waren eingeschifft, weitere Truppen standen in Landskrona bereit.

Man beabsichtigte, Kopenhagen von See aus einzuschließen und die feindlichen Schiffe mit Fregatten und Brandern anzugreifen oder sie zu beschießen, falls sie sich in den Hafen zurückgezogen hätten. Am 20. Juli ankerte die Flotte vor der Stadt. Die Dänen hatten die meisten Schiffe möglichst nahe unter Land gelegt, den Rest auf der inneren Rhede durch Balkensperren gegen Brander geschützt. Diese Schiffe wurden von den Mörserbooten während der Nacht beschossen, aber nachdem etwa 100 Bomben und Brandgeschosse ohne Erfolg geworfen waren, zog man sich aus dem heftigen feindlichen Feuer zurück. Man beschloß nun, die Landungstruppen zu holen, und die Schiffe im Hafen sowie die Stadt vom Norden der Insel Amager her zu beschießen. In der Nacht vom 26./27. wurden etwa 150 Geschosse verfeuert, jedoch mit ebensowenig Erfolg. Es ging damals das Gerücht, daß die Angreifer, insbesondere die Engländer und Holländer, mehr im Auge gehabt hätten einzuschüchtern, als zu schädigen. Dagegen trafen am 2. August, gedeckt durch schwedische Kriegsschiffe, die Truppen von Landskrona ein und wurden nach Vertreiben einiger dänischer Fregatten mit Hilfe der Boote der ganzen Flotte noch am selben Tage nördlich von der Stadt gelandet; Karl XII. führte die seinen, als erster mit dem Degen in der Faust aus dem Boote ins seichte Wasser springend. Durch ungünstiges Wetter verzögert, wurden die Geschütze und das Belagerungsmaterial erst einige Tage später ausgeschifft. So von See und Land bedroht, schloß Friedrich IV. Frieden.

Die Regierungen Englands und Hollands waren mit dem Vorgehen ihrer Admirale nicht einverstanden; diese hatten ja auch ihre Weisungen überschritten. Es kam sofort der Befehl, sich künftig streng an diese zu halten. Wie früher in ähnlichen Lagen, wünschte man keine zu großen Erfolge Schwedens. Wilhelm III. schrieb an Heinsius: „Dieser Erfolg, fürchte ich, wird den König von Schweden so groß machen, daß wir genügend zu tun haben werden, ihn wieder klein zu bekommen.“ Auch fürchtete man, daß durch Einschreiten Frankreichs zugunsten Dänemarks ein allgemeiner Krieg entstehen würde.

Die Admirale erhielten diesen Befehl bei Hven sowie die Weisung, nach Friedensschluß heimzukommen. Sie blieben aber länger liegen, um den Rücktransport der schwedischen Truppen abzuwarten, weil auch die dänische Flotte wieder in den Sund gekommen und bei dem Haß zwischen den nordischen Völkern ein Zusammenstoß mit den Schweden nicht ausgeschlossen war. Am 8. September ging Karl XII. mit Flotte und Truppen nach Schweden zurück.

Karl XII. wandte sich nun gegen seine Gegner im Osten, und es folgen einige Jahre (bis 1709), in denen die Kriegführung zur See nicht hervortritt; sie[587] seien deshalb nur kurz geschildert. Karl landete mit 20000 Mann bei Pernau (Busen von Riga) und warf sich, da das polnisch-sächsische Heer vor ihm zurückwich, zunächst auf die Russen, die er mit 8000 Mann gegen 40000 bei Narva (20. November 1700) vernichtend schlug. Dann trug er bei Riga (12. Juli 1701) einen Sieg über die Sachsen und Polen davon und hätte jetzt einen günstigen Frieden erzwingen können. Er drang jedoch weiter vor, eroberte durch verschiedene siegreiche Schlachten ganz Polen, ließ in Warschau (2. Juli 1704) Stanislaus Leszczynski zum König wählen und verfolgte August II. bis nach Sachsen. Hier endlich schloß er Frieden (Altranstädt, 24. September 1706); August verzichtete auf den polnischen Thron und entsagte jeder Verbindung mit den Gegnern Schwedens.

Die mißachtende Vernachlässigung der Russen nach dem glänzenden Siege bei Narva wurde Karls Verderben; Peter nutzte diese Jahre aus. Er reorganisierte sein Heer mit Hilfe deutscher Generale, setzte sich in Ingermanland fest und gründete St. Petersburg; die schwachen schwedischen Truppen in Livland konnten dies nicht hindern. So fand Karl später einen kräftigen Gegner vor und Schweden hatte nicht mehr allein mit der dänischen Marine sondern auch mit der russischen zu rechnen.

Bis 1708 blieb Karl in Sachsen stehen, um sein Heer wieder schlagfertig zu machen und zu verstärken; Peter drängte inzwischen die Schweden in Esthland und Livland weiter zurück und verwüstete Polen, um einen Vormarsch Karls gegen Rußland zu erschweren. Endlich brach dieser mit 40000 Mann auf, schlug hinter der Beresina einen russischen Heeresteil (14. August) und überschritt den Dnjepr, um gegen Moskau zu ziehen; eine Verstärkung von 12000 Mann unter Lewenhaupt wartete er nicht ab. Bei Smolensk wandte er sich aber nach der Ukräne, wo ihm der Hetman Mazeppa die ganze Heeresmacht der Kasaken zuzuführen verheißen hatte. Die Aufwiegelung dieser schlug fehl und Lewenhaupt konnte dem König nur 6000 Mann bringen, weil er auf dem Anmarsch schwer geschlagen worden war und seine ganze Bagage verloren hatte. Die Russen wichen beständig aus, das Heer litt ungemein unter Hunger und Kälte; Karl drang zwar bis Pultawa vor und belagerte die Stadt vom Mai 1709 an, wurde dann aber am 8. Juli durch den mit Übermacht heranrückenden Peter vernichtend geschlagen. Der Rest der Schweden, nur 14000 Mann, mußte sich ergeben, Karl floh in die Türkei.

Hier reizte Karl den Sultan gegen Rußland auf, er selber wollte das Heer führen. Aber erst 1711 erklärte der Sultan den Krieg, und wenn auch Peter durch den Großvezier geschlagen wurde (9. August 1711), so gelang es ihm doch, durch Bestechung und Abtretung Asows den Frieden wieder herbeizuführen. Karl blieb bis 1714 in der Türkei; er entschloß sich erst zur Rückkehr, als er einsah, daß er hier keine Hilfe zu erwarten habe und als die Nachrichten aus dem Norden immer schlechter wurden. Nach sechzehntägigem Ritt durch Österreich, Süd- und Westdeutschland traf er mit 2 Offizieren am 22. November 1714 in Stralsund ein.

Peter der Große bemächtigte sich in den Jahren 1709 und 1710 ganz Esthlands und Livlands und ging an den Ausbau einer Ostseeflotte.[588] Auch die andern Gegner Schwedens regten sich wieder. August II. vertrieb Leszczynski, Friedrich IV. besetzte Schleswig und versuchte, in Schonen Fuß zu fassen (vergeblich). Inzwischen verabredeten die Seemächte mit dem Kaiser einen Waffenstillstand für die schwedisch-deutschen Lande (Pommern, Bremen-Verden, Stade) und Dänemark, Sachsen sowie die schwedischen Stände traten auch bei (Haager Conzert, 31. März 1710), da aber Karl XII. Einspruch erhob und die erstgenannten Mächte nicht tätlich eingriffen, nahm der Krieg seinen Fortgang.

Jetzt griff die Kriegführung zur See wieder ein. Die Dänen eroberten Stade und Verden, die Sachsen und Russen nahmen Schwedisch-Pommern außer Stralsund und Wismar (1712). Das schon erschöpfte Schweden raffte sich noch einmal auf. General Stenbock besiegte mit 12000 Mann die Dänen bei Gadebusch (Mecklenburg-Schwerin; 20. Dezember 1712) und drang in Schleswig-Holstein ein, wurde aber bei Tönning durch die Übermacht der Verbündeten zur Kapitulation gezwungen (Mai 1713). Schweden sah sich genötigt, mit Preußen einen Vertrag abzuschließen, wonach dessen Truppen Pommern von der Peene bis zur Oder in Sequestration nahmen. Peter war bereit, dieses Land gegen eine Kriegsentschädigung zu räumen. Rußland war 1714 bis Abo vorgedrungen; Kurland hatte Peter durch Anheiratung an sein Haus gewonnen.

Jetzt kam Karl XII. zurück. Er erkannte den Vertrag mit Preußen nicht an, forderte Pommern zurück und vertrieb die preußischen Truppen aus Usedom und Wollin. Infolgedessen erklärte auch dieser Staat den Krieg und verband sich mit Rußland und Sachsen; Hannover trat dem Bunde bei, um sich die von Dänemark gekauften schwedischen Gebiete (Bremen-Verden; Stade) zu sichern. Die vereinten Truppen belagerten unter Leopold von Dessau Stralsund; Karl XII. verteidigte die Stadt mehrere Monate und ging erst kurz vor dem Fall (23. Dezember 1715) nach Schweden; im April 1716 mußte auch Wismar kapitulieren. Schweden hatte seinen ganzen überseeischen Besitz verloren.

Die Beteiligung der Seestreitkräfte. Die Aufgabe der dänischen Marine war zunächst nicht leicht; 1710 standen ihren 41 Linienschiffen 48 schwedische gegenüber. Sie sollte die Verbindungen Schwedens mit seinen festländischen Besitzungen unterbinden, die Operationen der Verbündeten unterstützen und den eigenen Handel gegen zahlreiche und kühne schwedische Freibeuter schützen. Dennoch hat sie einige wirksame Erfolge zu verzeichnen; es kamen ihr allerdings günstige Umstände zu statten. Als General Stenbock 1712 mit seinem Heere auf 130 Transportschiffen nach Rügen übergeführt wurde, geleitete ihn Graf Wachtmeister mit der ganzen Schlachtflotte; kurz nach der Landung vernichtete die dänische Flotte über 90 der Transporter, Wachtmeister mußte dagegen wegen einer schweren Seuche an Bord der Schiffe schleunigst nach Karlskrona zurückkehren und abrüsten. Als dann Stenbock 1713 in die Enge getrieben war, konnte die dänische Flotte ihm den Seeweg versperren.

Von 1715 an mußte Schweden einen Teil seiner Seestreitkräfte gegen Rußland werfen und seine Marine war durch Geld- und Mannschaftsmangel geschwächt. Nun wuchs die Bedeutung der dänischen Flotte; in zwei Gefechten, an der holsteinischen Küste (28. Juli) und bei Rügen (8. August 1715), wies sie die schwedische zurück. Durch das zweite Seegefecht hinderte sie die Aufhebung der Blockade und den Entsatz Stralsunds.[589] Sie ermöglichte dann durch Vernichtung der kleinen Schiffe im Hafen den Übergang nach Rügen, wodurch die Übergabe der Festung erzwungen wurde. 1716 trug sie mittels strenger Blockade zur Einnahme Wismars bei.

Ebenso unglücklich war die schwedische Flotte den Russen gegenüber. Sie konnte die allmähliche Eroberung der Südküste Finnlands nicht hindern. Die russische Schärenflotte zog von Distrikt zu Distrikt und die von ihr losgelassenen Truppen verwüsteten das Land; 1713 fiel Helsingfors. Als die Eroberung so bis zum Ausgange des finnischen Meerbusens vorgedrungen war, stand gerade die russische Hochseeflotte stark genug da, um die Schärenflotte zu decken und zu unterstützen. 1715 schlug Generaladmiral Apraxin, unter dem Peter selber als Kontreadmiral diente, die Schweden unter Ehrenskjöld bei Hangö-Udd, wobei sich die Galeren in den engen Gewässern von größtem Nutzen zeigten. Er bahnte sich dadurch den Weg nach Abo, den Alands-Inseln und der Küste Finnlands am Bottnischen Busen, die Plünderungszüge dehnten sich nun bis zu diesen aus. Von 1716 an lag die schwedische Flotte infolge Geldmangels unausgerüstet in Karlskrona. Angstvoll war sie eines Angriffs der Dänen gewärtig, die die Küsten Schwedens blockierten und den Handel völlig unterbanden.

Von 1716–1718 versuchte Karl XII. in drei Feldzügen Norwegen zu erobern; ihm kam dabei zu statten, daß seine Gegner uneinig wurden. Peter vermählte eine Nichte mit dem Herzog von Mecklenburg und ließ sein Heer in diesem Lande stehen, dies machte die Verbündeten stutzig; auch begannen Verhandlungen zwischen Peter und Karl behufs eines Bündnisses auf Kosten der anderen Staaten (wir verweisen auf den Plan Alberonis S. 578), der Zar führte deshalb einen schon vorbereiteten Einfall in Schonen nicht aus. Der hartnäckige Widerstand der norwegischen Bevölkerung, die schwierigen Verhältnisse des Landes und des Klimas und der schlechte Zustand des schwedischen Heeres ließen jedoch Karl keine Fortschritte machen. Er fiel am 11. Dezember 1718 vor Friedrichshall.

Auch in diesen Jahren war die dänische Marine von Wichtigkeit. Tordenskiold vernichtete mit nur wenig Schiffen im Hafen von Dynekil (8. Juli 1716) die Transportflotte, die alles, was Schweden mit Mühe an Truppen und Kriegsmaterial hatte aufbringen können, zur Belagerung Friedrichshalls bringen sollte. Die schwedische Flotte wurde im allgemeinen weiter in den Häfen festgehalten, die russische Marine beteiligte sich jetzt an der Blockade; sie war soweit gewachsen, daß Peter 1716 zu der erwähnten Landung in Schonen mit 17 Linienschiffen, zahlreichen Galeren und Truppentransportschiffen in Kopenhagen erscheinen konnte. 1719 eroberte Tordenskiold die Insel Marstrand und vernichtete ein schwedisches Geschwader, das mit Erfolg gegen den dänischen Handel aufgetreten war.

Ulrike Eleonore, die Nachfolgerin Karls, schloß 1719 Frieden mit Hannover, Polen und Preußen (Stockholm, 20. November) und 1720 mit Dänemark (Friedrichsborg, 13. Juli), brach aber Verhandlungen mit Peter ab. Jetzt griffen die Russen Schweden selber an, verwüsteten 1719–1721 mit immer stärkeren Heeren die Küsten und erzwangen so den Frieden von Nystadt (10. September 1721).

1719 führte Apraxin mit 130–150 Galeren sowie zahlreichen Transportern 30000–40000 Mann an die Küste nördlich von Stockholm; 8 Ortschaften, 141 Adelssitze, 1361 Höfe, 2 Kupferminen wurden zerstört, Wälder verbrannt, um die darin liegenden Minen zu vernichten, 80000 Eisenbarren ins Meer versenkt, gegen 100000 Stücke Vieh getötet. 1720 hausten die Russen, auf Abo, Helsingfors und Wiborg gestützt[590], ähnlich an der Küste von Westerbotten; ein schwedisches Geschwader wurde zurückgeschlagen. 1721 ward Norrland verwüstet. Daß Stockholm von einem Angriff bewahrt blieb, ist nur dem Auftreten einer englischen Flotte zu verdanken; England schränkte überhaupt in den Jahren 1719–1721 die Tätigkeit der russischen Hochseeflotte etwas ein und machte es so der schwedischen möglich, sich wieder zu zeigen.

Die Haltung Englands und Hollands im Nordischen Kriege. Wie vor Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges, um 1700 beim ersten Zusammenstoß Schwedens und Dänemarks, so wandten diese Staaten auch nach seiner Beendigung ihr Augenmerk auf ihre Interessen in der Ostsee; besonders England zeigte hier seine Macht auf dem Meere und trug zum Friedenschluß bei.

In den Jahren 1715–1718 traten sie gemeinsam zum Schutze ihres Handels auf, weil Schweden, Dänen und Russen die Neutralität nicht unbedingt beachteten; das Verhältnis zu Schweden wurde bald zu einer Art Kriegszustand. Da Rußland von England und Holland Schiffe, Mannschaften und Kriegsbedarf jeder Art bezog, griff Schweden, besonders seit 1710, den Handel dieser Länder planmäßig mit Kriegsschiffen und Freibeutern an; die Handelsschiffe wurden nicht nur auf Kriegskontrebande untersucht, sondern überhaupt aufgebracht. Die Seemächte sandten deshalb in jedem dieser Jahre eine gemeinsame Flotte in die Ostsee, die im Vereine mit den dänischen und russischen Kräften die Schweden in ihren Häfen festhielten, Freibeuter aufbrachten und Convois geleiteten. Der König von England war ja als Kurfürst von Hannover mit Schweden im Kriege, doch hatte das englische Volk hierfür zunächst kein Interesse, als aber die Umtriebe Karls XII. zugunsten Jakobs III. bekannt wurden, gab es seine Einwilligung zu ernsterem Vorgehen.

Nach dem Tode Karls änderte sich die Lage gänzlich. Schweden belästigte den Handel nicht weiter, Holland brauchte keine Schiffe mehr zu senden. Eine englische Flotte aber trat in jedem der letzten Jahre zugunsten der Schweden auf, indem sie die russische Hochseeflotte in Reval festhielt. Jetzt lag es im Interesse Englands, Peters Erfolge einzuschränken und die russische Seemacht nicht zu sehr wachsen zu lassen.

Die Operationen zur See: 1715 deckte Admiral Norris mit 20 englischen und 12 holländischen Linienschiffen die Hin- und Rückreise des Ostsee-Sommerconvois. 1716 kam er mit ähnlicher Stärke, Holland hatte wegen Geldmangels nur 6 Schiffe gestellt. Als er auf das Verlangen einer bündigen Erklärung, ob die Schifffahrt jetzt sicher sei, von Stockholm eine unbestimmte Antwort erhielt, gab er zu erkennen, daß er nötigenfalls feindselig auftreten werde. Er verband sich mit den Dänen und Russen in Kopenhagen, die dort für den Einfall in Schonen bereit lagen. (Anderseits, so wird gesagt, wirkte England aber auch dahin, daß Peter dieses Unternehmen aufgab.) Der Zar selber führte die vereinigte Macht nach Bornholm. Von hier aus wurden einzelne Schiffe gegen schwedische Kreuzer entsandt, die Kauffahrer nach ihren Bestimmungshäfen geleitet und im Herbst wieder heimgeführt; die schwedische Flotte konnte natürlich Karlskrona nicht verlassen. Genau so, nur ohne die Russen, verliefen die Jahre 1717, Admiral Byng, und 1718, wieder Norris. 1717 war Holland nicht imstande, Schiffe zu stellen. Es gingen dann auch nur 300 anstatt wie sonst 500 holländische Kauffahrer in die Ostsee, und 1718 sandte man deshalb mit Aufbietung aller Kräfte wieder 12 Kriegsschiffe.

[591]

1719 vereinigte sich Norris im September mit den Schweden und trieb die russische Hochseeflotte nach Reval; 1720 und 1721 hielten Norris und Wachtmeister die Russen den ganzen Sommer über in diesem Hafen fest.

England und Frankreich vermittelten den Frieden. Beide wünschten nicht, daß Schweden niedergeschlagen und die Ostsee ein russisches Meer würde; es war dies besonders für England wichtig, da seine Marine auf die von dort bezogenen Schiffsbedürfnisse angewiesen war. Die Franzosen schreiben ihrer Diplomatie den Haupteinfluß zu; sie behaupten auch, daß England Schweden nur schwach unterstützt habe, weil es die Ostseeprovinzen zu Nutzen seines Handels gern in Rußlands Händen sah. Dies mag zutreffen; die englische Flotte hinderte die Verwüstung Schwedens nicht, sie trat nur demonstrativ auf und hat, abgesehen von dem Einschreiten gegen Kreuzer in den ersten Jahren, bei allen Operationen kaum einen Schuß abgegeben. Aber der Druck der englischen Seemacht hat ohne Frage wesentlich dazu beigetragen, Rußland zum Frieden geneigt zu machen. Peter erkannte das zielbewußte Vorgehen der Engländer, sah sie vor seiner eigenen Tür und mußte für seine junge Flotte eine Wiederholung des Schauspieles vom Cap Passaro fürchten.

Venedig und die Türken.

Im Anfange des 18. Jahrh. fanden in einem letzten Kriege auch die langen Kämpfe zwischen der Republik Venedig und dem osmanischen Reiche um die Besitzungen im Ostmittelmeer ihr Ende. Im vorigen Abschnitte (Seite 109) ist gesagt, daß Venedig mit dem Verluste von Cypern (1573) schon nahezu aus dem Ostmittelmeer verdrängt war und daß es von da an langsam aber stetig von seiner Großmachtstellung herabstieg. Es ist aber auch erwähnt worden, daß um diese Zeit die Seemacht des osmanischen Reiches gleichfalls ihre höchste Blüte erreicht hatte. Ihrem Vordringen im Westmittelmeer war durch das Abschlagen der Angriffe auf Malta und Korfu (1565) sowie durch die Schlacht bei Lepanto (1571) ein Ende gemacht worden. Im Ostmittelmeer setzten die Türken jedoch von der Mitte des 17. Jahrh. bis 1718 in drei Kriegen gegen Venedig ihre Eroberungen fort.[281]

1645 warfen sie mit einer großen Flotte ein Heer nach Kreta, nahmen Canea sowie Retimo und belagerten Candia. Das Bestreben Venedigs, der Insel Unterstützung zu bringen, führte zu einem langen Kampfe um die Seeherrschaft. Mit wechselndem Erfolge wurde gefochten, mehrfach blockierten die Venetianer die Dardanellen, viele Seegefechte fanden statt (z. B. 1656 eine große Niederlage der Türken vor den Dardanellen), aber keine Partei gewann dauernd die Überhand. Zeitweise erhielt Venedig Unterstützung durch Spanien, die Malteserritter, Genua oder den Papst, und als Candia nach heldenmütiger Verteidigung zu fallen drohte, sandte Frankreich eine Flotte mit Landungstruppen. Aber diese Expedition (ihre Stärke vgl. Seite 319) blieb erfolglos, die Stadt fiel im September 1669.

[592]

Die Truppen wurden unbehindert in die Stadt geworfen (Mitte Juni). In einem bald darauf unternommenen Ausfall trieb man zuerst die Türken in ihre Befestigungen zurück, aber dann entstand durch Explosion eines Pulvermagazins Verwirrung unter den Franzosen, der Führer, Herzog von Beaufort, fiel und man mußte sich zurückziehen. Nachdem um Ende Juli die französischen Schiffe, im Verein mit venetianischen, malteser und päpstlichen Fahrzeugen, die türkischen Batterien ohne Erfolg beschossen hatten, wurden die Truppen wieder eingeschifft und das Unternehmen abgebrochen. Mangel an Vorräten, Uneinigkeit mit den Venetianern und endlich die vorgerückte Jahreszeit werden als Gründe des Mißerfolges angegeben.

Nach dem Falle der Hauptstadt eroberten die Türken bald die letzten festen Plätze der Insel und behielten sie im Besitz.

1684–1699 wurde ein zweiter Krieg um Morea geführt. Als die Türken vor Wien abgeschlagen waren (Sobieski 1683) und in Ungarn hart bedrängt wurden, glaubte Venedig die Zeit zur Wiedergewinnung seiner verlorenen Besitzungen gekommen. Unterstützt durch deutsche Truppen und Malteserritter gelang es Morea, Ägina sowie einen Teil Dalmatiens zu erobern; Angriffe auf Euböa und Kreta schlugen dagegen fehl. Im Frieden von Karlowitz behielt Venedig die genommenen Länder.

Bei der Belagerung Athens durch die venetianische Flotte sprengte eine Bombe das Mittelteil des Parthenon, von den Türken als Pulvermagazin benutzt, in die Luft.

1714 griffen die Türken wieder an und bemächtigten sich leicht Moreas. Zwar trat 1716 Österreich auf seiten Venedigs und errang große Erfolge (Prinz Eugen: Peterwardein, Belgrad), aber den Venetianern gegenüber waren die Türken im Vorteil, besonders auch zur See. Sie behielten im Frieden von Passarowitz 1718 Morea endgültig. Der Republik Venedig verblieben nur das tapfer verteidigte Korfu und Dalmatien; sie war somit in ihren Besitzungen auf das Adriatische Meer beschränkt. Nach diesem letzten Kriege zog sich die Republik ganz zurück. Sie ließ sich auch durch den österreichisch-türkischen Krieg 1738–1740 nicht mehr aus einer Politik der bloßen Erhaltung des Besitzes und der Beschränkung auf den Schutz ihrer Handelsinteressen herauslocken. Venedig zählte weder als Großmacht noch als Seemacht weiter mit.

Aber das osmanische Reich trat als Seemacht nicht an seine Stelle, selbst nicht im Ostmittelmeer. Die türkische Marine, im 16. Jahrh. im ganzen Mittelmeer gefürchtet, verlor mit dem Rückgang des Reiches stetig an Kraft und Bedeutung. Wir haben gesehen, daß die Türken weder imstande waren, ihren Einfluß auf die Barbareskenstaaten aufrecht zu erhalten, noch diese gegen die Angriffe der neuentstandenen Seemächte zu schützen, ja daß deren Flotten schon mit Erfolg im Ostmittelmeer auftraten.

Die Barbareskenstaaten 1715-1740.

Nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges trat an die Marinen der Westmächte wiederum die Aufgabe heran, ihren Handel gegen die Barbareskenstaaten zu schützen. So lange Jahr für Jahr starke englisch–holländische Flotten im Mittelmeer waren, hatten diese die Aufgabe mitübernommen und[593] durch abgezweigte Geschwader gelegentlich Verträge erzwungen. Derartige Erfolge nützten aber, wie wir wissen, niemals auf längere Zeit, und so belästigten die Raubstaaten von 1715 an den holländischen Handel wiederum auf das ärgste. Sie hielten sich an einen Friedensvertrag von 1712 nicht gebunden, da Holland die in diesem vereinbarte Auslösung von Sklaven nicht durchführte.[282] Bis 1720 wurden etwa 40 holländische Kauffahrer mit 900 Seeleuten und 6 Millionen Gulden Ladungswert abgefangen; die Raubstaaten hatten gegen 50 Schiffe, einige mit 40-50 Kanonen, im Dienst. Die Verhältnisse lagen in Holland so traurig, daß man sich zunächst darauf beschränken mußte, Freibeuter ausrüsten zu lassen und die alten, in den Kriegsjahren vernachlässigten Bestimmungen über die Armierung der Levantefahrer zum Selbstschutz wieder schärfer durchzuführen. Von 1718 an sandte man jährlich eine Division von 3-4 Kriegsschiffen und erst von 1722 an eine solche von 6-8, kleine Linienschiffe und schwere Fregatten, in die bedrohten Gewässer; diese führten denn auch 1725 einen Vertrag mit Algier und 1728 mit Tunis herbei. Doch hatte infolge der halben Maßregeln der Handel weitere große Verluste erlitten und Marokko war noch nicht zum Nachgeben gebracht. Dann wurden die Geschwader wieder kleiner, ja von 1732 an betätigte sich die Admiralität Amsterdam allein an dem Schutze gegen Marokko; dieser Staat ging erst 1746 auf einen Vertrag ein.

Auch Frankreich entsandte während der Regentschaft und in den ersten Regierungsjahren Ludwigs XV. kleinere Geschwader, 1728 wurde Tripolis bombardiert; sie errangen gleichfalls nur zeitliche Erfolge.

Englands Flagge scheint mehr geachtet gewesen zu sein; es waren wohl stets genügend Kriegsschiffe auf der Station. Jedenfalls war es ein Fehler, daß die drei Mächte, die während dieser Jahre in gutem Einvernehmen standen, sich nicht zur Unterdrückung des Seeraubes verbanden. Es scheint aber eher das Gegenteil der Fall gewesen zu sein, denn bei einer besonderen Gelegenheit klagen die Holländer, daß sich ein von ihnen verfolgtes Raubschiff in den Schutz englischer Kriegsschiffe geflüchtet habe.

Ein Angriff Spaniens auf Gibraltar (1727) und der Polnische Thronfolgekrieg (1733-1735) sollen im nächsten Kapitel (Seite 596/597) besprochen werden.

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Fußnoten:

[280] Anschließend an »Der schwedisch-dänische Krieg 1675–1679, Seite 394 ff.; dort auch Quellennachweis, es tritt hinzu „Bridge“.

[281] Hinweis auf diese Kriege siehe Seite 247, 319, 409. Hauptquellen: du Sein: „The Ship“.

[282] So sagt de Jonge, und zwar „wegen Geldmangels“ nicht durchführte. Diese Quelle gibt (Teil IV) wie früher genauere Schilderungen über die Kämpfe.


[594]

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Elftes Kapitel.
Die Zeit von 1721–1739.

Übergang zum Abschnitt IV.

Die letzten Jahre unseres Abschnittes bringen keine Kriege, in denen die Seestreitkräfte eine Rolle spielen; in den ersten zwölf Jahren nach Beendigung des Nordischen Krieges herrschte überhaupt Friede. Dieser war jedoch sehr unsicher, überall lag Zündstoff für zukünftige Zusammenstöße angehäuft. Es genügt für unsere Zwecke, als Übergang zum nächsten Abschnitt die Hauptpunkte hervorzuheben und die geschichtlichen Ereignisse bis 1739, dem Ausbruch des nächsten großen Krieges, kurz zu schildern.

Spanien mußte unzufrieden mit den Bedingungen sein, die ihm die Quadrupel-Allianz 1720 aufgezwungen hatte. Sein Hauptkummer war, Neapel und Sicilien an Österreich, Gibraltar und Port Mahon an England verloren zu haben, sowie infolge des Assientovertrages durch den englischen Schmuggelhandel in Westindien schwer benachteiligt zu werden. In all diesem war England der Hauptfaktor, Spanien mußte in ihm seinen Hauptfeind sehen.

Der Kaiser Karl VI. hatte, weil ohne männliche Nachkommen, unter dem Titel „Pragmatische Sanktion“ ein Erbfolgegesetz erlassen, nach dem bei Mangel an männlichen Nachkommen die zur österreichischen Monarchie gehörigen Länder nach dem Erstgeburtsrecht auf seine Töchter und ihre Nachkommen, oder weiter auf die Töchter Josephs I. vererbt werden sollten; er strebte nun dahin, für dieses Gesetz die Anerkennung der andern Staaten zu gewinnen. Bei England und Holland hatte er aber durch die Gründung einer ostindischen Handelskompagnie in Ostende großen Anstoß erregt. Diese Staaten waren ja stets bemüht gewesen, einen Wettbewerb der bisher spanischen, jetzt österreichischen Niederlande im Seehandel zu hindern; war doch z. B. in allen Friedensbedingungen die Sperrung der Schelde für den Handel stets aufrecht erhalten.

Endlich lag eine Gefahr für den allgemeinen Frieden in den polnischen Verhältnissen.

Die Interessen der einzelnen Staaten führten zu verschiedenen, mehrfach wechselnden Gruppierungen gegeneinander, die beständig den Frieden bedrohten.[595] Wenn nun dieser dennoch so lange bestehen blieb, so war dies den leitenden Staatsmännern Frankreichs und Englands zu danken.

In Frankreich regierte tatsächlich seit dem Tode des Regenten und des Kardinals Dubois (1723) der Kardinal Fleury, der Lehrer und seit 1726 der Minister Ludwigs XV. Dieser wünschte den Frieden, vor allem im westlichen Europa, zu erhalten, um seinem Lande die Gelegenheit zur durchaus nötigen Erholung zu geben; vielleicht schreckte er auch infolge seines hohen Alters vor einem Kriege zurück. Unter seiner siebzehnjährigen milden Verwaltung blühte auch Frankreich wieder auf, insbesondere nahmen der Seehandel und die Kolonien großen Aufschwung.

Frankreichs finanzielle Lage war nach dem Frieden von Utrecht noch bedenklicher geworden. Kurz sei auf das berüchtigte Wirken des Schotten Law hingewiesen, der sich anheischig gemacht hatte, die Staatsfinanzen zu heben: Er gründete 1716 eine Bank auf Aktien und knüpfte daran 1717 eine Handelskompagnie für Louisiana. Große Summen strömten herbei, da man dem Publikum vorgespiegelt hatte, das Tal des Mississippi berge noch größere Reichtümer als Peru. Nun wurden bedeutende Beträge an Papiergeld ausgegeben; es war nur darauf berechnet, den Leuten das bare Geld abzulocken, wurde doch sogar verfügt, daß niemand mehr als 500 Lire an Bargeld besitzen dürfe. Mit dieser Bank, seit 1718 Staatsbank unter Laws Leitung, und der neuen Kompagnie vereinigte man 1719 die beiden alten Kompagnien für Westafrika und Ostindien, nunmehr zusammen die „Compagnie des Indes“, auch wurde dem Institut die Pachtung der Staatssteuern überlassen. Der künstlich in die Höhe getriebene Wert der Aktien sank bald auf Null, das ganze Kartenhaus brach 1720 zusammen: Frankreich war verschuldeter als vorher.

Immerhin nahmen infolge des wachgerufenen Spekulationsgeistes und der augenblicklichen Fülle des Kapitals Handel und Industrie einen schnellen Aufschwung; die Spannkraft des Volkes, das nicht mehr durch den Krieg ausgesogen wurde und nicht mehr von der Welt abgeschnitten war, wirkte im gleichen Sinne. Seehandel und Kolonien hoben sich: Gegenüber 300 Handelsschiffen beim Tode Ludwigs XIV. zählte die französische Kauffahrteimarine 20 Jahre später 1800; in Westindien erlangte Frankreich das Übergewicht über England, französische Quellen behaupten das gleiche vom Mittelmeerhandel; in Ostindien wuchsen die Niederlassungen, Isle de Bourbon wurde eine reiche Ackerbaukolonie und Isle de France ein wichtiger maritimer Stützpunkt — ein französisch-indisches Reich, wie jetzt das englische, schien im Entstehen (vgl. Kapitel XII).

Gewiß hat die milde, friedliche Regierung Fleurys alles dieses begünstigt; es ist aber doch fraglich, ob es ganz in seinem Sinne gelegen hat, er hätte dann doch wohl die Marine nicht verfallen lassen. Seine Politik blieb wie die Ludwigs XIV. auf den Kontinent gebannt; mit Recht sagen französische Autoren: „Die Regierung zog sich gerade in dem Augenblicke von der See zurück, wo das Volk Anstrengung machte, diese wieder zu gewinnen. Die verderblichen Folgen zeigten sich in den nächsten großen Seekriegen.“

In England leitete seit 1721 Sir Robert Walpole die Politik; auch sein Bestreben war, unter allen Umständen den Frieden zu erhalten. Ihn bestimmte, neben der Rücksicht auf friedliches Erstarken des Handels, der Umstand, daß die englische Thronfolge noch immer nicht endgültig geregelt schien, und auch wohl die Besorgnis, in kriegerischen Zeiten seine persönliche Macht zu verlieren.

Den Frieden zu erhalten wurde ihm leicht unter Georg I., der sich in auswärtige Dinge nur einmischte, wenn sie seine Interessen in Hannover berührten. Schwieriger[596] war es unter dem kriegerischen Georg II., unter dem sich Walpole überhaupt zunächst nur durch den Einfluß der Königin halten konnte, bis er auch das Vertrauen des Königs gewonnen hatte. Es gelang ihm, den eigentlich schon ausgebrochenen Krieg mit Spanien (1727) schnell zu beenden und 1733 England vom Polnischen Thronfolgekrieg fernzuhalten. Sein Ehrgeiz schuf ihm viele Gegner und er hatte mit dem englischen Volke zu rechnen, das nicht zögerte, jede bedrohliche Nebenbuhlerschaft auf der See und im Handel zurückzuweisen. Einen Handelsstreit mit Spanien benützten endlich auch seine Gegner, ihn in einen Krieg hineinzuzwingen (1739), was dann bald (1742) seinen Rücktritt zur Folge hatte.

Durch sein finanzielles Geschick, seine friedliche und doch feste Politik führte er England zu glänzendem materiellen Aufschwung; diese Politik durchzuführen, ermöglichte ihm Englands Seemacht.

1725 trat eine erste Bedrohung des Friedens auf. Österreich und Spanien schlossen ein Bündnis (Wiener Vertrag, 30. April 1725), wonach dieses die pragmatische Sanktion anerkannte und jenes sich dagegen verpflichtete, die Ansprüche Spaniens auf Gibraltar und Port Mahon, wenn nötig mit Waffengewalt, zu unterstützen; hiergegen verbanden sich (Herrenhausen, 3. September) England, Frankreich und Preußen (Preußen, um seine bedrohten Erbansprüche auf Jülich und Berg sicherzustellen). Rußland zeigte Neigung, mit Spanien-Österreich zu gehen, und auch Preußen wurde 1726 auf diese Seite gezogen, beide Staaten erkannten die pragmatische Sanktion an; dem Gegenbunde gelang es aber, Holland, gereizt durch die Gründung der Ostende-Kompagnie, sowie Dänemark und Schweden, beide Rußland fürchtend, zu gewinnen. Zum erklärten Kriege kam es nicht. Spanien versuchte, sich Gibraltars zu bemächtigen, jedoch die englische Flotte verhinderte es und wirkte auch sonst schon durch ihr Auftreten.

England entsandte 1726 drei Geschwader:

1. 9 Linienschiffe an die spanische Küste, die dort vom Juli bis zum Herbst kreuzten

2. 20 Linienschiffe unter Vizeadmiral Wager nach der Ostsee (April-November), um Dänemark und Schweden zu schützen; Rußland hatte eine starke Flotte unter Generaladmiral Apraxin in Kronstadt zusammengezogen. Mit Wager vereinigte sich ein dänisches Geschwader und mit Rücksicht auf diese Macht ließ sich Rußland bewegen, wieder abzurüsten. Es soll hier Neigung zum Waffengang vorhanden gewesen, aber dann dem Abraten des Vizeadmiral Gordon, eines Schotten, vom selbstmörderischen Kampfe gefolgt sein.

3. Ein Geschwader unter Vizeadmiral Hosier nach Westindien, mit den Kräften der dortigen Station 16 Kriegsschiffe stark. Dieses erschien Anfang Juni bei Porto Bello. Infolgedessen löschte die schon beladene Silberflotte wieder und die zur Begleitung bestimmten Kriegsschiffe legten auf. Dann wurde, sozusagen, Westindien für mehrere Jahre völlig blockiert, doch hatte Hosier den gemessenen Befehl, nicht zu fechten (Walpoles strenge Friedenspolitik).

Diese Expedition veranschaulicht nochmals die hygienischen Verhältnisse jener Zeit an Bord der Schiffe; es herrschte eine kaum glaubliche Sterblichkeit. In den ersten zwei Jahren starben die Admirale Hosier und sein Nachfolger Hopsons, dieser vier Monate nach seinem Eintreffen, 7 oder 8 Kommandanten, 50 Leutnants sowie 4000 Unteroffiziere und Mannschaften.

Spanien greift 1727 Gibraltar an. Dieses Vorgehen in Westindien empfand Spanien schwer und reizte es, das noch nicht stark befestigte Gibraltar anzugreifen; früh im Jahre 1727 begannen 15000 Mann die Belagerung. Zum Entsatz erschien im[597] Februar Admiral Wager mit 8 Linienschiffen, darunter 5 zu 70–80 Kanonen. Er führte viel Munition und Kriegsbedarf sowie 17 Kompagnien Soldaten mit sich und traf schon 5 Linienschiffe sowie 2 Mörserboote an. Truppen und Vorräte wurde gelandet, die Belagerungsarbeiten durch die Mörserboote und kleinere Fahrzeuge unter flankierendes Feuer genommen. Gleichzeitig kreuzte Wager in der Straße und vor Cadiz und brachte viele Schiffe auf. Der Kampf um die Stadt wurde Ende Juni mit dem Beginn von Friedensunterhandlungen eingestellt; da aber die Spanier nicht abzogen, setzte Wager seine Gewaltmaßregeln auf dem Wasser fort. Februar 1728 wurde Frieden geschlossen; beschleunigt, als England eine Verstärkungsflotte rüstete.

In den nördlichen Gewässern wurden in diesen Jahren gleichfalls Streitkräfte für den Fall bereitgehalten, daß der Krieg mit Österreich ausbrechen sollte, sowie überhaupt zu Demonstrationen. Hieran beteiligte sich Holland, das 1727 6 Linienschiffe (18 waren beabsichtigt) und 1728 8 solcher im Kanal kreuzen ließ; 1729 vereinigten sich 8 Linienschiffe und 4 schwere Fregatten mit 21 engl. Linienschiffen in Portsmouth. 1727 zeigte sich ferner eine englische Flotte unter Admiral Norris als Demonstration gegen Rußland in der Ostsee.

Diese mehrjährige Spannung endete damit, daß der spanisch-österreichische Bund gelöst wurde. Der Kaiser widerrief den Freibrief der ostindischen Kompagnie in Ostende; Spanien ließ (Vertrag von Sevilla 1729) seine Ansprüche auf Gibraltar und Port Mahon endgültig fallen.

1733 brach der Polnische Thronfolgekrieg aus. Nach dem Tode Augusts II. wurde in Polen wiederum Stanislaus Leszczynski zum König erwählt. Rußland und Österreich erkannten ihn nicht an, sondern traten für August III. auf, wofür dieser der pragmatischen Sanktion zustimmte; die Russen rückten in Polen ein. Frankreich stand auf seiten Leszczynskis des Schwiegervaters Ludwigs XV., und Spanien verband sich mit ihm; der gemeinsame Haß gegen Österreich führte diese natürlichen Verbündeten jetzt wieder zusammen. Auch Sardinien schloß sich in der Hoffnung an, Mailand zu gewinnen. Die Verbündeten sicherten sich Englands und Hollands Neutralität durch das Versprechen, die österreichischen Niederlande nicht erobern zu wollen; im Oktober erklärten sie den Krieg an Österreich und griffen an. Die Spanier eroberten leicht Neapel und Sicilien, die Franzosen Lothringen und im Verein mit Sardinien Mailand sowie die Lombardei bis Mantua. Der König Stanislaus konnte sich jedoch in Polen nicht halten; eine beabsichtigte Unterstützung seitens der Franzosen über See unterblieb, da Fleury doch das Eingreifen Englands fürchtete.

Stanislaus wurde bald durch den russischen General Münnich in Danzig eingeschlossen. Fleury hatte den Befehl zur Ausrüstung von 34 Linienschiffen in Brest gegeben, der hochbetagte Admiral Trouin übernahm den Befehl über die sich bildende Flotte. Dieser machte sich anheischig, Danzig zu entsetzen, wenn auch ein englisches Geschwader erschiene; ein solches war tatsächlich im Sunde. Aber Fleury hatte mit seinem Befehle nur der öffentlichen Meinung ein Zugeständnis machen wollen; er hütete sich, England, das trotz seiner Neutralität eine große Flotte zusammengezogen hatte, durch tatkräftiges Auftreten zur See zu reizen. So wurde nur eine kleine Division mit 1500 Soldaten und sehr vorsichtig gehaltenen Befehlen abgesandt. Diese ließ sich dann durch die Anwesenheit des englischen Geschwaders in den dänischen Gewässern zurückhalten, nur die Truppen sowie eine Anzahl französischer Edelleute erreichten Danzig; die Stadt, auch von der russischen Flotte blockiert, mußte nach tapferer Gegenwehr kapitulieren. Der König rettete sich durch Flucht.

[598]

Schon 1735 wurde ein Präliminarfrieden zu Wien (definitiv 1738) geschlossen: August III. wurde als König von Polen anerkannt; Stanislaus erhielt Lothringen, das aber nach seinem Tode an Frankreich fallen sollte; Frankreich stimmte der pragmatischen Sanktion zu; der bisherige Herzog von Lothringen erhielt Parma; Österreich mußte seine süditalienischen Provinzen als eine Sekundogenitur an den zweiten Sohn des Königs von Spanien abtreten.

Der Bourbonische Familienvertrag. So hatte Walpoles Friedenspolitik England dahin geführt, einen alten Verbündeten, Österreich, preiszugeben, und sein Lohn war, daß der mittlere Teil des Mittelmeeres nun doch, als Königreich beider Sicilien, in bourbonische Hände und damit unter den Einfluß Spaniens und Frankreichs kam. Walpole wurde auch sonst von Fleury verraten. In dem Vertrage zwischen den Häusern Bourbon war nämlich eine geheime Klausel folgenden Inhalts aufgenommen: „Wenn es Spanien und Frankreich jemals in gleicher Weise gut scheinen wird, sollen die Mißbräuche, die sich besonders durch die Engländer in den Handel eingeschlichen haben, abgestellt werden, und wenn sich England dem widersetzen sollte, so verpflichtet sich Frankreich, seinem feindlichen Auftreten mit allen Mitteln zu Wasser und zu Lande zu begegnen.“ Bei dem gespannten Verhältnis zwischen England und Spanien trug dieses Abkommen den Keim zu den baldigen großen Kriegen zwischen England und dem Hause Bourbon in sich.

Die Spannung zwischen England und Spanien blieb aber auch nach dem Vertrage von Sevilla bestehen, ja sie nahm infolge von Reibungen in Handelsinteressen beständig zu. So sandte z. B. England 1735 eine Flotte nach Portugal, als Spanien eine Differenz mit diesem Staate hatte, weil der englische Handel hier sehr beteiligt war. Vor allem aber trug der Schmuggelhandel in Westindien und Zentralamerika dazu bei. Die engherzige Beschränkung des Handels der spanischen Kolonien mit anderen Ländern, während das Mutterland selber nicht für ihre Bedürfnisse sorgte, mußte zum Schmuggelhandel führen. Diesen betrieben besonders die Engländer, indem sie ihren auf dem Assientovertrage beruhenden rechtmäßigen Handel einem unerlaubten dienstbar machten (siehe Seite 576 und 601). Der Zustand war den Kolonisten günstig und wurde von ihnen, sogar von den Gouverneuren, gefördert, aber die Regierung erlitt Verluste und fühlte sich verletzt; sie ergriff Maßregeln zu strengerer Überwachung. Hierbei ging sie oft zu schroff, ungesetzmäßig und grausam vor, aber auch die englischen Seefahrer führten ihre Sache nach dem Grundsatz ihrer früheren großen Freibeuter: „no peace beyond the line.“ Wir werden im nächsten Abschnitt näher hierauf eingehen; hier genüge es, zu sagen, daß gerade Reibungen dieser Art, von den Widersachern Walpoles noch geschickt benutzt, das englische Volk 1739 bis zur Kriegserklärung gegen Spanien brachten.


[599]

deco

Zwölftes Kapitel.
Die Kolonien von 1648–1740.[283]

Wir haben die Gründung der Kolonien im Abschnitt II (Seite 57–90) bis etwa 1648 verfolgt und im Abschnitt III bei der Schilderung der Seekriege die Kämpfe dort soweit erwähnt, als sie taktisch und strategisch wichtig oder auf den Verlauf des Krieges von größerem Einfluß gewesen sind; beides war nur in geringem Maße der Fall. In den Kriegen der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. aber bleiben die Ereignisse in den fernen Gewässern nicht mehr nur Ausläufer des in Europa ausgefochtenen Entscheidungskampfes, die Kolonien hatten an Bedeutung gewonnen. Es handelt sich jetzt um die Seeherrschaft in weiterem Sinne: um den Einfluß auf fremde Länder, den Besitz von Kolonien und die von ihnen abhängige Vermehrung des Nationalwohlstandes der Staaten.

Um ihre überseeischen Verhältnisse — nämlich Umfang, Wert und innere Kraft ihrer Besitzungen dort — zu Beginn des nächsten Abschnittes kennen zu lernen, soweit dies für unsere Zwecke nötig ist, muß ein Überblick über die Geschichte der Kolonien von 1648–1740 gegeben werden.

Mittel- und Südamerika. Westindien.

Spanien. Es ist früher (Seite 69 ff.) die Kolonialpolitik Spaniens in großen Zügen gekennzeichnet und auch auf ihren ungünstigen Einfluß hingewiesen worden; diese Verhältnisse blieben die gleichen, ja sie gestalteten sich noch ungünstiger.

Zimmermann (Band I, Seite 355) leitet den Abschnitt „Die Entwicklung der spanischen Kolonien von 1600–1800“ mit den Worten ein: „Die spanische Kolonialpolitik nimmt nach Beendigung der großen Zeit der Eroberungen von Jahr zu Jahr einen einförmigeren Charakter an, die Verwaltung der einzelnen Kolonien verknöchert immer mehr, die Mißbräuche nehmen ohne Unterlaß zu und Spanien erweist sich als nicht fähig, die reichen Gebiete seines überseeischen Besitzes zu einer ihren natürlichen Anlagen entsprechenden Entwicklung zu bringen“.

[600]

Die Verwaltung der Länder bezweckte weiter nur,. möglichst viel Geld aus ihnen zu ziehen, aber nie genügten die eingegangenen Beträge der Regierung in Spanien. Dies führte zur Auspressung aller Rassen, zu ungesetzlichem Arbeitszwang der Indianer, und hierbei arbeiteten die Beamten auch noch in ihre eigenen Taschen; sie waren aber durch schlechte Besoldung zu Bestechlichkeit und Veruntreuung verführt, ja gedrängt worden. Die Erpressungen riefen Aufstände hervor, besonders der Farbigen. Verschiedene Reformversuche durch Entsendung tüchtiger und zuverlässigerer höherer Beamten hatten keinen, oder doch keinen dauernden Erfolg, da die gefährdeten Beamtenkreise usw. diesen entgegenarbeiteten, sogar innere Unruhen herbeiführten. Dies und die Beschränkung des Handels hinderte die volle Entwicklung und lähmte die Kraft der Kolonien gegen äußere Feinde, wenn auch die Bevölkerung zunahm. Da nun auch das Mutterland keinen genügenden Schutz gewähren konnte, so waren Handel und Küsten der Kolonien in der fast ununterbrochenen Kriegszeit von 1648 an wie in dem Jahrhundert vorher den Angriffen der Feinde Spaniens ausgesetzt; wir haben die Hauptereignisse kennen gelernt.

Oft war dann der Verkehr mit Europa völlig unterbrochen, aber auch in Friedenszeiten war er nur unter starker Bedeckung möglich. Das Seeräuberunwesen wuchs während des 17. Jahrh. ungemein schnell; 1680 sollen gegen 10000 Flibustier im westlichen Teile Haitis, ihrem Haupt- aber nicht alleinigen Sitz, gewohnt haben.

Sie hausten nicht nur auf See, sondern plünderten auch die Küsten. Fast in jedem Jahre unternahmen sie größere Züge, so z. B.: 1662, 1665, 1668 Einfälle in Kuba; Plünderungen von Veracruz 1683, von Campeche, Nicoya, Leon, Realeja 1685, von Guayaquil 1686, Cartagena 1690, Panama 1691 u. a. m. Oft wurden sie von den Engländern oder Franzosen unterstützt, von den erstgenannten z. B. bei den Einfällen in Kuba; wir sahen sie auch an Kriegszügen der Franzosen teilnehmen. Verschiedene Versuche der Kolonien Mexiko und Kuba, die Piratennester gänzlich zu zerstören, hatten selten und niemals anhaltenden Erfolg; erst als die Piraten auch den Engländern lästig fielen, wurde dem Unwesen gesteuert (Anfang des 18. Jahrh.).

Da die Regierung und der kleine beteiligte Kreis weiter allein Vorteil aus dem Handel ziehen wollte, blieb das Verbot des Verkehrs mit Fremden und der Kolonien unter sich bestehen. Beim Wachsen der Bevölkerung und ihrer Bedürfnisse nahm der Schmuggelhandel immer mehr zu, besonders in Kriegszeiten, wenn der Verkehr mit dem Mutterlande unterbrochen war und die Überwachung nicht streng durchgeführt werden konnte. Als im Spanischen Erbfolgekriege die Franzosen den Schutz der spanischen Kolonien mitübernommen hatten, benutzten sie auch die Gelegenheit zum Handel mit ihnen. Nach dem Frieden von Utrecht hörten die Angriffe auf und, da gleichzeitig auch die Seeräuber mehr im Zaum gehalten wurden, konnten die Kolonien aufatmen. Die Regierung versuchte zwar sofort, der Beteiligung der Fremden am Handel wieder ein Ende zu machen, aber jetzt wurde der unerlaubte Verkehr seitens Englands durch den Assientovertrag (siehe Seite 576) begünstigt.

[601]

Die englischen Agenten, die infolge des Vertrages über die Negereinfuhr nach Kuba, Veracruz, Panama usw. gesandt waren, studierten genau Lage und Bedürfnisse der Kolonien und setzten den englischen Kaufmann in den Stand, massenhaft verbotene Ware einzuführen; besonders das Recht Englands, ein Schiff zum Markte von Portobello zu senden, begünstigte den Schleichhandel. Alle Gegenmaßregeln der spanischen Regierung fruchteten nicht, die Beamten ließen sich bestechen und die Kolonisten begünstigten den Schmuggel, auch die Gouverneure drückten gern ein Auge zu.

Wenn auch viele englische Schiffe und Waren beschlagnahmt wurden, so war die Zahl der Durchschlüpfenden doch größer, und in wenigen Jahren rissen die Engländer den ganzen Handel an sich. Für die Kolonien war dies vorteilhaft, ihr Handel blühte auf, aber die Regierung und das Mutterland wurden arg geschädigt. Als 1750 der Assientovertrag aufgelöst und gleichzeitig dem Verkehr mehr Freiheit gewährt wurde, betrug der Umfang des Handels zwischen Amerika und Europa 286 Millionen Pesos, davon entfielen 224 auf den englischen Schleichhandel, auf Spanien kamen also nur 22%. Das waren die Früchte der spanischen Prohibitiv-Handelspolitik.

Soviel über die Verhältnisse der spanischen Kolonien im allgemeinen. Auf den Inseln Kuba, Haiti, Portorico stand es noch ungünstiger, denn diese waren bei weitem nicht so bevölkert als die Festlandskolonien, da hier die Indianer ausgerottet und viele Eingewanderte nach dem Festlande weitergezogen waren; auch waren sie ja den Angriffen am meisten ausgesetzt. Sie wurden bald von den französischen und englischen Inseln überholt. Um die Mitte des 18. Jahrh. hatte Kuba 140000 und Spanisch-Haiti (4/5 der Insel) 40000 Einwohner aller Farben. Kuba exportierte etwa 46000 Ztr. Tabak und 5000 Ztr. Zucker; man vergleiche hiermit die Angaben für die englischen und französischen Besitzungen. Das doch nur schwach bevölkerte Spanisch-Haiti brachte nicht genug für den eigenen Bedarf hervor und mußte von Mexiko unterstützt werden, während Französisch-Haiti (nur 1/5 der Insel aber mit gegen 300000 Einwohnern, worunter 40000 Weiße) mehr als 6 Millionen Francs abwarf.

Spanien besaß 1740 in Amerika: Die Vizekönigreiche Mexiko und Peru, die Generalkapitanate Guatemala (Zentral-Amerika), Neu-Granada (mit Venezuela), Quito, Charcas (Bolivia), Argentinien und die Inseln Kuba, Portorico, Haiti (4/5). Verloren hatte es im letzten Jahrhundert: Jamaica, 1655 von Cromwell erobert; den westlichen Teil von Haiti, 1659 von Frankreich besetzt und 1677 als französischer Besitz anerkannt; verschiedene kleinere Inseln, die, nur schwach besiedelt oder gar nur beansprucht, nach und nach in die Hand anderer Völker übergegangen waren. Jamaica war, als wichtiger Stützpunkt für die westindischen Gewässer und auch gegen die Festlandsküste, ein schwerer Verlust.

England hatte in den ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrh. einige Inseln der Kleinen Antillen besiedelt (vgl. Seite 85) sowie 1655 den Spaniern Jamaica abgenommen. Im Laufe des Jahrhunderts erweiterte sich der Besitz und man kann wohl sagen, daß alle Inseln gediehen, besonders als die früh[602] begonnene Negereinfuhr im 18. Jahrh. großen Umfang annahm. Einige Angaben mögen dieses veranschaulichen.

Barbados: Nach dem mißlungenen Angriff Ruyters 1665 blieb die Insel in den sonst so kriegerischen Zeiten verschont, dagegen nahmen ihre Milizen hervorragenden Anteil an Unternehmungen gegen französische Besitzungen. Zuckerindustrie und Handel blühten schnell auf; 1656 zählte man 25000 weiße Einwohner und einen jährlichen Verkehr von 100 Schiffen; 1753 bestand die Bevölkerung aus 20000 Weißen sowie 69000 Negern und 200000 Ztr. Zucker wurden ausgeführt.

Jamaica: Es war anfangs schwierig, festen Fuß zu fassen, da die mit ihren Negern in die Berge geflüchteten spanischen Kolonisten die Ansiedlungen bedrohten und auch verschiedene Wiedereroberungsversuche abgeschlagen werden mußten; erst im Jahre 1660 räumten die letzten Spanier die Insel; mit den Negern in den Bergen („Maroons“ genannt), die stets weiter durch entlaufene Sklaven verstärkt wurden, mußte noch 150 Jahre gekämpft werden. Nach Cromwells Tode wanderten viele seiner Anhänger ein; es wurde besonders Schmuggel mit Spanisch-Amerika, aber auch Seeraub, betrieben. Ein berühmter Flibustier, Morgan, führte sogar eine Zeitlang die Geschäfte des Gouverneurs und Karl II. soll am Gewinn teilgenommen haben. 1673 zählte man 8500 Weiße und 9500 Neger, der Zuckerrohrbau erreichte hier die höchste Blüte. 1694 wurde die Insel von den Franzosen geplündert. Mit Inkrafttreten des Assientovertrages wuchs die Negereinfuhr sehr; von 1709–1775 sind 472700 Sklaven eingeführt worden. 1744 betrug der Wert der Einfuhr von England 150000 Lstrl., der der Ausfuhr 600000 Lstrl. (500000 Ztr. Zucker, daneben Kaffee); man vergleiche dies mit den Angaben über Kuba und Spanisch-Haiti. 1775 waren 12700 Weiße, 4000 freie Neger und 19200 Sklaven auf der Insel.

St. Christopher (St. Kitts), 1625 von Engländern und Franzosen gemeinsam besiedelt, hatte während der Kriege viel zu leiden, da die beiden Völker sich mehrfach gegenseitig vertrieben und brandschatzten; erst 1713 ging die Insel in den alleinigen Besitz Englands über und blühte nun schnell auf. Um die Mitte des 18. Jahrh. waren 2000 Weiße und 10000 Neger vorhanden. Von hier aus hatten die Engländer noch im 17. Jahrh. verschiedene der Leewardinseln in Besitz genommen: Nevis, Antigua, Montserrat. Von Antigua aus (der wichtigsten: 1741 gegen 3500 Weiße, 27000 Neger) wurden wieder Barbuda, Anguilla sowie die Virgin-Inseln besiedelt. Wie St. Christopher, so hatten auch die andern Leewardinseln während der Kriege unter dem wechselnden Waffenglück zu leiden.

Die Bermudas, 1612 besetzt, blieben von Angriffen verschont, sie zählten 1750 gegen 6400 Weiße und 5000 Neger. Auf den Bahamas ließen sich die Engländer 1646 zuerst nieder und, nach Vertreibung durch die Spanier, 1680 aufs neue. 1703 von Spaniern und Franzosen verwüstet, blieben die Inseln lange ein Sitz von Seeräubern und entwickelten sich erst langsam nach einer Strafexpedition 1717.

[603]

Auf dem Festlande war der englische Besitz nur gering. Versuche, sich an der Campechebay (Mexiko) festzusetzen, scheiterten. 1670 gelang es, eine Ansiedelung in Belize zu gründen, die von Jamaica aus geschützt und 1713 von Spanien anerkannt wurde. 1739 trat der sogenannte König der Mosquitoindianer sein Land an England ab (das jetzige Britisch-Honduras). Die Niederlassungen in Guayana — 1652 gegründet, 1654 durch Eroberung von französischem und 1665 von holländischem Besitz dort erweitert — waren 1664 und 1667 wieder geräumt worden.

Frankreich hatte unter Richelieu begonnen, in Westindien Niederlassungen zu gründen (Seite 90), zuerst auf St. Christopher. 1635 wurden der Compagnie des îles de l'Amérique sämtliche zu kolonisierenden Inseln zwischen dem 10. und 30. Breitengrade als Eigentum zugesprochen; der König setzte nur Gouverneure und Richter ein, die Gesellschaft verpflichtete sich, binnen 20 Jahren 4000 katholische Franzosen anzusiedeln. Man wollte die Inseln nicht ausbeuten, sondern lebensfähige Kolonien gründen, allerdings sollten diese ihre Erzeugnisse nur nach Frankreich senden und nur von dort ihre Bedürfnisse beziehen. Von 1635–1651 waren in Besitz genommen: Guadeloupe, Martinique, Marie Galante, St. Martin, Les Saintes, St. Croix. Französische Abenteurer setzten sich auf Tortuga fest, gingen von hier nach der Westküste Haitis hinüber und gründeten die Kolonie St. Domingue.

Es wurde schwer, Einwanderer zu finden. Man war genötigt, aufgegriffene Bettler und Arbeitsscheue, ja Sträflinge, hinzusenden, sogenannte Engagés, die die ersten drei Jahre nur für freie Station arbeiten mußten. Protestanten wurde die Einwanderung nicht gestattet, obgleich solche wohl gerade Neigung gehabt hätten, wie auch von England gern Dissidenten in die Kolonien gingen. Es lag dies im Zuge der Zeit, auch England litt keine Katholiken in seinen Niederlassungen, und Frankreich mußte besonders die Hinneigung der Hugenotten zu den Holländern und Engländern fürchten. 1642 zählte man 7000 Weiße auf den französischen Antillen.

Diese Niederlassungen blieben, St. Christoph ausgenommen, im Besitze Frankreichs und entwickelten sich trotz mancher Schwierigkeiten, wie nachstehende Angaben zeigen werden. Sie überstanden den Niedergang des französischen Seewesens während der Frondezeit; der Handel ging zwar in englische und holländische Hände über, die Kompagnie mußte ihren Besitz an Private verkaufen, aber Einwohnerzahl und Kultur wuchsen. Colbert versuchte die kolonialen Bestrebungen zu heben, zunächst auf dem Wege Richelieus. Eine neue Gesellschaft, die Compagnie des Indes occidentales, erhielt die Niederlassungen in Westindien, Nord- und Südamerika sowie in Westafrika als Eigentum. Diese sperrte wieder den Handel mit Fremden, zeigte sich aber auch nicht leistungsfähig: Es mangelte an Mitteln, weil das französische Kapital noch kein Vertrauen zu überseeischen Unternehmungen hatte; sie sandte nicht genug Waren hinaus und forderte zu hohe Preise. Unruhen waren die Folge und Engländer wie Holländer versuchten in den Kriegen 1665–1667 und 1672–1678 sich der Kolonien zu bemächtigen. Die Kompagnie ging 1674 ein, die Regierung übernahm selber die Verwaltung,[604] Gesellschaften wurden nur für Handel zugelassen. Es war dies also ein vollkommener Wechsel in der Kolonialpolitik, aber recht eigentlich im Sinne Colberts, der so sein Bestreben, die Kolonien für das Mutterland nutzbar zu machen, schärfer durchführen konnte. Er gab den Handel für alle Franzosen frei, schloß die Fremden aber noch strenger aus; er bestimmte nach den Bedürfnissen Frankreichs, was gebaut werden sollte (Zucker, Tabak, Farbhölzer, Kakao); er sorgte für stärkere Negereinfuhr, aber nur durch Franzosen. 1683 hatte Französisch-Westindien 40000 weiße Einwohner und erzeugte schon Zucker über Frankreichs Bedarf. Nach Colberts Tode ging die Einwohnerzahl zurück infolge der durch die Jesuiten hervorgerufenen Ausweisung holländischer Juden und der harten Behandlung der Hugenotten, deren beider Einwanderung Colbert begünstigt hatte. Dies war um so empfindlicher für die Kolonien, weil gerade der Krieg 1688–1697 ausbrach und neue Angriffe der Engländer brachte. Der Wohlstand litt beträchtlich, weil die Verbindung mit dem Mutterlande meist unterbrochen war und auch die Negereinfuhr stockte. Der Krieg 1702–1713 hatte ähnliche Schwierigkeiten im Gefolge. Martinique, Guadeloupe, Marie Galante und St. Domingue waren, wie wir wissen, in den Kriegen vornehmlich den Angriffen ausgesetzt.

Nach dem Frieden von Utrecht begann dann aber der Hauptaufschwung, besonders in Haiti. Die Pflanzungen waren trotz der schweren Zeiten weiter gediehen, aber man litt unter der geringen Entwicklung des französischen Seehandels und unter Zollschwierigkeiten. Der Regent, Philipp von Orleans, griff durch die Gründung eines Conseil de Commerce bessernd ein; die Gründungen des Schotten Law mit ihren Folgen (die Compagnie des Indes), die friedliche Politik Fleurys äußerten ihre Wirkung. Wenn auch die Regierung ihre Kolonien zu sehr bevormundete, wodurch sogar Unruhen hervorgerufen wurden, trotz verschiedener Negeraufstände und obgleich der Seeraub noch nicht ganz aufhörte, wuchsen Bevölkerung und Wohlstand ganz ungemein. 1754 zählte Martinique 24000 Weiße (60000 Neger), Guadeloupe 10000 (50000), St. Domingue gar 40000 (230000). Die französische Bevölkerung Westindiens war also der englischen weit überlegen, von der spanischen gar nicht zu reden; die Ausfuhr hatte einen Wert von 150 Millionen Lire, der Seehandel beschäftigte 500 Schiffe.

Auf dem Festland besaß Frankreich, seit 1664, nur Cayenne, kurze Zeit 1676 von Holland besetzt. Auch diese Niederlassung schritt fort; 1730 gab es hier 20 Zuckerfabriken und große Kaffeeplantagen.

Holland besaß in Westindien nur Curaçao mit seinen kleinen Nebeninseln und von den Antillen St. Eustache, Saba, sowie die Hälfte von St. Martin und auf dem Festlande Surinam. Hollands Versuch, in Brasilien ein größeres Kolonialreich zu gründen, war gescheitert, wie wir wissen (vgl. Seite 88, Seite 198).

Dänemark hatte zu den von ihm besiedelten virginischen Inseln St. Thomas und St. John 1733 noch St. Croix von Frankreich durch Kauf erworben.

[605]

Portugal besaß Brasilien. Bei der Schilderung der Kriege haben wir gesehen, daß diese Kolonie vielfach den Angriffen der Feinde Portugals und auch Spaniens, solange beide Staaten vereint waren, ausgesetzt gewesen ist: insbesondere denen der Engländer 1586–1604 (Seite 134), der Holländer 1604–1640 (Seite 88), der Franzosen im Spanischen Erbfolgekriege (Seite 556). Über die inneren Verhältnisse der Kolonie genügt es, zu sagen, daß sie ähnlich wie in den spanischen lagen: Ausbeutung und Unterdrückung jeder Selbständigkeit im geistigen und wirtschaftlichen Leben seitens der Regierung; Ausschluß der Fremden; grausame Behandlung der Eingeborenen seitens der Kolonisten trotz aller Gesetze und aller Bemühungen der Jesuiten. Die Folge dieser Schäden waren häufige Unruhen, aber doch wurde die Kolonie bald wichtig für das Mutterland durch seine reichen Erzeugnisse, besonders an Zucker und Kaffee, und sie wurde es noch mehr, als man um 1700 Gold in größerer Menge sowie um 1730 ergiebige Diamantlager fand.

Nordamerika.

England hatte um 1648 die Küste von Virginia bis Maine besiedelt (Seite 85), das diese Strecke unterbrechende holländische Neuniederland war 1664 erobert (Seite 252 und Seite 350). 1663 wurde Karolina in Besitz genommen und im Frieden von Utrecht 1713 trat Frankreich an England Acadia (mit Ausnahme der Cap Breton-Insel) ab; 1732 begann die Besiedelung Georgias. Um die Mitte des 18. Jahrh. bestanden im Gebiet der heutigen Union die 13 englischen Kolonien, die sich später lossagten, nämlich: die vier nördlichen Kolonien, die sogenannten Neuenglandstaaten New Hampshire, Massachusetts mit Maine, Connecticut, Rhode-Island; die fünf mittleren New York, New Jersey, Delaware (die früher holländischen Niederlassungen), Pennsylvanien, Maryland; die vier südlichen Virginien, Nord- und Süd-Karolina, Georgia.

Die meisten dieser Kolonien hatten im letzten Jahrhundert durch immer wachsende Einwanderung an Umfang, Bevölkerung und Wohlstand ungemein zugenommen trotz mancher Schwierigkeiten. Diese bestanden nicht nur in fast ununterbrochenen Kämpfen mit den Indianern (den Leni-Lenape-Stämmen der Küste), die sich bald der Ausdehnung hartnäckig entgegensetzten und zum Vernichtungskampfe zwangen, in den Kämpfen mit den französischen Kolonien, und in den Streitigkeiten der Gemeinwesen unter sich, ehe die Grenzfragen einen gewissen Abschluß gefunden hatten, sondern auch wesentlich in Reibungen mit der englischen Regierung.[284]

Den älteren Kolonien hatte man anfangs eine ziemlich selbständige Verwaltung zugestanden, besonders denjenigen, die von Gesellschaften oder Vereinigungen gegründet waren — Massachusetts (Puritaner), Connecticut, Rhode-Island — aber auch denen, die an einzelne Personen vergeben waren[606] (Eigentümerkolonien) — Maryland (Lord Baltimore), New York (Herzog von York), Pennsylvanien (William Penn) —, sowie denen, die frühzeitig Kronkolonien wurden, z. B. Virginia. Die Gemeinwesen wählten den Rat des Gouverneurs und ein Parlament, gaben sich selbst die Gesetze und zahlten nur geringe Abgaben an das Mutterland. Aber bald begann dieses die Kolonien von sich abhängiger zu machen; besonders die Stuarts Karl II. und Jakob II. entzogen ihnen viele Vorrechte und versuchten, sie für England oder die eigene Person auszunutzen. Nachteile im Handel und Wandel, Unzufriedenheit, selbst Unruhen waren die Folge.

Der Hauptkampf der Regierung ging naturgemäß gegen die Staaten mit der freiesten Verfassung: Massachusetts, Connecticut und die später in erstem aufgegangenen New Plymouth und Newhaven. Diese vier Kolonien waren ohne jede Beihilfe der Regierung gegründet und hatten sich schon zu einem Bunde, als Neuengland, zusammengeschlossen. 1686 ernannte Jakob II. einen Generalgouverneur über sie sowie über Newyork, das schon durch seine Thronbesteigung Kronkolonie geworden war, und Newyersey; gewaltsam wurden die alten Freibriefe überall eingezogen.

1688 war die Freiheit der Kolonien in großer Gefahr, sie begrüßten daher den Sturz Jakobs II. als eine Erlösung; überall verjagte man die Gouverneure und suchte den alten Freibriefen wieder Geltung zu verschaffen. Aber die Hoffnungen, die man auf Wilhelm III. und das jetzt allmächtige Parlament setzte, wurden nur in geringem Maße erfüllt. Kein englischer Staatsmann war geneigt, den Kolonien die alte Selbständigkeit wiederzugeben, man brauchte die Mittel, die man in den letzten Jahren aus ihnen bezogen hatte. Das Gebiet von Massachusetts, dem Hauptsitz der Opposition, wurde zwar durch Zuteilung von New Plymouth, Maine und Acadia vergrößert, aber nach einem neuen Gesetz wurden der Gouverneur und sein Rat vom Könige ernannt; der Gouverneur bestellte Offiziere und Beamte, ohne seine Genehmigung durften keine Gesetze gegeben, kein Geld verwendet werden. Die wichtige Kolonie kam so in fast gleiche Lage wie die bisherigen Kronkolonien; zu solchen machte man auch bald sämtliche Eigentümerkolonien, indem man Verlegenheiten der Besitzer benutzte. Den noch nicht so wichtigen Gemeinwesen, z. B. Connecticut und Rhode-Island, ließ man mehr Freiheiten.

Handel und Schiffahrt blieben beschränkt: Nur in England oder in den Kolonien gebaute, in englischem Eigentum befindliche und mit Engländern bemannte Schiffe sollten zum Handel zugelassen werden; der Absatz der Erzeugnisse war nur in England oder durch dessen Vermittlung gestattet. Die Ausfuhr von Wolle war ganz verboten, die von Holz beschränkt; zu Masten geeignete Bäume durften nur mit königlicher Erlaubnis gefällt werden. Die Eisenbearbeitung war begrenzt, die Errichtung von Hochöfen untersagt und dgl. Man wachte eben darüber, keine Industrie aufkommen zu lassen, um die des Mutterlandes zu schützen und ihren Absatz in den Kolonien zu fördern. Das Parlament nahm auch weiter das Besteuerungsrecht in Anspruch. Die Kolonien bestritten es aber ernstlich, weil sie nicht im Parlament vertreten seien; diese Auffassung brachten sie auch dadurch zum Ausdruck, daß sie alle aus England kommenden Vorschriften erst durch die eigenen Parlamente zum Gesetz erhoben. Zölle und Schiffahrtsabgaben ließen sie sich allenfalls gefallen, gegen direkte Steuern würde sich jedenfalls allgemeiner Widerstand erhoben haben; die Regierung sah dies auch ein. Die Folge der Handelspolitik Englands war eine stete Verschlechterung[607] der amerikanischen Geldverhältnisse. Die Kolonien waren dem Mutterlande tief verschuldet. Von dort erhielten sie reichlichen Kredit zu Unternehmungen aller Art, da sie aber bei dem Handelsverbot aus anderen Ländern kein Geld bekamen und die Schulden in England nicht immer mit ihren Erzeugnissen decken konnten, entstand bald Mangel an barem Gelde. Während der Kriege vor und nach 1700 mußte Papiergeld ausgegeben werden; dieses verdrängte bald das Metallgeld, sank tief im Kurse, und der Handelsverkehr wurde durch den unsicheren Wert der Zahlungsmittel sehr beeinträchtigt.

Trotz aller Hindernisse schritt die Entwicklung stetig fort. Schon um 1688, zur Zeit des ersten größeren Krieges um Kanada (vgl. Seite 473), zählte das englische Nordamerika gegen 200000 weiße Einwohner, zur Zeit des zweiten Krieges (1702, vgl. Seite 565) 260000. Hierzu kamen in den südlichen Staaten Negersklaven, doch war die Zahl noch gering, in Virginia zählte man um 1671 etwa 2000 und 1700 etwa 6000; in den nördlichen Staaten dienten nur sehr wenige auf den Farmen, da die Regierung die Einführung hinderte. Auch der Landbesitz nahm stetig zu, die Indianer wurden immer weiter zurückgedrängt. Im Westen erstreckten sich um 1730 die Farmen bis über die Berge westlich der Neuenglandstaaten, 1724 war das erste Fort (Dummes) im späteren Staate Vermont errichtet. Handel, Schiffbau und Schiffahrt wuchsen: 1738 wurden in Boston allein 38 Schiffe erbaut; 400 Schiffe besorgten jährlich die Ausfuhr Philadelphias, 200–300 die Charlestowns (Karolina). 1744, bei Beginn des ersten Krieges um Kanada im nächsten Abschnitt, kann man mit einer Gesamteinwohnerzahl der englischen Kolonien von 1200000 Seelen, darunter eine Million Weiße, rechnen; auf die 4 Neuenglandstaaten kamen allein 400000 Weiße.

Für 1756, Ausbruch des letzten Krieges um Kanada, liegen genauere Angaben vor. Die Neuenglandstaaten zählten 425000 Weiße, 11000 Neger; die mittleren Staaten 457000 bezw. 71000; die Südstaaten 283000 bezw. 178000. Ganz Englisch-Nordamerika also 1200000 Weiße und 260000 Neger. Man sieht die ungeheure Zunahme der Sklaven, Virginia besaß allein 120000; hier war eine Klasse reicher Plantagenbesitzer von hohem Selbstbewußtsein entstanden.

In den englischen Niederlassungen war jene Form der Kolonisation zur höchsten Entfaltung gekommen, die England eigentümlich ist: Eine Gemeinschaft freier Männer, im wesentlichen sich selbst regierend und auf sich selbst angewiesen, dabei aber mit Begeisterung am alten Vaterlande hängend. Der Beschäftigung nach waren die Kolonisten Ackerbauer, Kaufleute und Seeleute zugleich; in der Beschaffenheit ihres Landes und seiner Erzeugnisse, in seiner langen Küste mit geschützten Häfen hatten sie alle Elemente der Seemacht vereinigt und auch schon viel für deren Entwicklung getan; äußerst eifersüchtig waren sie auf Franzosen und Kanadier. In einem solchen Lande und in einer solchen Bevölkerung hatten die englische Marine und Armee in den nächsten Kriegen eine sichere Grundlage auf der westlichen Halbkugel.

Allerdings wurden die Kolonisten immer unzufriedener mit den Maßnahmen der Regierung. Der Interessengegensatz der sich immer stärker bevölkernden Neuenglandstaaten zum Mutterlande wuchs von Jahr zu Jahr. Er wurde dadurch verstärkt, daß viele Einwanderer aus Irland, Deutschland usw. kamen, die durch keine Bande an[608] England gefesselt waren; die erstarkende Presse schürte und wurde von der öffentlichen Meinung in Schutz genommen. Immer selbstbewußter wurden die Kolonien, immer energischer beanspruchten sie die alten Freiheiten; schon 1705 sagten Stimmen in England voraus, daß sie sich einst freimachen würden. Noch waren sie aber nicht zum Abfall reif, noch waren sie zu stolz auf die Macht des Mutterlandes und auch noch zu sehr in Sorgen wegen der Indianer und der Franzosen in Kanada.

Für Frankreich[285] lagen die Verhältnisse in Nordamerika ganz anders. Wir hörten, daß die Ansiedlung in Acadia und Kanada (Quebec) nur geringe Fortschritte machte (Seite 89). Die unter Richelieu gegründete Gesellschaft hatte nur den Pelzhandel im Auge; sie vergab zwar weite Landstrecken an Unternehmer, um sie zu besiedeln, aber infolge der Einschränkung der Kolonisten durch die Vorrechte der Kompagnie fanden sich nur wenig Einwanderer. Jesuiten dagegen gründeten Stationen zur Bekehrung der Huronen am St. Lorenz- und am Ontario-See. 1642 zählte Kanada nur erst einige Hunderte von Ansiedlern. Sie hatten viel zu leiden von den Angriffen der Irokesen zwischen dem Hudson und dem Erie-See, die besonders von den englischen Ansiedlungen aufgehetzt wurden, als auch diese die Franzosen zu belästigen anfingen; ständige Reibungen zwischen den Jesuiten, später dem Bischof und der Verwaltung traten hemmend für die Entwicklung hinzu. 1663 gab die Kompagnie ihre Rechte und Pflichten an die Krone zurück. Die Regierung lag nun in der Hand eines Conseils, das aus dem Gouverneur, dem Bischof, dem höchsten Verwaltungs- und Justizbeamten sowie einigen Ansiedlern bestand. Die ersten Gouverneure waren tüchtige Männer, sie schränkten die Macht der Geistlichkeit ein und hielten die Irokesen in Schranken. Die Zahl der Einwanderer mehrte sich, vor allem wurden Offiziere und Soldaten der allerdings nur nach Hunderten zählenden Garnisonen mit Land belehnt. 1671 zählte man schon 6000 Weiße; die Erforschung des Landes war fortgesetzt, 1670 hatte man vom Ohio aus den Mississippi erreicht. Von 1672 an stand der besonders tüchtige Gouverneur de Frontenac bis 1698 an der Spitze der Kolonie; unter ihm machte sie große Fortschritte.

Frontenac regelte den Pelzhandel. Wenn einst die Indianer ihre Jagdbeute zu den Niederlassungen gebracht hatten, so kauften jetzt nur Jäger und Händler (die „courreurs des bois“) die Felle in den Indianerdörfern auf, oft im Auftrage der Beamten; Frontenac stellte diesen Übelstand ab. Er gestattete den Branntweinhandel unter Aufsicht der Regierung; bisher hatten die Jesuiten ihn unterdrückt und die Indianer handelten deshalb lieber mit den Engländern. 1682 wurde Frontenac infolge von Umtrieben des Intendanten und der Jesuiten abberufen, und gerade jetzt hatten die Engländer die Irokesen gewonnen, die einen vollständigen Vernichtungskrieg gegen die den Franzosen ergebenen Stämme begannen; gleichzeitig schädigten die Engländer selber von den Niederlassungen an der Hudsonbai aus den Seehandel und die Fischerei bei Acadia. Wir hörten bereits, daß daraufhin bereits im Frieden die Franzosen die Engländer von genannter Bai vertrieben und die Irokesen züchtigten. Nach der Kriegserklärung kam Frontenac zurück.

Bei Ausbruch des ersten Krieges mit England 1688 (vgl. Seite 473) hatte die Kolonie 15000 Einwohner, sie führte auch den langen Krieg glücklich[609] durch. Zwar kam, wie wir wissen, der Plan (1689 und 1696 ins Auge gefaßt), Newyork als eisfreien Hafen zu nehmen, wegen mangelnder Unterstützung vom Mutterlande nicht zur Ausführung. Man hatte in Paris die Kraft der englischen Kolonien unterschätzt und die französische Marine war der ihr zufallenden Aufgabe nicht gewachsen, aber die englischen Angriffe wurden abgeschlagen. Beim Frieden 1697 gab England die Hudsonbay auf und ließ die Franzosen im Besitz der Westküste Neufundlands.

Ebenso glücklich führte die Kolonie den zweiten Krieg (1702–1713, vgl. Seite 565), der der Hauptsache nach auch auf beiden Seiten durch die Kolonisten ausgefochten wurde, obgleich Kanada nur 16000 Einwohner gegen 260000 in den englischen Kolonien hatte. Man muß jedoch dabei beachten, daß englischerseits nur die Neuenglandstaaten in Betracht kamen, daß diese nicht immer einig waren, daß in Kanada Garnisonen regulärer Truppen, wenn auch nur schwache, lagen, die dem Gegner ganz fehlten, und daß die Franzosen über Indianer verfügten, während die Irokesen, von den Engländern verletzt, zur Zeit Frieden mit Kanada hielten; auch an königlichen Schiffen, auf beiden Seiten nur schwach vertreten, scheinen die Franzosen überlegen gewesen zu sein. Als England endlich größere Unterstützungen sandte (1710), wurde Port Royal genommen, der Angriff auf Quebec (1711) scheiterte dagegen kläglich. Infolge des sonstigen Verlaufs des Krieges mußte Frankreich dann die Niederlassungen an der Hudsonbay, ganz Neufundland und Akadia — bis auf die Insel Kap Breton, den Schlüssel zur St. Lorenzbay — an England abtreten. Die Kanadier empfanden diese Zugeständnisse, die Handel und Fischerei erheblich schädigten, schmerzlich und versuchten bei der Ausführung des Vertrages zu retten, was zu retten war. Die Ungenauigkeit der Abmachungen gab dazu genügend Handhaben, weder die Grenzen Akadias noch die des Irokesenlandes waren sicher festgesetzt.

Der Aufschwung, den die kolonialen Bestrebungen Frankreichs nach dem Frieden von Utrecht nahmen, äußerte sich in Kanada besonders darin, daß man sich auf die vorauszusehenden weiteren Kämpfe mit den englischen Kolonien vorbereitete und mit Erforschung des Landes sowie der Ausbreitung des französischen Einflusses im Innern weiter vorging. Die Bedeutung Kanadas gewann mit der durch die Lawschen Unternehmungen hervorgerufenen Besiedlung Louisianas; durch eine Verbindung beider Kolonien wäre den englischen das weitere Vordringen abgeschnitten gewesen.

Der Wohlstand Kanadas machte nur geringe Fortschritte. Das Land brachte zu wenig hervor; Minerale waren nicht gefunden worden, Ackerbau wurde wenig betrieben, die Fischerei war durch die Engländer teilweise lahmgelegt. Wichtig war nur der Pelzhandel, er hing aber von der Billigkeit der Tauschartikel ab. Diese waren von Frankreich bezogen zu teuer und England verbot die Einfuhr. Der Wert der jährlichen Ausfuhr an Pelzwerk betrug zwei Millionen Frank, hinzu trat nur noch ein etwa gleicher Betrag für Holz, Fische und Tran, während die Kolonie für acht Millionen europäische Erzeugnisse gebrauchte; sie litt stets an Mangel baren Geldes.

An dem besten Hafen der Insel Kap Breton wurde Louisbourg, die stärkste Befestigung Nordamerikas, als Schutz der Straße nach Quebec und der[610] französischen Fischerei gebaut. Um der Kolonie neue Hilfsquellen zu erschließen und um dem Vordringen der Engländer vorzubeugen, wurden auf dem Wege zum Mississippi Stationen gegründet und Forts angelegt, z. B. Fort Frontenac 1721 am Niagara, worauf die Engländer sofort am Ontario das Fort Oswega bauten; das Fort Detroit zwischen Erie- und Huron-See; Vincennes am Wabash-Flusse; Pittsburg (1754); du Quesne am Lac Champlain. So entstand eine Kette von Befestigungen; von der Mündung des Mississippi nach Norden sollte der Anschluß erfolgen. Gleichzeitig drang man, weniger wichtig für uns, nördlich der großen Seen auf 50° Breite bis zu den Rocky-Mountains (1743) vor; man hoffte einen großen nach West laufenden Strom und damit einen bequemen Weg zum Stillen Ozean zu finden. Diese Ausbreitung führte auch während der Friedensjahre zu Grenzkriegen, die zwar meist von den Indianern ausgefochten wurden, deren Führer aber in Kanada und Neu-England saßen.

Die Einwohnerzahl nahm zu, aber nicht in dem Maße wie bei den englischen Kolonien; 1744 zählte Kanada etwa 50000 Weiße. Auch der Charakter der Bevölkerung war ein ganz anderer. Die militärische und mönchische Erziehung hemmte die Entwicklung persönlicher Unternehmungslust und freier Verbindung zu gemeinsamen Zielen. Die Kolonisten betrieben Handel und Landwirtschaft nur so weit, als es ihre Bedürfnisse erforderten, sonst lebten sie der Jagd und dem Waffendienst. Jedermann war ein Soldat, hierin lag eine Stärke der Kolonie. Die Kanadier haßten die englischen Kolonisten als Eindringlinge in ihren Besitz; als solchen faßte Frankreich das ganze Ohio- und Mississippital auf Grund der früheren Entdeckung auf. Daß die Erschließung und Besiedlung dieses großen Gebietes nicht mit mehr Erfolg vor sich gegangen ist, dürfte größtenteils darauf zurückzuführen sein, daß von seiten des an der großen Wasserstraße gelegenen Louisiana zu wenig geschah.

Louisiana war 1700 an der Mündung des Mississippi gegründet; frühere Versuche, im Süden Nordamerikas Fuß zu fassen, hatte Spanien verhindert, infolge der engen Verbindung mit Frankreich wurde es jetzt zugelassen. Die Franzosen erforschten den Fluß mit seinen Zuflüssen und gründeten als Hauptstadt La Mobile. Die Besiedlung schritt sehr langsam fort, 1712 waren erst 380 Weiße, zur Hälfte Soldaten, in fünf kleinen befestigten Posten dort; die Kolonie war Kanada unterstellt. 1717 wurde sie an die Compagnie d'Occident (später des Indes, die Schöpfung Laws) vergeben, die auch sofort umfassende Maßregeln für die Besiedlung ergriff. Noch im selben Jahre sandte man 69 Ansiedler und 3 Kompagnien Soldaten hinaus, 1718 folgten 800 Mann; der Regent erteilte zahlreiche Landkonzessionen mit Adelstiteln; New Orleans wurde als Sitz der Regierung gegründet. 1719 wurde Pensacola den Spaniern abgenommen, aber beim Frieden 1720 zurückgegeben. 1719 erhielt Law das Recht, Vagabunden als Ansiedler hinauszuschaffen. Bedeutende Fortschritte machte die Kolonie jedoch auch jetzt nicht: die Einwanderer waren minderwertige Leute, die in dem Klima nicht arbeiten wollten oder[611] konnten (nur deutsche Bauern bei New Orleans erwarben bald einen bescheidenen Wohlstand); die Beamten waren unehrlich und liederlich; die Kompagnie hemmte die Kolonisten durch ihre Vorrechte, die Regierung verbot jede Industrie, die mit dem Mutterlande in Wettbewerb treten konnte; Kompagnie und Ansiedler legten sich mehr auf Suchen von Minen als auf Landbau. 1731 gab die Kompagnie ihre Rechte an die Krone zurück; sie behielt nur das Handelsmonopol gegen die Verpflichtung, die erforderlichen Waren und 500 Neger jährlich einzuführen. Um diese Zeit zählte man 5000 Weiße und 2000–3000 Neger.

Die Regierung ordnete nun die Verwaltung durch einen Conseil wie in Kanada an und hob die Einfuhrzölle für Waren aus Frankreich auf; die Kompagnie hatte mit 200% Aufschlag verkauft. Aber nur langsam hob sich die Kolonie. Die Kolonisten litten unter den Feindseligkeiten der Indianer, ihre Tätigkeit beschränkte sich erfolgreich nur auf ein kleines Gebiet am Meere und am Mississippi; die Hauptorte waren New Orleans und Natchez. Um die Mitte des 18. Jahrh. sollen gegen 20000 Einwohner vorhanden gewesen sein, doch erscheint diese Angabe unsicher.

Frankreich beanspruchte mit seinen Kolonien Kanada und Louisiana einen ungeheuren Teil Nordamerikas, dabei standen 1744 nur 80000 französische Kolonisten (hochgegriffen) einer Million englischer gegenüber; kein Wunder, daß der nun beginnende Kampf um die Herrschaft zugunsten der germanischen Rasse ausgefallen ist.

Spanien besaß in Nordamerika nur Florida, eine Bezeichnung, unter der man ein weites, ungenau begrenztes Gebiet um die Halbinsel gleichen Namens zusammenfaßte. Hier waren gegen die erwähnten früheren Ansiedlungsversuche der Franzosen St. Augustine (1563 vergl. S. 89) und Pensacola (1696) gegründet.

Ostindien.

Die ungeheure Macht, die Portugal um 1540 in den indischen Gewässern gehabt hatte (Seite 63), war schon bis 1640 durch eigene Schuld sowie durch das Auftreten Englands und Hollands dort sehr zurückgegangen (Seite 84, 86).

Um 1640 war noch in portugiesischem Besitz: An der arabischen Küste Mascat, Ormuz war 1622 an die Perser, von England unterstützt, verloren; in Nord-Vorderindien Banda und Diu; an der Westküste Vorderindiens 20 Niederlassungen von Daman bis Quilon; an der Ostküste Negapatam und Masulipatam; in Hinterindien Malakka; von der Inselwelt nur Ceylon und Timor; in China Macao.

Und sie schritt weiter abwärts. Wenn sich auch Portugal 1640 von Spanien lossagte, so nahm Holland doch noch Malakka 1641 weg, ehe der Frieden draußen bekannt geworden war. Der Versuch, den Handel durch Freigabe an alle Portugiesen neu zu beleben, blieb ohne Erfolg; er war schon zu sehr in englische und holländische Hände übergegangen. Weitere Gebietsverluste folgten: 1650 verlor Portugal Mascat an die Araber; in dem neuen Kriege mit Holland (1656–1661, Seite 239) nahm dieses Ceylon, Negapatam, Quilon,[612] Cranganor, Cochin, Cananor; 1661 fiel Bombay (wie Tanger) als Mitgift der Gemahlin Karls II. an England. Die zu Bombay gehörigen Dörfer lieferten die portugiesischen Behörden nicht mit aus und erschwerten den englischen Handel mit dem Festlande; trotzdem blühte die Stadt in englischen Händen schnell auf, während die portugiesischen Plätze verarmten. England schlug 1672 ein Schutz- und Trutzbündnis gegen die Eingeborenen vor, wenn ihm die Anlage von Faktoreien in allen portugiesischen Plätzen zugestanden würde, Portugal sollte die gleichen Vorrechte in englischen Orten erhalten; Portugal aber blieb hartnäckig und belästigte Bombay weiter. England rächte sich durch Gewaltmaßregeln aller Art, die Portugiesen sagten, sämtliche englischen Schiffe hätten Seeraub betrieben; auch unterstützen die Engländer Portugals Gegner offen mit Kriegsmaterial. Gleichzeitig und weiterhin hatte Portugal unter den Angriffen der Mahratten zu leiden, die mit dem Verfall des Reiches des Mogul immer mächtiger wurden. Diese vertrieben Ende der zwanziger Jahre des 18. Jahrh. die Portugiesen aus den meisten ihrer Besitzungen; 1737 eroberten sie die Insel Salsette, den alten wichtigen militärischen Stützpunkt, und von dort Bassein. 1740 war nur noch der jetzige Bestand in portugiesischem Besitz: Diu, Daman und Goa. Portugals Macht in Indien war gebrochen, sein Handel so gut wie vernichtet.

Holland war in unserem Zeitabschnitt an seine Stelle getreten. Die Macht der holländisch-ostindischen Kompagnie um 1648 ist uns bekannt (Seite 86) und soeben ist gesagt, inwieweit sich diese an der Westküste Vorderindiens auf Kosten Portugals ausdehnte, aber auch sonst erweiterte und befestigte sie sich. Die Molukken kamen völlig in die Gewalt der Kompagnie. Um die Preise der Gewürze hochzuhalten und jeden Wettbewerb zu hindern, rottete die Kompagnie sämtliche Anpflanzungen aus, die sie nicht selber nötig hatte; dadurch hervorgerufene Aufstände der Insulaner wurden unterdrückt, die bald verarmte Bevölkerung war dann ungefährlich; die Spanier gaben ihre letzte Befestigung in Tidore auf. In Sumatra faßten die Holländer 1659 durch Eroberung von Palembang an der Ostküste Fuß und 1662 stellten sich auch die Fürsten der Westküste unter ihren Schutz (Hauptkontor in Padang). In längerem Kriege 1660–1669 wurde die Macht Makassars, des Hauptsitzes des Mohammedanismus, von dem aus in jenen Meeren der Widerstand auf den Molukken und in Japan stets unterstützt war, gebrochen. Die Kompagnie wurde dann Herrin von Celebes und machte dem Handel Englands und Portugals hier ein Ende.

Eine Niederlassung auf Borneo konnte sich nur kurze Zeit gegen die wilden Bergstämme halten. 1693 wurde Pondichery den Franzosen abgenommen, aber im Frieden von Ryswijk zurückgegeben. Einen schweren Verlust erlitt die Kompagnie dadurch, daß 1663 die Kolonie auf Formosa an China verloren ging, als hier die Tataren zur Herrschaft kamen.

Der bedeutendste Erfolg der Kompagnie war ihre zunehmende Macht auf Java. Durch andauernde Kämpfe mit den Fürsten von Bantam und Mataram gewann sie großen Landbesitz; sie brachte auch den Handel der[613] Insel ganz in ihre Hand, England räumte 1683 seine Ansiedlung in Bantam. Besonders wichtig wurde Java durch den Kaffeebau, der 1696 eingeführt wurde und so zunahm, daß man ihn wie den Gewürzbau auf den Molukken einschränkte; 1740 lieferte er 4000000 Pfund.

Ihrer Macht entsprechend gebot die Kompagnie über eine große Flotte und über eigene Truppen. In den Jahren 1650–1702 wurden jährlich 15–30 Schiffe nach Indien abgefertigt; in 22 Jahren unter 20, dafür in 12 Jahren über 25. Diese eigentlichen Ostindienfahrer waren wohl armiert; man hatte drei Klassen: zu 38 Kanonen, zu 36, zu 26. Es war mithin stets eine erhebliche Seemacht auf der Station, zu der noch viele kleine Schiffe für den dortigen Zwischenverkehr traten; die aus- und heimsegelnden Convois bildeten kleine Flotten. Holland stand infolgedessen in den Kriegen mit England und mit Frankreich in Indien überlegen da und der Verkehr mit der Heimat wurde nicht unterbrochen, kaum eingeschränkt. Für die Besatzungen der Forts unterhielt man eine europäische Truppe von 2000 bis 3000 Mann, verwendete in den Kriegen auf Java aber auch Eingeborene der anderen Inseln.

Die Vorherrschaft Hollands in Indien stand jedoch auf schwachen Füßen, Verwaltung und Handelspolitik waren ungesund. Die ostindische Kompagnie hatte um 1739 ihren Höhepunkt bereits überschritten, ihr Verfall begann.[286]

Die Kompagnie wurde in Holland geleitet durch ein Direktorium von 17 Teilhabern „Kamer van Zeventienen“): 8 von Amsterdam, 4 von Seeland, 2 von der Maas, 2 vom Norderquartier und der 17. von den drei letzten Provinzen gemeinschaftlich gewählt. Hinzu traten 60 kaufmännische Leiter, deren Zahl in ähnlichem Verhältnis in den Provinzen verteilt war. Draußen stand in Batavia ein Generalgouverneur an der Spitze, auf Vorschlag der Kompagnie von den Generalstaaten ernannt, ihm zur Seite der „Rat von Indien“, bestehend aus den höchsten Beamten zu Batavia und den Gouverneuren der andern Inseln usw. Die Macht und Verantwortung des Generalgouverneurs waren groß; er besetzte mit dem Rat alle mittleren und niederen Beamtenstellen. Die Laufbahn der Beamten stufte sich ab in: Assistent, Buchhalter, Unterkaufmann, Kaufmann, Oberkaufmann (die Direktoren der einzelnen Kontore). Alle Schiffe, außer den nach Ceylon bestimmten, liefen Batavia an, den Sitz des Generaldirektors des Handels. Der Gouverneur war zwar für gewisse Fälle angewiesen, die Entscheidung der „Kammer der XVII“ einzuholen, oder an die Zustimmung des „Rates von Indien“ gebunden, konnte aber fast immer seinem Willen Geltung verschaffen.

Die Kompagnie strebte an, Handel und Wandel allein in der Hand zu behalten. Maßregeln in diesem Sinne waren die schon erwähnte Beschränkung des Gewürz- und Kaffeebaues, Unterdrückung jedes anderen Handels sowohl von seiten anderer Völker wie auch holländischer Kolonisten; wie früher bei den Portugiesen war es verboten, Karten und Aufzeichnungen mit in die Heimat zu nehmen, selbst die Privatkorrespondenz unterlag der Aufsicht. Man trieb aber auch eine übermäßige Sparsamkeit, z. B. in der Besoldung der Beamten.

Trotzdem gingen die Geschäfte nicht dauernd gut und wurden immer schlechter. Dabei wurden hohe Dividenden gezahlt: 1651–1702 meist zwischen 15 und 40%, nur[614] in acht Jahren 0%; 1681–1706 wurde in Indien nur in sieben Jahren ein Gewinn erzielt; 1698 hatte die Kompagnie eine Schuldenlast von 11 Millionen Gulden, fast das Doppelte des Einlagekapitals. Der schnelle Rückgang vom Beginn des 18. Jahrh. an ist aus folgenden Angaben über den Reingewinn zu ersehen: 1613–1696 = 40 Millionen; 1613–1703 = 31½; 1613–1713 = 16½; 1613–1723 = 4,8; 1613–1730 = -7,3; 1613–1779 = -85 Millionen Gulden. Über diese Lage verlautete nach außen nichts; sie ist erst im 19. Jahrh. lange nach dem Zusammenbruch der Kompagnie bekannt geworden. Die Welt sah immer nur die ansehnlichen Dividenden und nahm an, daß alles in bester Ordnung sei. Die Kompagnie hatte stets den größten Kredit, sie hatte ja auch viele Kriegslasten auf sich genommen und noch 1696 den Generalstaaten 8 Millionen für die Verlängerung ihres Privilegs gezahlt.

Die Gründe des Rückganges lassen sich zusammenfassen: 1. die immer mehr umsichgreifende Unzuverlässigkeit der Beamten, ein jeder arbeitete in seine Tasche; ursprünglich waren sie wohl durch zu geringe Besoldung gezwungen, für sich Handel zu treiben und Verletzungen der Rechte der Kompagnie seitens Fremder, selbständiger holländischer Kolonisten und der Eingeborenen durchgehen zu lassen. Günstlingswirtschaft bei Besetzung der Stellen riß ein, überflüssige Posten wurden geschaffen; 2. die strenge Durchführung des Monopols lähmte die Entwicklung der Kolonien, mit der Gebietserweiterung wuchsen die Verwaltungskosten unverhältnismäßig; 3. die Kriege auf Java und Celebes verschlangen große Summen, die Regierung stellte infolge der europäischen Kriege zu bedeutende Ansprüche; 4. in Vorderindien wuchs der Wettbewerb der Engländer.

Englands Macht in Indien war 1648 noch unbedeutend (Seite 84). Die ostindische Kompagnie besaß Faktoreien, teilweise kleine Forts, an der Westküste Vorderindiens (Vorort Surat), an der Koromandelküste (Madras), in Bengalen (Hugly am Gangesdelta), in der Inselwelt nur noch auf Java und Celebes (später geräumt); eigentliches Landeigentum hatte sie nicht, eine größere Befestigung nur in Madras (St. George seit 1639).

Der erste holländisch-englische Krieg brachte der Kompagnie großen Schaden, doch wurde dieser beim Friedensschluß ersetzt (Seite 229) und auch der Wettbewerb seitens der Courtenlinie (Seite 84) durch völlige Verschmelzung mit dieser abgewendet. 1658 wurde das Kapital wesentlich vermehrt und 1661 bestätigte Karl II. der Kompagnie die weitestgehenden Rechte: Überlassung des alleinigen Handels mit Indien; Anerkennung als politische Korporation mit dem Rechte, sich Gesetze und Verfassung zu geben, mit nichtchristlichen Fürsten Krieg zu führen, Festungen zu bauen und Soldaten zu halten; die Regierung behielt sich nur vor, den Vertrag mit dreijähriger Frist kündigen zu dürfen, falls es das Interesse der Krone oder des Volkes erfordere. Als Bombay dem Könige zufiel, wurde auch dieses der Kompagnie zugeteilt durch seine insulare Lage ein wichtiger Stützpunkt. Es begann nun das langsame aber stetige Wachsen der Macht der Kompagnie. Mit ungeheuren Schwierigkeiten, die nicht nur draußen, sondern auch daheim auftraten, hatte sie zu kämpfen.

Ein kurz gefaßter Überblick auf die Geschichte der ostindischen Kompagnie[287] während unseres Zeitabschnittes sei gegeben. Die Geschäfte wurden in Indien von Präsidentschaften geleitet in: Surat, Madras mit Bengalen, Bantam;[615] später fiel Bantam fort, Surat wurde nach Bombay verlegt, Bengalen wurde unter Kalkutta selbständig. Jede Präsidentschaft besaß einige Hauptfaktoreien, von denen die Außenposten abhingen; in England wurden die Schiffe nach einer der Präsidentschaften abgefertigt und von dieser weiter expediert. An der Spitze der Hauptbehörden stand der Präsident mit seinem Rate, dessen Mitglieder wie der Präsident von der Kompagnie ernannt wurden; die übrigen Beamten — ähnlich wie in Holland: Lehrling, Schreiber, Faktor, junger und alter Kaufmann — ernannte der Präsident. Die Besoldung war sehr gering, die Beamten waren auch hier geradezu darauf angewiesen, Durchstechereien zu machen und heimlich Handel zu treiben; auch die Besatzungen der kleinen Garnisonen waren so schlecht bezahlt, daß Meutereien vorkamen.

Zu Anfang war die Entwicklung wenig gedeihlich; der Wettbewerb der Holländer in Bantam und Surat, Angriffe der Mahratten auf diesen Platz, Streitigkeiten mit den einheimischen Behörden in Hugly, Kämpfe der indischen Fürsten untereinander in Madras lähmten den Handel. Von 1663–1671 sind nur insgesamt 6 Schiffe von England hinausgesandt. Dann kam ein Aufschwung; 1668–1671 liefen 40, 1679–1682 46 Schiffe aus. 1677 besaß die Kompagnie 30–35 Fahrzeuge von 300–600 tons; etwa die Hälfte mit 40–50 Kanonen. Großen Gewinn machte die Kompagnie jedoch nicht: die Kriege, der Bau der Befestigungen, die Verhandlungen mit den Fürsten sowie die Bestechung ihrer Machthaber erforderten große Summen; 1676 hatte die Kompagnie 600000 Lstrl. Schulden. In den 80er Jahren litt das Geschäft wieder unter Kriegen mit den Mahratten an der Westküste und mit dem Mogul in Bengalen, Bantam wurde geräumt. Durch entlassene Beamte angeregt, versuchten andere englische Kaufleute mit den indischen Fürsten anzuknüpfen, doch gab der bei der Kompagnie beteiligte König Jakob II. dieser das Recht, fremde Schiffe aufzubringen.

Um nun nicht weiter von der Gnade der indischen Fürsten abzuhängen, sowie um jeglichem Wettbewerb kräftiger begegnen zu können, beschloß die Kompagnie 1685 mit Gewalt aufzutreten und ein Reich zu gründen; der Plan war, zunächst ausreichende Gebiete bei Bombay und Madras, in Bengalen und Sumatra zu erwerben und unter das Protektorat des Königs zu stellen. Das Beispiel Hollands hat wohl diesen Plan hervorgerufen, aber man vergaß, daß es leichter war, einzelne Inseln zu unterwerfen, als mit mächtigen Reichen anzubinden; die Hoffnung auf Unterstützung durch die Mahratten erfüllte sich nicht, und so schlug dieser erste Versuch völlig fehl, ja er brachte alles bisher Erreichte in Gefahr.

Mit Einverständnis des Königs, der der Kompagnie auch gestattete, in den Hauptstationen den „Union Jack“ zu heißen, wurde 1685 eine Expedition von 10 Kriegsschiffen und 6 Kompagnien Soldaten unter Kapitän Nicholson ausgerüstet; in Indien sollte der oberste Beamte in Bengalen diese mit 400 Mann sowie 9 Schiffen verstärken und den Oberbefehl übernehmen. Man beabsichtigte, die Stadt Chittagong, an einem vorzüglichen Hafen im Nordosten des Busens von Bengalen gelegen, zu nehmen und zu befestigen, den Nabob von Bengalen zu Gebietsabtretung und Zugeständnis größerer Rechte zu zwingen; dann wollte man den Portugiesen bisher noch streitige Gebiete in Vorderindien abnehmen und auch holländische Besitzungen angreifen. Das Unternehmen war weder richtig noch genügend stark vorbereitet. Die Präsidenten von Bombay (John Childs) und Madras waren nicht genau davon unterrichtet, was im Osten vor sich gehen sollte — es war der Überraschung wegen geheim gehalten —, sie konnten keine Vorbereitungen treffen. Als das Geschwader in Hugly erschien, zogen die Inder Truppen zusammen und jagten (Oktober 1686) die Engländer den Fluß hinab, ehe deren Kräfte vollständig versammelt waren. Empört über den Versuch, ließ dann der Mogul die Engländer auch aus Surat vertreiben und bedrohte Bombay wie Madras. Die Kompagnie mußte sich glücklich schätzen, durch geschickte Unterhandlungen überall die alten Verhältnisse herzustellen. Trotzdem unternahm 1688 Childs mit noch schwächeren Kräften einen zweiten Vorstoß in Bengalen. Wieder wurde die Kompagnie aus der Provinz, aus Surat, sowie Masulipatam vertrieben, ja, die Insel Bombay bis auf das[616] Fort besetzt. Doch auch dieses Mal war der Mogul schwach genug, die früheren Rechte zurückzugeben; er erteilte Februar 1690 „den Engländern Verzeihung, da sie demütig darum gebeten hätten“, auch mußte die Kompagnie 150000 Rupien zahlen und Childs absetzen (er starb noch vor Abschluß des Vertrages im belagerten Bombay).

Im Anfang des 18. Jahrh. traten neue Verwicklungen mit den Beamten des Moguls in Surat und Bengalen auf, doch auch diese wurden dadurch überwunden, daß ein Arzt der Kompagnie den Mogul von einer schweren Krankheit heilte, man erlangte sogar neue Rechte und Gebietserweiterung (1715). Schon vorher waren Fortschritte an der Koromandelküste gemacht und eine Niederlassung auf Sumatra gegründet worden.

Auch in England hatte die Kompagnie einen schweren Stand nach Vertreibung der Stuarts. In der Allgemeinheit der Handelswelt war sie wegen ihres Monopols und wegen des Wettbewerbs der indischen Stoffe mit den einheimischen verhaßt; ihr schroffes Vorgehen zur Wahrung ihrer Rechte bot Gelegenheiten genug zu Angriffen, so lag sie ständig im Kampfe mit dem Unterhause. Mehrfach drohte Gefahr durch Gründung neuer Kompagnien (1695, 1698, 1730), die der infolge der Kriege erschöpften Regierung günstigere Anerbieten machten; 1698 trat tatsächlich eine solche in Indien wettbewerbend und feindlich auf, sehr zum Nachteil des englischen Ansehens. Aber auch diese Schwierigkeiten wurden durch geschickte Maßnahmen überwunden, stets erlangte man die Verlängerung des Vertrages, als 1744 die Regierung zu neuen Kriegen Geld brauchte bis zu 1780.

Aus vorstehendem ist zu ersehen, daß die Kompagnie alle Schwierigkeiten überwand; sie blühte auf. Die Ausfuhr nach Indien betrug 1710–1715 durchschnittlich im Jahr 496770 Lstrl. an Waren und 1600000 Lstrl. an Münze, von 1735–1740 jährlich 938970 Lstrl. bezw. 2459000 Lstrl.; die Einfuhr von dort hatte 1708–1728 einen Durchschnittswert von 758000 Lstrl. Die Dividenden waren weit bescheidener, als im allgemeinen angenommen wird: 1708 = 5%; 1710–1722 = 10%; 1723–1731 = 8%; 1732–1744 = 7% (man vergleiche dies mit Holland). Die Verwaltung war kostspielig, aber man fürchtete auch, durch zu hohe Dividenden den Neid der übrigen Handelswelt noch zu steigern. Leider sind keine genauen Angaben über die Zahl der Schiffe der Kompagnie vorhanden, um Vergleiche mit Holland anzustellen; übrigens hatte die Gesellschaft von 1712, außer einigen Schnellseglern für Postdienst, keine eigenen Fahrzeuge mehr, sondern heuerte solche. Die Garnisonen bestanden aus englischen und fremden Söldnern sowie indischen Milizen (Sepoys).

Zu Ende unseres Zeitabschnittes war die Kompagnie bereits ein gefährlicher Wettbewerber der Holländer geworden, ihre Glanzzeit trat aber erst ein, nachdem noch ein anderer, neuerschienener Nebenbuhler aus dem Felde geschlagen war, Frankreich.

Als besonders für Deutsche bemerkenswert, sei einer Gefahr gedacht, die allen indischen Kompagnien durch die schon mehrfach erwähnte Ostender Kompagnie drohte. Nachdem die spanischen Niederlande an Österreich gefallen waren, glaubten die Kaufleute dieser Provinz, endlich die Möglichkeit zu haben, wie die Holländer Handel nach Indien zu treiben; 1714 trat die genannte Gesellschaft zusammen. Das Geld kam allerdings vielfach von Personen in Holland und England, die in ihrem Lande die eigenen indischen Kompagnien vergeblich bekämpften und auf diese Weise am indischen Handel teilzunehmen hofften; auch in Deutschland regte sich das Interesse für das Unternehmen, Kaiser Karl VI. nahm es unter seinen Schutz. Die Gesellschaft kaufte in England und Holland Schiffe auf, rüstete sie in Ostende und Lissabon aus; 1716 erschienen die ersten[617] Fahrzeuge unter Kaiserlicher Flagge an der Malabar- und der Koromandelküste. Die älteren Kompagnien sahen darin eine Verletzung ihrer Verträge; die Regierungen unterstützten sie auf diplomatischem Wege, verboten ihren Untertanen jede, auch nur mittelbare, Unterstützung der neuen Gesellschaft und erließen Befehle, deren Schiffe abzufangen. Die Ostender Kompagnie ließ sich nicht entmutigen, obgleich tatsächlich Schiffe aufgebracht wurden, auch Kaiser Karl blieb zunächst fest. 1720 z. B. segelten. 6 Schiffe, Faktoreien wurden in Bengalen, an der Koromandelküste sowie in Kanton gegründet und gute Dividenden verteilt. Da hob der Kaiser 1727 auf das Drängen der Seemächte zugunsten seiner Verhandlungen über die pragmatische Sanktion zunächst das Recht der Kompagnie für sieben Jahre auf und versprach später in einem Vertrage mit England und Holland, 1731, für immer Handel und Schiffahrt nach Indien von seinen Niederlanden aus zu verbieten. Wäre Deutschland ein mächtiger einheitlicher Staat gewesen, so würde es sich damals wohl einen Anteil an den Ländern des südlichen Asiens haben sichern können.

Frankreichs[288] Kolonialbestrebungen unter Richelieu hatten noch nicht zur Festsetzung in Indien geführt (Seite 90). 1664 wurde die Compagnie des Indes Orientales gegründet, der König schoß 4 Millionen zinslos vor und versprach, für zehn Jahre den etwaigen Ausfall zu übernehmen. Die Städte, der Klerus, die Steuerpächter, die Noblesse de la Robe wurden zur Beteiligung bewogen; 6 Millionen sollten aufgebracht werden, aber nur 3 kamen ein. Die Gesellschaft erhielt den alleinigen Handel mit Indien (und Madagaskar sowie anderen Inseln im Indischen Ozean, vgl. später unter „Afrika“) auf 50 Jahre, Prämien für Ausfuhr sowie die zu erobernden Gebiete als Eigentum zugesichert. 1666 ging eine Flotte von 14 Schiffen unter Admiral de Mondevergue, in erster Linie nach Madagaskar bestimmt, in See, von ihr zweigte sich ein Teil unter einem Direktor der Gesellschaft, Caron, für Indien ab und gründete (1668) Faktoreien in Surat, Masulipatam sowie in Chandernagor am Ganges. 1669 folgte ein starkes Geschwader unter Oberst de la Haye, der als Generalleutnant des Indes orientales den Indern die Macht Frankreichs zeigen, mit dem Mogul in Verbindung treten und auf Ceylon sowie Banca neue Ansiedlungen gründen sollte. Man hoffte, alles auf friedlichem Wege zu erreichen, da England schwach sei und Holland offene Feindseligkeiten nicht wagen würde. Man fand aber den auf Ceylon in Aussicht genommenen Platz schon von den Holländern besetzt (1672) und wurde durch das Erscheinen überlegener holländischer Seestreitkräfte gehindert, sich auf einigen kleinen Inseln in der Nähe niederzulassen. De la Haye eroberte nun St. Thomé an der Koromandelküste, wurde jedoch auch von hier (1674) durch den Herrscher von Golkonda, unterstützt durch die Holländer, wieder vertrieben, von Masulipatam waren die Franzosen gleichfalls verjagt. Dagegen gründete 1674 ein Beamter der Kompagnie, François Martin, mit nur geringen Mitteln eine Kolonie in Pondichery, diese hielt sich und sollte die Grundlage der späteren Macht werden. Martin verstand es, sich stets mit den wechselnden Machthabern gut zu stellen; er wurde dann Generaldirektor in Indien, knüpfte neue Verbindungen an, hob die Faktoreien[618] in Surat sowie Chandernagor, erhielt Masulipatam zurück und gewann eine neue in Balassor (Bengalen). Die lange Kriegszeit, 1688–1713, wirkte jedoch so nachteilig, daß die Kompagnie ihre Geschäfte einstellen und ihre Rechte an einige Kaufleute in St. Malo abtreten mußte, aber auch diese fanden ihre Rechnung nicht; Pondichery kam leidlich durch die schweren Zeiten, die anderen Faktoreien vegetierten nur. Erst mit den Lawschen Gründungen trat ein Umschwung ein; bei deren Zusammenbruch blieb die Compagnie des Indes, die die Rechte der alten Gesellschaft für Indien erhalten hatte, bestehen. 1721 gingen die ersten Schiffe hinaus; 1725 wurden der Hafen von Mahé, nahe Pondichery, besetzt, verschiedene neue Plätze besiedelt und, wie schon Pondichery unter Martin, befestigt, der Verkehr mit China sowie mit den Philippinen gepflegt. Der Handel hob sich; 1727 betrug die Ausfuhr nach Frankreich 2¼ Millionen, 1731 schon 6. Neben Indien blühten die Inseln Bourbon und Isle de France, wichtig als Stationen auf dem Wege nach dort, auf. Die Kompagnie hatte das Glück, nacheinander tüchtige Gouverneure in Pondichery zu haben: Martin, Lenoir bis 1735, dann Dumas, endlich Dupleix (von 1741 an). Die Verwaltung war einfach und praktisch; an der Spitze jeder größeren Kolonie stand ein Gouverneur mit einem Rate von fünf Mitgliedern. Ein Hauptaugenmerk richtete man auf Schaffung von Schulen für die Eingeborenen und auf Französierung dieser; die natürlichen Erzeugnisse des Landes wurden sorgsam erforscht, Gewächse aller Art zur Prüfung an den Pariser Jardin des plantes gesandt.

Als Dumas sein Amt antrat, war die politische Lage in Indien den Europäern günstig. Perser, Afghanen und Mahratten beunruhigten das Mogulreich; seine Provinzen mußten sich selber schützen und kümmerten sich nicht mehr um den Hof in Delhi. Dumas nutzte dies zur Erweiterung des Gebietes sowie zur Hebung des Handels aus.

Unter Dupleix, unterstützt durch den Gouverneur La Bourdonnais auf Bourbon, begann Frankreich in Indien eine den Engländern gefährliche Macht zu werden.

Spanien verblieben nach Räumung der letzten Ansiedlungen auf den Molukken im fernen Osten nur die Philippinen (Seite 75). Die Inseln brachten während des 17. Jahrh. mehr Kosten und Sorgen als Vorteile. In dem großen Kriege mit den Holländern bedrohten diese die Verbindung mit Mexiko. Als Portugal sich von Spanien losgesagt und Holland sich Malakkas (sowie Formosas) bemächtigt hatte, waren die Inseln ganz isoliert und der ohnehin unbedeutende Handel litt schwer. 1662 erfolgte ein furchtbarer Aufstand der Eingeborenen. Weitere Kämpfe mit diesen, Streitigkeiten der Behörden mit den Kolonisten, kirchliche Wirren — Kämpfe der Jesuiten mit anderen Orden — füllten die Zeit bis zum Beginn des 18. Jahrh. aus. Im Spanischen Erbfolgekriege störten englische Kreuzer den Handel. Während der dann folgenden Friedenszeit wurden nun wohl Entdeckungsfahrten nach anderen Inselgruppen des Stillen Ozeans unternommen und der spanische Einfluß auf diese ausgedehnt, z. B. auf die Palaos- und Karolineninseln,[619] auch der Handel nach Mexiko hob sich infolge erleichternder Bestimmungen über die Einführung asiatischer Waren in Spanisch-Amerika, aber noch 1757 übertrafen die Ausgaben der Kolonie (679000 Pesos) die Einnahmen um 79800 Pesos, obgleich Mexiko einen Zuschuß (250000 Pesos) leisten mußte.

Afrika.

Portugal war wenig von dem verblieben, was es einst in Afrika besessen hatte (Seite 61, 63). An der Westküste hatte ihm Holland während seines Unabhängigkeitskrieges die Besitzungen an der Goldküste abgenommen; auch England (sowie Dänemark und Brandenburg) hatte sich dort angesiedelt. 1740 besaß Portugal außer den nördlichen Inseln, Madeira und den Kapverden, nur noch ein kleines Gebiet am Senegal, die Inseln S. Thomé und Principe sowie die Provinz Angola: den Küstenstrich von Ambris bis Mossamedes mit der Hauptstadt S. Paolo de Loanda. Es waren dies Kolonien von sehr geringer Bedeutung; man hatte sie stets mehr als Stützpunkte für die Indienfahrt und als Bezugsquelle für die Negersklaven, die man in Brasilien brauchte, betrachtet.

An der Ostküste, die einst ganz in ihren Händen gewesen war, hatten die Portugiesen fast alles verloren. Schon gegen Ende des 16. Jahrh. bedurfte es großer Anstrengungen, den nördlichen Teil (Mombas, Melinde, Sansibar) gegen Angriffe der Türken sowie gegen Erhebungen der Eingeborenen, angezettelt durch die Türken, zu halten, und auch der südliche Teil (Mosambique, Kilwa, Tete am Sambesi, Sofala) ward öfters schwer durch die Kaffern bedroht. Im 17. Jahrh. beunruhigten die Holländer während des Unabhängigkeitskrieges die Besitzungen und diese hatten dann in der zweiten Hälfte beständig unter den Angriffen der Araber (des Imam von Maskan) zu leiden; Mombas, Sansibar, Kilwa gingen verloren und auch im Süden fielen die Kaffern wieder ein; 1721 besetzte Holland die Delagoabay. So besaß Portugal 1740 nur noch die Küsten von Mosambique nebst Sofala. Versuche, diese Kolonie durch Handelserleichterungen zu heben, hatten wenig Erfolg, nur der Sklavenhandel war lohnend. Für Erschließung des Innern geschah nichts, die Kaffernstämme bedrohten selbst die Küstenstädte; schlechte Verwaltung und Mangel an Mitteln hinderten jeden Aufschwung.

Holland und zwar die westindische Kompagnie (Seite 87/88) hatte Niederlassungen in Senegambien, Hauptort die Insel Gorée, gegründet und an der Goldküste die Portugiesen vertrieben. Die Besitzungen wurden in den Kriegen mit England (Seite 252) und mit Frankreich (Seite 371) mehrfach Angriffspunkte der Feinde und gingen, wie die in Nordamerika und Westindien, größtenteils verloren; 1674 waren an der Goldküste nur noch einzelne im Besitz der Kompagnie, Hauptplatz Elmina.

Die Niederlassungen bestanden in größeren und kleineren Forts (bei England wird die Stärke einiger solcher Forts als Beispiel gegeben werden), von denen aus der Handel betrieben wurde; irgend welchen Grundbesitz oder unmittelbare Herrschaft über Eingeborene hatte man nicht. Die Regierung des Landes lag ganz in der Hand der letzteren,[620] die sich unausgesetzt befehdeten und oft den Handel mit einem oder dem anderen fremden Fort sperrten. Bei den anderen Nationen waren die Verhältnisse die gleichen; die Forts der verschiedenen Völker lagen, oft in nächster Nähe, durcheinander. Um 1674 mußte die alte westindische Kompagnie ihre Geschäfte einstellen; eine neugegründete war nicht imstande, den Besitz wieder zu erweitern, und so blieb die Macht Hollands in Westafrika gering.

Einen Vorteil hatte Holland im letzten Jahrhundert dadurch errungen, daß die ostindische Kompagnie 1653 das Kapland besetzte. Schon früher war die Tafelbay neben St. Helena als Erfrischungsstation auf den Reisen nach Indien angelaufen worden, jetzt wurde sie der Hauptpunkt, besonders auch da 1657 die englisch-ostindische Kompagnie St. Helena in Besitz nahm und stark befestigte. Im Kaplande bildete sich neben der Station der Kompagnie eine Niederlassung freier Bürger, die Wein- und Gemüsebau mit Erfolg trieben; schon 1660 deckte die Kolonie ihre Kosten. Die Kompagnie mußte diesen ihren einzigen Stützpunkt auf dem Wege nach Indien halten, im übrigen stockte die Entwicklung der Kolonien bald; noch 1750 sprachen die Behörden am Orte dem Lande jede Zukunft ab. Die Kolonisten schrieben die Schuld der Verwaltung zu: Schlecht bezahlt, suchten die Beamten, Privatgeschäfte zu machen, hinderten eine umfangreiche Besiedlung, waren bestechlich und eigenmächtig. Mangel an Arbeitskräften sowie Schwierigkeiten mit den Eingeborenen traten hinzu.

Versuche, sich an der Ostküste Afrikas festzusetzen, scheiterten; auch die Delagoabay wurde wieder aufgegeben.

England hatte 1631 zuerst einige Niederlassungen an der Goldküste gegründet, die aber bald teils verfielen, teils von anderen Mächten (Holland, Dänemark, dem Herzog von Kurland) besetzt wurden. 1662 bildete sich die westafrikanische Kompagnie (an ihrer Spitze der Herzog von York), die die alten Posten wieder besetzen und eine regelmäßige Negerausfuhr betreiben wollte. Sie übernahm einige Forts des Herzogs von Kurland, baute neue am Gambia und an der Sierra-Leone-Küste und eroberte andere von den Holländern, wie eben erwähnt. 1672 trat eine neue Kompagnie an ihre Stelle und erweiterte den Machtbereich. Diese besaß um 1710 ein Fort an der Mündung des Gambia (28 Weiße, 7 Kanonen), zwei an der Sierra-Leone-Küste und elf an der Goldküste (das größte, Capecoastcastle 93 Weiße, 42 Kanonen; drei mit 20 Weißen und 25 Kanonen und so hinab bis zu 6 Weißen und 6 Kanonen; zwei oder drei gar nur mit 2 Weißen). Der Negerhandel blühte sehr auf; 1680–1688 sind über 46 000 ausgeführt, später jährlich über 20000. Der sonstige Handel spielte nur eine unbedeutende Rolle; 1740 betrug der Wert der Ausfuhr 110543 Lstrl., der der Einfuhr 62787 Lstrl.

Die Kompagnie machte gute Geschäfte, so lange sie das Monopol hatte, bis 1688. Neben dem Negerhandel führte sie Elfenbein, Wachs, Rotholz und besonders Gold aus; 1673 wurden von diesem zum ersten Male Goldmünzen geschlagen und „Guineas“ genannt. Die „declaration of right“, 1688, die alle ohne Bewilligung des Parlaments erteilten Vorrechte aufhob, raubte der Kompagnie ihre Grundlage. Andere Engländer[621] begannen den Handel und die Gesellschaft kämpfte denselben Kampf um ihre Vorrechte wie die ostindische, aber sie unterlag; der Handel wurde freigegeben, die Kompagnie erreichte nur eine Unterstützung von seiten der Regierung zur Erhaltung der Forts. 1750 wurde die Gesellschaft aufgelöst; um aber die Forts halten zu können, wurden sämtliche Personen, die nach Afrika Handel trieben, gezwungen, zu einer Körperschaft zusammenzutreten — einer sogenannten „regulated company“ im Gegensatz zu einer „joint stock company“ —, die Regierung mußte aber weiter zuschießen. (Näheres vgl. Zimmermann, Band II, Seite 364 ff.)

Die Besetzung St. Helenas ist bereits erwähnt; die Insel blieb, mit kurzer Unterbrechung 1673, in englischem Besitz.

Frankreich betrieb um 1648 mit verschiedenen Gesellschaften Sklavenhandel an der Westküste[289] vom Kap Branco bis zur Sierra-Leone-Küste, eine bedeutendere Niederlassung bestand nur an der Mündung des Senegal (St. Louis). 1664 erwarb die Compagnie des Indes Occidentales das alleinige Recht zum Handel; man konnte aber gegen die Holländer und Engländer, die die besten Plätze im Besitz hatten, nicht aufkommen. 1667 wurden den Holländern wichtige Plätze südlich des Kap Verde abgenommen (Gorée, Portudal, Joal) und, nachdem die Kolonie und ihr Handel im Pfälzischen Erbschaftskriege viel zu leiden gehabt hatten, wurde 1697 der Anfang gemacht, das Senegalgebiet wirklich zu kolonisieren, sich nicht mehr auf die Negerausfuhr zu beschränken; es wurden neben neuen Stationen an der Küste auch solche im Innern angelegt. Diese Bestrebungen hatten Erfolg, besonders nach dem Frieden von Utrecht und nachdem die Lawsche Compagnie d'Occident die Sache in die Hand genommen. Wenn auch der Handel kein sehr einträglicher war — man rechnete die Ausfuhr, einschließlich Sklaven, auf 800000 Frank mit einem Gewinn von 200000 im Jahre —, so war doch der französische Einfluß in Senegambien und bis zum Kap Branco hinauf bedeutender als der der Engländer, die nur am Gambia saßen; er war gestützt auf gut im Stande gehaltene Forts: an der Arguinküste Arguin und Portendik (jetzt Ndjeil); St. Louis am Senegal (Mündung); Podor, St. Joseph, St. Pierre (weiter stromauf); Gorée, Portudal, Joal, Albreda im Gambiagebiet und weiter südlich Bintam.

Die Insel Arguin war ursprünglich holländisch. Das Fort hier wurde 1677 auf demselben Zuge zerstört, der den Holländern die Plätze in Senegambien kostete. 1683 hatte sich Brandenburg auf Arguin niedergelassen, trat es aber wieder an Holland ab und dieses wurde 1721 von den Franzosen mit Gewalt vertrieben.

An der Ostküste Afrikas haben die Franzosen 1642–1643 eine Niederlassung auf Madagaskar gegründet (Fort Dauphin). Wie (bei Indien) angedeutet, hatte die große Expedition 1666 unter Admiral de Mondevergue — sie führte auf 14 Schiffen gegen 1000 Kolonisten, 200 Soldaten und für 1194000 Frank Waren — hauptsächlich den Zweck, die ganze Insel zu erobern; sie mißlang völlig und 1674 wurde diese Kolonie überhaupt aufgegeben.

[622]

Die Ausreise dauerte elf Monate. Entblößt von allen Lebensmitteln traf die Expedition in Fort Dauphin ein, sie fand die Niederlassung in traurigster Verfassung; die Ansiedler lebten in stetem Kampf mit den Eingeborenen und hatten kaum genügend Nahrung. Die Neuangekommenen verlangten, völlig enttäuscht, nach Frankreich zurückgeschafft zu werden; der Admiral und die Beamten der Kompagnie, die die Expedition entsandt hatte, erklärten, die Kolonie habe keine Zukunft; die Gesellschaft gab sie denn auch 1669 an die Krone zurück und ließ ihre Indienfahrer nicht mehr Fort Dauphin, sondern die Insel Bourbon anlaufen. Trotzdem gab die Regierung die Sache noch nicht auf und selbst die sehr zusammengeschmolzenen Kolonisten erklärten, aushalten zu wollen, als ihnen Oberst de la Haye auf seiner Reise nach Indien 1671 anbot, sie nach Bourbon zu schaffen. Als aber de la Haye auf seiner Rückreise 1674 die Insel anlief, fand er Fort Dauphin zerstört und die Ansiedler von ihren Sklaven und den Eingeborenen ermordet, nur 63 hatten sich im Fort gehalten und dann auf einem zufällig eingetroffenen französischen Schiffe die Insel verlassen.

Dagegen hatte sich die Insel Bourbon, seit 1654 besiedelt, gut entwickelt. Hier wurde Zucker- und Kaffeebau mit Sklaven getrieben, 1723 zählte man 600 Weiße. Auch Isle de France (Mauritius), 1715 in Besitz genommen, blühte schnell auf, besonders unter La Bourdonnais, von 1735 an Gouverneur beider Inseln. Die Compagnie des Indes wandte den Maskaren, als Station auf dem Wege nach Indien, große Sorgfalt zu, sie führte Vieh sowie Neger und Kulis zur Bestellung der Plantagen ein.

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Fußnoten:

[283] Hauptquelle Zimmermann, „Europäische Kolonien“, Band I, Spanien, Portugal; Band II, Großbritannien, I. Teil; Band IV, Frankreich; Band V, Niederlande.

[284] Die höchst lehrreiche Geschichte der Entwicklung der einzelnen Kolonien, auch in ihrem Verhältnis zu England, genau in Zimmermann, Band II. Die obige Kürze der Darstellung führt notgedrungen zu Ungenauigkeiten.

[285] Näheres über die Verhältnisse Zimmermann, Band IV; dort sind auch die Kriege mit England genauer geschildert.

[286] Nachstehendes nach Zimmermann, Band V, woselbst sehr genaue Angaben über die Geschäftsverhältnisse der Kompagnie gegeben sind.

[287] Vorwiegend nach Zimmermann, Band II.

[288] Näheres Zimmermann, Band IV.

[289] Näheres Zimmermann, Band IV, Seite 123, 217.


[623]

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Seekriege.

Im Altertum.
Zeit   Seite
8. bis 5. Jahrh. Phöniziens Kriege 17
513 v. Chr. Darius gegen die Skythen 17
493–449 Perserkriege 18
431–404 Peloponnesischer Krieg 19
480–310 Karthagos Kriege 19
264–146 Punische Kriege 20
bis 31 Roms Kriege 20
Im Mittelalter.
5. und 6. Jahrh. Byzanz' Kriege 42
11. bis 13. Jahrh. Kreuzzüge 43
12., 13. u. 14. Jahrh. Genuas und Venedigs Kriege 43
10. u. 12. Jahrh. Die Staaten der Pyrenäischen Halbinsel 43
9. bis 11. Jahrh. Züge der Normannen 43
14. u. 15. Jahrh. Kämpfe der Hansa 43
13., 14. u. 15. Jahrh. Kriege zwischen England und Frankreich 44–47
In der Zeit von 1492–1648.
  Kriege im Mittelmeer:  
16. Jahrh. Venedig und die Türken 108
16. u. 17. Jahrh. Frankreich, Spanien, die italienischen Städte 109
  Kriege in der Ostsee:  
16. Jahrh. Hansa 109
16. u. 17. Jahrh. Schweden und Dänemark 110
16. u. 17. Jahrh. Kriege zwischen England und Frankreich 111–112
1566(1585)–1588 Krieg Hollands und Englands gegen Spanien 112–114
1588 Der Zug der Armada 114–133
1588–1604 Krieg Englands gegen Spanien 133–137
1588–1648 Krieg Hollands gegen Spanien 139–142
  (In diesem Kriege, Kampf Hollands gegen Dünkirchen) 140
In der Zeit von 1648–1739.
1652–1654 Der erste englisch-holländische Krieg 189–235
1654–1659 England gegen Spanien 236–238
1656–1661[624] Holland gegen Portugal 239
1655–1660 Schwedisch-polnisch- (holländisch-brandenburgisch) dänischer Krieg 239–245
1654–1665 Kämpfe gegen die Barbaresken 239, 246
1635–1659 Frankreich gegen Spanien (und Frondekriege) 246
1645–1669 Venedig gegen die Türken 247
1665–1667 Der zweite englisch-holländische Krieg 248–306
1667–1672 Kämpfe gegen die Barbaresken 319
1672–1674 Der dritte englisch-holländische Krieg 307–361
1674–1678 Französisch-holländisch (-spanischer) Krieg (Fortsetzung des vorigen) 363–393
1675–1679 Schwedisch-dänischer (holländisch-brandenburgischer) Krieg, schonischer Krieg 394–402
1674–1688 Kämpfe gegen die Barbaresken (französische Bombardements) 402–408
1684 Die Franzosen vor Genua 408–409
1684–1699 Venedig gegen die Türken 409
1688–1697 Der französisch-englisch-holländische Krieg (Pfälzischer Erbschaftskrieg) 410–485
1702–1713 Der Spanische Erbfolgekrieg 486–576
1718–1720 Krieg der Quadrupel-Allianz (England, Frankreich usw.) gegen Spanien 577–582
1700–1721 Der Nordische Krieg 582–591
1714–1718 Kriege Venedigs gegen die Türken (1645–1669, 1684 bis 1699) 591–592
1715–1740 Kämpfe gegen die Barbaresken 592–593
1727–1728 Zusammenstoß Englands mit Spanien 596
1733–1735 Polnischer Thronfolgekrieg 597

Seeschlachten.
Gefechte, Angriffe auf Küstenstädte.

Zeit   Seite
Im Altertum.
494   v. Chr. Lade 17
480   Artemisium, Salamis 18, 23, 24
429   Rhium 23
256   Eknomos 20, 23
36   Mylae (Naulochus) 21, 22
31   Aktium 21, 22, 24
Mittelalter.
1212     Damme 44
1217     Southforeland 45, 49
1340   24. Juni Sluys 45, 49
1372     La Rochelle 46
1416   September Harfleur 47
1417   25. Juli Im Kanal 47
1351     Auf der Maas 48
In der Zeit von 1492–1648.[625]
1571   7. Oktober Lepanto 144
1580     Bei den Azoren 112
1622     La Rochelle 112
1638     Genua 145
1587   19. April Zerstörung der Schiffe in Cadiz (Drake) 115
1588 21. Juli Plymouth Während
des Zuges
der
Armada
126
23. Portland 127
25. Wight 128
28. Calais 129
29. Gravelines 130
1596   20. Juni Angriff auf Cadiz (Howard) 135
1625     Ebenso (Wimbledon) 138
1607     Gibraltar 139
1631     Auf der Schelde 141
1639   21. Oktober In den Downs (eine zweite Armadakatastrophe) 141
In der Zeit von 1648–1739.
(Der Name des Siegers ist zuerst angeführt.)
1652   29. Mai Dover (Blake-Tromp, Martin) 199
1652   26. August Plymouth (Ruyter-Ayscue) 205
1652   7. September Blake vernichtet ein franz Geschwader (Vendôme) 208
1652   6. September Elba (van Galen-Badiley) 208
1652   30. September Livorno (Bootsangriff auf „Phönix“) 209
1652   8. Oktober Kentish Knock (Blake-Witte de Witt) 209
1652   10. Dezember Dungeness (Tromp-Blake) 211
1653   14. März Livorno (van Galen-Appleton) 214
1653   28. Febr.–2. März Portland (Blake-Tromp) 214
1653   12./13. Juni Northforeland-Nieuport (Monck-Tromp) 222
1653   8. August Kattwijk (Monck-Tromp) 224
1653   10. August Scheveningen (Monck-Tromp) 226
1654   13. April Penn landet bei Domingo 236
1654   10.–17. Mai Jamaica erobert (Penn) 236
1654   4. April Tunis (Schiffe vernichtet; Blake) 237
1657   27. April Teneriffa (Schiffe vernichtet; Blake) 238
1658   8. November Im Sunde (Wassenaer-Wrangel) 242
1659   23. November Nyborg beschossen (Ruyter) 245
1664   29. Dezember Smyrnaconvoi (holländ.) bei Gibraltar angegriffen (Allin) 254
1665   13. Juni Lowestoft (Herzog von York-Wassenaer) 263
1665   12. August Bergen, Angriff auf holländ. Kauffahrer (Tyddiman) 271
1666   11.–14. Juni Viertageschlacht (Ruyter-Monck) 273
1666   4./5. August Northforeland (zweite Schlacht; Monck-Ruyter) 282
1666   19. August Engländer im Vlie-Strome (Holmes) 286
1667   17.–23. Juni Ruyter in Themse und Medway 292
1672   23. März Smyrnaconvoi (holländ.) bei Wight angegriffen (Holmes) 321
1673   7. Juni Schooneveld (erste Schlacht; Ruyter-Prinz Rupert) 334
1673   14. Juni Schooneveld (zweite Schlacht; Ruyter-Prinz Rupert) 339
1673   21. August Texel (Ruyter-Prinz Rupert) 341
1674   Juni, Juli Französische Küstenstädte angegriffen (Tromp, Cornelis) 364
1674   20. Juli Martinique (Ruyters Landung) 368
1675   11. Februar Stromboli (Vivonne-del Viso) 373[626]
1676   8. Januar Stromboli (Ruyter-du Quesne) 377
1676   22. April Agosta (du Quesne-Ruyter) 381
1676   2. Juni Palermo (Vivonne vernichtet holländ.-span. Flotte) 385
1676   4. Juni Bornholm (Niels Juel-Creutz) 396
1676   11. Juni Ertholm (Niels Juel und Tromp-Creutz) 397
1677   21. Februar Tabago (d'Estrées' Landung) 370
1677   11. Juni Warnemünde-Gjedser (Niels Juel) 398
1677   11. Juli Kjögebucht (Niels Juel-Horn) 398
1677   August Kalmar (Tromps und Niels Juels Einfall) 399
1677   11. Dezember Tabago (d'Estrées' zweite Landung) 371
1678   11. Dezember Kap Ouessant (Evertsen-Château-Renault) 388
1682   u. 1683 Sommer Algier bombardiert (du Quesne) 405
1684   Mai Genua bombardiert (du Quesne) 408
1685   Juni Tunis, Tripolis bombardiert (d'Estrées) 408
1688   Juli Algier bombardiert (d'Estrées) 408
1689   11. Mai Bantrybay (Château-Renault-Herbert) 430
1690   10. Juli Beachy Head (Tourville-Herbert) 436
1691   Juni–August Tourvilles Hochsee-Kreuztour 441
1692   29. Mai–3. Juni Kap Barfleur-La Hogue (Russell-Tourville) 444
1693   November St. Malo bombardiert (England) 459
1694   Juni–September Brest angegriffen; Dieppe, Dünkirchen, Calais beschossen (England) 461
1695   Juli, August St. Malo, Dünkirchen, Calais beschossen (England) 463
1696   Juli Westküste Frankreichs bedroht (England) 466
1697   April Cartagena (Mittelamerika) erobert (de Pointis) 467
1700   Juli Kopenhagen angegriffen (Schweden, England, Holland) 586
1702   August Cadiz angegriffen (Rooke) 514
1702   29. Aug.–3. Sept. Cartagena (du Casse-Benbow) 563
1702   23. Oktober Vigo, Vernichtung der Silberflotte (Rooke) 516
1704   3. August Gibraltar erobert (Rooke) 526
1704   3. August Gibraltar erobert (Rooke) 526
1704   24. August Malaga (Rooke-Graf Toulouse) 530
1704   /05 Winter Gibraltar, Rückeroberungsversuche (Frankreich) 536, 538
1705   18. März Gibraltar (Leake-de Pointis) 538
1705   3. September Barcelona erobert (Shovel) 540
1707   Juli u. August Toulon belagert (Prinz Eugen und Shovel) 547
1710   24. Juli Cette, Landung der Engländer 554
1712   Herbst Rio gebrandschatzt (Duguay-Trouin) 556
1714   Sommer Hangö-Udd (Apraxin-Schweden) 589
1715   28. Juli Holsteinische Küste (Dänen-Schweden) 588
1715   8. August Rügen (Dänen-Schweden) 588
1718   11. August Kap Passaro (Byng vernichtet spanische Flotte) 580
1719   Oktober Einfälle in Spanien (Frankreich und England) 581
1727   Januar–Juni Gibraltar durch Spanien belagert 596

[627]

deco

Sach- und Namenverzeichnis.

Berichtigungen.

Seite 5, Zeile 5 und 3 von unten, muß es heißen statt NW.- und SO.-Monsun SW.- und NO.-Monsun.

Seite 238, Zeile 2 von oben, ebenso Seite 239, Seitenüberschrift muß es statt 1656 heißen 1657.

Seite 589, Zeile 9 von oben, muß es statt 1715 heißen 1714.

deco

E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW., Kochstr. 68–71.


Anmerkungen zur Transkription:

Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originaltextes wurden übernommen, und offensichtliche Druck- und Setzfehler korrigiert.






End of the Project Gutenberg EBook of Seekriege und Seekriegswesen, Erster
Band, by Rudolph Rittmeyer

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