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Jagd auf Putin-Freund am Tegernsee: Fahnder wollen Oligarchen-Villen konfiszieren

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Alisher Usmanow, Putin-Vertrauter und Milliardär, hat mehrere Villen am Tegernsee. Nun spekulieren die Nachbarn: Ist er noch da?
Alisher Usmanow hat mehrere Villen am Tegernsee. Nun spekulieren die Nachbarn: Ist er noch da? © Westend61/Yuri Kochetkov/IMAGO/dpa (Archivbilder/Montage)

Über Strohmänner und Briefkasten-Firmen haben Oligarchen Immobilien am Tegernsee angehäuft. BKA-Fahnder hoffen, dass sie ihr Vermögen konfiszieren können.

Rottach-Egern/Tegernsee – Plötzlich hatte es der 68-Jährige sehr eilig. Als Putins Truppen am 24. Februar die Ukraine überfielen und in Rottach-Egern Demonstranten aufmarschierten mit der Forderung „Stoppt Putin“, machte sich dessen Vertrauter Alisher Usmanow eiligst aus dem Staub. Am 28. Februar, so erzählen Nachbarn eines seiner Anwesen, habe Usmanow „gleich die Koffer gepackt“ und sei mit seiner Entourage „weg“ gewesen.

Der mehrfache Milliardär und Oligarch wusste wohl, was ihm drohte: eine Auflistung in der EU-Sanktionsliste, die prompt einen Tag später erfolgte. Auf ihr landete der geborene Usbeke, versehen auch mit einem russischen Pass, auf Nummer 673. Ausgewiesen als „kremlfreundlicher Oligarch, der besonders enge Verbindungen zum russischen Präsidenten Vladimir Putin unterhält.“ Als „besonders favorisierter Oligarch“ sei er mit „der Verwaltung von Finanzströmen betraut“ worden. Und „Dimitri Medwedew“, Ex-Präsident und inzwischen Putins Büchsenspanner, „hat persönlich luxuriöse Anwesen nutzen können, die unter der Kontrolle von Alisher Usmanow stehen“, so die öffentliche EU-Ausschreibung.

Tegernsee: Unzählige Villen wurden durch Briefkasten- und Offshorefirmen erstanden

Bei Immobilien und Finanzströmen ist der laut Forbes auf 16 Milliarden Euro taxierte Multi-Unternehmer Usmanow ein Profi. Unzählige Villen, ob auf Sardinien, in Italien, London und am Tegernsee, wurden durch ein Netz von Briefkasten- und Offshorefirmen erstanden und geschickt verschleiert. So auch seine vier Immobilien in der Premiumlage von Rottach-Egern. Wie an einer Perlenkette reihen sich Usmanows Millionen-Investitionen am Seeufer auf. Alle haben laut den vorliegenden Kaufverträgen eines gemein: Sie wurden von britischen Strohmännern über Münchner Notariate für drei Briefkastenfirmen auf der Steueroase Isle of Man erworben.

Tegernsee: Können die Fahnder Usmanows Villa in Rottach-Egern konfiszieren?

Den Anfang machten Usmanows Handlanger im Juni 2011. Brett Sinclair A. und Stephen Paul C. erwarben das Haupthaus des Oligarchen für 7,8 Millionen Euro. Eingetragen im Grundbuch ist nach wie vor eine „Tegernsee (IOM) Limited.“ Das Kürzel IOM steht für Isle Of Man. Doch genau dieser Kaufvertrag enthält einen Passus, der es der kürzlich vom Bundeskriminalamt (BKA) gegründeten „Task Force Ermittlungsgruppe Ukraine“ ermöglichen könnte, die Rottacher Villen des Oligarchen zu konfiszieren.

Für viele Millionen hat sich Alisher Usmanow in Rottach-Egern Immobilien gekauft, unter anderem diese Villa.
Für viele Millionen hat sich Alisher Usmanow in Rottach-Egern Immobilien gekauft, unter anderem diese Villa. © Klaus Wiendl

Denn die Ermittler müssen ihm nachweisen können, dass er der „wirtschaftlich Berechtigte“ dieser Immobilien im Notarvertrag ist. Und das können sie in diesem konkreten Fall, wie die Beamten bestätigen. Denn im „Gestattungsvertrag muss sich der Käufer verpflichten, eine natürliche Person als Inhaber zu benennen, die auch wirtschaftlich Berechtigter des Kaufvertrages ist. Benannt wird Alisher Usmanov, Sivtsev Vrazhek Street, Flat 15, Moskau, und als weitere Adresse die des Domizils in Rottach-Egern.

Usmanow: Spaziergänge am Tegernsee in Begleitung von bis zu fünf Leibwächtern

Die gleichen Strohmänner Usmanows waren es auch, die die nur einen Steinwurf vom Haupthaus entfernte Doppelhaushälfte für eine „Lakeview Property Holding Limited“ erwarben und im August 2018 für zwei Millionen Euro auf die bekannte „Tegernsee (IOM) Limited“ notariell verschieben ließen: sozusagen von der linken in die rechte Tasche. Für Ermittler ist dies ein Indiz dafür, dass Geldflüsse auf verschiedene Konten der drei ausgewiesenen Offshore-Firmen für die Tegernseer Immobilien verschleiert werden sollten. Manche sprechen auch von Geldwäsche.

In der Doppelhaushälfte war ein Teil von Usmanows Bodygards untergebracht. Der andere Teil des bis zu 30-köpfigen Trosses bezog unweit davon Quartier, in einer gemieteten Eigentumswohnung. Wenn dies auch für so manchen Nachbarn ein Problem darstellt, ständig ein- und ausgehende Wachleute in einer kleinen Wohnanlage zu haben, so erzählt so mancher Anlieger nur Gutes über den Putin-Vertrauten Usmanow. „Er war sehr zurückhaltend und hat nicht gestört. Was geliefert wurde, kam immer aus München.“ Nie aber habe man Usmanow in Begleitung seiner Familie gesehen, ob im Sommer oder Winter, trotz „Weihnachtsbeleuchtung“. Begleiten ließ sich der „Dicke“, so die Nachbarn, bei seinen Spaziergängen am Seeufer dafür von bis zu fünf Leibwächtern.

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Dabei dürfte er auch seiner dritten Immobilie – wiederum nur wenige Minuten entfernt – gelegentlich einen Besuch abgestattet haben. Im Dezember 2015 erwarb er sie mit 2346 Quadratmetern Grund über eine „Lake View Property Holding“ für 7,2 Millionen Euro von einem Salzburger Universitäts-Professor. Dem Vernehmen nach dient die breit ausladende Villa Usmanows Entourage als Bleibe.

Bekannter Rottacher Architekt verwirklicht Neubau für Usmanow am Tegernsee

Ein Jahr später, im November 2016, investierte der Oligarch in eine weitere Immobilie. Diesmal wieder am Schorn. Ein Kölner verkaufte ihm seine 2303 Quadratmeter für 6,2 Millionen Euro. Den Altbau ließ er abreißen, dafür stellte ihm ein bekannter Rottacher Architekt einen Neubau im Stil seines nahen Haupthauses hin. Trotz Sanktionen aber wird an der stattlichen Villa weiter an ihrer Fertigstellung gewerkelt. Die Rechnungen der ausführenden Unternehmen dürften an die dritte der Briefkastenfirmen adressiert sein: an die Lake Point Property Holding Limited, 26 Victoria Street Douglas, Isle of Man.

Riesiges Geflecht an Strohmännern erschwert Ermittlungen gegen Usmanow

Insgesamt sind die BKA-Fahnder bei ihrer Datenauswertung zu Usmanow allein in Deutschland auf 36 Offshore-Firmen und 90 Geldwäscheverdachtsmeldungen gestoßen, wie nun Medien melden. Nach Erkenntnissen von Ermittlern soll Usmanows Trust etwa fünf Ebenen haben, und erst in der untersten würde man auf seinen Namen stoßen. Vorher tauche ein riesiges Geflecht von Strohmännern aus seinem Umfeld auf, was die Jagd auf Oligarchen wie Usmanow erheblich erschwert.

Beschwerlich dürfte nach den Sanktionen nun auch das Reisen für Usmanow werden. Wie berichtet, liegt seine 600-Millionen-Luxusyacht „Dilbar“ vorerst in der Hamburger Werft Blohm+Voss auf Kiel, und in der Luft muss er auf seinen Airbus 340-313 verzichten, mit dem ihm aus München noch die Flucht nach Taschkent gelang. Seinem Großraum-Jet mit der Kennung M-IABU (IABU steht für „I am Alisher Burhanovich Usmanov“) wurde soeben die Registrierung von der Isle of Man entzogen, wie der Chef der Zivilluftfahrtbehörde der Insel bestätigt.

Zweiter Oligarch Ivan Pavlovich Shabalov erwarb Immobilien in der Stadt Tegernsee

Zurück an den Tegernsee. Denn in der gleichnamigen Kommune hat auch noch ein anderer Oligarch seine Latifundien: Ivan Pavlovich Shabalov, wie Usmanow in Usbekistan geboren, ist ein russischer Röhren-Magnat. Sein Geschäftspartner war Gazprom-Chef Alexej Miller, der auf der Sanktionsliste steht. Shabalov, geboren 1959, erwarb seine herrschaftliche Villa 2007 über seine Luxburg GmbH mit dem damaligen Sitz in München. Für die 8005 Quadratmeter zahlte er 6,35 Millionen Euro. 2014 wurde die Villa auf eine Luxburg GbR in Gelsenkirchen überschrieben, die ihm und seiner Frau Liudmila Gai gehört. Beide geben als Wohnsitz Lugano in der Schweiz an. Seit Mai 2019 ist Shabalovs Tochter Anna Shabalova Eigentümerin.

Tegernsee: „Goldene Pässe“ der Oligarchen erleichtern die Geldwäsche

Die zweite Immobile in unmittelbarer Nähe mit 1200 Quadratmetern Grund erwarb Shabalov ebenfalls 2007, diesmal für nur 700.000 Euro, aber für eine Luxburg GmbH in Gelsenkirchen. Im Dezember 2019 wurde die Immobilie an Sohn Pavel mit Wohnsitz Moskau für 2,76 Millionen Euro weitergereicht. Der Kaufpreis ging laut Vertrag je zur Hälfte auf zwei getrennte Konten des Paares Shabalov und Gai bei der russischen Sberbank, die inzwischen auch auf der Sanktionsliste steht. Als Wohnsitz aber geben die Shabalovs Lugano im Tessin an, wenngleich beide auch noch zypriotische Pässe besitzen sollen. Diese gekauften „goldenen Pässe“ seien ganz typisch für Geldwäsche, urteilen Fahnder der Task Force. Sie entdeckten auch Shabalovs Yacht „Soaring“, die unter der Flagge Zyperns fährt.

Der Oligarch Ivan Pavlovich Shabalov besitzt unter anderem diese Immobilie in Tegernsee. Anders als Usmanow steht er nicht auf der EU-Sanktionsliste.
Der Oligarch Ivan Pavlovich Shabalov besitzt unter anderem diese Immobilie in Tegernsee. Anders als Usmanow steht er nicht auf der EU-Sanktionsliste. © Klaus Wiendl

Wieso Shabalov noch nicht auf der Sanktionsliste seht, wundert sich auch der örtliche CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan. „Er (Shabalov) hätte wohl ebenfalls Immobilien in Oberbayern erworben und in der Vergangenheit zumindest mit anderen Sanktionierten in Kontakt gestanden“, schrieb Radwan Ende März an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Und fragt weiter: „Schafft die Bundesregierung momentan etwaige Rechtsgrundlagen, um Vermögen nicht nur einfrieren, sondern auch einziehen zu können? Wenn ja, wie? Wenn nein, wieso nicht?“

Bei Usmanow ist es für Jäger russischer Schätze kein leichtes Unterfangen. Er soll seinen „Sisters Trust“ 2017 an seine Schwester Gulbahor Ismailova überschrieben haben und wiederum deren Schwester Saodat Narzieva als wirtschaftlich Berechtigte für bis zu 27 Schweizer Konten. Doch inzwischen stehen beide ebenfalls auf der Sanktionsliste. Daher hat das BKA Hoffnung, über die Grundbücher in Miesbach wenigstens an die Tegernseer Oligarchen-Immobilien zu kommen. Jedoch sind mittlerweile die beiden Luxuskarossen des Oligarchen verschwunden. Die Taskforce arbeite „sehr langsam“. (Klaus Wiendl)

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