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Romonta GmbH in Amsdorf  Romonta GmbH in Amsdorf : Bergleute lassen sich nach Erdrutsch nicht unterkriegen

Von Wolfram Bahn 03.11.2015, 09:16
Tagebauleiter Jürgen Biermann vor dem Abraumbagger 1447, der am Kupferhammer schon rund zwei Millionen Tonnen Erde bewegt hat.
Tagebauleiter Jürgen Biermann vor dem Abraumbagger 1447, der am Kupferhammer schon rund zwei Millionen Tonnen Erde bewegt hat. jürgen lukaschek Lizenz

Amsdorf - Das ist Musik in den Ohren von Jürgen Biermann. Wenn die riesigen Schaufeln des Abraumbaggers quietschen, strahlt der Tagebauleiter der Romonta GmbH in Amsdorf über das ganze Gesicht. Das Geräusch hat für ihn eine besondere Bedeutung: Der Tagebaubetrieb läuft wieder normal beim weltgrößten Hersteller von Rohmontanwachs. Seit fast einem halben Jahr wird wieder Braunkohle gefördert. Wenn auch unter nicht ganz einfachen Bedingungen. „Wir sind froh, dass wir den Tagebaubetrieb überhaupt wieder so gut in den Griff bekommen haben“, sagt der 57 Jahre alte gelernte Elektromonteur. Und er zieht seinen Hut vor der Belegschaft, die sich nicht hat unterkriegen lassen.

Nach dem folgenschweren Erdrutsch in der Nacht zum 6. Januar 2014 war der Lärm der Großgeräte in der Grube verstummt. Rund sechs Millionen Kubikmeter Erdmassen sind in den Tagebau gerutscht. Auch schweres Abraumgerät wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Ein Unglück, das das traditionsreiche Unternehmen an den Rand seiner Existenz brachte. Monate lang ruhte der Grubenbetrieb. Und damit fehlte die bitumenhaltige Braunkohle, aus der das Rohmontanwachs gewonnen wird.

Braunkohle aus Tagebau Schleenhain Ersatz

Als Ersatz musste Braunkohle aus dem Tagebau Schleenhain in Sachsen herangeschafft werden. Eine logistische wie auch finanzielle Herausforderung für das Unternehmen. Zudem liegt der Bitumengehalt der Schleenhainer Kohle unter den Amsdorfer Werten. Das machte sich auch bei der Wachsproduktion bemerkbar. „Unsere Großabnehmer sind dennoch bei der Stange geblieben, das war wichtig“, schätzt Romonta-Vorstand Uwe Stieberitz heute ein.

Ein erstes Aufatmen gab es vor einem Jahr. Da konnte der Abraumbagger am Kupferhammer in Richtung Röblingen wieder seine Arbeit aufnehmen. 1 200 Kubikmeter Erde „schrubbt“ das fast 2 000 Tonnen schwere Gerät seither täglich weg. Schicht um Schicht wurde abgetragen. Seit April dieses Jahres kommt die Kohle nun wieder aus dem hauseigenen Tagebau.

80 bis 100 Meter tief gehen die Terrassen, die der Abraumbagger geschaffen hat, in die Erde. „Zum Glück haben wir noch alle alten Unterlagen vom früheren Bergbau in der Region“, sagt Biermann, der seit 41 Jahren im Amsdorfer Tagebau arbeitet. Durch die alte Risse, das sind bergbautechnische Karten, wissen die Romonta-Leute genau, in welcher Tiefe die Kohleflöze liegen und wie stark sie sind.

"Wir können kein Gramm Kohle verschenken"

Jürgen Biermann hat die Unglücksnacht selbst miterlebt. „Es gab plötzlich ein Knacken, dann fiel der Strom aus“, erinnert er sich genau an jene Minuten. Nach seinen Worten haben die geodätischen Messgeräte, die jede Erschütterung anzeigen, nicht angeschlagen. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Doch auch der materielle Schaden wog schwer. Inzwischen ist der Großteil der technologischen Abläufe in der Grube wieder hergestellt. Auch die Bandanlage zum Abtransport der Kohle wurde neu aufgebaut.

Jede Krume zählt. Seit 2002 geht die geförderte Kohle deshalb durch eine Siebanlage. Auch die größeren Brocken, die übrigbleiben, werden noch zerkleinert und zum Verbrennen im unternehmenseigenen Kraftwerk genutzt. „Wir können kein Gramm Kohle verschenken“, so Biermann. Nach den derzeitigen Berechnungen reicht die Kohle im Tagebau Amsdorf noch bis zum Jahr 2030. „Vielleicht können wir die Lebensdauer noch etwas strecken“, hofft der Tagebauleiter, der dann schon lange in Rente ist.

Die ausgesiebte Kohle wird über Bänder in den Kohlebunker befördert. Knapp 5 000 Tonnen liegen dort in der Regel bereit. Das reicht maximal für zwei, drei Tage. 50 bis 60 Tonnen Rohmontanwachs werden nach einem speziellen Extraktionsverfahren täglich aus der Kohle gewonnen. Romonta-Geschäftsführer Tom Naundorf ist stolz darauf, „dass die Wachsproduktion in Amsdorf trotz des Unglücks keinen Tag stillstand“, wie er versichert.

Stabilisierung des abgerutschten Hanges geht weiter

Dennoch drücken auch ihn Sorgen. Die Kohle liegt jetzt zwar frei, aber die Arbeiten auf dem Baufeld in der Grube sind noch nicht abgeschlossen. Auch die Stabilisierung des abgerutschten Hanges geht weiter. Dazu nutzt das Unternehmen auch Material, das beim Erdaushub für das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ anfällt. Da zahlt sich jetzt aus, dass Romonta sein Anschlussgleis nach Röblingen überholt hat.

Das Unternehmen mit dem 170 Meter hohen Schornstein hat die Durststrecke nach dem Grubenunglück auch überwunden, weil die Unternehmensgruppe mittlerweile breit aufgestellt ist. Dazu gehört auch ein Solarpark, den eine Tochterfirma betreibt. Und das Geschäft mit dem Abfall. Romonta hat auf dem früheren Werkstattgelände in Etzdorf eine Aufbereitungsanlage gebaut. Rund 120 000 Tonnen Ersatzbrennstoffe liefert sie jedes Jahr. „Dieses Geschäft wollen wir stabilisieren“, so Vorstand Stieberitz. Noch ein Plus: Von der Klimaabgabe bleibt das Unternehmen vorerst weiter verschont.

Was die Bilanz drückt, sind die Kredite, die aufgenommen werden mussten, um die Auswirkungen des Unglücks zu schultern. Zur genauen Höhe der Verbindlichkeiten will die Unternehmensführung gegenüber der MZ nichts sagen. Nur soviel lässt sich Naundorf entlocken: „Zinsen und Tilgung müssen wir aus dem operativen Geschäft begleichen.“