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Warburg

Ein Spagat zwischen Kind und Beruf

Zwei Warburger Mütter berichten von den alltäglichen Nöten mit der Kinderbetreuung. Heike Ritgen ist selbstständig und jongliert mit allen Möglichkeiten der Betreuung

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Die Zeit läuft: Eine Spielzeuguhr in einem Kindergarten zeigt fünf vor zwölf. Zahlreiche Mütter kommen am Abend abgehetzt in die Kita, da diese in Warburg spätestens um 16.30 Uhr schließt. Der durchschnittliche Arbeitstag einer in Vollzeit tätigen Mutter endet um 17 Uhr. Die Mütter wünschen sich eine Änderung. | © dpa

Die Zeit läuft: Eine Spielzeuguhr in einem Kindergarten zeigt fünf vor zwölf. Zahlreiche Mütter kommen am Abend abgehetzt in die Kita, da diese in Warburg spätestens um 16.30 Uhr schließt. Der durchschnittliche Arbeitstag einer in Vollzeit tätigen Mutter endet um 17 Uhr. Die Mütter wünschen sich eine Änderung. | © dpa

03.12.2016 | 03.12.2016, 16:00

Warburg. Die Erwartungen an Mütter sind hoch: Gute Mütter sollen sie sein, sich um ihre Kinder kümmern und zugleich müssen sie arbeiten. Denn viele Familien sind im 21. Jahrhundert auf das zweite Gehalt angewiesen. Für ihre Kinder müssen die Frauen eine Betreuung suchen. Doch nicht immer passen die angebotenen Betreuungszeiten mit den Arbeitszeiten zusammen.

Heike Ritgen kennt das Problem der Kinderbetreuung nur zu gut. Die Inhaberin von "Wilken Moden" hat zwei Kinder und muss als Selbstständige ständig mit der Kinderbetreuung jonglieren. "Die Betreuung in der Schule endet um 15.30 Uhr", erzählt Ritgen und betont, dass sie froh ist, diese Betreuung zu haben. Doch ausreichen würde diese nicht.

"Mein Mann ist von montags bis freitags unterwegs. Unter der Woche bin ich also quasi alleinerziehend", erzählt sie. Dennoch betrachtet Ritgen das Thema der Kinderbetreuung ambivalent. "Als Selbstständige kann ich mir meine Zeit im Betrieb selbst einteilen, muss aber dennoch so oft wie möglich vor Ort sein. Die Betreuungsangebote in Warburg sind nicht auf arbeitende Mütter ausgerichtet", sagt sie entschieden.

Ihre 6-jährige Tochter und ihr 8-jähriger Sohn besuchen beide die Graf-Dodiko-Grundschule und besuchen anschließend die Betreuung vor Ort. "Die ist super, daran gibt es nichts zu rütteln. Ich verstehe auch, dass der Förderverein das Angebot irgendwie finanziell stemmen muss, aber leider reicht die Betreuungszeit nicht aus", sagt Ritgen und erzählt, dass sie deshalb zusätzlich auf andere Optionen zurückgreifen muss.

Die Großeltern ihrer Kinder übernahmen die Betreuung, bis der Nachwuchs zwei Jahre alt war. Ein Au-pair-Mädchen, Babysitter, ihre Schwiegereltern und die Nachbarn helfen, damit Jakob und Ida gut versorgt sind und Ritgen dennoch arbeiten kann. "Im Kindergarten waren sie noch komplett versorgt. Aber in der Schule wurde es nun schwieriger", sagt die Mutter und erzählt von Interessenkonflikten. Denn die Kinder müssen ihre Hausaufgaben erledigen, wollen Hobbys nachgehen oder sich mit Freunden verabreden. "Hinzu kommt das Problem, dass die Beiden nur die Hälfte der Ferienzeit überhaupt in der Einrichtung betreut werden können." Deswegen organisierte Ritgen ein Au-pair. "Ich kann nicht immer gewährleisten hier zu sein, denn ich habe auch Verpflichtungen in meinem Laden und muss für diesen auch anderorts Termine wahrnehmen. Der schlimmste Fall ist natürlich, dass eines der Kinder krank wird." Dass Frauen deswegen in der Gesellschaft immer mal wieder als Rabenmutter abgestempelt wird, macht sie traurig.

"Das geht vielen Frauen so. Viele Familien sind heutzutage auf ein zweites Gehalt angewiesen und irgendwie wird von Frauen ja auch erwartet, dass sie nicht lange aus dem Job aussteigen, wenn sie ein Kind bekommen haben." Wie die anderen Mütter wünscht sich auch Ritgen eine Reaktion der Betreuungsangebote. "Die Zeiten müssen angepasst werden und vor allem muss endlich ein Verständnis für arbeitende Mütter geschaffen werden."

Auch Heike Oleghe befindet sich beinahe täglich im Organisationskampf. Ihre Töchter Lillian und Lauryn sind acht und 14 Jahre alt und besuchen die Grundschule in Ossendorf und die Warburger Realschule. "Aufgrund der Betreuungssituation kann ich nicht in meinem Beruf arbeiten", sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau. Denn es scheitert an den Arbeitszeiten. "Die Läden haben lange geöffnet. Der meiste Betrieb findet nachmittags und abends statt. Aber bereits morgens um 6 Uhr kommt die Ware und die muss schließlich auch angenommen werden", sagt Oleghe und erzählt von den ebenfalls unplanbaren Arbeitszeiten ihres Mannes, der im Schichtdienst tätig ist. "Wenn er Frühschicht hat, ist alles super, dann ist er am Nachmittag da und kümmert sich um unsere Kinder. Hat er aber Spätdienst kann er mir nicht helfen. Das ist dann wie, wenn ich alleinerziehend wäre." Beruf und Kinderbetreuung zu vereinbaren ist für sie nicht möglich. Auch gibt es keine Großeltern, die mal spontan oder auch geplant einspringen könnten: "Die Betreuung in der Schule beginnt frühestens nach der vierten Stunde und endet um 15.30 Uhr. Morgens muss die Kleine um 7.34 Uhr im Bus sitzen, da kann ich nicht schon um 6 Uhr auf der Arbeit sein."

Viel zu oft lade sie ihre jüngste Tochter deswegen ihrer großen Tochter auf. Als sie dies erzählt, schluckt Oleghe schwer: "Die beiden haben sich gern und Lauryn passt deshalb auch gerne auf ihre kleine Schwester auf. Aber das kann ja auch nicht die Lösung sein, immerhin hat sie auch eigene Interessen." Deswegen hat sie ihren Job geändert, arbeitet inzwischen als Haushaltshilfe. "Aber auch dort haben die Leute bestimmte Zeiten im Kopf. Ich muss mich also biegen und zusehen, dass ich flexibel bin. Mich krank zu melden kann ich mir als Minijobber nicht erlauben. Aber ich kann auch nicht zu meiner Tochter sagen, dass sie trotz Krankheit zur Schule muss oder sie allein zu Hause lassen."

Ihre Nöte hat sie mit vielen Müttern besprochen und ist auf große Zustimmung gestoßen. Die Frauen sind sich einig: "Welcher in Vollzeit arbeitende Mensch hat bitte um 15.30 Uhr Feierabend?" Doch auf ihre Nachfragen bekommt sie meist dieselben Antworten: "Es heißt es gäbe keine Kapazitäten oder die Kosten seien zu hoch."

Oleghe fühlt sich hilflos und allein gelassen. Eine Tagesmutter kann sie sich nicht zusätzlich leisten, auf das zweite Gehalt kann die Familie nicht verzichten, zudem mache ihr der Job auch Spaß und sei wichtig für sie selbst.