Diese Satellitenbilder zeigen, wie der Mensch die Welt verändert

In früheren Zeiten war der Mensch vergänglich, die Erde das, was fortbestand. Jetzt, im Anthropozän, hat sich das Kräfteverhältnis gewandelt: Immer massiver ist die Einflussnahme unserer Spezies auf den Planeten, der unter der wachsenden Belastung ächzt.

Angela Schader / Gilles Steinmann
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Die Stadt Luuq ist eine der ältesten Siedlungen in Somalia, und Anfang des 19. Jahrhunderts war sie grösser als die heutige Hauptstadt Mogadiscio. Das verwundert nicht, denn die Satellitenaufnahme macht die nachgerade idealen Konditionen sichtbar, die sich den Bewohnern hier bieten. Der Juba-Fluss zieht eine weite, fast geschlossene Schleife, welche die Siedlung schützt und sie in früheren Zeiten weitgehend autark machte: Damals dürfte der entlang den Flussufern betriebene Feldbau zur Versorgung der Einwohnerschaft ausgereicht haben, und noch heute profitieren die mittlerweile 41 000 Menschen, die in Luuq leben, von den nahen Äckern und Obstgärten. Dieses Privileg ist umso aussergewöhnlicher, als die Stadt in einer der weltweit heissesten Zonen liegt; die jährliche Durchschnittstemperatur liegt bei über 30 Grad, und ferner vom Fluss gelegene Landstriche stehen in dauerndem Kampf mit der Trockenheit. Die detailreiche Aufnahme wurde von einem Satelliten der Firma DigitalGlobe aufgenommen, der mit extrem hoher Auflösung arbeitet.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, einen zwar auf wenige Farben beschränkten, aber besonders nuancenreichen Mal- oder Schminkkasten vor sich zu haben. Aber der Schein trügt: Was so handlich und fein anmutet, sind tatsächlich Verdunstungsbecken, in denen aus dem Salar de Atacama, einer grossen Salzpfanne im Norden Chiles, das heiss begehrte Lithium gewonnen wird. Seit 1991 ist das Leichtmetall bei der Herstellung von Batterien und Akkus unentbehrlich geworden, da es Erstere leistungsfähiger, Letztere langlebiger und effizienter macht. Jetzt, da neue Umweltnormen der Elektromobilität Schub verleihen, beginnt ein erbitterter Wettlauf um die Lithiumreserven. Die Sole, die unter der Salzkruste des Salar liegt, wird hochgepumpt, während mehrerer Monate durch die Becken geleitet und das Lithium am Ende ausgefiltert. Während über die effektive Ökobilanz batteriebetriebener Fahrzeuge noch gestritten wird, gehört die indigene Bevölkerung in der Region bereits zu den Verlierern der ökologischen Wende: Sie profitiert nicht von der neuen Industrie, und der hohe Wasserverbrauch bei der Gewinnung des Lithiums entzieht den lokalen Bauern und Hirten ihre Existenzgrundlage.

Eine Fünfzehnjährige hat es vorgemacht: Insbesondere in einem rasant aufstrebenden Industrieland wie China muss man die Jungen abholen, wenn es um Nachhaltigkeit und zukunftsweisende Technologien geht. Warum also nicht einem Solarkraftwerk mit Panda-Emblemen einen Touch von Nationalstolz und Spielwitz verleihen? Zwei Jahre nachdem die Schülerin die Idee entwickelt hatte, entstand diese in der Provinz Shanxi gelegene Anlage; und weil China seit jüngster Zeit massiv in alternative Energien investiert, sollen noch 99 weitere Solarkraftwerke nach demselben Grundriss gebaut werden. Allerdings werden die meisten Chinesen die besondere Gestaltung ihrer Solaranlagen nie direkt zu sehen bekommen, sondern nur auf Bildern wie dieser Satellitenaufnahme. Sie stammt von DigitalGlobe, einer Firma, die höchstauflösende Satellitendaten generiert und sie in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen European Space Imaging Kunden aus unterschiedlichsten Bereichen anbietet. Eine erste Auswahl solcher Bilder wurde vor zehn Jahren im Band «Human Footprint» präsentiert. Unlängst ist unter dem Titel «New Human Footprint – unsere Welt im Umbruch» ein Folgewerk erschienen, dem die Aufnahmen unseres Foto-Tableaus entnommen sind.

Die Satellitenaufnahme macht es klar: Bei dieser Oase im jordanischen Wadi Rum handelt es sich um ein künstliches Gebilde. Und zugleich gibt das Bild Rätsel auf: Nach welchen Kriterien wurde die Anlage gestaltet, welchen Zwecken dient sie, wie wird sie unterhalten? Woher kommt hier, inmitten steinerner Ödnis, das smaragdgrüne Wasser? Wenn man sich die Aufnahme auf dem Bildschirm noch näher heranzoomt, wird wenigstens klar, was es mit den sanft gewellten Linien auf sich hat: Es sind Wasserkanäle, doch das dazwischenliegende Land scheint weitgehend brachzuliegen. Die künstliche Oase gehört zu einem Palast der jordanischen Königsfamilie, die offenbar Wert auf einen Sitz in dem geschichtsträchtigen, nahe der berühmten Felsenstadt Petra gelegenen Tal legt, wo schon prähistorische Felszeichnungen von menschlicher Besiedelung zeugen. Zugleich ist das Wadi Rum ein aussergewöhnliches Ökosystem, das trotz seiner harschen Anmutung Pflanzen und Kräuter und eine Population von Tier- und Vogelarten beherbergt. Da die lokale Naturschutzbehörde sich den Erhalt der ortsspezifischen Flora und Fauna ausdrücklich auf die Fahne geschrieben hat, steht zu hoffen, dass auch die von Menschenhand geschaffene Oase in diesem Geist angelegt wurde.

Woran denkt man beim Betrachten dieses Bildes? An eine seltsame Blume vielleicht, an ein fein getöntes und gearbeitetes Gemälde oder an elektrisiert sich sträubende Haare. Alles falsch. Und schon gar nicht würde man vermuten, dass diese Satellitenaufnahme in direktem Bezug zu derjenigen steht, die wir als zweite im Foto-Tableau präsentierten. Wie jenes Bild, das mit seinen in kräftigen Blau- und Grüntönen leuchtenden, dicht gereihten Quadraten an einen Farbkasten erinnerte, zeigt auch dieses eine Salzpfanne in Lateinamerika – diesmal den Salar de Uyuni im Südwesten Boliviens. Auch hier wird neben Salz das begehrte Lithium gewonnen, aber der Salzsee wird zudem touristisch genutzt; wer einmal in einem Hotel weilen möchte, dessen Mauern und Möbel weitestgehend aus Salz gefertigt sind, der ist dort am rechten Ort. Autos, Lastwagen und Busse können in der trockenen Jahreszeit problemlos auf der völlig ebenen, bis zu dreissig Meter dicken Salzkruste verkehren; unsere Aufnahme zeigt die von einem Einfahrtspunkt ausgehenden Fahrspuren, die sich schnell in alle Richtungen verzweigen.

Ist das noch Natur? Ökologisch wertvoll ist das aparte geometrische Arrangement jedenfalls nicht. Der Landwirtschaftsbetrieb liegt in Gila Bend in Arizona; zwar sorgt der nahe Gila River für Bewässerung, doch ist das heisse, aride Klima der Sonora-Wüste nicht eben prädestiniert für Ackerbau. Was dem Gila hier entzogen wird, fehlt dann dem Colorado River, zu dessen Einzugsgebiet der kleinere Fluss gehört. Verwendet wird das dem Boden abgerungene Grün teilweise für die Rindermast – und damit im Endeffekt für ein Nahrungsmittel, das den ökologischen Fussabdruck der Konsumentinnen und Konsumenten gleich um eine Schuhnummer wachsen lässt. Einen speziellen Blick auf diesen Fussabdruck verschaffen die Satellitenaufnahmen, die wir über die Festtage im Foto-Tableau zeigten. Sie sind von hoher ästhetischer Qualität, doch grundsätzlich zur praktischen Verwendung bestimmt; aufgrund der detaillierten Bestandsaufnahme natürlicher wie menschengemachter Umfelder, die sich aus ihnen lesen lässt, können Analysen erstellt und langfristige Entwicklungen beobachtet werden. Wie man die Zukunft sehen will, die sich in den Aufnahmen abzeichnet – das bleibt dem Betrachter überlassen.

New Human Footprint - Unsere Welt im Umbruch. EoVision, Salzburg, 2018. 256 Seiten.