Ohne eine Amnestie für die katalanischen Separatisten verharrt Spanien in der politischen Sackgasse

Die politischen Lager stehen sich unerbittlich in einem Patt gegenüber. Dabei führt die Zukunft Spaniens so oder so über Katalonien.

Julia Monn 3 min
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Spanische Polizisten stehen während einer Demonstration in der Nähe des Hauptquartiers der Sozialistischen Partei Spaniens (PSOE) Wache.

Spanische Polizisten stehen während einer Demonstration in der Nähe des Hauptquartiers der Sozialistischen Partei Spaniens (PSOE) Wache.

Susana Vera / Reuters

Scheinbar unmögliche Bündnisse möglich zu machen, dafür ist Pedro Sánchez in Spanien bekannt – für seinen Machtwillen ebenso. Beides hat der geschäftsführende Ministerpräsident erneut unter Beweis gestellt. So konnten seine Unterhändler am Donnerstag in Brüssel verkünden, dass die Sozialisten sich für die Bildung einer neuen Regierungsmehrheit die Unterstützung der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter von Junts per Catalunya und ERC gesichert haben.

Der Preis dafür ist kein Geringerer als eine Amnestie für sämtliche Organisatoren und Unterstützer des verfassungswidrigen Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017, gegen die in Katalonien noch ermittelt wird. Der prominenteste Nutzniesser ist Carles Puigdemont, der ehemalige Präsident der Region Katalonien und Vorsitzende der Partei Junts.

Dieser Preis sei zu hoch, findet die Mehrheit der befragten Spanierinnen und Spanier gemäss Umfragen. Tausende Personen, darunter Anhänger des konservativen Partido Popular (PP) und der rechtsradikalen Vox, demonstrierten diese Woche in verschiedenen spanischen Städten. Auf Bannern ist von Sánchez, dem Verräter, und Sánchez, der hinter Gitter gehöre, zu lesen.

Konservative Richter an Spaniens oberstem Gericht haben ausserdem angekündigt, juristisch gegen das Gesetz, das die Amnestie rechtskräftig verankern wird, vorzugehen.

Den Konservativen fehlt im Katalonien-Konflikt die Lösung

Doch das ist nichts, was Pedro Sánchez und die Spanier nicht schon einmal erlebt haben. 2021 begnadigte der sozialistische Regierungschef neun Rädelsführer des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums und leitete so den Prozess zur Versöhnung ein. Der Aufschrei im Land war gross, schon damals warnte Spaniens Rechte vor einer Bankrotterklärung des Rechtsstaats.

Dabei ist der demokratische Rechtsstaat in Spanien im Jahr 1978 erst nach der Verabschiedung eines Amnestiegesetzes entstanden. Dieses unterband die strafrechtliche Verfolgung vieler während der faschistischen Franco-Diktatur und des Bürgerkriegs begangener Straftaten.

Nun, knapp vierzig Jahre später, verharrt Spanien in einer politischen Sackgasse, die ein Amnestiegesetz wohl erneut unumgänglich macht.

Dafür tragen die Konservativen eine Mitverantwortung, die unter Mariano Rajoy 2017 keine politische Lösung für den Katalonien-Konflikt fanden. Das wird dem PP auch in absehbarer Zeit nicht gelingen. Denn die Konservativen haben im spanischen Parlament keine Mehrheit mehr, sie wären dafür auf die rechtsradikale Vox sowie auf weitere Kleinparteien angewiesen. Vox sucht allerdings in der Katalonien-Frage statt einer Lösung die volle Konfrontation – und bietet damit einzig den Weg in die Vergangenheit an.

An diesen Mehrheitsverhältnissen würde selbst eine Neuwahl aller Voraussicht nach nichts ändern. Diese stünde an, wenn Sánchez’ Bündnis scheiterte. Laut aktuellen Umfragen macht der PP in der Gunst der Wähler zwar etwas Boden gut, doch selbst gemeinsam mit Vox kann sich Spaniens Rechte derzeit keine Parlamentsmehrheit sichern.

Zurück auf den Boden der politischen Realität

Will sich Spanien endlich aus der politischen Blockade lösen und in der Katalonien-Frage weiterkommen, führt der Weg deshalb unweigerlich über Pedro Sánchez und eine Amnestie für die katalanischen Separatisten. Carles Puigdemont bekommt damit kurzfristig, was er will. Sein grosses Ziel, die Unabhängigkeit Kataloniens, erreicht er aber nicht. Denn ein verfassungskonformes Unabhängigkeitsreferendum kann nur abgehalten werden, wenn die Regierung in Madrid dem zustimmt. Und das bieten Sánchez’ Sozialisten nicht an.

Puigdemont kann nun zwar bald aus seinem Brüsseler Exil nach Katalonien zurückkehren. Dort wird er aber auf dem Boden der politischen Realität landen. Die letzten Umfragen unter den Katalanen zeigen: Rund 53 Prozent sprechen sich gegen die Unabhängigkeit der Region von Spanien aus.