Champions League: YB schlägt das Friedensangebot aus und bezwingt Manchester United dank einer überragenden Leistung 2:1

Grosse Überraschung zum Champions-League-Start: Der Schweizer Meister besiegt Manchester United mit einem Tor kurz vor Schluss 2:1. YB überzeugt mit Unerschrockenheit und Mut.

Benjamin Steffen, Bern
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Brillanter Schlusspunkt: Jordan Siebatcheu bejubelt seinen Siegtreffer.

Brillanter Schlusspunkt: Jordan Siebatcheu bejubelt seinen Siegtreffer.

Peter Klaunzer / EPA

Die YB-Spieler standen vor der Fan-Kurve und jubelten, das Spiel war erst seit wenigen Minuten vorbei – und über den Stadion-Bildschirm flimmerte diese Szene, die sich erst vor wenigen Minuten auf dem Feld abgespielt hatte: wie Jesse Lingard einen Rückpass zum YB-Stürmer Jordan Siebatcheu spielte – und wie Siebatcheu den Ball ins Tor spitzelte.

Es war das 2:1 für YB, das Siegtor für den Aussenseiter, kurz vor Ende – und im Stadion spielten sich emotionale Szenen ab wie vielleicht nie mehr seit dem 28. April 2018, als YB erstmals seit 32 Jahren Meister geworden war. Seither folgten zwar drei weitere Titel, aber diese Entscheidungen zugunsten von YB fielen entweder, als die Berner auf dem Sofa zuschauten – oder zu früheren Corona-Zeiten, ohne Ambiance.

Das Beispiel Lauper

Nach einer Viertelstunde hatte nichts auf ein YB-Fest hingedeutet. Da war tagelang von Cristiano Ronaldo gesprochen worden – und als es erstmals gefährlich war, ging er doch vergessen. 13. Minute, 1:0 für Manchester United, nach einem Pass von Bruno Fernandes, der an mehreren YB-Verteidigern vorbei zu Ronaldo gelangt war.

Und so fragte sich früh, was denn die Geschichte dieses ersten YB-Champions-League-Spiels 2021 würde. Wenn die Geschichte doch schon geschrieben war: ein englischer Riese zu Gast und prompt «business as usual». 1:0 für den Favoriten, ohne viel Aufwand. Es war wohl der erste YB-Fehler. Aber es blieb bis am Ende bemerkenswert: mit wie wenig Fehlern und Respekt YB spielte. Etwaiger Respekt zeigte sich höchstens in der Aufstellung. YB startete erstmals unter dem Trainer David Wagner mit nur einem Stürmer, Meschack Elia.

Bis zur Pause hatte die Partie eine seltsame Physiognomie. Sie wirkte ausgeglichen, und doch schien immer allen klar, wer im Zweifelsfall der Stärkere war, der Gast natürlich. Die Berner machten, was ihnen möglich war, sie suchten die Offensive und fanden zur Ruhe, immer alles im richtigen Augenblick. Das beste Beispiel: der Innenverteidiger Sandro Lauper, der die Gelassenheit nie zu verlieren schien und stets den richtigen Pass spielte.

Der überragende Lauper steht dafür: Die Geschichte dieses Spiels war, dass es doch noch Geschichten gab, Geschichten ohne Ronaldo. Wegweisend war die 35. Minute, als Uniteds rechter Verteidiger Aaron Wan-Bissaka für ein Foul gegen Christopher Martins Rot sah. Der United-Coach Ole Gunnar Solskjaer wechselte sogleich einen neuen Aussenverteidiger ein (Diogo Dalot) und setzte ein so anderes Zeichen als letzthin der YB-Trainer Wagner. Im Hinspiel der Champions-League-Play-offs hatte Wagner trotz Platzverweis gegen den Aussenverteidiger Silvan Hefti unverändert weitergespielt, mit dem Offensivspieler Fassnacht rechts hinten, Hauptsache: unerschrocken.

Mutig bis zuletzt

Und diese Unerschrockenheit lebte YB auch am Dienstag. Nach der Pause kam mit Siebatcheu ein zweiter Stürmer, YB spielte bei fast jeder Gelegenheit vorwärts – und der Gegner auf Zeit. Es waren unerwartete Bilder: wie der Schiedsrichter einen United-Spieler nach dem anderen dazu ermahnte, er möge den Ball doch schneller ins Spiel zurückbringen. Nach 64 Minuten kassierte Raphael Varane für Spielverschleppung eine gelbe Karte – zwei Minuten später bereitete Elia das 1:1 durch Nicolas Ngamaleu vor.

Bald darauf wechselte Solskjaer Ronaldo und Fernandes aus, als setze er alles daran, unter allen Umständen das Unentschieden zu sichern. Es war vielleicht das vorläufig grösste Kompliment für die Berner: dieses scheinbare Friedensangebot des grossen Gegners. Bloss, die Berner nahmen es nicht an, der Trainer Wagner wechselte weiterhin mutig. Den angeschlagenen Innenverteidiger Cédric Zesiger schickte er noch in der 92. Minute mit einem Zettel mit irgendwelchen Anweisungen aufs Feld.

Drei Minuten später folgte der Fehlpass Lingards, die Reaktion Siebatcheus, der Sieg, der Jubel, eine neue Geschichte. Der FC Basel, der frühere Serienmeister, schlug in früheren Jahren wiederholt grosse, schwere Premier-League-Klubs. Im Fall des FCB bekamen diese Erfolge eine gewisse Erwartbarkeit – im Fall von YB ist es noch nicht so weit. Es war ein letztes Geschichtchen dieses Abends: wie Ulisses Garcia mit dem Handy am Ohr übers leere Feld rannte – als müsse die ganze Welt erfahren, was YB gerade geschafft hatte.

YB - Manchester United 2:1 (0:1). 31120 Zuschauer. – Tore: 13. Ronaldo 0:1. 66. Moumi Ngamaleu 1:1. 95. Siebatcheu 2:1. - 35. Rote Karte gegen Wan-Bissaka (Foul).

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