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Ergebnisse einer Online-Befragung zur Struktur und Organisation rheumatologischer Praxen mit Fokus auf die Rheumatologische Fachassistenz

Tab. 1: Charakteristika der Arztpraxen

Tab. 1: Charakteristika der Arztpraxen

Tab. 2: Ausbildungsstand und Finanzierung der beschäftigten MFAs

Tab. 2: Ausbildungsstand und Finanzierung der beschäftigten MFAs

Im Jahr 2021 wurde das Musterfortbildungscurriculum für Medizinische Fachangestellte „Rheumatologie“ von der Bundesärztekammer anerkannt. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Delegation von Tätigkeiten an rheumatologische Fachassistenzen (RFA) in der Versorgung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.

Um die Delegationsbemühungen voranzutreiben, war es jedoch zunächst wichtig den Status quo in der ambulanten Versorgung abzubilden, um einen Überblick über wichtige Strukturparameter der rheumatologischen fachärztlichen Versorgung zu erhalten. Fragen, die sich daraus ergaben, waren z. B. die Anzahl der in den Praxen tätigen Medizinischen Fachangestellten (MFA), sowie deren Altersstruktur, Ausbildungsstand und die Kosten der Weiterbildung. Außerdem von Interesse waren die Anzahl rheumatologisch behandelter Patientinnen und Patienten pro Quartal sowie der Anteil an Neupatientinnen und -patienten pro Quartal.

Aus diesem Grund wurde in Kooperation zwischen dem Berufsverband Deutscher Rheumatologen e.V. (BDRh) sowie dem Konsortium des Innovationsfonds-Projektes DELIVER-CARE (Förderkennzeichen 01NVF18014) zwischen dem 06.10.2022 und 30.11.2022 eine Umfrage initiiert. An dem Projekt sind folgende Institutionen beteiligt: Regionales Kooperatives Rheumazentrum e. V., Leibniz Universität Hannover – Center for Health Economics Research Hannover (CHERH), AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, inav – Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH. Ziel der Umfrage war eine Bestandsaufnahme der Struktur und Organisation der rheumatologischen Praxen in Deutschland.

Methode

Mittels eines Online-Fragebogens wurden rheumatologische Praxen hinsichtlich ihrer Praxisstruktur und -organisation befragt. Der Fragebogen wurde mit dem für Forschungseinrichtungen kostenlosen Tool SoSciSurvey erstellt und über den E-Mail-Verteiler des BDRh versandt. Die Distribution erfolgte über einen personalisierten Link zu einer Web-Anwendung für jede Arztpraxis. Somit konnte sichergestellt werden, dass jede Arztpraxis einmalig in der Datenerhebung vertreten war. Abgefragt wurden zunächst Charakteristika der rheumatologischen Praxen. Dies umfasste das Bundesland, in welchem die Praxis ansässig ist, den Anteil ambulant erbrachter Leistungen und die Praxisart (Einzelpraxis, Gemeinschaftspraxis, Berufsausübungsgemeinschaft/MVZ). Rückläufige Fragebögen von Institutsambulanzen und Institutionen, die Patienten nicht nahezu ausschließlich im ambulanten Setting behandeln, wurden ausgeschlossen. Um mehr über die Praxisorganisation zu erfahren wurde erhoben wie viele Rheumatologen in Vollzeit (VZ) und in Teilzeit (TZ) in der Praxis tätig waren. Diese Angaben wurden ebenfalls für die in den Praxen angestellten MFAs differenziert erhoben. Darüber hinaus wurden für MFAs auch Geschlechteranteil, Altersstruktur sowie die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erhoben. Abschließend wurde ein Überblick über den Ausbildungsstand der MFAs sowie die Finanzierung der Aus- und Weiterbildung der MFAs gegeben.

Ergebnisse

Charakteristika der rheumatologischen Praxen

Insgesamt liegen Ergebnisse von n=99 rheumatologischen Arztpraxen vor. Der Rücklauf des Fragebogens pro Bundesland orientiert sich relativ an der Größe der in der KV-Region tätigen Rheumatologen und wird damit als repräsentativ angenommen. Dabei waren die Praxen in n=49 Fällen (49,5 %) als Berufsausübungsgemeinschaft, in n=41 Fällen (41,4 %) als Einzelpraxis und in n=9 Fällen (9,1 %) als Praxisgemeinschaft organisiert. Die Ergebnisse sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Unter Bezugnahme aller Praxen mit rückläufigem Fragbogen arbeiten im Mittel 1,7 Rheumatologen in Vollzeit pro Praxis. Dabei ergibt sich eine Spanne von 0 bis 10 Vollzeitrheumatologen. Die häufigsten Ausprägungen sind n=1 (51,5 %), n=2 (24,2 %) und n=3 (13,1 %). In Teilzeit arbeitende Rheumatologen sind selten: 67,7 % der Praxen geben keine Beschäftigten in TZ an, während 17,2 % bzw. 7,1 % der Praxen einen bzw. zwei Rheumatologen in TZ beschäftigen. Im Mittel sind 0,7 Rheumatologen in TZ beschäftigt. Unter der Annahme einer regelmäßigen Arbeitszeit von 50 % für die Teilzeitkräfte ergibt sich eine durchschnittliche Anzahl von 2,0 Vollzeitäquivalenten pro Praxis über alle Praxisarten. Bei ausschließlicher Betrachtung von Berufsausübungsgemeinschaften zeigt sich im Mittel eine Anzahl von 2,9 Vollzeitäquivalenten pro Praxis.

In den n=99 Praxen sind insgesamt 559 MFAs tätig (5,6 MFAs pro Praxis), davon sind 97,5 % Frauen und die Mehrheit arbeitet in TZ (55,5 %). Unter Berücksichtigung der Vollzeitstellen (38,5 Stunden/Woche) und den exakt geleisteten Teilzeitstunden gibt sich ein Verhältnis von 2,4 MFAs pro Rheumatologe (VZÄ). Die Altersstruktur der MFAs zeigt sich als sehr heterogen: 21,5 % sind unter 30 Jahre, 25,9 % zwischen 30 und 39 Jahre, 23,4 % zwischen 40 und 49 Jahre, 22,9 % zwischen 50 und 59 Jahre und 6,3 % über 59 Jahre. Die Anzahl Patienten pro Quartal pro Arzt beträgt in Einzelpraxen 1.198, während Ärzte in Gemeinschaftspraxen im Mittel 1.208 Patienten versorgen. In Berufsausübungsgemeinschaften/MVZ behandelt jeder Arzt pro Quartal im Durchschnitt 880 Patienten. Dabei ist zu beachten, dass Berufsausübungsgemeinschaften/MVZ mit mehr als 2.500 versorgten Patienten pro Quartal aufgrund der Angabe der Maximalausprägung von ≥2.500 ausgeschlossen wurden. Eine Angabe pro Arzt ist hier nicht sinnvoll möglich.

Der Anteil an Neupatienten pro Quartal zeigt sich weitgehend unabhängig von der Praxisart. Die häufigste Ausprägung ist bei allen Praxisarten ein Neupatientenanteil von 10 bis <15 %. Dies wurde von n=41 (41,4 %) der Praxen angegeben. Die einzelnen Ausprägungen können Tabelle 1entnommen werden.

MFAs – Ausbildungsstand und Finanzierung

In Tabelle 2 sind die Ergebnisse zum Ausbildungsstand der beschäftigten MFAs dargestellt. Hier bezieht sich die Analyse aufgrund einiger fehlender Angaben der Gesamtstichprobe auf eine Subgruppe von n=59 Praxen. Von den n=335 MFAs der Subgruppe verfügen 63 % mindestens über die „Weiterbildung zur Rheumatologischen Fachassistenz DGRh–BDRh“, während 7,5 % darüber hinaus den Aufbaukurs für die Rheumatologische Fachassistenz „RFAplus“ absolviert haben. Bei 37 % der MFAs besteht hingegen keine Zusatzqualifikation. Die Weiterbildung zur Rheumatologischen Fachassistenz DGRh–BDRh wurde dabei sehr häufig (83,9 %) erst nach Arbeitsbeginn in der Arztpraxis abgeschlossen. Die Finanzierung erfolgte jedoch zumeist nicht durch die Arztpraxis selbst, sondern durch eine externe Finanzierung (67,3 %). Von den 335 MFAs sollen nach Angaben der Praxen 130 MFAs die Finanzierung des RFAplus-Kurses erhalten. Dabei gewähren 37,9 % der Praxen ihren MFAs keinen Überstundenausgleich. Dieser wird von 62,1 % der Praxen finanziert, dann aber nicht zu 100 %, sondern durchschnittlich zu 82,1 %. Nahezu alle Befragten plädieren für regelmäßige Auffrischungskurse der MFAs, die im Durchschnitt ca. 1,5 Mal pro Jahr besucht werden sollen. Die durchschnittlich angegebene Zeit bis die MFA alle praxisrelevanten Kursinhalte eigenständig auch in der Arztpraxis erbringen kann wird von den Praxen im Mittel auf 53 Stunden geschätzt.

In den Kosten für die Fort- und Weiterbildung der MFAs sind die Positionen Teilnahmegebühr, Hotel und Reiskosten enthalten. Die Kosten für den RFA-Grundkurs belaufen sich auf 2.612 €, die des „RFAplus“-Kurses auf 2.593 €. Diese Kosten werden jedoch nicht gänzlich von den Arztpraxen, sondern häufig von Externen finanziert (Tabellle 2).

Fazit

Insgesamt beträgt die Anzahl an Rheumatologen pro Praxis im Mittel 2,0 Vollzeitäquivalente mit 2,4 MFAs pro Rheumatologe. In über 80 % der Praxen wird ein Anteil an Neupatienten pro Quartal zwischen <10 % und <20 % angegeben, dabei ist 10 % bis <15 % die häufigste Ausprägung. Von den MFAs verfügen 63 % mindestens über die „Weiterbildung zur Rheumatologischen Fachassistenz DGRh–BDRh“, 7,5 % haben darüber hinaus den Aufbaukurs für die Rheumatologische Fachassistenz „RFAplus“ absolviert. Keine Zusatzqualifikation besteht bei 37 % der MFAs. Der Bedarf an Weiterbildungsmaßnahmen, besonders für den Aufbaukurs „RFAplus“, ist groß. Die Vermittlung der Kursinhalte ist für 36,4 % der MFAs angedacht.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Umsetzung des erworbenen Wissens in den Praxisalltag. Insgesamt wird die Dauer bis die RFA alle praxisrelevanten Kursinhalte eigenständig in der Arztpraxis erbringen kann im Mittel auf 53 Stunden geschätzt. Eine strukturierte Einarbeitungsphase mit Hospitationen in der eigenen Praxis oder auch im Austausch mit anderen Praxen ist empfehlenswert. Als Planungshorizont sind Hospitationen bei 15 Patientenvisiten in der ärztlichen Sprechstunde ein guter Anhaltspunkt. Eine Hilfestellung bietet auch das in Kürze erscheinende Buch: „Ärztliche Leistungen delegieren. Ein Leitfaden zur Einführung in die Rheumatologie“.

Die zusätzlich entstehenden Kosten der Fortbildung von ca. 2.600 € pro RFA, laufende Weiterbildungen sowie die Zeit bis zur eigenständigen Umsetzung der erlernten Inhalte stellen für die Arztpraxen neben der Finanzierung der Arbeitgeberbruttokosten einen entscheidenden ökonomischen Faktor dar. Um die Delegation bei der Versorgung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen weiter auszubauen ist eine Abrechnungsziffer für die Leistungen der RFA im Einheitlichen Bewertungsmaßstab unabdingbar.

Autoren:
Sonja Froschauer1,
Dr. Kirsten Hoeper2,
Dr. Kristine Kreis3,
Dr. Nicolas Pardey3,
Dr. Dr. Thomas Ruppel4,
PD Dr. Jan Zeidler3 &
Dr. Silke Zinke5

1 BDRh Service GmbH, Dr.-Max-Str. 21, 82031 Grünwald | 2 Klinik für Immunologie und Rheumatologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover | 3 Leibniz Universität Hannover, Center for Health Economics Research Hannover (CHERH), Otto-Brenner-Str. 7, 30159 Hannover | 4 Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Dr. rer. med. Ruppel, Moislinger Allee 9d, 23558 Lübeck | 5 Rheumatologische Schwerpunktparaxis Dr. Silke Zinke, Hauptstr. 9, 13055 Berlin