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Biber sorgen für immer mehr Ärger

Kreis Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Jetzt wird diskutiert, ob man die Tiere in bestimmten Fällen töten darf. Jäger und Landwirte sehen Handlungsbedarf, Naturschützer protestieren.
Veröffentlicht:24.10.2023, 07:00

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Vom Naturschutz geliebt, von Landwirten und Jägern gefürchtet ‐ die Rede ist vom Biber, dem größten Nagetier Europas. Die Konflikte zwischen Mensch und Biber nehmen zu. Es wird diskutiert, ob es erlaubt werden soll, die Tiere zu töten. Die Fronten in der Biberkrise sind verhärtet, der Frust bei Betroffenen ist groß.

War der Biber Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Jagd ausgerottet, hat er sich in den vergangenen 20 Jahren wieder in Baden-Württemberg ausgebreitet. 8000 bis 9000 Tiere leben im Land, Tendenz steigend. Auch der Landkreis Ravensburg ist mit 1300 bis 1500 Tieren flächendeckend mit Bibern besiedelt, sagt der Kreisökologe Bertrand Schmidt, der das Bibermanagement im Kreis Ravensburg koordiniert und die Bedeutung des Nagetiers betont. So leiste dieses einen wertvollen Beitrag für den Grundwasserschutz, die Erhaltung der Moor- und Feuchtgebiete sowie für die Artenvielfalt.

Überflutung, Verstopfung, Verbiss

Doch der Kreisökologe weiß auch um die zunehmenden Konflikte zwischen Mensch und Biber. Mehr als 1000 Konfliktfälle bearbeiten Schmidt und sein Kollege im Landratsamt pro Jahr. Drei- bis fünfmal am Tag klingelt das Telefon, zum Beispiel wegen überfluteter Grundstücke und Straßen, Verbiss an Bäumen und Sträuchern, Geländeeinbrüchen und Verstopfung von Wasseranlagen. 90 Prozent der Konflikte könnten gelöst werden, etwa durch Dammdrainagen oder Drahtzäune um Bäume. In den restlichen Fällen sei es schwieriger. Schmidt fordert: „Wir brauchen einen Entschädigungsfonds sowie Geld, um Grundstücke von Landwirten zu kaufen.“

Einer, der die Konflikte ebenfalls hautnah mitbekommt, ist Friedemann Reiser. Der 66-Jährige ist seit Juli 2022 als ehrenamtlicher Biberberater in Bergatreute und Bad Waldsee tätig. Seine Aufgabe besteht in der schnellen Deeskalation drohender Konflikte. So kann er nach Absprache das Absenken von Biberdämmen veranlassen, damit der Wasserspiegel keine Überflutungen mehr verursacht und der Lebensraum der Biber dennoch geschützt bleibt. „Aber am wichtigsten ist die Vermittlung von Verständnis für beide Seiten“, weiß Reiser.

Der Biber ist eine streng geschützte Art

Mehr Verständnis ‐ das wünscht sich auch der Vorsitzende des Bauernverbands Allgäu-Oberschwaben, Franz Schönberger, für die Situation der Landwirte. „Wenn wir Landwirte unsere Flächen aufgrund des Bibers nicht mehr bewirtschaften können, ist das nicht tragbar. Dann muss es erlaubt sein, den Biber mit einer Lebendfalle zu fangen.“ Juristisch ist die Sache eindeutig: Der Biber ist eine streng geschützte Art und es ist verboten, ihn zu vergrämen, zu verletzen oder zu fangen. Ausnahmen müssen vom Regierungspräsidium genehmigt werden. „Das passiert aber in der Realität nicht“, sagt Schönberger.

Viele Landwirte haben resigniert, weil zu wenig gegen den Biber unternommen wird,

berichtet auch Fabian Schmid von der Agrarberatung Allgäu.

 Etwa 160 Betriebe betreut der Agraringenieur. Er plädiert für den sogenannten „bayerischen Weg“. In Bayern ist der Biber zwar ebenfalls eine geschützte Art, aber anders als in Baden-Württemberg ist es dort in bestimmten Fällen erlaubt, Biber zu töten. „Man muss das entkriminalisieren“, findet Schmid.

In Bayern dürfen Biber getötet werden

Jedes Jahr werden in Bayern zwischen 1000 und 2000 Biber ‐ bei einer Population von rund 20.000 Tieren ‐ getötet. Ob der bayerische Weg auch eine Option für Baden-Württemberg wäre, damit beschäftigt sich derzeit ein zweijähriges Modellprojekt im Auftrag des Umweltministeriums und des Ministeriums für ländlichen Raum, das im Dezember 2023 endet und auch den Kreis Ravensburg umfasst. Für Projektkoordinator Konrad Frosdorfer wäre das Töten von Bibern nur der letztmögliche Schritt. Hilfreicher wäre aus seiner Sicht vor allem mehr Personal, um Konflikte früher erkennen und lösen zu können. Ein Ziel des Projekts ist es daher, den Kreis der Biberberater um die Berufsgruppe der Jäger zu erweitern. „Einige konnten wir bereits gewinnen“, sagt Frosdorfer.

Für den Ravensburger Kreisjägermeister Peter Lutz aus Wangen dagegen steht fest, dass eine Tötung von Bibern unumgänglich sei, um die zahlreichen Konflikte einzudämmen. „Wir Jäger möchten daher den Biber im Jagdrecht haben“, sagt er.

Naturschützer halten dagegen

Der Landesverband Baden-Württemberg des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland hält dagegen: Der bayerische Weg sei eine „Sackgasse“, die Tötung von Bibern werde klar abgelehnt. Wichtig sei stattdessen die Stärkung des bestehenden Bibermanagements und die Einrichtung von mindestens zehn Meter breiten Gewässerrandstreifen.