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Erstklässler

Wenn Eltern die Lehrer anflegeln

Aalen / Lesedauer: 4 min

Körperliche Angriffe von Schülern sind nicht das Problem, aber die Verbalattacken von Daheim nehmen zu
Veröffentlicht:15.11.2016, 20:31

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53 Prozent der baden-württembergischen Lehrer sagen, dass an ihrer Schule in den vergangenen fünf Jahren Lehrer beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt worden sind. Das ist ein Ergebnis der jüngsten, bundesweiten Studie des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) und des Forschungsinstituts Forsa über Gewalt gegen Lehrer. „Das Thema darf man weder bagatellisieren noch dramatisieren“, sagt der Leiter des auch für Aalen und den Ostalbkreis zuständigen Staatlichen Schulamts in Göppingen , Jörg Hofrichter. Der zugleich feststellt: Der Ton vor allem zwischen Eltern und Lehrern sei gelegentlich rauer geworden.

„Wir haben zu über 90 Prozent eine ganz tolle Konfliktkultur zwischen Lehrern, Schülern und Eltern“, sagt Hofrichter. Zu behaupten, von dem, was die Studie untersucht habe, komme auf der Ostalb aber gar nichts vor, sei auch falsch. Es gebe zwar im Schulamtsbezirk keinen einzigen gemeldeten Fall von tätlicher Gewalt oder körperlichen Übergriffen seitens von Schülern gegenüber Lehrern. „Einen aggressiven Tonfall, Anbrüllen, Beschimpfungen erleben Schulleitungen, Lehrkräfte, ja auch wir im Schulamt aber immer wieder“, sagt dessen Chef. Und das mit zunehmender Tendenz und meist von Elternseite. Hofrichter will dennoch nicht ausschließen, dass Lehrer auch körperlich attackiert würden. Dann aber eher unabsichtlich. „Wenn sich zwei Erstklässler prügeln, der Lehrer geht dazwischen, die schlagen weiter um sich und er bekommt was ab, dann ist das nicht gezielt gegen ihn gerichtet“, nennt er ein Beispiel. Oder wie etwa sei es zu bewerten, wenn ein schwer körperlich oder geistig behindertes Kind gegenüber einem Lehrer oder Erzieher aggressiv werde, möglicherweise aus einer völlig unkontrollierten Gefühlsregung heraus?

Außer dem feststellbar häufiger aggressiv werdenden Umgangston von Eltern gegenüber Lehrern – das könnten für die Betroffenen durchaus subjektiv bedrohliche Situationen sein – gibt es für Hofrichter noch eine zweite Sorte von Gewalt gegen Lehrer, die nicht von der Hand zu weisen sei: Mobbing, das „öffentliche an den Pranger Stellen“ etwa in den sozialen Netzwerken oder in Internet-Portalen. Zwar sei aus seiner Sicht die Hochzeit solcher Portale, in denen man Lehrer quasi öffentlich habe benoten oder kommentieren können, bereits wieder abgeebbt. Bedrohliche oder beleidigende Meinungsäußerungen über und Verbalattacken gegenüber Lehrern landeten aber dennoch für jeden lesbar im Netz, über Facebook etwa. Entweder weil solche Äußerungen dort gezielt gepostet würden oder auch, wenn sich irgendjemand bemüßigt fühle, Interna etwa aus einer Whatsapp-Gruppe unter Schülern auch noch hier publik zu machen. „Da werden eindeutig Grenzen überschritten, das ist für mich dann auch Gewalt“, sagt Hofrichter.

Schulen sind gewappnet

Und wie sind die Schulen und alle am Schulleben Beteiligten gegen jede Art von Gewalt gewappnet?

Was mögliche körperliche Übergriffe gegenüber Lehrern anbelangt, hat das Landesinstitut für Schulentwicklung eine Handreichung erarbeitet, die seit drei Jahren allen Schulen schriftlich und digital zur Verfügung steht. Darin, so Hofrichter, sei klar beschrieben, welche Schritte in einem solchen Falle zu tun und einzuleiten seien.

Mit Blick auf viele mögliche andere Konfliktfälle im Schulleben verweist der Schulamtschef auf ein aus seiner Sicht sehr gutes Netz an Beratungslehrern, die an den beiden schulpsychologischen Beratungsstellen in Aalen und Göppingen „angedockt“ seien. Deren Aufgabenspektrum sei breit und reiche von der Konfliktberatung unter Schülern bis hin zur Mediation zwischen Lehrern und Eltern. Gemäß der gesetzlichen Regelung „darf ich weder Zahlen noch die einzelnen Fälle einsehen“, sagt Hofrichter, „ich weiß nur, dass die Leute gut zu tun haben“. Die Sprechstunden in Aalen seien jedenfalls nach seiner Kenntnis oft ausgebucht.

Enges Netz der Prävention

Zudem seien Schulen und Schulamt auf Kreisebene eng vernetzt mit der Jugendhilfe, und es gebe für die Schulen ein großes Angebot mit Programmen zur Weiterbildung der Lehrer, zu Konfliktlösung, Streitschlichtung, Beratung und Betreuung und, und, und. Nicht zu vergessen die Schulsozialarbeit und die Schulseelsorge. All dies habe nur ein Ziel, sagt Hofrichter, nämlich die Frage: „Wie gehen wir an den Schulen friedlich miteinander um?“

Was die verbale Gewalt im Internet betrifft, arbeiten Schulamt und Schulen präventiv eng mit der Polizei und mit den Kreismedienzentren zusammen. Dabei sei, so Hofrichter, zum Beispiel eine ganze Reihe von Trainingseinheiten entwickelt worden, die Kindern und Jugendlichen helfen sollen, die Folgen ihres Tuns im Netz schon vor dem schnellen „Klick“ abzuschätzen. Schließlich hofft Hofrichter auch, dass der inzwischen hohe Anteil an Ganztagsschulen seinen Teil zu einem friedlichen Miteinander beiträgt. Wenn Lehrer und Schüler über einen langen Zeitraum des Tages beieinander seien, schaffe das eine ganz andere Beziehung untereinander, möglicherweise auch mit den Eltern.