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Menschenhandel vor Gericht: Minderjährige Freundin sollte „anschaffen“

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Bordell
Die Freundin soll sich mehrfach prostituiert haben. © picture alliance/dpa

Es ist eine Geschichte über Verlustängste, über fehlende sittliche Reife und ein lockeres Moralempfinden. Es ist aber auch eine Geschichte über die Folgen von eigenem Missbrauchserleben.

Soest - Ein junger Mann aus Soest steht zum dritten Mal vor dem Landgericht in Paderborn. Er hatte vor Jahren seine damals noch minderjährige Freundin im Internet für sexuelle Dienste angeboten. Das nennt sich im Strafrecht Menschenhandel.

Bereits im Herbst 2018 stand der jetzt 30-jährige Mann vor Gericht: Angeklagt war er, 2016 seine damalige Freundin – sie war zu Beginn des Tatzeitraums 17 – im Internet zur Prostitution angeboten zu haben. Sechs Mal soll es so zu Treffen mit Männern gekommen sein, die Geld für die sexuellen Dienste der jungen Frau bezahlten. 

Verzockt

Der Soester sollte das Geld fast komplett für sich behalten und nur einen kleinen Teil an seine Freundin weitergegeben haben – er gab es für Computerspiele aus. Beim ersten Prozess sprach die Strafkammer den Mann des gewerbsmäßigen Menschenhandels schuldig und verhängte eine zweijährige Bewährungsstrafe – milde nicht zuletzt deshalb, weil die junge Frau selbst zugab, aktiv beteiligt gewesen zu sein und nichts gegen ihren Willen geschehen sei. 

Es sei beiden darum gegangen, aus ihrem Vergnügen Kapital zu schlagen, schließlich habe das Paar unter chronischem Geldmangel gelitten. Zudem habe die junge Frau nicht unter Zwang, sondern eher aus der Angst heraus mitgemacht, ihren Freund zu verlieren. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil wegen diverser Unstimmigkeiten auf, unter anderem was die Gewerbsmäßigkeit und die Zahl der Taten anging. Eine erneute Verhandlung vor dem Landgericht Ende vergangenen Jahres war schnell zuende, der Prozess wurde vertagt: Der Angeklagte brachte vor, er sei als Kind von seinem eigenen Vater missbraucht worden – viele der negativen Wendungen in seinem Leben seien darauf zurückzuführen. 

Partnertausch

Auch seine Spielsucht und die lockeren Moralvorstellungen – die er mit seiner Freundin unter anderem beim Partnertausch ausgelebt hatte. Die 8. Große Strafkammer des Landgerichts Paderborn ging jetzt nach eingehender Prüfung von einem einzigen Fall des Menschenhandels aus: Die Anzeige im Internet sei über einen längeren Zeitraum geschaltet gewesen, also handele es sich um „ein kontinuierliches Geschehen“. Mit dem Ergebnis, dass die Kammer eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängte und diese zur Bewährung aussetzte. 

Eine Rolle spielte für die Richter auch, dass der 30-Jährige durch seine Computer-Spielsucht und eine ADHS-Erkrankung beeinträchtigt ist, vor allem aber auch eine Sstörung durch die eigene Missbrauchsgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann. Mittlerweile ist er verheiratet und hat ein Kind – mit einer anderen Frau. Auch die frühere Freundin hat die Kurve bekommen: Sie macht jetzt eine Ausbildung – und hofft, mit ihrer eigenen Vergangenheit abschließen zu können.

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