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Erste Offizierin auf Containerschiff: Allein unter Männern

Foto: Angelika Warmuth/ dpa

Von Beruf Offizierin Auf See mit 22 Kerlen

Kapitäninnen sieht man selten auf deutschen Handelsschiffen: Auf 1434 Männer kommen nur elf Frauen. Silke Muschitz aus Lübeck lässt sich von dieser Quote nicht abschrecken. Sie arbeitet als Erste Offizierin für eine Reederei, und gibt schon jetzt an Bord den Ton an.

15 Wochen auf engstem Raum mit 22 Männern - was sich für viele wie ein Alptraum abhört, ist für Silke Muschitz Arbeitsalltag. "An Bord bin ich Erster Offizier. Da ist man nicht Frau oder Mann", sagt sie. "Für solche Feinheiten ist auch nicht die Zeit." Die 26-Jährige arbeitet für die Hamburger Linienreederei Hapag-Lloyd als Erste Nautische Offizierin. Ihre Kollegen sind fast alle Männer. Nur 28 der 1300 Seeleute der Reederei sind Offizierinnen oder Anwärterinnen.

Nach dem Kapitän hat Muschitz eine der wichtigsten Positionen an Bord. Sie segnet den Ladeplan ab, prüft, ob Kühl- und Gefahrgutcontainer an der richtigen Position stehen, das Ballastwasser gut verteilt ist, der Zeitplan eingehalten wird. "Ich muss den Überblick behalten und mich auf meine Leute verlassen können", sagt sie.

Jeden Morgen bespricht Muschitz sich mit ihrem Bootsmann, dem Vorsteher der Mannschaft, und vergibt die Aufgaben: "Die Stores, die Lagerräume, aufräumen, das Deck waschen. Ganz schnöde, wie man das von früher kennt." Bei gutem Wetter werde entrostet und gemalt, bei schlechtem Wetter alles gefettet.

Schon im Kindergarten sei ihr Lieblingsbild die Querschnittszeichnung eines Kreuzfahrtschiffs gewesen, erzählt Muschitz. Nach dem Abitur war für sie klar: "Ich fahre zur See." Sie studierte Nautik in Bremen, arbeitete zwei Jahre lang als Wachoffizierin, machte dann das Patent zum Ersten Offizier. Ihr nächstes Ziel ist das Kapitänspatent. Das haben bisher nur wenige Frauen: Von den 1445 Kapitänen, die derzeit mit der deutschen Handelsflotte unterwegs sind, sind nur elf weiblich.

"Das Schönste ist, wenn ich merke, wie das riesige Schiff sich langsam auf eine Pier zubewegt und dann genau richtig fest liegt", sagt Muschitz. 30-mal hat sie dieses Manöver allein auf ihrer letzten Fahrt mitgemacht: Von Europa fuhr das Hapag-Lloyd-Schiff nach Nordamerika, durch den Panama-Kanal, die US-Westküste wieder hoch und über den Pazifik bis nach Japan, Taiwan und China - und alles wieder retour. 15 Wochen war Muschitz unterwegs: "Andere buchen solche Reisen, wir werden dafür bezahlt."

An Bord stehe sie oft draußen und sehe sich den Sternenhimmel an, erzählt die Offizierin: "Das gibt mir das Gefühl von Freiheit." Zurück an Land brauche sie immer ein, zwei Tage, um sich an Menschenmassen zu gewöhnen. Von der Schifffahrt könne sie eigentlich nur eines abbringen: ein Baby. Ihr Kind nur alle paar Wochen zu sehen, könne sie sich nämlich nicht vorstellen, sagt Muschitz: "Familie ist für mich aktuell aber kein Thema."

Almut Kipp/dpa/vet