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Grundsatzrede in Straßburg Barroso sieht EU am Scheideweg

Er verortet die EU vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte: Kommissionspräsident Barroso zufolge steckt das Staatenbündnis in einer tiefen "Wirtschafts-, Finanz- und Sozialkrise". Es gebe aber Auswege, betonte er in seiner Grundsatzrede vor dem EU-Parlament - und warb für eine wirtschaftspolitische Union.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso: Tiefste Krise in der Geschichte der EU

Kommissionspräsident José Manuel Barroso: Tiefste Krise in der Geschichte der EU

Foto: Christophe Karaba/ dpa

Straßburg - Die EU steht nach Auffassung von José Manuel Barroso vor der größten Herausforderung in ihrer Geschichte. Die Union stecke in einer Wirtschafts-, Finanz-, und Sozialkrise, sagte der EU-Kommissionspräsident in seiner Grundsatzrede vor dem EU-Parlament zur Lage der Union. Die Krise der Staatsverschuldung sei zudem eine politische Vertrauenskrise. "Aber es gibt Auswege aus dieser Krise."

Hierfür sei neben Stabilität und Wachstum politischer Wille nötig. Die währungspolitische Union müsse durch eine wirtschaftspolitische Union ergänzt werden. "Wir befinden uns an einem Scheideweg", sagte der EU-Kommissionspräsident.

Die Banken in Griechenland sollen nach den Worten Barrosos mit Mitteln des EU-Haushalts gestützt werden. Die Kommission wolle einen Garantie-Mechanismus schaffen, so dass die Banken des hochverschuldeten Euro-Landes wieder Kredite vergeben könnten. "Griechenland ist und bleibt ein Mitglied der Euro-Zone", trat er Spekulationen über ein Ausscheiden des Landes aus der Währungsunion entgegen. Doch das Land müsse seine Verpflichtungen "vollständig und rechtzeitig" umsetzen. "Aber das ist kein Sprint, das ist ein Marathon", ergänzte Barroso.

Barroso sieht Europas Wirtschaft vor starker Abkühlung

Der EU-Kommissionspräsident schlägt die Einführung einer Finanztransaktionssteuer vor. Ein entsprechender Vorschlag sei am Mittwoch vom Kollegium angenommen worden, sagte Barroso. Die Steuer solle jährlich 55 Milliarden Euro einbringen. Die EU brauche mehr Einnahmen zur Konsolidierung ihrer Finanzen. Landwirte und Arbeitgeber leisteten ihren Beitrag - der Finanzsektor müsse dies auch tun. "Es ist nur gerecht, die Finanztätigkeit zu besteuern", betonte der EU-Kommissionspräsident.

Wenig optimistisch äußerte er sich über die Entwicklung der europäischen Wirtschaft: Die Prognosen deuteten auf eine starke wirtschaftliche Abkühlung hin. "Wir haben nicht viel Spielraum für neue Konjunkturanreize."

Den deutsch-französischen Vorschlag für eine Wirtschaftslenkung in der Eurozone lehnte Barroso ab: "Die Kommission ist die wirtschaftspolitische Regierung der Union", sagte er. Die EU brauche keine neuen Institutionen. Berlin und Paris hatten im August eine von den EU-Staaten gelenkte Wirtschaftsregierung für die Eurozone vorgeschlagen.

Trichet: Zeit zu handeln und nicht zu reden

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatte zuvor den Druck auf die Regierungen und die Finanzinstitute erhöht: Die Politik müsse schnell und effektiv handeln im Kampf gegen die Euro-Zonen-Schuldenkrise. Es sei jetzt die Zeit, um zu handeln und nicht zu reden, sagte er der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera". Jetzt seien effektive Aktionen, eine zügige Umsetzung, verbale Disziplin und ein stärkerer Zusammenhalt aller Beteiligten gefordert.

Am Mittwochmittag stimmt das EU-Parlament über sechs Gesetze zur Reform des Euro-Stabilitätspakts ab. Zudem steht in vielen Ländern in den kommenden Wochen die parlamentarische Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm EFSF an. Der deutsche Bundestag wird am Donnerstag sein Votum abgeben - eine Mehrheit scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicher. Doch für eine Kanzlermehrheit wird es eng.

hen/heb/dpa