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Trotz Rekord-Zubau Häuser in Deutschland sind nur unzureichend mit Solaranlagen und Wärmepumpen ausgestattet

Nur 12 von 100 möglichen Punkten: Eine neue Studie stellt der Energiewende in deutschen Eigenheimen eine maue Note aus. Trotz eines Rekord-Zubaus wird das Potenzial grüner Technologien demnach kaum ausgeschöpft.
Neubaugebiet mit PV-Anlagen in Bayern

Neubaugebiet mit PV-Anlagen in Bayern

Foto: imagebroker / IMAGO

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Immer mehr Einfamilienhäuser haben eine Solaranlage, eine Wärmepumpe, eine Wall-Box für das E-Auto – und manchmal sogar alles miteinander vernetzt. Dann wird die Wärmepumpe mit Solarstrom betrieben, wenn die Sonne gerade scheint. In sonnenarmen Zeiten kauft das System Strom aus dem Netz zu, wenn diese am günstigsten ist – also etwa nachts oder wenn viel Wind weht. Jedes Haus kann so zum kleinen Energieversorger werden.

Doch laut einer Studie des Ökostrom-Anbieters Lichtblick, die dem SPIEGEL vorliegt, wird das Potenzial bisher kaum ausgeschöpft. Der Report untersucht sieben Schlüsseltechnologien für die Energiewende im Eigenheim. Der dafür entwickelte Index gewichtet die Technologien und vergleicht ihre aktuelle Verbreitung mit ihrem Potenzial. Der sogenannte Prosumer-Index stieg gegenüber dem Vorjahr um 22 Prozent auf 11,6 von 100 möglichen Punkten. 100 Punkte wären gleichbedeutend mit einer Vollausstattung aller elf Millionen solarfähigen Eigenheime mit allen sieben Technologien.

Am weitesten verbreitet sind demnach PV-Anlagen: 18 Prozent beziehungsweise zwei Millionen aller elf Millionen solarfähigen Eigenheime produzieren bereits Sonnenstrom. Strombetriebene Wärmepumpen kommen demnach nur in zehn Prozent der solarfähigen Eigenheime zum Einsatz. Weitere Technologien sind Wallboxen (elf Prozent), Heimspeicher (sechs Prozent), Energiemanagementsysteme (sechs Prozent) und Elektroautos (fünf Prozent). Der Zubau habe sich 2022 bei allen Technologien beschleunigt.

»Die hohen Energiepreise beschleunigen die Energiewende im Eigenheim. Wir erleben einen Rekord-Zubau bei Solaranlagen, Wärmepumpen und Heimspeichern«, sagt Lichtblick-Sprecher Ralph Kampwirth. Der Report zeige aber auch: »Das Potenzial wird bisher kaum ausgeschöpft.« Dabei rechne sich der Umstieg von Öl, Gas und Benzin auf selbst erzeugten Sonnenstrom.

Das größte Sorgenkind ist laut der Studie der schleppende Smart-Meter-Ausbau. Lediglich ein Prozent der solarfähigen Eigenheime ist demnach mit einem intelligenten Messsystem ausgerüstet. Smart Meter sind die entscheidende Schnittstelle, um ein Haus intelligent mit dem Stromnetz zu verbinden.

Laut der Lichtblick-Analyse machen sich Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer mit Investitionen in Fotovoltaik, Heimspeicher, Wärmepumpen und Elektroautos weitgehend unabhängig von steigenden Energiepreisen. Das zeigten zwei repräsentative Modellrechnungen für Einfamilienhäuser. Dabei werden über 20 Jahre Investitions- und Energiekosten von erneuerbaren Lösungen mit fossilen Alternativen für Hausstrom, Wärme und Pkw-Mobilität verglichen. Mit erneuerbaren Technologien sparen Hausbesitzer demnach im Sanierungsbeispiel bis zu 49 Prozent, was 51.000 Euro entspricht. Im Neubau-Beispiel liegt der Kostenvorteil bei bis zu 40 Prozent und 44.000 Euro. Die klimaneutralen Häuser entlasten die Umwelt zudem um bis zu 95 Tonnen CO₂.

»Spießrutenlauf durch Deutschlands Amtsstuben«

Zudem würden Hausbesitzer mit PV-Anlage zu einer »relevanten Größe im Stromsystem« werden. »Bei voller Ausschöpfung des Potenzials können elf Millionen Eigenheime 92 Milliarden Kilowattstunden Sonnenstrom im Jahr erzeugen«, heißt es in der Studie. Das entspreche 88 Prozent ihres eigenen Energiebedarfs oder der Produktion von zehn mittleren Kohlekraftwerken. Zudem könnten Millionen von Elektroautos und Heimspeichern künftig in virtuellen Kraftwerken zu systemdienlichen Großbatterien vernetzt werden.

Lichtblick fordert die Bundesregierung auf, die Marktanbindung von solchen Häusern zu vereinfachen. »Wir müssen endlich die Kleinstaaterei aus 900 Netzbetreibern beenden, die mit der digitalen Energiewende überfordert sind«, so Lichtblick-Sprecher Kampwirth. Die Flut von Zählerkonzepten und Formularen behindere innovative Lösungen, weil jedes neue Geschäftsmodell zu einem Spießrutenlauf durch Deutschlands Amtsstuben führe.

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