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Sport-App Strava Ausdauernd oder schnell? Warum sich alte und junge Sportler ähnlicher sind als es scheint

Beim Start des Hamburger Haspa-Marathons an den Messehallen (Archivbild)
Beim Start des Hamburger Haspa-Marathons an den Messehallen (Archivbild)
© Axel Heimken / Picture Alliance
Millionen Athletinnen und Athleten laden ihre Daten bei Strava hoch. Die Auswertung von unzähligen Aktivitäten zeigt, dass die alten Läufer und Radfahrer zäh sind und die jungen schnell. Aber das sieht nur so aus.

Der Kollege, der den vielstimmigen Chor der stern-Redaktion dirigiert, rief mich an und sagte: "Okay, dann schreibst du das aus Boomer-Sicht auf." Also als Mensch, der weit vor der Mondlandung geboren wurde und einen entsprechenden Blick auf die Welt hat. 

Zuvor hatten wir in der stern-Konferenz darüber gesprochen, was die Sportler-App Strava herausgefunden hatte. Die sammelt die Daten von Millionen Läufern und Radfahrern, die von der Herzfrequenz bis zur Geschwindigkeit so ziemlich alles erfassen. Und eine neue Analyse ergab nun, dass ergraute Athletinnen und Athleten ausdauernder rennen als die jugendlichen Hedonisten. Wenn die Alten joggen gehen, dann laufen sie zwar langsamer, aber weiter als die Jungs und Mädels der Generation Z. Beim Radfahren ist es das Gleiche. So sagen es die Daten. 

Und was bei Strava hochgeladen ist, das ist die Wahrheit. Umgekehrt gilt das in Radfahrerkreisen übrigens auch: Was nicht auf Strava ist, hat nicht stattgefunden. Nur der Vergleich mit sich selbst und anderen macht aus der Trainingseinheit ein Event. Daten erschaffen die Welt. Riechen, schmecken, schwere Beine, Blasen unterm Fuß, Kette gerissen und Schlauch geplatzt – alles egal, es zählen die Daten. Und die sagen: Die Jungen machen mal kurz Dampf, die lahmenden Alten halten länger durch. Ist aber Quatsch. 

Schon Emil Zatopek wusste: "Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft."

Boomer-mäßig lässt sich das mit einem Helden aus vergangener Zeit erklären. Der tschechische Wunderläufer Emil Zatopek, Olympiasieger 1952, wusste, warum er lief: "Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft." Da steckt alles drin. Jeder macht, was er gut kann. Und die Jungen können auf kurzen Strecken leicht hohe Leistungen bringen. Das machen die auch. Für lange Distanzen müssen sogar 20-Jährige trainieren. Die Alten können nicht mehr so recht sprinten – aber ziemlich lange über große Entfernungen relativ konstante Zeiten erreichen. Das machen sie dann auch. Es geht nicht darum, wer zäh ist und wer fit. Sondern alle passen sich an die Gegebenheiten und Möglichkeiten an und machen das, worin sie gut sind. Wir ticken alle gleich, auch wenn das nicht in Stravas Daten geschrieben steht.

Und noch etwas merkt Strava nicht. Dass der Mensch, dieses schwer zu vermessende Wesen, ganz unterschiedliche Dinge tun muss, um das Gleiche zu empfinden. Ich habe einen jungen Kollegen, der sich als Läufer zu mir verhält wie ein Vollbluthengst zu einem Ackergaul. Er ist im Marathon-Ziel, wenn ich Kilometer 27 passiere. Trotzdem machen wir das Gleiche: Wir fluten unser Hirn mit Glück, indem wir lange und – für unsere jeweiligen Verhältnisse – schnell rennen. Im Innern rumpeln die gleichen Endorphine. Weshalb es grober Unfug ist, die Zeiten nebeneinander zu legen und darüber zu spekulieren, welcher Charakter, wieviel Zähigkeit und was sonst noch sich dahinter verbirgt. Der wortkarge Laufphilosoph Zatopek, der nicht wusste, was eine App ist oder gar Strava, hätte dazu vielleicht gesagt: Alter Mensch ist wie junger Mensch. 

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