Es gibt Fortschritte in der Digitalisierung der Schulen. Davon hört man in Deutschland selten, und so ist die einhellige Meinung auch: na endlich!
90 Prozent der Schulen haben mittlerweile „zumindest für einen Teil der Schülerinnen und Schüler Klassensätze an Laptops, Tablet-PCs oder Smartphones“, berichtet eine Umfrage von Forsa, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben hat. Der Anteil an digitalen Geräten steigt, aber dem Verband reicht das nicht. Längst gehe der Trend zur künstlichen Intelligenz, heißt es dort, und noch immer sei jede zehnte Schule mangelhaft ausgestattet.
Der Verband ist mit dieser Kritik nicht allein. Die Aufregung ist hierzulande groß, wenn es wieder einmal heißt, Deutschland sei das Schlusslicht in der digitalen Entwicklung. Die Dynamik folgt dabei einer einfachen Logik: Mehr Digitalisierung ist gut, weniger schlecht. Dass sogar Bildungsinstitutionen an diesem Irrglauben festhalten, verwundert umso mehr, als es aus dem schulischen Bereich längst Erkenntnisse gibt, die genau das Gegenteil belegen.
Die Geräte lenken die Schüler ab, sie machen süchtig, beeinträchtigen die Konzentrationsfähigkeit, verleiten zu flüchtiger Lektüre und setzen alle einer permanenten Reizüberflutung aus. Die Folgen sind in etlichen Studien dokumentiert, und sie sind auch im Alltag fast überall sichtbar: Viele Kinder und Jugendliche können sich nicht mehr in eine Sache vertiefen, sie werden extrem ungeduldig, die soziale Interaktion leidet, sie verlieren ihre Freiheit und Selbstständigkeit. Wissenschaftler warnen angesichts des wachsenden Digitalkonsums vor psychischen Folgen und Schäden für den Entwicklungsprozess.
Andere Länder ergreifen Maßnahmen
In Frankreich hat man diese Gefahren schneller erkannt, dort existiert bereits seit Jahren ein gesetzliches Handyverbot in Schulen. Seit diesem Jahr ist auch in den Niederlanden die Nutzung von Handys, Tablets und Smartwatches in Schulen untersagt, Neuseeland reagiert auf den Leistungsabfall der Schüler ebenfalls mit einem Handyverbot, und auch in Großbritannien denkt man darüber nach.
Die Länder greifen nicht zu solchen Maßnahmen, weil sie technologiefeindlich sind; sie erkennen nur, wie ernst die Lage ist. Es ist schlichtweg dumm, in der Digitalisierung ein Heilmittel für die grassierenden Bildungsprobleme zu sehen. Niemand kann das Rad der Geschichte zurückdrehen und die Modernisierung aufhalten.
Doch die Anzahl an Tablets sagt nichts über die Fähigkeiten der Schüler im Rechnen, Lesen und Schreiben aus. Gegen ihre verheerenden Leistungsbilanzen hilft kein noch so großer Digitalpakt. Es wäre schon viel gewonnen, wenn auch Eltern die abstumpfenden Geräte einfach einmal ausstellen und stattdessen mit ihren Kindern ein Buch aufschlagen würden.