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Es leben die Linkshänder

Textchef ICON / Welt am Sonntag
Lange galten Linkshänder als merkwürdig, und man versuchte, sie zu Rechtshändern umzuerziehen.Heute loben Forscher ihre Kreativität, deshalb wird in München der Weltlinkshändertag gefeiert.

Den schlechtesten Ruf haben sie nach wie vor bei Boxern: Linkshänder machen einfach alles verkehrt. Sie bewegen sich nicht in die Richtung, in die sie sollen, schlagen mit der falschen Faust hart zu – kaum ein Rechtshänder, der gern gegen sie in den Ring gestiegen ist. Kein Wunder also, dass dieser Sport eine ziemlich linkshänderfreie Zone ist.

Manchmal aber bringt es doch ein Linkshänder zum Champion – zum Beispiel Henry Maske. Der gilt allerdings als kluger Rechner, als schlauer Kopf, der aus seinem Wissen, zu einer Minderheit zu gehören, Profit schlägt.

Mittlerweile weiß nicht nur Maske, dass Linkshänder häufig als kreativer gelten als ihre rechtshändigen Zeitgenossen. Jüngst will eine Studie sogar herausgefunden haben, dass es sich bei Linkshändern um eine Art Hochbegabtenklub handelt, in den man hineingeboren wird. Das wird wohl auch auf dem Weltlinkshändertag, der morgen in München stattfindet, wieder thematisiert werden. Die Internetseite www.weltlinkshaendertag.de ist jedenfalls üppig mit Beispielen gespickt: Napoleon, Albert Einstein, Steve McQueen – allesamt Genies, die den Stift mit links führten.

Was macht den Menschen zum Linkshänder

Die Wissenschaft hat lange gerätselt, was den Menschen zum Linkshänder macht: Man geht von einem Zusammenhang mit den Genen aus, just vorige Woche meldeten Forscher der englischen Universität Oxford, dass sie das erste Gen für „Händigkeit“ entdeckt haben.

Es heißt LRRTM1 und soll kontrollieren, welche Hirnregionen welche Aufgaben übernehmen. Damit ist es verantwortlich dafür, ob ein Mensch ein Links- oder ein Rechtshänder wird. Denn Links- oder Rechtshändigkeit beruht darauf, dass die beiden Gehirnhälften unterschiedlich arbeiten.

Johanna Barbara Sattler von der ersten deutschen Beratungsstelle für Linkshänder in München erklärt dazu, dass die jeweils gegenüberliegende Gehirnhälfte motorisch dominant sei. Bei Rechtshändern ist also die linke Hirnhälfte die stärkere, während bei Linkshändern die rechte Hälfte dominiert: Links- und Rechtshändergehirne funktionieren unterschiedlich.

Ein ungelöstes Problem ist für die Forschung, warum die Händigkeiten bei Tieren annähernd gleich verteilt sind, während Sattler den Anteil linkshändiger Menschen lediglich auf 15 bis 20 Prozent schätzt. Möglicherweise habe die Entwicklung der Sprache dazu geführt, dass heute bei so vielen Menschen die linke Hirnhälfte dominant sei.

Erkenntnis kommt viel zu spät

Für viele Linkshänder kommen die neuen Erkenntnisse allerdings zu spät. Bis weit in die 80er-Jahre hinein galt Linkshändigkeit häufig als eine Art Krankheit, die man den Menschen aberziehen musste. Der kulturelle Stellenwert der Linkshänder tendierte gegen null: Das Essen, Schreiben und Händeschütteln war der rechten Hand vorbehalten – und die linke galt als eine, die man vorzugsweise für „unreine Tätigkeiten“ wie der Säuberung des Hinterns oder der Verrichtung gewisser sexueller Handlungen verwendete. Heute ist bekannt, dass die Umerziehungsversuche Legasthenie, allgemein schlechtere Schulleistungen oder Sprachstörungen nach sich ziehen können. Umerzogene Linkshänder berichten zudem von innerer Zerrissenheit, etwa wenn sie die linke Hand zum Zeichnen verwenden.

Auch für die Umerziehungsmaßnahmen gibt es prominente Beispiele – Amerikas berühmtester Rauf-und-Sauf-Poet Charles Bukowski erwähnt in seinen Memoiren, wie sich in Kindheitstagen sein extra angefertigter Speziallöffel immer wieder vom Mund wegbog, wenn er seine Suppe mit der linken Hand zu sich nehmen wollte.

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Andere gehen offensiver mit ihrer Linkshändigkeit um: Matt Groening, Schöpfer der Zeichentrickfamilie Simpsons, hat ein ganzes Universum voller Linkshänder erschaffen. Alle Bewohner seiner Zeichentrickstadt Springfield sind Linkshänder – wie ihr Erfinder selbst.

Herz auf dem rechten Fleck

Das bedeutet aber nicht, dass Linkshänder inzwischen überall auf der Welt akzeptiert würden. In der deutschen Sprache stellt man sich immer noch „linkisch“ an, wenn man etwas ungeschickt ist, und man trägt das Herz auf dem „rechten“ Fleck. Im islamischen Kulturkreis wird mancherorts Kindern, die mit der linken Hand essen, aus pädagogischen Gründen der Arm kurz in brodelndes Fett gehalten. In Japan kann ein Mann seine Frau noch immer verstoßen, wenn er erst nach der Heirat ihre Linkshändigkeit entdeckt – und der afrikanische Stamm der Wa Chaggas schließt linkshändige Männer von der Jagd- und Kriegsführung aus, weil sie angeblich Unglück bringen sollen.

sBloß gut, dass die Wissenschaft jetzt das Gegenteil nahelegt. Aber auch Linkshändern können Fehler unterlaufen: Auf der Linkshänder-Internetseite wird behauptet, Muhammad Ali sei Linkshänder. Leider falsch. „Der Größte“ schlug vielleicht die beste linke Gerade aller Zeiten. Härter punchte er aber mit seiner Rechten.

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