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Wie sich Arbeit mit sterbenden und schwerkranken Menschen aushalten lässt

Angst vor menschlicher Nähe

Werther(WB). Jeden Tag Leid und Tod – wie hält man das bloß aus? Wer schwerkranke oder sterbende Menschen pflegt, wird sich das vielleicht selbst schonmal gefragt haben. Wie jeder mit dem Thema besser umgehen kann, hat Diplom-Pädagogin und Sozialarbeiterin Beate Dirkschnieder bei einem Vortrag im Altenheim St. Jakobistift erklärt.

Freya Schlottmann

Silke Becker (links) von der Hospizgruppe Werther hat sich bei Beate Dirkschnieder für ihren eindrucksvollen Vortrag mit einem sommerlichen Blumenstrauß bedankt.
Silke Becker (links) von der Hospizgruppe Werther hat sich bei Beate Dirkschnieder für ihren eindrucksvollen Vortrag mit einem sommerlichen Blumenstrauß bedankt. Foto: Freya Schlottmann

»Professionelle Distanz«, ein Unwort, wie Referentin Beate Dirkschnieder findet. Wer in einem Hospiz oder mit Sterbenden arbeitet, könne sich gerade nicht professionell distanzieren. »Kontakt mit Menschen zu haben bedeutet immer, sich berühren zu lassen«, leitet Silke Becker, Leiterin des Altenheims und Mitglied der Hospizgruppe Werther, den Vortrag im St. Jakobistift ein.

Die Gefahr, dass fremdes Leid Einfluss auf das eigene Leben nimmt, erscheint da manchmal unumgänglich. Und genau darin liegt der Knackpunkt. Wichtig sei aber: Man muss sich erst mal um sich selbst kümmern, um für andere da sein zu können. Wie es schon in einem christlichen Sprichwort heißt (»Barmherzigkeit fängt zuhause an«), liegt der Grundstein im Umgang mit Leid, Tod und Trauer vor allem in der persönlichen Auseinandersetzung mit diesen Themen als nicht direkt Betroffener. Wer tagtäglich damit konfrontiert wird, wie kostbar und zerbrechlich das Leben ist, muss besonders darauf achten, eine gesunde innere Einstellung zu finden.

»Trauer wird ausgelöst durch den Verlust einer sinnerfüllt, vertrauten Person«, erklärt Beate Dirkschnieder. Als Pflege- oder Betreuungskraft im Hospizbereich wäre man also laut dieser Definition nicht von Trauer über einen Gast betroffen. Und trotzdem geht man in diesem Beruf oftmals eine kurzfristige Nähe zu Personen ein, die beim Verlust die eigene Gefühlswelt belasten kann.

»Die eigene Motivation zu hinterfragen, warum man diese Arbeit eigentlich macht, kann sich häufig als sehr wirkungsvoll erweisen«, sagt die Referentin. Auch Meditation könne dazu beitragen, bei sich selbst anzukommen und offener und empfänglicher für andere zu sein, so die Wertheranerin.

Neben dem Umgang mit der persönlichen Belastung verweist die 60-Jährige auch darauf, welche Grundqualifikationen für die Arbeit mit Sterbenden von größter Bedeutung sind. »Authentizität, Vertrauen und das Zeigen von Präsenz trägt jeder in sich«, so Dirkschnieder. Anstatt im Vorfeld zu versuchen, eine »professionelle Distanz« aufzubauen, solle sich stattdessen jeder für sein eigenes Seelenheil vergegenwärtigen: »Ich habe mein Bestes gegeben und dann ist gut.«

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