Mitteilungen und Nachrichten - Deutsche Gesellschaft für ...
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30. Jahrgang<br />
Supplement 1<br />
September 2008<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie e. V.<br />
<strong>Mitteilungen</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong><br />
Supplement<br />
Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie<br />
in der DDR<br />
Herausgegeben von:<br />
Prof. Dr. E. Markgraf, Jena<br />
Prof. Dr. W. Otto, Dieskau<br />
Dr. K. Welz, Cottbus<br />
h
<strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Unfallchirurgie e. V.<br />
Supplement<br />
Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie in der DDR<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Nachrichten</strong><br />
30. Jahrgang<br />
Supplement 1<br />
September 2008<br />
Schriftleitung:<br />
Prof. Dr. Hartmut Siebert,<br />
Schwäbisch Hall<br />
Redaktion:<br />
Dipl.-Pol. Joachim Arndt,<br />
Berlin<br />
Herausgeber des<br />
Supplements:<br />
Prof. Dr. E. Markgraf, Jena<br />
Prof. Dr. W. Otto, Kabelsketal<br />
Dr. K. Welz, Cottbus<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Grußwort<br />
A. Ekkernkamp, H. Siebert<br />
2 Geleitwort<br />
J. Probst<br />
3 Vorwort<br />
E. Markgraf, W. Otto, K. Welz<br />
4 <strong>Gesellschaft</strong>liche Konditionen –<br />
Teil 1<br />
W. Otto<br />
6 <strong>Gesellschaft</strong>liche Konditionen –<br />
Teil 2<br />
K. Welz<br />
8 Aufbau des staatlichen<br />
Ges<strong>und</strong>heits wesens der DDR<br />
W. Senst, K. Welz<br />
15 Unfallchirurgie an den Hochschuleinrichtungen<br />
der DDR<br />
E. Markgraf, W. Otto<br />
24 Die Rolle der konfessionellen<br />
Krankenhäuser in der DDR<br />
S. Grafe<br />
26 Die medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en in der DDR<br />
K. Sandner, W. Senst, E. Markgraf<br />
31 Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
K. Welz<br />
37 Kongresse – Tagungen mit<br />
internationaler Beteiligung<br />
K. Sandner, E. Markgraf, W. Senst<br />
43 Unfallchirurgische Aktivitäten<br />
<strong>und</strong> Erfahrungen in Mosambik<br />
<strong>und</strong> Uganda<br />
D. Paul, K. Paul<br />
48 Erinnerungen an mein Zusatzstudium<br />
im Lettischen wissenschaftlichen<br />
Institut für Traumatologie<br />
<strong>und</strong> Orthopädie in Riga<br />
F. Schulz<br />
51 Die Sektion DDR der<br />
AO-International<br />
W. Otto, E. Markgraf<br />
58 Sporttraumatologie in der DDR<br />
K. Franke<br />
64 Voraussetzungen für die operative<br />
Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie in<br />
der DDR<br />
W. Otto<br />
67 Die Entwicklung der externen<br />
Knochenfixation in der DDR<br />
D. Miehle<br />
70 Studienreise nach Nicaragua<br />
D. Miehle<br />
72 Begutachtung<br />
W. Senst<br />
76 Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft<br />
Kindertraumatologie<br />
W. Kurz<br />
80 Die Unfallchirurgie als Wurzel der<br />
außerklini schen Notfallversorgung<br />
in Ost deutschland<br />
M. Burgkhardt, R. Schäfer<br />
85 Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />
<strong>und</strong> ihre Verbindungen<br />
zu den Unfallchirurgen in der DDR<br />
1950 – 1990<br />
J. Probst<br />
98 Unfallchirurgie in der Zeit der<br />
Wiedervereinigung Deutschlands<br />
E. Markgraf<br />
109 Einführung <strong>und</strong> Aufbau der<br />
gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />
K. Welz<br />
112 Autoren des Supplements mit Bild<br />
<strong>und</strong> Curriculum
Impressum<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Unfallchirurgie e. V.<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong><br />
30. Jahrgang<br />
Schriftleitung<br />
Prof. Dr. med. Hartmut Siebert<br />
Chirurgische Klinik II<br />
Diakonieklinikum<br />
Heilbronnerstr. 100<br />
74523 Schwäbisch Hall<br />
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Redaktion<br />
Dipl.-Pol. Joachim Arndt<br />
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Allgemeine Informationen<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie e. V.<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong>, 1436-6142,<br />
erscheint 2-mal im Jahr.<br />
Wichtiger Hinweis<br />
Wie jede Wissenschaft ist die Medizin<br />
ständigen Entwicklungen unterworfen.<br />
Forschung <strong>und</strong> klinische Erfahrung<br />
erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere<br />
was Behandlung <strong>und</strong> medikamentöse<br />
Therapie anbelangt. Soweit in<br />
diesem Heft eine Dosierung oder eine<br />
Applikation erwähnt wird, darf der Leser<br />
zwar darauf vertrauen, dass Autoren,<br />
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darauf verwandt haben, dass diese<br />
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der Zeitschrift entspricht. Für<br />
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der verwendeten Präparate <strong>und</strong><br />
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an die Schriftleitung<br />
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<strong>und</strong> weist diese dem Verlag nach.<br />
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Stuttgart • New York 2008<br />
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<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie e. V.<br />
Einzelheft 28,– € (D) zuzüglich Versandkosten ab Verlagsort, unverbindlich empfohlener Preis;<br />
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im Voraus berechnet <strong>und</strong> zur Zahlung fällig. Das Abonnement kann jederzeit begonnen werden. Die Bezugsdauer verlängert<br />
sich automatisch jeweils um ein Jahr, wenn bis zum 30. September des Vorjahres keine Abbestellung vorliegt.<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Grußwort<br />
A. Ekkernkamp, H. Siebert<br />
Fast 19 Jahre nach dem Fall der Berliner<br />
Mauer erscheinen die von vielen erwarteten<br />
„Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie<br />
in der DDR“.<br />
Wer hätte dies kompetenter <strong>und</strong> authentischer<br />
abhandeln können als die drei Herausgeber<br />
Eberhard Markgraf, Jena (Präsident<br />
der DGU 1996), Wieland Otto, Halle,<br />
<strong>und</strong> Klaus Welz, Cottbus.<br />
Wesentliche Kapitel wurden von den Herausgebern<br />
selbst verfasst, darüber hinaus<br />
ist es ihnen gelungen, alle wichtigen Facetten<br />
der DDR-Unfallchirurgie zu beleuchten<br />
<strong>und</strong> Autoren zu gewinnen, für die der Begriff<br />
Zeitzeuge nicht übertrieben ist.<br />
Die Realisierung dieses ehrgeizigen Projektes<br />
ist zu einem maßgeblichen Teil dem<br />
langjährigen Generalsekretär der DGU,<br />
Herrn Prof. Dr. med. Jürgen Probst, Murnau,<br />
zu verdanken. Dieser hat vor der deutschen<br />
Wiedervereinigung nach Kräften den wissenschaftlichen<br />
Austausch <strong>und</strong> kontinuierlichen<br />
Dialog zwischen den Unfallchirurgen<br />
im Osten <strong>und</strong> Westen gefördert. In<br />
den frühen 90er Jahren hat der „General“<br />
dafür gesorgt, dass die neu hinzugekommenen<br />
Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen rasch in<br />
die DGU integriert werden konnten – unter<br />
den wissenschaftlichen Fachgesellschaften<br />
keineswegs selbstverständlich. Durch Interesse<br />
<strong>und</strong> Zuwendung ist es den Herren<br />
Probst <strong>und</strong> Kurz aus Lübben gelungen, die<br />
Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie<br />
der DDR als interdisziplinäre Sektion in die<br />
DGU zu überführen, wovon die jungen Unfallchirurginnen<br />
<strong>und</strong> Unfallchirurgen, Kinderchirurginnen<br />
<strong>und</strong> Kinderchirurgen noch<br />
heute profitieren.<br />
Herausgebern <strong>und</strong> Autoren sei für die enorme<br />
Mühe, die mit aufwendigen Recherchen<br />
verb<strong>und</strong>en gewesen ist, gedankt. Dem Thieme-Verlag<br />
ist es gelungen, die Präsentation<br />
wirklich ansehnlich zu gestalten.<br />
Den Leserinnen <strong>und</strong> Lesern wünschen wir<br />
Erkenntnisgewinn, Erinnerung an schöne<br />
<strong>und</strong> auch schwierige Zeiten. Manches<br />
Vorurteil ist nach der Lektüre nicht länger<br />
aufrecht zu erhalten, das Werk leistet einen<br />
wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der<br />
deutsch-deutschen Vergangenheit.<br />
Das besondere Interesse der Unterzeichnenden,<br />
die aus eigenem Erleben „östliche“<br />
<strong>und</strong> „westliche“ unfallchirurgische Schulen<br />
erfahren durften, ist garantiert.<br />
Gratulation <strong>und</strong> herzliche Grüße!<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Axel Ekkernkamp<br />
Präsident – <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Unfallchirurgie e. V.<br />
Prof. Dr. Hartmut Siebert<br />
Generalsekretär – <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallchirurgie e. V.<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 1
Geleitwort<br />
J. Probst<br />
Zu den ältesten abendländischen Kulturträgern<br />
zählt die Geschichtsschreibung, deren<br />
Begründer Thukydides (* um 460, † nach 400<br />
a. C.) die wahrheitsgemäße Schilderung der<br />
Ereignisse, nicht deren nachgehende, der<br />
Betrachterzeit zugeordnete Deutung oder<br />
Wertung als Prinzip voraussetzte. Nicht Auskünfte<br />
des ersten Besten, sondern Selbsterlebtes<br />
sowie auf Wahrheitsgehalt genauestens<br />
geprüfte <strong>Nachrichten</strong> sollten überliefern,<br />
was in der Zukunft dauernder Besitz<br />
<strong>und</strong> nützlich bleibe, auch wenn daraus kein<br />
erzählerisches Prunkstück entstehe [1].<br />
Die Verführung, sich historischer Argumente<br />
zu bedienen <strong>und</strong> damit (politische)<br />
Ansprüche zu begründen, ist seit Ende des<br />
18. Jahrh<strong>und</strong>erts historisch – <strong>und</strong> seitdem<br />
oft missbraucht worden. „Die Historie wird<br />
immer neu geschrieben. Jede Zeit <strong>und</strong> ihre<br />
Richtung macht sie sich zu eigen <strong>und</strong> trägt<br />
ihre Gedanken darauf über. Danach wird<br />
Lob <strong>und</strong> Tadel ausgeteilt.“ [2] Unsere eigenen<br />
Erfahrungen bestätigen diese Erkenntnis<br />
in besonders leidvoller Weise.<br />
Noch nicht lange liegt hinter uns die Epoche<br />
der an Vollständigkeit nicht zu überbietenden<br />
Teilung <strong>und</strong> Trennung unseres<br />
Volkes, unseres Gemeinwesens, der Wissenschaften<br />
<strong>und</strong> damit auch der Chirurgen. Und<br />
doch sind fast zwei Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung<br />
verstrichen, ein Zeitraum, in<br />
dem bereits viele Zeitgenossen von uns gegangen<br />
sind, ohne dass uns ihre Zeugnisse<br />
erhalten blieben. Rechnet man noch die Zeit<br />
des 2. Weltkrieges hinzu, sind mehr als zwei<br />
Generationen „vergessen“. So wurde es Zeit,<br />
Dokumente <strong>und</strong> Erfahrungen, Erlebtes, Erlittenes<br />
<strong>und</strong> mit Mut Bewahrtes aus erster<br />
Hand zu sichern, um jene vier Jahrzehnte<br />
getrennter Wege der nach dem 2. Weltkrieg<br />
aufstrebenden Unfallchirurgie nicht auszulöschen.<br />
Die Geschichte der Chirurgie wurde von der<br />
Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
von anderen ihrer Aufgabengebiete<br />
beherrscht, ihr ältester Teil, die Chirurgie<br />
der Verletzungen, blieb in zweiter Reihe.<br />
Erst aus der Asche des Infernos erstand<br />
die moderne Unfallchirurgie, die, ebenso<br />
wie einst die Chirurgie der großen Körperhöhlen,<br />
der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen<br />
bedurfte, um aus der oft nur<br />
mit Schaden erhaltenden W<strong>und</strong>arznei die<br />
Wiederherstellungschirurgie <strong>und</strong> damit den<br />
neben der Viszeralchirurgie größten Anteil<br />
der chirurgischen Versorgung hervorgehen<br />
zu lassen. Dass diese Entwicklung in die Zeit<br />
der deutschen Teilung fiel, ist eine Tragik an<br />
sich, insofern sie eine Demigration der wissenschaftlichen<br />
<strong>und</strong> der auf praktischem<br />
Erfahrungsaustausch beruhenden evolutionären<br />
Kapazitäten verursachte.<br />
Es ist ein geschichtliches Anrecht der Unfallchirurgen<br />
der ehemaligen DDR, ihre unter<br />
schwierigen Umständen geleistete Arbeit<br />
über die engere Phase der staatlichen Wiedervereinigung<br />
hinaus gewürdigt zu sehen.<br />
Die Geschichte der Unfallchirurgie bliebe<br />
unvollständig <strong>und</strong> auch unwahr, ließe man<br />
ihren Fortgang zwischen Kriegsende <strong>und</strong><br />
Zusammenbruch des Eisernen Vorhanges<br />
jenseits dessen unbeachtet. Sie blieb <strong>und</strong><br />
ist ein Teil des Ganzen! „Ein Verständnis der<br />
Gegenwart gibt es nicht ohne Kenntnis der<br />
früheren Zeiten. Die eine reicht der andern<br />
die Hände: eine kann ohne die andere entweder<br />
gar nicht existieren oder doch nicht<br />
vollkommen sein.“ [3]<br />
Nicht nur die chirurgischen Leistungen<br />
verdienen unseren Respekt. Allen Behinderungen<br />
<strong>und</strong> Bedrängungen zum Trotz<br />
hielten die Unfallchirurgen in der DDR auch<br />
die unsichtbare Flagge der Menschlichkeit<br />
<strong>und</strong> der Kollegialität aufrecht. Ohne diese<br />
wäre die Wiederherstellung der Einheit in<br />
diesem für die uns anvertrauten Menschen<br />
so wichtigen Bereich schwerlich so rasch, so<br />
erfolgreich <strong>und</strong> so atraumatisch gelungen,<br />
wie sie tatsächlich zustande gekommen ist.<br />
Im Jahr der Wiedervereinigung starb unser<br />
ältestes Ehrenmitglied, „der Chirurg mit<br />
dem Jahrh<strong>und</strong>ert“, Werner Wachsmuth,<br />
dessen Wort die Unfallchirurgen in Ost <strong>und</strong><br />
West beherzigten: „Nicht äußere Liebenswürdigkeit<br />
<strong>und</strong> Bequemlichkeit des Umganges<br />
begründen Fre<strong>und</strong>schaften, sondern<br />
alle wirklich echten <strong>und</strong> beständigen Beziehungen<br />
zwischen den Menschen beruhen<br />
auf der Erkenntnis des inneren Wertes des<br />
Anderen.“ [4]<br />
Prof. Dr. Jürgen Probst<br />
Asamallee 10<br />
82418 Murnau/Staffelsee<br />
Literatur<br />
1. Thukydides, Peloponnesischer Krieg I, 22<br />
2. L. v. Ranke, Tagebuch um 1840<br />
3. L. v. Ranke, Sämtliche Werke 24, 288<br />
4. W. Wachsmuth, Zentralblatt für Chirurgie 67<br />
(1940)<br />
2<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Vorwort<br />
E. Markgraf, W. Otto, K. Welz<br />
Die Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der<br />
Unfallchirurgie“ der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallchirurgie, die von J. Probst<br />
ins Leben gerufen wurde, hat sich das Ziel<br />
gestellt, persönliche Daten von Repräsentanten<br />
unserer <strong>Gesellschaft</strong> <strong>und</strong> historische<br />
Dokumente zu erhalten <strong>und</strong> der interessierten<br />
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.<br />
Dabei musste vielfach zur Kenntnis genommen<br />
werden, dass, je weiter die Jahrzehnte<br />
zurückliegen, immer weniger Dokumente<br />
erhalten geblieben sind oder Lebensdaten<br />
einst bedeutender Vertreter der Chirurgie<br />
vorliegen. Zwangsläufig ergab sich die<br />
Notwendigkeit, entsprechende Fakten <strong>und</strong><br />
Gegebenheiten auch über die Unfallchirurgie<br />
in der DDR zu konservieren. 2005 hat<br />
sich deshalb eine besondere Arbeitsgruppe<br />
konstituiert, die ihre Bemühungen unter<br />
der Losung „wider das Vergessen <strong>und</strong> wider<br />
das Verfälschen“ begonnen hat. Dieses<br />
Supplement enthält das Ergebnis der Bemühungen.<br />
Die Beiträge erheben nicht den<br />
Anspruch, geschichtswissenschaftlichen<br />
Anforderungen gerecht zu werden. Es sind<br />
vielmehr persönliche Erfahrungen der Autoren,<br />
die, J. Probst ausnehmend, alle in<br />
leitenden Positionen in der DDR tätig waren<br />
<strong>und</strong> deshalb Zeitzeugen sind. Auf zahlreiche<br />
Persönlichkeiten <strong>und</strong> ihre unfallchirurgischen<br />
Aktivitäten in der DDR konnte<br />
nicht eingegangen werden. Recherchen,<br />
die alle Kliniken der DDR <strong>und</strong> ihre leitenden<br />
ärztlichen Persönlichkeiten erfasst hätten,<br />
waren den Herausgebern <strong>und</strong> Autoren aus<br />
sicher verständlichen Gründen nicht möglich.<br />
Die in den vorliegenden Beiträgen zum<br />
jetzigen Zeitpunkt noch erfassbaren Fakten<br />
<strong>und</strong> Dokumente haben wir aufbereitet, weil<br />
diese in einigen Jahren oder Jahrzehnten<br />
nicht mehr zugänglich sein werden. Die<br />
Meinung eines um eine spezielle Auskunft<br />
gebetenen Kollegen, „dass die an einer Situation<br />
beteiligten <strong>und</strong> in einer Ereignisfolge<br />
mitwirkenden Personen nicht in der Lage<br />
sind, die Fakten <strong>und</strong> die daraus resultierenden<br />
Probleme wertungsfrei zusammenzufassen“,<br />
haben wir nicht geteilt; die sicher<br />
nicht widerlegbare Befangenheit haben wir<br />
bewusst in Kauf genommen.<br />
Wir bitten zu berücksichtigen, dass Vergleiche<br />
der unterschiedlichen staatlichen<br />
Systeme nur möglich sind, wenn die gleichen<br />
historischen Zeiträume <strong>und</strong> ihre Entwicklungsstufen<br />
zugr<strong>und</strong>e gelegt werden.<br />
Es muss auch betont werden, dass die<br />
Realität der zwei deutschen Staaten auf<br />
völlig unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
<strong>und</strong> Möglichkeiten, die auch unterschiedliche<br />
Denkweisen <strong>und</strong> Vorstellungen hervor<br />
gerufen haben, basierten. Was das ärztliche<br />
Ethos <strong>und</strong> die Bewältigung der besonderen<br />
Leistungsanforderungen an Unfallchirurginnen<br />
<strong>und</strong> Unfallchirurgen betrifft, dürfte<br />
eine weitgehende Übereinstimmung in beiden<br />
deutschen Staaten vorgelegen haben.<br />
Der Beitrag über die gesellschaftlichen<br />
Konditionen wurde bewusst <strong>und</strong> unabhängig<br />
von zwei Mitherausgebern der Beiträge<br />
verfasst, da diese wichtige Einschätzung der<br />
Realität in der DDR eine nuancierte Betrachtung<br />
notwendig erscheinen lässt.<br />
Die in den einzelnen Kapiteln dargestellten<br />
Auffassungen der Autoren zeigen deren<br />
subjektive Sicht, die nicht mit der Meinung<br />
der Herausgeber übereinstimmen muss.<br />
Wir hoffen, dass sich trotz der formulierten<br />
Unzulänglichkeiten insgesamt ein Überblick<br />
ergibt, der die spezifische Situation unfallchirurgischer<br />
Betätigung in der DDR in den<br />
einzelnen Entwicklungsphasen hinreichend<br />
real widerspiegelt.<br />
H. W. Schreiber hat auf dem 117. Kongress<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
im Jahr 2000 das Thema seines Vortrags<br />
„Ist Geschichte noch zeitgemäß“? treffend<br />
beantwortet: „Geschichte ist immer zeitgemäß<br />
<strong>und</strong> immer notwendig. Wir sind täglich<br />
aufs Engste mit ihr verb<strong>und</strong>en. Wer die<br />
Vergangenheit missachtet, handelt wider<br />
Vernunft <strong>und</strong> Klugheit. Er ist nur zufällig in<br />
der Gegenwart <strong>und</strong> fährt mit Abblendlicht<br />
in die Zukunft“. [1]<br />
Wir hoffen, dass unsere Beiträge das Interesse<br />
der Leser finden <strong>und</strong> die <strong>Mitteilungen</strong><br />
nützlich sind. Die Herausgeber danken allen<br />
Autoren für ihre engagierte Mitarbeit <strong>und</strong><br />
die fruchtbaren Diskussionen bei mehreren<br />
Autorenberatungen.<br />
Prof. Dr. E. Markgraf<br />
Gillestr. 5<br />
07743 Jena<br />
Prof. Dr. W. Otto<br />
Am Park 5<br />
06184 Kabelsketal<br />
OT Dieskau<br />
Dr. K. Welz<br />
Finsterwalder Str. 45a<br />
03048 Cottbus<br />
Literatur<br />
1. Chirurg BDC 39, Nr. 8, 202–295<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 3
<strong>Gesellschaft</strong>liche Konditionen – Teil 1<br />
W. Otto<br />
Gegründet auf den Trümmern des Nazireiches,<br />
des von ihm angezettelten <strong>und</strong><br />
schließlich verlorenen 2. Weltkrieges, durch<br />
Reparationsleistungen an die Siegermächte,<br />
vor allem an die Sowjetunion, zusätzlich<br />
geschwächt, entwickelte sich im Osten<br />
Deutschlands, der sowjetischen Besatzungszone<br />
(„SBZ“), mit der DDR ein „Arbeiter- <strong>und</strong><br />
Bauernstaat“. Geführt von der aus der Vereinigung<br />
von KPD <strong>und</strong> SPD entstandenen<br />
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands<br />
(SED), wurde als offizielle Doktrin die Diktatur<br />
des Proletariates vertreten, <strong>und</strong> es sollte<br />
angeblich eine sozialistische, später eine<br />
kommunistische <strong>Gesellschaft</strong>sordnung aufgebaut<br />
werden. Nicht zur Klasse der Arbeiter<br />
<strong>und</strong> Bauern gehörende Bürger wurden<br />
in allen Lebensbereichen offen <strong>und</strong> absichtsvoll<br />
benachteiligt, von der Teilnahme<br />
ausgeschlossen oder nur unter erschwerten<br />
Bedingungen dazu zugelassen.<br />
Die gezielte, planmäßig-tendenziöse <strong>und</strong><br />
höchst kritische Information der Bürger über<br />
die vorausgegangene nationalsozialistische<br />
Herrschaft bereits im Kindesalter <strong>und</strong> die<br />
umfassende Verurteilung dieses Regimes<br />
standen schon sehr bald für viele Menschen<br />
im Osten in krassem Widerspruch zu den<br />
ideologisch-strategischen Vorgaben der<br />
„Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernmacht“ <strong>und</strong> ihrer diktatorischen<br />
Umsetzung. Diese zeigte sich<br />
nicht zuletzt in der massenhaften Enteignung<br />
bis dahin privat geführter Unternehmen<br />
<strong>und</strong> der Zwangskollektivierung der<br />
Landwirtschaft in den fünfziger Jahren. Das<br />
führte zwangsläufig zur Verstärkung oppositioneller,<br />
systemkritischer Gedanken <strong>und</strong><br />
Hintergr<strong>und</strong>saktivitäten, vor allem in Kreisen<br />
der Intelligenz.<br />
Die deutlichen Vorteile, die staats- <strong>und</strong> parteiergebene<br />
„Aktivisten“ <strong>und</strong> Mitläufer in<br />
beruflicher wie persönlicher Entwicklung<br />
genossen, führten andererseits jedoch<br />
zu einem Zustrom von Mitgliedern in die<br />
Staatspartei <strong>und</strong> die sogenannten Blockparteien<br />
(mit der SED in der „Nationalen<br />
Front“ zusammengeschlossen <strong>und</strong> weitgehend<br />
gleichgeschaltet). Die zunehmende<br />
selbstverständliche Besetzung wichtiger<br />
Positionen in allen Lebensbereichen mit<br />
Parteimitgliedern führte zu einer weiter<br />
wachsenden Zahl opportunistischer Parteieintritte.<br />
Damit sank zugleich die Chance<br />
der parteilos <strong>und</strong> kritisch gebliebenen<br />
Bevölkerungsteile, Führungspositionen zu<br />
besetzen, auch wenn die fachliche Qualifikation<br />
gleichwertig oder sogar höher war.<br />
Im Hochschulbereich bzw. in der Wissenschaft<br />
galten gr<strong>und</strong>sätzlich die gleichen<br />
Bedingungen, nur setzten sie sich dort, ganz<br />
besonders auf dem Sektor des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
<strong>und</strong> der medizinischen Fakultäten,<br />
mit weniger großer Geschwindigkeit durch.<br />
Politischer Druck, Enteignungen <strong>und</strong> die<br />
schon früh deutlich werdende relative<br />
Schwäche des in der DDR praktizierten<br />
Wirtschaftssystems, dominiert von Volkseigenen<br />
Betrieben, Staatsgütern, Landwirtschaftlichen<br />
<strong>und</strong> Handwerklichen Produktionsgenossenschaften<br />
<strong>und</strong> zentralen<br />
Plankommissionen mit deren langfristigen<br />
unrealistischen Vorgaben, waren für viele,<br />
vor allem Intellektuelle, Gründe, dieses Land<br />
zu verlassen. Das schwächte zusätzlich das<br />
System <strong>und</strong> führte schließlich zu den Maßnahmen<br />
des 13. August 1961, dem Bau der<br />
Berliner Mauer sowie der Selbstschussanlagen,<br />
Zäune <strong>und</strong> Minenfelder entlang der<br />
Grenze zur B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
(BRD). Damit hinderte man die Menschen<br />
einerseits zwar an der Flucht aus diesem<br />
Land, verstärkte aber andererseits die kritische<br />
Auseinandersetzung vieler Menschen<br />
mit dem immer mehr sich als unfähig <strong>und</strong><br />
menschenverachtend zu erkennen gebenden<br />
Regime „von Partei <strong>und</strong> Regierung“. Verb<strong>und</strong>en<br />
mit den Maßnahmen des 13. August<br />
1961 war ein absolutes Reiseverbot in<br />
die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, von dem<br />
nur die „Reisekader“ <strong>und</strong> später die Rentner<br />
nicht betroffen waren. Auch der Reiseverkehr<br />
in die osteuropäischen Staaten wurde<br />
eher restriktiv gesteuert <strong>und</strong> unterlag strengen<br />
Regularien.<br />
Alle Wirtschafts- <strong>und</strong> Lebensbereiche waren<br />
neben der staatlich-administrativen<br />
Leitung der Kontrolle <strong>und</strong> Weisung von Parteileitungen<br />
unterstellt. Oberstes Gremium<br />
war das Politbüro des Zentralkomitees der<br />
SED, entscheidende Person dessen Generalsekretär,<br />
in der Regel in Personalunion<br />
Staatsratsvorsitzender <strong>und</strong> Vorsitzender<br />
des Nationalen Verteidigungsrates, also<br />
Oberbefehlshaber der Streitkräfte (W. Ulbricht,<br />
E. Honnecker!). Durch den Staatssicherheitsdienst<br />
<strong>und</strong> die Polizeikräfte des<br />
Innenministeriums erfolgte eine intensive<br />
breitflächige Überwachung der Bürger. Bei<br />
Bedarf wurden die KVP (kasernierte Volkspolizei),<br />
später die NVA (Nationale Volksarmee)<br />
<strong>und</strong> die Kampfgruppen der Betriebe<br />
zur „Abwehr des Klassenfeindes“, zur „Wahrung<br />
des inneren Friedens“, <strong>und</strong> zur Beseitigung<br />
<strong>und</strong> Bekämpfung von „Staatsfeinden“<br />
eingesetzt. Die Justiz ahndete Verstöße gegen<br />
die ideologisch-politischen Verhaltensvorschriften<br />
mit besonders drastischen Urteilen.<br />
Wer also nicht mitmachte, sondern<br />
sich eigene Gedanken machte, musste in<br />
Kauf nehmen, ein Außenseiter <strong>und</strong> Außenstehender<br />
zu sein oder sogar mit Strafe verfolgt<br />
zu werden. Alles dies war geeignet, ein<br />
umfassendes System der Verunsicherung<br />
<strong>und</strong> Angst zu etablieren. „Mit der Bombe<br />
leben“ nannten das die Betroffenen, <strong>und</strong><br />
das Spiel mit dem Risiko war eine Art täglich<br />
neu zu bestehenden, geradezu „sportlichen“<br />
Wettbewerbs, der nicht immer fair <strong>und</strong> dessen<br />
Ausgang nie ganz sicher war.<br />
Für die Medizin <strong>und</strong> die zu ihr gehörenden<br />
Berufsgruppen trat die politisch-ideologische<br />
Indoktrination im Vergleich mit den<br />
übrigen Lebensbereichen etwas verzögert<br />
ein <strong>und</strong> entwickelte sich weniger dramatisch.<br />
Die Nachkriegschefs in den Krankenhäusern<br />
<strong>und</strong> Kliniken waren in der Regel<br />
bürgerlicher Herkunft <strong>und</strong> in vielen Fällen<br />
Kriegsteilnehmer. Sie waren in ihrem politischen<br />
Engagement eher zurückhaltend<br />
<strong>und</strong> gegenüber dem herrschenden Regime<br />
skeptisch. Es dauerte viele Jahre, sie entweder<br />
zu aktiver politischer Mitarbeit zu<br />
gewinnen oder sie durch systemtreue Nachfolger<br />
zu ersetzen. Gegen Ende der DDR war<br />
jedoch schließlich der prozentuale Anteil<br />
der SED-Mitglieder in den Führungsetagen<br />
<strong>und</strong> -positionen auch im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />
Hochschulwesen der DDR eindeutig höher<br />
als bei den übrigen Mitarbeitern. Allerdings<br />
war es nicht gelungen, dieses Prinzip komplett<br />
durchzusetzen.<br />
Viele im Ges<strong>und</strong>heitswesen Tätige, vor allem<br />
Ärzte, verließen bis 1961 aber auch noch in<br />
den nachfolgenden Jahren trotz Gefahr für<br />
Freiheit, Leib <strong>und</strong> Leben die DDR, um in der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik in einer freiheitlichen <strong>Gesellschaft</strong>sordnung<br />
<strong>und</strong> unter günstigeren<br />
wirtschaftlichen Bedingungen einen Neubeginn<br />
zu wagen. Wer im Osten blieb, tat<br />
dies nicht unbedingt aus Sympathie zur<br />
DDR <strong>und</strong> ihren Machthabern, sondern aus<br />
familiärem Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />
wegen persönlicher Bindungen an die vertraute<br />
Heimatregion oder aus solidarischer<br />
Verantwortung gegenüber beruflichen<br />
4<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Aufgaben <strong>und</strong> den Menschen, die daran<br />
beteiligt oder davon betroffen waren. Man<br />
suchte <strong>und</strong> fand Gleichgesinnte, traf sich in<br />
Arbeitsgruppen, in der Freizeit <strong>und</strong> im privat<br />
– persönlichen Bereich, grenzte sich ansonsten<br />
weitgehend ab <strong>und</strong> mied, wo immer<br />
möglich, offizielle <strong>und</strong> politische Anlässe,<br />
Diskussionen oder Meinungsäußerungen,<br />
beschränkte die beruflichen Aktivitäten auf<br />
rein wissenschaftliche <strong>und</strong> praktische Arbeit<br />
<strong>und</strong> Erfahrungsaustausch.<br />
Einige Angehörige der Intelligenz <strong>und</strong> der<br />
Ärzteschaft waren nach späterem eigenem<br />
Bek<strong>und</strong>en in die SED eingetreten, um diese<br />
von innen her zu reformieren. Davon war allerdings<br />
bis zur Wende im Jahr 1989 wenig<br />
oder nichts zu spüren.<br />
Das Leben in der DDR war durchgehend von<br />
„Engpässen“, Mangel an Geld, Waren des<br />
täglichen Bedarfs, Versorgungsgütern, Arbeitsmaterialien<br />
<strong>und</strong> daraus resultierenden<br />
Sparzwängen bestimmt. Das war auch <strong>und</strong><br />
besonders im Ges<strong>und</strong>heitswesen deutlich<br />
zu spüren. Besondere Zuwendungen der<br />
Staats- <strong>und</strong> Parteiführung konnten immer<br />
nur für begrenzte Zeit an bestimmte Wirtschaftszweige,<br />
Wissenschaftsdisziplinen<br />
oder medizinische Fachrichtungen erfolgen<br />
<strong>und</strong> waren immer politisch oder devisenwirtschaftlich<br />
motiviert. So kann es als eine<br />
Gunst der Zeit betrachtet werden, dass die<br />
medizinisch-ärztlichen Bemühungen um<br />
eine entscheidende Verbesserung der unfallchirurgischen<br />
Versorgung der Bevölkerung<br />
durch Einführung moderner Methoden,<br />
Techniken, Implantate <strong>und</strong> Instrumentensätze<br />
bis hin zur Gründung einer DDR-Sektion<br />
einer von der Schweiz ausgehenden<br />
internationalen Arbeitsgemeinschaft (AO-<br />
International) in den späten 60er <strong>und</strong> den<br />
70er Jahren zusammentrafen mit dem politischen<br />
Willen der Regierenden, auf diesem<br />
Gebiet eine gr<strong>und</strong>legende Veränderung im<br />
positiven Sinn herbei zu führen. Leider blieb<br />
diese Förderung auf den o. g. Zeitraum begrenzt.<br />
Danach fiel das politische Interesse<br />
auf andere prestigeträchtige Disziplinen,<br />
<strong>und</strong> die positive Entwicklung der Unfallchirurgie<br />
musste nun durch persönliche Initiative,<br />
Einfallsreichtum, Improvisation <strong>und</strong><br />
gezielte Fortbildung stabilisiert <strong>und</strong> fortgeführt<br />
werden.<br />
Für die dazu unabdingbar notwendigen<br />
Auslandsbeziehungen der Mitglieder der<br />
Medizinischen <strong>Gesellschaft</strong>en der DDR,<br />
deren Genehmigung <strong>und</strong> Kontrolle war offiziell<br />
zuständig das „Generalsekretariat<br />
der Medizinisch-Wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
der DDR“. Hier wurde auf eine Ideologie-konforme<br />
Entwicklung <strong>und</strong> Gestaltung<br />
aller in- <strong>und</strong> ausländischen Aktivitäten<br />
geachtet <strong>und</strong> gedrungen <strong>und</strong> die jeweils<br />
notwendige Genehmigung erteilt oder<br />
verweigert. Der wissenschaftlich-fachliche<br />
Sachverstand bzw. die Sachdienlichkeit von<br />
Aktivitäten <strong>und</strong> ihrer Initiatoren wurde in<br />
aller Regel hinter die politisch-ideologische<br />
Bewertung gestellt. Gelegentlich bedurfte<br />
es der Fürsprache linientreuer, renommierter<br />
<strong>und</strong> damit einflussreicher Kollegen,<br />
die Entscheidungsgremien zu positiven Urteilen<br />
zu bewegen, auch wenn diese Forderungen<br />
an den jeweiligen Kandidaten nicht<br />
immer vordergründig erfüllt waren.<br />
Prof. Dr. W. Otto<br />
Am Park 5<br />
06184 Kabelsketal<br />
OT Dieskau<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 5
<strong>Gesellschaft</strong>liche Konditionen – Teil 2<br />
K. Welz<br />
Das Vorhaben, die Phänomene <strong>und</strong> Sachverhalte<br />
eines Teilgebietes der Medizin – der<br />
Unfallchirurgie – wenn auch nur für einen<br />
eng bemessenen historischen Zeitabschnitt,<br />
der DDR-Epoche – aufzuzeigen, bleibt ohne<br />
Beachtung entsprechender politischer Dimensionen,<br />
des gesellschaftlichen Umfeldes<br />
<strong>und</strong> der volkswirtschaftlichen Bedingungen<br />
dieses Zeitabschnittes bruchstückhaft <strong>und</strong><br />
für nachfolgende Chirurgengenerationen<br />
unverständlich. Diese Entwicklung aufzuzeigen<br />
heißt vor allem, die im Ergebnis des<br />
zweiten Weltkrieges für die Bevölkerung<br />
Deutschlands so verhängnisvolle Realität<br />
der politischen Teilung des Landes vom<br />
Zeitpunkt des Mauerbaues 1961 bis zur<br />
politischen Wende der Jahre 1989/1990 zu<br />
berücksichtigen. Für die überwiegende Zahl<br />
deutscher Chirurgen <strong>und</strong> Unfallchirurgen<br />
bedeuten jene drei Jahrzehnte nicht nur<br />
die unüberwindliche Trennung deutschen<br />
Territoriums, zugleich auch die Einstellung<br />
<strong>und</strong> den Verlust des wissenschaftlichen<br />
Erfahrungsaustausches sowie kollegialer<br />
Kontakte innerhalb eines beträchtlichen eigenen<br />
Lebensabschnittes.<br />
Während die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
sich rasch in die westliche Staatengemeinschaft<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftssphäre integriert<br />
sah, wurde das Territorium der damaligen<br />
sowjetischen Besatzungszone <strong>und</strong> späteren<br />
DDR Mitglied des sozialistischen Ostblocks.<br />
Mit dieser Teilung Deutschlands entstanden<br />
gänzlich neue Bedingungen für die Organisation<br />
des Ges<strong>und</strong>heitswesens, der medizinischen<br />
Fachdisziplin <strong>und</strong> im Besonderen<br />
auch für die Chirurgie <strong>und</strong> Unfallchirurgie.<br />
Für das Territorium des östlichen Deutschlands<br />
gipfelten sie in separaten Bestrebungen<br />
entsprechender Staatsorgane <strong>und</strong><br />
des Ges<strong>und</strong>heitsministeriums der DDR ausschließlich<br />
ostdeutsche Chirurgentreffen in<br />
Berlin <strong>und</strong> Leipzig zu organisieren <strong>und</strong> 1966<br />
mit der Gründung der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
der DDR <strong>und</strong> den dazugehörigen Sektionen<br />
vollendete Tatsachen zu schaffen.<br />
Generell zeichnete sich damals die Entwicklung<br />
der Nachkriegschirurgie sowohl in ostwie<br />
auch westlichen Landesteilen Deutschlands<br />
durch einen stürmischen Aufschwung<br />
der medizinischen Spezialdisziplinen aus.<br />
Dieser Trend wurde durch beachtliche technische<br />
Neuentwicklungen gestützt, so vor<br />
allem durch die Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung<br />
neuer Biomaterialien die nicht nur der<br />
Herz-, Gefäß- sowie der Transplantationschirurgie<br />
zu großem Aufschwung verhalfen,<br />
sondern vor allem auch den Stellenwert<br />
der Traumatologie hinsichtlich der Osteosynthese<br />
<strong>und</strong> der gesamten operativen<br />
Unfallchirurgie ganz beträchtlich erhöhten.<br />
Diese Trends blieben trotz aller Isolierungsbestrebungen<br />
ostdeutscher Machthaber<br />
auch den Chirurgen <strong>und</strong> Unfallchirurgen<br />
im ostdeutschen Raum nicht verborgen. Die<br />
Entwicklung der stabilen Osteosyntheseverfahren<br />
– initiiert durch die Schweizer<br />
Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese –<br />
fand nachhaltig Eingang in die traumatologische<br />
Patientenversorgung der DDR. Zeigte<br />
sich doch hierbei trotz aller anfänglichen<br />
Probleme der Sicherstellung materieller<br />
Voraussetzungen <strong>und</strong> der Qualifizierung<br />
von Chirurgen ein Ansatz der gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
dem Streben ostdeutscher Politiker entsprach,<br />
Bürgern des Landes eine optimale<br />
medizinische Betreuung zu gewähren <strong>und</strong><br />
die Ergebnis- <strong>und</strong> Lebensqualität Verletzter<br />
positiv zu beeinflussen.<br />
Diese Tatsache spiegelte sich schließlich<br />
für die DDR-Unfallchirurgie in der sehr<br />
fruchtbaren Entwicklung einer Arbeitsgemeinschaft<br />
für Osteosynthese wider, die<br />
ungeachtet aller Probleme der materiellen<br />
Sicherstellung von Instrumenten <strong>und</strong> Implantaten<br />
nach 1970 einen hohen Stellenwert<br />
in der Unfallchirurgie der damaligen<br />
DDR bekam <strong>und</strong> ganz wesentlich zur Wiedergewinnung<br />
von Lebensqualität für verletzte<br />
Patienten beitrug.<br />
Ein vor allem in den 60er <strong>und</strong> 70er Jahren<br />
nachweislicher Leistungsanstieg medizinischer<br />
Betreuung bedarf angesichts getrennter<br />
Entwicklungswege in dem durch<br />
politische Zwänge zweigeteilten Deutschland<br />
mit zwei unterschiedlichen <strong>Gesellschaft</strong>ssystemen<br />
einer differenzierten Betrachtung<br />
<strong>und</strong> Bewertung. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ist vorauszuschicken, dass aufgezwungen<br />
getrennte Wege dennoch nicht der gleichen<br />
Gr<strong>und</strong>lage ärztlicher Ethik <strong>und</strong> gleicher<br />
Ziele unfallchirurgisch ärztlichen Handels<br />
entbehrten. Gute Heilergebnisse zu erreichen,<br />
die bestmögliche Leistungsfähigkeit<br />
Verletzter wiederzugewinnen <strong>und</strong> Patientenerwartungen<br />
nach Begebenheiten<br />
<strong>und</strong> Möglichkeiten zu entsprechen galten in<br />
der DDR als qualitätssichernde Aufgaben in<br />
der medizinischen Betreuung <strong>und</strong> natürlich<br />
auch in der Unfallchirurgie. Leistungsdefiziten<br />
<strong>und</strong> Systemschwächen standen respektable<br />
Betreuungsleistungen <strong>und</strong> Behandlungsqualität<br />
sowie eine nicht unerhebliche<br />
Zahl medizinischer Errungenschaften gegenüber.<br />
Mit den nachfolgenden Kapiteln ist es vom<br />
Autorenkollektiv nicht etwa beabsichtigt<br />
einer vergleichenden Darstellung von Entwicklung<br />
<strong>und</strong> Leistungen der Unfallchirurgie<br />
der früheren DDR zur B<strong>und</strong>esrepublik<br />
zu erliegen. Noch viel weniger konnte es<br />
darum gehen, einer Nostalgiementalität zu<br />
folgen! Undenkbar war darüber hinaus eine<br />
vollständige Chronik der Entwicklung der<br />
Unfallchirurgie jener DDR-Jahrzehnte anzubieten,<br />
weil solches Vorhaben nicht gelingen<br />
konnte. Ziel <strong>und</strong> Zweck nachfolgender<br />
Kapitel ist es, maßgeblich wesentliche Fakten<br />
<strong>und</strong> Phänomene der DDR-Unfallchirurgie<br />
– zu großen Teilen gestützt auf Erinnerungen<br />
aus eigenem Erleben <strong>und</strong> Begleiten<br />
der Entwicklung – tatsachengerecht zu dokumentieren<br />
<strong>und</strong> nicht der Vergessenheit<br />
anheim fallen zu lassen.<br />
Dass solches Vorhaben ein schwieriges<br />
Unterfangen darstellt, beweisen die nunmehr<br />
15 Jahre nach Wiederherstellung der<br />
politischen Einheit Deutschlands nicht endenden<br />
widersprüchlichen Diskussionen –<br />
ob in Bevölkerungskreisen oder politischen<br />
Gesprächsr<strong>und</strong>en – die alle Schattierungen<br />
zwischen uneingeschränkter Zustimmung<br />
<strong>und</strong> Totalablehnung der DDR-Realität beinhalten.<br />
Dazu wecken die unsicheren Perspektiven<br />
des gegenwärtigen Ges<strong>und</strong>heits<strong>und</strong><br />
Sozialwesen nicht nur neuen Zündstoff,<br />
sondern zugleich Erinnerungen an so manche<br />
Errungenschaften des DDR-Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />
die bisher völliger Ignoranz<br />
anheim fielen. Aktuell erfahren frühere<br />
Ambulanz- <strong>und</strong> Poliklinikstrukturen unter<br />
neuen Gesichtern nichts anderes als ihre<br />
Wiederbelebung, erwiesen sich doch Polikliniken,<br />
fachärztliche Gemeinschaftspraxen<br />
<strong>und</strong> Betriebsambulatorien von außerordentlicher<br />
Betreuungseffizienz <strong>und</strong> nicht zu<br />
übersehender Wirtschaftlichkeit. Wenn hier<br />
Kritik zu üben ist, dann vor allem an mangelhafter<br />
Ausstattung <strong>und</strong> politischer Leitungsbeeinflussung!<br />
Sehnsüchte nach dem<br />
Kassenarztsystem <strong>und</strong> freier Niederlassung<br />
bestanden damals offenbar nicht.<br />
Keine Zweifel! Mit der Wiedervereinigung<br />
Deutschlands wurden neben allen Nach-<br />
6<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
teilen einer politischen Diktatur die in der<br />
Partei, Staatsführung <strong>und</strong> Sicherheitsorganen<br />
uneingeschränkte Macht ausübte,<br />
eine Vielzahl von beklagten Fesseln, die besonders<br />
Mediziner unter DDR-Bedingungen<br />
als ungerecht empfanden, zurecht beseitigt.<br />
Erinnert sei an solche Beispiele wie politische<br />
Unmündigkeit <strong>und</strong> weltanschauliche<br />
Intoleranz, an Furcht vor politischer Überwachung,<br />
an aufgezwungene Unterordnung<br />
in das Kollektiv mit Unterdrückung<br />
von Eigeninteressen, die Privilegierung von<br />
Parteigängern, Reisebeschränkungen <strong>und</strong><br />
Reisekaderproblematik, materielle Mängelwirtschaft<br />
mit Knappheit von Gütern <strong>und</strong><br />
Verbrauchsmaterialien. Sie alle erzeugten<br />
unverkennbar Widerspruch, Demotivierung<br />
im beruflichen Alltag bis hin zum Verdruss<br />
in der privaten Lebenssphäre.<br />
Dennoch konnte, wie das Verkehrswesen der<br />
DDR den grünen Pfeil, so das sozialistische<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen für sich eine Reihe an<br />
Positiva in Anspruch nehmen, die an Bedeutung<br />
ersterem bei weitem in den Schatten<br />
stellten. Für alle Bürger fand die kostenlose<br />
medizinische Behandlung deren ungeteilte<br />
Zustimmung im breiten Bevölkerungskreis.<br />
Auch die Existenz der Polikliniken, Fachambulanzen<br />
<strong>und</strong> poliklinischen Hausarztpraxen<br />
erfreuten sich weitgehender Zustimmung<br />
<strong>und</strong> verbreiteter Inanspruchnahme<br />
durch die Bevölkerung. Das ausgesprochen<br />
gut organisierte Zusammenwirken von stationären<br />
<strong>und</strong> ambulanten Behandlungseinrichtungen<br />
spiegelte nicht nur ein hohes<br />
Maß an Gemeinschaftsbezogenheit wider,<br />
sondern verhalf der knapp bemessenen materiellen<br />
Basis zu Effektivität, dabei gewann<br />
die tägliche Arbeitsgemeinschaft über das<br />
berufliche Zusammenwirken vielmehr auch<br />
als menschliches Begegnungsfeld Bedeutung.<br />
Es schloss gnadenlose Konkurrenz<br />
einerseits <strong>und</strong> Ausuferung eines Verdienststrebens<br />
aus. Eine Ökonomisierung des ärztlichen<br />
Berufes, wie sie heute ausgeprägt die<br />
Wandlung des Patienten zum K<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
die Krankheit zur Ware hat, war damaliger<br />
DDR-Ärzteschaft fremd. Sicher sind diese<br />
aufgezeigten Vor- <strong>und</strong> Nachteile damaliger<br />
Zeit intensiver diskussionswürdig. Zu beklagen<br />
ist heute, dass unvoreingenommene<br />
Gespräche dazu unterblieben sind <strong>und</strong><br />
durchaus gute Entwicklungen diskussionslos<br />
der Vergessenheit anheim fielen.<br />
Beispiele aus 30 Jahren einer Entwicklung<br />
in der Unfallchirurgie der DDR stellen nachdrücklich<br />
unter Beweis, dass sich die Unfallchirurgen<br />
unter DDR-Verhältnissen zu einer<br />
vergleichbar leistungsfähigen Institution<br />
unter den zentraleuropäischen Staaten entwickelt<br />
haben. Drei Beispiele mögen diese<br />
Aussage unterstreichen.<br />
1. Bezirke der früheren DDR verfügten<br />
ohne Ausnahme über gegliederte Betreuungsstrukturen<br />
stationärer Versorgung von<br />
Verletzten durch eine Differenzierung zwischen<br />
Einrichtungen mit Schwerpunktfunktionen<br />
<strong>und</strong> Krankenhäusern der Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong><br />
Regelversorgung. Zu den Schwerpunktkrankenhäusern<br />
zählten alle Hochschulkliniken<br />
<strong>und</strong> solche von Bezirks- sowie ausgewählten<br />
leistungsfähigen Kreiskrankenhäusern,<br />
denen sowohl fachliche wie organisatorische<br />
Verantwortung für eine qualifizierte<br />
Behandlung Schwerverletzter oblagen. Sie<br />
setzten in vier Jahrzehnten DDR – in gleicher<br />
Weise wie in den westlichen B<strong>und</strong>esländern<br />
– Maßstäbe für eine hochqualifizierte<br />
Behandlung Schwerverletzter, die von der<br />
Überzeugung bestimmt wurden, dass eine<br />
schwerpunktmäßige unfallchirurgische Tätigkeit<br />
eine unabdingbare Voraussetzung<br />
für die medizinische Rehabilitation Verletzter<br />
darstellt. Diese gegliederten Strukturen<br />
mit einer f<strong>und</strong>ierten Auswahl an Schwerpunktkompetenz<br />
zur spezialisierten Verletztenbehandlung<br />
boten ab 1990 so optimale<br />
Voraussetzungen für die Wahrnehmung<br />
qualifizierter Betreuungsaufgaben, dass die<br />
Auswahl von Krankenhäusern für das Verletzungsartenverfahren<br />
praktisch vorprogrammiert<br />
war <strong>und</strong> nur einer kurz zeitigen<br />
reibungslosen Realisierung bedurfte.<br />
2. Die fachliche Kompetenz für spezialisierte<br />
unfallchirurgische Versorgung Verletzter<br />
stützte sich auf den Erwerb der besonderen<br />
unfallchirurgischen Qualifizierung<br />
der „Subspezialisierung Traumatologie“, die<br />
für einen Facharzt für Chirurgie eine dreijährige<br />
Zusatzqualifikation nach einer seit<br />
1973 bewährten Weiterbildungsordnung<br />
erforderlich machte. Zum Zeitpunkt der<br />
deutschen Wiedervereinigung bot nicht nur<br />
ein über knapp zwei Jahrzehnte konzeptionell<br />
bewährtes Spezialisierungsverfahren,<br />
sondern vor allem auch die Vielzahl subspezialisierter<br />
Unfallchirurgen auf ostdeutschem<br />
Territorium die Gewähr, sowohl für<br />
eine vergleichbar gute <strong>und</strong> spezialisierte<br />
unfallchirurgische Patientenversorgung,<br />
zugleich aber auch für die Bewältigung aller<br />
zu erwartenden Aufgabenstellungen<br />
des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens.<br />
Die Weiterbildungsordnungen in Ost<br />
<strong>und</strong> West zeigten inhaltlich völlig vergleichbare<br />
Maßstäbe, sie waren hier wie da durch<br />
die Überzeugung der Verantwortlichen bestimmt,<br />
dass eine qualifizierte ärztliche Tätigkeit<br />
in der Unfallchirurgie unabdingbare<br />
Voraussetzung für die Optimierung der Behandlung<br />
Verletzter darstellte.<br />
3. Einen weiteren Akzent setzte das Wirken<br />
der im Dezember 1968 innerhalb der<br />
Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
DDR gegründeten Arbeitsgemeinschaft für<br />
operative Knochenbruchbehandlung. Ihre<br />
vielfachen Aktivitäten bei der Lösung ihrer<br />
Aufgabenstellungen, wie landesweite Organisation<br />
der operativen Frakturenbehandlung,<br />
umfassende Qualifizierung von Unfallchirurgen<br />
<strong>und</strong> Operationsschwestern in<br />
den Belangen neuer operativer Techniken,<br />
wissenschaftlicher Erfahrungsaustausch,<br />
das Mitwirken an der Regulierung materieller<br />
Ressourcen, die Überwachung einer<br />
kontinuierlichen Dokumentation operativer<br />
Behandlungen von Knochenbrüchen, zeigte<br />
nicht nur die Akzeptanz durch ihre Mitglieder,<br />
sie erlangten zugleich Anerkennung<br />
durch die führenden Kollegen der Schweizer<br />
AO <strong>und</strong> weiterer europäischer Sektionen.<br />
Den mit Unterstützung von Synthes <strong>und</strong><br />
der AO International regelmäßig veranstalteten<br />
AO-Kursen für Ärzte <strong>und</strong> Operationsschwestern<br />
sowie der AO-Symposien während<br />
der DDR-Zeit wurde trotz unübersehbarer<br />
Schwierigkeiten ihrer Durchführung<br />
ein stets vergleichbarer hoher technischer<br />
Standard zu den Veranstaltungen der westlichen<br />
Länder bescheinigt. Der Durchführung<br />
der ostdeutschen AO-Dokumentation<br />
haben ausländische Kollegen ebenso Lob<br />
gezollt, wie der exakten Anwendung der<br />
AO-Technik, die durch besondere Exzellenz<br />
der Arbeit beeindruckt hatten.<br />
Diese nur wenigen Beispiele stehen für eine<br />
Vielzahl positiver Identifikationsmerkmale<br />
für gute Erfahrungen <strong>und</strong> bemerkenswerte<br />
Fähigkeiten der DDR-Unfallchirurgie. Die Ergebnisse<br />
<strong>und</strong> Phänomene von drei bis vier<br />
Jahrzehnten DDR-Zeit in toto schlecht zu<br />
reden entspricht einfach nicht den objektiven<br />
Gegebenheiten. Insofern verdient die<br />
Geschichte der Unfallchirurgie in der DDR<br />
mit ihren Schwächen <strong>und</strong> Stärken, mit nicht<br />
übersehbaren Missklängen aber auch den<br />
nachweislich überwiegenden Errungenschaften<br />
eine faire Analyse.<br />
Dr. K. Welz<br />
Finsterwalder Str. 45a<br />
03048 Cottbus<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 7
Aufbau des staatlichen<br />
Ges<strong>und</strong>heits wesens der DDR<br />
W. Senst, K. Welz<br />
Gr<strong>und</strong>sätzliches zur<br />
Ges<strong>und</strong>heitspolitik<br />
Die wichtigen Zielssetzungen unterschieden<br />
sich nicht gr<strong>und</strong>sätzlich von denen anderer<br />
entwickelter Länder. Das Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />
Sozialwesen war fest in das staatliche <strong>und</strong><br />
gesellschaftliche System der sozialistischen<br />
DDR eingeordnet. In der Verantwortung<br />
waren deshalb weit überwiegend die staatlichen,<br />
nur in geringer Zahl kirchliche gemeinnützige<br />
Träger.<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzlichen Schwerpunkte der Ges<strong>und</strong>heits-<br />
<strong>und</strong> Sozialpolitik wurden, wie in<br />
allen Bereichen der Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>,<br />
nach Vorbereitung <strong>und</strong> auf Vorschlag<br />
der oberen Parteigremien auf den Parteitagen<br />
der SED beschlossen (z. B. Ausbau <strong>und</strong><br />
Verstaatlichung des Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />
Investitionen für den Aufbau neuer Krankenhäuser<br />
<strong>und</strong> Altersheime usw.). Gr<strong>und</strong>satzentscheidungen<br />
konnten von unteren<br />
Leitungsebenen nicht beeinflusst werden.<br />
Auch bei der Umsetzung der Beschlüsse<br />
wurden die wesentlichen Entscheidungen<br />
von den Parteiorganen der SED getroffen.<br />
Das führte mitunter zu Spannungen mit der<br />
staatlichen Seite.<br />
Dazu der letzte Ges<strong>und</strong>heitsminister der<br />
DDR L. Mecklinger [5]: „… Subjektivistische,<br />
opportunistische Entscheidungen in personellen<br />
Fragen wurden initiiert bzw. getroffen,<br />
Überheblichkeit <strong>und</strong> Arroganz gegenüber<br />
Staatsfunktionären blieben keine Seltenheit,<br />
ein absolut unbegründeter Alleinvertretungsanspruch<br />
in der Beurteilung von zentralen<br />
<strong>und</strong> örtlichen Projekten im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
unterminierten die Autorität der<br />
zur Mitarbeit bereiten Beratungsgremien auf<br />
staatlicher Ebene <strong>und</strong> ignorierten die Sach<strong>und</strong><br />
Entscheidungskompetenz zuständiger<br />
staatlicher Leiter <strong>und</strong> Organe“.<br />
Bestandteil ges<strong>und</strong>heitspolitischer Belange<br />
waren auch die Vergütungen, die für alle<br />
Beschäftigten des staatlichen Ges<strong>und</strong>heits-<br />
<strong>und</strong> Sozialwesens ein Rahmenkollektivvertrag<br />
(RKV) regelte, der zwischen<br />
dem Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
<strong>und</strong> dem Zentralvorstand der Gewerkschaft<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen abgeschlossen wurde.<br />
Im Vorwort zum RKV 1972 [9] schreibt der<br />
Stellvertreter des Ministers, OMR Dr. Erler:<br />
„ … Die Festlegungen über die Vergütungen<br />
der Beschäftigten des Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens<br />
drücken die Anerkennung aus,<br />
die die Werktätigen der <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen<br />
Republik den Mitarbeitern des<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens entgegen<br />
bringen …“. Er enthielt alle Regelungen des<br />
Geltungsbereiches, der Eingruppierungen,<br />
der Vergütungen <strong>und</strong> Zuschläge, einschließlich<br />
für Bereitschaftsdienste. Nach § 8 war<br />
der Abschluss von Einzelverträgen möglich,<br />
was aber eine große Ausnahme war.<br />
Die Tariftabellen weisen im Jahre 1972<br />
für Chefärzte bis zum 12. Dienstjahr ein Gehalt<br />
von 1.900 <strong>und</strong> nach dem 30. von 2.100<br />
Mark aus. Ein Oberarzt erhielt 200 Mark<br />
weniger. Die wissenschaftliche Qualifikation<br />
für Habilitierte wurde mit monatlichen<br />
Zuschlägen von 200 <strong>und</strong> für Professoren<br />
mit 400 Mark honoriert. Die Bezahlung des<br />
Bereitschaftsdienstes war vom Umfang der<br />
Aktivzeit abhängig. Bei einer durchschnittlichen<br />
Tätigkeit über 4 St<strong>und</strong>en erhielt der<br />
Facharzt für die Bereitschaftsdiensteinheit<br />
von 12 St<strong>und</strong>en insgesamt 32 Mark. Das Gehalt<br />
einer Schwester lag bei 500 Mark.<br />
Struktur <strong>und</strong> Leitungsebenen<br />
Die von den Parteitagen der SED gefassten<br />
profilbestimmenden (verbindlichen!) Beschlüsse<br />
wurden auf dem staatlichen Wege<br />
unter Kontrolle der Parteiorgane umgesetzt.<br />
Die erforderlichen Gesetze wurden von der<br />
Volkskammer nach Vorbereitung <strong>und</strong> Beratung<br />
im Ausschuss für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
verabschiedet.<br />
Anmerkung In der 8. Wahlperiode bestand<br />
dieser Ausschuss aus 37 Mitgliedern,<br />
24 kamen aus dem Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen:<br />
17 Ärzte, davon 5 Hochschullehrer,<br />
5 Krankenschwestern, 1 Fürsorgerin, 1 Hebamme.<br />
15 der 37 Ausschussmitglieder gehörten<br />
der SED an. [13]<br />
Die Exekutivebenen waren: Ministerium<br />
für Ges<strong>und</strong>heitswesen (Uni-Kliniken betreffend:<br />
Abstimmung zwischen den Ministerien<br />
für Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong> Hoch- <strong>und</strong><br />
Fachschulwesen) Rat des Bezirkes (Bezirksarzt,<br />
Ausschuss für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
des Bezirkstages) Rat des Kreises (Kreisarzt,<br />
Ausschuss für Ges<strong>und</strong>heitswesen des<br />
Kreistages) Ärztliche Direktoren der Krankenhäuser<br />
<strong>und</strong> weiterer Einrichtungen des<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich galt das Prinzip der doppelten<br />
Unterstellung in der Leitungsstruktur. So<br />
zum Beispiel war der Bezirksarzt fachlich<br />
dem Minister für Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong><br />
als Ratsmitglied dem Vorsitzenden des Rates<br />
des Bezirkes unterstellt.<br />
Anmerkung Die Ausschüsse der Bezirks<strong>und</strong><br />
Kreistage hatten keine generelle Entscheidungsbefugnis.<br />
Deren formellen Befugnisse<br />
waren auf die lokale Umsetzung der jeweiligen<br />
Beschlüsse <strong>und</strong> Gesetze ausgerichtet.<br />
In den Einrichtungen des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
bestand das Prinzip der ärztlichen Leitung,<br />
das nach Mecklinger [5] seit 1971 auch<br />
in der Ebene Ministerium galt. Weiterhin<br />
herrschte seit Bestehen der DDR das Prinzip<br />
der Einzelentscheidung. Dieses galt auch<br />
für den Chefarzt, der die Verantwortung für<br />
alle Belange der Klinik trug! Der Gr<strong>und</strong>satz<br />
einer ärztlichen Leitung von Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen<br />
war nach Mecklinger [6] Gegenstand<br />
ständiger Diskussionen höheren<br />
Ortes, wurde aber nicht aufgegeben.<br />
Die Medizinischen Bereiche der Hochschulen<br />
sowie der Akademie der Wissenschaften;<br />
die Medizinischen Dienste des Verkehrswesens,<br />
der Nationalen Volksarmee, der<br />
Volkspolizei, des Ministeriums für Staatssicherheit;<br />
der Sportmedizinische Dienst [3]<br />
waren nicht dem Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
unterstellt, sondern befanden<br />
sich im Weisungsbereich des jeweiligen<br />
Ministers. Daraus ergaben sich Schwierigkeiten<br />
in medizinisch-administrativer Hinsicht<br />
<strong>und</strong> vor allem bei der Aufteilung von<br />
knappen Ressourcen <strong>und</strong> Valutamitteln.<br />
Versicherungswesen<br />
Bereits nach dem Ende des Krieges begann<br />
in der Sowjetischen Besatzungszone auf der<br />
8<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Basis eines Befehls der Sowjetischen Militäradministration<br />
Deutschlands (SMAD)<br />
die Umgestaltung aller Bereiche der Sozialversicherung,<br />
der Sozialfürsorge <strong>und</strong><br />
der Vertragsversicherung (Personen- <strong>und</strong><br />
Sachversicherung) <strong>und</strong> wurde nach Gründung<br />
der DDR fortgesetzt. Die allgemeine<br />
Sozialversicherung lag fortan, einschließlich<br />
der Sozialfürsorge, in den Händen der<br />
Sozialversicherungskasse (SVK) des Freien<br />
<strong>Deutsche</strong>n Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es (FDGB =<br />
Einheitsgewerkschaft). Die Sozialversicherung<br />
Selbständiger, der Bauern <strong>und</strong> Genossenschaftler<br />
erfolgte durch die <strong>Deutsche</strong><br />
Versicherungsanstalt (DVA), später Staatliche<br />
Versicherung der DDR, welche auch<br />
die Sach- <strong>und</strong> Vertragsversicherung betrieb<br />
[11]. Insgesamt gab es also nur zwei Versicherungsträger.<br />
In diesem Rahmen erfolgte<br />
im Lauf der Jahre auch die systematische<br />
Neuregelung des Begutachtungswesens.<br />
Stationärer Bereich<br />
Die Aufgaben <strong>und</strong> die Organisation der<br />
Krankenhäuser des Staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
regelte die „Rahmen-Krankenhausordnung“<br />
(RKO), die 1954 [1] in Kraft<br />
trat <strong>und</strong> 1979 [10] aktualisiert wurde. Diese<br />
Ordnung legte die Aufgaben, die Gr<strong>und</strong>sätze<br />
der medizinischen Betreuung, die Gruppierungen<br />
<strong>und</strong> das Leistungsprofil sowie die<br />
Leitungsstruktur fest.<br />
Die RKO 1979 unterschied – in leichter Abwandlung<br />
zur RKO 1954 – folgende Krankenhausgruppen:<br />
A) Orts-/Stadtkrankenhäuser<br />
Unterstellt den Räten der der Gemeinden,<br />
Städten, Kreise<br />
B) Kreiskrankenhäuser/Kreiskrankenhäuser<br />
mit erweiterter Aufgabenstellung<br />
Unterstellt den Räten der Kreise<br />
C) Bezirkskrankenhäuser<br />
Unterstellt den Räten der Kreise<br />
D) durch das Ministerium zentral geleitete<br />
Krankenhäuser <strong>und</strong> Forschungsinstitute<br />
mit klinischen Abteilungen<br />
Unterstellt dem Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
E) Fachkrankenhäuser<br />
Unterstellt den Räten der Kreise oder Bezirke<br />
Alle Krankenhäuser verfügten neben den<br />
stationären über ambulante <strong>und</strong> diagnostisch-therapeutische<br />
Kapazitäten<br />
Gemäß RKO 1979 wurden die Standorte,<br />
Kapazitäten, Struktur, Leistungsprofil <strong>und</strong><br />
Betreuungsbereiche für Krankenhäuser der<br />
Gruppen A, B, C <strong>und</strong> E unter Berücksichtigung<br />
allgemeiner Vorgaben des Ministeriums<br />
für Ges<strong>und</strong>heitswesen durch die Räte<br />
der Bezirke festgelegt. Die Kategorien des<br />
Leistungsprofils waren: Die Gr<strong>und</strong>betreuung,<br />
die spezialisierte medizinische Betreuung<br />
<strong>und</strong> die hochspezialisierte medizinische<br />
Betreuung.<br />
Krankenhäuser der Gruppe A, in Abteilungen<br />
<strong>und</strong> Stationen gegliedert, gewährleisteten<br />
die medizinische Gr<strong>und</strong>betreuung<br />
auf 1 bis 3 Fachgebieten, darunter in der Regel<br />
Innere Medizin <strong>und</strong> Chirurgie. Sie durften<br />
mit Zustimmung des Bezirksarztes die<br />
Bezeichnung „Kreiskrankenhaus“ führen.<br />
Krankenhäuser der Gruppe B, unterteilt<br />
in Abteilungen <strong>und</strong> Stationen, gewährleisteten<br />
die Gr<strong>und</strong>betreuung auf 4 <strong>und</strong><br />
mehr Fachgebieten, vertreten in der Regel<br />
die Fachgebiete Innere Medizin, Chirurgie,<br />
Kinderheilk<strong>und</strong>e, Gynäkologie/Geburtshilfe,<br />
die anästhesiologische Betreuung war<br />
Bedingung. Vorhanden waren weiterhin Abteilungen<br />
für Röntgendiagnostik, Labordiagnostik,<br />
Physiotherapie. Die Räte der Bezirke<br />
konnten Häusern der Gruppe B Aufgaben<br />
der spezialisierten medizinischen Betreuung<br />
übertragen. So erfüllten „Kreiskrankenhäuser<br />
mit erweiterter Aufgabestellung“<br />
überkreisliche Aufgaben <strong>und</strong> verfügten<br />
über weitere Fachgebiete wie Intensivtherapie,<br />
Unfallchirurgie, Urologie, Neurologie/<br />
Psychiatrie u. a..<br />
Krankenhäuser der Gruppe C gewährleisteten<br />
die spezialisierte Betreuung in einem<br />
größeren Betreuungsbereich, erfüllten die<br />
Aufgaben eines Notfallzentrums <strong>und</strong> hatten<br />
außerdem die medizinische Gr<strong>und</strong>betreuung<br />
im engeren Bereich zu sichern. Vertreten<br />
waren in der Regel folgende Leistungsbereiche:<br />
Innere Medizin (einschließlich<br />
Dialyse, Infektionskrankheiten), Chirurgie<br />
(einschließlich Abteilung Traumatologie),<br />
Kinderchirurgie, Kinderheilk<strong>und</strong>e, Gynäkologie/Geburtshilfe,<br />
Urologie, Orthopädie,<br />
Hals-Nasen-Ohrenheilk<strong>und</strong>e, Augenheilk<strong>und</strong>e,<br />
Haut- <strong>und</strong> Geschlechtskrankheiten,<br />
Kiefer- <strong>und</strong> Gesichtschirurgie, Neurologie/<br />
Psychiatrie, Intensivtherapie/Anästhesiologie,<br />
Labordiagnostik, Röntgendiagnostik,<br />
Nuklearmedizin, Pathologie (ggf. Gerichtsmedizin),<br />
Physiotherapie, Arbeitstherapie,<br />
Klinische Pharmakologie, Zentrale Operationsabteilung,<br />
Rettungsstelle. Bei besonderen<br />
territorialen Erfordernissen konnten<br />
weitere Leistungsbereiche vorhanden sein.<br />
Krankenhäuser der Gruppe C waren in Kliniken,<br />
Abteilungen <strong>und</strong> Stationen gegliedert.<br />
Ein Institutsstatus (der Radiologie,<br />
Pathologie, Laboratoriumsdiagnostik u. a.)<br />
war möglich. Kliniken <strong>und</strong> Institute durften<br />
aus mehreren fachlich selbständigen Abteilungen<br />
in wissenschaftlich begründeter<br />
Größenordnung bestehen.<br />
Krankenhäuser der Gruppe D erfüllten Aufgaben<br />
der spezialisierten <strong>und</strong> hochspezialisierten<br />
medizinischen Betreuung.<br />
Krankenhäuser der Gruppe E waren überregionale<br />
Fachkrankenhäuser für Neurologie<br />
<strong>und</strong> Psychiatrie, für Lungenkrankheiten<br />
<strong>und</strong> Tuberkulose, für Orthopädie sowie Rehabilitation.<br />
Krankenhäuser der Gruppen C <strong>und</strong> D hatten<br />
medizinischen Zentralbibliotheken, alle<br />
anderen Häuser medizinische Fachbibliotheken.<br />
Soweit Auszüge aus der RKO 1979. Dieser<br />
gesetzlich mögliche Zustand konnte häufig<br />
nicht realisiert werden, teils aus objektiven,<br />
teils aus personellen Gründen.<br />
Eine besondere Kategorie der stationären<br />
Einrichtungen, die Regierungskrankenhäuser,<br />
übernahmen keine allgemeinen Versorgungsaufgaben.<br />
Sie standen nur den Mitarbeitern<br />
höherer Leitungsebenen von Partei,<br />
Regierung <strong>und</strong> Wirtschaft, auch Botschaftsangehörigen,<br />
zur Verfügung.<br />
Die Krankenhäuser der evangelischen <strong>und</strong><br />
katholischen Kirche waren in der jeweiligen<br />
Region fest in das System des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
einbezogen <strong>und</strong> leisteten einen<br />
stabilen Beitrag in der Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> spezialisierten<br />
Betreuung (s. Beitrag S. Grafe: “Konfessionelle<br />
Häuser“ in diesem Kapitel). Die<br />
diesbezüglichen Abstimmungen erfolgten<br />
mit den Bezirksärzten <strong>und</strong> Kreisärzten. Ihre<br />
Kosten rechneten sie mit den Versicherungsträgern<br />
nach Tageskostensätzen ab,<br />
die jährlich neu festgelegt wurden. Wegen<br />
der in der Regel besseren apparativen Ausrüstung<br />
(Geräte <strong>und</strong>/oder Devisen aus der<br />
BRD), vor allem aber wegen der vorbildlichen<br />
ärztlichen <strong>und</strong> pflegerischen Betreuung,<br />
genossen die konfessionellen Häuser<br />
ein großes Vertrauen der Bevölkerung.<br />
Es fehlte eine zentrale <strong>und</strong> entsprechend<br />
ausgerüstete Klinik für thermische Verletzungen.<br />
Ausgewählte Einrichtungen der<br />
Hochschulen <strong>und</strong> des kommunalen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
(z.B. das Bezirkskrankenhaus<br />
St. Georg Leipzig) übernahmen überregionale<br />
Aufgaben bei der Behandlung<br />
Verbrennungsverletzter, die aber sowohl in<br />
räumlicher als auch personeller Hinsicht die<br />
Normen einer „burn unit“ nicht erreichten.<br />
Anmerkung Anlässlich des IV. Unfallchirurgenkongresses<br />
der Sektion Traumatologie<br />
1973 referierten Röding (Potsdam), Sauer u. a.<br />
(Leipzig), Simko (Kosiče), Dietz (Berlin), Zellner<br />
(Ludwigshafen zum „Stand der Vorarbeiten<br />
zur Gründung von Verbrennungszentren in<br />
der DDR“. [8]<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 9
Die besondere Unterstützung durch das<br />
Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen war bis<br />
zu einem gewissen Grade gegeben. Sie bestand<br />
u. a. in der Gewährung von Importen<br />
(z. B. Antiseptika, Dermatome) <strong>und</strong> Unterstützung<br />
von Hospitationen, besonders in<br />
den Verbrennungszentren der CSSR in Prag<br />
<strong>und</strong> Kosiče. Das relativ hohe Behandlungsniveau<br />
von Verbrennungsverletzten wurde<br />
maßgeblich durch die Arbeitsgemeinschaft<br />
„Thermische <strong>und</strong> kombinierte Schäden“ innerhalb<br />
der Sektion Traumatologie beeinflusst.<br />
Zu den Leistungen der AG zählten<br />
Produkte für den temporären Hautersatz,<br />
die in der Praxis zur Anwendung gelangten.<br />
Eine Forschungsgruppe um Prof. Dr. S. Kiene<br />
entwickelte eine desantigenisierte, lyophilisierte<br />
Schweinespalthautkonserve („Xenoderm“).<br />
Eine weitere Gruppe um Frau Prof.<br />
Dr. H. Arzinger-Jonasch <strong>und</strong> Dr. J. Riedeberger<br />
(Leipzig) setzte die Produktion eines synthetischen<br />
Hautersatzes („SYSpur-derm“)<br />
durch. 1979 erschien von H. Arzinger-Jonasch<br />
<strong>und</strong> J. Riedeberger die Monografie<br />
„Klinik <strong>und</strong> Therapie der Verbrennungsverletzungen“<br />
(2. Auflage 1983).<br />
Ambulanter Bereich [7, 11]<br />
Die Polikliniken der Chirurgischen Kliniken<br />
der Universitäten <strong>und</strong> Medizinischen Akademien<br />
blieben auch in der DDR traditioneller<br />
integraler Bestandteil der Klinik in<br />
allen Belangen der Lehre, Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Medizinischen Betreuung.<br />
Die Polikliniken in den Städten waren die<br />
Basis der ambulanten Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> spezialisierten<br />
Betreuung. Gr<strong>und</strong>sätzlich wurde<br />
die Funktions- <strong>und</strong> Verwaltungseinheit<br />
mit dem stationären Bereich (sog. „Funktionseinheit<br />
Krankenhaus-Poliklinik“) angestrebt,<br />
was auch überwiegend der Fall war.<br />
Die verwaltungstechnische <strong>und</strong> juristische<br />
Verselbständigung einer Poliklinik setzte<br />
sich in der Regel dort durch, wo es sich um<br />
unterschiedliche Standorte handelte.<br />
In größeren Chirurgischen Abteilungen<br />
der Polikliniken erfolgte eine gewisse Spezialisierung.<br />
Fachärzte, die sich z. B. schwerpunktmäßig<br />
mit Unfallchirurgie, Handchirurgie,<br />
Proktologie befassten. Es war möglich<br />
<strong>und</strong> laut RKO 1979 [10] abgesichert, mit<br />
der Klinik zu kooperieren, dort auch operativ<br />
tätig zu werden <strong>und</strong> sich am Bereitschaftsdienst<br />
zu beteiligen.<br />
Die Betriebspolikliniken wirkten in den<br />
größeren Betrieben aller Industriezweige.<br />
Schwerpunkt war die arbeitsmedizinische<br />
Betreuung <strong>und</strong> ambulante Gr<strong>und</strong>versorgung.<br />
Die Stadtambulatorien waren anfänglich<br />
organisatorisch den Polikliniken angegliedert.<br />
Sie wurden vorwiegend von Fachärzten<br />
für Allgemeinmedizin geleitet. Angesiedelt<br />
waren weiterhin Kinderärzte, selten<br />
Gynäkologen. Neben dem entsprechenden<br />
mittleren medizinischen <strong>und</strong> technischen<br />
Personal waren dem Stadtambulatorium<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendfürsorgerinnen <strong>und</strong> erfahrene<br />
Gemeindeschwestern zugeordnet,<br />
die dem Leiter organisatorisch unterstellt<br />
waren. Über Röntgeneinrichtungen, Laboratorien,<br />
chirurgisch-instrumentelle Ausrüstungen<br />
verfügten die Ambulatorien nicht.<br />
In den 80er Jahren wurden alle Stadtambulatorien<br />
<strong>und</strong> Staatliche Arztpraxen zusammengefasst,<br />
geleitet von einem Direktor für<br />
ambulante Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen, der<br />
direkt dem Kreisarzt unterstellt war.<br />
Die Funktion der staatlichen Landambulatorien<br />
entsprach jener der Ambulatorien<br />
in den Städten, jedoch mit breiterer Aufgabenstellung,<br />
aber eingeschränkten medizinischen<br />
Leistungsprofil. Ihnen waren<br />
weiterhin regionale Kinderkrippen, Altersheime,<br />
Behinderteneinrichtungen medizinisch,<br />
disziplinarisch <strong>und</strong> verwaltungstechnisch<br />
unterstellt. Sie wurden durchgehend<br />
von Fachärzten für Allgemeinmedizin<br />
betrieben. Bei erhöhtem Bedarf war eine<br />
st<strong>und</strong>enweise Unterstützung durch Ärzte<br />
anderer Fachrichtungen wie Innere Medizin,<br />
Pädiatrie, Gynäkologie zwar möglich, aber<br />
die Ausnahme.<br />
Die Aufgabenstellung erstreckte sich auf<br />
die medizinische Gr<strong>und</strong>versorgung im umfassenden<br />
Sinne. Der Allgemeinarzt wurde<br />
regelmäßig <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich primär<br />
aufgesucht. Ärzte anderer Fachrichtungen<br />
wurden nur auf dem Überweisungswege in<br />
Anspruch genommen. Zu seinen Aufgaben<br />
zählten weiterhin Schwangerenberatungen,<br />
Mütterberatungen, Impfprophylaxe, Vorsorgeuntersuchungen<br />
in Kinderkrippen <strong>und</strong><br />
-gärten, Arbeitsmedizinische Untersuchung<br />
der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung.<br />
Zugeordnet waren Gemeindeschwestern,<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendfürsorgerinnen.<br />
Landambulatorien wurden schon in den<br />
50er Jahren in Regionen dünner Besiedelung<br />
<strong>und</strong> landwirtschaftlicher Schwerpunkte<br />
erbaut, vorwiegend als einheitlicher Typenbau.<br />
Ihr medizinisches Versorgungsgebiet<br />
erstreckte sich über mehrere Dörfer mit insgesamt<br />
8.000 bis 15.000 Einwohnern.<br />
In den Staatlichen Arztpraxen wirkten vorwiegend<br />
Fachärzte für Allgemeinmedizin.<br />
Sie handelten in eigener Verantwortung,<br />
<strong>und</strong> die Organisationsform dieser Praxen<br />
entsprach im Wesentlichen der einer Niederlassung.<br />
Verwaltungstechnisch organisatorisch<br />
waren sie zum Teil den Ambulatorien,<br />
zum Teil dem Rat des Kreises zugeordnet.<br />
Dementsprechend war auch die<br />
disziplinarische Unterstellung unterschiedlich<br />
geregelt.<br />
Im Oktober 1989 arbeiteten 22.000 Ärzte<br />
(über die Hälfte aller Ärzte der DDR) <strong>und</strong><br />
13.000 Zähnärzte in den staatlichen ambulanten<br />
Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen.<br />
Privatpraxen waren die absolute Ausnahme.<br />
Noch in den 50er Jahren wurde die<br />
ambulante medizinische Betreuung vorwiegend<br />
von niedergelassenen Ärzten getragen.<br />
Nach dem Mauerbau 1961 wurde auf<br />
einen Wechsel dieser Ärzte in Einrichtungen<br />
des staatlichen ambulanten Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
gedrängt. Neue Niederlassungen<br />
wurden nur noch dann gewährt, wenn<br />
Kinder die elterliche Praxis übernehmen<br />
wollten. 1989 standen 341 Ärzte in eigener<br />
Niederlassung 1635 Ärzten in Staatspraxen<br />
gegenüber.<br />
Ein weit verbreitetes Prinzip war die vertraglich<br />
geregelte, honorierte <strong>und</strong> außerhalb<br />
der Dienstzeit zu erbringende Nebentätigkeit<br />
(sog. „Z-Stelle“ = Z(usatz)-Stelle).<br />
Zahlreiche Klinikärzte wurden so ambulant<br />
tätig. Auf diese Regelung griff man dann zurück,<br />
wenn in Ambulanzen <strong>und</strong> Polikliniken<br />
notwendige fachärztliche Leistungen aus<br />
personellen Gründen nicht gewährleistet<br />
waren oder der Bedarf für eine volle Planstelle<br />
nicht ausreichte. Von dieser Regelung<br />
profitierten auch die Patienten, da häufig<br />
der Erstkontakt vor einer Operation, dann<br />
die stationäre Behandlung einschließlich<br />
des operativen Eingriffs bis hin zur Nachsorge<br />
in den Händen des gleichen Arztes lag.<br />
Mit der besseren personellen Ausstattung<br />
des ambulanten Bereichs trat diese Z-Stellen-Regelung<br />
mehr <strong>und</strong> mehr in den Hintergr<strong>und</strong>.<br />
Eine besondere Aufgabe der ambulanten<br />
Einrichtungen waren die „Dispensaires“.<br />
Aus der im Mittelalter in Klöstern Frankreichs<br />
gewährten unentgeltlichen Heilbehandlung<br />
<strong>und</strong> Arzneiabgabe entwickelte<br />
sich als moderne Form eine Bindung an die<br />
Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge. In der DDR integrierte<br />
die „Dispensairebetreuung“ alle Maßnahmen<br />
einer ständigen, kontinuierlichen<br />
Überwachung, Behandlung <strong>und</strong> Rehabilitation<br />
Gefährdeter <strong>und</strong> Geschädigter. Im<br />
Gegensatz zur Spezialsprechst<strong>und</strong>e stand<br />
der langfristige <strong>und</strong> prophylaktische Aspekt<br />
im Vordergr<strong>und</strong>. Außerdem fanden letztere<br />
vorwiegend in den Kliniksambulanzen statt<br />
10<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
<strong>und</strong> wurden von spezialisierten Klinikärzten<br />
durchgeführt.<br />
Zur ambulanten Behandlung unfallchirurgischer<br />
Patienten<br />
Für die stationären Unfallchirurgen war es<br />
unproblematisch, Verletzte nach der Entlassung<br />
aus stationärer Behandlung in den<br />
Klinikambulanzen des Krankenhauses weiter<br />
zu behandeln <strong>und</strong> zu kontrollieren. Das<br />
erfolgte in der Regel dann, wenn aus fachlichen<br />
Gründen die direkte Nachsorge vorteilhaft<br />
erschien.<br />
In zahlreichen größeren Polikliniken mit chirurgischen<br />
Abteilungen hatte sich ein Arzt<br />
auf dem Gebiete der Unfallchirurgie spezialisiert,<br />
der mit der Klinik kooperierte, teilweise<br />
dort operativ tätig wurde <strong>und</strong> an den<br />
Klinikfortbildungen teilnahm. Eine weitere<br />
Möglichkeit war eine vertraglich geregelte,<br />
honorierte Nebentätigkeit (Z-Stelle) von Klinikärzten<br />
in der Ambulanz. Ein stationärer<br />
Unfallchirurg konnte auf dieser Honorarbasis<br />
sowohl in der Klinikambulanz als auch in<br />
der Poliklinik tätig werden.<br />
Kur- <strong>und</strong> Bäderwesen, Rehabilitation<br />
(unter Mitarbeit von R. Lang*)<br />
Das Kur- <strong>und</strong> Bäderwesen war neben den<br />
stationären <strong>und</strong> ambulanten Einrichtungen<br />
eine 3. Säule im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen<br />
der DDR. Dieses genoss die besondere<br />
fachliche <strong>und</strong> wissenschaftliche Aufmerksamkeit<br />
<strong>und</strong> Unterstützung der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Physiotherapie.<br />
Jeder Facharzt konnte unter Beachtung der<br />
Fragen<br />
– Ist die Kur notwendig?<br />
– Ist der Patient kurfähig?<br />
– Liegt eine Kureignung vor?<br />
– Hat der Patient die richtige Einstellung zur<br />
Kur?<br />
beim zuständigen Kreisarzt eine Kur beantragen.<br />
Dieser legte den Antrag einer<br />
Fachkommission zur Prüfung vor <strong>und</strong> traf<br />
im positiven Falle die Genehmigung unter<br />
Beachtung seines Kontingents, das ihm aufgeschlüsselt<br />
nach Einwohnerzahl <strong>und</strong> industrieller<br />
Ballung über seinen Bezirksarzt<br />
vom Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
<strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esvorstand des FDGB (Freier<br />
<strong>Deutsche</strong>r Gewerkschaftsb<strong>und</strong>) als Kostenträger<br />
zugeteilt worden war.<br />
* Dr. med. R. Lang, vorm. Ärztlicher Direktor des Kliniksana<br />
toriums für Unfall- <strong>und</strong> Sportverletzte „Raupennest“,<br />
Altenberg/Erzgebirge.<br />
1978 wurde vom Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
ein Verzeichnis über die Bäder<br />
<strong>und</strong> Sanatorien <strong>und</strong> deren Leistungsprofil<br />
herausgegeben. Dabei wurde auf die Konzentration<br />
bestimmter Indikationen <strong>und</strong><br />
Krankheitsgruppen auf besonders geeignete,<br />
hinsichtlich ihrer speziellen diagnostischen<br />
<strong>und</strong> therapeutischen Möglichkeiten<br />
profilierte Kur- <strong>und</strong> Rehabilitationseinrichtungen<br />
geachtet.<br />
Die zahlreichen traditionellen Kureinrichtungen<br />
aus der Vorkriegszeit wurden zum<br />
Teil weiter ausgebaut. Die Kapazität für Genesungskuren,<br />
auch nach leichteren Unfällen,<br />
war ausreichend.<br />
Problematisch war die Frührehabilitation<br />
bzw. die spezielle Rehabilitation schwerer<br />
<strong>und</strong> besonderer Unfallfolgen. Diese wurde<br />
zumeist von den erstbehandelnden stationären<br />
Einrichtungen übernommen. Die<br />
heutigen optimalen Voraussetzungen wie<br />
Bewegungsbad, Ergotherapie <strong>und</strong> dergleichen<br />
waren allerdings selten <strong>und</strong> zuletzt<br />
nur in den neu erbauten Bezirkskrankenhäusern<br />
gegeben.<br />
Das „Raupennest“ in Altenberg (Osterzgebirge),<br />
allgemein als Sanatorium für Unfall<strong>und</strong><br />
Sportverletzungen bezeichnet, war eine<br />
Ausnahme. Es war die einzige Einrichtung<br />
für die spezielle Rehabilitation nach Unfällen<br />
bzw. orthopädischen Operationen, abgesehen<br />
vom Sanatorium in Kreischa bei Dresden,<br />
das aber nur den Leistungssportlern<br />
vorbehalten blieb. Das Haus war im Jahre<br />
1926 von der Aktiengesellschaft „Sächsische<br />
Werke“ als imposantes Hotel „Berghof Raupennest“<br />
erbaut worden. Der 2. Weltkrieg<br />
hinterließ nur eine Ruine. Nach dem Wiederaufbau<br />
1951 wurde es als Rehabilitationsstätte<br />
genutzt. Ab 1. Januar 1989 erhielt<br />
Raupennest den Status „Kliniksanatorium“.<br />
Jährlich wurden im „Raupennest“ mit etwa<br />
150 Betten etwa 1200 Patienten von 90<br />
Mitarbeitern, darunter 4 Ärzten, behandelt.<br />
Rehabilitationsziel war die Wiedereingliederung<br />
in den Arbeitsprozess sowie in das<br />
private <strong>und</strong> gesellschaftliche Leben. Als<br />
Therapieformen kamen neben der Physiotherapie<br />
(Einzel- <strong>und</strong> Gruppengymnastik,<br />
Gehschule, Schlingenkäfig, Schwimmübungen,<br />
Fußübungsgerät) die Ergotherapie<br />
(Weben, Knüpfen, Drucken, Emaillieren) <strong>und</strong><br />
der Heilsport (Konditionierung, gezielter<br />
Muskelaufbau) zum Einsatz. In der Freizeit<br />
standen den Rehabilitanden eine umfangreiche<br />
Bibliothek, wie auch Klub-, Schach<strong>und</strong><br />
Billardräume zur Verfügung. Kulturelle<br />
Veranstaltungen <strong>und</strong> Arztvorträge dienten<br />
der Unterstützung des Rehabilitationsprozesses.<br />
Jährlich wurden „Raupennestsportspiele“<br />
veranstaltet, um dauergeschädigte<br />
Menschen für den Versehrtensport des<br />
DTSB (<strong>Deutsche</strong>n Turn- <strong>und</strong> Sportb<strong>und</strong>) der<br />
DDR zu interessieren.<br />
Der reguläre Aufenthalt von 4 Wochen<br />
reichte für die schwersten Unfallfolgen<br />
nicht aus. Die für einen 10-Jahreszeitraum<br />
errechnete durchschnittliche Verweildauer<br />
betrug 41,6 Tage. Der Einweisungsmodus<br />
war der speziellen Indikation angepasst. 10<br />
größere Kliniken (Universitäten, Akademien,<br />
einzelne BKH) hatten ein Kontingent für Direkteinweisungen<br />
mit der Möglichkeit einer<br />
Frührehabilitation. Beim regulären Einweisungsverfahren<br />
wurde auf eine strenge Indikationsstellung<br />
geachtet.<br />
Ein großes Defizit im internationalen Vergleich<br />
bestand bis zur Wende bei der Rehabilitation<br />
Querschnittsgelähmter. Einige<br />
Fortschritte gab es durch die zentral angeordnete<br />
Regelung in den 80er Jahren:<br />
Die Primärversorgung hatte regional in<br />
ausgewählten BKH mit entsprechender<br />
technischer Ausrüstung <strong>und</strong> qualifiziertem<br />
Personal zu erfolgen; daran schloss sich<br />
– regional aufgeteilt – die medizinische Rehabilitation<br />
in den Zentren Sülzhain-Harz<br />
oder Berlin-Buch an; für die soziale Rehabilitation<br />
<strong>und</strong> Integration waren die Kommunen<br />
zuständig.<br />
Ein weiterer Missstand war die unzureichende<br />
<strong>und</strong> zum Teil primitive Ausstattung<br />
mit technischen Hilfsmitteln für körperlich<br />
Behinderte: Es mangelte an Rollstühlen mit<br />
einem höheren technischen Niveau, aber<br />
auch an kleinen Hilfen für die Belange des<br />
täglichen Lebens wie spezielle Essbestecke<br />
<strong>und</strong> dergleichen. Diese mussten entweder<br />
durch Eigenhilfe hergestellt oder irgendwie<br />
beschafft werden.<br />
Militärmedizinische Einrichtungen<br />
Die medizinischen Einrichtungen der Nationalen<br />
Volksarmee (NVA) schalteten sich in<br />
die Betreuung der Bevölkerung ein, sofern<br />
die übergeordneten militärmedizinischen<br />
Belange dies zuließen. In Notfällen bestand<br />
jedoch für die ärztlichen Notfalldienste in<br />
Kliniken <strong>und</strong> Lazaretten der NVA die Pflicht,<br />
sowohl inländische als auch ausländische<br />
Bürger zu versorgen.<br />
Die geregelte Ausbildung von Militärärzten<br />
begann 1951 [2, 4]. Dem Krankenhaus der<br />
Kasernierten Volkspolizei (KVP) in Leipzig-<br />
Wiederitzsch war eine Studentenkompanie<br />
angegliedert, deren Mitglieder an der Medizinischen<br />
Fakultät der Leipziger Universität<br />
studierten. Im Jahre 1955 wurde mit der<br />
Gründung einer Militärmedizinischen Sektion<br />
(MMS) die Ernst-Moritz-Arndt-Universität<br />
Greifswald für die militärmedizinische<br />
Ausbildung ausgewählt. Die MMS in Greifswald<br />
war zugleich Ausbildungsstätte für<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 11
Militärzahnärzte <strong>und</strong> -apotheker. Weiterhin<br />
fanden hier routinemäßig mehrwöchige<br />
Lehrgänge für Reservisten – zu einem hohen<br />
Anteil Chirurgen der Hochschulkliniken<br />
<strong>und</strong> des kommunalen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
– statt.<br />
1954 wurde in Bad Saarow das „Zentralkrankenhaus<br />
der KVP“ errichtet; später „Armeelazarett“<br />
bzw. „Zentrales Armeelazarett“<br />
der NVA <strong>und</strong> ab 1981 „Militärmedizinische<br />
Akademie“ (MMA). Hier wurden Angehörige<br />
der NVA, Zivilbeschäftigte der NVA, Familienangehörige<br />
des Offizierbestandes <strong>und</strong><br />
mit einem Anteil bis zu 30 % der Bettenkapazität<br />
auch zivile Bürger behandelt.<br />
Der Leiter des Lehrstuhls Feldchirurgie<br />
(Prof. Dr. L. Stöcker) war im klinischen Bereich<br />
einer der Stellvertreter des Chefarztes<br />
der Chirurgischen Klinik (Prof. Dr. G. Lochmann).<br />
Eine selbständige Unfallchirurgie<br />
gab es nicht.<br />
Das klinische Profil der MMA Bad Saarow<br />
entsprach dem eines Krankenhauses der<br />
hochspezialisierten Versorgung. Kliniken<br />
<strong>und</strong> Institute zeichneten sich durch eine<br />
sehr gute technische Ausrüstung <strong>und</strong> profilierte<br />
personelle Besetzung aus. Die Chirurgische<br />
Klinik hatte die volle Berechtigung<br />
zur Facharztweiterbildung. Es bestand eine<br />
enge Zusammenarbeit mit zivilen Partnern.<br />
Für Krankenhäuser der Region wurden<br />
Dienstleistungen übernommen (CT, MRT,<br />
Steinzertrümmerung, Schnellschnittuntersuchungen).<br />
Leitende Ärzte arbeiteten in<br />
den wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en der<br />
DDR mit, so der Leiter des Lehrstuhls Feldchirurgie<br />
im Vorstand der Sektion Traumatologie.<br />
Die Standorte der Lazarette: der Landstreitkräfte<br />
in Dresden, Gotha, Leipzig, Neustadt-Glewe,<br />
Potsdam <strong>und</strong> Ückermünde<br />
(Prenzlau), der Seestreitkräfte in Strals<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> der Luftstreitkräfte in Cottbus. Der Anteil<br />
ziviler Patienten war in den Lazaretten<br />
aus Kapazitätsgründen gering.<br />
Die Unfallchirurgie im staatlichen<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
Die „Institutionalisierung“ der Unfallchirurgie<br />
vollzog sich in der DDR relativ schwerfällig.<br />
Alter deutscher Tradition entsprechend<br />
dominierten lange Zeit, wie in der BRD<br />
auch, die Allgemeinchirurgie <strong>und</strong> damit der<br />
Allgemeinchirurg als Chefarzt. Das traumatologische<br />
Krankengut wurde auf einer<br />
„Unfallstation“ zusammengefasst, die oft<br />
vom jeweils jüngsten Oberarzt geleitet <strong>und</strong><br />
dann dem nachrückenden jüngeren Oberarzt<br />
übergeben wurde. Die Assistenten „rotierten“<br />
im Rahmen der Weiterbildung. Die<br />
Dauer ihrer unfallchirurgischen Tätigkeit<br />
wurde zumeist nicht von den Belangen der<br />
Weiterbildung, sondern von denen der Klinik<br />
bestimmt.<br />
Nur in wenigen Häusern <strong>und</strong> Gremien wurde<br />
die zunehmende Bedeutung der Unfallchirurgie<br />
für die medizinische Versorgung<br />
rechtzeitig erkannt. So entstanden selbständige<br />
Kliniken für Unfallchirurgie in Berlin-Friedrichshain<br />
(1956), Berlin-Köpenick<br />
(1961), Karl-Marx-Stadt – die „Zschopauer-Straße“<br />
(1968), Cottbus (1971), Zwickau<br />
(1975), Dessau (1975).<br />
Im Beitrag „Die Entwicklung der Unfallchirurgie<br />
in der DDR“ (Kapitel 6: „Die medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en in<br />
der DDR“) wird ausführlicher über die Stellung<br />
der Unfallchirurgie innerhalb der chirurgischen<br />
Fachrichtung berichtet.<br />
Ausdruck eines Fortschritts <strong>und</strong> einer Anerkennung<br />
der zunehmenden Bedeutung der<br />
Unfallchirurgie war der Aufbau einer geregelten<br />
Aus-, Weiter- <strong>und</strong> Fortbildung. Die<br />
Akademie für Ärztliche Fortbildung in Berlin,<br />
verantwortlich für alle Belange der Weiterbildung<br />
zum Facharzt <strong>und</strong> kontinuierlichen<br />
Fortbildung, regelte die Subspezialisierung<br />
Traumatologie (s. Kap. 7: „Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung“).<br />
Neben den wissenschaftlichen<br />
Themen bildete die Fortbildung bei den<br />
seit 1972 jeweils in 2-jährlichen Abständen<br />
traditionell in Leipzig stattfindenden Unfallchirurgenkongressen<br />
der DDR (s. Kap. 8:<br />
„Kongresse – Tagungen mit internationaler<br />
Beteiligung“) ein Schwergewicht; ebenso<br />
bei den im 2-Jahresabstand stattfindenden<br />
wissenschaftlichen Kongressen der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie der DDR.<br />
Aus der täglichen Praxis<br />
Auf dem Gebiete der Unfallprophylaxe bestanden<br />
Defizite, wie anderen Ortes auch.<br />
In der Verkehrssicherheit reduzierten sich<br />
die Bemühungen auf programmatische Erklärungen.<br />
Das primitive Sicherheitsniveau<br />
der PKW <strong>und</strong> die dürftigen Straßenverhältnisse<br />
setzten der Vorbeugung schwerer<br />
Verletzungen ohnehin objektive Grenzen.<br />
Eine Ausnahme bildeten die Betriebsunfälle,<br />
wo aus den Zahlen im Laufe der Jahre<br />
Fortschritte ersichtlich sind. Trotz des absoluten<br />
Alkoholverbotes beim Führen eines<br />
Kraftfahrzeugs wurde bei den Unfallverursachern<br />
in einem hohen Prozentsatz ein<br />
Alkoholeinfluss nachgewiesen, z. B. in den<br />
Jahren 1970 bis 1980 von 8 bis 9 %.<br />
Die notärztliche Hilfe am Unfallort verbesserte<br />
sich mit der Einrichtung der „Dringlichen<br />
Medizinischen Hilfe“ (DMH), als<br />
Struktureinheit des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
eines Kreises, Mitte der 70er Jahre. Damit<br />
waren Schulungen <strong>und</strong> kontinuierliche<br />
Fortbildungen des Ärzteteams verb<strong>und</strong>en,<br />
die sich an diesem Notdienst beteiligten. Bis<br />
dahin gab es nur an wenigen Einrichtungen<br />
speziell ausgerüstete Krankenwagen, die<br />
vom <strong>Deutsche</strong>n Roten Kreuz der DDR bereitgestellt<br />
<strong>und</strong> in der Regel von den Anästhesisten<br />
im Rahmen eines regulären Bereitschaftsdienstes<br />
besetzt wurden. (s. Kap.<br />
13: „Notfallmedizin, Katastrophenschutz,<br />
Rettungsmedizin“)<br />
Anmerkung Der Aufbau des Systems der<br />
notärztlichen Hilfe wurde vorrangig von den<br />
Vertretern der aufstrebenden Fachrichtung<br />
Anästhesie getragen. Beispielgebend war das<br />
Klinikum Berlin-Friedrichshain. Berlin hatte<br />
seit 1957 die ersten Chefärzte für Anästhesiologie<br />
im deutschsprachigen Raum [12].<br />
Für die DMH standen in den letzten Jahren<br />
spezielle Fahrzeuge zur Verfügung. Der<br />
Verletzten- <strong>und</strong> Krankentransport mit dem<br />
Hubschrauber bildete die absolute Ausnahme,<br />
zurückzuführen auf militärische Vorgaben<br />
<strong>und</strong> auf die Kosten. Außerdem war das<br />
Gerät nur bedingt geeignet, wegen der improvisierten<br />
Ausrüstung <strong>und</strong> vor allem wegen<br />
des Motorenlärms war eine wirksame<br />
notärztliche Behandlung während des<br />
Fluges kaum möglich. (s. auch Kap. 18: "Die<br />
Unfallchirurgie als Wurzel einer modernen<br />
interdisziplinären außerklinischen Notfallversorgung<br />
in Ostdeutschland")<br />
Die Erwartungen der Patienten <strong>und</strong> ihrer<br />
Angehörigen an den Unfallchirurgen waren,<br />
wie in allen Bereichen der Medizin,<br />
sehr hoch. Der DDR-Bürger war durch das<br />
Westfernsehen über den internationalen<br />
Leistungsstand der Chirurgie bestens informiert.<br />
Die Diskrepanz auf medizintechnischem<br />
Gebiet, welche trotz der ständig<br />
anwachsenden Westimporte von Instrumenten<br />
<strong>und</strong> Instrumentarien bis zum Ende<br />
der DDR bestehen blieb, wurde durch schöpferische<br />
Improvisation <strong>und</strong> vor allem durch<br />
das vorbildliche Engagement der Ärzte zu<br />
einem großen Teil kompensiert.<br />
In vielen kleineren Häusern der Gr<strong>und</strong>versorgung<br />
waren die medizintechnischen<br />
Voraussetzungen für eine zeitgemäße unfallchirurgische<br />
Versorgung nicht gegeben.<br />
Zum Beispiel fehlte noch Ende der 70er Jahre<br />
in vielen kleinen Häusern der Bildverstärker,<br />
obwohl dieses Gerät in Dresden produziert<br />
wurde. Die Produktion war begrenzt,<br />
der Export hatte Vorrang. Wiederholte <strong>und</strong><br />
im jeweiligen Jahresplan der Krankenhäuser<br />
schriftlich begründete Anforderungen<br />
führten selten zum Erfolg. Knappe Geräte<br />
12<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
aus Import <strong>und</strong> Eigenproduktion unterlagen<br />
ohnehin der bezirksärztlichen oder noch höheren<br />
Kontrolle <strong>und</strong> wurden je nach offizieller<br />
bzw. regionaler Aufgabenstellung <strong>und</strong><br />
damit nach Dringlichkeit zugeordnet. Auch<br />
die Fachgesellschaften wurden teilweise<br />
einbezogen. Ein Brief aus der üblichen Planungskorrespondenz<br />
soll das exemplarisch<br />
belegen <strong>und</strong> einen Eindruck vermitteln<br />
( Abb. 1).<br />
Der Mangel führte teilweise zu kuriosen Lösungen:<br />
Ein typisches Beispiel gebotenen Improvisationsvermögens<br />
waren die vielen, durchaus originellen<br />
technischen Lösungen der in Eigenproduktion<br />
hergestellten äußeren Festhalter.<br />
Importgeräte renommierter Firmen standen<br />
über viele Jahre nur größeren Kliniken mit<br />
dem Status eines unfallchirurgischen Schwerpunkts<br />
zur Verfügung. Findige Unfallchirurgen<br />
in den kleineren Krankenhäusern gewannen<br />
Feinmechaniker in den unterschiedlichsten<br />
Betrieben der jeweiligen Region für einen Eigenbau.<br />
An Schanz-Schrauben bestand kein<br />
Mangel, <strong>und</strong> die Leistungsfähigkeit eines<br />
Fixateur externe ist nicht an sein Design geb<strong>und</strong>en.<br />
Auch die Frage der Handhabung ist<br />
letztlich zweitrangig. Später stand das in der<br />
DDR hergestellte „System Miehle“ zur Verfügung.<br />
In kleineren Mengen wurden auch der<br />
„Ilisarov-Apparat“ <strong>und</strong> ähnliche Geräte aus<br />
der Sowjetunion importiert.<br />
Die Orthopädiewerkstatt der Charité stellte in<br />
Eigenproduktion einen Halo-Yoke-Fixateur her<br />
– eine wichtige Ergänzung zur operativen Fusion<br />
(lange Zeit mittels selbst gefertigter Implantate,<br />
schmale AO-Platten wurden zersägt!),<br />
besonders bei Verletzungen der oberen Halswirbelsäule.<br />
Das Problem war die Bezahlung,<br />
eine bestimmte finanzielle Grenze durfte nicht<br />
überschritten werden. Die Lösung brachte die<br />
„Umwandlung“ in zwei Geräte, einen Halo <strong>und</strong><br />
einen Yoke. Die jeweilige Rechnungssumme<br />
blieb nun unter der magischen Grenze.<br />
Ein weiteres Beispiel: Vielen DDR-Unfallchirurgen<br />
werden die Fahrten zum Auslieferungslager<br />
für Instrumentarien <strong>und</strong> Implantate<br />
in Gera oder zur Forschungsabteilung der<br />
Herstellerfirma Königssee/Thüringen in Erinnerung<br />
bleiben. Auf diesem Wege <strong>und</strong> unter<br />
Umgehung des staatlichen Planungsrituals<br />
ließen sich unkonventionelle Möglichkeiten<br />
für den Direkteinkauf finden.<br />
Von großem Glück konnte der Unfallchirurg<br />
einer kleineren Einrichtung dann sprechen,<br />
wenn ein höherer Partei- <strong>und</strong> Staatsfunktionär<br />
in seinem Versorgungsbereich verunglückte<br />
<strong>und</strong> wegen der Schwere seiner Verletzungen<br />
nicht in ein Regierungskrankenhaus verlegt<br />
werden konnte. Ad hoc wurde dann ein AO-<br />
Besteck aus irgendwelchen Reserven geliefert<br />
oder auf direktem Wege aus Westberlin<br />
beschafft, welches danach dem Krankenhaus<br />
weiterhin zur Verfügung stand.<br />
Abb. 1 Kopie eines Schreibens des Instituts für Arzneimittelwesen der DDR. Die Versorgung mit<br />
Implantaten lag im Verantwortungsbereich des „Instituts für Arznei mittel wesen“. Die Zusammenarbeit<br />
mit den Fachgesellschaften wurde angestrebt, z. B. hinsichtlich der Zusammensetzung des Sortiments.<br />
Der Mangel an Geräten <strong>und</strong> Instrumentarien<br />
in den kleineren Häusern hatte bei allen<br />
negativen Seiten auch etwas Positives.<br />
Er führte zwangsläufig zur Verlegung der<br />
betroffenen Patienten in die Kliniken der<br />
Universitäten <strong>und</strong> Bezirkskrankenhäuser<br />
mit allen Vorteilen einer Zentralisierung<br />
therapeutisch anspruchvoller Erkrankungen<br />
<strong>und</strong> Verletzungen.<br />
Die meisten DDR-Unfallchirurgen verfügten<br />
über umfangreiche allgemeinchirurgische<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten <strong>und</strong> waren<br />
als Subspezialisten gut weitergebildet (s.<br />
Kap. 7: „Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung“). In vielen<br />
schwierigen Situationen waren sie in der<br />
Lage, sinnvoll zu improvisieren <strong>und</strong> eine folgerichtige<br />
technische Notlösung zu finden.<br />
Auch deshalb bereitete die Handhabung<br />
der nach der Wende schnell zur Verfügung<br />
stehenden Geräte, Instrumentarien <strong>und</strong><br />
Implantate – unterstützt durch Kurse der<br />
Fachgesellschaften <strong>und</strong> Industrie, durch<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 13
Partnerschaften mit westlichen Häusern sowie<br />
durch zahlreiche persönliche Kontakte<br />
<strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftliche Kollegialität – keine<br />
Probleme.<br />
Bedingt durch Mängel in der technischen<br />
Ausrüstung, einschließlich des Operationssaals,<br />
war allerdings die Zahl der Komplikationen<br />
relativ hoch, insbesondere die Infektionsrate.<br />
Neben der Weiterbildung zum Facharzt<br />
<strong>und</strong> traumatologischen Subspezialisierung<br />
war auch die kontinuierliche postgraduale<br />
Fortbildung (Kongresse, Regionaltagungen,<br />
Symposien, Hospitationen) seit Mitte der<br />
60er Jahre sehr gut etabliert (s. Kap. 8:<br />
„Kongresse – Tagungen mit internationaler<br />
Beteiligung“). Die Veranstaltungen fanden<br />
großes Interesse <strong>und</strong> waren immer gut besucht.<br />
Generell bestand wegen des Devisenmangels<br />
ein Defizit an Fachliteratur. Die Anzahl<br />
der Periodika <strong>und</strong> Monografien westlicher<br />
Herkunft in den wissenschaftlichen Bibliotheken<br />
der Krankenhäuser entsprach der<br />
Bedeutung <strong>und</strong> Aufgabenstellung des jeweiligen<br />
Hauses. Die Vergabe erfolgte auf<br />
staatlicher Ebene durch den Bezirksarzt,<br />
dem pro Jahr ein zentral vergebener Fonds<br />
zur Verfügung stand. Seine Entscheidung<br />
basierte auf den Vorschlägen einer von ihm<br />
ernannten Kommission, die aus Ärzten von<br />
Klinik <strong>und</strong> Poliklinik bestand. Darüber hinaus<br />
stand jedem der Literaturdienst großer<br />
Bibliotheken zur Verfügung. Kostenlose<br />
Kopien wissenschaftlicher Artikel konnten<br />
angefordert, Monografien ausgeliehen werden.<br />
Die Unfallchirurgen hatten darüber<br />
hinaus die Möglichkeit, auf zahlreiche von<br />
der AO-International unterstützte <strong>und</strong> von<br />
Firmen getragene zusätzliche Literaturquellen<br />
zurückgreifen zu können. Die Erarbeitung<br />
aktuellen Wissens war zwar mitunter<br />
schwierig, Defizite hatten aber vorwiegend<br />
subjektive Ursachen.<br />
Zusammenfassung<br />
Im DDR-Ges<strong>und</strong>heitswesen dominierte der<br />
staatliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Charakter<br />
seiner Struktur. Dieser Gr<strong>und</strong>satz widerspiegelte<br />
sich in allen Belangen der Leitung, Planung,<br />
Ausrüstung, Wissenschaft, Forschung<br />
<strong>und</strong> Praxis.<br />
Die wesentlichen Entscheidungen wurden<br />
von den Parteiorganen der SED getroffen.<br />
Deren fachliche Inkompetenz führte mitunter<br />
zu Spannungen mit der staatlichen<br />
Leitungsebene <strong>und</strong> den Mitarbeitern des<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens. In den<br />
Einrichtungen des Ges<strong>und</strong>heitswesens bestand<br />
das Prinzip der ärztlichen Leitung.<br />
Trotz vieler Einschränkungen <strong>und</strong> Mängel<br />
war das Ges<strong>und</strong>heitswesen leistungsfähig<br />
<strong>und</strong> konnte beachtliche Erfolge in der<br />
Prophylaxe, Diagnostik, Therapie, Metaphylaxe,<br />
Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung<br />
aufweisen. Hier wurden im Gemeinwesen<br />
DDR zum Teil tragfähige gr<strong>und</strong>sätzliche Lösungen<br />
gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> beachtenswerte Erfahrungen<br />
gemacht.<br />
Den entscheidenden Anteil an diesem erreichten<br />
Niveau hatten die Mitarbeiter<br />
des Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens aller<br />
Ebenen <strong>und</strong> Bereiche. Durch die Systematik<br />
in der studentischen Ausbildung, Weiterbildung<br />
zum Facharzt, Subspezialisierung<br />
<strong>und</strong> kontinuierlichen postgradualen Fortbildung,<br />
besonders jedoch durch hohe Motivation<br />
<strong>und</strong> vorbildliches Engagement waren<br />
die Unfallchirurgen für die anspruchsvollen<br />
Aufgaben gut gerüstet. Der Beweis wurde<br />
nach der Wende angetreten. Mit dem in<br />
kurzer Zeit geschaffenen BRD-Niveau an<br />
Technik <strong>und</strong> Räumlichkeit wurden trotz tief<br />
greifender organisatorischer Umgestaltungen<br />
schnell vergleichbare Ergebnisse<br />
erreicht.<br />
Literatur<br />
1. Anordnung über die Aufgaben <strong>und</strong> die Organisation<br />
der Krankenhäuser des Staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
– Rahmen-Krankenhausordnung –.<br />
Vom 5. November 1954 (GBl Sonderdruck Nr 54).<br />
i.d.F. der ÄndAO vom 7. Juli 1955 (GBl I S. 500).<br />
2. Ewert G, Steiner ER, Maronde HU. Historische<br />
<strong>und</strong> zeitgenössische Fragmente. In: Interaktionen<br />
zwischen der Stadt Greifswald, der Ernst-Moritz-<br />
Arndt-Universität <strong>und</strong> dem Militär. Veröff. Med.<br />
Ges. 2007; Heft 61.<br />
3. Franke K. Persönliche Mitteilung 2007<br />
4. Lemmens FJ, Locher WG. Der Medizinische Dienst<br />
der NVA – Teil I. Klitzschen: Elbe-Dnjepr-Verlag Dr.<br />
Rudi Meier; 2006<br />
5. Mecklinger L. „Das Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR<br />
– Konzept <strong>und</strong> Realität“. Eröffnungsvortrag zur Podiumsdiskussion<br />
zum Thema „Das Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />
der DDR – Konzept <strong>und</strong> Realität“ (Berlin<br />
16.12.1994). In: Rapoport I. Veröffentlichungen<br />
der Interessengemeinschaft Medizin <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
e. V. 1994; 1: 65<br />
6. Mecklinger L. Zur Umsetzung der Ges<strong>und</strong>heitspolitik<br />
im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen der DDR;<br />
Teil 1: Einleitung, Ges<strong>und</strong>heitspolitik, Ges<strong>und</strong>heitszustand,<br />
Leitung. Veröff. Med. Ges. 1998; 4:<br />
1–65 (Heft 13), 32–33<br />
7. Pomerenke G. Persönliche Mitteilung<br />
8. Programmheft des IV. Unfallchirurgenkongresses<br />
der DDR mit internationaler Beteiligung. 5.–7. Dezember<br />
1973 in Leipzig.<br />
9. Rahmenkollektivvertrag für die Beschäftigten<br />
des staatlichen Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens.<br />
1. Auflage. Redaktionsschluss 1. Juli 1972. Staatliches<br />
Amt für Arbeit <strong>und</strong> Löhne. Nr. 133/72<br />
10. Rahmen-Krankenhausordnung – RKO – vom<br />
14. November 1979 (GBl. Sonderdruck Nr. 1032).<br />
11. Rähmer, KH. Persönliche Mitteilung 2006<br />
12. Scheidler K. „Besonderheiten des Berliner Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
in den 50er Jahren“. Vortrag, Wissenschaftliche<br />
Arbeitstagung Medizin <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
e. V. Berlin 26.11.1994. Vom Vortragenden<br />
autorisierte Fassung (Dokumentation IG Medizin<br />
<strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>)<br />
13. Schwartze P. „Die Arbeit des Ausschusses für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
der Volkskammer der DDR“. Vortag,<br />
Wissenschaftliche Arbeitstagung Medizin<br />
<strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong> e. V. Berlin 26.11.1994. Vom Vortragenden<br />
autorisierte Fassung (Dokumentation<br />
IG Medizin <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>)<br />
Prof. Dr. W. Senst<br />
Wildenbruch Str. 5a<br />
15230 Frankfurt/O<br />
Dr. K. Welz<br />
Finsterwalder Str. 45a<br />
03048 Cottbus<br />
14<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Unfallchirurgie an den Hochschuleinrichtungen<br />
der DDR<br />
E. Markgraf, W. Otto<br />
Situation nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft<br />
<strong>und</strong> die Folgen des 2. Weltkrieges<br />
mit den Zerstörungen der Städte durch die<br />
großen Luftangriffe hatten Deutschland<br />
in eine erschütternde Not <strong>und</strong> eine fast<br />
ausweglose Situation gebracht. Mangel an<br />
Unterkünften, Nahrungsmitteln, Kleidung,<br />
Heizmaterialien, Medikamenten, aber auch<br />
räumlichen Kapazitäten für die Kranken<strong>und</strong><br />
Verletztenversorgung bestimmte den<br />
Alltag. Krankheiten (Fleckfieber, Typhus,<br />
Tuberkulose, venerische Erkrankungen) traten<br />
epidemieartig auf. Die anschwellenden<br />
Flüchtlingsströme von Menschen aus den<br />
ehemaligen Ostgebieten verschärften die Situation.<br />
Eine enorme Zahl von Angehörigen<br />
der ehemaligen Wehrmacht war gefallen,<br />
in Kriegsgefangenschaft gekommen oder<br />
galt als vermisst. Die besonders schweren<br />
Bedingungen eines Arztes im 2. Weltkrieg<br />
<strong>und</strong> der nachfolgenden Gefangenschaft hat<br />
der ehemalige Sanitätsoffizier <strong>und</strong> spätere<br />
Ordinarius für Chirurgie in Halle, Karl-Ludwig<br />
Schober (1912–1999), Abb. 1, der die<br />
Schlacht um Stalingrad überlebt hat, anschaulich<br />
geschildert [16].<br />
Zur Behandlung verletzter Menschen standen<br />
in den Jahren nach Beendigung des<br />
2. Weltkriegs nur unzureichende operative<br />
Abb. 1 Porträt von K.-L. Schober (1912–1999)<br />
Aus: Privatbesitz Prof. Dr. Wieland Otto<br />
Möglichkeiten zur Verfügung. Auch die<br />
Reha bilitation der vielen Kriegsversehrten,<br />
die noch über viele Jahre betreuungspflichtig<br />
waren, bereiteten fachliche <strong>und</strong> technische<br />
Probleme. Entsprechende Notsituationen<br />
ergaben sich auch aus den teilweise<br />
erheblichen Kriegseinwirkungen an Krankenhausgebäuden.<br />
Es war, im Westen wie<br />
im Osten, eine erhebliche Aufbauleistung<br />
bei oft desolaten Voraussetzungen nötig. F.<br />
Meißner [10], hat sich in einem Artikel zum<br />
100. Geburtstag des früheren Ordinarius für<br />
Chirurgie in Leipzig, Herbert Uebermuth, folgendermaßen<br />
geäußert: „Lebensgeschichte<br />
ist immer auch Zeitgeschichte. Für die Vita<br />
des von uns heute <strong>und</strong> immer verehrten Herbert<br />
Uebermuth im doppelten Sinn, insofern,<br />
als sein Leben infernalischen äußeren Kräften<br />
ausgesetzt war. Er mußte 2 Weltkriege<br />
durchstehen, <strong>und</strong> er mußte seinen Weg durch<br />
2 Diktaturen finden. Wir sollten uns erinnern,<br />
dass viele Klinikdirektoren <strong>und</strong> erfahrene<br />
Chirurgen aus dem Krieg gekommen waren,<br />
sie vollzogen unter grotesken Bedingungen<br />
den Wiederaufbau ihrer vielfach in ruinenhaftem<br />
Zustand angetroffenen Kliniken in<br />
verblüffender Zeit. Diesen Männern ist viel<br />
zu verdanken, Herbert Uebermuth gehörte<br />
zu ihnen. Sie sicherten, dass es zu keinem Erdrutsch<br />
in der medizinischen Versorgung der<br />
Bevölkerung kam <strong>und</strong> hatten den Anschluß<br />
der deutschen Chirurgie an die rasante Entwicklung<br />
in der westlichen Welt herbeizuführen.“<br />
Eine solche Aufbauleistung aus der Kraft<br />
gestalterischen Willens haben viele Ordinarien<br />
der ostdeutschen Region nach dem<br />
2. Weltkrieg gezeigt.<br />
Über Einflüsse der Kriegsjahre auf die weitere<br />
Profilierung der Unfallheilk<strong>und</strong>e schrieben<br />
Ekkernkamp <strong>und</strong> Probst [2]: „Nach der<br />
Zäsur des 2. Weltkrieges <strong>und</strong> unter dem Einfluss<br />
eines erneuten pragmatischen Wandels<br />
von der morphologisch bestimmten zu einer<br />
zunehmend physiologisch motivierten Chirurgie<br />
veränderte sich auch das Bild der Unfallheilk<strong>und</strong>e:<br />
Die rasche wirtschaftliche Erholung<br />
mit der rasanten Ausweitung des Verkehrs<br />
löste eine traumatische Epidemie aus,<br />
die biologisch-physiologische Auffassung der<br />
Chirurgie <strong>und</strong> Medizin brachte neue Therapieformen<br />
hervor, eine vielseitig innovative<br />
Medizintechnik eröffnete apparativ-instrumentelle<br />
Möglichkeiten, die frühere Chirurgengenerationen<br />
schon vorgedacht, über die<br />
sie aber noch nicht hatten verfügen können.<br />
An erster Stelle ist hier die auf den Schlachtfeldern<br />
des 2. Weltkrieges aus der Not geborene<br />
Schockforschung zu nennen; unzweifelbar<br />
ist z. B. die Bedeutung der Bluttransfusionsforschung<br />
in Deutschland. Eng verzahnt<br />
mit ihr ist der Ausbau des land-, luft- <strong>und</strong><br />
seegestützten Rettungswesens, das ebenfalls<br />
historische Wurzeln hat.“<br />
Unfallchirurgie in der Nachkriegszeit<br />
Die Verletztenversorgung ist die älteste<br />
menschliche <strong>und</strong> ärztliche Hilfeleistung. In<br />
der Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts war sie zwar<br />
ein wichtiger Teil chirurgischer Obliegenheiten,<br />
aber völlig in die Gesamtchirurgie<br />
integriert. Während in der ersten Jahrh<strong>und</strong>erthälfte<br />
unter dem Einfluss von T. Billroth<br />
<strong>und</strong> seiner Schüler besonders die Entwicklung<br />
der heute als viszeralchirurgisch zugeordneten<br />
Eingriffe dominierte, hatte die<br />
Unfallchirurgie noch kein herausragendes<br />
Profil. Die Ergebnisse der operativen Eingriffe<br />
waren nicht überzeugend.<br />
Die vielfach zur so genannten „Knochenchirurgie“<br />
degradierten Aufgaben waren<br />
mehrheitlich eine ambulante Behandlungsart;<br />
unter den chirurgischen Obliegenheiten<br />
galten sie eher als unwichtig! Auch<br />
die stationär zu versorgenden Verletzten<br />
mussten die oft langzeitigen konservativen<br />
Prozeduren, u. a. mit Streckverbänden oder<br />
aufwendigen Ruhigstellungen der Extremitäten,<br />
des Brustkorbs, Beckens oder der<br />
Wirbelsäule in Gipsverbänden oder Liegeschalen<br />
durchstehen. Es muss aber betont<br />
werden, dass diese Behandlungsformen, die<br />
von Lorenz Böhler [1] zur weltweiten Anerkennung<br />
geführt wurden, viel Geschick,<br />
Kenntnisse <strong>und</strong> ärztliche Zuwendung erforderten.<br />
Sein zitiertes Buch, Erstausgabe<br />
1929, wurde von ihm mehrfach erweitert,<br />
ist in mehreren Auflagen <strong>und</strong> in zahlreichen<br />
Übersetzungen erschienen. F. Povacz [12]<br />
hat die Biographie Böhlers <strong>und</strong> seine Gr<strong>und</strong>sätze<br />
anschaulich dargestellt. An den Medizinischen<br />
Fakultäten gab es keine unfallchirurgische<br />
Repräsentanz.<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 15
estagung unter dem Vorsitz von Bürkle de<br />
la Camp. Er konnte auch Gäste aus Holland,<br />
Österreich <strong>und</strong> der Schweiz begrüßen. Insgesamt<br />
folgten 500 Teilnehmer der Einladung.<br />
Die Mitgliederzahl betrug 464. Hauptthemen<br />
waren Bandscheibenschäden <strong>und</strong> Marknagelung,<br />
Themen, die es vor dem zweiten<br />
Weltkrieg nicht gegeben hatte. Der Kongreßbericht<br />
erschien nun in den „Heften zur<br />
Unfallheilk<strong>und</strong>e“, Supplementen zur Monatsschrift<br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e, <strong>und</strong> blieb seither<br />
in der Obhut des Springer-Verlages.“<br />
Abb. 2 Porträt von G. Küntscher (1900–1972)<br />
Hans Willenegger (1910–1998), einer der<br />
Pioniere <strong>und</strong> Mitbegründer der „Internationalen<br />
Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen“<br />
(AO) hat 1945 nach Analysen<br />
der Schweizer Unfallversicherungs-Anstalt<br />
die Invaliditätsraten von fast 100 % bei der<br />
Verletzung belasteter Gelenke, von 65 %<br />
nach einfachen Oberschenkelbrüchen <strong>und</strong><br />
von 37 % nach geschlossenen Unterschenkelschaftbrüchen<br />
mitgeteilt. U. Heim hat<br />
die Geschichte der AO beschrieben [4].<br />
1960 hat H. Stiller [19] in der Zeitschrift<br />
„Therapie der Gegenwart“ in einem Artikel<br />
über „Gedanken zur Behandlung von Verletzungen<br />
<strong>und</strong> ihren Früh- <strong>und</strong> Spätfolgen“<br />
festgestellt: „Im allgemeinen plädieren wir<br />
für ein möglichst konservatives Vorgehen bei<br />
der Behandlung von Frakturen. Diese Einstellung<br />
fand auch in den Vorträgen von Bürkle<br />
de la Camp <strong>und</strong> Böhler auf dem diesjährigen<br />
Chirurgenkongress ihren Niederschlag.“<br />
Er bezog sich dabei auch auf den von G.<br />
Küntscher (1900–1972) inaugurierten Marknagel,<br />
dieses Verfahren sei aber mit einem<br />
zu großen Komplikationsrisiko belastet.<br />
Der in Zwickau/Sachsen geborene Gerhard<br />
Küntscher, Abb. 2, hatte im November<br />
1939 seinen Marknagel erstmals bei einer<br />
Oberschenkelfraktur eines mehrfach Verletzten<br />
erfolgreich implantiert. Am 18.03.<br />
1940 hielt Küntscher auf der 64. Tagung der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie in Berlin<br />
einen Vortrag über „Die Marknagelung<br />
von Knochenbrüchen.“ Zu dieser Zeit hatte<br />
er seine neue Methode bereits bei 12 Patienten<br />
angewendet. Einer Festschrift zu Ehren<br />
von Küntscher ist zu entnehmen: „Die<br />
Abb. 3 Porträt von T. Becker (1916–1991)<br />
Aus: Privatbesitz Frau Helga Becker<br />
Reaktion der versammelten Fachwelt auf den<br />
zehnminütigen Vortrag war einmütig. Skepsis<br />
<strong>und</strong> Ablehnung schlugen dem Chirurgen<br />
entgegen, der nach Ansicht seiner Kollegen<br />
so leichtsinnig oder fahrlässig war, einen<br />
daumendicken Metallprügel in den Knochen<br />
zu schlagen <strong>und</strong> dabei das Knochenmark auf<br />
einer langen Strecke zu stören" [5].<br />
Die Verbreitung der Marknagelung, an deren<br />
Entwicklung Küntschers Orthopädie-<br />
Mechanikermeister Ernst Pohl (1876–1962)<br />
maßgeblich beteiligt war, erfolgte zunächst<br />
in großen außeruniversitären <strong>und</strong> ausländischen<br />
Krankenhäusern.<br />
Entwicklung der Ost-West-Kontakte<br />
deutscher Chirurgen <strong>und</strong> Unfallchirurgen<br />
Während es in den ersten Nachkriegsjahren<br />
vergleichbare Bedingungen für die Chirurgie<br />
im kriegsbedingt verbliebenen Raum<br />
Deutschlands gab, wurden mit der Proklamation<br />
der zwei deutschen Staaten unterschiedliche<br />
Entwicklungswege eingeleitet.<br />
Die Kontaktpflege der Chirurgen auf beiden<br />
Seiten wurde immer mehr erschwert<br />
<strong>und</strong> kam in den 60iger Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
fast zum Erliegen, insbesondere<br />
nach dem Bau der Berliner Mauer <strong>und</strong> des<br />
Grenzwalles am <strong>und</strong> nach dem 13. August<br />
1961.<br />
J. Probst [13] schrieb in einer Festschrift „60<br />
Jahre <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e,<br />
Versicherungs- <strong>und</strong> Versorgungsmedizin<br />
e. V.“ 1982: „Am 20./21. Oktober<br />
1950 traf man sich in Bochum zur 14. Jah-<br />
In der 1949 gegründeten <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen<br />
Republik (DDR) hat keine<br />
Fortsetzung der Arbeit der 1922 in Leipzig<br />
gegründeten <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Unfallheilk<strong>und</strong>e, Versicherungs- <strong>und</strong> Versorgungsmedizin<br />
stattgef<strong>und</strong>en.<br />
Ebenso ist keine gesetzliche Unfallversicherung<br />
oder ein System, das mit der Tätigkeit<br />
von Berufsgenossenschaften vergleichbar<br />
gewesen wäre, aufgebaut worden. Die „Sozial-<br />
<strong>und</strong> Krankenversicherung“ (SVK) der<br />
DDR trat an diese Stelle. Sie war eine Untergliederung<br />
des „Freien <strong>Deutsche</strong>n Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es“<br />
(FDGB) <strong>und</strong> kam für<br />
die Kosten der Akutbehandlung, der Rehabilitation<br />
<strong>und</strong> auch für die Renten auf. Für<br />
Selbstständige, Gewerbetreibende, Künstler<br />
etc. gab es die Möglichkeit bzw. Pflicht, sich<br />
bei der „<strong>Deutsche</strong>n Versicherungsanstalt“<br />
(DVA), später „Staatliche Versicherung der<br />
DDR“ vergleichbar zu versichern.<br />
Bezüglich akademischer Kontakte <strong>und</strong><br />
gemeinsamer wissenschaftlicher Zielstellungen<br />
an den Hochschulen wurde auf<br />
Universitäten der sozialistischen Länder, vor<br />
allem auf die der UdSSR verwiesen.<br />
In den 60er bis Mitte der 70er Jahre war es an<br />
den meisten Universitätskliniken in der Regel<br />
noch üblich, dass neben den Assistenten<br />
<strong>und</strong> Stationsärzten auch die Oberärzte innerhalb<br />
der einzelnen chirurgischen Richtungen<br />
einer Rotation unterlagen. Der für<br />
die Unfallchirurgie verantwortlich benannte<br />
Oberarzt wechselte zum Beispiel mit<br />
dem für die Thoraxchirurgie zuständigen<br />
Kollegen. Das hat sich fernerhin wegen der<br />
längeren Einarbeitungszeiten, der ständig<br />
zunehmenden Aufgabenfülle <strong>und</strong> der notwendigen<br />
Kompetenz der späteren Spezialgebiete<br />
(Subspezialitäten) auf die Dauer<br />
nicht bewährt. Die meisten Ordinarien der<br />
DDR erkannten diese Entwicklung. Theo Becker<br />
(1916–1991), Abb. 3, der 1961 mit<br />
45 Jahren als jüngster Ordinarius der DDR<br />
das Direktorat der Klinik in Jena mit dem<br />
Anspruch auf maximale Entfaltung der Chirurgie<br />
übernommen hatte, war einer der ersten,<br />
der die unvermeidbare Spezialisierung<br />
16<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 4 Eine Saalstation in der Chirurgischen Universitätsklinik Jena Anfang der 60er Jahre Aus: Privatarchiv Prof. Dr. E. Markgraf<br />
erkannte <strong>und</strong>, natürlich unter strenger Einbindung<br />
in den Gesamtverband der Chirurgie,<br />
förderte. Er leitete einen umfassenden<br />
Umbau der Saalstationen ( Abb. 4), die es<br />
vielfach noch zu Beginn der zweiten Hälfte<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts gab, in kleinere Krankenzimmer<br />
ein. Dabei mussten zahlreiche<br />
Widerstände überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Geduld aufgebracht<br />
werden. Er war ein bedeutender<br />
Vertreter der Chirurgie <strong>und</strong> Unfallchirurgie<br />
der DDR [9]. Damals war es auch noch üblich,<br />
dass Krankenschwestern „Häubchen“<br />
auf dem Kopf trugen, was heute, abgesehen<br />
von konfessionellen Schwestern, kaum<br />
noch vorstellbar ist. Die Abbildung 5 zeigt<br />
diese Zierde, von Frau Oberschwester Sigrid<br />
Oehler nachgestellt. Auch Eberhard Sander<br />
hat in Halle die notwendige Eigenständigkeit<br />
der Unfallchirurgie mit höchstem Engagement<br />
<strong>und</strong> mit besonderen Leistungen in<br />
der klinischen Praxis <strong>und</strong> bei der Durchsetzung<br />
der AO-Prinzipien mitbestimmt. Diese<br />
teilweise Verselbständigung der Unfallchirurgie<br />
vollzog sich in Form fachlich unabhängiger<br />
(weisungsfreier) Abteilungen in<br />
allen Chirurgischen Universitätskliniken mit<br />
einer zeitlichen Staffelung in den 70er bis<br />
80er Jahren <strong>und</strong> stellte teilweise keinen einfachen<br />
Prozess dar, zumal einige Ordinarien<br />
die Unfallchirurgen nur halbherzig in eine<br />
relative Eigenständigkeit entließen.<br />
Profilierung der Unfallchirurgie<br />
im 7. <strong>und</strong> 8. Dezennium des<br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
Mit der Entwicklung neuer operativer Verfahren<br />
durch eine Schweizer Arbeitsgruppe<br />
von Chirurgen, Orthopäden, Metallurgen<br />
<strong>und</strong> Ingenieuren, die nach intensiven wissenschaftlichen<br />
Voruntersuchungen, Tierexperimenten<br />
<strong>und</strong> ersten klinischen Erfahrungen<br />
Ende der 50er Jahre ihr Konzept<br />
vorstellte, begann eine neue Epoche in der<br />
Geschichte der Unfallchirurgie. Gr<strong>und</strong>lage<br />
war die Entwicklung knochenadaptierter<br />
Schrauben <strong>und</strong> Platten aus austhenitischen<br />
Metalllegierungen. Die führenden Persönlichkeiten<br />
dieser Aktivitäten waren die<br />
Schweizer M. E. Müller (geb. 1918), H. Willenegger<br />
(1910–1998), M. Allgöwer (1917–<br />
2007), R. Schneider (1912–1990) <strong>und</strong> W.<br />
Bandi (1912–1997). Sie gründeten 1958 die<br />
Sektion Schweiz der AO [4]. W. Otto hat im<br />
Beitrag 11 die Entwicklung der Sektion DDR<br />
der AO-International dargestellt. Die AO-<br />
International hat sich zu einer weltweiten<br />
Organisation entwickelt, die bis dahin nicht<br />
vorstellbare Erfolge der diversen Osteosynthesen<br />
ermöglichte. Alle Anwender waren<br />
von den neuen Möglichkeiten begeistert.<br />
Abb. 5 Krankenschwester mit „Häubchen“,<br />
fre<strong>und</strong>licherweise von Frau Oberschwester Sigrid<br />
Oehler von der FSU Jena nachgestellt<br />
Später wurde das Phänomen der Osteoneogenese<br />
durch Distraktion, im Gegensatz zur<br />
Philosophie der AO, die eine intrafragmentäre<br />
Kompression als entscheidende ossäre<br />
Heilungskondition postulierte, durch G.A.<br />
Ilisarow (1921–1996), Abb. 6, experimentell<br />
<strong>und</strong> praktisch begründet. Er führte seine<br />
Experimente vorwiegend in dem eigens für<br />
ihn erbauten Klinikum mit Forschungseinrichtung<br />
in Kurgan, Westsibirien, durch. Der<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 17
kommen, weitgehend vorenthalten wurde.<br />
Dazu gehörte auch die eingeschränkte<br />
Publikationsmöglichkeit durch fehlende<br />
Beteiligung an wichtigen internationalen<br />
Verlagen, reduzierte Möglichkeiten der<br />
Forschung <strong>und</strong> die absolute Knappheit der<br />
Ressourcen. Die auch nur eingeschränkten,<br />
aber im Prinzip möglichen Kontakte zu den<br />
Ges<strong>und</strong>heitssys temen der „sozialistischen<br />
Bruderländer“ waren keine Kompensation<br />
der beschriebenen Mängel. Die Probleme<br />
des so genannten Zusatzstudiums für Habilitationsanwärter<br />
der DDR im sozialistischen<br />
Ausland hat F. Schulz in seinem<br />
Beitrag geschildert. Eine weitere Möglichkeit,<br />
die persönliche Karriere positiv zu beeinflussen,<br />
bestand in einem mehrmonatlichen<br />
Einsatz in Ländern der dritten Welt<br />
(Afrika, Mittelamerika u. a.), zu denen die<br />
DDR diplomatische <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftliche<br />
Beziehungen unterhalten hat.<br />
Im Kapitel von K. <strong>und</strong> D. Paul wird über Erfahrungen<br />
mit solchen Auslandeinsätzen<br />
berichtet.<br />
Abb. 6 Porträt von G. A. Ilisarow (1921–1996)<br />
Autor E. M. hat an einer internationalen Tagung<br />
vom 03. bis 05. 09. 1986 in Kurgan teilgenommen.<br />
Die Abbildung 7 zeigt eine<br />
Kongressbroschüre, auf der anlässlich des<br />
genannten Kongresses die Klinik in Kurgan<br />
abgebildet ist.<br />
Bedeutungsvoll für die Unfallchirurgie waren<br />
auch der enorme Fortschritt der Intensivmedizin,<br />
zu dem auch andere medizinische<br />
Disziplinen beigetragen haben <strong>und</strong><br />
der gewaltige Aufschwung bildgebender<br />
diagnostischer Verfahren, besonders in den<br />
70er <strong>und</strong> 80er Jahren.<br />
Aber auch neue Erkenntnisse <strong>und</strong> Strukturierungen<br />
der Notfallmedizin, der Organisation<br />
von Rettungsketten <strong>und</strong> der Logistik<br />
des Traumamanagements haben die besondere<br />
Bedeutung der Unfallchirurgie in<br />
Verbindung mit der Anästhesiologie <strong>und</strong><br />
Intensivtherapie herausgestellt.<br />
Diese beschriebenen Entwicklungen, besonders<br />
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />
haben den Weg der Unfallchirurgie<br />
als eigene bedeutende Gliederung der<br />
Gesamtchirurgie <strong>und</strong> ihre Verwirklichung<br />
in der Krankenbetreuung, der Lehre <strong>und</strong><br />
der Forschung als unabdingbar notwendig<br />
gebahnt. Es bestand nie ein Zweifel daran,<br />
dass die allgemeinchirurgischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
als Bindeglied der einzelnen Subspezialisierungen<br />
anerkannt sind <strong>und</strong> erhalten<br />
werden müssen.<br />
Dieser gesamte, zunehmend interdisziplinäre<br />
Fortschritt, war Gr<strong>und</strong>lage für neue<br />
Konzeptionen der universitären Lehre.<br />
Es war schicksalhaft, dass diese internationale,<br />
vorwiegend aber in Deutschland<br />
vollzogene sprunghafte Entwicklung, den<br />
Kollegen in der DDR durch mangelhafte<br />
Kontaktaufnahme, Reiseverbote oder sehr<br />
starke Beschränkungen, fehlende Möglichkeiten<br />
an internationale Literatur heranzu-<br />
Abb. 7 Das Klinikum von Prof. Ilisarow in Kurgan/<br />
Westsibirien<br />
Hochschulstandorte <strong>und</strong><br />
Leitungsstrukturen<br />
Medizinische Fakultäten existierten an<br />
den Universitäten: Berlin, Greifswald Halle,<br />
Jena, Leipzig <strong>und</strong> Rostock. Die offiziellen<br />
Bezeichnungen waren „Klinik <strong>und</strong> Poliklinik<br />
für Chirurgie der Medizinischen Fakultät“,<br />
später des Bereichs Medizin der jeweiligen<br />
Universität. Die Traumatologie war bis in<br />
die späten 60er bis 70er Jahre fest in die Gesamtchirurgie<br />
integriert, dann wurden zu<br />
unterschiedlichen Zeitpunkten Abteilungen<br />
für Traumatologie gebildet.<br />
Medizinische Akademien (ohne „Vorklinik“)<br />
existierten in Dresden, Erfurt <strong>und</strong> Magdeburg.<br />
Die personelle Besetzung <strong>und</strong> die<br />
Ausrüstungen der Medizinischen Akademien<br />
waren mit denen der Universitätsklinken<br />
vergleichbar.<br />
Medizinische Fachschulen <strong>und</strong> andere Ausbildungsmöglichkeiten<br />
für das mittlere<br />
medizinische Personal sowie Physiotherapeuten<br />
u. a. waren oft an Universitätsklinika<br />
oder Medizinische Akademien angeschlossen.<br />
Für alle Krankenhäuser der DDR war der<br />
Minister für Ges<strong>und</strong>heitswesen des Ministerrates<br />
der DDR zuständig. Die Universitätskliniken<br />
<strong>und</strong> die der Medizinischen<br />
Akademien waren seit 1950 zusätzlich dem<br />
Minister für das Hoch- <strong>und</strong> Fachschulwesen<br />
unterstellt. In dessen Verantwortung<br />
lagen die Zielstellung <strong>und</strong> die Entwicklung<br />
18<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
der Universitäten <strong>und</strong> Akademien sowie anderer<br />
wissenschaftlicher Einrichtungen, die<br />
immer zentral festgelegten Studieninhalte,<br />
kaderpolitische Entscheidungen <strong>und</strong> die<br />
Integration aller Hochschuleinrichtungen<br />
in das politische Konzept von Partei <strong>und</strong> Regierung.<br />
Weitere übergeordnete Einrichtungen waren:<br />
– Die Ges<strong>und</strong>heitskommission beim Zentralkomitee<br />
der SED<br />
– Das Generalsekretariat der Medizinisch-<br />
Wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
– Der Koordinierungsrat der Medizinisch-<br />
Wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
Universitätsleitung<br />
Jede Universität wurde von einem Rektor<br />
repräsentiert, der an den Medizinischen<br />
Akademien immer Mediziner, an den Universitäten<br />
auch ein Hochschullehrer aus einer<br />
beliebigen anderen Fakultät sein konnte<br />
<strong>und</strong> seine Aufgabe nebenamtlich versah.<br />
Der 1. Prorektor war verantwortlich für alle<br />
Verwaltungsgeschäfte sowie für Fragen der<br />
Zivilverteidigung <strong>und</strong> der Kampfgruppen.<br />
Es existierten Prorektoren für Forschung sowie<br />
Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung. Neben dem<br />
Verwaltungsdirektor gab es einen Kaderdirektor<br />
<strong>und</strong> einen Personalleiter, der u.a. Ansprechpartner<br />
für die Staatssicherheit war.<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzlichen Entscheidungen oblagen<br />
der Universitätsparteileitung (UPL) der<br />
SED mit ihrem 1. Sekretär oder wurden von<br />
ihm streng kontrolliert.<br />
Die Universitätsgewerkschaftsleitung (UGL)<br />
hatte einige Untergruppen, so für Soziales,<br />
Wohnen, Kindergärten, Ferienheime, ideologische<br />
Bildung, sozialistischen Wettbewerb<br />
u. a.<br />
Schließlich existierte eine Hochschulgruppenleitung<br />
der (einzigen) Jugendorganisation<br />
„Freie <strong>Deutsche</strong> Jugend“ (FDJ).<br />
Leitung der Fakultäten <strong>und</strong> der später<br />
gebildeten Bereiche Medizin<br />
An der Spitze der Fakultät standen zunächst<br />
traditionsgemäß der Dekan mit letzter Entscheidungsbefugnis,<br />
die Prodekane <strong>und</strong> der<br />
Verwaltungsleiter. In der Mitte der 60er Jahre<br />
wurden als neue Organisations- <strong>und</strong> Leitungsstrukturen<br />
die „Fachbereiche“ der Universitäten<br />
geschaffen. Die Medizinische Fakultät<br />
war damit nur noch Teil des „Bereichs<br />
Medizin“ <strong>und</strong> der Dekan <strong>und</strong> die Prodekane<br />
waren nur noch für die akademischen Belange<br />
zuständig. Wichtigste Entscheidungsperson<br />
war der „Bereichsdirektor.“ Dieser<br />
hatte 3 Stellvertreter: für medizinische Betreuung,<br />
für Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung <strong>und</strong><br />
für Forschung. Die Repräsentanten waren<br />
Ärzte <strong>und</strong> in der Regel Hochschullehrer. Für<br />
alle Verwaltungs- <strong>und</strong> Verfahrensfragen war<br />
ein Verwaltungsdirektor zuständig. Für das<br />
„Mittlere Medizinische Personal“ war eine<br />
Oberin verantwortlich. Es gab Zusammenarbeiten<br />
mit den regionalen Fachschulen.<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzliche Verantwortung lag auch<br />
in den Bereichen Medizin bei der Bereichsparteileitung<br />
der SED. Weitere Leitungsfunktionen<br />
hatten die Bereichsgewerkschaftsleitung,<br />
die FDJ-Leitung des Bereichs<br />
<strong>und</strong> ein Sicherheitsbevollmächtigter, in der<br />
Regel wohl ein Mitarbeiter der Stasi.<br />
Als Arbeitsinstrumente existierten Sitzungen<br />
der Bereichsleitung (ad libitum mit<br />
Dekan, Verwaltungsdirektor <strong>und</strong> Vertretern<br />
aus den Einrichtungen), der Stellvertreterbereiche<br />
für Medizinische Betreuung, Erziehung<br />
<strong>und</strong> Ausbildung <strong>und</strong> Forschung.<br />
Daneben gab es Bereichskonferenzen, Parteileitungssitzungen<br />
<strong>und</strong> Beteiligung von<br />
Vertretern des Bereichs an Konzilen (Universität).<br />
Struktur <strong>und</strong> Leitung der Kliniken <strong>und</strong><br />
Institute<br />
Die Leitung dieser Institutionen führten Direktoren<br />
mit Stellvertretern; für die einzelnen<br />
Gliederungen waren Abteilungsleiter<br />
oder Oberärzte verantwortlich. Es gab Stellvertreter<br />
des Direktors für medizinische Betreuung,<br />
Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung sowie<br />
Forschung. Weitere leitende Personen waren<br />
der Verwaltungsleiter, die Oberschwester,<br />
der Parteisekretär <strong>und</strong> der Gewerkschaftsleiter.<br />
Neben Angeboten zur fachlichen Fortbildung<br />
in den Einrichtungen gab es regelmäßig<br />
gesellschaftspolitische Veranstaltungen,<br />
wobei die Leiter dieser Diskussionszirkel in<br />
der Regel aus den gesellschaftspolitischen<br />
Einrichtungen der Universität kamen.<br />
Ferner gab es die Delegierungen von Mitarbeitern<br />
der Kliniken <strong>und</strong> Institute zu:<br />
– sozialistischen Abend(schul)kursen<br />
– Schulung von Hochschullehrern über<br />
mehrere Tage (Internat)<br />
– Hochschulpädagogische Kurse<br />
Auslandsreisen<br />
Bis zum Bau der Mauer in Berlin gab es<br />
einige interkollegiale Kontakte zwischen<br />
Chirurgen der beiden <strong>Deutsche</strong>n Staaten,<br />
wenngleich sie nicht erwünscht waren. Bis<br />
dahin bestanden noch Mitgliedschaften von<br />
Chirurgen der DDR in Fachgesellschaften<br />
der BRD, die teilweise schon vor der Nazidiktatur<br />
gegründet worden waren.<br />
Nach der endgültigen Teilung des Landes<br />
waren für Chirurgen der DDR, insbesondere<br />
für Mitarbeiter der Hochschulen, noch folgende<br />
Kontakte möglich:<br />
– Zusatzstudium in Ländern des sozialistischen<br />
Lagers, vorwiegend in der SU, für<br />
Habilitanden mit Anwartschaft auf eine<br />
Hochschullehrerposition.<br />
– Möglichkeiten zur individuellen Hospitation<br />
in Kliniken im sozialistischen Ausland<br />
über die „Abteilungen für Internationale<br />
Beziehungen“ <strong>und</strong> letztlich auch hier wieder<br />
über das Ministerium für Hoch- <strong>und</strong><br />
Fachschulwesen.<br />
– Möglichkeiten der fachlichen Weiterbildung<br />
im „kapitalistischen Ausland“ für<br />
einzelne Mitarbeiter nach strengen Auswahl-<br />
<strong>und</strong> Prüfverfahren <strong>und</strong> entsprechender<br />
Vermittlung. So hat die „Arbeitsunfallversicherungsanstalt“<br />
(AUVA) Österreichs<br />
in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren nach<br />
Vorschlag der Sektion Traumatologie der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR einigen<br />
Unfallchirurgen aus der DDR devisenfreie<br />
Hospitationen in universitären <strong>und</strong> anderen<br />
führenden Arbeitsunfallkrankenhäusern<br />
Österreichs ermöglicht.<br />
Lehre <strong>und</strong> Ausbildung an den Universitäten<br />
<strong>und</strong> Akademien<br />
Die Zulassung zum Medizinstudium hatte<br />
bestimmte Voraussetzungen, die sich im<br />
Laufe der Jahrzehnte verdeutlichten. Generell<br />
spielte die familiäre Abstammung im<br />
Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernstaat eine bevorzugte<br />
Rolle. Kinder aus Familien, die sich nicht offiziell<br />
zum Staat bekannten, oder offen ihr<br />
christliches Bekenntnis demonstrierten,<br />
hatten weniger Chancen, einen Studienplatz<br />
zu bekommen.<br />
Die inhaltliche Zielstellung der Bildungspolitik<br />
hat Kurt Hager, Leiter der Abteilung<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Hochschulen beim ZK<br />
(Zentralkomitee) der SED, auf der Hochschulkonferenz<br />
der SED in Leipzig am 30.<br />
Oktober 1953 zum Thema „Festigung unserer<br />
Arbeiter- <strong>und</strong> Bauern-Macht“ formuliert<br />
[3]:<br />
„Die Aufhebung des Bildungsprivilegs der<br />
Reichen, die Sicherstellung des Studiums für<br />
Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernkinder, die Einführung<br />
neuer fortschrittlicher Studienmethoden <strong>und</strong><br />
die gesellschaftswissenschaftliche marxistisch-leninistische<br />
Ausbildung der Studenten<br />
sind feste <strong>und</strong> dauerhafte Gr<strong>und</strong>lagen unseres<br />
Hochschulwesens, die wir nicht antasten<br />
lassen. An den Universitäten, Hochschulen<br />
<strong>und</strong> wissenschaftlichen Instituten<br />
werden die Kader unseres Staates erzogen.<br />
Unsere Universitäten, Hochschulen <strong>und</strong><br />
wissenschaftlichen Institute müssen zu Festungen<br />
unserer Arbeiter- <strong>und</strong> Bauern-Macht<br />
werden. Sie müssen Festungen des Friedens<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 19
sein, Stätten der Erziehung einer neuen, dem<br />
Volke ergebenen Intelligenz, Zentren einer<br />
wahrhaft friedliebenden Wissenschaft. Es<br />
geht darum – <strong>und</strong> das ist die große Erziehungsfrage<br />
–, standhafte, vom Haß gegen<br />
Imperialismus <strong>und</strong> Militarismus erfüllte, der<br />
Arbeiterklasse <strong>und</strong> unserem Arbeiter-<strong>und</strong>-<br />
Bauern-Staat treu ergebene, für die Sache<br />
des Friedens, der Demokratie <strong>und</strong> des Sozialismus<br />
begeisterte, mit tiefem marxistischem<br />
Wissen ausgerüstete Kader zu erziehen, auf<br />
die sich Partei <strong>und</strong> Regierung voll <strong>und</strong> ganz<br />
verlassen können.“<br />
Über die Situation an den Hochschuleinrichtungen<br />
<strong>und</strong> die Rolle der Hochschullehrer in<br />
der DDR sind 1981 [17] ( Abb. 8) <strong>und</strong> in<br />
den letzten Jahren äußerst aufschlussreiche<br />
<strong>und</strong> im Detail beschreibende Publikationen<br />
erschienen [6,18].<br />
In der Regel war, besonders in den letzten<br />
Jahrzehnten der DDR, für die männlichen<br />
Bewerber ein Dienst in der „Nationalen<br />
Volksarmee“ (NVA) von 3–4 Jahren für die<br />
Studienfreigabe notwendig. Wehrpflichtverweigerer<br />
hatten, im Gegensatz zu den<br />
heutigen Zivildiensttuenden, mit gerichtlicher<br />
Bestrafung zu rechnen, später wurde<br />
ihnen der Dienst als Bausoldat abverlangt,<br />
der zwar ohne Waffendienst, aber unter<br />
sehr schweren Bedingungen stattfand <strong>und</strong><br />
einer Bestrafung gleichkam. An ein Studium,<br />
besonders der Medizin, war für sie nicht<br />
zu denken!<br />
Ende der 50er <strong>und</strong> Anfang der 60er Jahre<br />
war es an einigen Universitäten, besonders<br />
in Leipzig, zu heftigen, von der FDJ-Leitung<br />
initiierten Attacken gegen Studenten gekommen,<br />
die sich nicht linientreu verhielten.<br />
Oft endeten diese öffentlich in Hörsälen<br />
veranstalteten Tribunale damit, dass<br />
ein in Beschuss geratener Student sein fast<br />
obligatorisches Mitgliedsbuch der Jugendorganisation<br />
FDJ abgeben musste, was häufig<br />
zur Exmatrikulation führte. Oft gingen<br />
diese Studenten unmittelbar danach in die<br />
B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />
Ein weiteres ernstes Problem war die besonders<br />
in den 50er Jahren einsetzende<br />
Abwanderung von Hochschullehrern in das<br />
Ausland, namentlich in die BRD. Das hatte<br />
zum Teil erhebliche Einschränkungen in der<br />
medizinischen Betreuung <strong>und</strong> in der akademischen<br />
Lehre, einschließlich unfallchirurgischer<br />
wissenschaftlicher Untersuchungen<br />
(Abbruch begonnener Promotionsarbeiten,<br />
für die oft kein nachfolgender Betreuer gef<strong>und</strong>en<br />
wurde), aber auch in der Forschung<br />
zur Folge. Darüber hinaus war die moralische<br />
Seite dieser Verhaltensweise für uns<br />
Studenten bedenklich; schließlich hatten<br />
Abb. 8 Umschlag des 1981 im Urania-Verlag<br />
erschienen Buches „Magister <strong>und</strong> Scholaren,<br />
Professoren <strong>und</strong> Studenten“<br />
sie die von uns erwartete Vorbildwirkung als<br />
Hochschullehrer verloren <strong>und</strong> speziell auch<br />
ihre Patienten an den Hochschulkliniken<br />
mit ihren besonderen Aufgabestellungen<br />
im Stich gelassen. Selbstredend muss man<br />
dabei zwischen Motiven der ideologischen<br />
Zwangslage <strong>und</strong> der rein subjektiven, vorwiegend<br />
materiell <strong>und</strong> chancenorientierten<br />
Gewinnerwartung der Ausreisenden unterscheiden.<br />
Der Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung der Studenten<br />
<strong>und</strong> Ärzte wurde in der DDR große Aufmerksamkeit<br />
geschenkt, allerdings in untrennbarer<br />
Verflechtung mit gesellschaftspolitischen<br />
Forderungen.<br />
Der formale Ablauf des Medizinstudiums<br />
betrug in der frühen DDR 10 Semester Regelstudium,<br />
davon 4 Semester Vorklinik<br />
(Vorphysikum nach 2 Semestern, Physikum).<br />
Später betrug die Gesamtstudienzeit<br />
12 Semester. Im 6. Studienjahr wurde das<br />
Staatsexamen in mündlichen Prüfungen erworben.<br />
Die Promotion innerhalb der Studienzeit<br />
war möglich. Nach der so genannten<br />
Pflichtassistentenzeit von einem Jahr wurde<br />
durch den Bezirksarzt die Approbation<br />
erteilt.<br />
Das Medizinstudium war parteipolitisch klar<br />
reglementiert. Die Studenten wurden in Seminargruppen<br />
eingeteilt <strong>und</strong> hatten eigene<br />
gesellschaftliche Vertretungen (Partei, FDJ).<br />
Die Betreuung der Seminargruppen erfolgte<br />
durch einen Seminargruppenbeauftragten<br />
(Arzt). Es bestanden so genannte Studienjahreskommissionen<br />
(Hochschullehrer,<br />
Mittelbau, Studenten), die sich mit Problemen<br />
im Studienablauf <strong>und</strong> ihrer möglichen<br />
Überwindungen zu beschäftigen hatten, im<br />
Wesentlichen aber der Überwachung ideologischer<br />
Tatbestände dienten.<br />
Ein Wechsel der Universität während des<br />
Studiums war nicht erwünscht <strong>und</strong> meist<br />
nicht möglich.<br />
Ein zeitweiliges Studium im sozialistischen<br />
Ausland, z. B. UdSSR, CSSR, Ungarn, Rumänien<br />
war möglich; oft kamen die Studenten<br />
nach Beendigung des vorklinischen Studienabschnitts<br />
zur Weiterführung des Studiums<br />
in die DDR zurück.<br />
Zunehmende Probleme des ärztlichen<br />
Selbstverständnisses, insbesondere auch<br />
auf die universitäre Ausbildung bezogen,<br />
hat Lemmens [7] wie folgt beschrieben:<br />
„Besonders in der zweiten Hälfte der 50er<br />
Jahre nahmen die Widersprüche in der politischen<br />
<strong>und</strong> geistigen Entwicklung an Schärfe<br />
zu; eine größere Zahl von mit den gesellschaftlichen<br />
Gegebenheiten, den Arbeitsbedingungen<br />
<strong>und</strong> dem Grad der sozialen<br />
Wertschätzung des ärztlichen Berufes unzufriedenen<br />
Mitarbeiter verließ die Fakultät<br />
<strong>und</strong> das Land.“<br />
Über die Entwicklung der Institute <strong>und</strong> Kliniken<br />
der Medizinischen Fakultät der Universität<br />
in Leipzig in den Jahren 1949 bis<br />
1961 schreibt Lemmens [7]:<br />
„Mit der Bildung des Staatssekretariats<br />
für Hochschulwesen im Januar des Jahres<br />
1951, dem die Leitung aller Universitäten,<br />
Hochschulen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Einrichtungen<br />
übertragen wurde, setzte eine<br />
stärkere zentralisierte Steuerung zunächst<br />
der Ausbildungsprozesse ein, die auch für<br />
die Medizinischen Fakultäten bzw. die 1952<br />
gebildeten Medizinischen Akademien wirksam<br />
geworden ist. Die Studienreform des<br />
Jahres 1952 führte dabei das zehnmonatige<br />
lehrplangeb<strong>und</strong>ene Studienjahr mit festgeschriebenen<br />
Zwischenprüfungen ein, forderte<br />
die obligatorische Aneignung der russischen<br />
Sprache <strong>und</strong> begründete die Pflicht<br />
zur Teilnahme aller Studierenden an einer<br />
gesellschaftswissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>ausbildung.“<br />
Das neu eingeführte gesellschaftswissenschaftliche<br />
Gr<strong>und</strong>lagenstudium enthielt<br />
Lehrveranstaltungen zur marxistisch-leninistischen<br />
Philosophie, zur politischen Ökonomie<br />
<strong>und</strong> zur Geschichte der Arbeiterbewegung.<br />
20<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Gestaltung des Medizinstudiums<br />
„Zur Neugestaltung des Medizinstudiums<br />
im Jahre 1962 setzte ein komplizierter <strong>und</strong><br />
langwieriger Prozess ein, der erst mit der<br />
Erarbeitung des Studienplanes 1976 einen<br />
vorläufigen, aber noch nicht endgültigen Abschluss<br />
gef<strong>und</strong>en hat. Als Ziel der Neugestaltung<br />
des Medizinstudiums wurde formuliert,<br />
einen ärztlichen Nachwuchs heranzubilden,<br />
der über ein hohes natur- <strong>und</strong> gesellschaftswissenschaftliches<br />
Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Fachwissen<br />
<strong>und</strong> praktische medizinische Erfahrungen<br />
verfügt, auf die Aufgaben des Arztes in der<br />
sozialistischen <strong>Gesellschaft</strong> gut vorbereitet<br />
ist <strong>und</strong> einen festen Klassenstandpunkt sowie<br />
hohe moralisch-ethische Eigenschaften<br />
besitzt“ [15].<br />
Auf dem 2. Nationalen Symposium Lehre<br />
<strong>und</strong> Erziehung an den Hochschulen der<br />
DDR am 21. <strong>und</strong> 22.06.1963 wurden die<br />
„Berliner Erfahrungen“ (eine entsprechende<br />
Vorarbeit) ausgewertet <strong>und</strong> „Gr<strong>und</strong>sätze<br />
zur Neugestaltung des Medizinstudiums“<br />
verabschiedet. Für das klinische Studium<br />
wurden folgende Thesen formuliert (Auszug):<br />
– Berücksichtigung der Einheit von Prophylaxe,<br />
Therapie <strong>und</strong> Metaphylaxe im klinischen<br />
Unterricht eines jeden Faches<br />
– Beherrschung der Gr<strong>und</strong>sätze der ärztlichen<br />
Ersten Hilfe durch jeden Absolventen<br />
– Gr<strong>und</strong>sätzliche Beibehaltung der Übersichtsvorlesungen,<br />
aber stärkere Betonung<br />
der praktischen Ausbildung<br />
1969 wurde von einer Arbeitsgruppe in Berlin<br />
eine völlig neue Konzeption des Medizinstudiums<br />
(„Mecklinger-Plan“) vorgelegt<br />
[15].<br />
Darin war auch eine Neugestaltung des<br />
Chirurgieunterrichts enthalten. Kernstück<br />
bildeten die interdisziplinäre Wissensvermittlung<br />
<strong>und</strong> die Betonung der Pro- <strong>und</strong><br />
Metaphylaxe.<br />
Eine neue Facharztordnung wurde 1974<br />
gemeinsam mit einer Anordnung über die<br />
Subspezialisierung beschlossen.<br />
1976 wurden durch den Wissenschaftlichen<br />
Beirat für Medizin beim Ministerium für das<br />
Hoch- <strong>und</strong> Fachschulwesen neue Studienpläne<br />
erarbeitet, in denen anteilig auch die<br />
Ausbildung in der Traumatologie verankert<br />
war.<br />
Für die Chirurgie wurden dabei u. a. folgende<br />
Lehrveranstaltungen vorgegeben:<br />
– Interdisziplinärer Komplex (IDK) Einführung<br />
in die Notfallmedizin<br />
– Gr<strong>und</strong>lagen der Chirurgie (34 St<strong>und</strong>en)<br />
– Spezielle Chirurgie (einschließlich Unfallchirurgie<br />
– 136 St<strong>und</strong>en im 3. bis 5. Studienjahr)<br />
– Chirurgischer Operationskurs (17 St<strong>und</strong>en)<br />
– IDK Notfallsituationen (11 S<strong>und</strong>en) im 5.<br />
Studienjahr<br />
Am 11.08.1978 wurde das „Klinische Praktikum“<br />
im 6. Studienjahr eingeführt, wobei<br />
die bis zum Ende der DDR gültige Facharztordnung<br />
in Kraft trat.<br />
Medizinische Betreuung<br />
Trotz eingeschränkter materiell-technischer<br />
Voraussetzungen hatten die meisten Ärzte<br />
in der DDR, besonders auch die an Hochschulkliniken<br />
beschäftigten, eine hohe ärztliche<br />
Moral <strong>und</strong> eine ebenso hohe fachliche<br />
Kompetenz.<br />
Zu diesem Anliegen hat Löffler, 1. Vorsitzender<br />
der medizinisch-wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Orthopädie der DDR bei ihrer<br />
Gründung am 09.05.1953 im Virchowhaus<br />
des Pathologischen Instituts der Humboldt-<br />
Universität Berlin betont: „Im Mittelpunkt<br />
unserer Arbeit steht der Mensch, das heißt<br />
der Mensch in seiner Gesamtheit, bestehend<br />
aus Leib <strong>und</strong> Seele. Gerade bei den Körperbehinderten,<br />
seien es angeborene, seien es<br />
erworbene Ursachen, sind oft Leib <strong>und</strong> Seele<br />
sehr krank! Daher muss die Behandlung eine<br />
zweifache sein <strong>und</strong> daher muß gerade der<br />
Facharzt für Orthopädie Arzt im wahrsten<br />
Sinne sein, das heißt Mensch <strong>und</strong> Mediziner,<br />
der aus Liebe zu seinen Mitmenschen, um<br />
diesen zu helfen, diesen Beruf erwählt hat“<br />
[8].<br />
Das durchgehende „Dispansaire-System“<br />
brachte Patienten <strong>und</strong> Ärzten deutliche<br />
Vorteile. Das Qualitätsbewusstsein aller<br />
Mitarbeiter für die medizinische Leistung<br />
ist nachträglich schwer zu beurteilen. Ein<br />
besonderer Vorteil, so die Meinung der<br />
Autoren dieses Artikels, war das Fehlen<br />
von Privatpatienten. Es ersparte uns die<br />
Selektion der Patienten <strong>und</strong> erlaubte die<br />
Konzentration der leitenden Ärzte auf die<br />
Schwerpunkte der Arbeit, unabhängig von<br />
profitablen Betätigungen. Es soll in diesem<br />
Supplement nur einmal erläutert werden,<br />
dass die Honorierung ärztlicher Tätigkeit<br />
in der DDR im Vergleich mit der in Westdeutschland<br />
<strong>und</strong> anderen europäischen<br />
Ländern beschämend gering war.<br />
Der Mangel an fortgeschrittener Technik<br />
(Untersuchungsgerätschaft, technische<br />
Ausrüstungen, Instrumente, Implantate)<br />
war eklatant. Aber auch für simple Zubehöre<br />
unserer Tätigkeit, wie z. B. Verbandsmaterial,<br />
Operationshandschuhe, Wäsche<br />
u. a. bestand oft Mangel; über Arbeitsgruppen<br />
bei den Bezirksärzten mussten solche<br />
Artikel angefordert werden.<br />
Die genannten Umstände führten zu beachtlichen<br />
improvisatorischen Leistungen<br />
der Ärzteschaft <strong>und</strong> ihrer Mitarbeiter.<br />
Was die poststationäre Betreuung Unfallverletzter<br />
betraf, war die mögliche Weiterbetreuung<br />
der Patienten durch die primär<br />
behandelnden Ärzte ein großer Vorteil; anspruchsvolle<br />
Rehabilitationseinrichtungen<br />
standen ungenügend zur Verfügung.<br />
Was Spitzensportler betraf, hat der Autor<br />
E. M. einige Erfahrungen.<br />
Der Hochspringer R. B., der aufgr<strong>und</strong> seiner<br />
Leistungen eine Chance auf eine olympische<br />
Medaille hatte, zog sich beim Training eine<br />
Achillessehnenruptur zu. Es war an einem<br />
Sonntag. Die wenigen Einrichtungen der<br />
DDR, die für solche Behandlungen in Frage<br />
kamen, schieden aus, da die entsprechenden<br />
Chefärzte nicht erreichbar waren. Schließlich<br />
wurde ich beauftragt, die notwendige<br />
Operation durchzuführen. Die Operation<br />
erbrachte eine stabile Wiederherstellung<br />
der Sehnenkontinuität. Postoperativ wurde<br />
mir, gegen meinen Protest, die Nachsorge<br />
meines Patienten durch die Sportführung<br />
untersagt. 4 Wochen nach der Operation<br />
wurde er erneut vorgestellt, da die Sehnennaht<br />
ausgerissen <strong>und</strong> wiederum eine Diastase<br />
der Sehnenstümpfe vorlag. Ursache<br />
dieses Ereignisses war das Üben der Dorsalextension<br />
des Fußes der operierten Seite<br />
gegen einen Widerstand von 100 kg. Die<br />
Reoperation wurde mir nicht übertragen;<br />
sie erfolgte in einer für Spitzensportler vorgesehenen<br />
Klinik in Bad Düben.<br />
Forschung<br />
Wissenschaftliche Untersuchungen zu unfallchirurgischen<br />
Fragestellungen erfolgten<br />
bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
hinein vorwiegend im Rahmen<br />
der chirurgischen Forschung.<br />
Diese fanden in drei Bereichen statt [11]:<br />
– zum einen in den Instituten der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Akademie der Wissenschaften– später<br />
Akademie der Wissenschaften der DDR in<br />
den so genannten „Bucher Instituten“<br />
– in den chirurgischen Hochschulkliniken<br />
– im Bereich des Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen,<br />
also den nichtuniversitären<br />
Einrichtungen<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 21
Von besonderer Bedeutung war die Gründung<br />
der „Zeitschrift für experimentelle<br />
Chirurgie“ 1968, die Gründung der „Sektion<br />
für experimentelle Chirurgie der DDR“ 1973<br />
<strong>und</strong> der „Sektion Experimentelle Chirurgie“<br />
im Rahmen der „<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie“<br />
der DDR 1972 [11].<br />
Die Notwendigkeit klinischer Forschung<br />
wurde in der DDR erkannt, es gab diverse<br />
Aufgabenstellungen <strong>und</strong> Lösungsansätze.<br />
An der Chirurgischen Klinik der Friedrich-<br />
Schiller-Universität in Jena wurde beispielsweise<br />
eine naturwissenschaftlich-technische<br />
Abteilung errichtet, in der Naturwissenschaftler<br />
<strong>und</strong> Ingenieure tätig waren.<br />
Es bestand eine gute Zusammenarbeit mit<br />
dem zentralen Tierexperimentellen Institut;<br />
vor dessen Inbetriebnahme wurden Tierexperimente<br />
in den Kellerräumen der Klinik<br />
durchgeführt.<br />
Auch an den Chirurgischen Kliniken der Universitäten<br />
bzw. Akademien in Berlin, Dresden,<br />
Erfurt, Greifswald, Halle, Leipzig, Magdeburg<br />
<strong>und</strong> Rostock waren experimentelle<br />
Institutionen vorhanden.<br />
Interdisziplinäre <strong>und</strong> interinstitutionelle<br />
Verbindungen wurden aufgebaut.<br />
Außer der Nutzung der genannten experimentellen<br />
Kapazitäten war für den klinisch<br />
tätigen Forscher keine oder nur eine sehr<br />
geringe Kapazität (Personal, Zeit) reserviert.<br />
Die meisten wissenschaftlichen Aktivitäten<br />
erfolgten in der Freizeit. Es bestand meist<br />
auch ein Mangel an entsprechender Technik,<br />
an Geräten, Bürotechnik u. a.<br />
Aus der notwendigen Verknüpfung von experimenteller<br />
Chirurgie <strong>und</strong> der klinischen<br />
Praxis ergaben sich folgende Aufgaben<br />
[11]:<br />
– Ausarbeitung neuer Operationsmethoden<br />
– Ausarbeitung <strong>und</strong> Einführung neuer chirurgischer<br />
Methoden <strong>und</strong> Verfahren (z. B.<br />
Laser, Ultraschall)<br />
– experimentelle Pathologie <strong>und</strong> Pathophysiologie<br />
chirurgischer Erkrankungen<br />
– Erprobung neuer chirurgischer Materialien,<br />
– Ausbildung in neuen Operationsverfahren.<br />
Die Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie der DDR hat zahlreiche Gemeinschaftsstudien<br />
durchgeführt, auf ihren Unfallchirurgenkongressen<br />
mitgeteilt <strong>und</strong> publiziert<br />
(Auswahl der Zusammenfassungen<br />
im Zentralblatt für Chirurgie von W. Senst).<br />
VI. Unfallchirurgenkongress der DDR vom<br />
13. bis 15.09.1978 in Leipzig. Thema: „Epidemiologie<br />
<strong>und</strong> Klinik des diaphysären Unterschenkelschaftbruchs<br />
im Kindesalter.“ In<br />
die Studie eingeschlossen (H. Vinz) waren<br />
über 1200 Kinder mit den entsprechenden<br />
Frakturen.<br />
VII. Unfallchirurgenkongress der DDR vom<br />
17. bis 19.09.1980 in Leipzig. Thema: Spätergebnisse<br />
nach Osteosynthesen von Unterarmfrakturen<br />
im Kindesalter. Bericht der<br />
AG für Traumatologie des Kindesalters (W:<br />
Kurz).<br />
VIII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
vom 15. bis 17. September 1982 in Leipzig.<br />
Thema: „Behandlung <strong>und</strong> Ergebnisse von<br />
Kalkaneusfrakturen.“ Gemeinschaftsstudie<br />
der Sektion Traumatologie (K. Welz).<br />
IX. Unfallchirurgenkongress der DDR vom<br />
12. bis 14.09.1984 in Leipzig. Thema: „Behandlung<br />
<strong>und</strong> Ergebnisse von Oberschenkelschaftbrüchen.“<br />
Gemeinschaftsstudie der<br />
Sektion Traumatologie (K. Welz).<br />
XI. Unfallchirurgenkongress der DDR vom<br />
06. bis 09.11. 1988 in Leipzig. Thema: „Intraartikuläre<br />
Frakturen – Tibiakopf.“ Sammelstudie<br />
der DDR 1981–1985 (G. Hildebrand,<br />
D. Tralles, N. Brewka, F. Göttel).<br />
An allen Hochschulkliniken gab es unfallchirurgische<br />
Forschungsschwerpunkte. So<br />
wurden beispielsweise in Leipzig in den Jahren<br />
1977 bis 1988 5 Habilitationsschriften<br />
zum Thema der Verbrennungskrankheit<br />
erstellt. Weitere Aktivitäten hat K. Sandner<br />
im Kapitel „Wissenschaftlich Aktivitäten“<br />
beschrieben.<br />
Abb. 9 Portät von H. Brückner (1919–1988)<br />
In Halle fand im Zusammenhang mit der<br />
Einführung der AO-Prinzipien <strong>und</strong> entsprechender<br />
Methoden eine klinisch angewandte<br />
Forschung zu verschiedenen Verletzungsbildern<br />
<strong>und</strong> dazu geeigneten Behandlungsverfahren<br />
statt. Insbesondere ging es<br />
um die verletzungs- oder in der ersten Zeit<br />
auch behandlungsbedingten Heilungsstörungen,<br />
Komplikationen <strong>und</strong> Fehlheilungen<br />
wie Pseudarthrosen, posttraumatisch <strong>und</strong><br />
postoperative Osteitiden <strong>und</strong> Osteomyelitiden<br />
sowie ihre Therapie- <strong>und</strong> Korrekturmöglichkeiten.<br />
Vier Habilitationsschriften<br />
befassten sich im Sinne der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
experimentell mit der Infektion nach<br />
Plattenosteosynthesen im Zusammenhang<br />
mit der geschädigten periostalen Durchblutung,<br />
der Biomechanik des Unterschenkelskeletts<br />
unter konservativen <strong>und</strong> operativen<br />
Behandlungsbedingungen <strong>und</strong> zu Akutauswirkungen<br />
von Kälteschäden. Regelmäßige<br />
AO-Kurse für Ärzte <strong>und</strong> Operationspersonal<br />
sowie die zwischengeschalteten AO-Symposien<br />
forderten von dem kleinen Team der<br />
Halleschen Traumatologischen Abteilung<br />
zusätzliches intensives wissenschaftliches,<br />
organisatorisches uns logistisches Engagement.<br />
Eine herausragende unfallchirurgische Persönlichkeit<br />
war H. Brückner (1919–1988),<br />
der an der Universität Rostock tätig war <strong>und</strong><br />
sich u.a. mit der Kreation des plastischen<br />
Ersatzes des vorderen Kreuzbandes des<br />
Kniegelenks internationale Anerkennung<br />
erworben hatte. Die Abbildung 9 zeigt<br />
H. Brückner.<br />
Auf weitere unfallchirurgische Forschungen,<br />
die an den verschiedenen Universitäten <strong>und</strong><br />
Akademien der DDR bearbeitet wurden,<br />
kann hier nicht eingegangen werden.<br />
Über die chirurgische Forschung in der DDR<br />
schrieb R. Reding, ehemals Ordinarius für<br />
Chirurgie in Greifswald <strong>und</strong> Rostock 2007<br />
[14]: „Bei aller staatlicher <strong>und</strong> politischer Reglementierung<br />
des Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong><br />
der Universitäten in der DDR spiegeln die erbrachten<br />
Forschungsleistungen persönliches<br />
Engagement, Eignung, Kreativität <strong>und</strong> Einsatz<br />
einzelner Chirurgen wider, was hervorhebenswert<br />
erscheint.“<br />
Kaderpolitik an Universitäten <strong>und</strong><br />
Medizinischen Akademien der DDR<br />
Der individuelle Drang zur fachlichen Entwicklung<br />
<strong>und</strong> weiteren Qualifizierung wurde<br />
im Prinzip nicht unterdrückt, nur wurden<br />
Voraussetzungen <strong>und</strong> Bedingungen dafür<br />
schon gezielt unterschiedlich zugeteilt. Die<br />
Entwicklungschancen hingen eben weniger<br />
von dem Qualifikationsgrad als vom gesellschaftspolitischen<br />
Bekenntnis ab.<br />
22<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Der Aufstieg in höhere Positionen war<br />
nicht das Ergebnis von Konkurrenz <strong>und</strong><br />
Leistung, die Auswahl erfolgte durch die<br />
gesellschaftspolitische Führungsriege der<br />
SED. Mitglieder bestimmter Gruppen (z. B.<br />
Blockparteien, Frauenförderung) hatten bestimmte<br />
Vorteile.<br />
Ein entscheidender Mangel bestand auch in<br />
der zunehmenden Unterordnung ges<strong>und</strong>heitspolitischer<br />
<strong>und</strong> auch klinischer Aufgaben<br />
durch parteigelenkte Zielstellungen<br />
<strong>und</strong> entsprechende Vorgaben. Das betraf<br />
besonders die Entwicklungs- <strong>und</strong> Aufstiegsmöglichkeiten<br />
von ärztlichen Mitarbeitern,<br />
die sich nicht durch SED-Mitgliedschaft explizit<br />
zur DDR-Politik bekannten. Der intensive<br />
Einfluss der Staatssicherheit in nahezu<br />
alle Belange der ärztlichen Berufsausübung<br />
<strong>und</strong> der universitären Lehre war der überwiegenden<br />
Zahl der ärztlichen Mitarbeiter<br />
nicht bekannt.<br />
Zu kaderpolitischen Entscheidungen berichtet<br />
der Autor E. M. über seine persönlichen<br />
Erfahrungen.<br />
Ich habe nach meiner Habilitation im Jahre<br />
1977 mehrere, von meinem Klinikdirektor<br />
unterstützte Anträge auf Zuerkennung<br />
einer Dozentur gestellt. Mehrere Anträge<br />
wurden abgelehnt; die Antragsunterlagen<br />
habe ich in Form spärlicher Reste erst nach<br />
der Wende zurück bekommen. Ich wurde<br />
auch nach keiner einzigen Ablehnung offiziell<br />
informiert. Der Tatbestand wurde mir<br />
innoffiziell von einem Kenntnisträger mitgeteilt.<br />
Erst 1983 wurde ich zum Dozenten<br />
ernannt. Im Jahre 1987 wurde ich durch den<br />
Minister für das Hoch- <strong>und</strong> Fachschulwesen<br />
der DDR als außerordentlicher Professor berufen.<br />
Der Vorschlag ging von H. Schröder<br />
(1929–1997), Nachfolger von T. Becker, <strong>und</strong><br />
von Vertretern meiner Universität aus, die<br />
offensichtlich auf meine weitere Tätigkeit<br />
in Jena nicht verzichten wollten. Ich war inzwischen<br />
an anderen Hochschulen der DDR<br />
(Rostock, Magdeburg) für die Leitung der<br />
Abteilung Unfallchirurgie im Gespräch.<br />
Ein anderes mehrfach selbst erlebtes Beispiel<br />
betraf die Behinderung des Besuchs<br />
von Fortbildungsveranstaltungen im westlichen<br />
Ausland. Im Jahr 1970 erhielt ich eine<br />
Einladung zum Besuch eines AO-Kurses in<br />
Bad Gleichenberg in Österreich. Nach Bearbeitung<br />
der aufwendigen Formalitäten<br />
<strong>und</strong> langer Wartezeit erhielt ich schließlich<br />
via Ministerium, Rektorat der Universität,<br />
Bereichsleitung Medizin <strong>und</strong> Klinikdirektor<br />
den Hinweis, dass der Antrag abgelehnt<br />
wurde, da keine Devisen zur Verfügung<br />
stünden. Nach meiner Information an die<br />
Veranstalter über die Ablehnung meiner<br />
Teilnahme hat mir der organisatorische Leiter<br />
des Kurses, der damalige Oberarzt der<br />
Universitätsklinik für Chirurgie in Graz, Dr.<br />
Harald Tscherne, geschrieben, dass das Organisationskomitee<br />
der Sektion Österreich<br />
der AO mich <strong>und</strong> meine Frau abermals einladen<br />
möchte <strong>und</strong> alle Kosten für den Kurs,<br />
die Übernachtung <strong>und</strong> die Reise übernehmen<br />
würde. Die Antwort nach langer Zeit,<br />
den genannten Weg nehmend, war eine<br />
Ablehnung meiner Reise; diesmal ohne Begründung.<br />
Das war politischer Alltag in der DDR!<br />
Literatur<br />
1. Böhler L. Die Technik der Knochenbruchbehandlung.<br />
Verlag Wilhelm Maudrich 1929<br />
2. Ekkernkamp A, Probst J. Von der Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />
zur Unfallchirurgie. Z. ärztl. Fortbild. Qual. Ges<strong>und</strong>h.wes<br />
2004; 98: 31–36<br />
3. Fläschendräger W, Klaus W, Köhler R, Kraus A, Steiger<br />
G. Magister <strong>und</strong> Scholaren, Professoren <strong>und</strong><br />
Studenten – Geschichte deutscher Universitäten<br />
<strong>und</strong> Hochschulen im Überblick. Leipzig-Jena-Berlin:<br />
Urania-Verlag; 1981<br />
4. Heim UFA. Das Phänomen AO – Gründung <strong>und</strong><br />
erste Jahre der Arbeitsgemeinschaft für das Studium<br />
der Osteosynthese. Verlag H. Huber 2001<br />
5. Howmedica GmbH Kiel. Gerhard Küntscher – Ein<br />
Pionier der modernen Osteosynthese. Festschrift<br />
1990<br />
6. Hoßfeld U, Kaiser T, Mestrup H. Hochschule im Sozialismus.<br />
Bölau Verlag 2007<br />
7. Lemmens F. Der Wiederaufbau <strong>und</strong> die Entwicklung<br />
des Leistungsprofils der Medizinischen Fakultät<br />
in den Jahren 1945 bis 1961. In.: Kästner I,<br />
Thom A. 575 Jahre Medizinische Fakultät der Universität<br />
Leipzig. Johann Ambrosius Barth Verlag<br />
1990: 210–211<br />
8. Löffler F. Eröffnungsansprache des 1. Vorsitzenden<br />
auf der ersten wissenschaftlichen Tagung der<br />
neuen <strong>Gesellschaft</strong>. Beitr. Orthop. 1954; 1: 7–11<br />
9. Markgraf E. Theo Becker - ein Wegbereiter der<br />
Chirurgie in der ehemaligen DDR. Zentralbl Chir<br />
2006; 131: 93–94<br />
10. Meißner F. Herbert Uebermuth <strong>und</strong> die Spezialisierung<br />
der Chirurgie. In: Schönfelder M, Schwokowski<br />
C. Herbert Uebermuth (1901–1986) – Leben<br />
<strong>und</strong> Werk eines Chirurgen. Leipzig: Verlag Andreas<br />
Lieback; 2001<br />
11. Neumann M, Spiegel HU. Chirurgische Forschung<br />
in der DDR. <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie 2007; 36:<br />
350–355<br />
12. Povacz F. Der Geist der Böhlerschule. Verlag Wilhelm<br />
Maudrich; 2004<br />
13. Probst J. 60 Jahre <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e.<br />
Demeter Verlag; 1982<br />
14. Reding R. Kommentar zu „Chirurgische Forschung<br />
in der DDR“. In: Neumann M, Spiegel HU. Chirurgische<br />
Forschung in Deutschland. Kaden Verlag;<br />
169–190. <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie; 36: 355–356<br />
15. Rupprecht H, Schickedanz H, Presselt N. Erziehung,<br />
Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung. In: Schickedanz<br />
H. Die Chirurgische Klinik der Universität Jena<br />
1961–1980. Wissenschaftliche Beiträge der FSU;<br />
1980: 17–28<br />
16. Schober KL. Stalingrad – Befreiung in Gefangenschaft.<br />
Demeter Verlag; 1995<br />
17. Steiger G, Flaschenträger W. Magister <strong>und</strong> Scholaren,<br />
Professoren <strong>und</strong> Studenten – Geschichte<br />
deutscher Universitäten <strong>und</strong> Hochschulen im<br />
Überblick. Urania-Verlag; 1981; 225<br />
18. Steinbach, Matthias. Universitätserfahrung Ost.<br />
DDR-Hochschullehrer im Gespräch. Verlag Bussert<br />
& Stadeler; 2005<br />
19. Stiller H. Gedanken zur Behandlung von Verletzungen<br />
<strong>und</strong> ihren Früh- <strong>und</strong> Spätfolgen. Ther. d.<br />
Gegenw. 1960; 99: 361–371<br />
Prof. Dr. E. Markgraf<br />
Gillestr. 5<br />
07743 Jena<br />
Prof. Dr. W. Otto<br />
Am Park 5<br />
06184 Kabelsketal<br />
OT Dieskau<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 23
Die Rolle der konfessionellen<br />
Krankenhäuser in der DDR<br />
S. Grafe<br />
Abb. 1 Hauptgebäude des katholischen „St. Elisabethkrankenhauses“<br />
Leipzig. Aus: Privatarchiv S. Grafe<br />
Abb. 2 Die einzige selbständige Poliklinik mit Fachambulanzen in der DDR<br />
in Rechtsträgerschaft des Vereins des Diakonissenhauses Leipzig.<br />
Aus: Privatarchiv S. Grafe<br />
Das staatliche Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR<br />
wurde, wie das Adjektiv aussagt, vom Staat,<br />
somit von der Regierung, reglementiert <strong>und</strong><br />
durchorganisiert. Für andere Rechtsträger<br />
war deshalb in diesem System auch aus ideologischen<br />
Gründen kein Platz vorgesehen.<br />
Die von der DDR, übrigens auch für andere<br />
Länder des real existierenden Sozialismus<br />
nicht ganz selbstverständliche, einmalige<br />
Vorgabe einer für den Patienten völlig kostenfreien<br />
Versorgung <strong>und</strong> ärztlichen Behandlung<br />
der Kranken war ein Gr<strong>und</strong>prinzip<br />
der deutschen Arbeiterbewegung. Sie wurde<br />
verwirklicht durch die ebenfalls staatlich<br />
kontrollierten Krankenversicherungen <strong>und</strong><br />
sie verlangte eine totale finanzielle Absicherung<br />
durch den staatlichen Haushaltsplan<br />
(sog. Fünfjahrplan). Die Ausgaben der Versicherungen<br />
wurden zentral vorgegeben. Der<br />
Plan sollte eingehalten werden. Ein mangelhaft<br />
kontrollierbarer Posten, wie die Budgets<br />
<strong>und</strong> die Ausgabenplanung nicht staatlicher<br />
Einrichtungen, passte deshalb nicht ins<br />
Konzept. Damit war die Zulassung anderer<br />
Krankenhausrechtsträger für die DDR nicht<br />
nur ein ideologisches, sondern auch ein<br />
wirtschaftliches Problem, das bis in das ausgehende<br />
achte Dezennium des vergangene<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts nur über eine kostendeckende<br />
Vergütung der Leistungen einseitig zu Lasten<br />
der konfessionellen Krankenhäuser geregelt<br />
wurde.<br />
Andererseits, <strong>und</strong> auch das ist für die<br />
DDR eine Besonderheit gewesen, waren die<br />
konfessionellen Krankenhäuser, wie auch<br />
die großen Glaubens- <strong>und</strong> Religionsgemeinschaften<br />
selbst, eben erst aus der Unterdrückung<br />
durch das Naziregime befreit worden.<br />
Sie hatten, bis auf einige Ausnahmen, nach<br />
dem zweiten Weltkrieg die Eigenständigkeit<br />
durch die sowjetische Militäradministration<br />
wieder zurückerhalten ( Abb. 1).<br />
So begnügte sich der aufstrebende sozialistische<br />
Staat mit der Strategie der kleinen<br />
Nadelstiche. Den Krankenhäusern <strong>und</strong><br />
Anstalten wurde jede Unterstützung materieller<br />
<strong>und</strong> finanzieller Art vorenthalten.<br />
Die geduldete stationäre Versorgung von<br />
Patienten (einschließlich der ambulanten<br />
Nachbehandlung) musste im Gegensatz<br />
zu den staatlichen Einrichtungen auf Heller<br />
<strong>und</strong> Pfennig nach den tatsächlichen Ausgaben<br />
am Ende eines abgelaufenen Jahres<br />
abgerechnet werden. Das Krankenhaus trat<br />
also finanziell immer erst in Vorleistung.<br />
Das änderte sich erst als Staat <strong>und</strong> evangelische<br />
Kirche in einem Spitzengespräch am<br />
18.03.1978 ein besseres Zusammenarbeiten<br />
beschlossen. Gr<strong>und</strong> dafür war einerseits<br />
die Anerkennung der Leistungen der Mitarbeiter<br />
der kirchlichen Einrichtungen auf<br />
dem Gebiet des Ges<strong>und</strong>heitswesens. Andererseits<br />
war die Arbeit der konfessionellen<br />
Krankenhäuser, der Rehabilitations- <strong>und</strong> der<br />
Pflegeeinrichtungen ein ökonomisch <strong>und</strong><br />
leistungsmäßig nicht mehr wegzudenkender<br />
Faktor im Ges<strong>und</strong>heitswesen geworden.<br />
Eine bemerkenswerte Ausnahme gab es auf<br />
dem Gebiet der DDR, entgegen dem Gr<strong>und</strong>satz,<br />
dass für konfessionelle Träger nur<br />
Krankenhausarbeit zugelassen war, in der<br />
Duldung einer selbständigen ambulanten<br />
Einrichtung in der Rechtsträgerschaft des<br />
Vereins des Diakonissenhauses Leipzig, der<br />
seine Poliklinik weiter betreiben durfte, weil<br />
diese in einem Arbeiterwohngebiet 1923<br />
zur kostengünstigen ambulanten Versorgung<br />
der werktätigen Bevölkerung entstanden<br />
war. Beide Diktaturen hat diese Poliklinik<br />
überstanden. Erst die politisch gewollte<br />
Auflösung der Krankenhausambulanzen im<br />
Jahre 1996 brachte das Aus für sie ( Abb. 2).<br />
Aus zu Beginn unterdrückten, später geduldeten<br />
Einrichtungen waren durch die Entwicklung<br />
Arbeitsfelder hervorgegangen,<br />
die notwendige zusätzliche Kapazitäten im<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen vorhielten, auf die man<br />
nicht mehr verzichten konnte <strong>und</strong> wollte.<br />
Rehabilitation <strong>und</strong> Pflege von Behinderten<br />
waren anfangs dem aufstrebenden Sozialismus<br />
ein Hemmschuh, den man gerne<br />
den Kirchen <strong>und</strong> Glaubensgemeinschaften<br />
überlies. Nach dem oben erwähnten Spitzengespräch<br />
zwischen dem Staatsratsvorsitzenden<br />
Honecker, dem vorsitzenden<br />
evangelischen Bischof <strong>und</strong> Vertretern der<br />
Diakonie wurde deshalb den konfessionellen<br />
Krankenhäusern erstmalig auch Unterstützung<br />
zu Teil. Es gab ab dato einen<br />
reibungsfreien Transfer für die vielfältige finanzielle<br />
<strong>und</strong> materielle Unterstützung, die<br />
der <strong>Deutsche</strong> evangelische Krankenhausverband<br />
<strong>und</strong> der Caritasverband in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland aus Spenden <strong>und</strong><br />
aus dem Staatsvertrag der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
24<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
mit den Kirchen organisierte. Das führte<br />
dazu, dass in vielen Häusern den Patienten<br />
modernste medizinische Geräte <strong>und</strong> Instrumente<br />
zur Verfügung standen ( Abb. 3).<br />
Trotzdem haben die konfessionellen Krankenhäuser<br />
<strong>und</strong> Behinderteneinrichtungen<br />
zu keiner Zeit die Würdigung erfahren, die<br />
ihnen gerecht geworden wäre. In der Chronik<br />
des <strong>Deutsche</strong>n evangelischen Krankenhausverbandes<br />
liest sich das so: – „Zuletzt<br />
gab es in der DDR 46 evangelische <strong>und</strong> 31<br />
katholische Krankenhäuser. Sie stellten<br />
16,7 % der insgesamt 541 Krankenhäuser<br />
<strong>und</strong> 14,2 % aller Krankenhausbetten in der<br />
DDR. – Dennoch blieben sie Fremdkörper im<br />
staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesen – sie wurden<br />
geduldet, weil sie unentbehrlich waren, <strong>und</strong><br />
sie behielten ihre Selbständigkeit, weil eine<br />
Übernahme in staatliche Trägerschaft vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> des in der Verfassung der<br />
DDR garantierten Gr<strong>und</strong>rechts auf freie Religionsausübung<br />
politisch brisant war.“ [1]<br />
Nach all dem, was sich daraus ergeben<br />
hat, ist es nur verständlich, dass sich auch<br />
die Traumatologie in den konfessionellen<br />
Krankenhäusern nur sehr ambivalent entwickeln<br />
konnte. Einerseits profitierte das<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen von der Möglichkeit<br />
hochqualifizierte operative Knochenbruchbehandlung<br />
in den Krankenhäusern vornehmen<br />
zu lassen, weil importierten Geräte<br />
<strong>und</strong> Instrumente dem international höchsten<br />
Standard genügten <strong>und</strong> weil sie nicht<br />
aus dem Devisenvolumen des Staates für<br />
das Ges<strong>und</strong>heitswesen finanziert werden<br />
mussten. Andererseits wurde den Häusern<br />
keinerlei Unterstützung für Forschung <strong>und</strong><br />
Weiterentwicklung gewährt. Kein konfessionelles<br />
Krankenhaus wurde für die Maximalversorgung<br />
zugelassen. Die Regel war<br />
die Einstufung in die Gr<strong>und</strong>versorgung,<br />
nur bei regionalen Besonderheiten wurde<br />
notgedrungen der Status für die Regelversorgung<br />
zuerkannt. Eine weitere Hürde war<br />
die zentrale Regelung der Patientenströme<br />
durch den Krankentransport, was im Rettungsdienst<br />
besonders deutlich zum Ausdruck<br />
kam. In den Ballungsgebieten erreichten<br />
deshalb nur geringfügig Verletzte das<br />
am Ort tätige konfessionelle Krankenhaus.<br />
Dass trotz dieser gr<strong>und</strong>sätzlichen Ignoranz,<br />
schwerer Verletzte in konfessionelle Häuser<br />
eingeliefert wurden, war dem guten Ruf<br />
<strong>und</strong> den Erfolgen von Spezialisten in deren<br />
chirurgischen Abteilungen zu danken. In<br />
der Bevölkerung <strong>und</strong> auch in Kreisen der<br />
Parteiführung gab es immer wieder Personen,<br />
die darauf bestanden in ein Haus der<br />
Kirche eingewiesen zu werden, auch wenn<br />
das eigentlich für sie nicht vorgesehen war.<br />
So konnten die Fachkenntnisse der Ärzte,<br />
die auch im „nichtsozialistischen Ausland“<br />
Tagungen besuchten, auf dem modernsten<br />
Wissensstand gebracht werden.<br />
Der o. a. kirchliche Finanztransfer war für<br />
die beste Behandlung der Patienten vorgesehen.<br />
Diese Mittel aber für die Forschung<br />
einzusetzen, verbot sich gegenüber den<br />
Spendern <strong>und</strong> Organisationen, die sie ausschließlich<br />
für Wohltätigkeitszwecken zur<br />
Verfügung gestellt hatten. Es war deshalb<br />
kein W<strong>und</strong>er, dass wenn Ärzte in den konfessionellen<br />
Krankenhäusern Forschung betrieben<br />
haben, Fragen der täglichen Praxis <strong>und</strong><br />
Erfahrung mit einfachen Verletzungsbildern<br />
zu Themen gemacht wurden. Unblutige<br />
Knochenbruchheilungswege, in Sonderheit<br />
die Methoden der frühfunktionellen Knochenbruchbehandlung<br />
beispielsweise in<br />
Anlehnung an die Lehre von Sarmiento fanden<br />
eine Weiterentwicklung. Da die Dauer<br />
des Aufenthaltes im Krankenhaus nicht der<br />
staatlichen Reglementierung unterlag <strong>und</strong><br />
jeder Patient auch ambulant vom Krankenhausarzt<br />
zu Ende behandelt werden durfte,<br />
waren für solche klinischen Forschungen<br />
die Voraussetzungen nahezu ideal. Die<br />
Traumatologie wurde also in den einzelnen<br />
Häusern sehr unterschiedlich praktiziert.<br />
Sie zeichnete sich einerseits durch<br />
hohe Qualität der operativen Versorgung<br />
von Knochenbrüchen mit internationalem<br />
Standard der Technik der Osteosynthesen,<br />
andererseits aber auch durch einfache, oft<br />
unblutige Konzepte zur Knochenbruchbehandlung<br />
mit guten funktionellen Ergebnissen<br />
aus. Die zentrale Bedeutung einer den<br />
Mitmenschen achtenden <strong>und</strong> ihm zugewandten<br />
Betreuung als Kernmotivation von<br />
Caritas <strong>und</strong> Diakonie, ließ dem Patienten<br />
die Wahl, welchen therapeutischen Weg er<br />
bevorzugte. Keine finanziellen Erwägungen<br />
störten ihn <strong>und</strong> seinen Arzt in der Entscheidung<br />
über die angebotene Therapie. Die oft<br />
langen Krankenhausaufenthalte boten die<br />
notwendige Zeit, mit dem Patienten eine<br />
persönliche Beziehung einzugehen. Diese<br />
konnte die manchmal wenig komfortablen<br />
Unterbringungen kompensieren. Das entstandene<br />
Vertrauensverhältnis hat viele<br />
Patienten ermutigt, die erforderliche Akzeptanz<br />
für seine Verletzung aufzubauen.<br />
Schnelle <strong>und</strong> gute Wiederherstellung der<br />
Funktion verletzter Extremitäten waren der<br />
Erfolg. Zuletzt darf die bedeutende, in mancherlei<br />
Weise beispielgebende Rolle bei der<br />
Rehabilitation Verletzter in den orthopädisch<br />
geführten, konfessionellen Behinderteneinrichtungen<br />
nicht vergessen werden<br />
zu erwähnen.<br />
Nach dem 18. März 1978 hat es dann auch<br />
keine Hindernisse mehr gegeben, die finanziellen<br />
Mittel für die ausreichende Versorgung<br />
der Verletzten jeder Art in voller Höhe<br />
mit den Krankenkassen in einem vorauslaufenden<br />
Planungsprozess auszuhandeln.<br />
Diese Budgetverhandlungen hatten nur<br />
die konfessionellen Krankenhäuser mit der<br />
Krankenkasse des „Freien <strong>Deutsche</strong>n Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es“<br />
der DDR zu führen. Ein<br />
Umstand, der sich nach der Wende auszahlte.<br />
Sie waren mit der prinzipiellen Problematik<br />
der Budgetverhandlungen vertraut<br />
<strong>und</strong> konnten ihre Erfahrungen auch an andere<br />
Krankenhäuser weitergeben.<br />
Literatur<br />
1 Helbig W. Evangelischer Krankenhauskongress 98,<br />
Dokumentation, Herne-Wanne 1999<br />
Prof. Dr. S. Grafe<br />
Lise-Meitner-Str. 13<br />
04178 Leipzig<br />
Abb. 3 Einsatz modernster Spitzentechnik im traumatologischen Operationssaal: „Bildverstärker<br />
letzter Generation“. Aus: Privatarchiv S. Grafe<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 25
Die medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en in der DDR<br />
K. Sandner, W. Senst, E. Markgraf<br />
Nach der bedingungslosen Kapitulation<br />
Hitlerdeutschlands im Mai 1945 wurden<br />
alle bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet<br />
Deutschland existierenden medizinischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en durch Kontrollratsbeschluss<br />
aufgelöst.<br />
Am 12.5.1947 erteilte die Sowjetische Militäradministration<br />
in Deutschland (SMAD)<br />
den Befehl 124 „Über die Organisation<br />
der deutschen wissenschaftlichen medizinischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en“. Dieser Befehl wurde<br />
vom Oberbefehlshaber der SMAD, dem<br />
Oberkommandierenden der sowjetischen<br />
Besatzungstruppen <strong>und</strong> Marschall der Sowjetunion<br />
W. Sokolowski <strong>und</strong> vom Chef des<br />
Stabes der SMAD, Generalleutnant Tratwin<br />
unterzeichnet. In diesem Schreiben wurde<br />
die Bildung von medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en in der sowjetischen<br />
Besatzungszone gefordert ( Abb. 1).<br />
Für den organisatorischen Aufbau der <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
wurde gleichzeitig als Paragraph<br />
8 des Befehls ein Musterstatut beigefügt.<br />
Im Befehl Nr. 124 der SMAD wurden<br />
die Universitätsstädte mit medizinischen<br />
Fakultäten ausdrücklich zur Gründung derartiger<br />
medizinisch-wissenschaftlicher <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
berechtigt <strong>und</strong> aufgefordert,<br />
in anderen Städten wurden Auflagen hinsichtlich<br />
einer Mindestzahl von ansässigen<br />
Ärzten (mehr als 25 Ärzte einer gleichen<br />
Fachrichtung) gemacht.<br />
Der für ein Jahr von der Mitgliederversammlung<br />
zu wählende Vorstand war vom<br />
Gelehrtenrat bei der deutschen Verwaltung<br />
des Ges<strong>und</strong>heitswesens in der sowjetischen<br />
Besatzungszone (Vorläufer des Ministeriums<br />
für Ges<strong>und</strong>heitswesen) zu bestätigen.<br />
Nach Erlass dieses Befehls wurden im selben<br />
Jahr regionale <strong>Gesellschaft</strong>en von Fachärzten<br />
an den Universitäten gebildet.<br />
In einzelnen Ländern der sowjetischen<br />
Besatzungszone erfolgte diese Entwicklung<br />
jedoch unterschiedlich. Ende 1949 wurden<br />
auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Befehls 46 medizinische<br />
Regionalgesellschaften in den<br />
Ländern der sowjetischen Besatzungszone<br />
gegründet, wie z. B. die <strong>Gesellschaft</strong> für Klinische<br />
Medizin in Berlin, die <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
für Innere Medizin an den Universitäten<br />
Jena, Leipzig, Greifswald <strong>und</strong> Rostock <strong>und</strong><br />
die <strong>Gesellschaft</strong> für Innere Medizin, Neurologie,<br />
Kinderheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Grenzgebiete in<br />
Sachsen-Anhalt.<br />
Die ersten medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en für Chirurgie wurden<br />
an den Universitäten Berlin, Leipzig, Halle,<br />
Jena, Rostock <strong>und</strong> Greifswald gegründet.<br />
Die Berliner <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
wurde durch Herrn Prof. Dr. Sauerbruch am<br />
27.1.1948 neu unter dem Namen „Chirurgische<br />
<strong>Gesellschaft</strong> an der Universität Berlin“<br />
gegründet. Nach dem Mauerbau wurde<br />
die Berliner <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie bis<br />
zur vollständigen Wiedervereinigung im<br />
Jahre 1991 im Ost- <strong>und</strong> Westteil der Stadt in<br />
zwei <strong>Gesellschaft</strong>steilen fortgeführt.<br />
Die wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
zu Leipzig wurde 1948 durch Prof. Dr.<br />
Heller ins Leben gerufen. Sie hielt bis zum<br />
Jahre 1990 insgesamt 47 wissenschaftliche<br />
Tagungen ab.<br />
1948 wurde auch die Medizinisch-Wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie,<br />
Urologie, Röntgenologie <strong>und</strong> Orthopädie an<br />
der Universität Leipzig gegründet, die sich<br />
ab 1959 Medizinisch-Wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie an der Universität<br />
Leipzig nannte.<br />
1948 wurde die <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
an der Universität Leipzig, Tochtergesellschaft<br />
Dresden gegründet.<br />
Im März 1948 wurde die Medizinisch-Wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
an der Universität Halle-Wittenberg durch<br />
Prof. Dr. Budde gegründet, die sich dann ab<br />
Anfang der 80-er Jahre Medizinisch-Wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie an der<br />
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
nannte.<br />
Bei den jährlich stattfindenden Tagungen<br />
wurden stets auch unfallchirurgische Themen<br />
abgehandelt, z. B. referierte im Mai<br />
1963 der Nestor der österreichischen Unfallchirurgie<br />
Prof. Dr. Lorenz Böhler aus Wien<br />
über Oberschenkelfrakturen <strong>und</strong> im Mai<br />
1979 hielt Prof. Dr. H. Tscherne aus Hannover<br />
das Hauptreferat – „Der polytraumatisierte<br />
Patient“. 1949 wurde als Regionalgesellschaft<br />
auch die Medizinisch-Wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie im<br />
Lande Sachsen-Anhalt gegründet.<br />
Bereits im Oktober 1947 gründete Prof.<br />
Dr. Guleke die Thüringer-Medizinisch-Wissenschaftliche<br />
Chirurgenvereinigung, die<br />
1949 in die Medizinisch-wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie Thüringen in Jena<br />
umbenannt wurde. 1950 nannte sie sich<br />
Abb. 1 Befehl Nr.124 der SMAD [1]<br />
26<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie an der Friedrich-Schiller-Universität<br />
in Jena. Im Jahre 1979 erfolgte auf<br />
Vorschlag <strong>und</strong> Initiative von Prof. Dr. Usbeck<br />
die Umbenennung in „Thüringische <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie“, die auch die Chirurgen<br />
der Südbezirke der DDR Erfurt, Gera <strong>und</strong><br />
Suhl mit einbezog. Diese <strong>Gesellschaft</strong> zeichnete<br />
sich durch eine rege wissenschaftliche<br />
Tätigkeit aus. Jährlich fanden zwei Tagungen<br />
jeweils im Frühjahr <strong>und</strong> Herbst statt.<br />
1948 wurden auch die medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en für Chirurgie<br />
an den Universitäten in Rostock <strong>und</strong><br />
Greifswald gegründet.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der geringen Mitgliederzahl<br />
wurden 1959 die Chirurgen beider Universitäten<br />
in den Medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en für Chirurgie an den<br />
Universitäten Rostock <strong>und</strong> Greifswald zusammengefasst.<br />
Mitglieder konnten die<br />
Chirurgen von Mecklenburg-Vorpommern<br />
<strong>und</strong> die der übrigen 11 Bezirke der DDR werden.<br />
1968 erfolgte die Umbenennung in die<br />
Vereinigung der Chirurgen der beiden Nordbezirke<br />
der DDR.<br />
Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
für Chirurgie existierten ferner an<br />
der Medizinischen Akademie Carl-Gustav-<br />
Carus Dresden seit 1962, an der Medizinischen<br />
Akademie in Erfurt <strong>und</strong> an der Medizinischen<br />
Akademie in Magdeburg.<br />
Außerdem gab es eine Medizinisch-wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
des Bezirkes Karl-Marx-Stadt.<br />
Die von den Chirurgengesellschaften organisierten<br />
wissenschaftlichen Tagungen der<br />
Regionalgesellschaften dienten zur Förderung<br />
des wissenschaftlichen Nachwuchses,<br />
zur Förderung der praktischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />
Anliegen der Chirurgie <strong>und</strong> der<br />
Förderung wissenschaftlicher Forschung<br />
<strong>und</strong> Studien in der Chirurgie.<br />
Jüngere Fachkollegen hatten hier die<br />
Möglichkeit Vorträge zu halten <strong>und</strong> sich<br />
wissenschaftlich zu profilieren.<br />
Die Chirurgengesellschaften fühlten sich<br />
mitverantwortlich für die Arbeit <strong>und</strong> Qualität<br />
der Fachkommissionen, die u. a. die Facharztprüfungen<br />
durchzuführen hatten.<br />
Nach der Errichtung der Mauer in Berlin im<br />
Jahre 1961 erfolgte ein systematischer Aufbau<br />
der medizinisch-wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
der DDR ungestört <strong>und</strong> zielgerichtet.<br />
Am 5.5.1962 wurde die <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Klinische Medizin der DDR als Dachgesellschaft<br />
für die klinischen Fächer gegründet.<br />
Zunächst bestanden 5 Dachgesell schaften<br />
– Klinische Medizin, Experimen telle<br />
Medizin, Gesamte Hygiene, Stomatologie,<br />
Pharmazie – später kam noch die Militärmedizin<br />
hinzu ( Abb. 2).<br />
Klinische<br />
Medizin<br />
Deleg. Konf.<br />
Präsidium<br />
Rev. Komm.<br />
R<br />
B G<br />
9<br />
K<br />
F G<br />
35<br />
B G<br />
11 fachl. Glied.<br />
ohne:<br />
mit:<br />
7<br />
28<br />
Unterstellung<br />
Zuordnung<br />
Zusammenwirken<br />
Koordinierung<br />
Experimentelle<br />
Medizin<br />
Deleg. Konf.<br />
Präsidium K<br />
Rev. Komm.<br />
R<br />
B G<br />
3<br />
F G<br />
12<br />
fachl. Glied.<br />
ohne: 4<br />
mit: 8<br />
Koordinierungsrat<br />
Kommissionen<br />
Dachgesellschaften<br />
Gesamte<br />
Hygiene<br />
Deleg. Konf.<br />
Präsidium<br />
Rev. Komm.<br />
Bedeutende Fortschritte für die Präzisierung<br />
der Aufgabenstellung <strong>und</strong> die Perspektive<br />
der medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en wurden durch die Realisierung<br />
der „Verordnung zur Registrierung von<br />
Vereinen“ vom 9.11.1967 (GBl. II/1967, S.86)<br />
erreicht.<br />
Die staatliche Verantwortung für die<br />
Tätigkeit <strong>und</strong> Entwicklung der medizinischwissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR<br />
wurde mit Wirkung vom 1.7.1969 dem<br />
„Generalsekretariat der medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en“ beim Ministerium<br />
für Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR<br />
übertragen.<br />
Das Generalsekretariat hatte folgende Aufgaben:<br />
– die Planung <strong>und</strong> Organisation des Kongresswesens<br />
in der DDR<br />
– die Planung <strong>und</strong> Realisierung der Teilnahme<br />
von <strong>Gesellschaft</strong>en der DDR an<br />
wissenschaftlichen Veranstaltungen im<br />
Ausland einschließlich der Arbeit nach der<br />
BRD <strong>und</strong> Westberlin<br />
K<br />
Sekretariat<br />
KR<br />
Stomatologie<br />
Deleg. Konf.<br />
Präsidium K<br />
Rev. Komm.<br />
Pharmazie<br />
Deleg. Konf.<br />
Präsidium K<br />
Rev. Komm.<br />
Minister <strong>und</strong><br />
Ministerium für<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
Generalsekretariat<br />
der medizinisch<br />
wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en<br />
beim<br />
Ministerium<br />
für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
Militär-<br />
Medizin<br />
Deleg. Konf.<br />
Präsidium<br />
Rev. Komm.<br />
B G F G B G F G B G F G B G F G<br />
0 8 11 6 8 4 7 8<br />
fachl. Glied.<br />
ohne: 1<br />
mit: 7<br />
fachl. Glied.<br />
ohne: 6<br />
mit: 0<br />
fachl. Glied.<br />
ohne: 2<br />
mit: 2<br />
Abb. 2 Die Struktur der wissenschaftlich-medizinischen <strong>Gesellschaft</strong>en der DDR [3]<br />
– die Organisierung der internationalen<br />
Arbeit sowie die Wahrnehmung der Aufgaben<br />
in <strong>und</strong> gegenüber internationalen<br />
medizinischen <strong>Gesellschaft</strong>en sowie<br />
– die Publikationstätigkeit <strong>und</strong> Profilierung<br />
der medizinischen Zeitschriften.<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage eines Ministerratsbeschlusses<br />
der DDR vom 7.5.1969 wurde am<br />
21.10.1969 in Potsdam der Koordinierungsausschuss<br />
der medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR gegründet,<br />
dessen Mitglieder durch das Ministerium<br />
für Ges<strong>und</strong>heitswesen ernannt wurden.<br />
Die Verbindung zum Ministerium stellte<br />
der Direktor des Generalsekretariats der<br />
medizinisch-wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
beim Ministerium dar ( Abb. 3).<br />
Die <strong>Gesellschaft</strong> für Klinische Medizin der<br />
DDR gliederte sich in 35 Fachgesellschaften<br />
<strong>und</strong> 9 selbstständige regionale <strong>Gesellschaft</strong>en.<br />
K<br />
fachl. Glied.<br />
ohne: 4<br />
mit: 4<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 27
Ministerium<br />
für Hoch- u.<br />
Fachschulwesen<br />
Medizin<br />
Akademie d.<br />
Wissenschaften<br />
Molekularbiologie<br />
u. Medizin<br />
MHF-Einrichtungen<br />
Rat für<br />
Planung <strong>und</strong><br />
Koordinierung<br />
der mediz.<br />
Wissenschaften<br />
Die <strong>Gesellschaft</strong> für Klinische Medizin der<br />
DDR umfasste<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Arbeitsmedizin der<br />
DDR,<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Altersforschung der<br />
DDR,<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Anästhesiologie <strong>und</strong><br />
Reanimation der DDR,<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> der Augenärzte der DDR,<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Bronchiologie der<br />
DDR.<br />
Die <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR umfasste<br />
7 Sektionen:<br />
– Sektion Poliklinische Chirurgie,<br />
– Sektion Experimentelle Chirurgie,<br />
– Sektion Herz- <strong>und</strong> Gefäßchirurgie,<br />
– Sektion Kinderchirurgie,<br />
– Sektion Plastische- <strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie,<br />
– Sektion Thoraxchirurgie <strong>und</strong> die<br />
– Sektion Traumatologie<br />
Ministerrat der DDR<br />
staatliche<br />
Plankommission<br />
Minister <strong>und</strong> Ministerium<br />
für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
General-Sekretariat<br />
d. mediz.-wissenschaftl.<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en beim<br />
M. f. Ge. der DDR<br />
Koordinierungsrat<br />
der mediz.-wissenschaftl.<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR<br />
Kommissionen<br />
Präsidien der Dachgesellschaften<br />
I II III IV V VI<br />
ADW-Einrichtungen<br />
Praxis des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes der DDR<br />
übrige<br />
zentrale<br />
staatliche<br />
Organe<br />
Akademie<br />
für ärztliche<br />
Fortbildg.<br />
d. DDR<br />
Unterstellung<br />
Zuordnung<br />
Zusammenwirken<br />
Koordinierung<br />
übrige dem<br />
M. f. Ge.<br />
nachgeordnete<br />
Einrichtungen<br />
örtliche Organe<br />
der Staatsmacht<br />
Abt. Ges<strong>und</strong>heits<strong>und</strong><br />
Sozialwesen<br />
staatl. Ges<strong>und</strong>heits-<br />
Einrichtungen<br />
Abb. 3 Die Organisation der medizinisch-wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en in der DDR <strong>und</strong> ihre<br />
gesellschaftlichen Verbindungen [3]<br />
Die Sektion Traumatologie untergliederte<br />
sich wiederum in 5 Arbeitsgemeinschaften:<br />
– Arbeitsgemeinschaft Knochenbruchbehandlung,<br />
– Arbeitsgemeinschaft Unfallprophylaxe<br />
<strong>und</strong> Erste chirurgische Hilfe,<br />
– Arbeitsgemeinschaft Thermische <strong>und</strong><br />
kombinierte Schädigungen,<br />
– Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie<br />
<strong>und</strong> die<br />
– Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation <strong>und</strong><br />
Begutachtung.<br />
Außerdem existierten in der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie der DDR<br />
– die Arbeitsgemeinschaft Gefäßchirurgie,<br />
– die Arbeitsgemeinschaft Herzchirurgie,<br />
– die Arbeitsgemeinschaft Hospitalismus,<br />
– die Arbeitsgemeinschaft Tumorchirurgie<br />
im Kindesalter,<br />
– die Arbeitsgemeinschaft Chirurgie des<br />
Harntrakts im Kindesalter <strong>und</strong><br />
– die Arbeitsgemeinschaft für Prognosefragen.<br />
Bezirksgesellschaften der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR bestanden in Berlin, Dresden,<br />
Gera, Halle, Karl-Marx-Stadt, Leipzig,<br />
Potsdam <strong>und</strong> Rostock:<br />
– die Dermatologische <strong>Gesellschaft</strong> der<br />
DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Endokrinologie <strong>und</strong><br />
Stoffwechselkrankheiten der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Gastroenterologie der<br />
DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Geschwulstbekämpfung<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Gynäkologie <strong>und</strong> Geburtshilfe<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Hämatologie <strong>und</strong><br />
Bluttransfusion der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für klinische <strong>und</strong> experimentelle<br />
Immunologie der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Innere Medizin der<br />
DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Kardiologie <strong>und</strong> Angiologie<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Lungenkrankheiten<br />
<strong>und</strong> Tuberkulose der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Medizinische Mykologie<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Nephrologie der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Neurochirurgie der<br />
DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Neuro-Elektrodiagnostik<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Neuropathologie der<br />
DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Osteologie der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Otorhinolaryngologie<br />
<strong>und</strong> cervicofaciale Chirurgie der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für perinatale Medizin der<br />
DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Physiotherapie der<br />
DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Psychiatrie <strong>und</strong> Neurologie<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Ärztliche Psychotherapie<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für medizinische Radiologie<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Rheumatologie der<br />
DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Sportmedizin der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Ultraschalldiagnostik<br />
der DDR<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Urologie der DDR<br />
– die Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />
der DDR zum Studium der aktuellen<br />
Lebensbedingungen<br />
Zu den selbstständigen regionalen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
gehörten<br />
– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> der Bezirke<br />
Cottbus <strong>und</strong> Frankfurt/Oder<br />
– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> Magdeburg<br />
28<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> des Bezirkes<br />
Potsdam<br />
– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> Rostock<br />
– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> Zwickau<br />
– die Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />
an der Medizinischen Akademie<br />
Erfurt<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> der Ärzte des Bezirkes<br />
Gera<br />
– der Medizinische Verein Greifswald<br />
– die Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />
Eichsfelder Ärzte<br />
Zu den weiteren Dachgesellschaften<br />
( Abb. 2) gehörten<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Experimentelle Medizin<br />
der DDR mit 12 Subgesellschaften<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für die gesamte Hygiene<br />
der DDR mit 8 Subgesellschaften<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Stomatologie der DDR<br />
mit 6 Subgesellschaften<br />
– die Pharmazeutische <strong>Gesellschaft</strong> der DDR<br />
mit 4 Subgesellschaften<br />
– die <strong>Gesellschaft</strong> für Militärmedizin der<br />
DDR<br />
Publikationsorgane waren:<br />
– Das deutsche Ges<strong>und</strong>heitswesen (Berlin:<br />
VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit)<br />
– Beiträge zur Orthopädie <strong>und</strong> Traumatologie<br />
(Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit)<br />
– Medizin <strong>und</strong> Sport (Berlin: VEB Verlag Volk<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit)<br />
– Zeitschrift für die gesamte Innere Medizin<br />
<strong>und</strong> ihre Grenzgebiete (Leipzig: VEB Georg<br />
Thieme)<br />
– Zentralblatt für Chirurgie (Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth)<br />
– Zeitschrift für Ärztliche Fortbildung (Jena:<br />
VEB Gustav-Fischer-Verlag)<br />
– Zeitschrift für experimentelle Chirurgie<br />
<strong>und</strong> chirurgische Forschung (Berlin: VEB<br />
Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit) Band 1/1968<br />
– Band 9/1976<br />
– Zeitschrift für experimentelle Chirurgie,<br />
Transplantation <strong>und</strong> künstliche Organe<br />
(Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit)<br />
Band 10/1977 – Band 23/1990<br />
Das Zentralblatt für Chirurgie war das wichtigste<br />
Publikationsorgan der Ostdeutschen<br />
Chirurgen.<br />
Die Entwicklung der Unfallchirurgie<br />
in der DDR<br />
Alter deutscher Tradition entsprechend<br />
dominierte in der DDR lange Zeit, wie in<br />
der BRD auch, die „große Chirurgie“ <strong>und</strong><br />
damit der Allgemeinchirurg als „Chef“. Am<br />
Knochen „hart“ zu operieren galt vielerorts<br />
gegenüber der Weichteilchirurgie als weniger<br />
anspruchsvoll. Das traumatologische<br />
Krankengut wurde in der Regel auf einer<br />
Unfallstation zusammengefasst, die meist<br />
von einem Oberarzt geleitet wurde. Auf<br />
Budget <strong>und</strong> personelle Besetzung hatte<br />
dieser kaum Einfluss. Die Assistenten „rotierten“<br />
im Rahmen der Weiterbildung zum<br />
Facharzt für Chirurgie. Selbst an größeren<br />
Kliniken zählte im Bereitschaftsdienst die<br />
Behandlung verunfallter Patienten, bis hin<br />
zur Schädeltrepanation, zur allgemeinen<br />
Dienstaufgabe. Ein spezieller unfallchirurgischer<br />
Hintergr<strong>und</strong>dienst war bis in die<br />
70er Jahre die Ausnahme.<br />
Nur in wenigen Krankenhäusern wurde auf<br />
die wachsende Bedeutung der Unfallchirurgie<br />
für die medizinische Versorgung frühzeitig<br />
reagiert <strong>und</strong> ihr der entsprechende<br />
Status eingeräumt. So entstanden neben<br />
der Allgemeinchirurgie an kommunalen<br />
Häusern selbstständige Kliniken für Unfallchirurgie<br />
in Berlin-Friedrichshain 1956,<br />
Berlin-Köpenick 1961, Karl-Marx-Stadt 1968<br />
(die „Zschopauer-Straße“), Cottbus 1971,<br />
Zwickau 1975, Dessau 1975. Den Bereitschaftsdienst<br />
sicherte hier zumeist ein gemeinsames<br />
Team aus Allgemein- <strong>und</strong> Unfallchirurgen<br />
ab.<br />
Unter dem Druck steigender Unfallzahlen<br />
<strong>und</strong> Unfallschwere in den 70er Jahren erlangte<br />
die Unfallchirurgie auch in der DDR<br />
eine größere Aufmerksamkeit. Außerdem<br />
musste den großen Fortschritten der operativen<br />
Knochenbruchbehandlung Rechnung<br />
getragen werden. Die 1958 gegründete<br />
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für<br />
Osteosynthesefragen (SAO) hatte durch<br />
die Neuentwicklung <strong>und</strong> technische Perfektionierung<br />
von Instrumentarien <strong>und</strong><br />
Implantaten, durch Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />
systematische Ergebniskontrollen sowie<br />
Schulungskurse für Ärzte <strong>und</strong> Operationsschwestern<br />
große Erfolge <strong>und</strong> weltweite<br />
Ausstrahlung erlangt. Das konnte in der<br />
DDR nicht unbeachtet bleiben. Hier trugen<br />
die Aktivitäten von E. Sander, Halle, wesentlich<br />
zu einer Entwicklung bei, welche die<br />
Einführung <strong>und</strong> Verbreitung der modernen<br />
operativen Knochenbruchbehandlung zum<br />
Ziele hatte. Jetzt wurden auch mehr staatliche<br />
Mittel für Importe aus dem westlichen<br />
Ausland bereitgestellt.<br />
Mit der besseren technischen Ausrüstung<br />
stieg besonders an den Hochschulkliniken<br />
<strong>und</strong> Bezirkskrankenhäusern die Zahl unfallchirurgischer<br />
Operationen weiter an. Die<br />
technischen Voraussetzungen erlaubten<br />
anspruchsvollere Eingriffe, zum Beispiel die<br />
operative Stabilisierung von Frakturen des<br />
Beckens <strong>und</strong> der Wirbelsäule oder der Gelenkersatz.<br />
Die Unfallchirurgie erfuhr eine<br />
allgemeine Aufwertung.<br />
In den 80er Jahren entstanden an den Chirurgischen<br />
Universitäts- <strong>und</strong> Akademiekliniken<br />
unfallchirurgische Abteilungen mit<br />
weitgehender Selbstständigkeit in Lehre,<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis. Für die Leiter<br />
eröffnete sich die Perspektive eines Lehrstuhles<br />
für Unfallchirurgie. Die ordentlichen<br />
Professuren waren zwar fachbezogen ausgewiesen,<br />
blieben aber der Gr<strong>und</strong>fachrichtung<br />
Chirurgie zugeordnet. Zum Professor<br />
für Chirurgie/Traumatologie wurden zum<br />
Beispiel berufen: R. Henke, Erfurt, 1981; G.<br />
Hildebrandt, Berlin-Charité, 1983; H. Arzinger-Jonasch,<br />
Leipzig, 1984; E. Schenk, Magdeburg,<br />
1985. Den ersten Lehrstuhl für Unfallchirurgie<br />
an einer deutschen Hochschule<br />
richtete Prof. Dr. Walter Schmitt bereits im<br />
Jahre 1965 innerhalb der Klinik <strong>und</strong> Poliklinik<br />
für Chirurgie der Universität Rostock<br />
ein. Erster Inhaber dieses Lehrstuhls war H.<br />
Brückner, einer der führenden Traumatologen<br />
sowie plastischen <strong>und</strong> plastisch-rekonstruktiven<br />
Chirurgen dieser Zeit. Seine<br />
klinischen Nachfolger waren die Dozenten<br />
Dr. D. Ansorge <strong>und</strong> Dr. H. Tröger.<br />
An den Chirurgischen Kliniken der Bezirkskrankenhäuser<br />
<strong>und</strong> der größeren Kreiskrankenhäuser<br />
vollzog sich eine vergleichbare<br />
Entwicklung der unfallchirurgischen Spezialisierung.<br />
Unfallchirurgische Oberärzte<br />
erhielten mehr Selbstständigkeit. Die personelle<br />
Hoheit <strong>und</strong> ein eigenes Budget wurden<br />
ihnen allerdings nicht zugestanden.<br />
Trotzdem bedeutete dieser Status für die<br />
Oberärzte – zumeist gestandene, allseitig<br />
ausgebildete Chirurgen <strong>und</strong> häufig die Vertreter<br />
des Chefarztes – eine sichere Perspektive<br />
in der Einrichtung <strong>und</strong> vor allem einen<br />
großen medizinischen Fortschritt im territorialen<br />
Betreuungsbereich.<br />
Relativ früh reagierten das Ministerium für<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong> die ihm nachgeordnete<br />
Akademie für Ärztliche Fortbildung. Ab<br />
1974 galt die Anweisung zur Subspezialisierung.<br />
Fachärzte für Innere Medizin (Diabetologie<br />
– Gastroenterologie – Kardiologie/<br />
Angiologie - Nephrologie – Rheumatologie),<br />
Pharmakologie (Klinische Pharmakologie)<br />
<strong>und</strong> Chirurgie (Herz- <strong>und</strong> Gefäßchirurgie,<br />
Traumatologie) konnten eine Subspezialisierung<br />
aufnehmen (s. Kapitel 7: „Fort- <strong>und</strong><br />
Weiterbildung“). Mit dieser Subspezialisierung<br />
sollte einer überzogenen Verselbstständigung<br />
<strong>und</strong> Abspaltung spezialisierter<br />
Bereiche aus dem jeweiligen „Mutterfach“<br />
begegnet werden. Denn die Vertreter dieser<br />
Fachgebiete strebten oft eine eigene Fachrichtung<br />
an, nicht zuletzt in der durchaus<br />
berechtigten Hoffnung, in personeller <strong>und</strong><br />
technischer Hinsicht besser ausgestattet<br />
zu werden. Allgemein jedoch wurde damals<br />
diese Regelung der Subspezialisierung<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 29
als Fortschritt begrüßt, da mit dem zuvor<br />
erworbenen Facharzt die solide fachliche<br />
Gr<strong>und</strong>lage bei weiterer Spezialisierung gewahrt<br />
blieb.<br />
Die Rahmen-Krankenhausordnung (RKO)<br />
vom 14.11.1979 trug der wachsenden Bedeutung<br />
der Unfallchirurgie schon Rechnung.<br />
Für Krankenhäuser mit erweiterter<br />
Aufgabenstellung, das heißt mit überkreislichen<br />
<strong>und</strong> über die Gr<strong>und</strong>betreuung<br />
hinausgehenden Aufgaben, wurde eine<br />
Fachabteilung für Unfallchirurgie gefordert.<br />
Für größere Häuser der spezialisierten <strong>und</strong><br />
hochspezialisierten Betreuung war eine Abteilung<br />
Traumatologie ebenfalls geforderter<br />
Standard innerhalb der Chirurgie. Der Grad<br />
an Selbstständigkeit der Unfallabteilungen<br />
wird in dieser Rahmenordnung allerdings<br />
nicht näher bezeichnet.<br />
An den Hochschulen <strong>und</strong> in den einflussreichen<br />
Gremien der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
der DDR überwog die kritische Haltung<br />
gegenüber einer absoluten Verselbstständigung<br />
der Unfallchirurgie. Die diesbezüglichen<br />
Bemühungen zahlreicher Traumatologen<br />
hatten deshalb keinen Erfolg. Bis zum<br />
Ende der DDR wurden an den Universitäten<br />
<strong>und</strong> Akademien keine selbstständigen Kliniken<br />
für Unfallchirurgie eingerichtet, <strong>und</strong><br />
an den Bezirkskrankenhäusern kamen nach<br />
1975 keine eigenständigen Unfallkliniken<br />
mehr hinzu. Begründet wurde diese Strategie<br />
unter anderem mit dem Argument, dass<br />
die optimale Behandlung des Polytraumas<br />
<strong>und</strong> anderer komplizierter Verletzungen eine<br />
breite Kompetenz der Traumatologen in der<br />
Gr<strong>und</strong>fachrichtung Chirurgie <strong>und</strong> die Vorteile<br />
einer strukturierten Klinik unter einem gemeinsamen<br />
Dach voraussetze. Im Allgemeinen<br />
herrschte Übereinstimmung darin, dass<br />
die Behandlung eines Mehrfachverletzten<br />
zwar eine interdisziplinäre Aufgabe darstelle,<br />
aber die Koordinierung der einzelnen Behandlungsmaßnahmen<br />
<strong>und</strong> damit die letzte<br />
Verantwortung beim Unfallchirurgen liege.<br />
Die Verantwortung für die vitalen Funktionen<br />
obliege dabei dem Anästhesisten. Um<br />
dieser Aufgabe gerecht werden zu können,<br />
brauche der Traumatologe die Integration in<br />
die Breite des chirurgischen Faches.<br />
Es ist erstaunlich, dass die offensichtliche<br />
Dynamik in der Traumatologie des Stütz<strong>und</strong><br />
Bewegungsapparates <strong>und</strong> die sich<br />
schon in den 70er Jahren abzeichnende<br />
unaufhaltsame weitere Spezialisierung vielerorts<br />
nicht erkannt oder nicht gebührend<br />
beachtet wurde. Die Ergebnisse der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
zur Knochenbruchheilung,<br />
die systematischen klinischen Ergebniskontrollen,<br />
nicht zuletzt die metallurgischen<br />
Studien hatten neue Perspektiven eröffnet.<br />
Neue Osteosyntheseverfahren <strong>und</strong> Instrumentarien,<br />
eine Vielzahl spezieller <strong>und</strong> gewebsverträglicher<br />
Implantate waren das<br />
Ergebnis. Es war jetzt eine „individualisierte<br />
Osteosynthese“ möglich, die neben der<br />
Frakturlokalisation <strong>und</strong> Frakturform auch<br />
Alter, Zustand <strong>und</strong> zum Teil sogar Wünsche<br />
des Patienten berücksichtigen konnte. Die<br />
operative Rekonstruktion <strong>und</strong> Stabilisierung<br />
von Hüftpfannenbrüchen, Beckenbrüchen,<br />
Frakturen <strong>und</strong> Luxationen der Wirbelsäule<br />
war auf dem Wege zur Routine. Krankenhausaufenthalt<br />
<strong>und</strong> Behandlungszeit<br />
wurden verkürzt, Behandlungskomfort<br />
<strong>und</strong> Endresultate verbessert. Die Wiedererlangung<br />
der Arbeitsfähigkeit im erlernten<br />
Beruf <strong>und</strong> selbst die Wiederherstellung<br />
der Sportfähigkeit als Behandlungsziel war<br />
keine illusionäre Vorstellung mehr. Neue<br />
Arbeitsrichtungen <strong>und</strong> Spezialisierungen<br />
(Endoskopische Eingriffe, mikrochirurgische<br />
Eingriffe unter Verwendung des Operationsmikroskops)<br />
waren zwar noch auf<br />
Zentren begrenzt, eine schnelle Ausweitung<br />
zur Routine zeichnete sich aber bereits ab.<br />
Nicht zuletzt sind die Erfolge einer wichtigen<br />
Säule der AO zu nennen: die systematischen<br />
Schulungen von Ärzten <strong>und</strong> Schwestern.<br />
Die angesichts dieser Entwicklung folgerichtige<br />
Aufbruchstimmung unter den Unfallchirurgen<br />
fand vonseiten der Vertreter der<br />
„großen Chirurgie“, wie retrospektiv kritisch<br />
festzustellen ist, zu wenig Beachtung, <strong>und</strong><br />
das sowohl an den Hochschulen als auch<br />
den kommunalen Häusern. Die Struktur<br />
der chirurgischen Kliniken <strong>und</strong> Status der<br />
Unfallchirurgie änderten sich in der Regel<br />
selbst in den 80er Jahren noch nicht.<br />
Zusammenfassend ist festzustellen, dass<br />
das traumatologische Leistungsprofil in der<br />
DDR im Großen <strong>und</strong> Ganzen dem internationalen<br />
Stand entsprach. Persönlicher Einsatz<br />
<strong>und</strong> Initiative vieler Unfallchirurgen,<br />
wissenschaftliches Engagement im staatlichen<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen, die wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong> mit ihren Arbeitsgruppen,<br />
die Kontakte zu ausländischen Kollegen<br />
in Ost <strong>und</strong> West, hatten zum erreichten<br />
Niveau beigetragen. Allerdings war dieser<br />
Stand vorwiegend auf größere Kliniken beschränkt.<br />
Mancherorts erreichten die Ergebnisse<br />
noch nicht das internationale Niveau.<br />
So war als Folge der baulichen Einschränkungen<br />
die Infektionsrate relativ hoch.<br />
Die anstehenden Strukturänderungen blieben<br />
der Zeit nach 1990 vorbehalten.<br />
Literatur<br />
1. <strong>Deutsche</strong>s Ges<strong>und</strong>heitswesen 1947; 14<br />
2. Horn H, Abe R. Die Medizinisch-wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong> an der Medizinischen Akademie Erfurt<br />
– Geschichte, Traditionen, Perspektiven. Beiträge zur<br />
Geschichte der Universität Erfurt (1975–1978); 18<br />
3. Matthes T, Rohland L, Spaar H. Die medizinischwissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR.<br />
Geschichte – Funktion – Aufgaben. Teil I <strong>und</strong> II.<br />
2. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1981<br />
4. Rühland D, Eigler FW. Die regionalen Chirurgenvereinigungen<br />
in Deutschland. Oberhausen: Verlag<br />
Karl Maria Laufen; 1999<br />
5. Schoenemann J. Das Ges<strong>und</strong>heitswesen in der<br />
DDR. <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie 2005; 1: 53–61<br />
6. Zaage J. Bericht über den 2. Mitteldeutschen Chirurgenkongress<br />
vom 23.9. bis 25.9.2004 in Leipzig.<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie 2005; 1: 74<br />
7. 25 Jahre DDR – 25 Jahre Entwicklung der medizinisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en in der<br />
DDR. 1. Aufl. Berlin: Koordinierungsrat d. Med. –<br />
Wiss. <strong>Gesellschaft</strong>en d. DDR; 1974<br />
Prof. Dr. K. Sandner<br />
Rohrbacher Str. 18<br />
08258 Markneukirchen/Sachsen<br />
OT Landwüst<br />
Prof. Dr. W. Senst<br />
Wildenbruch Str. 5a<br />
15230 Frankfurt/O<br />
Prof. Dr. E. Markgraf<br />
Gillestr. 5<br />
07743 Jena<br />
30<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
K. Welz<br />
Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Ziele<br />
Mitte der 50er <strong>und</strong> während der 60er Jahre<br />
des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts erlebte eine<br />
Reihe bis dahin von den Auswirkungen des<br />
2. Weltkrieges geprägten Staaten im zentralen<br />
Europa nicht nur ein nachhaltiges Erstarken<br />
ihrer Wirtschaft, darüber hinaus trugen<br />
auch medizintechnischer Aufschwung <strong>und</strong><br />
ein interdisziplinäres Zusammenwirken<br />
zahlreicher Wissenschaftszweige spürbare<br />
Früchte. Sie spiegelten sich in recht bedeutsamen<br />
Fortschritten der medizinischen Praxis<br />
wieder. Sie wurden – wie auch in anderen<br />
medizinischen Fachgebieten – gerade in der<br />
Chirurgie von einer rasanten Entwicklung<br />
zahlreicher Spezialdisziplinen, wie Thorax-,<br />
Herz- <strong>und</strong> Gefäß-, Transplantations- <strong>und</strong><br />
schließlich gerade auch der Unfallchirurgie<br />
begleitet. Gerade letztere konnte sich an<br />
beachtenswerten Forschritten in Diagnostik,<br />
Therapie <strong>und</strong> Rehabilitation orientieren,<br />
wenngleich Niveauunterschiede in der materiellen<br />
Basis zwischen westlich ausgerichteten<br />
<strong>und</strong> Ostblockstaaten unübersehbar<br />
waren.<br />
Allein in der Unfallchirurgie bedeuteten<br />
die für die Knochenbruchbehandlung revolutionierenden<br />
Behandlungskonzepte der<br />
Schweizer AO – durch neue Erkenntnisse<br />
in der Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> eine bisher<br />
beispiellose technische Basis – eine<br />
beachtliche Erweiterung des Behandlungsspektrums<br />
<strong>und</strong> eine glänzende fachliche<br />
Perspektive. Sie hatte in Deutschland zu<br />
Beginn der 40er Jahre des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
durch Gerhard Küntschers bahnbrechendes<br />
Konzept der Markraumnagelung<br />
einen nicht zu unterschätzenden Vorlauf<br />
erfahren.<br />
In entsprechenden Fachgremien Ostdeutschlands<br />
wuchs mit Ende der 60er Jahre<br />
die Erkenntnis, dass der objektive Prozess<br />
medizinisch-wissenschaftlicher <strong>und</strong> technischer<br />
Fortschritte sowie die offensichtlichen<br />
Trends einer Spezialisierung mit Arbeitsteilung<br />
auf zahlreichen medizinischen<br />
Fachgebieten nicht nur Vorteile für die<br />
medizinische Patientenbetreuung, sondern<br />
zwangsläufig Auswirkungen auf eine postgraduale<br />
Weiterbildung der Fachärzte nach<br />
sich ziehen musste, um die Vorteile für die<br />
medizinische Patientenbetreuung in dem<br />
nun gebotenen Umfang zu sichern.<br />
Wie zunächst in der postgradualen Weiterbildung<br />
von Internisten, Frauen- <strong>und</strong><br />
Kinderärzten waren den verantwortlichen<br />
zentralen Gremien des Ministeriums für<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR <strong>und</strong> der dazu<br />
beauftragten Akademie für ärztliche Fortbildung,<br />
die bereits im Dezember 1954<br />
statutengemäß den Hochschulen gleichgestellt<br />
worden war, die Spezialisierung<br />
von interessierten Fachärzten für Chirurgie<br />
zu hochqualifizierten Unfallchirurgen ein<br />
notwendiges gesellschaftliches Anliegen.<br />
Es wurde von der Überzeugung bestimmt,<br />
dass eine schwerpunktmäßige <strong>und</strong> spezialisierte<br />
fachärztliche Betätigung in der Unfallchirurgie<br />
eine unabdingbare Voraussetzung<br />
für eine Optimierung der Behandlung<br />
Verletzter darstellte. Die wissenschaftlich<br />
technische Entwicklung hatte bereits Ende<br />
der 60er Jahre <strong>und</strong> Anfang der 70er Jahre<br />
eine zunehmende Arbeitsteilung in der<br />
Fachrichtung Chirurgie erkennen lassen. Daraus<br />
resultierte u. a. auch eine Profilierung<br />
von unfallchirurgischen Abteilungen an<br />
chirurgischen Universitätskliniken <strong>und</strong> an<br />
den damaligen Bezirkskrankenhäusern der<br />
16 Bezirke der ehemaligen DDR. Mit Beginn<br />
der 70er Jahre existierten darüber hinaus<br />
eine Reihe organisatorisch eigenständiger<br />
unfallchirurgischer Kliniken am Städtischen<br />
Klinikum Berlin-Friedrichshain, Berlin-Köpenick<br />
sowie den Bezirkskrankenhäusern<br />
Cottbus, Dessau <strong>und</strong> Karl-Marx-Stadt.<br />
Um generell territorial flächendeckend die<br />
Qualität der unfallmedizinischen Betreuung<br />
– wie übrigens auch in den schon aufgezeigten<br />
übrigen Gr<strong>und</strong>fachrichtungen<br />
– steigern zu können wurde mit zunächst<br />
15 Subspezialisierungsrichtungen der rechtliche<br />
Rahmen postgradualer Weiterbildung<br />
durch die Anordnung Nr. 2 vom 23.05.1974<br />
(Gesetzblatt 1/1974/12) über die Weiterbildung<br />
der Ärzte <strong>und</strong> Zahnärzte zur Subspezialisierung<br />
abgesteckt.<br />
Die damaligen Zielstellungen geregelter<br />
Subspezialisierungen seien in folgenden<br />
Leitsätzen zusammengefasst:<br />
– Wie auch in weiteren Fachbereichen galt<br />
es, das „Mutterfach“ Chirurgie in seiner<br />
Einheit zu erhalten <strong>und</strong> einer drohenden<br />
Zersplitterung in eine Vielzahl expandierender<br />
chirurgischer Fachdisziplinen<br />
durch eine geregelte postgraduale Weiterbildung<br />
(Voraussetzung FA f. Chirurgie)<br />
Einhalt zu gebieten <strong>und</strong> sie übersehbar zu<br />
regulieren.<br />
– Einer generellen Selbstständigkeit der<br />
Subspezialisierungsgebiete wurde bewusst<br />
mit der sogenannten Bezeichnung<br />
„Subspezialisierung“ begegnet, um dadurch<br />
die Zugehörigkeit zur Gr<strong>und</strong>fachrichtung<br />
Chirurgie zu unterstreichen.<br />
– Eine Subspezialisierung „Traumatologie“<br />
(gesetzlich festgelegte Bezeichnung für<br />
die spezialisierte Unfallchirurgie in der<br />
damaligen DDR) wurde als Gr<strong>und</strong>lage der<br />
Optimierung einer Versorgung Verletzter<br />
erachtet <strong>und</strong> damit zugleich eine Voraussetzung<br />
für die Sicherung eines Netzes<br />
flächendeckender personeller Kapazitäten<br />
zur qualifizierten unfallmedizinischen Betreuung<br />
Verletzter geschaffen.<br />
– In der Subspezialisierung von Fachärzten<br />
für Chirurgie zu Subspezialisten der Traumatologie<br />
wurde eine wesentliche Bedingung<br />
für die Weiterentwicklung des<br />
Subspezialisierungsgebietes gesehen. Darüber<br />
hinaus sei nicht verschwiegen, dass<br />
sich subspezialisierte Chirurgen der Traumatologie<br />
durch die Subspezialisierung<br />
eine vorteilhafte Entwicklung der bis dahin<br />
stagnierenden materiell-technischen<br />
Basisausstattungen versprachen.<br />
Gesetzliche Bestimmungen<br />
Mit den erklärten Zielen<br />
– spezialisierte medizinische Betreuung der<br />
Bevölkerung durch entsprechend qualifizierte<br />
Fachärzte zu sichern <strong>und</strong>,<br />
– die Fachärzte, die ständig beabsichtigen<br />
auf einen der festgelegten Spezialisierungsgebiete<br />
tätig zu sein, zur qualifizierten<br />
spezialisierten Betätigung zu befähigen<br />
hat das Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
der DDR mit der Anweisung Nr. 1 über die<br />
Weiterbildung der Ärzte – Subspezialisierung<br />
der Fachärzte – vom 20.06.1974 (GBL<br />
1/1974/12) die weitere berufliche Qualifizierung<br />
von Fachärzten auf gesetzlicher<br />
Gr<strong>und</strong>lage geregelt. Mit dieser Anordnung<br />
wurden zunächst 9 Subspezialisierungsrichtungen<br />
traditioneller Facharztdisziplinen<br />
festgelegt, zu denen auch die Unfallchirurgie<br />
(damalige Bezeichnung Traumatologie)<br />
zählte [1] ( Abb. 1).<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 31
Die wichtigsten Inhalte der Anordnung<br />
lassen sich in folgenden Positionen zusammenfassen:<br />
– Die Präambel der Anordnung enthielt den<br />
eindeutigen Hinweis, das Subspezialisierungsrichtungen<br />
Teilgebiete traditioneller<br />
Facharztdisziplinen <strong>und</strong> keine eigenen<br />
Facharztrichtungen darstellen.<br />
– Als Bedingung einer Subspezialisierung<br />
Traumatologie galt eine vorausgegangene<br />
abgeschlossene Facharztausbildung <strong>und</strong><br />
die bestätigte Anerkennung des erworbenen<br />
Facharztes für Chirurgie.<br />
– Die Zulassung zur Subspezialisierung Traumatologie<br />
– wie übrigens auch zu jeder<br />
anderen Subspezialisierung – unterlag der<br />
Entscheidung durch die Fachabteilungen<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen der Räte<br />
der ehemaligen Bezirke der DDR. Maßgabe<br />
der Zulassungsentscheidung war der<br />
objektive Bedarf an Subspezialisten, der<br />
sich an der Territorial- <strong>und</strong> Krankenhausstruktur<br />
der 16 Bezirke <strong>und</strong> der jeweiligen<br />
Bevölkerungsdichte orientierte.<br />
– Die Dauer der Subspezialisierung wurde<br />
für alle festgelegten Richtungen mit mindestens<br />
2 Jahren anberaumt. Details des<br />
Ablaufes wurden in die Kompetenz der zu<br />
berufenden zentralen Fachgruppen für die<br />
Subspezialisierung Traumatologie verwiesen.<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzliche Richtungskompetenz<br />
spiegelte sich schließlich in dem von<br />
der zentralen Fachgruppe Traumatologie<br />
erarbeiteten Bildungsprogramm wieder.<br />
Jedes Bildungsprogramm, so auch jenes für<br />
die Subspezialisierung Traumatologie, betonte<br />
eingangs den Anspruch des Bildungszieles,<br />
mit der Subspezialisierung Traumatologie<br />
die komplexe Versorgung aller Verletzungen<br />
<strong>und</strong> ihrer Folgen zu gewährleisten.<br />
Darüber hinaus wurden in der Folge die<br />
fachspezifischen theoretisch-praktischen<br />
<strong>und</strong> medizinischtechnischen Bildungsinhalte<br />
aufgezeigt:<br />
– Erweiterung <strong>und</strong> Vertiefung von Gr<strong>und</strong>lagenwissen,<br />
– Erwerb spezieller Kenntnisse, Fähigkeiten<br />
<strong>und</strong> Fertigkeiten in der Unfallchirurgie,<br />
– spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten<br />
unter besonderer Berücksichtigung<br />
von Grenzgebieten aus anderen<br />
Fachrichtungen (Orthopädie, Physiotherapie,<br />
Epidemiologieprophylaxe <strong>und</strong> Sportschäden).<br />
In den verantwortlichen Gremien bestand<br />
uneingeschränkte Übereinstimmung, dass<br />
der Umfang der Bildungsinhalte eine 3-jährige<br />
Dauer der Subspezialisierung Unfallchirurgie<br />
rechtfertigte (24 Monate Unfallchirurgie,<br />
4 Monate Neurochirurgie, 3 Monate<br />
Orthopädie, 3 Monate Handchirurgie, 2 Monate<br />
Thoraxchirurgie).<br />
Abb. 1 Subspeziali sierungs richtungen in der Weiter bildung der Ärzte (Anordnung vom 20.06.1974).<br />
Aus: Verfügungen <strong>und</strong> <strong>Mitteilungen</strong> des Minist. f. Ges<strong>und</strong>heitswesen Berlin (1974) 12, S. 75<br />
Als besondere <strong>und</strong> zusätzliche Leistungsnachweise<br />
wurden gefordert:<br />
– Teilnahme an einem fachbezogenem<br />
Lehrgang sowie Teilnahme an weiteren<br />
Fortbildungs- <strong>und</strong> Arbeitstagungen des<br />
Subspezialisierungsgebietes,<br />
– bestätigte Gutachtertätigkeit (20 Gutachten),<br />
– Nachweise wissenschaftlicher Aktivitäten.<br />
Der Gesetzestext des Bildungsprogramms<br />
„Traumatologie“ ist als Anlage 1 beigefügt.<br />
Inhalte des Bildungsprogramms<br />
Wie auch in anderen zentraleuropäischen<br />
Ländern stellte die Unfallchirurgie in der<br />
damaligen DDR eine Querschnittsdisziplin<br />
dar. Dem entsprachen im Wesentlichen die<br />
Leistungsprofile Chirurgischer Kliniken mit<br />
Abteilungsbildungen <strong>und</strong> die Hochschul<strong>und</strong><br />
territorialen Schwerpunktkliniken.<br />
Mit der Subspezialisierung Traumatologie<br />
konnte daher die komplexe Versorgung der<br />
verschiedenen Verletzungskategorien <strong>und</strong><br />
ihrer Folgen gewährleistet werden.<br />
Neben einem breiten theoretischen Wissenserwerb<br />
war die Anerkennung praktischer<br />
Fertigkeiten in der akut- <strong>und</strong> wiederherstellenden<br />
Unfallchirurgie des Halte<strong>und</strong><br />
Bewegungsapparates, der Verletzungen<br />
des Schädels, Verletzungen von Rumpf- <strong>und</strong><br />
Gliedmaßen, bei thorakalen <strong>und</strong> abdominellen<br />
Verletzungszuständen, der Beckenregion,<br />
deren Organsystemen sowie des ZNS<br />
<strong>und</strong> der Wirbelsäule erklärtes Weiterbildungsziel.<br />
Zielstellung des Bildungsprogramms hinsichtlich<br />
umfassender theoretischer Kenntnisse<br />
<strong>und</strong> operativer Fertigkeiten war dem<br />
angestrebten umfassenden Erwerb von<br />
32<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
1. Bildungsziel<br />
In Auswertung der Entwicklung der Chirurgie<br />
<strong>und</strong> ihrer Besonderheiten in der DDR stellt die<br />
Unfallchirurgie eine Querschnittsdisziplin dar,<br />
deren Basis die allgemeine Chirurgie ist. Mit der<br />
Subspezialisierung sollte daher die komplexe<br />
Versorgung aller Verletzungen <strong>und</strong> ihrer Folgen<br />
gewährleistet werden.<br />
Die Subspezialisierung hat das Ziel, entsprechend<br />
der Notwendigkeit von Qualitätsverbesserungen<br />
der medizinischen Betreuung qualifizierte<br />
Fachärzte für Chirurgie zur spezialisierten<br />
Behandlung Unfallgeschädigter zu befähigen.<br />
Der Subspezialist muss nach dem internationalen<br />
Stand die Ätiologie, Epidemiologie,<br />
Diagnostik, Therapie <strong>und</strong> Nachsorge von<br />
Verletzungen Übersehen. Von ihm ist zu fordern,<br />
dass er ambulant <strong>und</strong> stationär jede frische<br />
Verletzung, gleich welcher Lokalisation, in ihrem<br />
Ausmaß erkennen <strong>und</strong> dringlich versorgen, dass<br />
er Verletzungsfolgen korrigieren <strong>und</strong> gestörte<br />
Funktionen im Rahmen des Möglichen wiederherstellen<br />
kann. Dazu muss er die modernen<br />
Untersuchungsmethoden, differentialdiagnostische<br />
Möglichkeiten, spezialisierte konservative<br />
<strong>und</strong> operative Behandlungsverfahren selbständig<br />
anwenden können. Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten in<br />
der Organisation der Behandlungsmaßnahmen<br />
beim Massenanfall Geschädigter müssen<br />
ebenso beherrscht werden wie die Gr<strong>und</strong>lagen<br />
<strong>und</strong> Methoden der Rehabilitation Verletzter <strong>und</strong><br />
die Begutachtung von Verletzungen <strong>und</strong> ihren<br />
Folgen.<br />
Für dieses Weiterbildungsziel ist eine umfassende<br />
Aneignung von Wissen <strong>und</strong> Können erforderlich,<br />
das sich auf den fachbezogenen Erwerb<br />
von theoretischen Kenntnissen <strong>und</strong> praktischen<br />
Fertigkelten in der Chirurgie des Skelett- <strong>und</strong><br />
Bewegungsapparates, der abdominellen <strong>und</strong><br />
thorakalen Unfallchirurgie <strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong>lagen<br />
der Neurotraumatologie, der plastischen <strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie, der Urologie, der<br />
Orthopädie sowie auf die Physiotherapie erstrecken<br />
muss.<br />
Der Unfallchirurg soll in allen Situationen<br />
beruflicher Forderung Entschlusskraft <strong>und</strong><br />
Einsatzfreude zum notwendigen Handeln beweisen,<br />
die erworbenen gesellschaftswissenschaftlichen<br />
Kenntnisse zur Lösung der ihm gestellten<br />
Aufgaben praktisch anwenden <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitserzieherisch<br />
einwirken können <strong>und</strong> erkennbar<br />
bemüht sein, den wissenschaftlichen Fortschritt<br />
des Subspezialisierungsgebietes zu fördern.<br />
2. Fachspezifische theoretische, praktische<br />
<strong>und</strong> medizintechnische Bildungsinhalte<br />
Theoretische Kenntnisse <strong>und</strong> praktische Fertigkeiten<br />
des Bildungsprogramms zum Fach arzt<br />
für Chirurgie sind Voraussetzung der Weiterbildung<br />
auf dem Subspezialisierungsgebiet<br />
Unfallchirurgie.<br />
2.1 Erweiterung <strong>und</strong> Vertiefung des Gr<strong>und</strong>lagenwissens<br />
nach den Anforderungen des Subspezialisierungsgebietes<br />
– Vertiefte Kenntnisse in der topographischen<br />
Anatomie<br />
– Pathophysiologie von Traumafolgen.<br />
2.2 Spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten <strong>und</strong><br />
Fertigkeiten des Subspezialisierungsgebietes<br />
2.2.1 Nachfolgender fachspezifischer theoretischer<br />
Bildungsinhalt muss beherrscht werden:<br />
– konservative <strong>und</strong> operative Frakturen behandlung<br />
– biomechanische Reaktionen des Knochens in<br />
Abhängigkeit von Frakturform, Behandlung<br />
<strong>und</strong> Heilung<br />
– histomorphologische, biomechanische <strong>und</strong><br />
metallurgische Gr<strong>und</strong>lagen für die Metallimplantation<br />
– Diagnostik <strong>und</strong> Behandlung von Schädelhirntraumen<br />
<strong>und</strong> ihren Komplikationen<br />
– Unfallchirurgie des Thorax <strong>und</strong> Abdomens<br />
– Unfallchirurgie des Beckens <strong>und</strong> Uroge ni talsystems<br />
– Unfallchirurgie das Bewegungsapparates<br />
– dringliche Unfallchirurgie an der Hand<br />
– Gr<strong>und</strong>lagen der fachbezogenen plastischen<br />
<strong>und</strong> rekonstruktiven Chirurgie<br />
– Besonderheiten der Verletzungen im Kindes<strong>und</strong><br />
Greisenalter<br />
– thermische, aktinische <strong>und</strong> chemische Schädi<br />
gungen<br />
– Polytrauma <strong>und</strong> kombinierte Schädigungen<br />
– Prinzipien der Feldchirurgie (spezialisierte<br />
chirur gische Hilfe)<br />
– Organisation <strong>und</strong> Verhalten bei Massenunfällen<br />
<strong>und</strong> im Katastropheneinsatz<br />
– Prinzipien der Rehabilitation Unfall ge schädigter<br />
– Begutachtung von Unfallfolgen<br />
– Dokumentation in der Unfallchirurgie<br />
– Geschichte <strong>und</strong> gesellschaftliche Stellung der<br />
Unfallchirurgie.<br />
Nachfolgende fachspezifische Behandlungs verfahren<br />
müssen praktisch beherrscht werden:<br />
– kortikale <strong>und</strong> intramedulläre Osteosynthese -<br />
ver fahren<br />
– operative Methoden bei Frakturen im Wach s-<br />
tumsalter<br />
– operative Behandlung bei gestörter Knochenbruchheilung<br />
– Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Anwendung physiotherapeutischer<br />
Verfahren zur Rehabilitation nach<br />
Verletzungen einschließlich Arbeitstherapie<br />
<strong>und</strong> Versehrtensport<br />
– Epidemiologie, Prophylaxe <strong>und</strong> Behandlung<br />
von traumatisch bedingten Arbeitsschäden<br />
– Diagnostik <strong>und</strong> Therapie von traumatischen<br />
Sportschäden sowie deren Reha bi litationsmethoden<br />
– Indikation <strong>und</strong> Technik fachbezogener örtlicher<br />
Betäubungsverfahren.<br />
3. Hinweise zum Ablauf der Subspezialisierung<br />
Die Dauer der Subspezialisierung beträgt<br />
3 Jahre.<br />
Für die Subspezialisierung durch einen Facharzt<br />
für Chirurgie werden folgende Weiter bil dungszeiten<br />
empfohlen:<br />
Unfallchirurgie 24 Monate<br />
Neurotraumatologie 4 Monate<br />
Orthopädie<br />
3 Monate<br />
Handchirurgie 3 Monate<br />
Thoraxchirurgie 2 Monate<br />
Die Delegierungen sind nach Möglichkeit ohne<br />
zeitliche Unterbrechung an dafür zugelassenen<br />
Einrichtungen abzuleisten. Der zur Weiterbildung<br />
delegierte Facharzt ist voll in den Arbeitsablauf<br />
der Klinik, an der die Hospitation stattfindet, zu<br />
integrieren.<br />
4. Lehrveranstaltungen <strong>und</strong> Leistungsnachweise<br />
4.1 Lehrveranstaltungen<br />
Zur Vermittlung erforderlicher theoretischer<br />
Kenntnisse <strong>und</strong> praktischer Fertigkeiten sind folgende<br />
Lehrgänge zu besuchen:<br />
obligatorisch: Teilnahme an fachbezogenen<br />
Fortbildungs lehrgängen <strong>und</strong> Arbeitstagungen<br />
empfohlen: Teilnahme an Fortbildungs lehrgängen<br />
<strong>und</strong> Arbeitstagungen von Grenzdisziplinen<br />
mit fachbezogener Thematik (entsprechend<br />
dem Inhalt des Bildungsprogramms )<br />
4.2 Leistungsnachweise<br />
– Begutachtung von Unfallfolgen<br />
– Nachweis wissenschaftlicher Publikationstätigkeit.<br />
Anlage 1 Bildungsprogramm: Subspezialisierung für Traumatologie (Erarbeitet durch die Mitglieder der zentralen Fachgruppe Traumatologie [siehe Seite 35]<br />
<strong>und</strong> bestätigt durch die Akademie für ärztl. Fortbildung der DDR.)<br />
Fähigkeiten geschuldet, Verletzungen aller<br />
Körperregionen, Polytraumen, thermische<br />
Schädigungen u. a. erfolgreich behandeln<br />
sowie organisatorische Probleme bei Massenanfall<br />
Verletzter sowie im Katastropheneinsatz<br />
in eigener Regie bewältigen zu<br />
können.<br />
Mit dem Abschluss der Subspezialisierung<br />
Traumatologie war daher:<br />
– der Erwerb umfassenden Wissens, der<br />
Epidemiologie, Ätiologie, Diagnostik,<br />
Therapie <strong>und</strong> Nachsorge Verletzter aller<br />
Schweregrade nach jeweiligem Stand der<br />
Erkenntnisse in einer Prüfung beizubringen,<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 33
Anlage 2 Durch die Akademie für Ärztl. Fortbildung den zentralen<br />
Fachgruppen zur Vefügung gestellt.<br />
Anlage 3 Die Anerkennungsbestätigung wurde ausschließlich durch die<br />
Räte der Bezirke den Subspezialisten übermittelt.<br />
– ein Nachweis entsprechender operativer<br />
Fertigkeiten der Behandlung Akutverletzter<br />
oder deren Folgezustände zu führen,<br />
– die Bestätigung über eine 3-jährige Weiterbildungszeit<br />
im Subspezialisierungsgebiet<br />
mit einem Prüfungsabschluss nachzuweisen.<br />
( Anlagen 2 <strong>und</strong> 3)<br />
Das Bildungsprogramm enthielt zugleich<br />
eine „Übergangsregelung“ für Fachärzte die<br />
bereits vor Erlass der Anordnung über die<br />
Subspezialisierung Traumatologie entsprechende<br />
Weiterbildungsmaßnahmen absolviert<br />
hatten oder Kenntnisse nachweisen<br />
konnten, bzw. mehrere Jahre traumatologisch<br />
tätig waren. Wer eine 5-jährige Tätigkeit<br />
in traumatologischen Schwerpunkteinrichtungen<br />
nachweisen konnte <strong>und</strong> die im<br />
Bildungsprogramm geforderten Kenntnisse<br />
<strong>und</strong> Fertigkeiten beherrschte, konnte einen<br />
Antrag auf Anerkennung als Subspezialist<br />
stellen.<br />
Institutionen der Weiterbildung/<br />
Subspezialisierung<br />
Akademie für ärztliche Fortbildung<br />
Die Subspezialisierung „Traumatologie“<br />
unterlag von Beginn an wie alle weiteren<br />
bestätigten Subspezialisierungsrichtungen<br />
in Leitung, Planung, Organisation <strong>und</strong> Realisierung<br />
einer gesetzlich geregelten Unterstellung.<br />
Dafür hatte der Minister für<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen die Akademie für ärztliche<br />
Fortbildung der DDR mit Wirkung vom<br />
1.07.1961 einem eigenständigen Status zugeführt<br />
<strong>und</strong> sie autorisiert für die geregelte<br />
Weiter- <strong>und</strong> Fortbildung aller Hochschulabsolventen<br />
des Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens<br />
verantwortlich zu zeichnen. Trotz<br />
teilweise dirigistischer Züge erwies sich die<br />
Institution <strong>und</strong> das Direktorat der Akademie<br />
für ärztliche Fortbildung angesichts der Tatsache,<br />
dass es abgesehen vonseiten der Bezirke<br />
keine den Länderhoheiten der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland vergleichbaren dezentralisierten<br />
Verwaltungsinstitutionen gab,<br />
für die Durchsetzung der Subspezialisierung<br />
als sehr effektiv. Der Senat der Akademie<br />
hatte sich unter Leitung des damaligen<br />
Rektors Prof. Dr. H. Redetzky mit zunächst<br />
19 Lehrstühlen konstituiert. Als Aufgaben<br />
wurden ihr die Mitarbeit bei der Organisation<br />
der fachärztlichen Ausbildung, der<br />
Durchführung zentraler Fortbildungslehrgänge<br />
<strong>und</strong> eine Anleitung <strong>und</strong> Förderung<br />
peripherer regionaler Fortbildungsaktivitäten<br />
aufgetragen. Außerdem wurde ihr die<br />
Wahrnehmung eines Habilitationsrechtes<br />
zugesprochen. Ungeachtet nachfolgender<br />
Erweiterung von Aufgabenstellungen <strong>und</strong><br />
struktureller Veränderungen in den Folgejahren<br />
blieb sie für die Durchführung der<br />
Subspezialisierung bis 1990 in vollem Umfang<br />
verantwortlich.<br />
In zahlreichen Gesprächen <strong>und</strong> Auswertungen<br />
von Diskussionen war im Vorfeld<br />
der 1974 erlassenen Anordnungen unter<br />
akademiebeauftragten Vertretern entsprechender<br />
medizinischwissenschaftlicher<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en <strong>und</strong> zentraler Gremien<br />
Übereinstimmung erzielt worden, dass eine<br />
Spezialisierung in medizinischer Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Praxis eine objektiv notwendige<br />
Entwicklung darstellte die es gebot, den<br />
Rahmen rechtlicher Regelung auf die Spe-<br />
34<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
zialisierung von Fachärzten auszudehnen,<br />
um dadurch eine höhere Qualität der medizinischen<br />
Betreuung auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />
postgraduellen Spezialisierung realisieren<br />
zu können.<br />
Eine besondere Aufgabe fiel der Akademie<br />
für ärztliche Fortbildung mit der Berufung<br />
von Mitgliedern zentraler Fachgruppen <strong>und</strong><br />
deren Bildung für die jeweiligen Subspezialisierungsgebiete<br />
zu, um nach Erlass der<br />
Anordnung über die Subspezialisierung<br />
vom 23.05.1974 das gesetzlich verankerte<br />
Inkrafttreten mit dem 1.09.1974 wirksam<br />
zu unterstützen.<br />
Die zentrale Fachgruppe Traumatologie<br />
Die für die Subspezialität Traumatologie<br />
berufene Fachgruppe hatte mit Beginn des<br />
Jahres 1974 ihre Arbeit aufgenommen. Zu<br />
Mitgliedern wurden 6 Kollegen bestellt:<br />
Frau Prof. Dr. H. Arzinger-Jonasch, Leipzig;<br />
Prof. Dr. K. Franke, Berlin; MR Dr. K. Lowie,<br />
Berlin; Prof. Dr. E. Sander, Halle; Prof. Dr. W.<br />
Senst, Frankfurt; OMR Dr. K. Welz, Cottbus<br />
<strong>und</strong> als zeitweiliges Mitglied für Angelegenheiten<br />
der Subspezialisierung beim<br />
medizinischen Dienst der NVA Prof. Dr. Stöcker,<br />
Bad Saarow. Auf ihrer ersten Beratung<br />
wurde zum Vorsitzenden der Zentralen<br />
Fachgruppe auf Vorschlag der Fachgruppenmitglieder<br />
OMR Dr. K. Welz vom Rektor der<br />
Akademie für ärztliche Fortbildung ernannt.<br />
Er nahm diese Funktion über 16 Jahre bis<br />
zum 31.03.1990 wahr.<br />
In zeitweilig wechselnder Zusammensetzung<br />
trat die Kommission zu Beginn ihrer<br />
Tätigkeit in kurzzeitigen Abständen – in den<br />
Folgejahren in 1/4-jährlichem Turnus zusammen.<br />
Zu ihren Aufgaben zählten<br />
– die Erarbeitung eines Bildungsprogramms,<br />
– die Festlegung von Weiterbildungseinrichtungen,<br />
– die Überwachung der Subspezialisierungsabläufe,<br />
– die Organisation zentraler Weiterbildungsveranstaltungen,<br />
– die Überprüfung erfolgreicher Subspezialisierungsabschlüsse<br />
<strong>und</strong><br />
– eine generelle fachliche Anleitung.<br />
Die Fachgruppentätigkeit war von dem<br />
Bestreben geprägt die Subspezialisierung<br />
in der Unfallchirurgie zu begleiten <strong>und</strong> zu<br />
einem vollen Erfolg zu verhelfen. Ihre Tätigkeit<br />
fand über die Grenzen der damaligen<br />
DDR gebührende Anerkennung wie in einer<br />
Publikation „Der Erfolg der AO im kommunistischen<br />
Ostdeutschland“ (Surgery, Sciencpand<br />
Industry, a Revolution in Fracture<br />
Care 1950–1990) zu lesen ist. [5]<br />
Einrichtungen zur Subspezialisierung<br />
Nach eingehenden Beratungen wurden zur<br />
Wahrnehmung der Weiterbildung Subspezialisierung<br />
von der zentralen Fachgruppe<br />
alle unfallchirurgischen Abteilungen an<br />
chirurgischen Hochschulkliniken <strong>und</strong> den<br />
Kliniken für Chirurgie der Bezirkskrankenhäuser<br />
für die Zulassung zur Weiterbildung<br />
vorgeschlagen. Nach Überprüfung des<br />
Leistungsprofils wurde in den folgenden<br />
Jahren darüber hinaus die Zahl der Weiterbildungskliniken<br />
durch geeignete Unfallabteilungen<br />
größerer Kreiskrankenhäuser <strong>und</strong><br />
Städtischer Einrichtungen erweitert <strong>und</strong> in<br />
das Netz zugelassener Weiterbildungseinrichtungen<br />
integriert. Damit besaß die DDR<br />
eine ausreichende Zahl leistungsfähiger<br />
Kliniken <strong>und</strong> Abteilungen mit einem den<br />
Leistungsanforderungen adäquaten Profil<br />
für eine geregelte Weiterbildung in der Unfallchirurgie.<br />
Die zur Weiterbildung Subspezialisierung<br />
Traumatologie von der AfÄFB bestätigten<br />
Einrichtungen wurden zugleich in den Status<br />
von Fortbildungszentren der Akademie<br />
für ärztliche Fortbildung erhoben. Sie bildeten<br />
praktisch die klinische Basis für die<br />
Akademie für ärztliche Fortbildung, die neben<br />
der Gewährleistung der Weiterbildung<br />
zur Subspezialisierung Fortbildungsaufgaben,<br />
wie Gruppenhospitationen sowie<br />
Einzelhospitationen für Fachärzte aus der<br />
medizinischen Gr<strong>und</strong>betreuung auf freiwilliger<br />
Basis wahrnahmen <strong>und</strong> sich großer<br />
Akzeptanz erfreuten. Die bestätigten<br />
Weiterbildungseinrichtungen der Subspezialisierung<br />
Traumatologie standen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
für Delegierungen von angehenden<br />
Subspezialisten aus weniger spezialisierten<br />
Einrichtungen zur Verfügung. Für die Delegierung<br />
zur organisierten subspezialisierten<br />
Weiterbildung entschieden im Übrigen<br />
territorialer Bedarf an Subspezialisierungsmaßnahmen<br />
<strong>und</strong> die fachliche Eignung<br />
der betreffenden Kollegen. Die finanziellen<br />
Bedingungen waren in der Regel bei Delegierungen<br />
finanziell akzeptabel gestaltet<br />
(überwiegend Weiterzahlung des Gehaltes<br />
durch die delegierende Einrichtung).<br />
Ergebnisse der Subspezialisierung<br />
zwischen 1974 – 1990<br />
Der Erlass der Ministeranordnung über die<br />
Weiterbildung/Subspezialisierung vom<br />
23.05.1974 <strong>und</strong> dazugehöriger Anweisungen<br />
fand unter Fachärzten für Chirurgie<br />
sowie auch in den weiteren angesprochenen<br />
Disziplinen eine verbreitete Resonanz,<br />
obwohl mit einem Abschluss der<br />
Weiterbildung/Subspezialisierung keine<br />
höhere Vergütung verb<strong>und</strong>en war. Rasch<br />
zeichnete sich dennoch die Tendenz ab, dass<br />
die Subspezialisierung Traumatologie von<br />
Fachärzten für Chirurgie als willkommene<br />
Gelegenheit persönlicher Weiterbildung<br />
<strong>und</strong> schließlich auch beruflicher Perspektive<br />
betrachtet wurde.<br />
Die zentrale Fachgruppe für Traumatologie<br />
nahm mit Inkrafttreten der Anordnung eine<br />
geregelte Tätigkeit ab 1.09.1974 turnusmäßig<br />
pro Quartal wahr. Sie sah sich in der Anfangsperiode<br />
ihrer Tätigkeit in erster Linie<br />
mit Antragstellungen konfrontiert, die von<br />
Fachärzten im Sinne der Übergangsbestimmungen<br />
gestellt wurden. Die auch in der<br />
Folge zahlreich erfolgten Antragstellungen<br />
führten in zahlreichen Beratungen immer<br />
wieder zu Diskussionen darüber, ob die Antragstellungen<br />
einem tatsächlichen Bedarf<br />
entsprachen. Hierzu konnte die zentrale<br />
Fachgruppe keine Entscheidungen treffen.<br />
Ihr oblag es fernerhin, das zentral gelenkte<br />
einheitliche Weiterbildungssystem gesetzesentsprechend<br />
zu begleiten, die Fachabteilungen<br />
der Räte der Bezirke hinsichtlich<br />
Auswahl geeigneter Weiterbildungseinrichtungen<br />
zu beraten <strong>und</strong> die Einhaltung des<br />
Bildungsprogramms zu kontrollieren. Die<br />
Organisation der Realisierung der Subspezialisierung,<br />
d. h. die bedarfsgerechte Weiterbildung<br />
oblag entsprechend den territorialen<br />
Bedingungen <strong>und</strong> Bedürfnissen den<br />
Räten der Bezirke.<br />
Um die Bedingungen der Weiterbildung zu<br />
erleichtern wurde auf Vorschlag bei Besonderheiten<br />
der Territorialstruktur die Zahl<br />
der Weiterbildungskliniken nach Überprüfung<br />
des Leistungsprofils um geeignete Unfallabteilungen<br />
von Kreis- <strong>und</strong> Städtischen<br />
Einrichtungen für eine Teil- oder auch<br />
Vollausbildung erweitert, so dass die Zahl<br />
bestätigter Weiterbildungseinrichtungen<br />
für die Subspezialisierung Traumatologie<br />
10 Jahre nach Inkrafttreten der Anordnung<br />
bereits 27, 1989 42 betrug.<br />
Auf Initiative der Zentralen Fachgruppe<br />
fanden zwischen 1974 <strong>und</strong> 1988 in Berlin<br />
Pankow <strong>und</strong> zwischen 1977 bis 1989 in Bagenz/Cottbus<br />
jeweils in 2-jährigen Abständen<br />
turnusgemäße Weiterbildungswochen<br />
für ständig in spezialisierten Einrichtungen<br />
tätigen Kollegen unter besonderer Berücksichtigung<br />
der in der Subspezialisierung<br />
befindlichen Fachärzte statt. Die jeweils 5-<br />
tägigen Veranstaltungen zielten vorrangig<br />
auf Vermittlung von unfallchirurgischem<br />
Spezialwissen unter Berücksichtigung der<br />
Zielstellung der Programme für die Subspezialisierung<br />
ab. Diese jeweiligen Wochenkurse<br />
erfreuten sich eines ständig wachsenden<br />
Zuspruches. Die Teilnehmerkapazitäten<br />
waren bereits Wochen zuvor komplett aus-<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 35
gebucht. Die Unterbringung der Teilnehmer<br />
erfolgte kostenfrei, Verpflegung wurde gegen<br />
ein geringes Entgelt gewährt. Für die<br />
Vortragstätigkeit <strong>und</strong> die Diskussionsr<strong>und</strong>en<br />
stellten sich stets namhafte Vertreter<br />
des Fachgebietes Unfallchirurgie aus Hochschul-<br />
<strong>und</strong> Schwerpunkteinrichtungen zur<br />
Verfügung. Die wissenschaftliche Leitung<br />
der Kurse lag in den Händen ortsansässiger<br />
Mitglieder der Zentralen Fachgruppe<br />
(in Berlin Prof. Dr. K. Fanke, in Bagenz Dr. K.<br />
Welz) ( Abb. 2).<br />
Der Zuwachs an spezialisierten Fachärzten<br />
entsprach im Wesentlichen den territorialen<br />
Bedürfnissen. Ende 1987 betrug die<br />
Zahl anerkannter Subspezialisten 152, Ende<br />
1988 176 <strong>und</strong> Ende 1989 187.<br />
Zusammenfassend hat das Staatliche Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
der DDR mit der Weiterbildung<br />
Subspezialisierung den Bedürfnissen<br />
spezialisierter unfallchirurgischer Patientenbetreuung<br />
entsprochen. Die Akademie<br />
erfuhr mit dem Weiterbildungssystem internationale<br />
Aufmerksamkeit <strong>und</strong> mit seinem<br />
zentral durchorganisierten System die<br />
Anerkennung einer Ernennung zum Collaboration<br />
Centre der WHO.<br />
Die geregelte Weiterbildung zur Subspezialisierung<br />
Traumatologie hat ihre Bewährungsprobe<br />
nicht nur vor 1989 bestanden.<br />
Gerade auch nach der politischen Wende<br />
bildete die geregelte Weiterbildung zur Subspezialisierung<br />
Unfallchirurgie die Gr<strong>und</strong>lage<br />
für eine problemlose Integration in das<br />
Ges<strong>und</strong>heitssystem der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland <strong>und</strong> allerbeste Voraussetzung<br />
für die Realisierung des berufsgenossenschaftlichen<br />
Heilverfahrens.<br />
Literatur<br />
1. Anweisung Nr. 1/ Supspezialisierung der Fachärzte<br />
vom 20. Juni 1974. Verfügungen <strong>und</strong> <strong>Mitteilungen</strong><br />
des Min. f. Ges<strong>und</strong>heitswesen; 1974; Nr.<br />
12<br />
2. Dokumente für die Subspezialisierung der Fachärzte.<br />
Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR,<br />
Berlin 1976<br />
3. Mros B, Jäschke G, Spaar H. Akademie für ärztliche<br />
Fortbildung. Veröff. Med. Ges. 2003; 44/55<br />
4. Reding R. In: Hierholzer G. u. S. Chirurgisches Handeln<br />
– Der Einfluss des Zeitgeschehens auf die<br />
Entwicklung der Chirurgie in Mitteleuropa Mitte<br />
des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bis zur Gegenwart. Stuttgart:<br />
Thieme Verlag; 1989, 204–211<br />
5. Schlich T. Surgery, Science and Industry, A Revolution<br />
in Fracture Care 1950 bis 1990; Bastingstoke:<br />
Verlag Polgrave Macmillan; 2002<br />
Abb. 2 Deckblatt des wissenschaftlichen Programms zum letzten Lehrgang für Traumatologie der<br />
Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR/Sept. 1989<br />
Dr. med. K. Welz<br />
Finsterwalder Str. 45a<br />
03048 Cottbus<br />
36<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Kongresse – Tagungen mit<br />
internationaler Beteiligung<br />
K. Sandner, E. Markgraf, W. Senst<br />
Kongresse <strong>und</strong> Symposien sollten als Foren<br />
des wissenschaftlichen Meinungsstreites<br />
zur Vorbereitung oder Lösung von Forschungs-<br />
<strong>und</strong> Entwicklungsaufgaben in der<br />
DDR <strong>und</strong> des kontinuierlichen wissenschaftlichen<br />
Erfahrungsaustausches organisiert<br />
werden. Eine entsprechende Thematik sollte<br />
im Mittelpunkt eines jeden Kongresses stehen,<br />
um Stellung, Bedeutung <strong>und</strong> Aufgaben<br />
eines Fachgebietes im sozialistischen<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen zu analysieren <strong>und</strong><br />
seine Perspektive unter Orientierung auf<br />
die gesamtgesellschaftliche Entwicklung<br />
vorzubereiten <strong>und</strong> mitzubestimmen. Für<br />
das Problemgebiet wurden die zuständigen<br />
internationalen Spitzenwissenschaftler eingeladen.<br />
Die Kongressteilnehmer sollten<br />
breit gefächert über den neuesten Wissensstand<br />
<strong>und</strong> die Wissenschaftsentwicklung<br />
im Fachgebiet informiert <strong>und</strong> die Ergebnisse<br />
in Fachzeitschriften, wie zum Beispiel<br />
im Zentralblatt für Chirurgie, veröffentlicht<br />
werden. Eine Redaktionskommission erarbeitete<br />
auf der Gr<strong>und</strong>lage der Autorreferate<br />
<strong>und</strong> der Vortragsmanuskripte qualifizierte<br />
Ergebnisberichte.<br />
Ziel der Kongresse <strong>und</strong> der wissenschaftlichen<br />
Tagungen war es, die Darstellung<br />
<strong>und</strong> Diskussion neuer wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse verzögerungsfrei in die Praxis<br />
des sozialistischen Ges<strong>und</strong>heitswesens zu<br />
überführen. Die von Expertengruppen in<br />
Vorbereitung des Kongresses im Auftrag des<br />
Vorstandes der <strong>Gesellschaft</strong>en erörterten<br />
Empfehlungen über die Anwendung diagnostischer<br />
<strong>und</strong> therapeutischer Methoden<br />
<strong>und</strong> Standards wurden bekannt gegeben<br />
<strong>und</strong> diskutiert. Zu den Podiumsdiskussionen<br />
(R<strong>und</strong>tischgesprächen) wurden ebenfalls<br />
kompetente internationale Wissenschaftler<br />
des Fachgebietes eingeladen. Industrieausstellungen<br />
<strong>und</strong> Industrieinformationen<br />
anlässlich der wissenschaftlichen Veranstaltungen<br />
sollten nicht nur neue technischmethodische<br />
Möglichkeiten bekannt geben,<br />
sondern auch die wesentlichen Parameter<br />
der beabsichtigten technischen Entwicklung<br />
den Fachexperten zur Diskussion stellen.<br />
Ziel war ferner die Integration der Spezialgebiete<br />
einer medizinischen Disziplin, der<br />
medizinischen Disziplinen untereinander<br />
<strong>und</strong> der medizinischen Wissenschaft mit<br />
der Natur- <strong>und</strong> der <strong>Gesellschaft</strong>swissenschaft.<br />
Es wurde empfohlen, Kongresse gemeinsam<br />
oder Teile von Kongressen durch<br />
zwei oder mehrere Fachdisziplinen zu organisieren.<br />
Persönliche Kontakte während<br />
der Kongresse <strong>und</strong> die Anknüpfung wissenschaftlicher<br />
Kooperationsbeziehungen<br />
stellten die effektivsten Ergebnisse dar.<br />
Die abgehaltene Mitgliederversammlung<br />
während des Kongresses (halber Tagesabschnitt)<br />
stellte das höchste demokratische<br />
Organ der <strong>Gesellschaft</strong> dar. Von ihr gingen<br />
die entscheidenden Impulse zur Lösung der<br />
dem Fachgebiet übertragenen Aufgaben<br />
aus. Außerdem wurden der Vorstand <strong>und</strong><br />
der „Vorsitzende“ für einen begrenzten Zeitraum<br />
gewählt.<br />
In der DDR wurden zwei Tagungen für Unfallchirurgie<br />
<strong>und</strong> 10 Unfallchirurgenkongresse<br />
mit internationaler Beteiligung veranstaltet.<br />
Der XII. Unfallchirurgenkongress<br />
der DDR mit internationaler Beteiligung<br />
fand als Kuriosum im November 1990 im<br />
wiedervereinten Deutschland statt.<br />
Die Kongresse III bis V wurden durch Dr. J.<br />
Riedeberger, die Kongresse VI bis XII durch<br />
Dr. K. Sandner organisiert.<br />
Die I. Tagung Unfallchirurgie mit internationaler<br />
Beteiligung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für klinische Medizin der DDR, der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie fand in der Zeit<br />
vom 28.–30.5.1959 in Erfurt unter der wissenschaftlichen<br />
Leitung von Herrn Prof. Dr.<br />
Egbert Schwarz statt. Hauptthemen des<br />
Kongresses waren Frakturen, Schädel-Hirn-<br />
Verletzungen <strong>und</strong> Fragen der Unfallprophylaxe.<br />
An der oben genannten Tagung<br />
nahmen r<strong>und</strong> 500 Gäste aus Ost <strong>und</strong> West<br />
teil. Als namhafte Persönlichkeiten aus dem<br />
Ausland konnten der Nestor der Unfallchirurgie<br />
in Österreich, Prof. Dr. Lorenz Böhler,<br />
Wien, sowie die Professoren Dr. Pavrovsky,<br />
Prag (CSSR), Dr. Novak, Brno (CSSR), <strong>und</strong> Dr.<br />
Robany, Budapest (Ungarn), sowie Dr. Szulc,<br />
Warschau (Polen), begrüßt werden.<br />
Die II. Tagung Unfallchirurgie mit internationaler<br />
Beteiligung der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
klinische Medizin der DDR, der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie fand vom 28.–30.10.1965 in<br />
Weimar unter der wissenschaftlichen Leitung<br />
von Herrn Prof. Dr. F. Mörl, Halle/Saale,<br />
statt. Hauptthemen des wissenschaftlichen<br />
Programms waren die „operative Osteosynthese“,<br />
das Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelbrüche,<br />
Bauchverletzungen, Knöchelbrüche<br />
sowie Fragen der Begutachtung. Im Rahmen<br />
dieser Tagung wurde ein wissenschaftliches<br />
Filmprogramm veranstaltet. Als prominente<br />
Gäste nahmen die Professoren Dr. M. Allgöwer,<br />
Chur (Schweiz), Dr. H. Contzen, Frankfurt/Main,<br />
<strong>und</strong> Dr. J. Manninger, Budapest<br />
(Ungarn), teil.<br />
Die wissenschaftlichen Veranstaltungen auf<br />
dem Gebiet der Unfallchirurgie wurden anschließend<br />
von der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für klinische Medizin der DDR, der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie, der Sektion Traumatologie<br />
als Unfallchirurgenkongresse der DDR<br />
mit internationaler Beteiligung organisiert<br />
<strong>und</strong> durchgeführt.<br />
Der III. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
fand vom 13.–14.4.1972 in Leipzig unter der<br />
wissenschaftlichen Leitung von Herrn Prof.<br />
Dr. W. Wehner, Leipzig, statt. Der Kongress<br />
wurde gemeinsam mit der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Orthopädie der DDR mit dem wissenschaftlichen<br />
Hauptthema „Pseudarthrosen langer<br />
Röhrenknochen“ veranstaltet. Während des<br />
Kongresses tagte die Arbeitsgemeinschaft<br />
„Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung“ der<br />
Sektion Traumatologie <strong>und</strong> bei dieser Gelegenheit<br />
wurde die Arbeitsgemeinschaft<br />
„Prophylaxe <strong>und</strong> 1. Hilfe bei Unfällen“ der<br />
gleichen Sektion neu gegründet. Am zweiten<br />
Kongresstag handelte die Arbeitsgemeinschaft<br />
„Thermische <strong>und</strong> kombinierte<br />
Schädigungen“ der Sektion Traumatologie<br />
das Thema „Thermische Schädigungen“ ab.<br />
Im Rahmen dieses wissenschaftlichen Programms<br />
wurden die Epidemiologie thermischer<br />
Schädigungen erörtert, Todesfälle<br />
nach Verbrennungen analysiert sowie die<br />
Infektion der Verbrennungsw<strong>und</strong>e <strong>und</strong> die<br />
Lokalbehandlung der Verbrennungsw<strong>und</strong>en<br />
diskutiert. In einer Podiumsdiskussion wurde<br />
eine „Empfehlung zur Behandlung thermischer<br />
Schädigungen“ verabschiedet. Das<br />
wissenschaftliche Programm wurde durch<br />
namhafte Gastreferenten, wie die Herren<br />
Professoren Dr. H. Willenegger, Liestal<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 37
(Schweiz), Dr. G. Küntscher, Flensburg, <strong>und</strong><br />
Dr. C. Burri, Ulm, bereichert.<br />
Der IV. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
fand vom 5.–7.12.1973 in Leipzig unter der<br />
wissenschaftlichen Leitung von Herrn Prof.<br />
Dr. W. Wehner, Magdeburg, statt. Dieser<br />
Kongress wurde gemeinsam mit den <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
für Orthopädie <strong>und</strong> Alternsforschung<br />
der DDR sowie den Sektionen für<br />
Kinderchirurgie <strong>und</strong> Experimentelle Chirurgie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie <strong>und</strong> der<br />
AG Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung der<br />
Sektion Traumatologie veranstaltet. Die<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR führte<br />
am 5.12.1973 eine Sonderveranstaltung<br />
zum Thema „Fehler bei der Beurteilung des<br />
Körperschadens nach einfachen Unfällen<br />
bei Ärzten im Rahmen der Vertragsversicherung“<br />
durch. Ferner tagten die Arbeitsgemeinschaften<br />
der Sektion Traumatologie<br />
„Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung“,<br />
„Prophylaxe <strong>und</strong> 1. Hilfe bei Unfällen“<br />
sowie „Thermische <strong>und</strong> kombinierte Schädigungen“.<br />
Die Tagung der Arbeitsgemeinschaft<br />
„Thermische <strong>und</strong> kombinierte Schädigungen“<br />
stand unter dem Thema „Frühexzision<br />
<strong>und</strong> primäre Totaldeckung drittgradiger<br />
Verbrennungsw<strong>und</strong>en, unter besonderer<br />
Berücksichtigung von Konservenhaut“. Die<br />
Plenartagungen standen am 6.12.1973 unter<br />
dem Thema „Altersfrakturen des proximalen<br />
Femur“ <strong>und</strong> am 7.12.1973 unter der<br />
Thematik „Osteosynthesen im Kindesalter“.<br />
Prominente Gastreferenten wie die Professoren<br />
Dr. S. Weller, Tübingen, Dr. E. Trojan,<br />
Wien (Österreich), <strong>und</strong> Dr. J. Manninger,<br />
Budapest (Ungarn), trugen mit ihren wissenschaftlichen<br />
Beiträgen wesentlich zum<br />
Gelingen des Kongresses bei.<br />
Der V. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
fand vom 22.–24.9.1976 in Leipzig unter der<br />
wissenschaftlichen Leitung von Herrn Prof.<br />
Dr. E. Sander, Halle/Saale, statt. Als Hauptthema<br />
wurden komplex die „Verletzungen<br />
des Kniegelenkes“ wissenschaftlich abgehandelt.<br />
Unter anderem wurden hierbei<br />
die Biomechanik <strong>und</strong> Diagnostik des Kniegelenkes,<br />
kniegelenknahe Oberschenkelbrüche,<br />
Schienbeinkopfbrüche, Patellafrakturen,<br />
Kniegelenkverletzungen des Kindes,<br />
Weichteil-, Knorpel- <strong>und</strong> Bandverletzungen<br />
bei Kniegelenkfrakturen diskutiert. Ferner<br />
wurden Fragen der Rehabilitation <strong>und</strong> der<br />
Begutachtung erörtert. Namhafte Gastreferenten<br />
wie die Professoren Dr. H. Tscherne,<br />
Hannover, Dr. J. Rehn, Dortm<strong>und</strong>, Dr. E. Morscher,<br />
Basel (Schweiz), sowie Dr. W. Bandi,<br />
Interlaken (Schweiz), bereicherten das wissenschaftliche<br />
Programm.<br />
Summary: Zbl. Chirurgie 1977; 102:<br />
802–814<br />
Abb. 1 Titelblatt zum Programmheft des<br />
VI. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1978<br />
Abb. 2 Titelblatt zum Programmheft des<br />
VII. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1980<br />
Der VI. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
( Abb. 1) fand vom 13.-15.9.1978 in Leipzig<br />
unter der wissenschaftlichen Leitung<br />
von Herrn Prof. Dr. E. Sander, Halle/Saale,<br />
statt. Die Hauptthemen des Kongresses<br />
beschäftigten sich mit der „Messtechnik in<br />
der Unfallchirurgie“, dem „stumpfen Bauchtrauma“<br />
<strong>und</strong> dem frischen „geschlossenen<br />
diaphysären Unterschenkelbruch“. Zur<br />
Bereicherung des wissenschaftlichen Programms<br />
trugen aktiv die Professoren Dr. H.<br />
Willenegger, Bern (Schweiz), Dr. G. Hierholzer,<br />
Duisburg, Dr. R. Ganz, Bern (Schweiz),<br />
<strong>und</strong> Dr. J. Rehn, Bochum, bei.<br />
Summary: Zbl. Chirurgie 1979; 104:<br />
332–345<br />
Der VII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
( Abb. 2) wurde vom 17.-19.9.1980 in<br />
Leipzig unter der wissenschaftlichen Leitung<br />
von Herrn Prof. Dr. E. Sander, Halle/<br />
Saale, veranstaltet. Als Hauptthemen des<br />
Kongresses wurden die „Sofort- <strong>und</strong> Frühbehandlung<br />
schwerer Verbrennungsverletzungen“,<br />
„Verletzungen des Vorderarmes“<br />
sowie „Thoraxverletzungen“ abgehandelt<br />
<strong>und</strong> diskutiert. Das wissenschaftliche Programm<br />
wurde durch die Anwesenheit der<br />
Professoren Dr. G. Muhr, Hannover, Dr. K. H.<br />
Jungbluth, Hamburg, Dr. G. Chapchal, Luzern<br />
(Schweiz), <strong>und</strong> M.D. Jackson, Birmingham<br />
(Großbritannien), bereichert.<br />
Summary: Zbl. Chirurgie 1981; 106:<br />
757–770<br />
Der VIII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
( Abb. 3) wurde vom 15.–17.9.1982 in<br />
Leipzig unter der wissenschaftlichen Leitung<br />
von Herrn Prof. Dr. W. Senst, Frankfurt/Oder,<br />
abgehalten. Die Hauptthemen<br />
des Kongresses beschäftigten sich mit der<br />
„Knochendurchblutung unter den Bedingungen<br />
der Fraktur“, mit der „Epidemiologie<br />
des Unfallgeschehens in der DDR“ <strong>und</strong> den<br />
„modernen Untersuchungsmethoden in der<br />
Unfallchirurgie“. Weitere Kongressthemen<br />
behandelten die Verletzungen des Fußes,<br />
wie zum Beispiel des Talus, des Kalkaneus,<br />
des Vorfußes, Luxationen im Fußbereich<br />
<strong>und</strong> Fußverletzungen im Kindesalter. Ausgenommen<br />
waren die Verletzungen des<br />
oberen Sprunggelenkes. Die Beiträge der<br />
Gastreferenten der Professoren Dr. E. Beck,<br />
Innsbruck (Österreich), Dr. G. Berentey, Budapest<br />
(Ungarn), <strong>und</strong> Dr. G. Muhr, Homburg,<br />
trugen wesentlich zum Gelingen des<br />
Kongresses bei.<br />
Summary: Zbl. Chirurgie 1983; 108:<br />
667–677<br />
Der IX. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
( Abb. 4) fand vom 12.–14.9.1984 in Leipzig<br />
unter der wissenschaftlichen Leitung<br />
von Herrn Prof. Dr. W. Senst, Frankfurt/Oder,<br />
38<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
statt. Ein Teil des wissenschaftlichen Programms<br />
beschäftigte sich mit der „Erstbehandlung<br />
von „Halswirbelsäulenverletzungen“.<br />
Ein weiteres Thema bildeten die<br />
„Oberschenkelschaftbrüche“. In diesem<br />
Rahmen wurden zwei Studien der Sektion<br />
Traumatologie der DDR vorgetragen <strong>und</strong><br />
diskutiert. Die Studien beinhalteten die Behandlungsergebnisse<br />
allgemein, mit <strong>und</strong><br />
ohne Komplikationen (z. B. Infektionen). Ferner<br />
wurden die Indikationen zur Operation,<br />
die Operationsmethoden, Oberschenkelschaftfrakturen<br />
bei Mehrfachverletzungen,<br />
der gestörte Heilverlauf, Folgezustände<br />
nach Oberschenkelschaftfrakturen sowie<br />
Oberschenkelschaftbrüche im Wachstumsalter<br />
erörtert. In Kasuistiken wurden „Problemsituationen<br />
in der unfallchirurgischen<br />
Versorgung“ vorgestellt. Das wissenschaftliche<br />
Programm wurde durch die Gastreferenten<br />
wie die Professoren Dr. H. Willenegger,<br />
Bern (Schweiz), Dr. G. Muhr Bochum, Dr.<br />
J. Poigenfürst, Wien (Österreich), <strong>und</strong> Dr. K.<br />
Kalnbers, Riga (Sowjetunion), bereichert.<br />
Summary: Zbl. Chirurgie 1985; 110:<br />
944–957<br />
Der X. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
( Abb. 5) wurde vom 10.–12.9.1986 in<br />
Leipzig unter der wissenschaftlichen Leitung<br />
von Frau Prof. Dr. H. Arzinger-Jonasch<br />
abgehalten. Der Kongress wurde in Kooperation<br />
mit der Sektion Neurotraumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Neurochirurgie der DDR<br />
veranstaltet. Die Hauptthemen des Kongresses<br />
waren „Schädelhirnverletzungen“<br />
<strong>und</strong> „Verletzungen des Schultergelenkes“.<br />
Die Schädelhirnverletzungen beinhalteten<br />
Übersichten <strong>und</strong> Diagnostik, Therapie, Letalitätsanalysen<br />
sowie Fragen der Rehabilitation<br />
<strong>und</strong> Begutachtung. Bei den Schultergelenkverletzungen<br />
wurden Übersichten<br />
<strong>und</strong> Diagnostik, die Therapie der Frakturen,<br />
Schulterluxationen, Luxationsfrakturen,<br />
Verletzungen der Rotatorenmanschette,<br />
Humerusverletzungen im Wachstumsalter<br />
sowie Fragen der Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung<br />
diskutiert. Außerdem standen die<br />
Verletzungen des Schultereckgelenkes im<br />
Mittelpunkt der wissenschaftlichen Erörterungen.<br />
Als Gastreferenten nahmen die Professoren<br />
Dr. J. Böhler, Wien (Österreich), <strong>und</strong><br />
Dr. G. Hierholzer am wissenschaftlichen<br />
Programm aktiv teil.<br />
Summary: wurde nicht gedruckt<br />
Der XI. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
( Abb. 6) fand vom 6.–9.9.1988 in Leipzig<br />
unter der wissenschaftlichen Leitung von<br />
Herrn Prof. Dr. K. Franke, Berlin/Pankow,<br />
statt. Das Hauptthema des Kongresses<br />
beschäftigte sich im Komplex mit den „frischen<br />
Verletzungen des Kniegelenkes inklusive<br />
der instrumentellen Diag nostik <strong>und</strong> der<br />
Abb. 3 Titelblatt zum Programmheft des<br />
VIII. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1982<br />
Abb. 5 Titelblatt zum Programmheft des<br />
X. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1986<br />
Abb. 4 Titelblatt zum Programmheft des<br />
IX. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1984<br />
Abb. 6 Titelblatt zum Programmheft des<br />
XI. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1988<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 39
Publikationen<br />
Abb. 7 Anlässlich des XI. Unfallchirurgenkon gresses wurde Herrn Dr. h.c. Robert Mathys (Schweiz)<br />
im Gewandhaus zu Leipzig die Ehrennadel der „Karl-Marx-Universität Leipzig“ verliehen. (v.l.n.r.: Welz<br />
(Cottbus), Markgraf (Jena), Arzinger-Jonasch (Leipzig), Mathys (Bettlach-Schweiz), Henke (Erfurt),<br />
Sandner (Leipzig)). Aus: Privatarchiv K. Sandner<br />
Kniegelenk-Endoskopie“. In diesem Rahmen<br />
wurden die intraartikulären Frakturen, traumatische<br />
Knorpelschäden, Kapsel-Bänder-<br />
Läsionen, inklusive Meniskusläsionen <strong>und</strong><br />
operative Arthroskopie umfassend abgehandelt.<br />
Außerdem wurden die Verletzungen<br />
nach Kniegelenkluxationen, die sek<strong>und</strong>äre<br />
Therapie sowie Fragen der Rehabilitation<br />
<strong>und</strong> der Begutachtung erörtert. Die optimale<br />
Therapie der Kniegelenkverletzungen<br />
wurde in R<strong>und</strong>tischgesprächen ausführlich<br />
diskutiert <strong>und</strong> zusammengefasst als Therapierichtlinien<br />
den Kongressteilnehmern<br />
zur Verfügung gestellt. Zum Gelingen des<br />
Kongresses trugen als Gastreferenten die<br />
Professoren Dr. W. Glinz, Zürich (Schweiz),<br />
Dr. G. Muhr, Bochum, <strong>und</strong> Dr. P. Hertel, Berlin-West,<br />
bei ( Abb. 7).<br />
Summary: Zbl. Chirurgie 1989; 114:<br />
1171–1180<br />
Abb. 8 Titelblatt zum Programmheft des<br />
XII. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1990<br />
Der XII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
( Abb. 8) stellt ein Unikat in der Geschichte<br />
der deutschen Unfallchirurgie dar. Die wissenschaftliche<br />
Veranstaltung wurde in der<br />
DDR beschlossen, entsprechend konzipiert<br />
<strong>und</strong> nahezu vollständig organisiert. Der<br />
Kongress fand unter der wissenschaftlichen<br />
Leitung von Herrn Prof. Dr. E. Markgraf,<br />
Jena, vom 5.–8.11.1990 im wiedervereinten<br />
Deutschland in Leipzig statt. Als Hauptthema<br />
des Kongresses wurde die „konservative<br />
Frakturtherapie – Indikationen <strong>und</strong> Methoden<br />
bei Verletzungen der oberen <strong>und</strong><br />
unteren Extremität“ abgehandelt. Ferner<br />
wurden „neue Trends in der Infektionsbehandlung“<br />
sowie „therapeutische Grenzindikationen<br />
bei Wirbelfrakturen“ vorgestellt.<br />
Ein weiteres wichtiges Kongressthema<br />
betraf verlaufsbedingte Komplikationen<br />
nach Extremitätenverletzungen, wie zum<br />
Beispiel nervale Komplikationen, das Kompartment-Syndrom,<br />
Gefäßschäden, Morbus<br />
SUDECK (Algodystrophie) <strong>und</strong> ossäre Komplikationen<br />
(verzögerte Knochenbruchheilung,<br />
Pseudarthrosen, Komplikationen nach<br />
Osteosynthesen). Außerdem wurden Fragen<br />
der Begutachtung erörtert. Der Repräsentant<br />
der AO-International, Herr Professor Dr.<br />
H. Willenegger, Pratteln-Liestal (Schweiz),<br />
sowie die Professoren Dr. U. Heim, Bern<br />
(Schweiz), Dr. E. Trojan, Wien (Österreich),<br />
Dr. H. Renner, Budapest (Ungarn), Dr. G.<br />
Muhr, Bochum, J. Probst, Murnau, <strong>und</strong> Dr.<br />
D. Havemann, Kiel, bereicherten mit ihren<br />
Beiträgen wesentlich das Kongresspro -<br />
gramm.<br />
1. Arzinger-Jonasch H, Riedeberger J.<br />
Klinik <strong>und</strong> Therapie der Verbrennungsverletzungen.<br />
1. Aufl. Berlin: VEB Volk <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit; 1979<br />
2. Arzinger-Jonasch H. Klinik <strong>und</strong> Therapie<br />
der Verbrennungsverletzungen. 2. überarbeitete<br />
<strong>und</strong> erweiterte Auflage. Berlin: VEB<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1983<br />
3. Becker T. Kurzgefasster Operationskurs.<br />
1. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1955. 1. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1956, 2. neubearbeitete<br />
Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />
1959, 3. neubearbeitete Aufl. Leipzig: VEB<br />
Johann Ambrosius Barth; 1963. 4. Aufl. Leipzig:<br />
VEB Johann Ambrosius Barth; 1980<br />
5. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1984. 6. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1989. Lizenzausgabe des<br />
Barth-Verlags. Frankfurt/Main: Ed. Wötzel;<br />
1989<br />
4. Becker T. Gr<strong>und</strong>riss der allgemeinen Unfallchirurgie.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1967<br />
5. Becker T. Gr<strong>und</strong>riss der speziellen Unfallchirurgie.<br />
Teil I: Kopf – Hals – Brust – Bauch<br />
– Becken. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1968<br />
6. Becker T. Gr<strong>und</strong>riss der speziellen Unfallchirurgie.<br />
Teil II: Wirbelsäule – Beckengürtel<br />
– Bein <strong>und</strong> Fuß – Schultergürtel – Arm <strong>und</strong><br />
Hand. Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />
1973<br />
7. Becker T. Gr<strong>und</strong>riss der speziellen Unfallchirurgie.<br />
1. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1983<br />
8. Becker T, Markgraf E. Gr<strong>und</strong>riss der speziellen<br />
Unfallchirurgie. 2. überarbeitete<br />
<strong>und</strong> ergänzte Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1986. 2. überarbeitete <strong>und</strong><br />
ergänzte Aufl. (Lizenzausgabe des Barth-Verlages).<br />
Stuttgart-NewYork: Thieme;1986.<br />
3. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1989<br />
9. Becker T. Krebs <strong>und</strong> Unfall. Leipzig: VEB<br />
Johann Ambrosius Barth; 1966 bzw. München:<br />
J. A. Barth; 1966<br />
10. Brückner H. Frakturen <strong>und</strong> Luxationen.<br />
1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit; 1969. 2. bearbeitete Aufl. Berlin:<br />
VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1974.<br />
3. bearbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978. 4. bearbeitete<br />
Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1981. 5. bearbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1984<br />
40<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
11. Brückner H, Hinze M. Zugangswege in<br />
der Traumatologie. 1. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1980. 2. bearbeitete<br />
Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />
1986. 2. bearbeitete Aufl. Stuttgart: Hippokrates<br />
Verlag; 1986<br />
12. Brückner H. Das Verbandbuch. 1. Aufl.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1985<br />
13. Brückner H, Hoff H. Der Gipsverband.<br />
1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1979. 2. bearbeitete Aufl. Berlin: VEB<br />
Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1983<br />
14. Brückner H, Ansorge D. Verbandvademecum.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit; 1988<br />
15. Büchter L. Chirurgische Behandlung der<br />
verletzten <strong>und</strong> erkrankten Hand. Leipzig:<br />
VEB Johann Ambrosius Barth; 1972<br />
16. Franke K. Traumatologie des Sports<br />
– Sportmedizin in der DDR. 1. Aufl. Berlin:<br />
VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1977.<br />
2. bearbeitete <strong>und</strong> erweiterte Aufl. Berlin:<br />
VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1980. Traumatologie<br />
des Sports. 2. bearbeitete Aufl.<br />
Stuttgart-New York: Thieme; 1980<br />
17. Franke K, Brenke H. Traumatologie des<br />
Sports. 3. bearbeitete <strong>und</strong> erweiterte Aufl.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1986. 3. bearbeitete Aufl. Stuttgart-New<br />
York: Thieme; 1986<br />
18. Franke K. Erste Hilfe bei Sportverletzungen<br />
<strong>und</strong> Sporthygiene. 2. Aufl. Berlin:<br />
Sportverl; 1960 (1. Aufl. u.d.T.: Krause G.<br />
Erste Hilfe bei Sportverletzungen <strong>und</strong> Sporthygiene)<br />
19. Franke K, Unger RR, Paul B. Das Schädel-<br />
Hirn-Trauma (SHT) in der Notfallpraxis.<br />
1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1973. 2. bearb. <strong>und</strong> erweit. Aufl. Berlin:<br />
VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978<br />
20. Heller E. Das Handwerk des chirurgischen<br />
Stationsdienstes. 1. Aufl. Leipzig:<br />
Hirzel; 1948. 2. neubearbeitete Aufl. Leipzig:<br />
Hirzel; 1955. 3. neubearbeitete Aufl. von<br />
Franz Mörl. Leipzig: Hirzel; 1961. 4. neubearbeitete<br />
Aufl. von Franz Mörl. Leipzig: Hirzel;<br />
1966<br />
21. Kiene S, Külz J. Das Schädelhirn trauma<br />
im Kindesalter. Klinische <strong>und</strong> elektroenzephalographische<br />
Aspekte. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1968<br />
22. Kürzinger R, Kollmorgen G, Müldner J.<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der ärztlichen Begutachtung.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1987<br />
23. Mörl F. Lehrbuch der Unfallchirurgie.<br />
1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit; 1964. 2. durchges., verb. u. erw.<br />
Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1968<br />
24. Reding R. Chirurgie <strong>und</strong> Diabetes mellitus.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />
1974<br />
25. Reding R, Lang G. Schädel – Hirn – Trauma<br />
<strong>und</strong> Kombinationsverletzungen. Leipzig:<br />
VEB Johann Ambrosius Barth; 1977<br />
26. Reding R. Gr<strong>und</strong>lagen der Chirurgie.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1983<br />
27. Senst W. Spezielle Krankheitslehre/Chirurgie/Anästhesiologie/Urologie.<br />
1. Aufl.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1982. 2. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit; 1987. 3. Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1989<br />
28. Serfling HJ, Schober KL, Schmitt W. Spezielle<br />
Chirurgie. 1. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1971. 2. Aufl. Leipzig: VEB<br />
Johann Ambrosius Barth; 1978<br />
29. Strauch E, Schneider HJ, Schröder R.<br />
Einführung in die Unfallheilk<strong>und</strong>e, ein<br />
Leitfaden für Schwestern <strong>und</strong> Pfleger <strong>und</strong><br />
DRK-Helfer. 1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1962. 2. überarbeitete Aufl.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1973. 3. überarbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 197<br />
30. Strauch E, Heinicke D. Die Operationsschwester.<br />
1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1980. 2. überarbeitete Aufl.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1985. Strauch E, Düsterhöft S. 3. überarbeitete<br />
Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1989<br />
31. Scheidler K, Wolf E. Notfallmedizin – Organisation<br />
<strong>und</strong> Praxis. 1. Aufl. Berlin: VEB<br />
Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978.<br />
2. überarbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1981<br />
32. Schmitt W. Allgemeine Chirurgie.<br />
1. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1955. 2. verb. u. verm. Aufl. Leipzig:<br />
VEB Johann Ambrosius Barth; 1958. 3. verb.<br />
u. verm. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1960. 4. verb. Aufl. Leipzig: VEB<br />
Johann Ambrosius Barth; 1963. 5. verb. Aufl.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1964.<br />
6. verb. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1966. 7. erw. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1970. 8. erw. Aufl.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1977.<br />
8. erw. Aufl. Stuttgart: Enke; 1977. 9. Aufl.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1979.<br />
10. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1985<br />
33. Schmitt W. Chirurgie der Infektionen.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1968<br />
34. Schmitt W, Kiene S. Chirurgie der<br />
Infektionen. 2. überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte<br />
Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />
1981. 2. überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte Aufl.<br />
Berlin; Heidelberg; New York: Springer; 1981<br />
35. Wehner W. Fettembolie.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1968<br />
36. Wehner W, Sander E. Unfallchirurgie.<br />
Lehrbuch für Studenten der Medizin.<br />
1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1981<br />
37. Wehner W, Schädlich M. Gr<strong>und</strong>lagen<br />
der ersten Hilfe. 1. Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1972. 2. überarbeitete<br />
Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1975. 3. überarbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978. 4. überarbeitete<br />
Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1982. 5. überarbeitete Aufl. Berlin:<br />
VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1988<br />
38. Uebermuth H. Die Weichteile im<br />
Bereich der Extremitäten. Lehrbuch der<br />
Chirurgie – Band 1. 11. umgearbeitete Aufl.<br />
Jena: Fischer; 1956<br />
39. Uebermuth H. Spezielle Chirurgie.<br />
1. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1957. 2. verb. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1960. 3. verb. Aufl.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1962.<br />
4. verb. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />
Barth; 1964. 5. verb. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1967<br />
40. Uebermuth H. Die Chirurgie der Lungen.<br />
Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1960<br />
41. Uebermuth H. Die Verletzungen des<br />
Bauches <strong>und</strong> der Bauchorgane. Aus: Die<br />
Chirurgie des Traumas – Band 2. Berlin: VEB<br />
Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1967<br />
42. Zeumer G. Praxis der Handchirurgie<br />
in Operationsskizzen. 1. Aufl. Leipzig: VEB<br />
Johann Ambrosius Barth; 1972. 2. überarbeitete<br />
<strong>und</strong> erweiterte Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />
Ambrosius Barth; 1982<br />
43. Zippel H, Höhndorf H. Meniskusverletzungen<br />
<strong>und</strong> Menikusschäden.<br />
Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1973<br />
Fachbuch „Unfallchirurgie“<br />
Das 1964 im Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
erschienene, weit verbreitete „Lehrbuch<br />
für Unfallchirurgie“ von Professor Franz<br />
Mörl, Direktor der Chirurgischen Klinik <strong>und</strong><br />
Poliklinik der Martin-Luther-Universität<br />
Halle-Wittenberg, war nicht weiter geführt<br />
worden. Inzwischen hatte sich aber eine<br />
immense Entwicklung in allen Bereichen<br />
der Unfallchirurgie vollzogen. Es fehlte eine<br />
breit angelegte, umfassende Übersicht des<br />
aktuellen Wissens. Nach dem IX. Unfallchirurgenkongress<br />
1984 gewann der Verlag<br />
Wolfgang Senst als Initiator für ein neues<br />
Projekt.<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 41
Am 26.9.1986 wurde der Vertrag zwischen<br />
dem VEB „Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ <strong>und</strong><br />
den Herausgebern Prof. Dr. Wolfgang Senst,<br />
Chefarzt der Chirurgischen Klinik des BKH<br />
Frankfurt/Oder, Prof. Dr. Günther Hildebrandt,<br />
Leiter der Unfallchirurgischen Abteilung<br />
der Chirurgischen Klinik der Charité,<br />
Humboldt-Universität Berlin <strong>und</strong> Dozent Dr.<br />
Eberhard Markgraf, Leiter der Unfallchirurgischen<br />
Abteilung der Chirurgischen Klinik<br />
der Friedrich-Schiller-Universität Jena, unterzeichnet.<br />
Die Herausgeber hatten sich für den Charakter<br />
eines Fachbuchs entschieden, das folgenden<br />
Zielstellungen dienen sollte:<br />
– Vermittlung eines unfallchirurgischen Basiswissens<br />
für den Facharzt für Chirurgie<br />
oder Orthopädie in der täglichen traumatologischen<br />
Praxis,<br />
– Informationsquelle für den Arzt in Weiterbildung<br />
zum Facharzt für Chirurgie <strong>und</strong> in<br />
der Subspezialisierung Traumatologie,<br />
– Nachschlagewerk für Allgemeinmediziner,<br />
Sportärzte, Fachärzte für Physiotherapie<br />
<strong>und</strong> der angrenzenden chirurgischen<br />
Fachgebiete.<br />
Eine besondere Motivation bestand für Verlag,<br />
Herausgeber <strong>und</strong> Autoren darin, dass<br />
im deutschsprachigen Raum kein Werk existierte,<br />
welches mit dem angestrebten Profil<br />
eines Fachbuches vergleichbar gewesen<br />
wäre. Die Herausgeber verwiesen auf die<br />
Marktsituation <strong>und</strong> schrieben in der Konzeption:<br />
„Das unfallchirurgische Basiswissen<br />
wird in erster Linie durch Monografien<br />
über abgegrenzte Themenkreise, darüber<br />
hinaus in Handbüchern, Kompendien <strong>und</strong><br />
Lehrbüchern für Studenten vermittelt“. Erst<br />
1995 erschien im Verlag Urban & Schwarzenberg<br />
die „Unfallchirurgie“ von A. Rüter,<br />
O. Trentz <strong>und</strong> M. Wagner.<br />
Die Herausgeber <strong>und</strong> die weiteren 34 Mitautoren<br />
aus der DDR, BRD, CSSR, Österreich,<br />
Schweiz, Ungarn bearbeiteten insgesamt<br />
36 Kapitel. In einer mehrtägigen Klausur<br />
wurden Einzelheiten des Buchprofils beraten<br />
<strong>und</strong> eine inhaltliche Abstimmung vorgenommen.<br />
Im Jahre 1988 verstarb Professor Dr. G. Hildebrandt<br />
unerwartet. Wolfgang Senst <strong>und</strong><br />
Eberhard Markgraf führten das Projekt allein<br />
weiter <strong>und</strong> legten Anfang 1989 dem<br />
Verlag ein etwa 1400 Seiten umfassendes<br />
Manuskript mit zahlreichen Abbildungen,<br />
Strichzeichnungen, Tabellen <strong>und</strong> Diagrammen<br />
vor. Doch das Lektorat kam in Verzug,<br />
die Lektoren wechselten, so dass der Titel<br />
nicht wie geplant im gleichen Jahr erscheinen<br />
konnte.<br />
Als Folge der politischen Wende <strong>und</strong> Wiedervereinigung<br />
vollzog sich ein in dieser<br />
Zeit für den Osten Deutschlands charakteristischer<br />
weiterer Ablauf: Der zur GmbH<br />
umgewandelte volksei gene Verlag „Volk<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ verlangte eine finanzielle<br />
Risikoabsicherung <strong>und</strong> orientierte auf Sponsoren,<br />
um den Titel weiter führen zu können.<br />
Diese Unterstützungen wurde uns von<br />
SYNTHES GmbH Bochum, HUG GmbH Freiburg/Umkirch,<br />
BEIERSDORF-AG Hamburg<br />
in Aussicht gestellt. Daraufhin erhielten wir<br />
am 19.11.1990 vom Verlag die Zusage, das<br />
1989 bereits begonnene Lektorieren des<br />
Manuskripts zügig abzuschließen <strong>und</strong> das<br />
Buch im Herbst 1991 herauszubringen. Es<br />
sollte anlässlich des 4. Ostdeutschen AO-<br />
Symposiums in Weimar vorgestellt werden.<br />
Im Jahr darauf nahm der Verlag Volk <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit, der bald darauf nicht mehr existierte,<br />
von seinen Verpflichtungen Abstand.<br />
Diese Entwicklung voraussehend, nahmen<br />
wir schon im Herbst 1990 mit dem Johann<br />
Ambrosius Barth Verlag Leipzig Kontakt auf.<br />
Eberhard Markgraf hatte ein sondierendes<br />
Gespräch geführt, an welches wir jetzt anknüpfen<br />
konnten. Inzwischen (März 1991)<br />
war jedoch J. A. Barth über die Treuhand von<br />
der Hüthig-Verlagsgruppe Heidelberg als<br />
alleiniger <strong>Gesellschaft</strong>er übernommen worden.<br />
Mit Nachdruck wurde nunmehr aus<br />
marktstrategischen Gründen empfohlen,<br />
Verträge mit Alt-BRD-Autoren abzuschließen<br />
<strong>und</strong> auch in vorhandene <strong>und</strong> bewährte<br />
Titel namhafte Fachvertreter aus den alten<br />
B<strong>und</strong>esländern einzubeziehen. Daraufhin<br />
gewannen wir Prof. Dr. Gert Muhr, Direktor<br />
der Chirurgischen Universitätsklinik <strong>und</strong><br />
Poliklinik Berufsgenossenschaftliche Krankenanstalten<br />
„Bergmannsheil Bochum“ als<br />
weiteren Herausgeber. Das Manuskript war<br />
inzwischen veraltet. In die Überarbeitung<br />
<strong>und</strong> Neufassung von Kapiteln sollten Mitarbeiter<br />
von Gert Muhr einbezogen werden.<br />
2 Jahre später, am 4.11.1993, entschlossen<br />
sich die Herausgeber das Projekt aufzugeben.<br />
Dieser schweren Entscheidung, zu der<br />
wir keine Alternative sahen, lagen mehrere<br />
Ursachen zugr<strong>und</strong>e. Der langjährige <strong>und</strong><br />
mit der chirurgischen DDR-Fachliteratur<br />
vertraute Cheflektor des Johann-Ambrosius-Barth-Verlages<br />
P. Bläske hatte im Rahmen<br />
der Verlagsumgestaltung seine Tätigkeit<br />
gewechselt. Das Leipziger Cheflektorat<br />
wurde durch eine Bereichsleitung Medizin<br />
mit Sitz in Heidelberg ersetzt. Die Überarbeitung<br />
des gesamten Manuskriptes war<br />
nicht vorangekommen. Die Mitautoren im<br />
Osten Deutschlands waren mit den Auswirkungen<br />
der Wiedervereinigung ausgelastet.<br />
Chefärzte <strong>und</strong> Leiter konzentrierten sich in<br />
dieser Zeit der Umgestaltung auf andere<br />
Aufgaben. Priorität hatte die Umsetzung<br />
neuer Gesetze sowie versicherungsrechtlicher<br />
<strong>und</strong> finanzieller Regelungen in ihren<br />
Verantwortungsbereichen. Die technische<br />
Modernisierung in vielen Klinikbereichen<br />
erforderte ebenfalls eine besondere Aufmerksamkeit.<br />
Es fehlte der nötige Freiraum.<br />
Die jahrelangen Mühen führten zwar nicht<br />
zum Erfolg, sie waren dennoch nicht vergeblich.<br />
Wir können heute auf eine Zeit interessanter<br />
Diskussionen <strong>und</strong> anregender<br />
Gespräche in einer sehr angenehmen kollegialen<br />
Atmosphäre zurückblicken.<br />
Prof. Dr. K. Sandner<br />
Rohrbacher Str. 18<br />
08258 Markneukirchen/Sachsen<br />
OT Landwüst<br />
Prof. Dr. E. Markgraf<br />
Gillestr. 5<br />
07743 Jena<br />
Prof. Dr. W. Senst<br />
Wildenbruch Str. 5a<br />
15230 Frankfurt/O<br />
42<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Unfallchirurgische Aktivitäten <strong>und</strong><br />
Erfahrungen in Mosambik <strong>und</strong> Uganda<br />
D. Paul, K. Paul<br />
Diese Mitteilung beruht überwiegend auf<br />
eigenen Erfahrungen, die wir als Chirurg<br />
<strong>und</strong> Krankenschwester während eines<br />
2-jährigen Aufenthaltes in Mosambik 1983<br />
bis 1985 <strong>und</strong> einem weiteren 6-monatigen<br />
Einsatzes als Chirurg in Uganda 1989 sammeln<br />
konnten. Die in diesem Bericht enthaltenen<br />
politischen Schlussfolgerungen sind<br />
letztlich als persönliche <strong>und</strong> damit unverbindliche<br />
Einschätzungen anzusehen.<br />
Die DDR unterhielt während ihres Bestehens<br />
enge Beziehungen zu den Staaten<br />
der dritten Welt, die ihr besonders in der<br />
Anerkennungsfrage wohl gesonnen waren<br />
<strong>und</strong> zu erkennen gaben, dass sie zumindest<br />
tendenziell eine sozialistische Entwicklung<br />
einschlagen wollten. Im Rahmen dieser Beziehungen<br />
wurde auch die Gewährung medizinischer<br />
Hilfeleistungen vereinbart. Da<br />
die Haltung mancher dieser „befre<strong>und</strong>eten“<br />
Staaten im Laufe der Zeit wechselte, wurde<br />
die medizinische Hilfeleistung der DDR unterschiedlichen<br />
Staaten zuteil: Wurden anfangs<br />
Ärzte z. B. nach Algerien, Ghana <strong>und</strong><br />
Ägypten entsandt, betraf das später mehr<br />
Angola, Mosambik, Nikaragua, Kambotscha<br />
<strong>und</strong> Äthiopien. Dabei ist nicht zu übersehen,<br />
dass es sich oft um innenpolitisch außerordentlich<br />
instabile Länder handelte, in denen<br />
Bürgerkrieg oder zumindest bürgerkriegsähnliche<br />
Zustände herrschten.<br />
Die medizinischen Hilfeleistungen beruhten<br />
auf zwischenstaatlichen Verträgen<br />
zwischen der DDR <strong>und</strong> dem jeweiligen Entwicklungsland<br />
<strong>und</strong> wurde prinzipiell von<br />
staatlichen Stellen der DDR organisiert:<br />
Das Ministe rium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
war zuständig für Ärzte aus Bezirks- <strong>und</strong><br />
Kreiskrankenhäusern, das Ministerium für<br />
Hochschulwesen für Ärzte aus Universitätskliniken.<br />
Seltener wurden Außenhandelsbetriebe<br />
wie BIEG u. a. aktiv. Für die Abwicklung<br />
vor Ort waren die Botschaften der DDR<br />
zuständig, die wiederum von verschiedenen<br />
untergeordneten Strukturen (z. B. INTER-<br />
COOP) unterstützt wurden.<br />
Die Auswahl geeigneter Ärzte oblag in der<br />
Regel der Abteilung Ges<strong>und</strong>heitswesen bei<br />
den Räten der Bezirke. Die Anregung zu<br />
einer Tätigkeit im Ausland ging fast ausschließlich<br />
von dieser Behörde aus, während<br />
persönliche Bewerbungen <strong>und</strong> Initiativen<br />
eher Ausnahmen darstellten. Dabei war die<br />
DDR schon aus Imagegründen an der Entsendung<br />
erfahrener kompetenter Fachärzte<br />
interessiert. Die Zugehörigkeit zu einer Partei<br />
stellte dagegen kein Kriterium für einen<br />
derartigen Einsatz dar. Ehepaare konnten<br />
gemeinsam reisen, wenn eine geeignete<br />
berufliche Tätigkeit für den Ehepartner am<br />
Einsatzort vorhanden war <strong>und</strong> Kinder in der<br />
DDR zurückblieben.<br />
In unserem Fall konfrontierte uns völlig<br />
überraschend <strong>und</strong> ohne jede Vorankündigung<br />
eine Mitarbeiterin des Rates des Bezirkes<br />
mit der Frage, ob wir bereit wären,<br />
2 Jahre lang als Chirurg <strong>und</strong> Krankenschwester<br />
in einem Provinzkrankenhaus in Mosambik<br />
zu arbeiten. Die Entscheidung darüber<br />
lag ausschließlich bei uns; Druck wurde<br />
nicht ausgeübt.<br />
Die Motivation für die Übernahme einer<br />
solchen Aufgabe dürfte bei den einzelnen<br />
Kandidaten sicher unterschiedlich gewesen<br />
sein. Bei uns überwog eindeutig der<br />
Gedanke, der Eintönigkeit des täglichen Lebens<br />
in der Enge der DDR für eine gewisse<br />
Zeit zu entfliehen <strong>und</strong> etwas völlig Neues,<br />
einschließlich des Erlernens einer Fremdsprache<br />
(bei uns portugiesisch) kennen zu<br />
lernen. Weiter war für uns, wie sicher auch<br />
für viele andere Kollegen, der Wunsch sehr<br />
wesentlich, sinnvolle Hilfe in einem Entwicklungsland<br />
zu leisten. Finanzielle Erwägungen<br />
dürften demgegenüber von untergeordneter<br />
Bedeutung gewesen sein. Eine<br />
entsprechende Absicherung war gegeben,<br />
da die Planstelle während der Abwesenheit<br />
nicht anderweitig vergeben werden durfte<br />
<strong>und</strong> somit die Rückkehr auf den alten Arbeitsplatz<br />
gewährleistet war. Das Gehalt<br />
wurde während des Einsatzes weiter gezahlt,<br />
hinzu kam vor Ort eine zusätzliche relativ<br />
geringe Auslösung in der Landeswährung.<br />
Eine größere Rolle, was allerdings für<br />
uns nicht zutraf, dürften dagegen nicht selten<br />
Absprachen über einen Karrieresprung<br />
nach Beendigung des Einsatzes gespielt<br />
haben.<br />
Die unmittelbare Vorbereitung bestand in<br />
der Teilnahme an einem intensiven Sprachkurs<br />
<strong>und</strong> der aufwändigen Beschaffung mitzunehmender<br />
persönlicher Ausrüstungsgegenstände<br />
<strong>und</strong> Nahrungsmittel. Es mussten<br />
u. a. Kleidung, Waschmittel, Kosmetika <strong>und</strong><br />
persönliche Medikamente für 2 Jahre <strong>und</strong><br />
Nahrungsmittel für 3 Monate, dazu zahlreiche<br />
Ausrüstungsgegenstände wie Tauchsieder,<br />
Elektrokocher, Backform usw. besorgt<br />
<strong>und</strong> verpackt werden. Dazu standen neben<br />
dem üblichen Fluggepäck insgesamt 100 kg<br />
„Vorausgepäck“ <strong>und</strong> eine Seekiste für weitere<br />
100 kg zur Verfügung. Diese Vorbereitungen<br />
waren speziell für Mosambik wegen<br />
der dort herrschenden extremen Notsituation<br />
(es waren weder Nahrungsmittel noch<br />
andere Gegenstände käuflich zu erwerben)<br />
erforderlich; der „Nachschub“ wurde dann<br />
direkt aus der DDR in einem 3-Monate-<br />
Rhythmus realisiert. Brot musste von den<br />
Frauen selbst gebacken, das gesamte Trinkwasser<br />
musste gefiltert, abgekocht <strong>und</strong> anschließend<br />
gekühlt werden.<br />
Eigene Erfahrungen in Mosambik<br />
Aufgr<strong>und</strong> der genannten Verträge versorgten<br />
Fachärzte aus der DDR die Provinzkrankenhäuser<br />
in Chimoio <strong>und</strong> Tete, wobei<br />
wir in Tete, ca. 800 km landeinwärts von der<br />
Hauptstadt Maputo entfernt am Sambesi<br />
gelegen, zum Einsatz kamen. Dieser einzigen<br />
stationären Einrichtung in der gleichnamigen<br />
Provinz oblag die Versorgung der<br />
ca. 1 Million Einwohner in einem Gebiet von<br />
der Größe etwa eines Viertels von Deutschland.<br />
Die Gesamtsituation wurde damals bestimmt<br />
durch einen seit ca. 10 Jahren tobenden<br />
Bürgerkrieg, wobei das regierungstreue<br />
Militär die großen Städte besetzt<br />
hielt <strong>und</strong> dort auch für Sicherheit sorgte,<br />
während das gesamt flache Land de facto<br />
von den „Rebellen“ beherrscht wurde. Daraus<br />
ergaben sich besonders für die weit<br />
von der Hauptstadt entfernten Provinzen<br />
wie Tete außerordentliche Schwierigkeiten<br />
durch den vollständigen Zusammenbruch<br />
der gesamten Infrastruktur <strong>und</strong> die damit<br />
verb<strong>und</strong>ene Unterbrechung der Straßenverbindungen<br />
<strong>und</strong> damit der Nachschubwege<br />
für Nahrungsmittel <strong>und</strong> sonstige Hilfsmaßnahmen.<br />
Die einzige Verbindung zur Hauptstadt<br />
bestand in einer einzigen Flugverbindung<br />
pro Woche. Dieses Flugzeug wurde<br />
stets sehnlichst erwartet, da es möglicher-<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 43
weise Post aus der Heimat an Bord hatte.<br />
Stabile Straßenverbindungen existierten<br />
auch innerhalb der Provinz Tete nicht mehr,<br />
so dass die Mehrzahl der Einwohner das<br />
Provinzkrankenhaus nur unter größten<br />
Schwierigkeiten erreichen konnte.<br />
Unter diesen unruhigen Umständen<br />
standen natürlich Fragen der eigenen Sicherheit<br />
stets im Mittelpunkt, zumal wir erleben<br />
mussten, wie Ansiedlungen in naher<br />
Umgebung der Stadt Tete überfallen <strong>und</strong><br />
niedergebrannt <strong>und</strong> ihre Einwohner getötet<br />
oder schwer verletzt wurden.<br />
In die Zeit unseres Aufenthaltes fiel auch<br />
ein tragisches Ereignis, als in einer anderen<br />
Provinz landwirtschaftliche Entwicklungshelfer<br />
aus der DDR auf dem Weg zu ihrer<br />
Arbeit in einen Hinterhalt gerieten <strong>und</strong> ermordet<br />
wurden.<br />
Wir können aber retrospektiv feststellen,<br />
dass wir glücklicherweise selbst nie in gefährliche<br />
Situationen geraten sind, wobei<br />
wir uns allerdings nie außerhalb der Stadt<br />
aufgehalten haben, was übrigens auch<br />
sinnvollerweise von der Botschaft der DDR<br />
so vorgegeben war.<br />
Erstaunlich schnell wurden wir von der Bevölkerung<br />
angenommen <strong>und</strong> integriert. Dabei<br />
schätzten wir die zahlreichen Kontakte<br />
mit ganz unterschiedlichen Personengruppen<br />
als sehr interessant <strong>und</strong> wertvoll ein.<br />
Für ganz einfache Menschen war ein kurzer<br />
Besuch unsererseits in ihren Unterkünften<br />
eine Ehre. Einladungen für unsere Mitarbeiter<br />
wie z. B. die spanischen Nonnen bereiteten<br />
beiden Seiten große Freude. Gern<br />
statteten wir indischen, pakistanischen<br />
oder den wenigen verbliebenen portugiesischen<br />
Familien Besuche ab. Eine gute <strong>und</strong><br />
längere Zusammenarbeit bestand mit einer<br />
jungen britischcn Ärztin, gelegentliche Kontakte<br />
auch zu französischen „Ärzten ohne<br />
Grenzen“ <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esdeutschen Entwicklungshelfern.<br />
Es soll nicht verschwiegen<br />
werden, dass es eine Pflicht zur Berichterstattung<br />
über derartige Kontakte gab, die<br />
man mühelos damit erfüllte, dass man in<br />
größeren Abständen entsprechend harmlose<br />
kurze Schreiben verfasste, etwa wir<br />
folgt: „Bei einem Kaffeetrinken mit mosambikanischen<br />
Mitarbeitern wurde die<br />
schwierige Versorgungslage ausführlich<br />
diskutiert.“<br />
Abwechslung im etwas ermüdenden<br />
Alltag vermittelten ansonsten nur Kinobesuche,<br />
wo überwiegend sehr seichte<br />
indische Filme oder aber Karate-Filme gezeigt<br />
wurden. Echte Höhepunkte dagegen<br />
bedeuteten für uns die Christvespern in der<br />
hochmodernen Kathedrale, denn Tete war<br />
katholischer Bischofssitz.<br />
Abb. 1 Besuch bei einer „Medizinfrau“. Aus: Privatarchiv D. <strong>und</strong> K. Paul<br />
Die Einheimischen waren diesen politischen<br />
Wirren praktisch schutzlos ausgeliefert.<br />
Die Lage wurde zusätzlich durch<br />
eine kaum vorstellbare Hungersnot infolge<br />
des Ausbleibens einer Regenzeit 1983/1984<br />
kompliziert. Diese wurde noch wesentlich<br />
verstärkt durch das Ausbleiben von Hilfsmaßnahmen,<br />
was wiederum auf die völlig<br />
darniederliegende Infrastruktur zurückzuführen<br />
war. Verhungerte Menschen am<br />
Straßenrand <strong>und</strong> am Hunger gestorbene<br />
Kinder, die von ihren Müttern ins Krankenhaus<br />
gebracht wurden, waren keine seltenen,<br />
dafür aber psychisch belastenden Erlebnisse.<br />
Bezeichnend für die extrem hohe<br />
Kindersterblichkeit war, dass verstorbene<br />
Kinder erst ab dem 5. Lebensjahr registriert<br />
wurden. Auch die Leistungsfähigkeit des<br />
mit uns zusammenarbeitenden Personals<br />
litt natürlich unter diesen Bedingungen.<br />
Nicht zu unterschätzen <strong>und</strong> aus europäischer<br />
Sicht sicher kritisch zu bewerten<br />
war die verbreitete Tätigkeit von Medizinmännern<br />
<strong>und</strong> -frauen. Die Einheimischen<br />
suchten primär fast regelmäßig vor der<br />
Konsultation eines Arztes den „curandeiro“<br />
auf, was auch auf Mosambikaner zutraf, die<br />
in der DDR jahrelang eine berufliche Ausbildung<br />
absolviert hatten. Wir lernten eine<br />
Medizinfrau, die sich von uns an einem Leistenbruch<br />
operieren ließ, kennen <strong>und</strong> hatten<br />
die seltene Gelegenheit, einmal ihren<br />
Behandlungen beizuwohnen ( Abb. 1).<br />
Alle im Krankenhaus tätigen DDR-Bürger<br />
waren gemeinsam in einem recht modernen<br />
Haus mit großen Wohnungen untergebracht,<br />
in unmittelbarer Nähe wohnten<br />
indische <strong>und</strong> pakistanische Familien, zu<br />
denen sich rasch gutnachbarliche Beziehungen<br />
ergaben. Allerdings schützten uns<br />
diese für mosambikanische Verhältnisse<br />
sehr guten Wohnbedingungen nicht vor<br />
unkalkulierbaren Ausfällen der Strom- <strong>und</strong><br />
Wasserversorgung einschließlich von Kühlschrank<br />
<strong>und</strong> Klimaanlage <strong>und</strong> der Ausgang<br />
des Kampfes gegen die allgegenwärtigen<br />
Kakerlaken blieb jederzeit spannend.<br />
Belastend waren zweifellos auch die<br />
klimatischen Verhältnisse, zumal die Regenzeit<br />
in die Sommermonate Oktober bis<br />
März mit Temperaturen bis um 40°C fiel,<br />
während die Wintermonate April bis September<br />
(Trockenperiode mit Temperaturen<br />
zwischen 20° <strong>und</strong> 30°C) wesentlich angenehmer<br />
waren.<br />
Im von den Portugiesen recht zweckmäßig<br />
konzipierten Provinzkrankenhaus Tete waren<br />
2 Chirurgen, 1 Gynäkologe, 1–2 Pädiater,<br />
1 Internist, 1 Zahnarzt <strong>und</strong> 1 Apothekerin<br />
aus der DDR tätig. Zwei der mitreisenden<br />
Ehefrauen konnten als Krankenschwestern,<br />
eine weitere als MTA (Laborantin) arbeiten.<br />
Das Krankenhaus stand unter der Leitung<br />
des einzigen einheimischen Arztes, eines<br />
Allgemeinmediziners. Als Anaesthesisten<br />
fungierten 2 fachlich ausgezeichnete „Techniker“,<br />
d. h. speziell ausgebildete Krankenpfleger.<br />
Da der andere Chirurg überwiegend<br />
abdominalchirurgisch orientiert war, konnte<br />
ich mich schwerpunktmäßig dem unfallchirurgisch-orthopädischen<br />
Krankengut<br />
widmen.<br />
Auch das Operationspersonal besaß eine<br />
durchaus befriedigende Qualifikation <strong>und</strong><br />
in der Zusammenarbeit mit ihm gab es nie<br />
ernsthafte Probleme.<br />
Sehr wertvoll für uns war der Umstand,<br />
dass die Krankenstationen von langjährig<br />
44<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 2 Zusammenarbeit mit spanischer Nonne auf der neu eingerichteten „Mini-Wachstation“. Aus:<br />
Privatarchiv D. <strong>und</strong> K. Paul<br />
Abb. 3 Abszedierende Myositis. Aus: Privatarchiv<br />
D. <strong>und</strong> K. Paul<br />
dort tätigen spanischen Nonnen geleitet<br />
wurden, deren fachliche Kenntnisse <strong>und</strong><br />
vor allem deren Engagement über jeden<br />
Zweifel erhaben waren. Die Freude über die<br />
vertrauensvolle Zusammenarbeit war auf<br />
beiden Seiten groß. Mit ihrer Hilfe wurde es<br />
z. B. meiner Frau ermöglicht, ein Zimmer für<br />
Frischoperierte als „Mini-Wachstation“ einzurichten<br />
( Abb. 2).<br />
Die Versorgung der Patienten wurde erschwert<br />
durch<br />
– eine insuffiziente Röntgentechnik: Die<br />
zur Verfügung stehenden Röntgenfilme<br />
brachten bei dem klimabedingt enorm<br />
hohen Entwicklertemperaturen oft kaum<br />
verwertbare Ergebnisse, trotz aller Bemühungen<br />
eines durchaus gut geschulten<br />
Röntgenassistenten;<br />
– das Fehlen einer Bakteriologie vor Ort: Es<br />
konnten zwar Blut-, Urin- <strong>und</strong> Stuhlproben<br />
auf Malaria <strong>und</strong> Wurmeier untersucht<br />
werden, Keim- <strong>und</strong> Resistenzbestimmungen<br />
mussten jedoch per Flugzeug in<br />
die Hauptstadt gebracht werden, so dass<br />
die Ergebnisse oft erst nach 3 Wochen<br />
zur Verfügung standen. Somit war eine<br />
gezielte Antibiotikagabe praktisch nicht<br />
möglich. Gleiches galt für histologische<br />
Untersuchungen;<br />
– ein sehr „buntes“ Angebot an aus internationalen<br />
Hilfslieferungen stammenden<br />
Medikamenten, weil z. B. deren Zusammensetzung<br />
bei Beschriftungen in Chinesisch<br />
oder Japanisch kaum zu entziffern<br />
war;<br />
– eine nur sehr eingeschränkte Verwendbarkeit<br />
von Geräten <strong>und</strong> Instrumenten, die<br />
entweder inkomplett oder defekt waren<br />
<strong>und</strong> kein Service zur Verfügung stand;<br />
– den häufigen Ausfall der Wasser- <strong>und</strong><br />
Stromversorgung mit entsprechenden<br />
Auswirkungen auf Wäscheaufbereitung,<br />
Sterilisation usw., wobei ein Notstromaggregat<br />
nur für den Operationssaal existierte;<br />
– den Ausfall von Geräten durch Mangel an<br />
technischen Gasen;<br />
– den Mangel an Blutkonserven, da unter<br />
den beschriebenen Lebensbedingungen<br />
kaum Spender zu finden waren, falls sich<br />
nicht ein Familienmitglied zu einer Spende<br />
bereit erklärte;<br />
– die ungenügende Hygiene auf den Stationen<br />
<strong>und</strong><br />
– den herabgesetzten Allgemeinzu stand<br />
der Patienten <strong>und</strong> auch der Mitarbeiter<br />
durch Hunger, Malaria, Tbc, Bilharziose<br />
<strong>und</strong> Durchfallerkrankungen, möglicherweise<br />
auch durch AIDS, wobei uns damals<br />
diesbezüglich sowohl medizinische Erfahrungen<br />
als auch diagnostische Möglichkeiten<br />
fehlten.<br />
Wir Chirurgen wurden mit völlig ungewohnten<br />
Krankheitsbildern konfrontiert,<br />
über die wir vorher nicht aufgeklärt worden<br />
<strong>und</strong> somit auch nicht entsprechend vorbereitet<br />
waren.<br />
In der Allgemeinchirurgie traf das u. a. auf<br />
die Operation unförmiger Inguinalhernien<br />
zu, deren Beseitigung oft an die Grenze der<br />
technischen Möglichkeiten führte.<br />
Eine weitere Besonderheit stellte die Exstirpation<br />
riesiger Splenomegalien als Folge<br />
chronischer Malariaerkrankung dar, wobei<br />
das Risiko hauptsächlich darin bestand,<br />
dass meistens nur 500 bis maximal 1000 ml<br />
Blut bereitgestellt werden konnte.<br />
Während Appendizitiden praktisch nie<br />
vorkamen, musste bei lokalisierten Peritonitiden<br />
im rechten Unterbauch deshalb<br />
primär stets an entzündliche Konglomerattumoren<br />
im Ileozökalbereich infolge Spulwurmbefalls<br />
oder Bilharziose gedacht<br />
werden. Der Mut des Zuwartens mit Durchführung<br />
einer konservativen Behandlung<br />
wurde damit belohnt, dass eine risikoreiche<br />
Laparotomie mit eventueller rechtsseitiger<br />
Hemikolektomie vermieden werden konnte.<br />
Völlig überraschend entdeckten wir bei<br />
einigen Probelaparotomien junger Männer,<br />
die völlig unklare Peritonitissymptome boten,<br />
Dünndarmperforationen infolge eines<br />
Typhus abdominalis. Die Dünndarmresektion<br />
führte in Verbindung mit Antibiotikagaben<br />
zu überraschend günstigen Heilverläufen.<br />
Ein junger mosambikanischer<br />
Armeearzt, der gern bei uns hospitierte,<br />
stellte uns ein Lehrbuch über „Chirurgie in<br />
den Tropen“ zur Verfügung, welches für uns<br />
bei der Erkennung <strong>und</strong> Behandlung derartig<br />
exotischer Krankheitsbilder von unschätzbarem<br />
Wert war.<br />
Völlig unbekannt waren uns auch riesige<br />
Abszessbildungen an den Extremitäten,<br />
auffälligerweise ohne schwerere Allgemeinsymptome.<br />
Bei der Spaltung entleerten sich<br />
dann Eitermengen von oft über 1000 ml in<br />
Verbindung mit ausgedehnten Muskelnekrosen<br />
(abszedierende Myositis) ( Abb. 3).<br />
Für den Unfallchirurgen stellte die Versorgung<br />
der häufigen Schussverletzungen aller<br />
Art die größte Herausforderung dar. Diese<br />
betrafen seltener die Körperhöhlen, da diese<br />
Verletzten wahrscheinlich in der Mehrzahl<br />
der Fälle das Hospital nicht lebend erreichten,<br />
sondern überwiegend die<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 45
46<br />
Abb. 4 Verletzung nach unsachgemäßem<br />
Umgang mit einer Panzerfaust. Aus: Privatarchiv<br />
D. <strong>und</strong> K. Paul<br />
Abb. 5 Minenopfer. Aus: Privatarchiv D. <strong>und</strong> K.<br />
Paul<br />
Abb. 6 „Transfixationsgips“ zur Behandlung<br />
infizierter Schussbrüche. Aus: Privatarchiv D.<br />
<strong>und</strong> K. Paul<br />
Extremitäten. Infolge der bereits beschriebenen<br />
desolaten Infrastruktur handelte es<br />
sich überwiegend um bereits einige Tage<br />
alte unversorgte Schussbrüche mit beginnenden<br />
Infektzeichen, die, wenn einmal ein<br />
Konvoi das Krankenhaus erreichte, stets in<br />
der Mehrzahl (bis zu 20 Verletzte) eingeliefert<br />
wurden ( Abb. 4).<br />
Besonders schwere Verletzungen mit<br />
Zertrümmerung der unteren Extremitäten,<br />
oft einschließlich der Genitalien, sahen wir<br />
nach Minenexplosionen ( Abb. 5).<br />
Hieb- <strong>und</strong> Stichverletzungen durch<br />
Buschmesser <strong>und</strong> Bajonette vervollständigten<br />
die Palette der durch den Bürgerkrieg<br />
bedingten <strong>und</strong> uns Europäern weitgehend<br />
unbekannten Verletzungsarten.<br />
Da der Fluss Sambesi reichlich von Krokodilen<br />
<strong>und</strong> Flusspferden besiedelt ist <strong>und</strong> die<br />
Einheimischen prinzipiell bis zu den Knien<br />
im <strong>und</strong>urchsichtig braunen Wasser stehend<br />
angelten, mussten mehrfach Nachamputationen<br />
nach abgerissenen Beinen infolge<br />
von Krokodilbissen vorgenommen werden,<br />
sofern der Betroffene überhaupt lebend die<br />
Klinik erreichte. Einmal mussten wir eine<br />
Frau mit Mehrfachfakturen versorgen, die<br />
vor ihrer Hütte von einem Flusspferd angefallen<br />
<strong>und</strong> durch die Luft gewirbelt worden<br />
war.<br />
Als häufigster typischer Verkehrsunfall<br />
ist der Sturz von der Ladefläche eines Lkw<br />
mit entsprechenden Folgen zu nennen.<br />
Schwere Verbrennungen ereigneten sich<br />
sehr häufig sowohl bei Kindern wie auch bei<br />
Erwachsenen, wenn diese am offenen Feuer<br />
in der Hütte einschliefen, eine seltenere Ursache<br />
war der unsachgemäße Umgang mit<br />
brennbaren Flüssigkeiten.<br />
Weitere Indikationen ergaben sich aus der<br />
Notwendigkeit rekonstruktiver Maßnahmen<br />
bei Pseudarthrosen, Fehlstellungen,<br />
Osteomyelitiden, Gelenktuberkulosen, Nervenverletzungen,<br />
chronischen Hautdefekten<br />
<strong>und</strong> Kontrakturen nach Verbrennungen.<br />
Unfälle waren mit 44,9 % an den 2427 innerhalb<br />
von 21 Monaten stationär aufgenommen<br />
Patienten in der Chirurgie beteiligt. In<br />
diesem Zeitraum wurden stationär <strong>und</strong> ambulant<br />
1274 Knochenbrüche versorgt.<br />
Das Fehlen kompletter Systeme zur Osteosynthese,<br />
noch stärker aber die ungünstigen<br />
Hygienebedingungen <strong>und</strong> auch die Mentalität<br />
<strong>und</strong> der Intelligenzgrad der Patienten<br />
zwangen prinzipiell zunächst zur Ausschöpfung<br />
aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten<br />
(88 % der Extremitätenfrakturen).<br />
Plattenosteosynthesen waren aus den genannten<br />
Gründen als sehr problematisch<br />
einzuschätzen, zumal eine effektive Nachbehandlung<br />
<strong>und</strong> Nachuntersuchungen <strong>und</strong>urchführbar<br />
waren <strong>und</strong> „Teilbelastungen“<br />
<strong>und</strong> ähnliche Maßnahmen kaum von den<br />
Patienten realisiert wurden.<br />
Für einige Verletzungen, mehr noch für<br />
die genannten rekonstruktiven Eingriffe,<br />
eigneten sich eher die wenigen vorhandenen<br />
Marknägel. Optimal wären für eine<br />
große Anzahl der Fälle die Anwendung geeigneter<br />
(billiger) Fixateur externe-Systeme<br />
gewesen, die aber nicht zur Verfügung<br />
standen. So blieb als – übrigens recht erfolgreicher<br />
– Ausweg besonders bei infizierten<br />
Unterschenkelschussbrüchen eine<br />
Improvisation in Form eines „Transfixations-<br />
Gipses“, wobei eingebrachte Steinmann-<br />
Nägel mit beidseits angebrachten schmalen<br />
Gipslonguetten verb<strong>und</strong>en wurden <strong>und</strong><br />
anschließend das Gebilde zu einem inkompletten<br />
Oberschenkelliegegips ergänzt wurde<br />
( Abb. 6).<br />
Umfangreiche klinische Erfahrungen,<br />
besonders aber solide biomechanische<br />
Kenntnisse bilden die Gr<strong>und</strong>lage dafür,<br />
dass sich mit derartigen, auf den Einzelfall<br />
zugeschnittenen „Improvisationen“ durchaus<br />
gute/befriedigende Resultate erzielen<br />
lassen. Unfallchirurgie in Entwicklungsländern<br />
kann keine Aufgabe für Anfänger sein<br />
( Abb. 7).<br />
Eigene Erfahrungen in Uganda<br />
Ein weiterer 6-monatiger Aufenthalt in<br />
Ugan da 1989 basierte auf einem Wirtschaftsabkommen,<br />
in dessen Rahmen die<br />
DDR für einen neu gebauten Operationstrakt<br />
eines Krankenhauses in Kampala die<br />
gesamte technische <strong>und</strong> instrumentelle<br />
Ausstattung geliefert hatte. Gemeinsam<br />
mit einem Anaesthesisten hatte ich die Aufgabe,<br />
den Operationstrakt einzurichten <strong>und</strong><br />
in Betrieb zu nehmen.<br />
Auch hier bestand das Krankengut überwiegend<br />
aus den Folgen oft jahrelang zurückliegender<br />
Schussverletzungen während<br />
des Bürgerkrieges (Infekt-/Defektpseudarthrosen,<br />
chronische Gelenkempyeme; teilweise<br />
groteske Fehlstellungen). Da aber alle<br />
gängigen Instrumente zur Verfügung standen,<br />
konnte die Behandlung nach den anerkannten<br />
Prinzipien vorgenommen werden,<br />
so dass auf eine detaillierte Darstellung<br />
verzichtet werden kann. Während des Aufenthaltes<br />
in Kampala konnten von mir die<br />
ersten 6 Hüftgelenkstotalendoprothesen in<br />
Uganda implantiert werden.<br />
Eine nicht zu übersehende Proble matik<br />
bestand hier jedoch darin, dass die auf<br />
den Stationen herrschenden Verhältnisse<br />
den weitgehend optimalen Bedingungen<br />
im neuen Operationstrakt diametral entgegengesetzt<br />
waren, besonders was die<br />
Sauberkeit <strong>und</strong> Hygiene betraf. So musste<br />
in jedem einzelnen Fall bei der Durchfüh-<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 7 Ergebnis nach Arthrodese linkes<br />
Hüftgelenk, valgisierender Osteotomie linker<br />
Oberschenkel <strong>und</strong> Verkürzungsosteotomie<br />
rechter Oberschenkel nach frühkindlicher<br />
Hüftkopfnekrose unbekannter Genese. Aus:<br />
Privatarchiv D. <strong>und</strong> K. Paul<br />
rung eines aseptischen Eingriffs mit großer<br />
Hartnäckigkeit eine gesonderte <strong>und</strong> somit<br />
zumindest einigermaßen adäquate Unterbringung<br />
durchgesetzt werden, um Misserfolge<br />
zu vermeiden.<br />
Zusammenfassung<br />
– Der Einsatz von Unfallchirurgen stellt einen<br />
wesentlichen Teil der medizinischen<br />
Hilfeleistungen in Entwicklungsländern<br />
dar <strong>und</strong> ist deshalb generell als wertvoll<br />
<strong>und</strong> sinnvoll einzuschätzen.<br />
– Für die notleidenden <strong>und</strong> auf kompetente<br />
ärztliche Hilfe wartenden Menschen in<br />
den Entwicklungsländern ist es unerheblich,<br />
aus welchen Staaten diese Hilfe<br />
kommt <strong>und</strong> auf welchen persönlichen,<br />
karitativen oder auch politischen Motiven<br />
diese Hilfe basiert.<br />
– Die seitens der DDR-Ärzte geleistete Arbeit<br />
war zweifellos effektiv <strong>und</strong> wurde vor<br />
Ort als sehr wertvoll eingeschätzt, weil<br />
erfahrende Fachärzte entsandt wurden,<br />
die fähig waren, auch unter schwierigen<br />
Bedingungen zumindest befriedigende<br />
Resultate zu erzielen.<br />
– Die organisatorische Vorbereitung der<br />
Ärzte, deren Betreuung im Einsatzland<br />
seitens der DDR-Behörden <strong>und</strong> der gesicherte<br />
Erhalt des Arbeitsplatzes in der<br />
Heimat können retrospektiv als durchaus<br />
zweckentsprechend <strong>und</strong> nützlich bezeichnet<br />
werden.<br />
– Übereinstimmend schätzen in Entwicklungsländern<br />
tätig gewesene Kollegen<br />
auch noch nach Jahren nicht nur ihre fachliche<br />
Tätigkeit als sinnvoll <strong>und</strong> effektiv ein,<br />
sondern verweisen auch darauf, dass ein<br />
derartiger Einsatz sie durch das Kennnenlernen<br />
der Schönheiten <strong>und</strong> der Probleme<br />
des faszinierenden Erdteils Afrika bereichert,<br />
besonders aber auch persönlichcharakterlich<br />
wesentlich geprägt habe.<br />
PD Dr. D. Paul<br />
K. Paul<br />
Wilder-Mann-Str. 42<br />
01129 Dresden<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 47
Erinnerungen an mein Zusatzstudium im<br />
Lettischen wissenschaftlichen Institut für<br />
Traumatologie <strong>und</strong> Orthopädie in Riga<br />
1. Januar bis 30. Juni 1986<br />
F. Schulz<br />
„Du musst als parteiloser Mitarbeiter an einer<br />
Universitätsklinik ein Gegengewicht haben<br />
<strong>und</strong> eine Habilitation (B-Promotion) in<br />
Angriff nehmen.“ So oder ähnlich war der<br />
Rat meines damaligen unfallchirurgischen<br />
Lehrers <strong>und</strong> Förderers, Prof. Dr. Markgraf, in<br />
der Jenaer Chirurgischen Universitäts-klinik.<br />
In dieser Zeit (80er Jahre) war auch in der<br />
Chirurgischen Universitätsklinik in Jena die<br />
Habilitation die Muss-Voraussetzung für<br />
eine Oberarzternennung. Bei der Aufnahme<br />
meiner Untersuchungen zur Habilitation<br />
(B-Promotion) war mir jedoch nicht bewusst,<br />
dass für den erfolgreichen Abschluss<br />
ein Zusatzstudium in einem der „sozialistischen<br />
Bruderländer“ gefordert war. Nach<br />
der Verteidigung meiner Habilitationsschrift<br />
im Dezember 1985 musste ich somit<br />
noch das formale Kriterium „Zusatzstudium“<br />
erfüllen.<br />
Befre<strong>und</strong>ete Kollegen hatten berichtet, dass<br />
sie während ihres Zusatzstudiums in Moskau<br />
bzw. Leningrad (St. Petersburg) hauptsächlich<br />
im Operationssaal auf einem Treppchen<br />
über die Schulter des Operateurs schauen<br />
durften <strong>und</strong> relativierten damit insgesamt<br />
den Nutzen eines solchen Aufenthaltes. Für<br />
mich stand somit, fest – da Prag <strong>und</strong> Budapest<br />
in dem für mich in Frage kommenden<br />
Zeitraum nicht möglich war – dass ich mir<br />
in der damaligen Sowjetunion eine andere<br />
Stadt als Moskau oder Leningrad suchen<br />
musste. Neben Prof. Ilisarow in Kurgan war<br />
zu dieser Zeit Prof. Kalnbers in Riga für seinen<br />
Ringfixateur zur Frakturstabilisierung<br />
<strong>und</strong> für Extremitätenkorrekturen bekannt.<br />
Meiner Bewerbung, das Zusatzstudium in<br />
Riga zu absolvieren, wurde nach entsprechenden<br />
Begründungsschreiben vom Direktorat<br />
für Internationale Beziehungen der<br />
Friedrich-Schiller-Universität Jena stattgegeben.<br />
Damit waren jedoch noch nicht alle<br />
Voraussetzungen erfüllt. Ich musste noch<br />
in die <strong>Gesellschaft</strong> für Deutsch-Sowjetische<br />
Fre<strong>und</strong>schaft eintreten <strong>und</strong> den Russisch-<br />
Sprachk<strong>und</strong>igen-Nachweis erbringen. Letzteres<br />
bedeutete ein Jahr vier St<strong>und</strong>en pro<br />
Woche Russischunterricht <strong>und</strong> Ablegen der<br />
Abschlussprüfung.<br />
Nach Überwindung all dieser Hürden flog<br />
ich dann am 2. Januar 1986 via Moskau<br />
nach Riga. Für 14 Tage wohnte ich im Ersten<br />
Hotel am Platz, im Hotel „Latvija“. Umso<br />
größer war die Umstellung, als ich danach<br />
in ein Wohnheim für wissenschaftliche Mitarbeiter<br />
der Rigaer Universität einquartiert<br />
wurde. Selbst für einen nicht verwöhnten<br />
DDR-Bürger waren die Wohnbedingungen<br />
nicht akzeptabel. Es war beeindruckend, mit<br />
welcher Selbstverständlichkeit die überaus<br />
kargen Wohnbedingungen von den jungen<br />
Akademikern der Rigaer Universität toleriert<br />
wurden (schlecht funktionierende Gemeinschaftsduschen;<br />
reparaturbedürftige Außentoiletten;<br />
kleine, dunkle, renovierungsbedürftige<br />
Hinterhofzimmer – möbliert<br />
mit Bett, Stuhl, Tisch, Spind). Ich habe es in<br />
diesem Wohnheim nur zwei Tage <strong>und</strong> zwei<br />
Nächte ausgehalten <strong>und</strong> konnte dann in ein<br />
am Stadtrand gelegenes Ausländerwohnheim<br />
einziehen, allerdings mit dem Preis,<br />
täglich 45 Minuten mit dem Trolleybus<br />
quer durch Riga fahren zu müssen, da das<br />
Traumatologisch-Orthopädische Institut im<br />
gegenüber liegenden Stadtteil lag. Der Unterschied<br />
zwischen den zwei Wohnheimen<br />
war gravierend: Ich bezog eine meinen Bedürfnissen<br />
entsprechende, renovierte <strong>und</strong><br />
gut ausgestattete Appartement-Wohnung<br />
(Bad, kleiner Flur, Küche, Wohnzimmer mit<br />
Schlafcouch).<br />
Am ersten Tag wurde ich morgens von<br />
einem Kollegen abgeholt, im Institut von<br />
Abb. 2 Lageplan der medizinischen Gebäude des<br />
Institutes<br />
Herrn Prof. Kalnbers herzlich begrüßt <strong>und</strong><br />
zunächst mit der Struktur des Institutes<br />
vertraut gemacht ( Abb. 1).<br />
Abb. 1 Prof. Kalnbers demonstriert seinen<br />
„Apparat“. Aus: Informationsbroschüre „Latvian<br />
Scientific Research Institute for Traumatology<br />
and Orthopaedics“ (1981)<br />
Das Lettische wissenschaftliche Institut für<br />
Traumatologie <strong>und</strong> Orthopädie in Riga war<br />
das Zentralinstitut für Wissenschaft, Forschung<br />
<strong>und</strong> Ausbildung <strong>und</strong> für die überregionale<br />
traumatologisch-orthopädische<br />
Versorgung der Patienten der damaligen<br />
baltischen Sowjetrepubliken Lettland, Litauen<br />
<strong>und</strong> Estland zuständig. Die Gebäude<br />
der medizinischen Abteilungen des Institutes<br />
lagen verstreut in einem parkähnlichen<br />
Gelände. Die Operationssäle waren<br />
dezentralisiert in den einzelnen operativen<br />
Abteilungen untergebracht ( Abb. 2, 3).<br />
Abb. 3 Gebäude der ersten <strong>und</strong> zweiten<br />
klinischen Abteilung<br />
48<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Die klinischen Abteilungen verfügten damals<br />
insgesamt über 450 traumatologischorthopädische<br />
Betten. Täglich wurden<br />
unfallchirurgische Notfallpatienten einschließlich<br />
neuro-traumatologischer <strong>und</strong><br />
Verbrennungspatienten sowie Patienten<br />
mit orthopädischen Erkrankungen aufgenommen.<br />
Die Zuweisung erfolgte aus allen<br />
Städten <strong>und</strong> Distrikten Lettlands <strong>und</strong> den<br />
anderen damaligen baltischen Republiken.<br />
Des weiteren waren die erfahrenen unfallchirurgisch-orthopädischen<br />
Kollegen des<br />
Institutes oft zu Konsultationen <strong>und</strong> operativer<br />
Unterstützung in den anderen Kliniken<br />
Rigas <strong>und</strong> per Hubschrauber in ganz Lettland<br />
unterwegs. Der entsprechende consult<br />
doctor war oft tagelang nicht im Institut<br />
einsetzbar. In den 80er Jahren wurden ca.<br />
6500 Patienten jährlich in den Kliniken des<br />
Institutes stationär behandelt. 7000 operative<br />
Eingriffe wurden durchgeführt. Die<br />
Zahl der ambulanten Behandlungen betrug<br />
ca. 25000 im Jahr. Das Zentrum des Institutes<br />
bildete das Forschungsdepartment<br />
der Methodik der externen Knochenfixation<br />
mit dem Kompressions-Distraktions-Apparat<br />
nach Prof. Kalnbers. Angeschlossen<br />
waren biophysikalische <strong>und</strong> biomechanische<br />
Forschungslabors. So wurde die<br />
Frakturheilung unter den Bedingungen des<br />
„Kalnbers-Apparates“ unter unterschiedlichen<br />
Lastbedingungen, nach Einbringen<br />
allogener demineralisierter Knochenmatrix,<br />
unter Magnetfeldbedingungen, mit direkter<br />
bzw. indirekter Elektrostimulation sowie<br />
bei komplizierten Frakturen auch mit immuntherapeutischen<br />
Verfahren untersucht.<br />
Es wurden an Materialprüfmaschinen vergleichende<br />
Stabilitätsmessungen unterschiedlicher<br />
Ringmontagen durchgeführt,<br />
um die bestmögliche rigide Konstruktion<br />
zu erzielen. Im Labor für klinische Biophysik<br />
wurden in Zusammenarbeit mit der Akademie<br />
der Wissenschaften der Lettischen<br />
Sowjetrepublik die Voraussetzungen für die<br />
Serienproduktion des „Alfa pulsar“, eines<br />
Gerätes für die niederfrequente elektromagneti-sche<br />
Therapie bei Patienten mit verzögerter<br />
Frakturheilung, geschaffen. Die Behandlungsstrategien<br />
bei angeborenen <strong>und</strong><br />
erworbenen Skelettfehlstellungen <strong>und</strong> zur<br />
Frakturversorgung waren ausschließlich auf<br />
den „Kalnbers-Kompressions-Distraktions-<br />
Apparat“ ausgerichtet. Die bei uns angewendeten<br />
Osteosyntheseverfahren der internen<br />
Knochenbruchfixation kamen kaum<br />
zur Anwendung <strong>und</strong> wenn, dann nicht nach<br />
den Prinzipien der AO. In der experimentellen<br />
Abteilung des Institutes unter der<br />
Leitung von Prof. Kalnbers wurde die erste<br />
Generation des externen Kompressions-Distraktions-Apparates<br />
bereits 1976 entwickelt<br />
<strong>und</strong> in den folgenden Jahren bis 1979 kontinuierlich<br />
verbessert. Mit seinen Bestandtei-<br />
len – Plastehalbringen bzw. Komplettringen<br />
in flacher, mit Bohrungen versehener oder<br />
r<strong>und</strong>er Form, den Befestigungsschellen, Gewindestangen<br />
<strong>und</strong> Kompressions- bzw. Distraktionsmuttern,<br />
war es möglich – über die<br />
transossär eingebrachten <strong>und</strong> gespannten<br />
Kirschnerstifte (mit oder ohne Olive) die Reposition<br />
<strong>und</strong> rigide Fixation von Schaftfrakturen<br />
<strong>und</strong> Gelenkfrakturen zu erzielen. Für<br />
mich beeindruckend war, mit welcher Präzision<br />
das Anlegen des Apparates geplant<br />
<strong>und</strong> durchgeführt wurde. Anhand des präoperativen<br />
Röntgenbildes wurden die Positionierung<br />
der Kirschnerstifte <strong>und</strong> die Lage<br />
der Ringe festgelegt, unmittelbar vor der<br />
Operation die Landmarken der Region, der<br />
Verlauf der wichtigen funktionellen Gebilde<br />
<strong>und</strong> der Frakturverlauf aufgezeichnet. Die<br />
begleitende Röntgenbildverstärkerkontrolle<br />
während der Operation war obligat. Für<br />
jede Region der Extremitätenknochen, Gelenkregion<br />
<strong>und</strong> Schaftknochen der oberen<br />
<strong>und</strong> unteren Extremität gab es einen Spezialisten,<br />
der dieses Gebiet wissenschaftlich<br />
bearbeitet <strong>und</strong> darüber promoviert hatte.<br />
Ich konnte während meiner Hospitation<br />
bei allen Operationen assistieren <strong>und</strong> auch<br />
selbst den „Apparat“ mit erfahrenen Kollegen<br />
anlegen ( Abb. 4–6).<br />
Komplexe <strong>und</strong> schwierige Frakturformen<br />
aller Extremitätenregionen wurden überzeugend<br />
<strong>und</strong> routiniert mit dem Kalnbers<br />
Apparat dreidimensional reponiert, retiniert<br />
<strong>und</strong> individuell frakturtypadäquat funktionell<br />
mit guten <strong>und</strong> akzeptablen Ergebnissen<br />
zur Ausheilung gebracht. Sicher ist diskussionswürdig,<br />
dass Frakturen ausschließlich<br />
mit dem Kalnbers-Apparat stabilisiert wurden<br />
<strong>und</strong> andere Osteosyntheseverfahren<br />
praktisch nicht zur Anwendung kamen.<br />
Verantwortlich dafür waren die materialtechnischen<br />
Voraussetzungen: das AO-<br />
Instrumentarium <strong>und</strong> die AO-Implantate<br />
sowie intramedulläre Nagelsysteme waren<br />
zwar bekannt, aber nicht vorhanden. So war<br />
die „Wahl“ des geeigneten Osteosyntheseverfahrens<br />
vorgegeben. Ich habe lediglich<br />
vereinzelt Osteosyntheseplatten polnischen<br />
Fabrikates gesehen. Auch die Hüftendoprothetik<br />
war aufgr<strong>und</strong> der herrschenden Mangelsituation<br />
aus meiner Sicht unterentwickelt,<br />
obwohl verschiedene Biomaterialien<br />
auf ihre statischen <strong>und</strong> dynamischen Eigenschaften<br />
im sogenannten Endoprothesenlabor<br />
untersucht wurden. Ein schwedisches<br />
Team hat einmal an zwei Tagen bikondyläre<br />
Knieprothesen implantiert. Sie hatten dafür<br />
alle Instrumente <strong>und</strong> Implantate bis hin zum<br />
Nahtmaterial mitgebracht. Der materialtechnische<br />
Mangel hat jedoch andererseits<br />
zu vielen eigenständigen patentrechtlichen<br />
Entwicklungen geführt <strong>und</strong> insgesamt das<br />
Improvisationsvermögen gefordert. Ich<br />
Abb. 4 Planung der Positionierung des<br />
„Apparates“<br />
Abb. 5 Der „Kalnbers-Apparat“ am Ober- <strong>und</strong><br />
Unterschenkel in situ<br />
Abb. 6 Der Patient während der funktionellen<br />
Nachbehandlung<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 49
Abb. 7 Reiserouten während meines<br />
Studienaufenthaltes<br />
erinnere mich an ein dem Schenkelhalsdurchmesser<br />
angepasstes köcherförmiges<br />
Zielgerät zum Einbringen einer Vielzahl von<br />
Kirschnerstiften zur Versorgung medialer<br />
<strong>und</strong> lateraler Schenkelhalsfrakturen oder an<br />
eine Halsmanschette, die über einen Federmechanismus<br />
zur kontrollierten Distraktion<br />
der HWS führte (Prof. Zeidurs).<br />
Regelhaft begann der Dienst im Institut um<br />
7:30 Uhr mit einer Morgenbesprechung<br />
<strong>und</strong> Röntgenvisite, die zur sprachlichen<br />
Schulung der Mitarbeiter in verschiedenen<br />
Abteilungen abwechselnd russisch, lettisch,<br />
englisch oder deutsch abgehalten wurden.<br />
Um 8:00 Uhr begann dann das Operationsprogramm.<br />
Außer Akutoperationen, die<br />
notfallmäßig versorgt wurden, wurde nur<br />
an jedem zweiten Tag elektiv operiert. Die<br />
anderen Tage wurden für Stationsarbeiten<br />
<strong>und</strong> administrative Tätigkeiten genutzt. Regelmäßige<br />
Weiterbildungsveranstaltungen<br />
fanden außerhalb der regulären Dienstzeit<br />
statt. Vordergründig habe ich während<br />
meines Studienaufenthaltes in Riga die<br />
Frakturversorgung, das Pseudarthrosenmanagement<br />
<strong>und</strong> die Korrektur angeborener<br />
<strong>und</strong> erworbener Extremitätenfehlstellungen<br />
mit dem „Kalnbers-Apparat“ kennen<br />
gelernt. Daneben konnte ich aber auch<br />
bei Säuglingshüftdysplasieoperationen,<br />
hautplastischen <strong>und</strong> weichteilrekonstruktiven<br />
Verfahren, Meniskusoperationen<br />
(erstaunlicherweise in infiltrativer Lokalanästhesie,<br />
ausnahmslos offen <strong>und</strong> in Form<br />
der Exstirpation) <strong>und</strong> – unüblich in einem<br />
traumatologisch-orthopädischen Institut<br />
– bei Mammaaufbauplastiken mit vorgeformten<br />
„Kadaverfettkörpern“ assistieren.<br />
Arthroskopische Eingriffe am Kniegelenk,<br />
wie wir sie in Jena zu dieser Zeit bereits in<br />
einer gewissen Zahl durchführten, waren<br />
aufgr<strong>und</strong> der nicht vorhandenen Ausrüstung<br />
in Riga nicht etabliert. Patienten mit<br />
Verletzungen der Körperhöhlen wurden in<br />
entsprechenden Spezialkliniken Rigas versorgt<br />
<strong>und</strong> die Behandlung der begleitenden<br />
Extremitätenverletzungen erfolgte durch<br />
die hinzugerufenen „consult doctors“. Auch<br />
bei diesen Aktionen konnte ich mich jederzeit<br />
beteiligen.<br />
Insgesamt habe ich alle zwei Monate die<br />
Abteilung gewechselt. Ich wurde in jedem<br />
Team herzlich, ausgesprochen kollegial <strong>und</strong><br />
uneingeschränkt integriert. So habe ich an<br />
mannigfachen Teamfeiern, verschiedenen<br />
Exkursionen <strong>und</strong> an den regelmäßigen<br />
sportlichen Betätigungen der Kollegen teilgenommen.<br />
Zweimal in der Woche wurde<br />
abends Basketball gespielt <strong>und</strong> selbst bei<br />
einem öffentlichen Orientierungslauf im<br />
Mai 1986 wurde ich zur Teilnahme veranlasst<br />
( Abb. 7, 8).<br />
Wie der Landkartenabbildung zu entnehmen<br />
ist, habe ich Dank der Kollegen fast<br />
alle Regionen im Baltikum bereisen können,<br />
obwohl ich offiziell nur eine Aufenthaltsgenehmigung<br />
für die Stadt Riga hatte.<br />
Nicht nur das beeindruckende Riga, sondern<br />
auch Vilnius <strong>und</strong> Tallin habe ich unter fachk<strong>und</strong>iger<br />
Führung kennen lernen dürfen<br />
( Abb. 9).<br />
Ich bin mir bewusst, dass ich mich nach<br />
22 Jahren nur fragmenthaft <strong>und</strong> auch nur an<br />
einige Akzente meines Studienaufenthaltes<br />
in Riga erinnern kann. Entgegen meiner anfänglichen<br />
Vorbehalte gegen die Unternehmung<br />
„Zusatzstudium“ <strong>und</strong> auch nach den<br />
erlebten Einschränkungen gegenüber dem<br />
vergleichbaren Alltag in Jena möchte ich die<br />
sechs Monate in Riga nicht missen. Habe ich<br />
doch eine andere Struktur des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
unter den Bedingungen des materialtechnischen<br />
Mangels <strong>und</strong> ein Verfahren<br />
der Frakturversorgung <strong>und</strong> der Korrektur<br />
von Fehlstellungen des Skelettsystems mit<br />
dem Distraktions-Kompressions-Apparat<br />
von Prof. Kalnbers kennen <strong>und</strong> schätzen gelernt.<br />
Ich bin unvermindert dankbar für die<br />
in dieser Zeit erlebte kollegiale Zuwendung<br />
der lettischen Kollegen, die mich fre<strong>und</strong>schaftlich<br />
beruflich, aber auch im privaten<br />
Umfeld in ihre Aktivitäten eingeb<strong>und</strong>en haben.<br />
Ich hege noch immer Hochachtung für<br />
ihre stets demonstrierte Bescheidenheit,<br />
mit der sie ohne zu klagen, in sich ruhend,<br />
mit lettischer Leichtigkeit, sogar fröhlich<br />
<strong>und</strong> mit Optimismus, die Dinge, die für sie<br />
nicht änderbar waren – die schwierigen<br />
wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Bedingungen<br />
in der damaligen Lettischen Sowjetrepublik<br />
– getragen haben. In ihrer Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />
haben sie sinnbildlich den letzten Rubel<br />
mit mir geteilt. So hat der Studienaufenthalt<br />
in Riga mich menschlich geprägt <strong>und</strong><br />
auch meine Einstellung zu unserer Situation<br />
in der DDR 1986 relativiert, waren doch<br />
hier die beklagten wirtschaftlichen Bedingungen<br />
– die politischen Verhältnisse außer<br />
acht gelassen – unvergleichlich besser.<br />
PD Dr. med. F. Schulz<br />
Sophien- <strong>und</strong> Hufeland-Klinikum gGmbH<br />
Henry-van-de-Velde-Straße 2<br />
99425 Weimar<br />
Abb. 8 Eisangler auf der Ostsee in Jurmala<br />
Abb. 9 Blick auf Riga mit dem Schloss im Vordergr<strong>und</strong> über die Daugava<br />
50<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Die Sektion DDR der AO-International<br />
W. Otto, E. Markgraf<br />
a b c d e<br />
Abb. 1 Die „Gründerväter“ der AO in der Schweiz, a R. Schneider, b W. Bandi, c M. Allgöwer, d M.<br />
E. Müller <strong>und</strong> e H. Willenegger (Aus: Matter P, Loelinger U. AO history/AO today. CD-ROM der AO-<br />
Fo<strong>und</strong>ation vom 6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung von AO Publishing, © AO Publishing,<br />
Schweiz)<br />
a<br />
Abb. 2 a Dr. Ing. Fritz Straumann <strong>und</strong> b R. Mathy s<br />
sen. (Aus: Matter P, Loelinger U. AO history/AO<br />
today. CD-ROM der AO-Fo<strong>und</strong>ation vom 6.6.2003;<br />
mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung von AO Publishing,<br />
© AO Publishing, Schweiz).<br />
b<br />
Von eminenter Bedeutung für die Entwicklung<br />
einer modernen, wissenschaftlich<br />
be gründeten, flächendeckenden unfallchirurgischen<br />
Versorgung in der DDR war,<br />
dass frühzeitig <strong>und</strong> konsequent die Chance<br />
erkannt <strong>und</strong> ergriffen wurde, mit der AO–<br />
Schweiz bzw. später der AO-International<br />
zusammen- <strong>und</strong> schließlich sogar als nationale<br />
Sektion in letzterer mitzuarbeiten. Die<br />
Voraussetzungen dafür, die beschrittenen<br />
Wege, die maßgeblichen Akteure <strong>und</strong> Beteiligten<br />
sowie die Erfolge sind eine zusammenfassende<br />
Beschreibung wert. Die seit<br />
den späten sechziger Jahren mit den Methoden<br />
der AO auch in der DDR erreichten<br />
Behandlungsergebnisse waren sowohl für<br />
die beteiligten Ärzte als auch für ungezählte<br />
Patienten von kaum zu ermessendem<br />
Vorteil.<br />
Allgemeine Voraussetzungen<br />
Der 6. 11. 1958, der Tag, an dem in der<br />
Schweiz von 13 führenden Orthopäden<br />
<strong>und</strong> unfallchirurgisch profilierten Chirurgen<br />
eine „Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen“,<br />
die „AO“, gegründet wurde, stellt<br />
einen Wendepunkt in der Geschichte beider<br />
Fachgebiete dar! Am Anfang standen natürlich<br />
mehr Fragen als Antworten. Die ärztlichen<br />
Hauptinitiatoren, die Orthopäden M.<br />
E. Müller <strong>und</strong>. R. Schneider sowie von chirurgischer<br />
Seite M. Allgöwer, H. Willenegger<br />
<strong>und</strong> W. Bandi ( Abb. 1) konnten mit Robert<br />
Mathys sen., Bettlach, <strong>und</strong> Dr. Ing. Fritz<br />
Strau mann, Waldenburg, ( Abb. 2) interessierte,<br />
innovative <strong>und</strong> engagierte Techniker<br />
gewinnen, die nach den Ideen der Ärzte<br />
Instrumente <strong>und</strong> Implantate konstruierten<br />
<strong>und</strong> herstellten.<br />
Die Knochenbruchheilung ohne Callusbildung<br />
unter absoluter Ruhe im Frakturspalt<br />
war als „primäre“ oder „angiogene“ Heilung<br />
zunächst das Faszinosum ( Abb. 3). Die<br />
AO konzentrierte sich zunächst auf Therapieprinzipien,<br />
die diese anfangs als ideal<br />
angesehene Heilungsform regelmäßig zu<br />
erzielen gestatteten, <strong>und</strong> fanden sie in der<br />
Druckosteosynthese mittels Schrauben <strong>und</strong><br />
Platten. Mit ihr wurden so ungewöhnliche<br />
Heilungsverläufe <strong>und</strong> -ergebnisse erzielt,<br />
dass eine große internationale Aufmerksamkeit<br />
entstand <strong>und</strong> schon bald die Bildung<br />
von Arbeitsgruppen gleicher Zielsetzung<br />
in anderen Ländern Europas <strong>und</strong> in Amerika<br />
folgte. So entwickelte sich eine grenzenübergreifende<br />
Arbeitsgemeinschaft, die am<br />
25. 11. 1972 offiziell als „AO-International“<br />
gegründet wurde.<br />
Der Weg zur AO – Sektion DDR<br />
Im Osten Deutschlands, also der DDR, wie<br />
international, stand man in den 50er <strong>und</strong><br />
frühen 60er Jahren des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
medizinisch vor dem Problem,<br />
dass mit den herkömmlichen konservativen<br />
<strong>und</strong> operativen Verfahren sehr oft wirklich<br />
gute Ergebnisse bei der Behandlung von<br />
Verletzungen des Stütz- <strong>und</strong> Bewegungsapparates<br />
nicht zu erzielen waren. Auch<br />
hier suchte man nach neuen, effizienten<br />
Behandlungsverfahren <strong>und</strong> strebte nach<br />
einer Verbesserung der Resultate, stieß aber<br />
a<br />
b<br />
Abb. 3 „Primäre“, „angiogene“, „direkte“ Heilung ohne Callus. a Histologie des frakturübergreifenden angiogenen Umbaus, b entsprechende Heilung nach<br />
stabiler Schrauben- <strong>und</strong> Plattenosteosynthese am Tibiaschaft.<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 51
a<br />
Abb. 4 Prof. Dr. med.<br />
habil. F. Mörl, Direktor<br />
der Chirurgischen<br />
Universitätsklinik Halle<br />
1956 bis 1965<br />
Abb. 5 a Dr. med. E. Sander 1962, b Prof. Dr. med.<br />
habil. E. Sander 1987. Von Herrn Prof. Dr. Otto<br />
privat/persönlich übergeben.<br />
b<br />
Abb. 6 Prof. Dr. med.<br />
habil. M. Allgöwer<br />
(Aus: Matter P, Loelinger<br />
U. AO history/AO<br />
today. CD-ROM der<br />
AO-Fo<strong>und</strong>ation vom<br />
6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher<br />
Genehmigung von<br />
AO Publishing, © AO<br />
Publishing, Schweiz)<br />
ökonomisch wie politisch immer wieder auf<br />
Grenzen. Der Mangel an Devisen <strong>und</strong> die<br />
politisch begründeten Beschränkungen der<br />
Reisefreiheit, insbesondere nach den sogenannten<br />
Grenzsicherungsmaßnahmen am<br />
13. August 1961 erschwerten bzw. verhinderten<br />
den Gedankenaustausch oder die<br />
wissenschaftliche Zusammenarbeit ganz<br />
erheblich.<br />
1965 wurde Professor Dr. med. Franz Mörl<br />
( Abb. 4), der damalige Direktor der Chirurgischen<br />
Universitätsklinik Halle <strong>und</strong> für<br />
diese Zeit bemerkenswert unfallchirurgisch<br />
profiliert, interessiert <strong>und</strong> engagiert, zur<br />
Teilnahme an einem AO-Kurs in Davos eingeladen.<br />
Diese Einladung gab er, kurz vor der<br />
Emeritierung stehend, weiter an den Leiter<br />
der traumatologischen Abteilung seiner Klinik,<br />
Herrn Dozenten Dr. med. habil. Eberhard<br />
Sander ( Abb. 5). Dieser reiste im Dezember<br />
1965 zum ersten Mal zu einer solchen<br />
Veranstaltung <strong>und</strong> war von den neuen Erkenntnissen<br />
<strong>und</strong> sich abzeichnenden Möglichkeiten<br />
sofort überzeugt, ja begeistert,<br />
<strong>und</strong> Willens, diese so bald wie möglich im<br />
eigenen Land nutzbar zu machen. Professor<br />
Dr. Martin Allgöwer ( Abb. 6), einer der<br />
Gründer der AO - Schweiz <strong>und</strong> seinerzeit<br />
Direktor der Chirurgischen Klinik des Kantonsspitals<br />
in Chur, lud ihn danach zu einer<br />
Hospitation in seiner Klinik ein. Diese konnte<br />
1966 für zwei Monate realisiert werden<br />
<strong>und</strong> war der Beginn einer langjährigen kollegial-fre<strong>und</strong>schaftlichen<br />
Verb<strong>und</strong>enheit.<br />
Im Jahre 1967 konnte E. Sander erneut an<br />
einem AO-Kurs in Davos teilnehmen. Danach<br />
war sein Entschluss endgültig gefasst,<br />
diese modernen Prinzipien, Methoden <strong>und</strong><br />
Behandlungsverfahren nicht nur an der<br />
Halleschen Universitätsklinik alsbald einzuführen,<br />
sondern darüber hinaus so schnell<br />
wie möglich auch in der ganzen DDR möglich<br />
zu machen <strong>und</strong> umzusetzen.<br />
Spezielle Voraussetzungen <strong>und</strong><br />
Aktivitäten in der DDR<br />
Parallel zu dieser Entwicklung, jedoch voneinander<br />
unabhängig, hatte sich in der<br />
DDR eine „Sektion Traumatologie in der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie“ etabliert. Unter<br />
deren Dach bildete E. Sander schon bald<br />
nach seiner Hospitation in Chur eine „Kooperationsgruppe<br />
für operative Knochenbruchbehandlung“.<br />
Namens <strong>und</strong> im Auftrag<br />
Abb. 7 Programm für den AO-Einführungskurs am 12. <strong>und</strong> 13.12.1968<br />
(nachgebesserte Kopie eines sehr schlechten Durchschlages)<br />
Abb. 8 Programm der 1. Arbeitstagung der Kooperationsgruppe für operative<br />
Knochenbruchbehandlung am 29. <strong>und</strong> 30.10.1969 (Kopie eines<br />
Durchschlages)<br />
52<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 9 Titelseite <strong>und</strong> Programm zum 3. Instruktionskurs für die Druckosteosynthese mit Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft für operative<br />
Knochenbruchbehandlung vom 02. bis 04.11.1970<br />
Abb. 10 Titelseiten der Programmflyer der Instruktionskurse zur Druckosteosynthese <strong>und</strong> Arbeitstagungen der AG für operative Knochenbruchbehandlung<br />
der Jahre 1971, 1973 <strong>und</strong> 1975<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 53
dieser Gruppe führte er am 12. <strong>und</strong> 13. Dezember<br />
1968 einen „AO Einführungskurs“<br />
an der Halleschen Universitätsklinik durch<br />
( Abb. 7). An diesem nahmen führende<br />
Vertreter der Unfallchirurgie in der DDR<br />
aus jener Zeit teil. Sie alle waren begeistert<br />
von den neuen Therapiemöglichkeiten <strong>und</strong><br />
der offensichtlich wesentlich verbesserten<br />
Prognose. Bei dieser Gelegenheit wurde die<br />
„Arbeitsgemeinschaft für operative Knochenbruchbehandlung<br />
in der Sektion Traumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der<br />
DDR gegründet. Die Statuten wurden formuliert<br />
<strong>und</strong> in Kraft gesetzt. Bereits im Oktober<br />
1969 folgte eine erste Arbeitstagung<br />
dieser Arbeitsgemeinschaft ( Abb. 8) wiederum<br />
in Halle <strong>und</strong> vom 2. bis 4. 11. 1970<br />
der „3. Instruktionskurs für die Druckosteosynthese“,<br />
verb<strong>und</strong>en mit der „2. Arbeitstagung“<br />
am gleichen Ort ( Abb. 9). Es folgten<br />
weitere „Arbeitstagungen mit praktischen<br />
Übungen“ der Arbeitsgemeinschaft nach<br />
dem Vorbild der AO-Basis-Kurse für Ärzte<br />
1971, 1973 <strong>und</strong> 1975 ( Abb. 10).<br />
AO-Veranstaltungen<br />
Erst nachdem im April 1976 eine Sek tion<br />
DDR der AO-International gegründet worden<br />
war, konnten in den Jahren 1977, 1981,<br />
1985 <strong>und</strong> 1989 weitere derartige Veranstaltungen<br />
stattfinden ( Abb. 11), die<br />
nun auch offiziell AO-Kurse (6. bis 9.) genannt<br />
werden durften. Die beiden letzten<br />
davon waren für Fortgeschrittene an- <strong>und</strong><br />
ausgelegt, alle anderen waren Basis- bzw.<br />
Gr<strong>und</strong>lagenkurse. Sie alle standen unter der<br />
wissenschaftlichen Leitung von Doz. (spä<br />
Abb. 11 Kurse der Sektion DDR der AO-International der Jahre 1977, 1981, 1985 <strong>und</strong> 1989, Titelseiten der Programmflyer<br />
Abb. 12 Titelseite des Vorprogramms für den X.<br />
Halleschen AO-Kurs vom 22. bis 24.06.1992<br />
Abb. 13 Programmtitel der AO-Symposien der DDR-Sektion in den Jahren 1979, 1983 <strong>und</strong> 1987<br />
54<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
ter dann Prof.) Dr. Sander. Die Organisation<br />
lag in den Händen seines Mitarbeiters Dr.<br />
med. Sieghard Grafe, der später Chefarzt<br />
des evangelisch- lutherischen Diakonissenkrankenhauses<br />
in Leipzig war <strong>und</strong> nach der<br />
Wende im Rahmen der Wiedergutmachung<br />
zum Professor berufen wurde.<br />
Als Ergänzung zu den AO-Basis-Kursen für<br />
Ärzte in Halle bekam die DDR-Sektion Anfang<br />
der 80er Jahre drei Übungsinstrumentarien<br />
kostenlos zur Verfügung gestellt, mit<br />
denen im Rahmen von Workshops dezentral<br />
<strong>und</strong> in kleineren Gruppen die Gr<strong>und</strong>lagen<br />
der Osteosynthese nach den Prinzipien der<br />
AO vermittelt <strong>und</strong> in praktischen Übungen<br />
die Anwendung von Instrumenten <strong>und</strong> Implantaten<br />
trainiert werden konnten. Sie waren<br />
nach Frankfurt/Oder, Karl-Marx-Stadt<br />
<strong>und</strong> Halle vergeben worden <strong>und</strong> kamen<br />
dort unter Leitung der Herren Professoren<br />
Senst, Wehner <strong>und</strong> Sander zum Einsatz. Die<br />
Gesamtheit dieser Aktivitäten für die bzw.<br />
im Sinne der AO <strong>und</strong> deren konzentrierter<br />
Ausgang von der Halleschen Universitätsklinik<br />
hatte ihre Wirkung auf die Entwicklung<br />
der Unfallchirurgie im Osten nicht<br />
verfehlt. Deshalb entstand nach der Wende<br />
das dringende Bedürfnis, diese zu einer guten<br />
Tradition gewordenen Veranstaltungen<br />
möglichst bald wieder aufleben zu lassen.<br />
Drei Jahre nach dem politischen Zusammenbruch<br />
der DDR <strong>und</strong> im Zuge der Wiedervereinigung<br />
Deutschlands konnten<br />
die Kursaktivitäten in Halle im Juni 1992<br />
wieder aufgenommen werden, nun unter<br />
Leitung von PD. (später Univ.-Prof.) Dr. med.<br />
Wieland Otto, der ein langjähriger Schüler,<br />
Mitarbeiter <strong>und</strong> schließlich Amtsnachfolger<br />
von Prof. Dr. Sander an der Universitätsklinik<br />
Halle war. Nachdem dieser 10. Hallesche<br />
AO-Kurs ( Abb. 12) erfolgreich verlaufen<br />
war, wurde beschlossen, zukünftig jährlich<br />
einen AO-Gr<strong>und</strong>lagen-Kurs in Halle zu veranstalten<br />
<strong>und</strong> damit einen dritten festen<br />
Standort für die Durchführung solcher Veranstaltungen<br />
in Deutschland zu etablieren.<br />
Die organisatorische Leitung übernahm Dr.<br />
med. Wolfgang Wawro, Halle.<br />
In den Jahren 1979, 1983 <strong>und</strong> 1987 haben<br />
in Cottbus, Potsdam <strong>und</strong> Eisenach AO-Symposien<br />
zu speziellen Rahmenthemen stattgef<strong>und</strong>en<br />
( Abb. 13). Auch diese standen<br />
unter der wissenschaftlichen Leitung von<br />
Professor Sander. Organisiert wurden sie<br />
von Klaus Welz, Cottbus, (Cottbus, 1979<br />
<strong>und</strong> Eisenach, 1987) <strong>und</strong> Friedhelm Struck<br />
(Potsdam, 1983).<br />
Neben Vertretern der AO-Sektion DDR<br />
konnten 1979 als Referenten zu den Problemfeldern<br />
„Offene Frakturen“, „Posttraumatische<br />
Knocheninfektion“ <strong>und</strong> „Freie<br />
Themen“ die Herren Szyszkowitz, Graz;<br />
Zolczer, Budapest; Burri, Ulm; Cech, Prag;<br />
Willenegger, Bern <strong>und</strong> Schneider, Biel, gewonnen<br />
werden.<br />
1983 Stand das Rahmenthema „Individualisierung<br />
der Osteosynthese“ neben „Varia“ zur<br />
Debatte. Als ausländische Referenten beteiligten<br />
sich Willenegger, Bern; Salacz, Budapest;<br />
Vecsei, Wien; Schweiberer, München, Reschauer,<br />
Graz; Muhr, Bochum <strong>und</strong> Cech, Prag.<br />
1987 waren „Hüftnahe Femurfrakturen <strong>und</strong><br />
ihre besonderen Aspekte“ sowie „Dis tale<br />
Femurfrakturen“ Gegenstand der Verhandlungen.<br />
Auswärtige Referenten waren Salacz,<br />
Budapest; Regazzoni, Basel; Raaijmakers,<br />
Amsterdam, Vrevc, Ljubliana; Reschauer,<br />
Linz; Povacz, Wels; Berentey Budapest: Kuner,<br />
Freiburg <strong>und</strong> Micnek, Brno.<br />
In die Zeit des Aufbruchs aus der postkommunistischen<br />
DDR in das wiedervereinigte<br />
Deutschland fiel auch noch das von Prof. Dr.<br />
med. Eberhard Markgraf, Friedrich-Schiller-<br />
Universität Jena, veranstaltete IV. Ostdeutsche<br />
AO-Symposium vom 9. bis 11. 10. 1991<br />
in Weimar unter der organisa torischen<br />
Verantwortung von R. Friedel, Jena. Als Referenten<br />
aus anderen AO-Sektionen konnten<br />
hierfür gewonnen werden die Herren<br />
Claudi, München; Heim, Bern; Höntzsch,<br />
Tübingen; Kuner Freiburg; Maurer, Tübingen;<br />
Muhr Bochum; Ondracek, Aachen;<br />
Pannicke, Frankfurt/Main; Perren, Davos;<br />
Rueger, Frankfurt/Main; Rahman za deh,<br />
Berlin; Remiger, Davos; Schmitz, Aachen;<br />
Schweiberer München; Trentz, Zürich; Volkmann,<br />
Tübingen <strong>und</strong> Weller, Tübingen.<br />
Neben diesen AO-Veranstaltungen für<br />
Ärzte war natürlich auch die Fortbildung<br />
bzw. Schulung des OP-Personals in diesen<br />
neuen Methoden <strong>und</strong> Techniken, in der<br />
Instrumentenlehre <strong>und</strong> -pflege eine dringende<br />
Notwendigkeit, aus ärztlicher Sicht<br />
ein echtes Bedürfnis. Deshalb fanden vom<br />
Jahr 1972 an ebenfalls alle zwei Jahre, also<br />
im Wechsel mit den Kursen <strong>und</strong> Symposien<br />
für die Ärzte, auch solche für das Op.-Personal<br />
statt, auch „Schwesternkurse“ genannt.<br />
Auch für diese zeichnete Prof. Dr. Sander in<br />
enger Zusammenarbeit mit der Firma Synthes<br />
Bettlach (Schweiz) wissenschaftlich/<br />
inhaltlich verantwortlich. Organisator war<br />
auch hierfür Dr. med. S. Grafe. Diese Kurse<br />
fanden von 1972 bis 1984 7 mal ebenfalls<br />
in Halle statt, der 8. <strong>und</strong> 9. als Fortbildungskurse<br />
für bereits gr<strong>und</strong>sätzlich geschultes<br />
Personal in Himmelpfort, nördlich von Berlin<br />
in einer für diesen Zweck zur Verfügung<br />
gestellten Ferienanlage eines Hallenser Betriebes<br />
(Bezirksfilmdirektion Halle).<br />
Rahmenbedingungen für diese<br />
Aktivitäten<br />
Die partei- <strong>und</strong> regierungsseitigen Restriktionen,<br />
bezüglich der Anmelde-, Antrags<strong>und</strong><br />
Genehmigungsverfahren <strong>und</strong> -fristen<br />
für Veranstaltungen mit Beteiligung ausländischer<br />
Referenten, namentlich aus dem<br />
„nichtsozialistischen Ausland“ aber auch<br />
die sozioökonomischen Bedingungen im<br />
Land waren so angelegt oder hatten sich so<br />
ungünstig entwickelt, dass maximal eine<br />
derartige Veranstaltung pro Jahr möglich<br />
war. Das Programm der jeweiligen Veranstaltung<br />
<strong>und</strong> der Druck von Vorprogrammen<br />
<strong>und</strong> Programmen bedurften sogar der<br />
polizeilichen Genehmigung.<br />
Ein für die DDR-typisches Hindernis bei der<br />
Organisation derartiger Veranstaltungen<br />
war der Mangel an Hotelkapazitäten <strong>und</strong><br />
die Notwendigkeit, die Buchungen dafür<br />
2 Jahre im Voraus vorzunehmen. Der Mangel<br />
an Druckkapazitäten war ebenfalls eklatant.<br />
Auch aus diesen Gründen war es kaum<br />
vorstellbar, die Reihe der verschiedenen AO-<br />
Veranstaltungen auf mehr als eine pro Jahr<br />
zu verdichten. Hinzu kam, dass maximal 6<br />
Referenten aus dem „nichtsozialistischen<br />
Ausland“ eingeladen werden durften, darunter<br />
höchstens ein b<strong>und</strong>esdeutscher<br />
Staatsbürger. Der gesamte technische Support<br />
<strong>und</strong> ein großer Teil der Referenten kamen<br />
daher jeweils aus der Schweiz. Die industriellen<br />
Partner in der AO, in der Synthes<br />
zusammengefasst, übernahmen die Aufgabe<br />
der technisch-apparativen Ausstattung<br />
aller dieser Fortbildungsveranstaltungen.<br />
Für das Gebiet der DDR, den Nordosten<br />
Deutschlands, war im Wesentlichen die<br />
Firma Robert Mathys, Bettlach (CH) zuständig,<br />
unterstützt für den Bereich des prothetischen<br />
Ersatzes aus unfallchirurgischer<br />
Indikation von Vertretern der Prothek-AG<br />
(Bern [CH]).<br />
Aufwendige Zollverfahren waren bei der<br />
Ein- <strong>und</strong> Ausreise die Regel <strong>und</strong> wenig geeignet,<br />
den Enthusiasmus dieser wichtigen<br />
Partner zu fördern. Trotzdem blieb er erhalten.<br />
Auch das benötigte Informations- <strong>und</strong><br />
Lehrmaterial, Kataloge, Lehrbücher, spezielle<br />
wissenschaftliche Publikationen, Operationslehren<br />
etc. wurde großzügig <strong>und</strong> in<br />
aller Regel kostenlos durch die AO <strong>und</strong> die<br />
Synthes zur Verfügung gestellt. Auch deren<br />
„Einfuhr“ bedurfte der behördlichen Genehmigung.<br />
Nach 1989 übernahm dann<br />
die Fa. Synthes Bochum unter ihrem Geschäftsführer<br />
Hans-Jürgen Gühne große<br />
Teile der technisch-organisatorischen <strong>und</strong><br />
logistischen Betreuung.<br />
Von Anfang an wurden die genannten Veranstaltungen<br />
extrem bereichert durch die<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 55
a b c<br />
Abb. 14 a M. E. Müller, b H. Willenegger <strong>und</strong> c M. Allgöwer , verdienstvolle<br />
Ärzte, Forscher, <strong>und</strong> Hochschullehrer, die zur Entwicklung der AO in der DDR<br />
wesentliche Beiträge geleistet haben (Aus: Matter P, Loelinger U. AO history/AO<br />
today. CD-ROM der AO-Fo<strong>und</strong>ation vom 6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher<br />
Genehmigung von AO Publishing, © AO Publishing, Schweiz).<br />
wiederholte oder gar regelmäßige Teilnahme<br />
hoch- <strong>und</strong> höchstrangiger Persönlichkeiten<br />
der AO-Schweiz bzw. der AO-International.<br />
Neben M. E. Müller, M. Allgöwer,<br />
H. Willenegger, ( Abb. 14) W. Bandi <strong>und</strong> R.<br />
Schneider waren als hochgeschätzte Gäste<br />
T. Rüedi, S. Perren, S. Steinemann, B. Rahn<br />
<strong>und</strong> H. Burch zum Teil mehrfach in Halle, besonders<br />
bei den Veranstaltungen für Ärzte.<br />
So entstanden neben fachlich-beruflichen<br />
Übereinstimmungen auch starke persönliche<br />
Beziehungen <strong>und</strong> Verbindungen, die<br />
für uns nicht nur sehr anregend <strong>und</strong> erfreulich<br />
sondern zugleich Ansporn waren,<br />
die von Ihnen vertretene Sache der AO zu<br />
unserer eigenen zu machen <strong>und</strong> mit aller<br />
Kraft für ihre Umsetzung in der klinischen<br />
Praxis einzutreten. Alle unsere Gäste nahmen<br />
immer wieder mancherlei Unannehmlichkeiten,<br />
Schikanen, Behinderungen <strong>und</strong><br />
Umstände auf sich, um zum Erfolg der<br />
AO-Veranstaltungen beizutragen. Bedauerlicher<br />
Weise stehen direkte Bilddokumente<br />
aus all den Jahren nicht oder nur in sehr<br />
begrenztem Umfang zur Verfügung <strong>und</strong><br />
wenn, dann in privater Hand.<br />
Trotz aller staatlich-politischen Restriktionen,<br />
die eine Teilnahme von Vertretern der<br />
AO der B<strong>und</strong>esrepublik sehr erschwerten,<br />
gelang es 1977, Herrn Prof. Dr. med. Siegfried<br />
Weller ( Abb. 15), damals Obmann der AO-<br />
Sektion der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />
als Referenten zu gewinnen, eine Einreisegenehmigung<br />
für ihn zu erwirken <strong>und</strong> ihn<br />
einladen zu können. Erstmals 1975, danach<br />
beinahe regelmäßig, war auch Urs Heim<br />
Abb. 15 Prof. Dr.<br />
med. habil. S. Weller,<br />
Gründungspräsident der<br />
(B<strong>und</strong>es-)<strong>Deutsche</strong>n AO-<br />
Sektion (Aus: Matter P,<br />
Loelinger U. AO history /<br />
AO today. CD-ROM der<br />
AO-Fo<strong>und</strong>ation vom<br />
6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher<br />
Genehmigung von<br />
AO Publishing, © AO<br />
Publishing, Schweiz).<br />
( Abb. 16), später Nachfolger von Hans<br />
Willenegger im Amt des Präsidenten der<br />
AO-I, verehrter Gast, Mentor, gefragter Referent<br />
<strong>und</strong> Disputant der Halleschen Kurse.<br />
Parallel zu diesen praktischen <strong>und</strong> auf die<br />
möglichst rasche <strong>und</strong> authentische Vermittlung<br />
dieser wahrhaft Epoche machenden<br />
Erkenntnisse <strong>und</strong> sich daraus ergebende<br />
therapeutischen Möglichkeiten gerichteten<br />
Aktivitäten fanden zwischen 1972 <strong>und</strong> 1976<br />
mehrere intensive Gespräche von Professor<br />
Willenegger mit Vertretern verschiedener<br />
Ministerien oder sonstigen Repräsentanten<br />
der Regierung statt, in denen schließlich<br />
erreicht wurde, dass eine gewisse Zahl<br />
von Gr<strong>und</strong>instrumentarien einschließlich<br />
einer Erstausstattung mit Implantaten eingeführt<br />
<strong>und</strong> an entsprechend qualifizierte<br />
<strong>und</strong> interessierte Kliniken unter maßgeblicher<br />
Mitwirkung von Professor Sander<br />
verteilt werden konnte. Dabei spielten Qualifikation<br />
<strong>und</strong> regionale Bedarfssituation eine<br />
wesentliche Rolle.<br />
Dem unermüdlichen Engagement <strong>und</strong> persönlichen<br />
Einsatz der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />
für operative Knochenbruchbehandlung<br />
<strong>und</strong> deren Vorsitzendem sowie<br />
der ebenso ausdauernden, wie geschickten<br />
<strong>und</strong> intensiven Verhandlungs- <strong>und</strong> Gesprächsführung<br />
von Hans Willenegger ist es<br />
zu danken, dass es gelang, die Vertreter von<br />
„Partei <strong>und</strong> Regierung“ schließlich davon zu<br />
überzeugen, dass die Mitarbeit in einer internationalen<br />
Arbeitsgemeinschaft wie der<br />
AO-International für die Patienten von groß<br />
Abb. 16 Dr. med. U.<br />
Heim, Präsident der<br />
AO-International 1988-<br />
1993 (Aus: Matter P,<br />
Loelinger U. AO history/<br />
AO today. CD-ROM der<br />
AO-Fo<strong>und</strong>ation vom<br />
6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher<br />
Genehmigung von<br />
AO Publishing, © AO<br />
Publishing, Schweiz).<br />
em Vorteil wäre, nicht zuletzt aber auch für<br />
das Prestige der DDR <strong>und</strong> ihrer Führung sich<br />
nach innen <strong>und</strong> nach außen sehr vorteilhaft<br />
auswirken würde. So konnte am 3. April<br />
1976 eine Sektion DDR der AO-International<br />
gegründet werden. Ihr gehörten zunächst<br />
20 Mitglieder an. Bedingung war, dass sie<br />
eigenständig <strong>und</strong> fachlich unabhängig eine<br />
Unfallchirurgische oder Orthopädische Klinik<br />
oder Abteilung eines größeren (Bezirks-,)<br />
Krankenhauses oder eines Universitäts- bzw.<br />
Akademie-Klinikums leiteten. Zum Obmann<br />
wurde Herr Professor Dr. med. E. Sander gewählt,<br />
der dieses Amt bis 1990 bekleidete.<br />
Herr Dr. med. K. Welz wurde zum Sekretär<br />
der Sektion ernannt <strong>und</strong> Herr Dr. med. G.<br />
Hildebrandt (gest. 1988) aus der Hallenser<br />
Universitätsklinik übernahm die zentrale<br />
Dokumentation für die Sektion.<br />
Weitere Gründungsmitglieder waren<br />
(in alphabetischer Ordnung):<br />
– Dr. med. K. Arnold, Berlin-Friedrichshain<br />
– Doz. Dr. med. H. Arzinger, Univ.-Klinikum<br />
Leipzig<br />
– Dr. med. J. Bernhard, Medizin. Akademie<br />
Dresden<br />
– Dr. med. R. Brückner, Charité Berlin<br />
– Dr. med. S. Grafe, Univ.-Klinikum Halle<br />
– Dr. med. G. Graner, Medizin. Akademie Erfurt<br />
– Dr. med. S. Hecht, St. Georg-Krankenhaus<br />
Leipzig<br />
– Prof. Dr. sc. med. J. Hellinger, Medizin. Akademie<br />
Dresden<br />
– Dr. med. S. Hirschfeld, Kreiskrankenhaus<br />
Weißenfels<br />
– Dr. med. D. Miehle, Bezirkskrankenhaus<br />
Zwickau<br />
– Dr. med. S. Neumann, Bezirkskrankenhaus<br />
Rostock-Südstadt<br />
– Dr. med. D. Paul, Bezirkskrankenhaus Dresden-Friedrichstadt<br />
– Doz. Dr,. med. J. Richter, Medizin. Akademie<br />
Magdeburg<br />
– Doz. Dr. med. W. Senst, Bezirkskrankenhaus<br />
Frankfurt/Oder<br />
– Prof. Dr. med. H. Seyfarth, Univ. Klinikum<br />
Leipzig<br />
– Dr. med. F. Struck, Bezirkskrankenhaus<br />
Potsdam<br />
– Prof. Dr. med. W. Wehner, Bezirkskrankenhaus<br />
Karl-Marx-Stadt<br />
In den folgenden Jahren kamen einige Mitglieder<br />
hinzu, sofern sie die fachliche Qualifikation<br />
nachweisen konnten <strong>und</strong> einer<br />
unabhängigen Klinik oder Abteilung für Unfallchirurgie<br />
oder Orthopädie vorstanden.<br />
Bei einer erweiterten Vorstandssitzung in<br />
Ostberlin am 21. 9. 1990, also in der „postwendischen“<br />
DDR, konnten weitere neue<br />
Mitglieder aufgenommen werden, darunter<br />
auch der Autor. Herr Prof. Dr. med. E. Mark<br />
56<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 17 Offizielle Übernahme der Mitglieder der Sektion DDR der AO-I in die <strong>Deutsche</strong> Sektion am 5. Oktober 1991 durch deren Präsidenten Prof. Dr. med. S.<br />
Weller (7. v. l.) im Beisein des Präsidenten der AO-International, Dr. U. Heim, (3. v. l.)<br />
Von links nach rechts: Wöllenweber, Schenk, Heim, Arnold, Arzinger, Grafe, Weller, Markgraf, Welz, Senst <strong>und</strong> Otto. Aus: Privatarchiv W. Otto<br />
graf, Univ.- Klinikum Jena, wurde zum Nachfolger<br />
des ausscheidenden Präsidenten<br />
Prof. Dr. E. Sander gewählt. Er übte dieses<br />
Amt aus bis zur Übernahme der Mitglieder<br />
der DDR-Sektion in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />
der AO-International im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung<br />
am 5. Oktober 1991<br />
( Abb. 17). Damit fand die sich über 15<br />
Jahre erstreckende Geschichte der eigenständigen<br />
<strong>und</strong> sehr erfolgreichen Sektion<br />
DDR der AO-International ihr Ende.<br />
Lehren <strong>und</strong> Lernen<br />
Als eine besondere Ehre <strong>und</strong> Würdigung<br />
der bis dahin erbrachten Leistungen der<br />
Unfallchirurgen der DDR auf ihrem Weg in<br />
die AO darf deren Beteiligung an der wissenschaftlichen<br />
Ausgestaltung des ersten<br />
AO-Symposions für Ungarn im Frühsommer<br />
1976 in Budapest betrachtet werden.<br />
Drei Referenten aus der Schweiz, drei aus<br />
der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> drei aus der DDR<br />
bestritten das gesamte wissenschaftliche<br />
Programm dieser gr<strong>und</strong>legenden <strong>und</strong> sehr<br />
erfolgreichen mehrtägigen Veranstaltung.<br />
Die Delegation aus der DDR bestand aus<br />
den Herren Sander, Halle, Welz, Cottbus <strong>und</strong><br />
Otto, Halle.<br />
Dank der intensiven <strong>und</strong> erfolgreichen Bemühungen<br />
um die Entwicklung der AO im<br />
Osten Deutschlands <strong>und</strong> der guten persönlichen<br />
Beziehungen zu wichtigen Repräsentanten<br />
der internationalen Arbeitsgemeinschaft<br />
gelang es, auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
kostendeckender persönlicher Einladungen<br />
oder als Mitglieder offizieller Delegationen<br />
in begrenztem Umfang Unfallchirurgen<br />
<strong>und</strong> Orthopäden aus der DDR zu Kursen der<br />
AO nach Davos, zu den sogenannten Hüftkursen<br />
nach Bern <strong>und</strong> auch zu mehrwöchigen<br />
Klinikhospitationen in prominenten<br />
Schweizer AO-Kliniken <strong>und</strong> österreichischen<br />
Unfallkrankenhäusern reisen zu lassen <strong>und</strong><br />
ihnen damit wertvolle Fortbildung <strong>und</strong> zunehmende<br />
Spezialisierung in Unfallchirurgie<br />
<strong>und</strong> Orthopädie zu vermitteln. Dieser<br />
Zuwachs an Wissen <strong>und</strong> Erfahrung schlug<br />
sich unmittelbar in Klinik, wissenschaftlicher<br />
Arbeit, Aus-, Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />
nieder <strong>und</strong> kam sehr direkt den Patienten zu<br />
gute.<br />
Schlussbemerkung<br />
Die Sektion DDR der AO-International war<br />
<strong>und</strong> blieb bis zur <strong>Deutsche</strong>n Wiedervereinigung<br />
<strong>und</strong> der politischen Wende im<br />
Jahr 1989 in ganz Osteuropa die einzige<br />
nationale AO-Sektion <strong>und</strong> konnte ihren eigenständigen<br />
Beitrag zur gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />
Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> -ergebnisse mit den Methoden<br />
<strong>und</strong> Verfahren der AO leisten. Trotz unterschiedlicher<br />
politisch-ideologischer, organisatorischer<br />
<strong>und</strong> struktureller Bedingungen<br />
kann rückblickend mit einigem Stolz festgestellt<br />
werden, dass der unfallchirurgische<br />
Versorgungsstandard, der Wissens- <strong>und</strong><br />
Kenntnisstand <strong>und</strong> die Erfolge der ostdeutschen<br />
Unfallchirurgen denen in anderen<br />
europäischen Ländern mit nationalen AO-<br />
Sektionen durchaus vergleichbar waren <strong>und</strong><br />
dass von daher ohne Komplikationen oder<br />
Probleme die Integration der Mitglieder<br />
der DDR-Sektion in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />
der AO-Fo<strong>und</strong>ation möglich war. Die Verb<strong>und</strong>enheit<br />
mit der AO, ihrem Know-How<br />
<strong>und</strong> den hervorragenden Möglichkeiten der<br />
praktischen Umsetzung hat bei allen, die die<br />
hier aufgezeigte Entwicklung mit gestalten<br />
oder mit erleben durften, besonders tiefgehende<br />
Wurzeln.<br />
Prof. Dr. W. Otto<br />
Am Park 5<br />
06184 Kabelsketal<br />
OT Dieskau<br />
Prof. Dr. E. Markgraf<br />
Gillestr. 5<br />
07743 Jena<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 57
Sporttraumatologie in der DDR<br />
K. Franke<br />
Historische Vorbemerkungen<br />
Während in der letzten Dekade des 19. <strong>und</strong><br />
der ersten Dekade des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts die<br />
sportliche Betätigung durch Turnen, Radfahren,<br />
Fußballspielen, Schwimmen <strong>und</strong><br />
Leichtathletik zunehmend weite Kreise der<br />
deutschen Bevölkerung begeisterte, finden<br />
sich im Handbuch der Unfallerkrankungen<br />
von C. Thiem aus dem Jahre 1910 [1] nur<br />
relativ wenige Hinweise auf Verletzungen<br />
beim Sport. Unter ätiologischen Gesichtspunkten<br />
viel ergiebiger erscheinen bei<br />
Thiem die Sanitätsberichte der preußischen<br />
Armee (SBPA). In ihnen werden eine Vielzahl<br />
von Verletzungen beim Exerzieren, ‚Ausdauertraining’<br />
durch Marschieren <strong>und</strong> beim Reiten<br />
erwähnt, allerdings auch beim Turnen.<br />
Auf die dabei unfreiwillig überschrittene<br />
Grenzbelastbarkeit des Bindegewebes weisen<br />
einige der mitgeteilten Diagnosen hin,<br />
z. B. Spontanfrakturen des Femur, Marschfrakturen<br />
der Metatarsalia <strong>und</strong> Achillessehnenrupturen.<br />
Letztere sind mit sechs Zeilen<br />
abgehandelt, <strong>und</strong> es wird lediglich eine konservative<br />
Behandlung erwähnt.<br />
Dass es subjektiv viel angenehmer ist,<br />
vor dem Unfall Sport getrieben zu haben, als<br />
in einem militärischen Objekt gesch<strong>und</strong>en<br />
worden <strong>und</strong> dabei zu Schaden gekommen<br />
zu sein, können fast alle bestätigen, denen<br />
entsprechende Vergleichsmöglichkeiten zugemutet<br />
worden sind.<br />
Zwei Jahre nach der Gründung des „<strong>Deutsche</strong>n<br />
Reichskomitees zur Förderung der<br />
Leibesübungen“ anlässlich einer 1912 in<br />
Oberhof von F. Kraus geleiteten Tagung [2],<br />
erschien die erste deutschsprachige Monographie,<br />
welche Verletzungen beim Sport<br />
als ätiologische Entität berücksichtigte. Auf<br />
Besonderheiten in Therapie <strong>und</strong> Rehabilitation<br />
wurde in ihr jedoch kaum eingegangen.<br />
Verfasser des Buches „Sportverletzungen“<br />
war der Österreicher PD G. Freiherr v. Saar<br />
aus Innsbruck [3]. Er begründete im allgemeinen<br />
Teil, warum er gerade dieses Thema<br />
bearbeitet hatte:<br />
1. war der Zusammenhang zwischen Bewegung<br />
<strong>und</strong> Verletzung nach Sportunfällen<br />
klarer darzustellen;<br />
2. sind Sportler besser über den Unfallhergang<br />
orientiert als Handarbeiter <strong>und</strong><br />
3. bestehen Unterschiede im Heilungsverlauf.<br />
In dem nach Sportarten gegliederten speziellen<br />
Teil beschränkt sich v. Saar auf Diagnosen<br />
<strong>und</strong> klammert die Therapie weitgehend<br />
aus. Kennt man heutige Zahlen,<br />
erscheint es kaum glaubhaft, dass unter<br />
21.000 in Wien 1912 registrierten Unfällen<br />
nur 220, also ca. 1 % während sportlicher<br />
Betätigung entstanden sind. Unter diesen<br />
220 ereigneten sich 20 % beim Fußball,<br />
19 % beim Eislauf, 18 % beim Turnen … 6 %<br />
beim Rodeln <strong>und</strong> 5 % beim Skilauf. Die bei<br />
v. Saar aus der Literatur zitierten lediglich<br />
zwei Rupturen des vorderen Kreuzbandes<br />
(VKB) machen den epidemiologischen Wandel<br />
ebenso deutlich, wie die Zahlen bei den<br />
Meniskusverletzungen. Diese hatten sich zu<br />
80 % bei Bergleuten ereignet.<br />
Nach dem 1. Weltkrieg wuchs in Deutschland<br />
trotz der politisch <strong>und</strong> ökonomisch<br />
schwierigen Situation das Interesse am<br />
Sporttreiben. Hierzu trug sicher der Standpunkt<br />
des prominenten Chirurgen August<br />
Bier (1861–1949) bei, dass die körperliche<br />
Ertüchtigung eines Volkes auch seine nationale<br />
Stärke mitbedingt [2, 4]. Bier gründete<br />
jedenfalls die Reichsakademie für Leibesübungen<br />
<strong>und</strong> wurde ihr erster Präsident. Der<br />
August-Bier-Sportplatz auf dem Gelände<br />
des Berliner Olympiastadions erinnert an<br />
diese Ambition des Chirurgen.<br />
11 Jahre nach den „Sportverletzungen“<br />
von v. Saar greift erneut ein Österreicher das<br />
Thema auf. Von F. Mandl erscheint 1925 die<br />
„Chirurgie der Sportunfälle“ [5]. Dieser Monographie<br />
ist zu entnehmen, dass sich 80 %<br />
der in der Wiener Chirurgischen Univ. Klinik<br />
(v. Hochenegg) behandelten Sportunfälle<br />
beim Fußball ereignet hatten. Eine andere<br />
dort zitierte Quelle weist aus, dass bei 1.140<br />
Sportverletzungen in etwa der Hälfte das<br />
Geräteturnen ursächlich beteiligt war.<br />
Eine Dekade danach erscheinen etwa<br />
zeitgleich in Deutschland <strong>und</strong> Österreich<br />
weitere Monographien zum Thema Sportverletzungen<br />
[6, 8, 9]. Ätiologische Faktoren<br />
werden darin mit Hinweisen zur Prophylaxe<br />
verb<strong>und</strong>en.<br />
1936 stellt W. Baetzner die Folgen einer<br />
Fehlbelastung von Strukturen des Binde<strong>und</strong><br />
Stützgewebes durch Arbeit <strong>und</strong> Sport<br />
zur Diskussion [7]. Dieses Problem erlangte<br />
seit den 1960er Jahren eine zunehmende Bedeutung,<br />
seit immer aggressivere Trainingsmethoden<br />
<strong>und</strong> Wettkampfbelastungen die<br />
Grenzbereiche der Belastbarkeit des Binde<strong>und</strong><br />
Stützgewebes für das Individuum im<br />
Freizeit- <strong>und</strong> Spitzensport aufzeigten.<br />
Der 1932 in München bei E. Lexer für<br />
Sportmedizin habilitierte Chirurg Karl<br />
Gebhardt (1897–1948) publizierte 1933<br />
eine Monographie zum „Bandschaden des<br />
Kniegelenkes“ [10]. Durch sein Engagement<br />
für die NSDAP seit 1923 wurde er ärztlicher<br />
Leiter der Olympischen Spiele 1936 in Berlin.<br />
In deren Vorfeld berief man ihn 1935 zum<br />
ao. Professor <strong>und</strong> 1937 zum o. Professor <strong>und</strong><br />
Ordinarius für orthopädische Chirurgie an<br />
der Friedrich-Wilhelms-Universität [11]. Er<br />
missbrauchte seine fachliche Qualifikation,<br />
die ihn auch als Leiter des Sanatoriums für<br />
Sportverletzte in Hohenlychen auswies, für<br />
Menschenversuche an Häftlingen des KZ<br />
Ravensbrück. Dafür wurde er in Nürnberg<br />
zum Tode verurteilt <strong>und</strong> hingerichtet [12].<br />
Der Oberarzt von K. Gebhardt in Hohenlychen,<br />
Frowalt Heiß, habilitierte sich bei<br />
seinem Chef <strong>und</strong> setzte nach 1945 seine<br />
Laufbahn als Leiter des Sanatoriums für<br />
Sportverletzte in Stuttgart-Bad Cannstatt<br />
fort [2].<br />
Übergangszeit nach 1945<br />
Von den aus früherer Zeit an sporttraumatologischen<br />
Problemen interessierten Chirurgen<br />
<strong>und</strong> Orthopäden waren nach 1945<br />
nur wenige in der sowjetischen Besatzungszone<br />
(SBZ) verblieben. Nach Gründung der<br />
DDR am 7. Oktober 1949 sind mir von diesen<br />
in Erinnerung Prof. Frosch (Arnstadt),<br />
der spätere Prof. H. H. Schnelle (Halle) <strong>und</strong><br />
Dr. H. Eckhardt (Wernigerode). Ferner wäre<br />
noch Prof. A. Arnold zu nennen, der vor dem<br />
2. Weltkrieg in Leipzig Sportmedizin lehrte<br />
<strong>und</strong> nach 1945 das Sanatorium im Thermalbad<br />
Wiesenbad leitete [2].<br />
Im kriegszerstörten <strong>und</strong> in Besatzungszonen<br />
aufgeteilten Deutschland, mit dem<br />
Hunger als Massenerscheinung, war Sport<br />
wahrlich nicht das primäre Bedürfnis.<br />
Dennoch fanden bereits im Sommer 1945<br />
Fußballspiele zwischen alliierten Soldaten<br />
<strong>und</strong> <strong>Deutsche</strong>n statt [13]. In der SBZ<br />
auf kommunaler Ebene organisiert, nahm<br />
in den folgenden Jahren das Interesse an<br />
sportlicher Betätigung wieder kontinuierlich<br />
zu. Das führte 1948 zur Gründung des<br />
<strong>Deutsche</strong>n Sportausschusses. Die ärztliche<br />
Betreuung war zu dieser Zeit von lokalen<br />
Gegebenheiten <strong>und</strong> individuellen Möglichkeiten<br />
abhängig. Der Hausarzt überwies<br />
Verletzungen, die seine Kompetenz überschritten,<br />
zur Behandlung dem Chirurgen<br />
58<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
oder Orthopäden, also meistens ins örtliche<br />
Krankenhaus. Daraus erwuchsen bei<br />
sporttreibenden jungen Ärzten oder älteren<br />
Studenten Interessen für die medizinischen<br />
Probleme beim Sport, die manche mit der<br />
später gewählten Fachrichtung koordinierten.<br />
Bis in die frühen 1950er Jahre war<br />
dieses Vorgehen landesweit üblich, wobei<br />
sich regional Profilierungen abzeichneten<br />
<strong>und</strong> dadurch zu einer größeren Frequenz<br />
von Sportverletzungen in der einen oder<br />
anderen Einrichtung führten. Das kann der<br />
Autor auch über die eigene diesbezügliche<br />
Entwicklung mitteilen: Die 1956 fachlich<br />
selbständig gewordene Unfallklinik des<br />
Städt. Krankenhauses im Friedrichshain (ÄD<br />
Prof. H. Klose) erfreute sich bei Sportverletzten<br />
eines zunehmend guten Rufes. Ihr Chefarzt<br />
PD B. Janik hatte sich 1954 über Kreuzbandverletzungen<br />
(n=48!) habilitiert <strong>und</strong><br />
genoss nicht nur in Berlin einen sehr guten<br />
Ruf. Davon zehrten auch seine Assistenten<br />
P. Fabian, K. Franke <strong>und</strong> G. Welsch, die in der<br />
Jugend <strong>und</strong> während des Studiums aktive<br />
Sportler waren. Sie erarbeiteten eine „Traumatologie<br />
des Sports“, die 1959 zum 80. Geburtstag<br />
von H. Klose im Sportverlag Berlin<br />
erschien. Als Herausgeber zeichnete aber<br />
dann ein ‚Autorenkollektiv’, da P. Fabian <strong>und</strong><br />
Prof. B. Janik die DDR verlassen hatten.<br />
Aufbau einer staatlich organisierten<br />
sportmedizinischen Betreuung [14]<br />
Der größer werdenden Zahl aktiver Sportler<br />
bei Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen<br />
trug das staatliche Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
durch eine Reihe von Anordnungen Rechnung,<br />
welche die Qualität der ärztlichen<br />
Betreuung von organisiert Sporttreibenden<br />
verbessern sollten. Das waren<br />
– 1953 die Anordnung über Organisation<br />
<strong>und</strong> Durchführung der sportärztlichen Betreuung<br />
in Kreisen <strong>und</strong> Bezirken, mit der<br />
die Einrichtung sportärztlicher Beratungsstellen<br />
in den Kreisen <strong>und</strong> Bezirken der<br />
DDR begann;<br />
– 1956 eine Anordnung über die Befreiung<br />
vom Turn- <strong>und</strong> Sportunterricht;<br />
– 1956 die Anordnung über die staatliche<br />
Anerkennung als Sportarzt, wofür insgesamt<br />
sechs Lehrgangswochen erforderlich<br />
waren, davon eine mit unfallchirurgisch/<br />
orthopädischen Inhalten;<br />
– 1963 die Anordnung über die Weiterbildung<br />
zum Facharzt für Sportmedizin<br />
in fünf Jahren, davon ein Jahr stationär<br />
unfallchirurgisch-orthopädisch. Anpassungen<br />
der Weiterbildungsordnung erfolgten<br />
1965, 1972 <strong>und</strong> 1980;<br />
– 1963 die Gründung des Sportmedizinischen<br />
Dienstes (SMD) der DDR. Dieser war<br />
in die Bereiche Breitensport, Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendsport <strong>und</strong> Leistungssport gegliedert.<br />
Chefarzt wurde G. Welsch, nach seinem<br />
Unfalltod 1976 D. Hannemann.<br />
Abb. 1 Teilnahme am Kongress der österreichischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie 1971.<br />
Aus: Privatarchiv K. Franke<br />
Bis genügend Fachärzte ausgebildet waren,<br />
wurden die meisten sportmedizinischen<br />
Aufgaben nebenamtlich ausgeführt, d. h.<br />
von ambulant oder klinisch Tätigen, die<br />
Honorarverträge beim SMD erhielten. Da<br />
Sportler primär ges<strong>und</strong> waren <strong>und</strong> meist<br />
nicht simulierten, war ihre prophylaktische<br />
Betreuung subjektiv natürlich angenehmer,<br />
als z. B der Nachtdienst in einer Rettungsstelle.<br />
Im Breitensport sowie im Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendsport war jährlich eine ärztliche<br />
Untersuchung vorgeschrieben. Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendliche mit besonderen sportlichen<br />
Talenten wurden entweder in Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendsportschulen unterrichtet oder außerschulisch<br />
in Förderstufen zusammengefasst.<br />
Auch ihre regelmäßige sportmedizinische<br />
Kontrolle war gesichert. Bis 1990<br />
blieben diese traditionellen Möglichkeiten<br />
zur Behandlung von Sportverletzten erhalten,<br />
die von den fachlichen Voraussetzungen<br />
im Territorium abhängig waren.<br />
Die gut ausgebildeten Sportmediziner<br />
konnten das einschätzen <strong>und</strong> besaßen zudem<br />
seit 1967 mit den Konsiliarkliniken des<br />
SMD in der Chirurgischen Klinik des Städt.<br />
Krankenhauses Pankow (K. Franke) <strong>und</strong> der<br />
Orthopädischen Klinik Bad Düben (D. Jungmichel)<br />
eine Möglichkeit, in Zweifelsfällen<br />
dort Patienten vorzustellen. Für Leistungssportler<br />
war das Konsilium in Pankow oder<br />
Bad Düben verbindlich für den Fall vorgeschrieben,<br />
dass der betreuende Sportmediziner<br />
Probleme für die Wiederherstellung<br />
der sportlichen Leistungsfähigkeit sah. Als<br />
B. Paul 1984 nach Rostock berufen wurde,<br />
erhielt die unfallchirurgische Abteilung der<br />
dortigen Chirurgischen Universitätsklinik<br />
ebenfalls den Konsiliarstatus für den SMD.<br />
Die Angehörigen der Armee-Sportvereinigungen<br />
wurden bei Verletzungen<br />
zunächst in den Lazaretten der NVA behandelt.<br />
Im Bedarfsfall konnten sie in den<br />
sporttraumatologischen Abteilungen in<br />
Bad Düben <strong>und</strong> Pankow vorgestellt werden.<br />
Die SV Dynamo besaß seit 1966 eine eigene<br />
sportmedizinische Hauptberatungsstelle in<br />
Berlin (H. Wuschech, ab 1978 E. Ahrendt).<br />
Diese hatte nach baulicher Erweiterung ab<br />
1972 auch Möglichkeiten zur chirurgischstationären<br />
Behandlung von Sportverletzten<br />
(zwei Op.-Säle, 25 Betten).<br />
Die poststationäre Behandlung verletzter<br />
Leistungssportler erfolgte zentralisiert im<br />
1962 gegründeten Rehabilitationszentrum<br />
Kreischa bei Dresden, einem ehemaligen<br />
Krankenhaus der Wismut A.G. Es wurde<br />
großzügig um ein Bettenhaus, Sportanlagen<br />
<strong>und</strong> Labore zur Bestimmung leistungsphysiologischer<br />
Parameter erweitert (Direktor:<br />
S. E. Strauzenberg, Traumatologie: J. Weber)<br />
[14]. Die Qualität der dort geleisteten Arbeit<br />
ist auch daraus ersichtlich, dass die Einrichtung<br />
1991 durch ein BRD-Konsortium übernommen<br />
<strong>und</strong> zu einer 1000-Betten-Rehabilitationsklinik<br />
ausgebaut wurde.<br />
Seit 1970 bestand bei der Leitung des<br />
SMD eine zentrale Gutachterkommission,<br />
deren Vorsitz der Chefarzt des SMD oder<br />
sein Vertreter führten, ohne dass sie selbst<br />
Gutachten erstellten. Die Mitglieder der<br />
Kommission hatten versicherungsrelevante<br />
Schäden zu beurteilen, deren Ursachen<br />
schwerpunktmäßig im Leistungssport des<br />
zivilen Bereiches zu suchen waren. Die ASV<br />
Vorwärts <strong>und</strong> die SV Dynamo hatten für diesen<br />
Zweck eigene Gremien. Gelegentlich erfolgte<br />
ein Austausch über fachliche Fragen.<br />
Wegen der bei Sportlern vorherrschenden<br />
Gründe für ein Gutachten, nämlich die Folgen<br />
eines Traumas <strong>und</strong>/oder einer Fehlbelastung<br />
des Binde- <strong>und</strong> Stützgewebes, waren<br />
ausschließlich Unfallchirurgen <strong>und</strong> Orthopäden<br />
in dieser Kommission vertreten (K.<br />
Franke – Berlin, B. Paul – Berlin bzw. Rostock,<br />
J. Weber – Kreischa, D. Jungmichel – Bad<br />
Düben, H. Schmidt – Leipzig). Gutachten<br />
zu Schadensfällen bei Sportlern, die andere<br />
Fächer der Medizin betrafen (z. B. Innere,<br />
HNO, Augen, Psychiatrie), machten weniger<br />
als 5 % aus. Sie wurden von den hierzu beauftragten<br />
Spezialisten erstellt <strong>und</strong> in der<br />
Kommission entschieden. Aus eigener Erinnerung<br />
ist festzustellen, dass sich unter den<br />
von der Kommission des SMD begutachteten<br />
Schadensfällen keine befanden, die auf<br />
den Missbrauch von Pharmaka zurückzuführen<br />
gewesen wären.<br />
Die Konzentration sporttraumatologischer<br />
Problempatienten in der DDR ermöglichte<br />
relevante Aussagen zur Prophylaxe, optimalen<br />
Therapie <strong>und</strong> Rehabilitation unter<br />
dem Blickwinkel der Wiederherstellung<br />
der sportlichen Leistungsfähigkeit. Hierzu<br />
dienten Vorträge auf Tagungen von Sportmedizinern,<br />
Unfallchirurgen ( Abb. 1) <strong>und</strong><br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 59
Abb. 2 Fahrt durch den Spreewald nach der AO-Tagung in Cottbus, Sep. 1973. Von links: 1. Reihe: PD<br />
Paul (Dresden) – K. Franke; 2. Reihe: Frau Paul – Dr. Bernhard (Dresden) – Frau Bernhard; 3. Reihe: OMR<br />
Dr. Welz (Cottbus) – Prof. Wehner (Karl-Marx-Stadt) – Frau Prof. Arzinger (Leipzig); 4. Reihe: Frau Welz –<br />
Prof. Szyszkowitz (Graz) – Frau Szyszkowitz; 5. Reihe: Prof. Willenegger (Liestal) – Prof. Seyfarth (Leipzig)<br />
– Prof. Schneider (Biel); 6. Reihe: Prof. Sander (Halle) – Frau Sander – Prof. Otto (Halle)<br />
Aus: Privatarchiv K. Franke<br />
Abb. 3 Franke K. Traumatologie des Sports.<br />
3. Aufl. Berlin: Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1986<br />
Abb. 4 Franke K, Unger RR, Paul B. Das Schädel-<br />
Hirntrauma in der Notfallpraxis; 2. Aufl. Berlin:<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978<br />
Abb. 5 Arthroskopie-Hospitation im Massachusetts General Hospital in Boston, Feb. 1980. Auch dort<br />
waren noch Röhren-Kameras von der Größe eines halben Schuhkartons in Gebrauch!<br />
Aus: Privatarchiv K. Franke<br />
Orthopäden, ferner auf Lehrgängen der<br />
Akademie für ärztliche Fortbildung (AfÄF<br />
– Abb. 2). Publikationen in Zeitschriften<br />
<strong>und</strong> als Monographien ( Abb. 3, 4, 6) sind<br />
ebenfalls zu erwähnen. Als ein Forum für<br />
die Verallgemeinerung unserer sporttraumatologischen<br />
Erfahrungen sahen wir die<br />
seit 1975 im Krankenhaus Pankow organisierte<br />
„Berliner Woche für Traumatologie“<br />
( Abb. 9) an, die bis 1988 unter Mitwirkung<br />
der Berliner unfallchirurgischen<br />
Kliniken durchgeführt wurde. Nachdem<br />
drei Berliner Kliniken mit sporttraumatologischen<br />
Ambitionen auf verschiedenen Importwegen<br />
1980 ein Arthroskop ( Abb. 5)<br />
erhielten (Pankow/K. Franke, Weißensee/H.<br />
Wuschech, Dynamo/E.Ahrendt), konnten<br />
wir in den Folgejahren vielen Kollegen aus<br />
allen Bezirken der DDR bei Hospitationen<br />
<strong>und</strong> Vorträgen erste praktische Erfahrungen<br />
mit dieser neuen Methode vermitteln. Nach<br />
1990 war das für sie ohne Zweifel von Nutzen.<br />
Bezüglich der Weiterbildung ist zu erwähnen,<br />
dass unter Schirmherrschaft der<br />
FIMS (Fédération Internationale de Médicine<br />
Sportive) 1973, 1979 <strong>und</strong> 1982 in Rostock<br />
Lehrgänge für Sportmediziner aus den<br />
Entwicklungsländern stattfanden, wo auch<br />
die Arbeitsmethoden <strong>und</strong> -ergebnisse der<br />
DDR-Sporttraumatologen vorgetragen wurden.<br />
Die ges<strong>und</strong>heitliche Betreuung von Leistungssportlern<br />
erfolgte nach bestimmten<br />
Richtlinien. Eine freie Arztwahl war dementsprechend<br />
im Allgemeinen nicht gegeben.<br />
Das trug jedoch zum Optimieren medizinischer<br />
Maßnahmen aller Art bei <strong>und</strong> bot<br />
damit beste Voraussetzungen für den angestrebten<br />
weiteren sportlichen Erfolg. Heimliche<br />
Konsultationen bei ‚W<strong>und</strong>erheilern’,<br />
die BRD-Sportmediziner immer als abträglich<br />
für ihre Aufgaben bezeichneten, waren<br />
in der DDR praktisch nicht möglich.<br />
Die Einrichtungen des staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />
welche in Belange des SMD<br />
durch Kooperationsverträge eingeb<strong>und</strong>en<br />
worden waren, kamen in den Genuss von<br />
zwei in damaliger Zeit wichtigen Vorteilen:<br />
1. wurden ihnen zusätzliche Planstellen<br />
(Ärzte, Schwestern, Physiotherapeuten)<br />
bewilligt <strong>und</strong><br />
2. erhielten sie die für zusätzlich übernommene<br />
Aufgaben benötigten Geräte, Instrumente<br />
<strong>und</strong> Verbrauchsmaterialien<br />
außerhalb der klinikeigenen Planung,<br />
evtl. sogar aus Importen.<br />
Da das relativ kleine Krankenhaus Pankow<br />
auch über geringere Mittel <strong>und</strong> weniger<br />
Planstellen verfügte als größere Einrichtungen,<br />
konnte durch die „Liaison“ mit<br />
dem SMD unsere tägliche Arbeit optimiert<br />
werden. Von medizin-ethischer Bedeutung<br />
60<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
erscheint dabei der Fakt, dass alle zur Verfügung<br />
gestellten Geräte <strong>und</strong> Materialien<br />
auch uneingeschränkt zur Versorgung von<br />
anderen, nicht über den SMD eingewiesenen<br />
Patienten verwendet werden konnten.<br />
Da nur etwa 10 % der im Krkhs. Pankow<br />
behandelten unfallchirurgischen Patienten<br />
Spitzensportler der SMD-Nomenklatur waren,<br />
kann man wohl zweifelsfrei von einer<br />
Kooperation zum allseitigen Nutzen sprechen.<br />
Da auch viele verletzte Freizeitsportler<br />
aus Berlin <strong>und</strong> dem Umland zu uns kamen,<br />
ergaben sich aus der Anzahl der Patienten<br />
<strong>und</strong> der Art ihrer Verletzungen oder Fehlbelastungsfolgen<br />
relevante Schlussfolgerungen<br />
für Prophylaxe <strong>und</strong> Therapie. Zur<br />
„Spezialstrecke“ entwickelte sich in Pankow<br />
die Behandlung von Läsionen des Kniegelenkes<br />
(Menisken, Bänder, Knorpel), was<br />
auch anderenorts der sporttraumatologischen<br />
Realität entsprach. Daraus ergaben<br />
sich die nachstehend genannten wissenschaftlichen<br />
Analysen <strong>und</strong> praxisrelevanten<br />
Schlussfolgerungen:<br />
– Knorpelschäden unterschiedlichen<br />
Schweregrades wurden bei Arthrotomien<br />
<strong>und</strong> später auch bei Arthroskopien in<br />
jährlich zunehmender Prozentzahl festgestellt,<br />
zuletzt bei 78 % der operierten<br />
Kniegelenke. Falls hierfür ursächlich keine<br />
gestörte Biomechanik wie bei einer Meniskus-<br />
oder Bänderläsion gegeben war,<br />
kam als Ursache nur das Missverhältnis<br />
zwischen Belastbarkeit <strong>und</strong> tatsächlicher<br />
Belastung in Frage. Wir konnten in den<br />
frühen 1970er Jahren als einen Gr<strong>und</strong> ermitteln,<br />
dass die bei älteren Kindern <strong>und</strong><br />
Jugendlichen als Krafttraining durchgeführten<br />
Tiefkniebeugen bzw. Hock-Streck-<br />
Sprünge mit Gewichtsbelastung geradezu<br />
Gift für den Gelenkknorpel sein können.<br />
Unsere diesbezügliche Intervention bei der<br />
Leitung des SMD bewirkte eine Änderung<br />
der Trainingsprogramme. Die an der Praxis<br />
orientierte wissenschaftliche Bearbeitung<br />
des Themas (mehrere Promotionen, Habilitation<br />
von B. Paul 1980) ergab neben den<br />
vorstehend genannten Veränderungen<br />
im Krafttraining noch Empfehlungen für<br />
die operative/arthroskopische Entfernung<br />
veränderten Knorpels, für medikamentöse<br />
Adjuvantien <strong>und</strong> für die Rehabilitation.<br />
– Verletzungen der Kreuzbänder wurden<br />
in zunehmender Zahl in Pankow behandelt.<br />
Ab 1966 folgten wir vorzugsweise<br />
der Empfehlung von H. Brückner (1964),<br />
ein gestielt bleibendes Drittel des Lig. patellae<br />
für den plastischen Ersatz des VKB<br />
zu verwenden. Wir modifizierten das Verfahren,<br />
indem ein freies Transplantat mit<br />
Knochenblöcken an beiden Enden gebildet<br />
wurde. Die Ergebnisse der ersten Serie<br />
von 207 VKB-Ersatzplastiken konnte 1979<br />
( Abb. 7) vorgestellt werden. P. Hertel hat<br />
Abb. 6 Franke K. Kritik des Boxsports aus ärztlicher Sicht; Vortragsreferat 15.12.1969; Berliner Chirurg.<br />
Ges.<br />
Abb. 7 Franke K. Erfahrungsbericht über 200 Operationen zum Kreuzbandersatz durch ein freies<br />
Transplantat aus dem Ligamentum patellae; Kongressbericht Int. Soc. of the Knee, Lyon, 24.–<br />
27.04.1979<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 61
das Verfahren mit seiner press-fit-Technik<br />
weiter vervollkommnet. Wir haben seit<br />
etwa 1980 propagiert, Bänderläsionen am<br />
Kniegelenk primär, möglichst innerhalb<br />
von drei Tagen nach dem Unfall zu operieren.<br />
Damit sollte dem Knorpelschaden infolge<br />
einer über längere Zeit gestörten Biomechanik<br />
vorgebeugt werden. Es gelang<br />
uns, von anfänglich 5 % primärer Operationen<br />
auf einen 30 %-Anteil zu kommen.<br />
– Die operative Behandlung der rezidivierenden<br />
Patellaluxation wurde in Pankow<br />
nach dem Verfahren von Roux (1886),<br />
mitunter in Kombination mit der Methode<br />
von H. Brückner (1970) durchgeführt.<br />
Bei 200 solcherart Operierten wurde das<br />
Ergebnis in zwei konsekutiven Serien im<br />
Rahmen von Promotionsschriften analysiert<br />
(Ch. Zastrow 1987, K. Senst 1994):<br />
bei 95 % fand sich ein gutes Ergebnis.<br />
Weitere praxisrelevante Erfahrungen aus<br />
der Sporttraumatologie jener Jahre waren:<br />
– die möglichst frühe Bewegung operierter<br />
Gelenke mittels Motorschiene,<br />
– Versuch des Erhaltens der antrainierten<br />
kardiopulmonalen <strong>und</strong> muskulären Leistungsfähigkeit<br />
durch frühzeitige Belastung<br />
nicht operierter Regionen (Expander,<br />
Fahrrad- oder Drehkurbelergometer).<br />
Hierfür fanden Beratungen durch extern<br />
tätige Sportmediziner statt.<br />
Die Analyse der Ergebnisse unserer Arbeit<br />
führte zu einer Reihe von Promotionen von<br />
Mitarbeitern des eigenen Bereiches bei<br />
der AfÄF, wo wir den Status einer Weiterbildungsklinik<br />
besaßen. Im Rahmen dieser<br />
Aufgabe organisierten wir weiterhin<br />
– die Berliner Woche für Traumatologie<br />
(1974–1988; Abb. 9),<br />
– Hospitationen von Interessenten zu Problemen<br />
der Sporttraumatologie ( Abb. 8) <strong>und</strong><br />
– die Betreuung von Promotionen <strong>und</strong> Habilitationen<br />
aus anderen Bereichen des<br />
staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens (insgesamt<br />
81 Promotionen A <strong>und</strong> 11 Promotionen<br />
B = Habilitation).<br />
Wissenschaftliche Publikationen zur<br />
Sporttraumatologie in der DDR<br />
– Die Zeitschrift Medizin <strong>und</strong> Sport erschien<br />
ab 01.03.1961 zweimonatlich <strong>und</strong> ab<br />
1965 monatlich als Organ der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Sportmedizin der DDR <strong>und</strong> des<br />
SMD mit einer Auflage von zuletzt 1.750<br />
Exemplaren (Chefredakteur 1961–1980:<br />
K. Franke, 1981–1990: W. Bringmann). Ab<br />
1991 ging sie in der <strong>Deutsche</strong>n Zeitschrift<br />
für Sportmedizin auf. Der Inhalt von Medizin<br />
<strong>und</strong> Sport galt zu etwa einem Drittel<br />
unfallchirurgischen <strong>und</strong> orthopädischen<br />
Themen, die Bezug zu Sport <strong>und</strong> Rehabilitation<br />
besaßen. Mit Übersichtsarbeiten<br />
<strong>und</strong> Kongressberichten wurde dem Anliegen<br />
der Weiterbildung zum Facharzt<br />
entsprochen. Autoren aus dem Ausland<br />
kamen auf Anforderung oder spontan zu<br />
Wort.<br />
– Monographien entsprachen neben dem<br />
Anspruch auf Wissenschaftlichkeit auch<br />
stets dem Weiterbildungsanliegen. Auf<br />
die 1959 erschienene Traumatologie des<br />
Sports eines Autorenkollektivs wurde bereits<br />
hingewiesen.<br />
1977 erschien, von K. Franke herausgegeben,<br />
erneut eine Traumatologie des Sports.<br />
Von dieser 1. Auflage wurde in Italien ein<br />
„Raubdruck“ hergestellt. Die 2. Auflage erschien<br />
1980 bei Volk & Ges<strong>und</strong>heit in Berlin<br />
<strong>und</strong> als Lizenzausgabe bei Thieme, Stuttgart.<br />
Sie wurde in der UdSSR übersetzt <strong>und</strong><br />
nachgedruckt. Die 3. überarbeitete Auflage<br />
(Abb. 4) erschien dann 1986 wieder in Berlin<br />
<strong>und</strong> Stuttgart unter Mitarbeit von A. Franke<br />
(Epidemiologie), R. Müller (Rückenmark <strong>und</strong><br />
peripheres Nervensystem), sowie J. Weber,<br />
H. Brenke <strong>und</strong> L. Dietrich/Kreischa (Rehabilitation).<br />
Die in der 3. Auflage ca. 1.000<br />
zitierten Quellen sind zu erwähnen.<br />
Mit sporttraumatologischem <strong>und</strong> -orthopädischem<br />
Inhalt erschienen weiterhin:<br />
Arnold A. Lehrbuch der Sportmedizin.<br />
2. Aufl. Leipzig: J. A. Barth; 1960<br />
Schmidt H. Orthopädie im Sport. Leipzig: J.<br />
A. Barth; 1972<br />
Arndt KH. Achillessehnenruptur <strong>und</strong> Sport.<br />
Leipzig: J. A. Barth; 1976<br />
Ehricht HG. Die Wirbelsäule in der Sportmedizin;<br />
Leipzig: J. A. Barth; 1978<br />
Tittel K. Sprunggelenke im Sport; Tagungsbericht<br />
Dresden 1982 in Medizin <strong>und</strong> Sport<br />
H.1/2; 1983<br />
Abb. 8 „Kniekurs in Pankow“, 16.-21.11.1981 – Dank der finnischen Gäste<br />
Abb. 9 Programm der 11. Berliner Woche für<br />
Traumatologie, 17.–21.11.1986<br />
62<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Zusammenfassung<br />
Nach einer Übersicht zur Entwicklung der<br />
Sporttraumatologie im deutschsprachigen<br />
Raum bis 1945 wird deren fachliche Gestaltung<br />
<strong>und</strong> organisatorische Struktur im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
der DDR abgehandelt. Als<br />
Positiva werden angeführt:<br />
– Einbindung von Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie<br />
in die staatliche Anerkennung<br />
als Sportarzt (1956) <strong>und</strong> in die Weiterbildung<br />
zum Facharzt für Sportmedizin<br />
(1963);<br />
– Einbeziehen territorialer Kliniken in die<br />
Betreuung verletzter Sportler. Nur die SV<br />
Dynamo besaß eine eigene sporttraumatologisch-klinische<br />
Abteilung;<br />
– zentralisierte Rehabilitation verletzter Leistungssportler<br />
in Kreischa;<br />
– zentralisierte Begutachtung versicherungsrelevanter<br />
Fehlbelastungsfolgen<br />
<strong>und</strong> Verletzungen beim Sport;<br />
– Einbinden sporttraumatologischer Erkenntnisse<br />
in die Weiterbildung (AfÄF);<br />
– Vorteile in der materiell-technischen Versorgung<br />
für Vertragspartner des SMD.<br />
Monographien zur Geschichte<br />
der Sporttraumatologie:<br />
1. Thiem C. Handbuch der Unfallerkrankungen.<br />
2. Aufl. Stuttgart: Enke; 1910<br />
2. Arnold A. Lehrbuch der Sportmedizin.<br />
2. Aufl. Leipzig: J. A. Barth; 1960<br />
3. v. Saar G. Sportverletzungen. Stuttgart:<br />
Enke; 1914<br />
4. Czymek G. A. Bier. In: Posterausstellung<br />
Berliner Chirurgische <strong>Gesellschaft</strong>, Tagung<br />
16.–18.02.2006<br />
5. Mandl F. Chirurgie der Sportunfälle.<br />
Wien: Urban & Schwarzenberg; 1925<br />
6. Wachsmuth W, Wölk H. Über Sportunfälle<br />
<strong>und</strong> Sportschäden. Leipzig: Thieme; 1935<br />
7. Baetzner W. Sport- <strong>und</strong> Arbeitsschäden.<br />
Leipzig: Thieme; 1936<br />
8. Breitner B. Sportschäden <strong>und</strong> Sportverletzungen.<br />
2. Aufl. Stuttgart: Enke; 1953<br />
9. Petitpierre M. Wintersportverletzungen.<br />
Stuttgart: Enke; 1939<br />
10. Gebhardt K. Der Bandschaden des Kniegelenkes.<br />
Leipzig: J. A. Barth; 1933<br />
11. David H. „… es soll das Haus die Charité<br />
heißen …“. Hamburg: akademos Verlag;<br />
2004<br />
12. Kater MH. Ärzte als Hitlers Helfer. München:<br />
Piper; 2002<br />
Monographien zur Sportmedizin<br />
in der DDR:<br />
13. Wonneberger G, Westphal H, et al. Geschichte<br />
des DDR-Sports. Berlin: Spotless;<br />
2002<br />
14. Strauzenberg SE, Gürtler H. Die Sportmedizin<br />
in der DDR. Dresden: Saxonia Verlag;<br />
2005<br />
Prof. Dr. K. Franke<br />
Kleine Homeyerstr. 4<br />
13156 Berlin<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 63
Voraussetzungen für die operative<br />
Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie in<br />
der DDR<br />
W. Otto<br />
In den letzten 40er, den 50er <strong>und</strong> den frühen<br />
60er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts standen<br />
für die operative Behandlung von Verletzungen,<br />
Erkrankungen, Fehlstellungen<br />
<strong>und</strong> -bildungen im Osten Deutschlands, der<br />
späteren DDR, Implantate <strong>und</strong> Instrumente<br />
etwa in dem Umfang <strong>und</strong> der Qualität zur<br />
Verfügung, wie sie großen Teils auch schon<br />
vor dem zweiten Weltkrieg in Zentraleuropa<br />
benutzt worden waren. In dieser Zeit wurden<br />
erste Fortschritte auf dem Gebiet der<br />
Forschung zur Knochenheilung <strong>und</strong> dem<br />
jeweils erforderlichen Bedingungsgefüge<br />
erreicht. Auch der prothetische Ersatz von<br />
Gelenken oder Gelenkanteilen fand zunehmendes<br />
Interesse <strong>und</strong> wurde zur Anwendungsreife<br />
gebracht. Aufgabenteilung <strong>und</strong><br />
Spezialisierung waren die Gr<strong>und</strong>lage für die<br />
Zuständigkeiten zwischen Unfallchirurgen<br />
<strong>und</strong> Orthopäden, in Abhängigkeit von der<br />
lokalen oder regionalen Konstellation.<br />
Instrumente <strong>und</strong> Implantate<br />
für die Osteosynthese<br />
Während des 2. Weltkrieges <strong>und</strong> in den Jahren<br />
danach hat der Küntscher-Nagel seine<br />
Einführung <strong>und</strong> anschließend eine so weit<br />
gehende Verbreitung gef<strong>und</strong>en, dass er<br />
zur Behandlung der Schaftfrakturen großer<br />
Röhrenknochen genutzt werden konnte.<br />
Drei-Lamellen- <strong>und</strong> andere Schenkelhals-<br />
Nägel mit oder ohne Lasche, der Lezius-Nagel,<br />
der Y- oder Trochanternagel nach Küntscher,<br />
einzelne oder gebündelte Kirschner-<br />
Drähte <strong>und</strong> Rush-Pins dienten der inneren<br />
Schienung. Bei den beiden letzteren erwartete<br />
man eine elastische Verklemmung. Die<br />
damit erreichte Stabilität genügte jedoch<br />
häufig nicht, um Komplikationen im Heilungsverlauf<br />
zu vermeiden <strong>und</strong> die Erfolgschancen<br />
spürbar zu verbessern. Einzelne<br />
Schrauben, den üblichen Holz-Schrauben in<br />
Material <strong>und</strong> Form entsprechend, wurden<br />
für die Adaptation von Fragmenten verwendet.<br />
Gleiches gilt für Kirschner-Drähte,<br />
Cerclagen, <strong>und</strong> Hemicerclagen. Auch lyophilisierte<br />
Knochenspäne <strong>und</strong> Fremdmaterialien,<br />
wie Holz, Elfenbein, Plexiglas wurden<br />
als innere Verbindungs- <strong>und</strong>/oder Überbrückungsmaterialien<br />
erprobt. Die Erfolge waren<br />
zweifelhaft bis katastrophal!<br />
Die genannten Implantate <strong>und</strong> die dazu<br />
benötigten Instrumente wurden im Osten<br />
Deutschlands, also der DDR, im VEB Medizin-Mechanik<br />
Suhl <strong>und</strong> in kleineren metallverarbeitenden<br />
Betrieben überwiegend<br />
in Thüringen <strong>und</strong> Sachsen hergestellt. Es<br />
bestand jedoch bei Ihrer Anwendung ein<br />
hohes therapeutisches Risiko, besonders bei<br />
Problemfrakturen mit ausgedehnten Weichteilschäden<br />
<strong>und</strong> längerstreckigen, mehrfragmentären<br />
strukturellen Zerstörungen. Ganz<br />
besonders problematisch war die Situation<br />
bei kontaminierten offenen Verletzungen<br />
oder sich anbahnenden oder bereits manifesten<br />
Infektionen. Durch die von der AO der<br />
Schweiz inaugurierte stabile Osteosynthese,<br />
mit den speziell dafür entwickelten Implantaten<br />
(Schrauben <strong>und</strong> Platten) <strong>und</strong> den<br />
für deren prinzipiengerechte Einbringung<br />
notwendigen Instrumentensätzen, konnten<br />
geradezu revolutionäre Verbesserungen auf<br />
diesem Feld erreicht werden. Mit der Einführung<br />
von zunächst 12 Gr<strong>und</strong>instrumentarien<br />
<strong>und</strong> Implantatesätzen für die von der AO<br />
entwickelten Platten- <strong>und</strong> Schrauben- Osteosynthesen<br />
<strong>und</strong> Fixateur-externe-Versorgungen<br />
in den späten 60er <strong>und</strong> frühen 70er<br />
Jahren konnte diese Entwicklung auch bei<br />
uns nachvollzogen werden. Zum Bedauern<br />
der seinerzeit in der Unfallchirurgie Tätigen<br />
wurde die Genehmigung zum Import der<br />
Marknägel nicht erteilt. Es gelang jedoch, die<br />
Kliniken mit den Markraumbohrsystemen<br />
der AO, pressluftgetrieben <strong>und</strong> mit flexiblen<br />
Bohrwellen, auszustatten. Dazu gehörten<br />
ebenfalls Ein- <strong>und</strong> Ausschlaginstrumente,<br />
die ohne die zugehörigen Implantate allerdings<br />
nicht verwendet werden konnten. Als<br />
Implantate mussten nämlich die in der DDR<br />
hergestellten „Küntscher-Nägel“ verwendet<br />
werden, jene in ganzer Länge geschlitzten,<br />
im Querschnitt kleeblattförmig gestalteten<br />
„Rohre“.<br />
Die Verteilung der Gr<strong>und</strong>ausstattungen<br />
erfolgte planmäßig flächendeckend über<br />
das gesamte Gebiet der DDR, wobei der<br />
Nachweis qualifizierter unfallchirurgischer<br />
Erfahrung <strong>und</strong> die Teilnahme an den Einführungsveranstaltungen<br />
<strong>und</strong> Instruktionskursen<br />
der Arbeitsgemeinschaft für<br />
operative Knochenbruchbehandlung in der<br />
Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR nach dem Vorbild der<br />
Schweizerischen AO-Kurse wesentliche Kriterien<br />
für die getroffene Auswahl darstellten.<br />
Einige Kliniken, die zunächst nicht mit<br />
einem solchen Gr<strong>und</strong>instrumentarium ausgerüstet<br />
werden konnten, versuchten über<br />
den Erwerb von Einzelteilen sich Zugang zu<br />
diesen Methoden zu verschaffen. Dadurch<br />
traten allerdings gehäuft Komplikationen<br />
<strong>und</strong> nicht selten schwere Fehlergebnisse<br />
ein. Die Sachlage wurde weiter verschärft<br />
dadurch, dass der Import dieser Instrumentarien<br />
<strong>und</strong> Implantatesätze später eingestellt<br />
<strong>und</strong> staatlicherseits darauf orientiert<br />
wurde, die AO-Implantate <strong>und</strong> die verschleißbedingt<br />
erforderlichen Ersatzinstrumente<br />
(Bohrer, Gewindeschneider etc.) im<br />
eigenen Land nachzubauen <strong>und</strong> diese Produkte<br />
dann den Chirurgen, Unfallchirurgen<br />
<strong>und</strong> Orthopäden zur Verfügung zu stellen.<br />
Zwar wurde das gleiche Ausgangsmaterial<br />
(Stahllegierung) benutzt wie bei dem Originalhersteller,<br />
aber der technologische Prozess<br />
der Endfertigung, die Kaltverformung,<br />
konnte nicht in gleicher Weise durchgeführt<br />
werden. Deshalb waren die Implantate<br />
aus der eigenen Produktion von geringerer<br />
Steifigkeit <strong>und</strong> Verformungsbeständigkeit<br />
<strong>und</strong> genügten in vielen Fällen von ihren<br />
mechanischen Qualitäten her nicht den Anforderungen.<br />
Platten, die man mit der Hand<br />
biegen konnte (Schmale 4,5 mm 10-Lochplatte),<br />
Gewindebohrer/-schneider, die sich<br />
bei vorschriftsmäßiger Verwendung um<br />
die Längsachse verwinden <strong>und</strong> ein Sechskantimbus<br />
in den Schraubenköpfen, der<br />
die Schraubendreher nicht formschlüssig<br />
aufnahm, so den Schraubendreher <strong>und</strong> sich<br />
selbst sehr leicht ab- oder ausr<strong>und</strong>ete, waren<br />
eindeutige Hinweise auf diesen Mangel<br />
in der Endfertigung der Produkte. Veränderungen<br />
im Design <strong>und</strong> in den Anwendungsprinzipien,<br />
wie sie schrittweise von der AO<br />
erarbeitet <strong>und</strong> umgesetzt wurden, konnten<br />
ebenfalls nicht oder nicht zeitgerecht begleitet<br />
oder nachvollzogen werden.<br />
64<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Hersteller dieser nachgebauten Produkte<br />
waren der VEB (Volkseigener Betrieb) Medizinmechanik<br />
Suhl <strong>und</strong> die Instrumentenfabrik<br />
in Königssee. Der Vertrieb der trotz allem<br />
immer noch knappen Materialien erfolgte<br />
über das Staatliche Versorgungskontor in<br />
Gera. Dabei kam es jedoch immer wieder zu<br />
langen Wartezeiten <strong>und</strong> Versorgungsengpässen,<br />
die zum Teil durch zeitweilig doch<br />
wieder genehmigte Importe, allerdings<br />
oft von anderen, preis- oder devisengünstigeren<br />
Herstellern, meistens ohne Rücksicht<br />
auf Systemkompatibilität <strong>und</strong> Qualität<br />
ausgeglichen werden mussten.<br />
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch<br />
die später aufkommenden Verriegelungsnägel<br />
nicht von Herstellern im Ausland bezogen<br />
werden durften, in der DDR aber solche<br />
auch nicht hergestellt wurden. So blieb<br />
nur die Möglichkeit, die Verriegelungslöcher<br />
entweder selbst zu Hause oder in der Werkstadt<br />
der Klinik in die vorhandenen Küntscher-Nägel<br />
zu bohren. Das war technisch<br />
nicht einfach <strong>und</strong> begrenzte zwangsläufig<br />
das zur Verfügung stehende Lager dieser<br />
Nägel. Die Verriegelung erfolgte an beiden<br />
Nagelenden mit Kortikalisschrauben in der<br />
„freien Technik“.<br />
Diese Mängel <strong>und</strong> Engpässe auf dem Instrumenten-<br />
<strong>und</strong> Implantatsektor trugen nicht<br />
unerheblich dazu bei, dass Verlaufs- <strong>und</strong><br />
Heilungsstörungen, sogenanntes oder wirkliches<br />
Implantatversagen <strong>und</strong> Fehlergebnisse<br />
auftraten. Der vor allem durch die AO<br />
induzierte Fortschritt in der Versorgungsstrategie<br />
von knöchernen Läsionen machte<br />
sich aber trotzdem an vielen sehr viel besseren<br />
Ergebnissen deutlich bemerkbar.<br />
In dem Bemühen, sich bezüglich dieser<br />
Medizinprodukte von Importen aus dem<br />
sogenannten „nichtsozialistischen Wirtschafts-<br />
<strong>und</strong> Währungsgebiet“ unabhängig<br />
zu machen, wurde von „Staat <strong>und</strong> Partei“<br />
(SED) dann schließlich darauf orientiert<br />
bzw. gefordert, eigene Methoden <strong>und</strong> Mittel<br />
zu entwickeln. Einige Kollegen schufen<br />
daraufhin Osteosynthese-Systeme nach<br />
dem Vorbild bzw. den technologisch-therapeutischen<br />
Prinzipien der AO <strong>und</strong> brachten<br />
diese auf den Markt. Beispiele hierfür sind<br />
die Fixateur-externe-Modelle von Miehle<br />
mit Gewindestäben <strong>und</strong> wenig flexiblen Zusatzelementen<br />
(ein Schritt in die technologische<br />
Vergangenheit!), der für die Millitärmedizin<br />
entwickelte Stab-Fixateur in großer<br />
<strong>und</strong> kleinerer Variante <strong>und</strong> der „Plattenfixateur“,<br />
der in Polen entwickelt („Zespol“) <strong>und</strong><br />
von einigen Kliniken (Bezirkskrankenhaus<br />
Frankfurt/Oder; Med. Akademie Erfurt) modifiziert<br />
<strong>und</strong> genutzt wurde. Der Vergleich<br />
der Anwendbarkeit <strong>und</strong> der Ergebnisse mit<br />
denen der modernen Osteosynthese, wie sie<br />
die AO entwickelt hatte, fiel jedoch für diese<br />
Verfahren eindeutig negativ aus. Von der<br />
Mehrzahl der qualifizierten Traumatologen<br />
wurden diese Eigenprodukte eher skeptisch<br />
betrachtet bzw. abgelehnt. Sie konnten sich<br />
also nicht durchsetzen.<br />
Endoprothetik<br />
Zusammen mit den ersten AO-Instrumentarien<br />
wurden in ausgewählte Kliniken auch<br />
Instrumentarien <strong>und</strong> Implantate von der<br />
Firma Prothek, ebenfalls aus der Schweiz,<br />
ausgeliefert, um die unfallbedingte primäre<br />
oder sek<strong>und</strong>äre Endoprothetik, zunächst<br />
nur der Hüfte, abzusichern. Auch hier traten<br />
später Probleme mit Nachschub- oder<br />
Ergänzungsimporten ein, die Ärzte <strong>und</strong> Patienten<br />
in sehr unangenehme Situationen<br />
bringen konnten bzw. gebracht haben.<br />
Deshalb wurde auch die Produktion von<br />
Hüftgelenkendoprothesen im eigenen Land<br />
von offizieller Seite gefordert <strong>und</strong> gefördert.<br />
Dazu wurde, ausgehend von der Orthopädischen<br />
Universitätsklinik Jena, Standort<br />
Eisenberg, ein Metallschaft (Prothecast) im<br />
Sinne eines gestreckten Bananenschaftes<br />
entwickelt <strong>und</strong> kombiniert mit einem Keramik-Kopf<br />
aus den keramischen Werken<br />
Hermsdorf, entweder als Kopf-Prothese<br />
oder in Kombination mit einer Polyaethylenpfanne<br />
als Totalendoprothese <strong>und</strong> für<br />
Standardversorgungen ausnahmslos angeboten.<br />
In vielen Fällen wurden diese erfolgreich<br />
eingesetzt. Sonderprothesen, z. B. für<br />
Revisionseingriffe oder die Korrektur orthopädischer<br />
<strong>und</strong> posttraumatischer Problemsituationen<br />
wurden im begrenzten Umfang<br />
auch weiterhin importiert, wobei die Wahl<br />
des Herstellers <strong>und</strong> des jeweiligen Modells<br />
wiederum von der „Devisensitua tion“ der<br />
DDR abhängig gemacht wurde <strong>und</strong> nicht<br />
in erster Linie von den Wünschen <strong>und</strong> Bedürfnissen<br />
der Patienten <strong>und</strong> Ärzte. Eine<br />
von Prof. Hellinger, damals Ordinarius für<br />
Orthopädie in Dresden, vorgelegte „Neuschöpfung“<br />
einer Femurkomponente aus<br />
Metall, die mit einer Standardpfanne aus<br />
Polyäthylen kombiniert werden sollte, fand<br />
keine verbreitete Anwendung.<br />
Es fehlten außer den Schaftraspeln die für<br />
die korrekte Implantation erforderlichen<br />
Instrumentarien, was die Operationen erschwerte<br />
<strong>und</strong> das Risiko von Fehlergebnissen<br />
anwachsen ließ. Bis zum Ende der DDR<br />
blieb also immer eine Importabhängigkeit<br />
auch auf diesem Sektor bestehen, die immer<br />
stärker restriktiv gesehen <strong>und</strong> gehandhabt<br />
wurde.<br />
Zulassung von Medizinprodukten<br />
Die Entscheidungen über Importe von Medizinprodukten<br />
(Implantate, Instrumentarien,<br />
Einwegmaterialien, Medikamente) wurden<br />
von einem zentralen Gutachterausschuss<br />
beim Außenhandelsministerium der DDR<br />
in Berlin getroffen, in dem namhafte Vertreter<br />
der klinischen Fachdisziplinen vertreten<br />
waren oder bedarfsweise eingeladen wurden.<br />
Aus ökonomischen Gründen oder in<br />
Folge sachlich unrichtiger Beratung dieses<br />
Gremiums kam es häufig zu Ablehnungen<br />
oder zu Importsperrungen von medizinisch<br />
dringend benötigten Medikamenten <strong>und</strong><br />
anderen Medizinprodukten. Es bedurfte<br />
oft langwieriger Verhandlungen, Neu-Zulassungen<br />
zu erreichen oder verhängte<br />
Importsperrungen rückgängig zu machen,<br />
zumal die Meinungen <strong>und</strong> das Opportunitätsverständnis<br />
der verschiedenen Fachvertreter<br />
sehr unterschiedlich waren.<br />
Unter all diesen Umständen war <strong>und</strong> blieb<br />
der Mangel an produkt- <strong>und</strong> methodenspezifischen<br />
Instrumenten, Implantatmaterialien<br />
speziellen Medikamenten <strong>und</strong><br />
adjuvanten Medizinprodukten als dauerhafte<br />
Behinderung bestehen, obwohl seit<br />
1976 eine Sektion DDR der AO-International<br />
staatlich genehmigt <strong>und</strong> gegründet<br />
<strong>und</strong> die Zusammenarbeit zugesagt worden<br />
war. Deshalb konnte auch nicht originalgetreu<br />
von den Weiterentwicklungen der AO<br />
in den Erkenntnissen, daraus abgeleiteten<br />
Prinzipien <strong>und</strong> Fortschritten auf dem Implantatsektor<br />
Gebrauch gemacht werden.<br />
Daraus ergab <strong>und</strong> verstärkte sich mehr <strong>und</strong><br />
mehr die Notwendigkeit der schöpferischen<br />
Improvisation bei der Umsetzung moderner<br />
Prinzipien mit den verfügbaren Mitteln.<br />
Dabei wurde deutlich, dass es in erster Linie<br />
auf die prinzipiengetreue konzeptionelle<br />
Umsetzung der Erkenntnisse ankommt,<br />
wenn man erfolgreich behandeln will, <strong>und</strong><br />
dass dieses auch mit relativ einfachen, allgemein<br />
nutzbaren Implantaten möglich<br />
<strong>und</strong> vergleichbar erfolgreich sein kann oder<br />
ist.<br />
Organisatorisch-strukturelle<br />
Voraussetzungen<br />
Nach dem 2. Weltkrieg wurde im Osten<br />
Deutschlands, der späteren DDR, in aller Regel<br />
die Behandlung von Unfallschäden von<br />
Chirurgen ausgeführt. Die orthopädischen<br />
Kollegen waren mehr für die Therapie von<br />
Krankheiten <strong>und</strong> unfallunabhängigen Schäden<br />
am Stütz- <strong>und</strong> Bewegungsapparat zuständig.<br />
Letztere waren in eigenständigen<br />
Kliniken organisiert <strong>und</strong> strukturiert. Die<br />
unfallchirurgisch interessierten <strong>und</strong> qualifi-<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 65
zierten Chirurgen waren allenfalls in Abteilungen<br />
innerhalb chirurgischer Struktureinheiten<br />
zusammengefasst <strong>und</strong> standen unter<br />
der übergeordneten Leitung des Chefarztes<br />
oder Direktors der jeweiligen Klinik oder<br />
Abteilung für Chirurgie. Nur wenige dieser<br />
Ordinarien oder Chefärzte waren selbst unfallchirurgisch<br />
interessiert <strong>und</strong> qualifiziert.<br />
Vielmehr waren sie geprägt von schlechten<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> Ergebnissen mit den bis<br />
dahin verfügbaren Behandlungsmethoden<br />
<strong>und</strong> übertrugen die Aufgabe oft an junge,<br />
<strong>und</strong>/oder operativ nicht so sehr gut einzusetzende<br />
Mitarbeiter. Lediglich in Cottbus,<br />
Dessau, Rostock-Südstadt <strong>und</strong> in Zwickau<br />
(damals Bezirkskrankenhäuser) <strong>und</strong> Berlin-<br />
Friedrichshain (den Bezirkskrankenhäusern<br />
quasi gleichgestellt) entstanden schon früh<br />
eigenständige unfallchirurgische Kliniken<br />
unter Leitung spezialisierter Traumatologen.<br />
Ansonsten regierten die Chirurgischen<br />
Chefs über die Unfallabteilungen, entschieden<br />
über deren finanzielle, personelle sowie<br />
die apparativ-instrumentelle Ausstattung<br />
<strong>und</strong> engten so den Entwicklungsfreiraum<br />
der unfallchirurgisch interessierten <strong>und</strong> mit<br />
der Ausübung beauftragten Kollegen ein. Bei<br />
der Zuteilung von Personal, OP-Kapazitäten<br />
<strong>und</strong> anderem wurden zunehmend Prioritäten<br />
zugunsten anderer prestigeträchtiger<br />
chirurgischer Disziplinen gesetzt, sodass in<br />
der Unfallchirurgie oft Behandlungsverfahren<br />
geändert <strong>und</strong> zeitliche Abläufe nicht<br />
garantiert werden konnten. Häufig waren<br />
daher konservative Verfahren immer wieder<br />
alternativ erforderlich <strong>und</strong> wegen der Unsicherheit<br />
in der Planung, Organisation <strong>und</strong><br />
Durchführung operativer Maßnahmen kristallisierte<br />
sich das Prinzip der „quasi definitiven“<br />
Erstbehandlung heraus. Das Resultat<br />
der primären Therapiemaßnahmen musste<br />
dabei so gut sein, dass es unter ungünstigen<br />
Umständen notfalls auch so zur Ausheilung<br />
kommen <strong>und</strong> befriedigende funktionelle Ergebnisse<br />
erwarten lassen konnte.<br />
Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang<br />
auch, dass in der Krankenhauslandschaft<br />
der DDR die Versorgungsaufträge<br />
deutlich abgestuft waren <strong>und</strong> danach<br />
auch der Ausrüstungsstandard bemessen<br />
wurde. Qualifizierte oder gar spezialisierte<br />
Unfallchirurgie konnte praktisch nur in<br />
den Universitätsklinika <strong>und</strong> den Bezirkskrankenhäusern<br />
erfolgen. Wo derartige<br />
Häuser nicht in angemessener Entfernung<br />
zu erreichen waren, wurden Kreiskrankenhäuser<br />
„mit erweiterter Aufgabenstellung“<br />
beauftragt <strong>und</strong> entsprechend ausgestattet.<br />
Darüber entschied der jeweilige Bezirksarzt.<br />
In den übrigen Kreis- oder den konfessionellen<br />
Krankenhäusern reichten in der Regel<br />
personelle <strong>und</strong> materielle Möglichkeiten<br />
sowie individuelle spezielle Erfahrung nicht<br />
aus, um über die Gr<strong>und</strong>versorgung hinaus<br />
in größerem Umfang moderne operative<br />
Unfallchirurgie zu praktizieren. Es bestand<br />
ein erhebliches Gefälle in der Versorgungskapazität<br />
<strong>und</strong> -qualität von den Universitätskliniken<br />
über die Bezirkskrankenhäuser<br />
hin zu den peripheren stationären <strong>und</strong> ambulanten<br />
(Polikliniken) Versorgungseinrichtungen.<br />
Daraus lässt sich auch erklären,<br />
dass die Kliniken <strong>und</strong> Krankenhäuser Fachambulanzen<br />
unterhielten, in denen eine in<br />
der Regel lebenslange Betreuung im Sinne<br />
eines Dispensaires angeboten wurde, was<br />
sowohl für die Patienten als auch für die<br />
Ärzte in den Kliniken eine ganze Reihe Vorteile<br />
<strong>und</strong> Nutzeffekte hatte, wie z. B: die<br />
gesicherte unkomplizierte Betreuung oder<br />
Behandlung wegen der Verletzungsfolgen<br />
bis zur abgeschlossenen Rehabilitation <strong>und</strong><br />
auch darüber hinaus (Qualitätskontrolle,<br />
wissenschaftliche Bearbeitung, intensives<br />
Arzt-Patienten-Verhältnis).<br />
Thermische Verletzungen<br />
Die Therapie von Patienten mit thermischen<br />
Schäden war traditionell eine chirurgische<br />
Aufgabe. Mit der Herausbildung von unfallchirurgischen<br />
Funktionseinheiten ging die<br />
Verantwortung dafür in der Regel auf diese<br />
über in enger Zusammenarbeit mit den<br />
Anästhesiologen. Die Bezirksärzte beauftragten<br />
die Fachabteilungen der Universitätskliniken<br />
als Zentren für die umfassende<br />
Behandlung von Schwerbrandverletzten.<br />
Rückenmarksverletzungen<br />
Unfallbedingt querschnittgelähmte Patienten<br />
wurden ebenfalls in Unfallchirurgischen<br />
Zentren primär versorgt <strong>und</strong> zur<br />
Weiterbehandlung in dafür spezialisierte<br />
Rehabilitationseinrichtungen, wie etwa in<br />
Sülzhayn oder Kreischa, verlegt.<br />
Nicht zuletzt wegen dieser Patientengruppen<br />
aber auch wegen der zunehmenden<br />
Schwere der Unfallverletzungen waren die<br />
Unfallchirurgen auch im Osten Deutschlands<br />
an der Einrichtung, Nutzung <strong>und</strong> Betreuung<br />
von Wach- <strong>und</strong> Intensivstationen<br />
interessiert <strong>und</strong> beteiligt. Deren Leitung lag<br />
in aller Regel zwar in anästhesiologischer<br />
Verantwortung, jedoch war die Zusammenarbeit<br />
im Interesse der Patienten gut abgestimmt<br />
<strong>und</strong> führte nur selten zu Kontroversen<br />
oder Nachteilen für die Patienten.<br />
Kollegiale Zusammenarbeit<br />
Ein „DDR-spezifisches Versorgungsprinzip“<br />
war auch, dass im Bedarfsfall der ärztliche<br />
Spezialist (Unfallchirurg, Neurochirurg u. a.)<br />
aus dem Zentrum zum Patienten in ein peripheres<br />
Krankenhaus gerufen wurde <strong>und</strong><br />
fuhr, um ihn dort mit den Kollegen vor Ort<br />
zu versorgen <strong>und</strong> die weitere Betreuung<br />
abzustimmen. Ein funktionierendes Luftrettungs-<br />
oder -transportsystem stand nicht<br />
zur Verfügung <strong>und</strong> der Krankentransport<br />
per Sanitätskraftwagen war oft zu zeitaufwendig<br />
oder zu risikovoll. Nebenbei ergab<br />
sich auch ein Wissenstransfer, der sich positiv<br />
auf die regionale Zusammenarbeit auswirkte.<br />
Zusammenfassung<br />
Als Zeitzeuge <strong>und</strong> Mitwirkender an dieser<br />
Entwicklung kann man zusammenfassend<br />
von schwierigen, hindernis- <strong>und</strong> arbeitsreichen,<br />
aber auch sehr interessanten <strong>und</strong><br />
erfolgreichen Jahren sprechen. Der weitgehend<br />
reibungs- <strong>und</strong> problemlos abgelaufene<br />
Prozess der gleichberechtigten Eingliederung<br />
der ostdeutschen Unfallchirurgen<br />
in das gesamtdeutsche Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />
sowie der Auf- <strong>und</strong> Ausbau von selbständigen<br />
Unfallabteilungen oder -kliniken,<br />
geleitet von adäquat qualifizierten Traumatologen,<br />
waren Bestätigung <strong>und</strong> Anerkennung<br />
des unter gr<strong>und</strong>sätzlich anderen Bedingungen<br />
zurückgelegten Weges mit dem<br />
gleichen Ziel, der Verbesserung der Diagnostik,<br />
Therapie <strong>und</strong> Nachsorge unfallverletzter<br />
Patienten.<br />
Prof. Dr. W. Otto<br />
Am Park 5<br />
06184 Kabelsketal<br />
OT Dieskau<br />
66<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Die Entwicklung der externen<br />
Knochenfixation in der DDR<br />
D. Miehle<br />
Die Methoden der externen Fixation für<br />
knöcherne Verletzungen <strong>und</strong> deren Folgen<br />
für Korrekturen am knöchernen Skelett,<br />
Weichteilplastiken etc., rückten in den 70er<br />
<strong>und</strong> 80er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts immer<br />
mehr in den Blickpunkt des Interesses<br />
<strong>und</strong> wurden so zu einem der bedeutendsten<br />
Fortschritte in der Skelett-Traumatologie<br />
<strong>und</strong> Orthopädie der letzten Jahrzehnte.<br />
Wichtige Gr<strong>und</strong>voraussetzungen für einen<br />
erfolgreichen Einsatz dieser Methoden<br />
waren verbesserte Technik <strong>und</strong> verbesserte<br />
Werkstoffe, neue biomechanische Erkenntnisse<br />
besonders auf dem Gebiet der<br />
Vaskularität <strong>und</strong> des Weichteilschadens,<br />
Erkenntnisse bei der Behandlung von Rasanztraumen<br />
<strong>und</strong> der Behandlung von Multitrauma-Patienten.<br />
So kam es zu einer echten<br />
Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Alternativen für diese klinischen<br />
Problemfälle.<br />
In der gesamten Welt war man bemüht,<br />
Geräte für die externe Knochenfixation zu<br />
entwickeln oder vorhandene weiterzuentwickeln<br />
<strong>und</strong> zu vervollkommnen.<br />
In der DDR hatten Ende der 60er <strong>und</strong> Anfang<br />
der 70er Jahre nur wenige Kliniken den bekannten<br />
drahtfixierten Apparat nach Ilisarov<br />
<strong>und</strong> später die Apparate nach Kalmbers<br />
zur Verfügung <strong>und</strong> durch die Wirtschaftsbeziehungen<br />
in der damaligen sozialistischen<br />
Staatengemeinschaft auch den Fixateur<br />
externe nach Poldy (CSSR) <strong>und</strong> einen bulgarischen<br />
Apparat. Alle diese Geräte waren<br />
drahtfixierte Geräte mit den bekannten Problemen<br />
der Kerbungen.<br />
Nach Einführung der Druckplattenosteosynthese<br />
der Schweizer Arbeitsgemeinschaft<br />
für Osteosynthesefragen (AO) im Jahre 1968<br />
in der DDR, wurde später das Rohrsystem<br />
als nagel- <strong>und</strong> schraubenfixiertes Gerät in<br />
kleinen Stückzahlen importiert. Der Vorgänger<br />
war der kleine Gewindefixateur.<br />
Alle einzelnen Apparate <strong>und</strong> Systeme waren<br />
jedoch auf dem internationalen Markt teuer,<br />
woraus sich erhebliche Devisenaufwendungen<br />
notwendig machten.<br />
Da andererseits die Anwendungsbereiche<br />
Anfang der 70er Jahre stürmisch anwuchsen<br />
<strong>und</strong> damit ein großer Bedarf in den unfallchirurgischen<br />
<strong>und</strong> orthopädischen Einrichtungen<br />
in der DDR entstand, sich also<br />
eine große Marktlücke auftat, musste man<br />
sich auch in der DDR in Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Praxis diese Probleme annehmen.<br />
So wurde in Zusammenarbeit mit einem<br />
Großbetrieb, dem VEB Sachsenring Automobilwerke<br />
Zwickau, nach Art eines Patenschaftsvertrages<br />
auf der Basis des Schweizer<br />
Gewindefixateurs eine völlig neue Variante<br />
konstruiert, entwickelt <strong>und</strong> an vielen<br />
Patienten, anfänglich an der Unfallchirurgischen<br />
Klinik des damaligen Karl-Marx-<br />
Stadt (heute wieder Chemnitz), von mir erfolgreich<br />
erprobt <strong>und</strong> weiterentwickelt, bis<br />
es zu einer eigenständigen Produktion im<br />
VEB MLW Medizinmechanik Suhl kommen<br />
konnte.<br />
So entstand ein eigenständiges Modell<br />
nach Art eines Baukastenprinzips als ein<br />
universell anwendbares nagel- <strong>und</strong> schraubenfixiertes<br />
Gerät, das sich durch Pflegeleichtigkeit,<br />
Einfachheit in der Handhabung,<br />
besonders auch räumlicher Anwendbarkeit<br />
auszeichnet <strong>und</strong> nur auf wenige Bauteile<br />
reduziert war ( Abb. 1–2).<br />
Entscheidend waren u. a. auch die neuen<br />
Erkenntnisse biomechanischer Untersu-<br />
Abb. 1 Der Fixateur extern – System Miehle<br />
Abb. 2 Das Montage-Set des Fixateur<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 67
Abb. 3 Knochenmodell montage am Unterschenkel mit Fußplatte<br />
<strong>und</strong> dosierbarem Druck<br />
Abb. 4 Montage Knochenmodell Becken-Oberschenkel<br />
chungen drahtfixierter gegenüber schrauben-<br />
<strong>und</strong> nagelfixierter Geräte im Tierexperiment<br />
durch Mayer Greifswald-Dresden.<br />
Im eigenen Modell wurden die notwendigen<br />
Forderungen an moderne Osteosynthesematerialien<br />
berücksichtig, die sich<br />
auf biologischen, biomechanischen <strong>und</strong><br />
metallurgischen Erkenntnissen ergaben.<br />
So entstand der Fixateur externe der DDR,<br />
der schließlich als „System Miehle“ in die<br />
Literatur eingegangen ist. Dabei wurden<br />
die aus der Praxis gewonnenen Erkenntnisse<br />
<strong>und</strong> Notwenigkeiten an einen modernen<br />
Apparat, wie Kraftschlüssigkeit der<br />
äußeren Verbindungen, Apparatspannkraft,<br />
besonders dimensionierte Implantate für<br />
alle Knochenarten (große <strong>und</strong> kleine Röhrenknochen,<br />
Spongiosa), Druckverformung<br />
des Knochens <strong>und</strong> Größe der Kerblochspannungen,<br />
bei der Konzipierung berücksichtigt.<br />
Die Abbildungen 3–6 zeigen verschiedene<br />
Anwendungen des Fixateurs.<br />
Das Erzeugnis bestand zunächst aus rostfreiem<br />
V4A-Stahl <strong>und</strong> später aus Titan.<br />
Das Erzeugnis hat sich in der Praxis außerordentlich<br />
bewährt <strong>und</strong> wurde an h<strong>und</strong>erten<br />
Patienten erfolgreich eingesetzt. Daraus<br />
erfolgten viele Publikationen in der Fachliteratur<br />
über den Einsatz an der oberen <strong>und</strong><br />
unteren Extremität, am koxalen Femurende,<br />
als Ligamentotaxis bei Extensionsfrakturen<br />
am Handgelenk, den Einsatz bei so<br />
genannten Kettenfrakturen (Becken, Ober<strong>und</strong><br />
Unterschenkel), bei Arthrodesen am<br />
Knie <strong>und</strong> Sprunggelenk, bei Cross-leg-Plastiken,<br />
temporären Gelenküberbrückungen<br />
bei multitraumatisierten Patienten <strong>und</strong> bei<br />
Extremitätenverlängerung. Selbst bei nicht<br />
gelungenen Repositionen nach Totalendoprothesenimplantationen<br />
des Hüftgelenkes<br />
intraoperativ konnte das System als ileofemorale<br />
Montage hilfreich eingesetzt werden,<br />
indem durch kontinuierlichen Zug die<br />
Verkürzung <strong>und</strong> damit das Repositionshindernis<br />
ausgeglichen werden.<br />
Aus vielen Fachvortragsreisen ergaben sich<br />
für MLW Intermed Berlin stets weitere Initiativen.<br />
So wurden Prospektmaterialien,<br />
sowohl in deutscher, englischer, spanischer,<br />
niederländischer <strong>und</strong> russischer Sprache, erarbeitet.<br />
Die große Bedeutung der externen<br />
Fixation <strong>und</strong> das Vorhandensein eines eigenen<br />
Modells wurden auch in der Militärmedizin<br />
erkannt, wo der Einsatz für Schussverletzungen<br />
das Mittel der Wahl ist.<br />
So wurde von der Abteilung für Forschung<br />
des Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
der Auftrag erteilt, den Fixateur externe<br />
„Sys tem Miehle“ als ein herausragendes<br />
Forschungsergebnis als Exponat in einer<br />
Dauerausstellung im Hygienemuseum<br />
Dresden im Jahr 1981 auszustellen.<br />
Während die Bestrebungen, das Produkt<br />
patentrechtlich zu schützen, fehlschlugen,<br />
konnte aber im Jahr 1981 die Produktion<br />
im VEB MLW Medizinmechanik Suhl aufgenommen<br />
werden.<br />
Eine Weiterentwicklung durch viele gute<br />
Erfahrungen erfolgte durch mich im Jahre<br />
1987 mit verschiedenen Einzelteilen,<br />
einschließlich eines Zielgerätes <strong>und</strong> einer<br />
Fußplatte mit dosierbarem Federzug zur<br />
Verbesserung des venösen Rückflusses <strong>und</strong><br />
damit zur Prophylaxe von thromboembolischen<br />
Komplikationen.<br />
Vorausgegangen waren klinische Prüfungen<br />
des Fixateur externe „System Miehle“ an der<br />
Orthopädischen Klinik der Medizinischen<br />
Akademie Dresden, der Unfallchirurgischen<br />
Klinik der Universität Leipzig, am Bezirkskrankenhaus<br />
Cottbus <strong>und</strong> Bezirkskrankenhaus<br />
Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) <strong>und</strong> im<br />
Waldkrankenhaus Bad Düben.<br />
An allen Kliniken wurde das System erfolgreich<br />
erprobt <strong>und</strong> die wichtigen Vorteile der<br />
hohen Stabilität <strong>und</strong> variablen Einsatzmöglichkeiten<br />
gelobt. Dabei ist besonders zu<br />
nennen, dass die Toleranzbreite zwischen<br />
einer geforderten Stabilität einerseits, <strong>und</strong><br />
einer nicht erwünschten absoluten Rigidität<br />
andererseits zwar gering ist, aber im System<br />
mit berücksichtigt wurde.<br />
Besonderes wissenschaftliches Aufsehen<br />
erregten im In- <strong>und</strong> Ausland auf Kongressen<br />
sowie auf der Leipziger Messe, der Einsatz<br />
dieses Systems bei instabilen Wirbelfrakturen<br />
mit <strong>und</strong> ohne Lähmungen. Diese<br />
Eingriffe wurden erstmalig an der Universität<br />
Leipzig unter der Leitung von Prof. Dr.<br />
Arnold <strong>und</strong> an der Charité Berlin unter der<br />
Leitung von Prof. Dr. Zippel durchgeführt.<br />
In vielen Gutachten wurde betont, dass der<br />
„Typ Miehle“ den internationalen Angeboten<br />
standgehalten hat <strong>und</strong> wurde danach<br />
eindeutig als Importablösung angesehen<br />
<strong>und</strong> zum eigenen Export empfohlen.<br />
Der Fixateur externe „System Miehle“ wurde<br />
auch 1979/80 im Beisein des Präsidenten<br />
der AO-International, Prof. Dr. Willenegger<br />
Schweiz, in Ungarn vorgestellt <strong>und</strong> erhielt<br />
auch dort deutliche Anerkennung.<br />
Prof. Dr. Arnold Universität Leipzig / später<br />
Bezirkskrankenhaus Suhl hat allein 4 Sets<br />
des Fixateur externe „System Miehle“ mit<br />
nach Äthiopien genommen <strong>und</strong> hat das System<br />
außerordentlich erfolgreich dort eingesetzt<br />
<strong>und</strong> entsprechend positive Gutachten<br />
über die Vielseitigkeit der Einsatzmöglichkeiten<br />
der räumlichen Anwendbarkeit <strong>und</strong><br />
der vielen Korrekturmöglichkeiten insbe-<br />
68<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 5 Knochenmodell Handgelenk<br />
Abb. 6 Knochenmodel Wirbelsäule<br />
sondere auch der Einfachheit der Handhabung<br />
dem Ministerium mitgeteilt <strong>und</strong> im<br />
Gutachten insbesondere bei Ausstellungen<br />
anlässlich der Leipziger Messe dargelegt.<br />
In der Zeit meiner Tätigkeit an der Charité<br />
Berlin wurde das System in der Chirurgischen<br />
Klinik bei Prof. Dr. med. habil. Dr. h.c.<br />
Helmut Wolff <strong>und</strong> der Unfallchirurgischen<br />
Abteilung bei Prof. Dr. Hildebrandt von mir<br />
weiter vervollkommnet <strong>und</strong> viele Knochenmodelle<br />
angefertigt, die im In- <strong>und</strong> Ausland<br />
vorgestellt wurden.<br />
Neben einer intensiven Vortragstätigkeit<br />
in Kliniken der DDR, so an der Universität<br />
Jena, an der Humboldt Universität Berlin,<br />
der Universität Leipzig, der Medizinischen<br />
Akademie Magdeburg, Dresden <strong>und</strong> verschiedenen<br />
anderen Kliniken (Berlin-Buch,<br />
Bad Düben) u. v. a. wurden auch Direktiven<br />
erarbeitet zur Realisierung von Aufgabenstellungen<br />
im sogenannten NSW.<br />
Ab Anfang der 80er Jahre wurden Vortragsreisen<br />
in die BRD <strong>und</strong> ins Ausland organisiert.<br />
So erfolgten Vortragsreisen nach Ungarn,<br />
vom 31.5. bis 2.6.1979 / Kesckemed, nach<br />
Frankreich/Montpellier/Avignon im Januar<br />
1980.<br />
Prof. Kalnbers kam persönlich nach Chemnitz<br />
im Jahr 1980 <strong>und</strong> hat sich den Aufbau<br />
<strong>und</strong> die Wirkweise des Fixateur genauestens<br />
angesehen <strong>und</strong> Einladungen nach<br />
Riga in seine Klinik ausgesprochen.<br />
Vorstellungen erfolgten ebenso erfolgreich<br />
beim Weltkongress für externe Fixation<br />
vom 2.4. bis 4.4.1981 in Puerto Rico in der<br />
Hauptstadt San Juan.<br />
Im Jahr 1982 wurden mehrere Vorträge vom<br />
Autor des Fixateur „System Miehle“ auf Einladung<br />
in Palm Springs Kalifornien verlesen.<br />
Auch hier waren die Rückinformationen<br />
außerordentlich positiv über die Einsatzmöglichkeiten<br />
des Fixateur externe „System<br />
Miehle“.<br />
Im Jahr 1982 wurde der Fixateur erfolgreich<br />
im Iran in Teheran vorgestellt.<br />
Neben der Ausstellung zur Leipziger Messe,<br />
erfolgten ebenso Ausstellungen in Düsseldorf<br />
auf der Interhospital-Messe vom 7.6.<br />
bis 10.6.1983, sowie in Le Bouscat in Frankreich<br />
im gleichen Jahr.<br />
Ebenso erfolgte die Vorstellung einschließlich<br />
mehrerer Vorträge zur 10. Internationalen<br />
Konferenz für externe Fixation vom<br />
22.9. bis 24.9.1983 an der Université Libre<br />
de Bruxelles.<br />
Am 08.06.1983 <strong>und</strong> am 20. bis 22.9.1983<br />
wurden Vorträge in Kurgan (Ural) bei Prof.<br />
Ilisarov gehalten.<br />
Auch in Damaskus in Syrien wurden vom<br />
14.2. bis 22.2.1984 erfolgreiche Opera tionen<br />
durchgeführt.<br />
In Budapest wurde der Fixateur erfolgreich<br />
eingesetzt anlässlich einer Forschungsreise<br />
vom 29.10. bis 2.11.1984, wo neben Vorlesungen<br />
<strong>und</strong> operativen Einsätzen auch ein<br />
Hochschulfilm in Ungarisch <strong>und</strong> Deutsch<br />
angefertigt wurde.<br />
Als Vertragspartner in der BRD wurde durch<br />
Vortragsreisen nach Tuttlingen die Firma<br />
Medicon-Instrumente gewonnen. Diese<br />
Aktivitäten fanden in den Jahren 1984 <strong>und</strong><br />
1985 statt. In diesem Zusammenhang wurde<br />
der Fixateur auch an der Universitätsklinik<br />
Tübingen erprobt einschließlich Erstellung<br />
eines ausführlichen Werbeprospektes.<br />
Ebenso erfolgte der erfolgreiche Einsatz am<br />
Zentralinstitut für Traumatologie in Budapest<br />
bei Prof. Dr. Manninger am 19.7.1985.<br />
Von Prof. Dr. Manninger wurde dann auch<br />
ein sehr positives Gutachten über dieses<br />
Modell an das Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
der DDR weitergeleitet.<br />
Weiterhin erfolgten Reisen nach dem Irak,<br />
insbesondere nach Bagdad vom 6.11. bis<br />
13.11.1983 <strong>und</strong> 16.4. bis 24.4.1986. Dort<br />
wurde der Fixateur an der Universität Bagdad<br />
vorgestellt <strong>und</strong> in mehreren Kliniken<br />
erfolgreich eingesetzt. Selbst schwerste<br />
Schussverletzungen konnten damit ausgeheilt<br />
werden, wo dem Patienten vorher die<br />
Amputation angeraten wurde.<br />
Vom 15.5. bis 17.5.1986 erfolgten mehrere<br />
Vorträge auf dem Symposium in Katovice.<br />
Vom 1.3. bis 11.3.1987 konnte der Fixateur<br />
externe „System Miehle“ erfolgreich an vielen<br />
Kliniken in Nicaragua vorgestellt werden.<br />
Anschließend erfolgten auch Einladungen<br />
von Chirurgen <strong>und</strong> Orthopäden aus Nicaragua<br />
in die DDR in das Kreiskrankenhaus<br />
Lichtenstein, wo der Autor diese Kollegen<br />
auf dem Gebiet der externen Fixation mit<br />
dem „System Miehle“ erfolgreich ausbilden<br />
konnte. Im gleichen Jahr wurde der Fixateur<br />
einschließlich wissenschaftlicher Vorträge<br />
in Nürnberg vom 23.10. bis 24.10.1987 vorgestellt,<br />
ebenso in Kuba 1988.<br />
Auch durch Aktivitäten eines Dia-Ton-Vortrages<br />
konnte der Fixateur weiter bekannt<br />
gemacht werden.<br />
Dozent Dr. habil. D. Miehle<br />
Innere Zwickauer Str. 112<br />
08064 Zwickau<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 69
Studienreise nach Nicaragua<br />
1.3. bis 9.3.1987<br />
D. Miehle<br />
Abb. 1 Zwei typische Kliniken in Managua<br />
Nach Produktionsbeginn des Fixateur-externe-Systems<br />
Miehle im VEB Medizinmechanik<br />
Suhl standen im Mittelpunkt der<br />
Öffentlichkeitsarbeit neben Referenzen<br />
namenhafter Unfallchirurgen <strong>und</strong> Orthopäden<br />
im In- <strong>und</strong> Ausland über dem volkseigenen<br />
Außenhandelsbetrieb MLW Intermed<br />
export <strong>und</strong> import, Schicklerstraße 5/7 in<br />
Berlin <strong>und</strong> Medicon chirurgische Instrumente<br />
Tuttlingen BRD eine Vielzahl von Studienreisen<br />
<strong>und</strong> Ausstellungen.<br />
Als Beispiel soll in diesem Beitrag ein kurzer<br />
Erfahrungsbericht über eine Studienreise<br />
in das mittelamerikanische Land Nicaragua<br />
dienen <strong>und</strong> ein Gegenbesuch zweier<br />
Unfallchirurgen aus Managua in die DDR<br />
nach Berlin (Charité) <strong>und</strong> in das Kreiskrankenhaus<br />
Lichtenstein in Sachsen aus dem<br />
Jahre 1987.<br />
Nach entsprechender Vorbereitung durch<br />
Intermed <strong>und</strong> VEB Medizinmechanik Suhl<br />
erfolgte die weitere Einführung der externen<br />
Knochenfixation mit dem System<br />
Miehle in Nicaragua. Die Reise fand vom 1.3.<br />
bis zum 9.3.1987 statt. Nach einer über 14-<br />
stündigen Flugreise von Berlin Schönefeld<br />
über Moskau, je einer Zwischenlandung in<br />
Irland <strong>und</strong> Kuba setzte die Maschine vom<br />
Typ IL 62 M auf dem Flughafen von Managua<br />
sicher auf. Als erstes fielen mir die völlig<br />
ungewohnten, extremen klimatischen Bedingungen<br />
mit hoher Luftfeuchtigkeit <strong>und</strong><br />
Hitze auf. Für uns Mitteleuropäer erheblich<br />
belastend.<br />
Nach einem überaus fre<strong>und</strong>lichen Empfang<br />
durch Mitarbeiter der Botschaft der<br />
DDR <strong>und</strong> heimischer Unfallchirurgen wurde<br />
ich im Hotel Estrella in Managua untergebracht.<br />
Ein Hotel mit westlichem Niveau.<br />
Gleich am ersten Tag wurde ein konzentriertes<br />
wissenschaftliches Programm festgelegt.<br />
Dazu hatten die <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie in Nicaragua,<br />
die Botschaft <strong>und</strong> der Handelsrat der<br />
DDR gute Vorarbeit geleistet. Für die geplanten<br />
Besuche in den einzelnen Kliniken<br />
( Abb. 1) wurde mir eine junge Frau der<br />
Botschaft mit einem PKW zur Verfügung<br />
gestellt wie auch eine Dolmetscherin Frau<br />
Molina de Espinosa.<br />
Beide haben mir auch in der wenig zur Verfügung<br />
stehenden Freizeit, Land <strong>und</strong> Leute<br />
vorgestellt. Ein Land großer Gegensätze.<br />
Viele Menschen lebten dort in bitterster<br />
Armut in Blechhütten nur ein kleiner Teil<br />
verfügte über Reichtum, feinste Villen <strong>und</strong><br />
große interessante Gr<strong>und</strong>stücke. Die gesamte<br />
Landschaft war sehr interessant wegen<br />
des vulkanischen Ursprunges der entstandenen<br />
Seenkrater, noch aktiven Vulkanen,<br />
Palmen <strong>und</strong> großen Bananenstauden.<br />
Ich wurde dort mir großer Gastfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
empfangen, was unvergessen bleiben<br />
wird.<br />
Insgesamt wurde an 9 Tagen ein straffes<br />
wissenschaftliches Programm mit Vorträgen<br />
<strong>und</strong> Workshops durchgeführt.<br />
Besonders war auffällig, dass die nicaraguanischen<br />
Kollegen überdurchschnittlich fleißig,<br />
motiviert <strong>und</strong> für jeden Hinweis dankbar<br />
waren.<br />
Bereits am ersten Tag wurde mir mitgeteilt,<br />
dass in einer Klinik bereits mit zwei<br />
Instrumentarien des Systems Miehle der externen<br />
Knochenfixation erfolgreich gearbeitet<br />
wurde. Dies konnte ich per Teilnahme an<br />
Visiten selbst feststellen. Leider konnten mir<br />
die Kollegen keine Fotos zeigen, weil dies einerseits<br />
an finanziellen Mitteln gemangelt<br />
hat, andererseits insgesamt im Land das<br />
anfertigen von Fotos nicht einfach war, weil<br />
landespolitische Probleme entgegenstanden.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e sind auch einige<br />
Fotos von mir versteckt aus dem fahrenden<br />
Auto gemacht worden.<br />
Der erste Besuch am 3.3.1987 galt dem<br />
Mi litärhospital unter der Leitung des Chefarztes<br />
Dr. med. Salac. An diesem Vortrag<br />
nahmen über 20 Ärzte teil.<br />
70<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Am 4.3.1987 erfolgte der Besuch des Hospitales<br />
Antonio Lenin Fouseca. Dieses Klinikum<br />
verfügte über 180 Betten <strong>und</strong> 25<br />
Ärzte. Dieses Klinikum arbeitete bereits mit<br />
zwei Instrumentarien des Systems Miehle.<br />
Durch Teilnahme an Visiten konnte ich<br />
mir einen guten Überblick verschaffen <strong>und</strong><br />
wertvolle Ratschläge erteilen. An diesem<br />
Tag erfolgten auch praktische Übungen an<br />
Knochenmodellen <strong>und</strong> ein großer Diavortrag<br />
durch mich.<br />
Am 5.3.1987 wurde die Vortragstätigkeit<br />
am Krankenhaus Manolo Morales unter<br />
der Leitung des Chefarztes Dr. med. Luis Cutierrez<br />
fortgesetzt. Hier nahmen insgesamt<br />
25 Ärzte <strong>und</strong> gleichzeitig der Präsident der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie<br />
teil, sowie der Stellvertreter des<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesens von Nicaragua <strong>und</strong><br />
Direktor der Firma Coforma Herr Fernando<br />
Sanchanz. Der Chefarzt der Klinik Manolo<br />
Morales bedankte sich am Schluss des Vortrages<br />
<strong>und</strong> bat darum, Fachliteratur über die<br />
Anwendung des Systems Miehle in Englisch<br />
<strong>und</strong> Spanisch zu erhalten.<br />
Der 6.3.1987 führte mich in die Universitätsstadt<br />
Leon etwa 90 km östlich von Managua.<br />
Auf der Fahrt dorthin lernte ich die<br />
typische Landschaft kennen. Im Hörsaal der<br />
Universität hielt ich eine Vorlesung mit über<br />
25 Ärzten mit anschließender Übung an<br />
Knochenmodellen.<br />
Am 7.3.1987 erfolgte eine abschließende<br />
große Zusammenkunft mit allen Ärzten<br />
<strong>und</strong> außerdem eine Einladung zur Botschaft<br />
<strong>und</strong> dem Handelsrat der DDR. Sowohl der<br />
Präsident der <strong>Gesellschaft</strong>, als auch die anwesenden<br />
Ärzte bedankten sich herzlich<br />
für die geleistete solidarische Hilfe <strong>und</strong><br />
betonten, dass ich als erster Spezialist aus<br />
dem Ausland das Land besucht hätte <strong>und</strong><br />
wertvolle Hilfe geleistet hätte.<br />
Im Ergebnis des Besuches wurde der Wunsch<br />
nach weiteren Literaturmitteilungen, Wiederholungskursen<br />
mit praktischen Übungen<br />
<strong>und</strong> Operationen <strong>und</strong> Teilnahme an Visiten<br />
mir mit auf den Weg gegeben. Vom Präsident<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> wurde mitgeteilt,<br />
dass insgesamt 20 Systeme an 6 Kliniken<br />
des Landes verteilt wurden <strong>und</strong> alle Kollegen<br />
seien von der Einsatzmöglichkeit <strong>und</strong><br />
Variabilität des Systems Miehle überzeugt.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e hat der Präsident den<br />
Wunsch geäußert, dass zwei oder drei Chefärzte<br />
noch im Jahre 1987 gerne in die DDR<br />
zur weiteren Vertiefung der erworbenen Erkenntnisse<br />
kommen möchten.<br />
Im September 1987 kamen dann die Chefärzte<br />
Dr. med. Gerardo Alfaro Pineda <strong>und</strong><br />
Dr. med. Luis ed Gardo Gutierrez Quant in<br />
die DDR. Wir führten zunächst in Berlin an<br />
der Charité praktische Übungen durch an<br />
Knochenmodellen <strong>und</strong> danach reisten die<br />
Kollegen in das Kreiskrankenhaus Lichtenstein/Sachsen<br />
wo ich als Chefarzt tätig war.<br />
Hier nahmen die Kollegen am täglichen<br />
OP-Programm teil <strong>und</strong> konnten ihre Kenntnisse<br />
auf dem Gebiet der externen Fixation<br />
<strong>und</strong> auch im Gesamtgebiet Chirurgie,<br />
Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie vertiefen.<br />
Neben ausführlicher wissenschaftlicher Arbeit<br />
<strong>und</strong> operativer Tätigkeit kam auch die<br />
Kultur <strong>und</strong> Kunst nicht zu kurz, so haben<br />
die Kollegen am Theater <strong>und</strong> Konzertaufführungen<br />
in meiner Heimatstadt Zwickau<br />
teilgenommen. Beim Abschied haben sich<br />
die außerordentlich bescheidenen Kollegen<br />
herzlichst bedankt <strong>und</strong> schrieben mir in<br />
mein Klinikbuch folgendes:<br />
„Wir haben viel bei Ihnen gelernt <strong>und</strong><br />
werden alles was Sie uns mit Geduld <strong>und</strong> mit<br />
Begeisterung beigebracht haben so gut wie<br />
möglich in unserer Heimat anwenden.“<br />
Dozent Dr. habil. D. Miehle<br />
Innere Zwickauer Str. 112<br />
08064 Zwickau<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 71
Begutachtung<br />
W. Senst<br />
Einführung<br />
In allen sozialistischen Ländern vollzog sich<br />
eine Umgestaltung des Begutachtungswesens.<br />
Im März 1961 fand in Bukarest die<br />
1. Internationale Konferenz dieser Länder<br />
zu Gutachtenfragen statt. Dort wurde u. a.<br />
festgelegt, „dass die stürmische Entwicklung<br />
der gesellschaftlichen Produktion, der Ökonomik,<br />
der Wissenschaft <strong>und</strong> der Kultur in den<br />
sozialistischen Ländern neue Anforderungen<br />
an die ärztliche Begutachtung zur weiteren<br />
Vervollkommnung ihrer Methoden stellt“. [5]<br />
In der am 20.9.1965 vom Minister für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
der DDR erlassenen Anweisung<br />
Nr. 1 über die Organisation des ärztlichen<br />
Begutachtungswesens ist der Kern<br />
der Ungestaltung dokumentiert: Bisherige<br />
traditionelle deutsche Regelungen <strong>und</strong><br />
Formen der Begutachtungsdienste wurden<br />
endgültig aufgegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />
lag die Begutachtung ausschließlich<br />
in den Händen der Versicherungsträger, die<br />
auch die Gutachter beriefen. Damit wurde<br />
das ärztliche Begutachtungswesen definitiv<br />
in die Verantwortung staatlicher Organe des<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens übernommen<br />
<strong>und</strong> zu einem integrierten Bestandteil<br />
der ärztlichen Tätigkeit an sich. [8]<br />
Anmerkung In den 60er Jahren gab es in Berlin<br />
den Versuch, eine abgewandelte Form des<br />
traditionellen deutschen Verletztenarten-Heilverfahrens<br />
der Berufsgenossenschaften zu etablieren<br />
[2, 4] <strong>und</strong> in diesem Rahmen auch die<br />
Begutachtung von Unfallfolgen zu regeln. Qualifizierte<br />
Unfallärzte, von den Stadtbezirksärzten<br />
ernannt, sollten diese Aufgabe übernehmen.<br />
Der Berliner Stadtrat für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
hatte schon am 18.9.1962 ein „Statut über das<br />
Spezielle Unfallverletztenheilverfahren“ herausgegeben.<br />
Die Initiatoren dieses Berliner Weges<br />
waren Arnold <strong>und</strong> Häublein, weiterhin Barbier,<br />
Schäfer, B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Mitarbeiter der Poliklinik für<br />
Bauarbeiter. Sie führten unter anderem Informationsbesuche<br />
in den Rehabilitationszentren<br />
(u. a. Raupennest, Kreischa) durch, um den Stand<br />
der Nachbehandlung unfallverletzter Berliner<br />
Bürger vor Ort zu überprüfen. Alle diese Bemühungen<br />
blieben aus unterschiedlichen Gründen<br />
erfolglos. Das Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
war gegen Einzellösungen <strong>und</strong> bestand<br />
generell auf zentralen Regelungen, auch des<br />
Begutachtungswesens. Aber auch an der Basis<br />
hielt man sich zurück. So war zum Beispiel nach<br />
den ursprünglichen Vorstellungen der Sozialversicherungskasse<br />
(SVK) nur eine Gutachtenpauschale<br />
von 3,50 Mark vorgesehen.<br />
Aufgaben des Begutachtungswesens<br />
Mit der im Gesetzblatt vom Januar 1974 veröffentlichen<br />
„Anordnung über Ärztliche Begutachtungen<br />
vom 18. Dezember 1973“ [3]<br />
war die Umgestaltung des Begutachtungswesens<br />
in der DDR offiziell abgeschlossen.<br />
Diese Anordnung regelte Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong><br />
Organisation:<br />
– Geltungsbereich <strong>und</strong> staatliche Leitung<br />
des Begutachtungswesens<br />
– die Verfahrensweise bei Anforderung von<br />
Gutachten<br />
– die zum Leistungsprofil der Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen<br />
zählende Gutachtertätigkeit<br />
<strong>und</strong> die daraus erwachsenden Pflichten<br />
– die Gutachtenerstellung für die Justiz- <strong>und</strong><br />
Sicherheitsorgane<br />
– die Vergütung.<br />
Für die besonderen Belange der Medizinischen<br />
Dienste des Verkehrswesens <strong>und</strong><br />
der Wismut erließen die jeweiligen Leiter in<br />
Abstimmung mit dem Minister für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
zusätzliche Bestimmungen.<br />
„Medizinische Begutachtungen von Angehörigen<br />
bewaffneter Organe erfolgen auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage der von den zuständigen Ministern<br />
getroffenen Festlegungen“ (Zitat aus<br />
der Anordnung von 1973).<br />
Eine Sonderstellung nahm auch die Begutachtung<br />
von Leistungssportlern ein (s. Kap.<br />
12 „Sporttraumatologie“).<br />
Gegenstand der Begutachtungen waren<br />
Leistungen der Sozialversicherungen (Invaliden-<br />
<strong>und</strong> Unfallrenten, Berufskrankheiten,<br />
Sachleistungen), des Sozialwesens,<br />
der Staatlichen Versicherung (z. B. private<br />
Unfallversicherung). Weiterhin: Gutachten<br />
zur Prüfung <strong>und</strong> Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen<br />
im Rahmen der medizinischen<br />
Versorgung <strong>und</strong> materiellen Verantwortlichkeit<br />
der Einrichtungen, sowie Gutachten<br />
für Justiz- <strong>und</strong> Sicherheitsorgane.<br />
Zur gutachtlichen Prüfung einer Voraussetzung<br />
für die Gewährung einer erweiterten<br />
materiellen Unterstützung („EMU“) für Betroffene<br />
bei Ges<strong>und</strong>heitsschäden, die nicht<br />
Sorgfaltspflichtverletzungen anzulasten<br />
waren, wird noch gesondert Stellung genommen.<br />
Im Rahmen zivilrechtlicher Verfahren konnten<br />
von Bürgern der DDR Gutachten zur Beurteilung<br />
körperlicher Schäden <strong>und</strong> medizinischer<br />
Leistungen angefordert werden.<br />
Die Gutachten hatten Einrichtungen der ambulanten<br />
<strong>und</strong> stationären Betreuung, Kliniken<br />
<strong>und</strong> Institute der Hochschulen <strong>und</strong> medizinisch-wissenschaftliche<br />
Institute zu erstellen.<br />
Struktur des Begutachtungswesens<br />
Die Zentralstelle für Ärztliches Begutachtungswesen,<br />
von einem Direktor geleitet,<br />
war direkt dem Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
nachgeordnet. Ihre Aufgabe<br />
bestand in der Durchführung der vom Ministerium<br />
vorgegebenen Aufgaben <strong>und</strong> in der<br />
Zusammenarbeit mit Versicherungen <strong>und</strong><br />
jenen staatlichen Organen, welche Gutachten<br />
anforderten.<br />
In Analogie zur allgemeinen Verwaltungsstruktur<br />
der DDR bestand in jedem Bezirk<br />
eine Bezirksstelle für Ärztliches Begutachtungswesen<br />
<strong>und</strong> in jedem Kreis eine Kreisstelle<br />
für Ärztliches Begutachtungswesen.<br />
Die Bezirksstelle <strong>und</strong> ebenso die Kreisstelle<br />
wurden von einem Arzt in hauptamtlicher<br />
Tätigkeit geleitet. Sie waren dem jeweiligen<br />
Bezirksarzt bzw. Kreisarzt unterstellt. Häufig<br />
handelte es sich um Ärzte in den letzten<br />
Jahren ihres Berufslebens. Diese Stellen<br />
übernahmen in erster Linie Aufgaben der<br />
Verwaltung <strong>und</strong> Koordination [7], der Qualitäts-<br />
<strong>und</strong> Terminkontrolle <strong>und</strong> Beratung<br />
(nicht fachlichen!) der Gutachter. An der Erstellung<br />
von Gutachten beteiligten sich die<br />
Leiter in der Regel nicht. Eine Ursache dürfte<br />
auch die begrenzte fachliche Kompetenz,<br />
aus welchen Gründen auch immer, gewesen<br />
sein.<br />
Zur fachlichen Beratung wurden in den einzelnen<br />
Ebenen Gutachterkommissionen<br />
gebildet: Zentrale Gutachterkommission<br />
<strong>und</strong> Bezirksgutachterkommissionen. Eine<br />
Gutachterkommission auf der Kreisebene<br />
gab es nicht.<br />
Begriffserklärungen<br />
Die Verwendung von Begriffen wie „Minderung<br />
der Erwerbsfähigkeit“, „Erwerbsminderung“,<br />
„allgemeiner Arbeitsmarkt“, „Teilinvalidität“<br />
hatten in der DDR keine Gültigkeit<br />
<strong>und</strong> waren nicht zu verwenden.<br />
72<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Für die Versehrtheit war in der ärztlichen<br />
Begutachtung offiziell als medizinischer<br />
Begriff „Körperschaden (KS)“ zu verwenden,<br />
nach welchem regelwidrige körperliche <strong>und</strong><br />
psychische Zustände zu beurteilen waren.<br />
Als Bewertungsanhalt für den „Grad des<br />
Körperschadens (GdK)“, ausgedrückt in Prozenten,<br />
gab es eine Tabelle mit Richtwerten<br />
(Kürzinger, Kollmorgen, Müldner 1987;<br />
( Abb. 1). Diese entsprachen weitgehend<br />
den MdE- <strong>und</strong> GdB-Orientierungen. Bei der<br />
Abstufung des GdK waren 10 %-Schritte<br />
anzustreben, aber auch 5 %-Schritte waren<br />
möglich.<br />
Die Summe von „Teilkörperschäden“ entsprach<br />
nicht gr<strong>und</strong>sätzlich dem „Gesamtkörperschaden“,<br />
welcher für jeden Einzelfall<br />
gesondert zu bewerten war.<br />
Der offizielle Terminus für die dauernde<br />
Erwerbsunfähigkeit bei Nichterreichen des<br />
Rentenalters war „Invalidität“. Diese Frage<br />
wurde nicht mit Prozentsätzen, sondern nur<br />
mit „ja“ oder „nein“ beantwortet [7].<br />
Anmerkung Die Begriffsdefinition „Invalidität“<br />
lehnte sich an die alte Reichsversicherungsordnung<br />
(RVO) an: Invalidität liegt vor, wenn<br />
durch Krankheit, Unfall oder sonstige geistige<br />
bzw. körperliche Schädigung das Leistungsvermögen<br />
<strong>und</strong> der Verdienst um mindestens zwei<br />
Drittel gemindert sind <strong>und</strong> die Minderung des<br />
Leistungsvermögens in absehbarer Zeit durch<br />
Heilbehandlung nicht behoben werden kann.<br />
Zur „Schonarbeit“ (Arbeitsgesetzbuch<br />
§ 216): „Wird ärztlich festgestellt, dass der<br />
Abb. 1 Umschlag der Monografie „Gr<strong>und</strong>lagen<br />
der ärztlichen Begutachtung“. Herausgegeben<br />
von: OMR Prof. Dr. med. Richard Kürzinger, OMR<br />
Dr. med. Günther Kollmorgen, OMR Dr. med.<br />
Jürgen Müldner. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit; 1987<br />
Werktätige wegen vorübergehender Minderung<br />
der Arbeitsfähigkeit oder zum vorbeugenden<br />
Ges<strong>und</strong>heitsschutz die vereinbarte<br />
Arbeitsaufgabe unter den bisherigen<br />
Bedingungen nicht ausführen kann, hat der<br />
Betrieb durch Einschränkung der Arbeitsaufgabe,<br />
Veränderung der Bedingungen am Arbeitsplatz<br />
oder Veränderung der Arbeitszeit<br />
die Weiterbeschäftigung des Werktätigen<br />
mit dieser Arbeitsaufgabe zu ermöglichen<br />
oder ihm eine zumutbare andere Arbeit zu<br />
übertragen (Schonarbeit) …“.<br />
Die Gutachterkommissionen<br />
Die Bezirksgutachterkommission setzte sich<br />
aus erfahrenen Fachärzten eines Bezirkes<br />
zusammen, die vom Bezirksarzt berufen<br />
wurden.<br />
Beispiel In der Bezirksgutachterkommission<br />
Frankfurt (Oder) waren folgende Fachgebiete<br />
vertreten: Innere Medizin (Chefarzt BKH), 2 x<br />
Chirurgie (Chefarzt BKH <strong>und</strong> Chefarzt KKH),<br />
Gynäkologie <strong>und</strong> Geburtshilfe (Chefarzt BKH),<br />
Gerichtliche Medizin (Leiter Bezirksinstitut),<br />
Neurologie <strong>und</strong> Psychiatrie (Oberarzt BKH),<br />
Orthopädie (Chefarzt BKH).<br />
Den Kommissionen oblag „insbesondere<br />
die Klärung der Begutachtungen – in Beschwerde-<br />
oder Einspruchsverfahren, – bei<br />
Meinungsverschiedenheiten über die wissenschaftliche<br />
Begründung, inhaltliche Darstellung<br />
bzw. Schlussfolgerung in Gutachten“<br />
(Zitat aus der Anordnung von 1973).<br />
Ein Beratungsschwerpunkt einer Bezirksgutachterkommission<br />
waren die Gutachten<br />
zur Prüfung des Verdachts auf Verletzung<br />
der ärztlichen Sorgfaltspflicht oder einer<br />
anderen schuldhaften Handlung. Im Ergebnis<br />
der Beratung wurde die Anerkennung<br />
oder Ablehnung einer Pflichtverletzung<br />
empfohlen. Das Beratungsergebnis hatte<br />
bei Anerkennung eines schuldhaft verursachten<br />
Schadens neben der Regulierung<br />
durch die Versicherung auch indirekten Einfluss<br />
auf die weiteren rechtlichen bzw. disziplinarischen<br />
Konsequenzen. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
wurde es als Bonus für den belasteten Arzt<br />
gewertet, wenn dieser um eine objektive<br />
Darstellung bemüht war <strong>und</strong> zu seiner Fehlleistung<br />
stand.<br />
In der DDR galt das Prinzip des doppelten<br />
gutachtlichen Prüfungsverfahrens. Deshalb<br />
war das Beratungsergebnis der Bezirksgutachterkommissionen<br />
zur Überprüfung<br />
durch die Zentrale Gutachterkommission<br />
der Zentralstelle für Ärztliches Begutachtungswesen<br />
vorzulegen. Erst nach der Bestätigung<br />
durch die Zentralstelle konnten<br />
auf Bezirksebene weitere Maßnahmen<br />
veranlasst werden. Die Abänderung eines<br />
Beratungsergebnisses war möglich, erfolgte<br />
ohne Diskussion mit der Bezirksgutachterkommission<br />
<strong>und</strong> war verbindlich.<br />
Erweiterung der materiellen<br />
Unterstützung („EMU“)<br />
Am 16.12.1974 trat die „Anordnung über die<br />
Erweiterung der materiellen Unterstützung<br />
der Bürger infolge medizinischer Eingriffe“ in<br />
Kraft [6, 9].<br />
Die entsprechenden Fälle wurden der Bezirksgutachterkommission<br />
zur Beratung<br />
vorgelegt.<br />
Voraussetzungen für die Anwendung dieser<br />
Anordnung waren:<br />
– Die medizinischen Eingriffe sind definiert<br />
als diagnostische <strong>und</strong> therapeutische<br />
Maßnahmen, die mit operativ-chirurgischen<br />
oder anderen Handlungen verb<strong>und</strong>en<br />
sind.<br />
– Wenn die Ges<strong>und</strong>heitsschädigung trotz<br />
richtigen <strong>und</strong> pflichtgemäßen Handelns<br />
im krassen Missverhältnis zu dem Risiko<br />
steht, das aufgr<strong>und</strong> des medizinischen<br />
Eingriffs vorhergesehen werden konnte.<br />
Ansprüche aus der materiellen Haftung der<br />
Einrichtung wegen schuldhaft verursachter<br />
Schadenszufügung ihrer Mitarbeiter blieben<br />
von dieser Anordnung unberührt.<br />
Einige Beispiele, auf die sich diese Anordnung<br />
bezog [9]:<br />
In einer technisch gut ausgestatteten Einrichtung<br />
sachgerecht durchgeführte, indizierte<br />
(Verdacht auf Aneurysma der Hirngefäße) Angiografie;<br />
unerwartete Folge: Halbseitenlähmung,<br />
Pflegebedürftigkeit.<br />
Indizierte <strong>und</strong> sachgerecht durchgeführte<br />
Stell atumblockade (längere Zeit Durchblutungsstörungen<br />
in den Armen) in technisch<br />
gut ausgestatteter Einrichtung. Im Anschluss<br />
Lähmung aller Gliedmaßen. Folge: Invalidität,<br />
Rollstuhl.<br />
Indizierte Cholangiografie mit jodhaltigem<br />
Kontrastmittel. Folge: Anaphylaktischer<br />
Schock, trotz sofortiger Maßnahmen Tod des<br />
Unter suchten.<br />
Intraglutäale Injektion eines Penizillins bei<br />
einem 7 Wochen alten Säuglings wegen<br />
Otitis media. Sachgerechte Durchführung.<br />
Danach Sickerblutung <strong>und</strong> Zeichen einer<br />
Thrombembolie im Bein. Verlegung in eine<br />
Säuglingsklinik wegen Nicolau-Syndroms.<br />
Folge: Entwicklungsstörungen <strong>und</strong> letztlich<br />
Gebrauchsunfähigkeit des betroffenen Beines,<br />
Funktionsausfälle von Blase <strong>und</strong> Mastdarm.<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 73
Im Bezirk Frankfurt/Oder betrug in den<br />
Jahren 1975 bis 1987 der durchschnittliche<br />
Anteil der Emu-Anerkennungen 10 % aller<br />
Entschädigungsanträge der Patienten. Für<br />
47 % trafen die Kriterien der „Materiellen<br />
Verantwortung der Ges<strong>und</strong>heitseinrichtung“<br />
(MVGE) zu, das heißt, es lag eine Verletzung<br />
der Sorgfaltspflicht (Verstoß gegen<br />
anerkannte Regeln der Heilk<strong>und</strong>e oder ein<br />
Organisationsverschulden) vor. 43 % der Anträge<br />
wurden abgelehnt. Für das letzte Jahr<br />
des Berichtszeitraumes 1987 lauteten die<br />
Zahlen: EMU 14 % (gegenüber 21 % 1976),<br />
MVGE 54 % (gegenüber 33 % 1976), Ablehnung<br />
32 % (gegenüber 46 % 1976).<br />
Formen der materiellen Unterstützung waren:<br />
– Finanzielle Beihilfen bei wesentlicher<br />
Änderung der Arbeits- <strong>und</strong> Lebensbedingungen<br />
des Geschädigten (monatliche<br />
Rentenzahlungen, Pflegekostenbeitrag;<br />
bei Tod des Geschädigten einmalige<br />
Zahlung von 1000 Mark – sofern Unterhaltspflicht<br />
ein Jahresbruttoverdienst;<br />
einmalige Zahlung bei erheblichen Entstellungen).<br />
– Die bevorzugte Versorgung mit Versehrtenfahrzeugen<br />
<strong>und</strong> anderen Hilfsmitteln.<br />
– Berufliche Umschulung,<br />
Die finanziellen Leistungen hatte die Staatliche<br />
Versicherung der DDR zu übernehmen.<br />
Diese „EMU“-Regulierung von Schadensfällen<br />
hatte sich bewährt <strong>und</strong> wurde allgemein,<br />
insbesondere von den Ärzten <strong>und</strong><br />
anderen Mitarbeitern der betroffenen Einrichtung,<br />
begrüßt.<br />
Begutachtungswesen <strong>und</strong><br />
Fachgesellschaften<br />
Innerhalb der Sektion Traumatologie der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR bestand<br />
eine kleine, aber sehr aktive Arbeitsgemeinschaft<br />
Begutachtung <strong>und</strong> Rehabilitation. Diese<br />
AG knüpfte an die ersten Erfolge einer<br />
Gruppe von engagierten Ärzten an, die vom<br />
Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des<br />
KKH Stavenhagen Dr. Jahnke geleitet wurde<br />
[10]. Jahnke hatte unter anderem aus eigener<br />
Initiative in Jürgenstorf bei Stavenhagen<br />
eine regional wirksame Rehabilitationseinrichtung<br />
für Unfallverletzte geschaffen. Im<br />
Jahre 1973 übernahm G. Woziwodski die<br />
Leitung der Gruppe, die er bis 1990 innehatte.<br />
Seine ersten Bemühungen waren auf<br />
die allseitige Integration als AG der Sektion<br />
Traumatologie <strong>und</strong> auf eine systematische<br />
Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften<br />
ausgerichtet.<br />
Arbeitsschwerpunkt der AG waren Belange<br />
der Rehabilitation. Das Begutachtungswesen<br />
war unter staatlicher Kontrolle<br />
<strong>und</strong> straff organisiert (s. Kap. „Aufbau des<br />
staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens der DDR“),<br />
so dass hier die Möglichkeiten einer Einflussnahme<br />
sehr beschränkt waren. Jedoch<br />
brachte die AG Themen der Begutachtung<br />
<strong>und</strong> Rehabilitation in die Programme wissenschaftlicher<br />
Tagungen ein <strong>und</strong> zeichnete<br />
für diese verantwortlich [10].<br />
Vom 23. bis 25.11.1981 fand in Dresden die<br />
erste „Wissenschaftliche Konferenz des Ärztlichen<br />
Begutachtungswesens“ statt. Veranstalter<br />
war das Präsidium der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Klinische Medizin der DDR (Präsident:<br />
OMR Prof. Dr. Matthes), gemeinsam mit der<br />
Zentralstelle für Ärztliches Begutachtungswesen<br />
(Direktor: OMR Dr. Kollmorgen). Zwei<br />
weitere Kongresse folgten, der dritte vom<br />
1. bis 3.11.1988 in Karl-Marx-Stadt.<br />
Auswahl von Themen des Kongresses<br />
1981 [1]:<br />
• Philosophisch-ethische Aspekte des ärztlichen<br />
Handelns<br />
• Zur Psychologie des Gutachters, des zu Begutachtenden<br />
<strong>und</strong> der Begutachtungssituation<br />
• Prinzipielle rechtliche Fragen der ärztliche<br />
Begutachtung<br />
• Gutachtlich relevante Rechtsfragen der Aufklärung<br />
<strong>und</strong> Schweigepflicht<br />
• Das ärztliche Gutachten als eine Form angewandter<br />
medizinischer Wissenschaft; Rechte<br />
<strong>und</strong> Pflichten des Gutachters im Gerichtsverfahren<br />
• Aspekte der Begutachtung aus der Sicht der<br />
gerichtlichen Medizin<br />
• Schadenersatz <strong>und</strong> andere Leistungen im<br />
Zusammenhang mit Ges<strong>und</strong>heitsschädigungen<br />
im Prozess der medizinischen Betreuung<br />
• Zu den Begriffen richtunggebende Verschlimmerung,<br />
eigengesetzlicher Verlauf,<br />
objektiver Besserungsnachweis<br />
• Zur Problematik des Risikos <strong>und</strong> der Risikohöhe<br />
bei medizinischen Eingriffen<br />
• Trauma <strong>und</strong> maligner Tumor.<br />
Jährliche Fortbildungslehrgänge für ärztliche<br />
Gutachter im Seebad Ahrenshoop<br />
wurden von der <strong>Deutsche</strong>n Akademie für<br />
Ärztliche Fortbildung (später Akademie für<br />
Ärztliche Fortbildung der DDR) durchgeführt.<br />
Aus der Praxis<br />
Die Qualität der zur DDR-Zeit erstellten<br />
Gutachten wurde oft kritisiert, die unzureichende<br />
Ausführlichkeit <strong>und</strong> Aussage bemängelt.<br />
Das mag prinzipiell richtig sein, erscheint<br />
aber bei Betrachtung der Vergütung<br />
in einem anderen Licht. Zum Beispiel: für<br />
ein Formular-Erstgutachten zur Beurteilung<br />
der Invalidität, Arbeits- oder Berufsfähigkeit<br />
zahlte der Auftragsgeber 12 bis 15 Mark der<br />
DDR, für ein Nachgutachten 9 bis 12 Mark.<br />
Für ein Erstgutachten zur Beurteilung von<br />
Unfallfolgen standen 6 bis 15 Mark, für ein<br />
Nachgutachten 6 bis 9 Mark zur Verfügung.<br />
Von diesem Honorar wurde noch ein Steuersatz<br />
von 20 % abgezogen. Ein Anspruch auf<br />
Vergütung bestand aber nur dann, wenn<br />
das Gutachten außerhalb der Dienstzeit gemacht<br />
wurde, denn gemäß § 1 der zitierten<br />
Anordnung vom Jahre 1973 zählten Begutachtungen<br />
zum unmittelbaren Aufgabenbereich<br />
der Ärzte.<br />
Die folgerichtigen Reaktionen der Ärzte lagen<br />
auf der Hand: Das Formular wurde fast<br />
immer mit dem Vermerk „außerhalb der<br />
Dienstzeit“ versehen; die Ausführlichkeit<br />
des Textes entsprach dem Honorar; die in<br />
der Anordnung vorgegebene Frist von 6 Wochen<br />
wurde in der Regel nicht eingehalten.<br />
Das Formulargutachten war Standard.<br />
Freie Gutachten bedurften der Zustimmung<br />
des Auftraggebers. Deren Honorierung (z. B.<br />
Obergutachten) war wesentlich besser,<br />
wenn auch nicht immer angemessen.<br />
Die Indikation zur Invalidisierung wurde<br />
mitunter sehr großzügig gehandhabt. Das<br />
geschah in der Regel in sozialen Härtefällen;<br />
teilweise aber auch zur komplikationsarmen<br />
„Ausgliederung“ älterer Leitungsmitglieder<br />
in Betrieben <strong>und</strong> Verwaltungen,<br />
die ihren Aufgaben wegen Überforderung<br />
oder vorzeitiger biologischer Alterung nicht<br />
(mehr) gewachsen waren.<br />
Zusammenfassung<br />
Die bisherigen traditionellen deutschen Regelungen<br />
<strong>und</strong> Formen der Begutachtungsdienste<br />
wurden in der DDR aufgegeben <strong>und</strong><br />
das ärztliche Begutachtungswesen in die<br />
Verantwortung staatlicher Organe des Ges<strong>und</strong>heits-<br />
<strong>und</strong> Sozialwesens übernommen.<br />
Damit wurden sie zu einem integrierten<br />
Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit an sich.<br />
Einrichtungen der ambulanten <strong>und</strong> stationären<br />
Betreuung, Kliniken <strong>und</strong> Institute<br />
der Hochschulen <strong>und</strong> medizinisch-wissenschaftlichen<br />
Institute hatten die Gutachten<br />
zu erstellen.<br />
Gegenstand der Begutachtungen waren<br />
Leistungen der Sozialversicherungen (Invaliden-<br />
<strong>und</strong> Unfallrenten, Berufskrankheiten,<br />
Sachleistungen), des Sozialwesens,<br />
der Staatlichen Versicherung (z. B. private<br />
Unfallversicherung). Weiterhin: Gutachten<br />
zur Prüfung <strong>und</strong> Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen<br />
im Rahmen der<br />
medizinischen Versorgung <strong>und</strong> materiellen<br />
Verantwortlichkeit der Einrichtungen, so-<br />
74<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
wie Gutachten für Justiz- <strong>und</strong> Sicherheitsorgane,<br />
für die Medizinischen Dienste des<br />
Verkehrswesens <strong>und</strong> der Wismut, für die<br />
Angehörigen bewaffneter Organe. Eine<br />
Sonderstellung nahm auch die Begutachtung<br />
von Leistungssportlern ein (s. Kap. 12<br />
„Sporttraumatologie“)<br />
Die Strukturen: Die Zentralstelle für Ärztliches<br />
Begutachtungswesen, direkt dem<br />
Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen nachgeordnet<br />
<strong>und</strong> von einem Direktor geleitet,<br />
leitete die Bezirks- <strong>und</strong> Kreisstellen an. Es<br />
standen beratend Kommissionen zur Seite,<br />
die sich aus erfahrenen Fachärzten zusammensetzten.<br />
1974 trat die „Anordnung über die Erweiterung<br />
der materiellen Unterstützung der Bürger<br />
infolge medizinischer Eingriffe“ in Kraft.<br />
Ansprüche aus der materiellen Haftung der<br />
Einrichtung wegen schuldhaft verursachter<br />
Schadenszufügung ihrer Mitarbeiter blieben<br />
von dieser Anordnung unberührt.<br />
Die Fortbildung erfolgte durch jährliche<br />
Lehrgänge im Seebad Ahrenshoop <strong>und</strong> seit<br />
1983 zusätzlich im Rahmen der von der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Klinische Medizin getragenen<br />
„Wissenschaftlichen Konferenzen des Ärztlichen<br />
Begutachtungswesens“.<br />
Eine Ursache der vielfach bemängelten<br />
Qualität <strong>und</strong> Ausführlichkeit medizinischer<br />
Gutachten war die spärliche Vergütung der<br />
Formulargutachten. Die besser honorierten<br />
Gutachten in freier Form bedurften der Zustimmung<br />
des Auftragsgebers <strong>und</strong> waren<br />
die Ausnahme.<br />
Literatur<br />
1. Wissenschaftliche Konferenz des ärztlichen Begutachtungswesens.<br />
Dt. Ges<strong>und</strong>h.-Wesen 1982;<br />
37: 769–816<br />
2. Arnold K: Persönliche Mitteilung<br />
3. Anordnung über ärztliche Begutachtungen vom<br />
18.12.1973. Gesetzblatt Teil I Nr. 3, S. 33–34. Ausgabetag:<br />
24.1.1974<br />
4. Franke K: Persönliche Mitteilung 2007<br />
5. Kollmorgen G. Die Entwicklung des Invaliditätsbegriffs<br />
in Deutschland. Vortrag Fortbildungslehrgang<br />
„Aktuelle Begutachtungsfragen“. Sonderdruck<br />
aus: Redetzki H, Thiele H. „Schriftenreihe<br />
der ärztlichen Fortbildung“. Band XXII. Berlin: VEB<br />
Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1963<br />
6. Kollmorgen G. Gr<strong>und</strong>sätze zur Organisation des<br />
Ärztlichen Begutachtungswesens in der DDR<br />
<strong>und</strong> zur Begutachtung bei Verfahren wegen behaupteter<br />
Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht.<br />
Vortrag Berliner Chirurgische <strong>Gesellschaft</strong><br />
am 12.11.1973<br />
7. Kollmorgen G: Persönliche <strong>Mitteilungen</strong> 2006<br />
8. Kürzinger R, Kollmorgen G, Müldner J. Gr<strong>und</strong>lagen<br />
der ärztlichen Begutachtung. Berlin: VEB Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1987<br />
9. Mandel J, Kollmorgen G. Erweiterung der materiellen<br />
Unterstützung der Bürger infolge medizinischer<br />
Eingriffe. Zschr. Ärztl. Fortbild 1975; 69:<br />
610–2<br />
10. Woziwodki G: persönliche Mitteilung 2005<br />
Prof. Dr. W. Senst<br />
Wildenbruch Str. 5a<br />
15230 Frankfurt/O<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 75
Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft<br />
Kindertraumatologie<br />
W. Kurz<br />
Die Idee für eine Arbeitsgemeinschaft „Kindertraumatologie“<br />
äußerte 1971 auf der<br />
Kinderchirurgentagung der DDR in Dresden<br />
der Leipziger Lehrstuhlinhaber für Kinderchirurgie<br />
Herr Prof. Meißner ( Abb. 1). Er<br />
beauftragte während der Tagung seinen<br />
damaligen Mitarbeiter Herrn Dr. Vinz sich<br />
der Sache anzunehmen <strong>und</strong> ihn über den<br />
Aufbau einer Arbeitsgemeinschaft zu unterrichten.<br />
Abb. 1 Prof. Dr.<br />
Meißner, Leipzig;<br />
Ideengeber für die AG<br />
Kindertraumatologie.<br />
Aus: Privatarchiv W.<br />
Kurz<br />
Herr Kollege Vinz suchte als erstes Mitstreiter<br />
für dieses Unterfangen <strong>und</strong> konnte bis<br />
zum 1.3.1972 bereits 10 Kollegen, Traumatologen<br />
<strong>und</strong> Kinderchirurgen gewinnen.<br />
Mit dem aufkommenden Interesse an der<br />
Kindertraumatologie ist aber auch bei uns<br />
– wie anderswo – <strong>und</strong> dies zunehmend als<br />
Begleiterscheinung das Kompetenzgerangel<br />
um die Zuständigkeit des kindlichen Unfalls<br />
zu beobachten gewesen. So erhoben sowohl<br />
die bestehenden Sektionen Kinderchirurgie<br />
<strong>und</strong> Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
der DDR den Anspruch auf Heimstadt<br />
der zu gründenden Arbeitsgemeinschaft,<br />
wie der zahlreich erhaltene Schriftverkehr<br />
zwischen den Vorständen belegt.<br />
Herr Dr. Vinz setzte sich von Anbeginn für<br />
eine interdisziplinäre Trägerschaft ein <strong>und</strong><br />
geriet so rasch zwischen die Fronten, was<br />
auch zu einem Zerwürfnis mit dem Ideengeber<br />
führte <strong>und</strong> für die Aufbauarbeit nicht<br />
hilfreich war. Ob der unterschiedlichen<br />
Ansichten beider Sektionen zur Trägerschaft<br />
eskalierte der Streit <strong>und</strong> beschäftige<br />
schließlich die Vorstände der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie <strong>und</strong> der <strong>Gesellschaft</strong> für klinische<br />
Medizin der DDR.<br />
Hier nur ein paar kurze Auszüge aus Briefen,<br />
die die unterschiedlichen Ansichten zeigen:<br />
Am 9.5.1972 schreibt der Vorsitzende der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR, Herr<br />
Prof. Schober, Halle an den Vorsitzenden der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für klinische Medizin der DDR,<br />
Herrn Prof. Mathes, Berlin: „Sie werden sich<br />
vielleicht erinnern an Ihre Verhandlungen<br />
in der letzten Vorstandssitzung in Halle. So<br />
wurde seiner Zeit über die Frage einer Arbeitsgemeinschaft<br />
Kindertraumatologie der<br />
Sektion Kinderchirurgie, andererseits auch<br />
über die Verankerung der Kindertraumatologie<br />
in der Sektion Traumatologie gesprochen.<br />
Abschließend stellten wir fest, dass die beiden<br />
Sektionen durch ihre Vorstände hierüber<br />
weiter verhandeln <strong>und</strong> dem Vorstand berichten<br />
sollten.“<br />
Nach weiteren Detailerläuterungen folgt<br />
dann die Empfehlung: „die Kindertraumatologie<br />
vorwiegend der Sektion Traumatologie<br />
zuzuordnen, da in der DDR derzeit noch der<br />
überwiegende Anteil der traumatologischen<br />
Kinder in Kreis- <strong>und</strong> Bezirkskrankenhäuser<br />
eingeliefert werden <strong>und</strong> nicht in kinderchirurgische<br />
Spezialabteilungen“. Diese Entscheidung<br />
war nun für die Kinderchirurgen<br />
nicht akzeptabel.<br />
Trotz solcher Rückschläge hat Herr Kollege<br />
Vinz immer wieder versucht vermittelnd<br />
einzugreifen, da für ihn eine von beiden Sektionen<br />
getragene Arbeitsgemeinschaft der<br />
Idealfall zu sein schien. So schreibt er unter<br />
anderem am 15.12.1972 an die Vorsitzende<br />
der Sektion Kinderchirurgie Frau Chefarzt<br />
Dr. Krause, Berlin: „Kürzlich sprach ich mit<br />
Herrn Prof. Dr. Wehner (Vorsitzender der Sektion<br />
Traumatologie) wieder über die Arbeitsgemeinschaft<br />
für Kindertraumatologie. Bei<br />
dieser Gelegenheit zeigte er mir die von Ihnen<br />
neu ausgearbeitete Arbeitsordnung mit<br />
der Präambel. An dieser Präambel nahm Herr<br />
Prof. Wehner Anstoß, m.E. zu recht. Sie ist<br />
so abgefasst, dass auch ich als Vertreter der<br />
Sektion Kinderchirurgie aus dem Wortlaut<br />
entnehmen muss, dass die Sektion Traumatologie<br />
nur als zeitweise geduldeter Arbeitspartner<br />
anzusehen ist.“ Er schlussfolgert:<br />
„Wenn die Sektion Kinderchirurgie tatsächlich<br />
Einfluss auf die Kindertraumatologie<br />
nehmen will, so kann sie das nur als gleichberechtigter<br />
Partner zusammen mit der Sektion<br />
Traumatologie. Sollten beide Sektionen Konkurrenzunternehmen<br />
unter gleichem Namen<br />
starten, so ist die Sektion Kinderchirurgie von<br />
vornherein hoffnungslos verloren.“<br />
Er begründet seine Meinung u. a. so:<br />
– „die Sektionen Kinderchirurgie <strong>und</strong> Traumatologie<br />
sind wissenschaftlich <strong>und</strong> praktisch<br />
gleichermaßen an der Traumatologie<br />
des Kindesalters interessiert;<br />
– die Bildung von zwei gleichlautenden Arbeitsgemeinschaften<br />
würde eine wesentlich<br />
geringere Effektivität erbringen;<br />
– demgegenüber würde eine Arbeitsgemeinschaft,<br />
die gleichzeitig von zwei wichtigen<br />
Sektionen der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
getragen wird ein hohes Maß an Autorität<br />
besitzen <strong>und</strong> praktisch alle auf dem Gebiet<br />
der Kindertraumatologie tätigen Ärzte ansprechen.“<br />
Letztlich bat Herr Dr. Vinz ( Abb. 2) in<br />
einem erneuten Brief an die Vorsitzende<br />
der Sektion Kinderchirurgie Frau Dr. Krause:<br />
„Beauftragen Sie mich bitte durch ein entsprechendes<br />
Schreiben als Vertreter der Sektion<br />
Kinderchirurgie mit dem Vorsitzenden der<br />
Sektion Traumatologie die Details der Zusammenarbeit<br />
beider Sektionen im Rahmen der<br />
interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für<br />
Kindertraumatologie zu verhandeln. Mit der<br />
Autorisierung ausgerüstet würde ich unter<br />
allen Umständen versuchen, für die Kinderchirurgie<br />
das Beste herauszuholen. Herr Prof.<br />
Wehner hat sich mündlich mir gegenüber<br />
bereits damit einverstanden erklärt, dass ich<br />
für die ersten 2 Jahre den Vorsitz der interdisziplinären<br />
Arbeitsgemeinschaft übernehmen<br />
sollte. Ich glaube, dass wäre unter den gegebenen<br />
Umständen kein schlechter Anfang.“<br />
Schließlich teilte der 1. Vorsitzende der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie der DDR Herr Prof.<br />
Schmauss, Berlin am 28.4.1973 den Vorsitzenden<br />
der Sektionen Traumatologie <strong>und</strong><br />
Kinderchirurgie mit: „dass von unserer Seite<br />
aus keine Bedenken gegen die Gründung der<br />
interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft bestehen.<br />
Die Arbeitsordnung entspricht den<br />
Richtlinien der <strong>Gesellschaft</strong> für klinische Medizin<br />
der DDR.“<br />
So konnte nach mehrmaligen Verschiebungen<br />
während des IV. Unfallkongresses<br />
der DDR in Leipzig am 7.12.1973 die Gründungsversammlung<br />
durchgeführt <strong>und</strong> die<br />
Arbeitsfähigkeit der Arbeitsgemeinschaft<br />
erklärt werden.<br />
76<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Publikationen der Arbeitsgemeinschaft<br />
Kindertraumatologie der DDR<br />
(Die Publikationen beruhen auf den jeweils<br />
durchgeführten Gemeinschaftsstudien der AG)<br />
Abb. 2 In der Mitte der langjährige, aktivste Mitarbeiter der AG Kindertraumatologie Prof. Dr. H. Vinz,<br />
Burg. Rechts daneben Prof. Dr. J. Hargitai, Budapest, <strong>und</strong> Prof. Dr. W. Breyer, Berlin. Aus: Privatarchiv W.<br />
Kurz<br />
Nach der bei der Gründungsversammlung<br />
beschlossenen Arbeitsordnung wurde die<br />
Arbeitsgemeinschaft „Kindertraumatologie“<br />
als interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft<br />
von den Sektionen Traumatologie<br />
<strong>und</strong> Kinderchirurgie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR getragen, war gleichermaßen<br />
beiden Sektionen unterstellt <strong>und</strong><br />
wurde von den Sektionsvorsitzenden angeleitet.<br />
Die Leitung der Arbeitsgemeinschaft<br />
wurde aus dem Vorsitzenden <strong>und</strong> einem<br />
Stellvertreter gebildet. In einem 2 jährigen<br />
Intervall sollte ein neuer Vorsitzender<br />
von der Mitgliederversammlung gewählt<br />
werden, wobei sich jeweils ein Kinderchirurg<br />
<strong>und</strong> ein Traumatologe abwechseln sollten.<br />
Eine Reihe von Aufgaben haben wir uns in<br />
der Arbeitsordnung gestellt, so zum Beispiel:<br />
– die Förderung <strong>und</strong> Entwicklung der Traumatologie<br />
des Kindesalters als eines speziellen<br />
Fachgebietes;<br />
– prognostische Arbeit auf dem Gebiet der<br />
Traumatologie des Kindesalters unter besondere<br />
Berücksichtigung sozial-medizinischer<br />
Aspekte;<br />
– Vorbereitung von wissenschaftlichen Veranstaltungen<br />
u. v.<br />
Unsere Basistätigkeit in der Arbeitsgemeinschaft<br />
bestand zunächst in der Durchführung<br />
von retrospektiven Gemeinschaftsstudien,<br />
in die Kliniken aller Größenordnungen<br />
<strong>und</strong> aus allen Regionen der DDR einbezogen<br />
wurden. Es konnte davon ausgegangen werden,<br />
dass das jeweils bearbeitete Krankengut<br />
im Wesentlichen den aktuellen Querschnitt<br />
in der DDR repräsentierte.<br />
Als die Arbeitsgemeinschaft 1974 ihre erste<br />
Gemeinschaftsstudie zur „Osteosynthese<br />
im Kindesalter“ startete war der Begriff der<br />
Multicenterstudie im deutschen Sprachraum<br />
noch nicht so geläufig. Wir erfassten<br />
mit dieser Arbeitsweise ein großes Krankengut,<br />
insbesondere auch von Einrichtungen,<br />
die in der Regel auf klinische Forschungstätigkeit<br />
nicht eingerichtet <strong>und</strong> deren oft<br />
umfangreiches Material ansonsten verloren<br />
gegangen wäre.<br />
Die in den Gemeinschaftsstudien erfassten<br />
hohen Fallzahlen eines vergleichsweise<br />
kurzen Zeitraumes waren in der Literatur<br />
meist unerreicht. Die großen Fallzahlen<br />
ergaben repräsentative Aussagen zur Epidemiologie,<br />
zu den praktizierten Behandlungsmethoden<br />
<strong>und</strong> die auf die einzelnen<br />
Behandlungsmethoden bezogenen Spätergebnisse.<br />
So konnte z. B. anhand der<br />
Ergebnisse der Studie über die Oberschenkelfrakturen<br />
an einem überzeugend großen<br />
Krankengut nachgewiesen werden, dass die<br />
intramedulläre Schienung über die Trochanterapophyse<br />
die Gefahr der Veränderung<br />
der Winkelverhältnisse am Schenkelhals<br />
bringt. Außerdem sind bei seltenen Verletzungen,<br />
wie z. B. bei Schenkelhals- oder Fußwurzelfrakturen,<br />
Gemeinschaftsstudien die<br />
einzige Möglichkeit, um überhaupt einen<br />
Erkenntnisgewinn zu bekommen.<br />
Die Bearbeitungsgruppe einer Gemeinschaftsstudie<br />
bestand aus 2–4 Mitgliedern,<br />
die für das zu bearbeitende Thema ein für<br />
alle Studienteilnehmer verbindliches Bearbeitungs-<br />
<strong>und</strong> Nachuntersuchungsschema<br />
festlegten. Auswertung, Vortrag oder Manuskriptgestaltung<br />
zur Veröffentlichung<br />
übernahmen die Bearbeiter. Die Veröffentlichungen<br />
erschienen als Gemeinschaftsarbeit<br />
der Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie<br />
( Anlage 1).<br />
1. Vinz H. Osteosynthese im Kindesalter. Beitr.<br />
Orthop. u. Traumatologie 1976; 23: 107–11<br />
2. Schickedanz H, Vinz H, Adam G. Die<br />
Extensionsbehandlung von Frakturen bei<br />
Kindern <strong>und</strong> ihre Komplikationen. Beitr.<br />
Orthop. u. Traumatologie 1976; 23: 267–71<br />
3. Reichmann J. Die stumpfe Bauchverletzung<br />
im Kindesalter. Zbl. Chirurgie 1976; 103:<br />
1041–51<br />
4. Vinz H, Grobler B, Wiegang E. Ostitis nach<br />
Osteosynthesen im Kindesalter. Beitr.<br />
Orthop. u. Traumatologie 1978; 25: 349–61<br />
5. Kurz W, Vinz H. Zur Epidemiologie <strong>und</strong> Klinik<br />
der geschlossenen Unterschenkefraktur<br />
im Kindesalter. Zbl. Chirurgie 1979; 104:<br />
1402–9<br />
6. Vinz H, Kurz W. Die offene diaphysäre<br />
Unterschenkelfraktur im Kindesalter. Zbl.<br />
Chirurgie 1980; 105: 32–8<br />
7. Kurz W, Vinz H, Wahl D. Spätergebnisse<br />
nach Osteosynthesen von<br />
Unterarmschaftfrakturen im Kindesalter.<br />
Zbl. Chirurgie 1982; 107: 149–55<br />
8. Kurz W, Gündel Th, Hartmann H.<br />
Fußwurzelfrakturen im Kindesalter. Zbl.<br />
Chirurgie 1984; 109: 984–90<br />
9. Stock H. Die kindliche Oberschenkelfraktur.<br />
Zbl. Chirurgie 1985; 110: 969–82<br />
10. Kurz W, Vinz H, Wahl D. Fehler <strong>und</strong><br />
Gefahren bei der Osteosynthese von<br />
Vorderarmschaftfrakturen im Kindesalter.<br />
Zbl. Chirurgie 1986; 111: 659–82<br />
11. Reuter G, Laskas S. Zur Lokalbehandlung<br />
thermischer Verletzungen bei Kindern –<br />
Ergebnisse einer multizentrischen Studie.<br />
Zbl. Chirurgie 1986; 111: 825–6<br />
12. Reuter G, Laskas S. Thermische Verletzungen<br />
im Kindesalter – Schlussfolgerungen zur<br />
Lokalbehandlung aus einer DDR-Studie.<br />
Pädiatr. Grenzgeb 1988; 27: 109–14<br />
13. Kurz W, Grumbt H. Die traumatische<br />
Hüftluxation im Kindsalter. Zbl. Chirurgie<br />
1988; 113: 716–8<br />
14. Vinz H, Bohl J, Höhndorf H, et al.<br />
Physiotherapie im Rahmen der<br />
Frakturbehandlung bei Kindern. Zbl.<br />
Chirurgie 1988; 113: 719–23<br />
15. Kurz W, Grumbt H. Schenkelhalsfrakturen<br />
im Kindesalter. Zbl. Chirurgie 1988; 113:<br />
881–92<br />
16. Bollmann L, Wahl D. Bandverletzungen<br />
<strong>und</strong> Korrekturosteotomien. Medizin aktuell<br />
1990; 4: 162<br />
17. Vinz H, Franz R, Kurz W, et al. Die<br />
Behandlung der Monteggia-Fraktur im<br />
Kindesalter. Zbl. Chirurgie 1991; 116:<br />
143–150<br />
Anlage 1 Publikationen der Arbeitsgemeinschaft<br />
Kindertraumatologie der DDR<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 77
Arbeitstagungen der AG Kindertraumatologie der DDR<br />
1. Arbeitstagung der AG<br />
18.–19.4.1980 in Burg/Magdeburg<br />
Vorsitzender: Prof. Dr. Schickedanz / Jena<br />
Wissenschaftlicher Leiter:<br />
Prof. Dr. Schickedanz/Jena<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. med. habil. Vinz /<br />
Burg<br />
Thema: Problemdiskussion über kindliche<br />
Schaftfrakturen<br />
2. Arbeitstagung der AG<br />
28.–29.5.1981 in Burg/Magdeburg<br />
Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner/Karl-Marx-Stadt<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/<br />
Karl-Marx-Stadt<br />
Organisatorischer Leiter: D. med. habil. Vinz/<br />
Burg<br />
Thema: Ellenbogenfrakturen im Kindesalter<br />
3. Arbeitstagung der AG<br />
22–23.4.1982 in Burg / Spreewald<br />
Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner / Karl-Marx-Stadt<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/Karl-<br />
Marx-Stadt<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Kurz /<br />
Lübben<br />
Thema: Verletzungen des Kniegelenkes in<br />
Kindesalter<br />
4. Arbeitstagung der AG<br />
21.–22.4.1983 in Neuendorf am See<br />
Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner/Karl-Marx-Stadt<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/Karl-<br />
Max-Stadt<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />
Lübben<br />
Thema: Begutachtungsfragen nach<br />
Verletzungen im Kindesalter unter<br />
Berücksichtigung von Sport- <strong>und</strong> Berufstätigkeit<br />
5. Arbeitstagung der AG<br />
26.–27.4.1984 in Jessern/Schwielochsee<br />
Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner/Karl-Marx-Stadt<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/<br />
Karl-Marx-Stadt<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Kurz /<br />
Lübben<br />
Thema: Verletzungen der kindlichen Wirbelsäule<br />
6. Arbeitstagung der AG<br />
18.–19.4.1985 in Wassersuppe<br />
Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner/Karl-Marx-Stadt<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/<br />
Karl-Marx-Stadt<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Machan/<br />
Rathenow<br />
Thema: Epiphysenfugenverletzungen<br />
Anlage 2 Arbeitstagungen der AG Kindertraumatologie der DDR<br />
7. Arbeitstagung der AG<br />
17.–18.4.1986 in Burg/Magdeburg<br />
Vorsitzender: Dr. med. habil. Vinz/Burg/<br />
Magdeburg<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Dr. med. habil. Vinz/<br />
Burg<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. med. habil. Vinz/<br />
Burg<br />
Thema: Schenkelhalsfrakturen <strong>und</strong> traumatologische<br />
Hüftluxationen im Kindesalter<br />
8. Arbeitstagung der AG<br />
23.–24.4.1987 in Wusterhausen/Pritzwalk<br />
Vorsitzender: Dr. med. habil. Vinz/Burg/<br />
Magdeburg<br />
Wissenschaftliche Leitung: Dr. med. habil. Vinz/<br />
Burg<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. Bohl/Pritzwalk<br />
Thema: Pathologische Frakturen;<br />
Lokalbehandlung von Verbrennungen;<br />
Physiotherapie bei kindlichen Frakturen<br />
9. Arbeitstagung der AG<br />
5.–6.5.1988 in Zempin/Usedom<br />
Vorsitzender: Dr. sc. med. Kurz/Lübben<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />
Lübben<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />
Lübben<br />
Thema: Radiusköpfchenfrakturen <strong>und</strong><br />
Luxationen; Polytrauma<br />
10. Arbeitstagung der AG<br />
27.–28.4.1989 in Blankenburg/Harz<br />
Vorsitzender: Dr. sc. med. Kurz/Lübben<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />
Lübben<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. Müller/Halberstadt<br />
Thema: Bandverletzungen des oberen<br />
Sprunggelenkes<br />
11. Arbeitstagung der AG<br />
9.–11.5.1990 in Bad Düben<br />
Vorsitzender: Dr. sc. med. Kurz/Lübben<br />
Wissenschaftlicher Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />
Lübben<br />
Organisatorischer Leiter: Dr. Jungmichel/Bad<br />
Düben<br />
Thema: Beckenfrakturen im Kindesalter;<br />
Arthroskopie im Kindesalter<br />
Bis zum Jahre 1979 stellten wir die Ergebnisse<br />
unserer Gemeinschaftsstudien mit<br />
Einzelbeiträgen auf den jeweiligen Tagungen<br />
unserer Trägergesellschaften vor,<br />
ohne jedoch eine umfassende Darstellung<br />
der Studien vornehmen zu können. So waren<br />
leicht Missverständnisse möglich, wie<br />
z. B. bei der Vorstellung der Gemeinschaftsstudie<br />
„Ostitis nach Osteosynthesen bei<br />
Kindern“. Der Referent berichtete über 19<br />
Fälle aus 12 Einrichtungen. In der Diskussion<br />
wurde er von einem Ordinarius gerügt:<br />
„wenn bei mir 19 Kinder eine Osteomyelitis<br />
nach operativer Knochenbruchbehandlung<br />
bekämen, dann müssten ja wohl Maßnahmen<br />
ergriffen werden.“ Auf den Einwand<br />
des Referenten, dass es sich ja um eine Sammelstudie<br />
handelt <strong>und</strong> auf die beteiligten<br />
Kliniken maximal 2 Fälle entfallen, erhielt er<br />
zur Antwort: „19 sind auf alle Fälle zu viel.“<br />
Es wurde uns zunehmend bewusst, dass<br />
wir eine Möglichkeit zur umfassenden Darstellung<br />
der jeweils anstehenden Themen<br />
brauchten. Überdies mussten wir bekannte,<br />
einflussreiche Chirurgen der DDR, die an der<br />
Kindertraumatologie interessiert waren, für<br />
die Übernahme des Vorsitzes der Arbeitsgemeinschaft<br />
gewinnen, wenn ein weiteres<br />
Vorankommen gelingen sollte.<br />
Unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Schickedanz,<br />
Leiter der Kinderchirurgie der Universität<br />
Jena, konnte Herr Dr. Vinz 1980 in<br />
Burg bei Magdeburg die 1. Arbeitstagung<br />
mit dem Thema „Problemdiskussion über<br />
kindliche Schaftfrakturen“ organisieren<br />
( Anlage 2, Arbeitstagungen).<br />
Nach dem erfolgreichen Verlauf der 1. Arbeitstagung<br />
übernahm Herr Prof. Dr. Wehner<br />
den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft.<br />
Durch seine guten Kontakte zum Generalsekretariat<br />
der medizinischen Wissenschaften<br />
in Berlin gelang es ihm, ich möchte es so<br />
formulieren, die jährliche Arbeitstagung<br />
Kindertraumatologie, dort hoffähig zu machen.<br />
So durften wir 1982 erstmals Gäste<br />
aus dem sozialistischen Ausland zu unserer<br />
Arbeitstagung einladen.<br />
Es entwickelten sich in den Folgejahren<br />
rasch gute <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftliche Beziehungen<br />
zu Kindertraumatologen in Polen<br />
( Abb. 3) um Herrn Dr. Hielgier aus Warschau,<br />
nach Tschechien um Herrn Prof. Matzek<br />
aus Brno <strong>und</strong> nach Ungarn zu Frau Dr.<br />
Rohanie <strong>und</strong> Dr. Hargitai aus Budapest.<br />
78<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 3 Arbeitstagung der polnischen<br />
Kindertraumatologen 1987 in Warschau;<br />
Teilnehmer aus der DDR: H. Vinz, Burg; J. Bohl,<br />
Pritzwalk; J. Bohlmann, Schwerin; W. Kurz,<br />
Lübben. Aus: Privatarchiv W. Kurz<br />
Abb. 4 6. Arbeitstagung der AG Kindertraumatologie 1985 in Wassersuppe. Aus: Privatarchiv W. Kurz<br />
Ab 1985 konnten wir auch jährlich einen<br />
Gast aus den deutschsprachigen Ländern<br />
Schweiz <strong>und</strong> Österreich einladen. Damit<br />
hatten wir internationale Kontakte <strong>und</strong><br />
lernten einige Protagonisten der Kindertraumatologie,<br />
die wir zuvor nur aus der Literatur<br />
kannten, persönlich kennen. Unsere<br />
Arbeitstagungen wurden so durch kompetente<br />
Beiträge <strong>und</strong> Diskussionen bereichert<br />
<strong>und</strong> führten uns aus der anfänglichen<br />
Isolation. Gäste unserer Arbeitstagungen<br />
waren neben den oben genannten Persönlichkeiten<br />
weiterhin aus Österreich die<br />
Herren Professoren Poigenfürst, Schwarz,<br />
Böhler Nikolaus, Linhart <strong>und</strong> v. Laer aus der<br />
Schweiz, den ich als ersten Gast aus dem<br />
nichtsozialistischen Ausland, wie es damals<br />
im Sprachgebrauch für die westlichen Länder<br />
hieß, einladen durfte ( Abb. 4).<br />
Die 11. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft<br />
fand 1990 in Bad Düben statt, es war<br />
die letzte unter der genannten Trägerschaft.<br />
Bei dieser Tagung war bereits abzusehen,<br />
dass sich nach der zu erwartenden Wiedervereinigung<br />
Deutschlands alle wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR auflösen<br />
würden. War auch unserer Arbeitsgemeinschaft<br />
das gleiche Schicksal bestimmt?<br />
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />
wollten einen Zerfall unbedingt verhindern,<br />
zumal es in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
eine solche Arbeitsgemeinschaft nicht<br />
gab. Herr Dr. sc. med. Kurz als damaliger<br />
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft wurde<br />
deshalb beauftragt alle Möglichkeiten<br />
zum Erhalt der Arbeitsgemeinschaft zu prüfen.<br />
Nach Meinung der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />
wäre eine weitere Fortführung<br />
der interdisziplinären Trägerschaft<br />
der Idealfall gewesen. Dies ließ sich jedoch<br />
nicht verwirklichen.<br />
Mit großer Unterstützung durch den Kinderchirurgen<br />
Herrn Prof. Dr. Gdanietz, Berlin<br />
habe ich deshalb nach anderen Möglichkeiten<br />
gesucht. Die „angeblich“ internationale<br />
Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie<br />
in der Schweiz, Leiter Prof. Dr. Schärli,<br />
Luzern, lehnte meinen Beitrittsantrag ab.<br />
Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Kinderchirurgie,<br />
Präsident Prof. Dr. Daum, Heidelberg,<br />
sah zunächst einen längeren Beratungsbedarf,<br />
also Wartezeit, die wir nicht hatten.<br />
Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie,<br />
unter den damaligen Präsidenten Professor<br />
Dr. Pannicke, Frankfurt, <strong>und</strong> Professor<br />
Dr. Havemann, Kiel, <strong>und</strong> der Generalsekretär<br />
Professor Dr. Probst, Murnau, prüften mein<br />
Beitrittsgesuch innerhalb einer Woche <strong>und</strong><br />
teilten mir mit, die Arbeitsgemeinschaft<br />
Kindertraumatologie der ehemaligen DDR<br />
ohne Bedingungen komplett zu übernehmen.<br />
Damit hatten wir eine neue Heimstadt<br />
gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> konnten unsere Arbeit<br />
mit großem Eifer <strong>und</strong> mit vielen neuen Mitgliedern<br />
jetzt deutschlandweit fortführen.<br />
Dr. W. Kurz<br />
Hubertusweg 12<br />
15907 Lübben<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 79
Die Unfallchirurgie als Wurzel der<br />
außerklini schen Notfallversorgung<br />
in Ost deutschland<br />
M. Burgkhardt, R. Schäfer<br />
Bei der geschichtlichen Betrachtung der<br />
außerklinischen ärztlichen Versorgung ist<br />
zunächst festzustellen, dass bis weit in die<br />
Neuzeit hinein kein Zusammenhang zwischen<br />
Transportnotwendigkeit <strong>und</strong> medizinischer<br />
Versorgung gesehen wurde. Als<br />
erster Arzt hat wohl der Leibarzt des französischen<br />
Kaisers Napoleon I. Dominique<br />
Larrey ( Abb. 1) [26] diesen Zusammenhang<br />
hergestellt. Larrey war Chef des Sanitätswesens<br />
in den Feldzügen Napoleons<br />
<strong>und</strong> reformierte die Kriegschirurgie <strong>und</strong> die<br />
Verw<strong>und</strong>etenfürsorge. Ihm war reichlich<br />
Anlass gegeben, die Betreuung der Verw<strong>und</strong>eten<br />
zu organisieren, denn die Eroberungszüge<br />
Napoleons verursachten neben<br />
zehntausenden von Toten auch eine große<br />
Anzahl von Verletzten aller Schweregrade.<br />
Er baute das Sofortprinzip der Behandlung<br />
aus, indem er begann, hinter der Feuerlinie<br />
zu operieren.<br />
Nach der Schlacht von Borodino 1812<br />
wandte er erstmals eine Triagierung, also<br />
eine dreiwegige Gliederung der Verletztenströme<br />
an. Er teilte in drei Gruppen<br />
ein: eine Gruppe, die keiner weiteren Hilfe<br />
bedurfte <strong>und</strong> die sich selbst helfen konnte,<br />
eine Gruppe, denen aus medizinischer Sicht<br />
nicht zu helfen war <strong>und</strong> eine Gruppe, deren<br />
Transport <strong>und</strong> Versorgung einen Sinn ergab.<br />
Zu diesem Zweck ließ er kleine <strong>und</strong> wendige<br />
Sanitätsfahrzeuge konstruieren, die jeweils<br />
von 4 Pferden gezogen wurden <strong>und</strong> die er<br />
als „fliegende Ambulanzen“ bezeichnete.<br />
Die einachsigen Kastenwagen mögen<br />
aus heutiger Sicht unbequem <strong>und</strong> unvollkommen<br />
gewesen sein. Dennoch gab Larrey<br />
mit diesem Transportmodell h<strong>und</strong>erten von<br />
Verletzen eine Chance zum Überleben <strong>und</strong><br />
verhinderte deren sicheren Tod.<br />
Einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung<br />
stellten die Samaritervereine dar, die<br />
im Rahmen der Industrialisierung vor allem<br />
in Mitteldeutschland in den 80er Jahren des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts in großer Zahl gegründet<br />
wurden. Diese auf den Kieler Chirurgen Philip<br />
von Esmarch zurückgehenden Initiativen<br />
widmeten sich nicht nur dem Krankentransport,<br />
sondern auch der Versorgung von<br />
Verletzten <strong>und</strong> der Ausbildung von Laien<br />
zu Ersthelfern. Als Beispiel sei die Rettungsgesellschaft<br />
zu Leipzig von 1883 zu nennen,<br />
mit welcher für die 650.000 Einwohner<br />
der sächsischen Großstadt um 1900 eine<br />
weitgehend flächendeckende Versorgung<br />
gewährleistet werden konnte [9]. Vom Anfang<br />
des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bis zum Anfang<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts war die Notfallversorgung<br />
im Prinzip nur auf den chirurgischen<br />
Notfall <strong>und</strong> hier vermutlich nahezu ausschließlich<br />
auf den traumatologischen<br />
Notfall orientiert. Demzufolge sind Ideen<br />
zur Verknüpfung von Transportlogistik <strong>und</strong><br />
medizinischer Versorgung in erster Linie von<br />
Chirurgen entwickelt worden.<br />
Die Zusammenhänge zwischen schnellem<br />
<strong>und</strong> gesichertem Transport <strong>und</strong> möglicher<br />
Erstversorgung durch den Arzt am Notfallort<br />
beschrieb als erster Arzt umfassend der<br />
Chirurg Martin Kirschner ( Abb. 2) in seinem<br />
bedeutenden Vortrag „Der Verkehrsunfall<br />
<strong>und</strong> seine erste Behandlung“, den er im<br />
Jahre 1938 in Berlin vor der 62. Tagung der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie hielt<br />
[7, 16] .Dieser Vortrag muss aus heutiger<br />
Sicht als wesentliche Initialzündung für ein<br />
arztgestütztes Rettungssystem gewertet<br />
werden , wenngleich auch er ausschließlich<br />
den traumatologischen Notfall bei seiner<br />
Argumentation heranzog. Kirschner hat in<br />
seinem Vortrag zur Versorgung von Schwer<br />
Abb. 1 Dominique Larrey, 1766–1842. Aus:<br />
D. Rüster: Alte Chirurgie – von der Steinzeit bis<br />
zum 19. Jahrh<strong>und</strong>ert. 4. Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1999<br />
Abb. 2 Dr. med. Martin Kirschner, 1879–1942.<br />
Aus: Archiv Zeitschrift Rettungsdienst,<br />
www.skverlag.de<br />
Abb. 3 Dr. med. Paul Streffer, 1865–1941.<br />
Aus: Archiv Zeitschrift Rettungsdienst,<br />
www.skverlag.de<br />
80<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
letzten zwei wesentliche Feststellungen<br />
<strong>und</strong> Forderungen getroffen [22]:<br />
– „… wir müssen soweit kommen, dass nicht<br />
mehr der Schwerverletzte zum Arzt, sondern<br />
der Arzt zum Schwerverletzten gebracht<br />
wird.“<br />
<strong>und</strong><br />
– „… lieber ein gesicherter Transport über<br />
100 Kilometer in eine geeignete Klinik, als<br />
der schnelle Transport über die Strasse in<br />
eine ungeeignete Arztpraxis.“<br />
Obwohl diese Erkenntnisse zu der damaligen<br />
Zeit überhaupt nicht in eine neue<br />
Strategie <strong>und</strong> Umrüstung der zivilen Notfallversorgung<br />
mündeten, gelten diese<br />
zwei Bemerkungen als die wegweisenden<br />
Gedanken für einen späteren arztbesetzten<br />
Rettungsdienst.<br />
Die Meinungsäußerung von Kirschner ist<br />
bekannt <strong>und</strong> stellt wohl die am besten<br />
dokumentierte Gr<strong>und</strong>lage für die spätere<br />
Entwicklung der präklinischen Notfallmedizin<br />
dar. Dennoch hat sich lange vor<br />
Kirschner ein anderer deutscher Arzt über<br />
die ärztliche Verantwortung bei der sanitätsdienstlichen<br />
<strong>und</strong> rettungsdienstlichen<br />
Organisation geäußert. Es ist der Leipziger<br />
praktische Arzt Dr. Paul Streffer ( Abb. 3),<br />
Vorstand der Rettungsgesellschaft zu Leipzig<br />
<strong>und</strong> später erster Geschäftsführer des<br />
Hartmannb<strong>und</strong>es, der sich bereits im Jahre<br />
1908 auf dem Internationalen Kongress für<br />
das Rettungswesen in Frankfurt/Main wie<br />
folgt äußerte [17]:<br />
– „der Krankentransport muss unter ärztliche<br />
Leitung gestellt werden“<br />
<strong>und</strong><br />
– „der Arzt muss nicht nur am Orte des Unglücks<br />
die erforderliche Hilfe leisten, sondern<br />
auch den Kranken bis zur Übergabe<br />
in die endgültige ärztliche Versorgung auf<br />
dem ganzen Weg begleiten.“<br />
Abb. 4 Seltene Aufnahme eines Lufttransportes mit Hubschrauber. Flughafen Leipzig-Mockau, 1958<br />
Aus: Privatarchiv M. Burgkhardt<br />
Handlungsmuster reagierte <strong>und</strong> Strukturen<br />
vorbereitete:<br />
„7. Mai 1955: Um 5 nach 10 Uhr ruft die<br />
Wächterstraße (umgangssprachlicher Begriff<br />
für die Volkspolizeidienststelle in der<br />
Dimitroffstraße, früher Wächterstraße. Die<br />
Autoren) an <strong>und</strong> teilt mit, dass es in der Simsonstrasse<br />
einen Gerüststurz gegeben hat<br />
<strong>und</strong> dass das Blaulichtauto unterwegs ist.<br />
Trude (die Sprechst<strong>und</strong>enhilfe. Die Autoren)<br />
geht in das Wartezimmer <strong>und</strong> teilt den Patienten<br />
mit, dass wegen eines Notfalles die<br />
Sprechst<strong>und</strong>e unterbrochen werden muss.<br />
Ich nehme die Arzttasche <strong>und</strong> den Verbandskoffer<br />
<strong>und</strong> gehe auf die Straße. Das Polizeiauto<br />
bringt mich mit Blaulicht an den Unfallort,<br />
wo der Unfallwagen der Feuerwehr<br />
schon eingetroffen ist. Zusammen mit den<br />
Feuerwehrmännern versorge ich den Schwerverletzten<br />
<strong>und</strong> bringe ihn in die Chirurgische<br />
Universitätsklinik. Leider ist er später seinen<br />
schweren Kopfverletzungen erlegen …“ [6]<br />
Fahrzeuge konstruieren ließen. Bauers Idee<br />
eines „mobilen Operationssaales“ auf der<br />
Basis eines umgebauten Setrabusses war<br />
sicherlich noch durch die Erfahrungen der<br />
Kriegschirurgie geprägt <strong>und</strong> besaß keine<br />
Chance auf eine längere Anwendung.<br />
Fast zeitgleich zu den vorgenannten Entwicklungen<br />
setzten im Osten Deutschlands<br />
die zwei jungen Magdeburger Ärzte, der Anästhesist<br />
Röse <strong>und</strong> der Chirurg Lembcke in<br />
Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr<br />
das Konzept eines arztbesetzten Rettungsmittels<br />
um ( Abb. 6). Auch hier war die<br />
Zielrichtung überwiegend der traumatologische<br />
Notfall, da die Kenntnisse über die<br />
pathophysiologischen Zusammenhänge<br />
<strong>und</strong> die therapeutischen Möglichkeiten bei<br />
internistischen Leiden, wie zum Beispiel<br />
beim akuten Koronarsyndrom, noch nicht<br />
Die weitere Entwicklung wurde durch den<br />
2. Weltkrieg verzögert; die Nachkriegsjahre<br />
wiederum waren zunächst im Wesentlichen<br />
durch die Bekämpfung der großen<br />
Volksseuchen <strong>und</strong> durch die Bewältigung<br />
von Hunger <strong>und</strong> Krankheit gekennzeichnet<br />
[6]. Der individuelle Notfall stand in seiner<br />
Bedeutung wohl in der zweiten Reihe.<br />
Dennoch beschreibt der Leipziger praktische<br />
Arzt Dr. Bruno Gittner in seinen Lebenserinnerungen<br />
als Leipziger Kassenarzt sehr<br />
anschaulich, wie man bereits in den 50er<br />
Jahren bei Notfällen nach einem festen<br />
1 Hamilkar Barkas, kathargischer Feldherr (290 bis 228 v.<br />
Chr.), Vater des Hannibal, Beiname „Barkas“ (der Blitz)<br />
wegen seiner blitzartigen Kampftaktik. Das Fahrzeuglogo<br />
war, wohl in Adaptation des „Opel-Blitz“, demzufolge auch<br />
ein Blitzsymbol.<br />
Aus dieser Schilderung wird deutlich, dass<br />
man sich noch nicht mit der Trennung von<br />
Dringlichkeitsversorgung <strong>und</strong> Rettungsdienst<br />
befasste, also den niedergelassenen<br />
Arzt hinzuzog, wenn es sich um schwere<br />
Verletzungen oder Erkrankungen handelte.<br />
Im Vordergr<strong>und</strong> stand bei Notfällen in der<br />
Öffentlichkeit der schnelle Abtransport;<br />
ärztliche Versorgungen vor Ort <strong>und</strong> auf dem<br />
Transport gab es im Wesentlichen nicht [21].<br />
Dennoch war hier in dem geschilderten Fall<br />
bereits der Ansatz für ein Rendezvous-System<br />
zu sehen.<br />
Erste Gedanken zur Optimierung der Versorgung<br />
von Notfällen gab es unter den Heidelberger<br />
Chirurgen Bauer ( Abb. 5) <strong>und</strong> Gögler<br />
<strong>und</strong> dem Gummersbacher Internisten<br />
Gillmann, die dann auch entsprechende<br />
Abb. 5 Prof. Dr. med. Karl-Heinrich Bauer,<br />
1890–1978. Aus: Archiv Zeitschrift<br />
Rettungsdienst, www.skverlag.de<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 81
Abb. 6 Arztbesetztes Rettungsfahrzeug, Magdeburg, 1960. Aus: Privatarchiv<br />
M. Burgkhardt<br />
Abb. 7 Fahrzeug der Dringlichen Medizinischen Hilfe (DMH), Leipzig, 1968<br />
Aus: Privatarchiv M. Burgkhardt<br />
in dem Maße vorhanden waren wie in späteren<br />
Jahren.<br />
Bei der Betrachtung der Notfallversorgung<br />
in der <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen Republik<br />
(DDR) muss allerdings im Jahre 1953 begonnen<br />
werden. Mit der „Anordnung über<br />
die ärztliche Versorgung der Werktätigen“<br />
wurde ein Instrument geschaffen, welches<br />
dazu diente, bis zum Jahre 1989 die ärztliche<br />
Versorgung außerhalb der normalen<br />
Arbeitszeiten zu sichern. Mit dieser Anordnung<br />
waren alle Ärzte <strong>und</strong> Zahnärzte in der<br />
DDR verpflichtet, sich an einem Dienstsystem<br />
zur Absicherung der medizinischen<br />
Versorgung außerhalb der Regelarbeitszeit<br />
zu beteiligen [1].<br />
Von 1953 bis Anfang der 70er Jahre lief die<br />
außerklinische Betreuung im Wesentlichen<br />
relativ unkoordiniert:<br />
– jegliche Notfälle in umschlossenen Räumen<br />
wurden durch die wenigen niedergelassenen<br />
Ärzte oder aber durch die angestellten<br />
Ärzte aus den staatlichen Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen,<br />
den Polikliniken<br />
<strong>und</strong> Ambulatorien abgewickelt,<br />
– Notfälle in der Öffentlichkeit versorgte im<br />
Wesentlichen das <strong>Deutsche</strong> Rote Kreuz der<br />
DDR (DRK der DDR), in den Großstädten<br />
auch die Berufsfeuerwehr, <strong>und</strong> transportierte<br />
ohne Arztbegleitung die Patienten<br />
in die stationären Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen<br />
( Abb. 4).<br />
In Leipzig begannen im März 1964 die Anästhesisten<br />
Splith <strong>und</strong> Heidel mit einem<br />
Pilotprojekt unter dem Namen „Dringliche<br />
Medizinische Hilfe“ (DMH). Hierbei handelte<br />
es sich um einen umgebauten Krankentransportwagen<br />
(KTW) vom Typ Barkas 1<br />
B-1000 ( Abb. 7), der auch aus heutiger<br />
Sicht eine allumfassende medizinische<br />
Ausstattung aufwies. Diese Fahrzeuge – zunächst<br />
zwei Fahrzeuge für das Stadtgebiet<br />
mit damals 460.000 Einwohnern – waren<br />
mit zwei Krankentransporteuren <strong>und</strong> einem<br />
Arzt besetzt. Krankentransporteure waren<br />
Mitarbeiter des DRK der DDR mit einer beliebigen<br />
Berufsausbildung <strong>und</strong> einer eher<br />
mittelmäßigen Sanitätsausbildung von 160<br />
St<strong>und</strong>en.<br />
Neben diesem Leipziger DMH-Modell gab<br />
es ähnliche Einrichtungen zum Beispiel in<br />
Greifswald, Jena, Dresden <strong>und</strong> Chemnitz.<br />
Aus diesen Erfahrungen heraus entstand im<br />
Jahre 1967 eine erste staatliche Direktive,<br />
die Empfehlungen zur Einrichtung mobiler<br />
Notfallsysteme für Großstädte <strong>und</strong> Ballungsgebiete<br />
vermittelte [2].<br />
Parallel zu den rettungsdienstlichen Orientierungen<br />
auf den außerklinischen Notfall<br />
kam es zu ersten interdisziplinären Notfallaufnahmen,<br />
die in der DDR den Namen<br />
„Rettungsstellen“ trugen. Wegweisend war<br />
hier die Initiative des Krankenhauses Berlin-<br />
Friedrichshain unter dem Internisten Kurt<br />
Scheidler [26].<br />
Mit der zunehmenden Entwicklung eines<br />
Notarztdienstes (DMH) wurde aber zugleich<br />
erkannt, dass damit die Dringlichkeitsversorgung<br />
ausgeklammert wurde <strong>und</strong> weiterhin<br />
Stellv. Technik<br />
<strong>und</strong> Transport<br />
Krankentransport<br />
– Pfleger SMH/KT<br />
– Facharbeiter SMH/KT<br />
SMH-Leiter<br />
SMH-Leitstelle<br />
Dispatcher DRK<br />
KT DMH DHD DKHD<br />
als normaler Hausbesuchsdienst bestand.<br />
Dabei war vielfach der Arzt auf sich alleine<br />
angewiesen, besaß keine Kommunikationsmöglichkeit<br />
<strong>und</strong> war mit dem eigenen Pkw<br />
auch nachts alleine unterwegs.<br />
Zu Beginn der 70er Jahre entwickelte sich in<br />
den osteuropäischen Staaten, den Staaten<br />
des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe<br />
(RGW-Staaten), ein Trend, duale Notfallsysteme<br />
aufzubauen, die sowohl eine<br />
Dringlichkeitsversorgung, wie auch den<br />
Rettungsdienst umfassen sollten. Als hemmend<br />
wurde schon damals erkannt, dass<br />
eine Schwierigkeit darin besteht, den Notfall<br />
mit seinen unterschiedlichen Dringlichkeitsstufen<br />
zu definieren. Ein wesentlicher<br />
Markstein war die 15. Konferenz der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsminister der RGW-Staaten von<br />
1974 in Budapest, in deren Ergebnis der<br />
medizinische Notfall allgemeinverbindlich<br />
definiert wurde [27]. Diese, sogenannte<br />
„Budapester Definition“ umfasste die folgenden<br />
medizinischen Zustandsbilder:<br />
– unmittelbare Lebensbedrohung, die ohne<br />
rechtzeitige ärztliche Hilfe zum Tode führen<br />
kann,<br />
med.<br />
Fachpersonal<br />
– Schwestern/<br />
Pfleger<br />
– Facharbeiter<br />
– Krankenpflege<br />
Stellvertreter<br />
Ärzte<br />
– Allgemeinmediziner<br />
– Internist<br />
– Pädiater<br />
– Anästhesist<br />
Abb. 8 System<br />
der Schnellen<br />
Medizinischen<br />
Hilfe (SMH)<br />
82<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 9 Rettungsfahrzeug vom Typ BARKAS/<br />
SMH-3. Aus: Privatarchiv M. Burgkhardt<br />
– Nichtvorliegen einer Lebensbedrohung,<br />
jedoch kann durch Verzögerung wirksamer<br />
Hilfe im Organismus oder in einzelnen<br />
Organen ein bleibender Schaden<br />
entstehen,<br />
– Nichtvorliegen einer Lebensbedrohung,<br />
jedoch muss zur Linderung subjektiver<br />
Erscheinungen dem Patienten kurzfristig<br />
Hilfe gewährt werden,<br />
– Nichtvorliegen einer Lebensbedrohung,<br />
jedoch erfordert das Verhalten des Patienten<br />
in seinem <strong>und</strong> im Interesse seiner<br />
Mitmenschen eine sofortige medizinische<br />
Hilfe.<br />
Aus dieser Definition wird deutlich, dass<br />
einheitlich für die RGW-Staaten eine Notfalldefinition<br />
erlassen wurde, die auch den<br />
Notfall unterhalb der Lebensbedrohung,<br />
also die sogenannte „Dringlichkeit“, in die<br />
Gesamtbetrachtung mit einbezieht. Somit<br />
war zu erkennen, dass ein zu planendes einheitliches<br />
Notfallsystem die Versorgung aller<br />
Notfälle über eine einheitliche Leitstelle<br />
anstrebte ( Abb. 8).<br />
Aus dieser organisatorischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />
Vorarbeit entwickelte sich in<br />
der DDR das System der Schnellen Medizinischen<br />
Hilfe (SMH), das durch ministeriellen<br />
Erlass für 10 Bezirksstädte <strong>und</strong> 4 Kreisstädte<br />
1976 aufgebaut wurde (Anweisung<br />
Nr. 1 des Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
DDR zum Aufbau der SMH vom<br />
09.03.1976). Der wesentliche Unterschied<br />
zur bis dahin praktizierten Notfallversorgung<br />
lag in folgenden Neuerungen:<br />
– schrittweise Einführung des DDR-einheitlichen<br />
medizinischen Notrufes 115 (allerdings<br />
nicht münzfrei von öffentlichen<br />
Fernsprechern zu wählen)<br />
– Einheitliche SMH-Leitstellen (Rettungsleitstellen)<br />
mit der Bündelung sämtlicher<br />
Notrufmeldungen in einem definierten<br />
Territorium unter Einbeziehung von Routinehausbesuchsvermittlungen<br />
<strong>und</strong> Katastrophenschutz.<br />
– Fahrzeuge mit einheitlichem äußeren Erscheinungsbild<br />
<strong>und</strong> identischer Ausstattung<br />
sowohl für den Rettungsbereich,<br />
wie auch für die Dringlichkeitsversorgung<br />
(Sonderlackierung creme/orange,<br />
Sondersignal, einheitliche Beschriftung)<br />
( Abb. 9).<br />
Das Besondere des SMH-Systems war, dass<br />
zwar DMH (Dringliche Medizinische Hilfe)<br />
<strong>und</strong> DHD (Dringlicher Hausbesuchsdienst)<br />
bzw. DKHD (Dringlicher Kinder-Hausbesuchsdienst)<br />
sehr genau definiert waren,<br />
in der Außendarstellung jedoch ein Unterscheiden<br />
nicht gewollt war. Es war das<br />
Ansinnen der Begründer der SMH, dass der<br />
Bürger den Notruf absetzte <strong>und</strong> dieser in der<br />
SMH-Leitstelle auflief. Dort sollte der Notruf<br />
qualifiziert werden; dann sollte eine „SMH-<br />
Einsatzgruppe“ zum Einsatz kommen. Für<br />
den Außenstehenden war dann nicht zu<br />
erkennen, ob eine „DHD-Dienstgruppe“,<br />
bestehend aus ambulant tätigem Arzt <strong>und</strong><br />
Krankentransporteur, oder eine „DMH-Einsatzgruppe“,<br />
bestehend aus einem notfallmedizinisch<br />
ausgebildeten Arzt, einem<br />
Krankentransporteur <strong>und</strong> einer SMH-Krankenschwester<br />
am Notfallort eintraf.<br />
Abb. 10 SMH-Dokumentationsbogen<br />
Diese bewusste Darstellung spiegelte sich<br />
auch in dem sehr beliebten kleinen SMH-<br />
Ratgeber, der sogenannten „SMH-Fibel“,<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 83
wieder, in welcher die Notfälle verständlich<br />
für jeden „SMH-Arzt“ dargestellt wurden<br />
[5]. Die Autoren um den Leipziger Anästhesisten<br />
Heidel formulierten noch 1990 in<br />
der 6. Auflage: “Die einheitliche inhaltliche<br />
<strong>und</strong> räumliche Ausstattung aller SMH-Fahrzeuge<br />
ermöglicht im Notfall jedem hinzugezogenen<br />
<strong>und</strong> in der SMH ausgebildeten Arzt<br />
rasches Handeln auch außerhalb seines<br />
SMH-Bereiches.“<br />
Die komplexe Betrachtung beider Säulen<br />
der Notfallversorgung (DHD <strong>und</strong> DMH)<br />
war auch darin zu sehen, dass eine einheitliche<br />
Dokumentation auf einem einheitlichen<br />
Dokumentationsblatt vorgesehen<br />
war( Abb. 10). Damit waren optimale Bedingungen<br />
für eine DDR-weite Auswertung<br />
gegeben.<br />
Die SMH hatte sich gut etabliert <strong>und</strong> in<br />
manchen Bereichen zu einer hervorragenden<br />
Organisationsform gef<strong>und</strong>en, wie<br />
zum Beispiel in Greiz oder Görlitz.<br />
Das Modell „Schnelle Medizinische Hilfe“ ist<br />
auch aus der heutigen Sicht als Ideallösung<br />
für die komplexe Betreuung von Notfällen<br />
zu sehen. Sefrin bezeichnete es in einer Publikation<br />
von 1986 als „beispielhaftes Modell“<br />
[25]. Auch Geier, der als Rettungssanitäter<br />
1989 die DDR besuchte, stellte fest:<br />
“Von seiner Gr<strong>und</strong>struktur her völlig anders<br />
organisiert <strong>und</strong> durchgeführt, stellt sich das<br />
Rettungssystem der DDR als interessantes<br />
Untersuchungsobjekt für aufmerksame Besucher<br />
aus dem Westen dar.“ [18].<br />
Als einen besonderen Vorteil werteten<br />
die Vordenker des SMH-Systems, wie zum<br />
Beispiel Scheidler, die Existenz einer eigenen<br />
medizinischen Notrufnummer, der 115.<br />
Über diese Nummer wurden alle medizinischen<br />
Notfälle, also auch medizinische<br />
Hilfeersuchen ohne Lebensbedrohung entgegengenommen<br />
[15].<br />
Das System der SMH wurde allgemein auch<br />
außerhalb der DDR als ein weitgehend perfektes,<br />
komplexes System der Notfallbetreuung<br />
gewürdigt [18, 24, 25]. Die Schnelle Medizinische<br />
Hilfe (SMH) der DDR kann als ein<br />
komplexes System der Notfallversorgung<br />
mit einem vorrangig dualen Prinzip charakterisiert<br />
werden. Das heißt, dass sowohl die<br />
„Rettungssäule“, also die Dringliche Medizinische<br />
Hilfe (DMH), die dem Notarztprinzip<br />
entsprach, wie auch der Dringliche Hausbesuchsdienst<br />
(DHD), der dem heutigen<br />
Vertragsärztlichen Notfalldienst entspricht,<br />
über ein einheitliches System abgewickelt<br />
wurden. Die einheitliche Leitstelle (SMH-<br />
Leitstelle) stellte das einheitliche Koordinationszentrum<br />
dar <strong>und</strong> war über die Rufnummer<br />
115 erreichbar. Es muss gleichfalls<br />
als überstürzt angesehen werden, dass<br />
diese medizinspezifische Notrufnummer<br />
1993 abgeschaltet wurde. Die Landesregierungen<br />
der ostdeutschen B<strong>und</strong>esländer<br />
bezogen sich bei den Entscheidungen auf<br />
den Beschluss der Europäischen Union (EU)<br />
von 1991, wonach europaweit die einheitliche<br />
Notrufnummer 112 einzuführen sei.<br />
Dabei war die flächendeckende Versorgung<br />
mit dem Notruf 115 in der DDR eine anzuerkennende<br />
Leistung, weil dadurch ein ausschließlich<br />
für medizinische Besonderheiten<br />
zuständiger Notruf existierte.<br />
Mit der politischen Wende in Ostdeutschland<br />
<strong>und</strong> dem Beitritt der DDR zur BRD wurde<br />
in vorauseilendem Gehorsam aber auch<br />
das System der SMH beseitigt <strong>und</strong> durch<br />
das Versorgungssystem der BRD ersetzt, wie<br />
es im Sozialgesetzbuch V definiert ist [14].<br />
Damit wurde die „Säule Rettungsdienst“<br />
der staatlichen Aufgabenwahrnehmung (Sicherstellungsauftrag)<br />
zugeordnet <strong>und</strong> die<br />
„Säule Dringlichkeitsversorgung“ dem Sicherstellungsauftrag<br />
der Kassenärztlichen<br />
Vereinigung. Vielerorts wurde die Disposition<br />
der Dringlichkeitsversorgung aus den<br />
Rettungsleitstellen herausgelöst. Das heißt,<br />
dass die bestehenden integrierten SMH-<br />
Leitstellen aufgelöst wurden <strong>und</strong> nur die<br />
„Rettungssäule“ den Rettungsleitstellen<br />
zugeordnet wurde. Das bedeutete eine Verschlechterung<br />
der ambulanten Versorgung.<br />
Bei einer zukünftigen Neustrukturierung<br />
der Notfallversorgung würde es einen Sinn<br />
geben, sich mit den Gr<strong>und</strong>prinzipien des<br />
Systems der Schnellen Medizinische Hilfe<br />
auseinanderzusetzen, um eine effektivere<br />
Betreuung der Notfallpatienten zu planen.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich muss jedoch festgestellt werden,<br />
dass die Visionen von Larrey bis Kirschner<br />
umgesetzt worden sind.<br />
Literatur<br />
1. Anordnung (1953) über die ärztliche Versorgung<br />
der Werktätigen <strong>und</strong> ihrer Angehörigen in den<br />
Einrichtungen des staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />
der DDR <strong>und</strong> die Organisation des ärztlichen<br />
Dienstes vom 22.04.1953. ZBl. Nr. 15, S. 180 i. d. Fassung<br />
der VO vom 29.06.1961. GBl. der DDR Nr. 43, S.<br />
279.<br />
2. Anweisung (1967) Nr. 1 über die Dringliche Medizinische<br />
Hilfe vom 17.07.1967, Verfügungen <strong>und</strong><br />
<strong>Mitteilungen</strong> des Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
der DDR, Nr. 17, S. 134–136<br />
3. Anweisung (1976) Nr. 1 über die Schnelle Medizinische<br />
Hilfe (SMH) sowie die Rahmenordnung<br />
über die Leitung <strong>und</strong> Organisation der Planung<br />
der SMH vom 09.03.1976. Zitiert bei [4]<br />
4. Anweisung (1979) Nr. 2 zum Aufbau der SMH vom<br />
12.06.1979, Verfügungen <strong>und</strong> <strong>Mitteilungen</strong> des<br />
Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR, Nr.<br />
6, S. 89<br />
5. Böhme M, Heidel HJ, Ludewig R, et al. Schnelle<br />
Medizinische Hilfe. Berlin: Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1985<br />
6. Burgkhardt A. Betrachtung zur Implementierung<br />
eines Dringlichen Hausbesuchsdienstes (DHD) als<br />
Element der ärztlichen Dringlichkeitsversorgung<br />
<strong>und</strong> der Einfluss auf die Senkung der Notarzteinsatzrate.<br />
Master-Thesis 2007. Donau-Universität<br />
Krems.<br />
7. Burgkhardt M. Martin Kirschner – Wegbereiter<br />
moderner Rettungswesen. Rettungsdienst 1985;<br />
8: 345–6<br />
8. Burgkhardt M. Notfallmedizin – was ist das? Heilberufe<br />
1986; 38: 367–8<br />
9. Burgkhardt M. Historische Betrachtung zur Entwicklung<br />
der außerklinischen Notfallmedizin in<br />
Leipzig. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1987;<br />
81: 793–5.<br />
10. Burgkhardt M. Quo vadis – Rettungswesen der<br />
DDR? Rettungsdienst 1990; 13: 181-3<br />
11. Burgkhardt M, Ebmeyer U, Leibe R, et al. Fachk<strong>und</strong>enachweis<br />
für Ärzte im Rettungsdienst „Rettungsarzt-Papier“<br />
– ein Ausbildungsdokument<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Notfallmedizin der DDR. Der<br />
Notarzt 1990; 6: 174–8<br />
12. Burgkhardt M. Rettungsdienst in Sachsen. Rettungsdienst<br />
1991; 14: 276–7<br />
13. Burgkhardt M. Von der Schnellen Medizinischen<br />
Hilfe zum Rettungsdienst. Der Notarzt 1992; 8:<br />
138–41<br />
14. Burgkhardt M. Der Sächsische Notarzt. Der Notarzt<br />
2004; 20: 221–4<br />
15. Casper W, Scheidler K. Schnelle Medizinische Hilfe.<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen DDR 1976; 11: 297–8<br />
16. Dick W. Martin Kirschner: 1879-1942 - A surgeon in<br />
prehospital care. Resuscitation 2006; 68: 319–21<br />
17. Frerichs H. Paul Streffer: Vergessener Wegbereiter<br />
der modernen Notfallmedizin. Rettungsdienst<br />
2005; 28: 446–7<br />
18. Geier W. Notruf 115 – Zu Gast beim Rettungsdienst<br />
der DDR. Rettungsdienst 1989; 1: 24–6<br />
19. Gillmann H. Vom Unfallwagen zum interdisziplinären<br />
Notarztwagen. In: Ahnefeld FW, Brandt L,<br />
Safar P. Notfallmedizin. München: Laerdal Eigenverlag;<br />
1990<br />
20. Gögler E. Das Rettungswesen der 50er <strong>und</strong> 60er<br />
Jahre. In: Ahnefeld FW, Brandt L, Safar P. Notfallmedizin.<br />
München: Laerdal Eigenverlag; 1990<br />
21. Handschak H, Weber F. Handbuch der Schnellen<br />
Medizinischen Hilfe. Berlin: Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1990<br />
22. Kirschner M. Der Verkehrsunfall <strong>und</strong> seine erste<br />
Behandlung. Vortrag vor der 62. Jahrestagung der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie, Berlin 1938<br />
23. Knuth, P. Präklinische Notfallmedizin im Wandel<br />
der Zeiten. Intensivmedizin 1998; 35: 304–6<br />
24. Schriewersmann W. Schnelle Medizinische Hilfe<br />
in der DDR: Ein Ziel – ein Konzept – ein Notruf.<br />
Rettungsdienst 1988; 11: 157–81<br />
25. Sefrin P. Ausbildung im Bereich der „Notfallmedizin“<br />
in der DDR. Fortschr Med 1984; 102: 99–101<br />
26. Scheidler K, Wolf E. Notfallmedizin. Organisation<br />
<strong>und</strong> Praxis. Berlin: Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />
1981<br />
27. Weidle R, Rentsch J. Prähospitale Notfallversorgung.<br />
Görlitz: Eigenverlag Schnelle Medizinische<br />
Hilfe; 1987<br />
Dr. med. M. Burgkhardt<br />
Gletschersteinstr. 34<br />
04299 Leipzig<br />
Dr. med. R. Schäfer<br />
Biberweg 18<br />
07749 Jena<br />
84<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie*<br />
<strong>und</strong> ihre Verbindungen zu den<br />
Unfallchirurgen in der DDR 1950–1990<br />
J. Probst<br />
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges verfügten<br />
die Alliierten unterschiedslos die<br />
Aufhebung von Vereinigungen, Verbänden<br />
<strong>und</strong> Vereinen <strong>und</strong> damit auch die Tätigkeit<br />
der Wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en. Die<br />
damalige <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e,<br />
Versicherungs- <strong>und</strong> Versorgungsmedizin<br />
e. V. hatte ihre Arbeit schon<br />
während des Krieges ruhen lassen. Der<br />
letzte Kongress, die 13. Jahrestagung, hatte<br />
am 7. <strong>und</strong> 8.6.1939 unter Vorsitz von A. W.<br />
Fischer in Kiel stattgef<strong>und</strong>en. Zwölf Wochen<br />
später erhielten zahlreiche Chirurgen<br />
ihre Einberufung zum Kriegsdienst. Für eine<br />
Reihe von ihnen begann eine andere Art<br />
von Unfallchirurgie, die Kriegschirurgie in<br />
Front-, Kriegs- <strong>und</strong> Reservelazaretten, einige<br />
übernahmen von Anfang an oder später die<br />
Funktion eines Beratenden Chirurgen (H.<br />
Bürkle de la Camp, A. W. Fischer, W. Wachsmuth).<br />
Im Krieg wurden in der Heimat nicht<br />
nur zahlreiche Krankenhäuser schwer beschädigt<br />
oder total zerstört, es gingen dort<br />
oder auch bei Verlagen <strong>und</strong> Druckereien<br />
viele wichtige wissenschaftliche Unterlagen<br />
verloren. In Berlin wurden sämtliche<br />
Kongress- <strong>und</strong> Personalunterlagen <strong>und</strong> die<br />
Mitgliederlisten in der Unfallambulanz von<br />
Walther Schwarz bei deren Ausbombung<br />
vernichtet. Dann senkte sich der Eiserne<br />
Vorhang durch die Mitte Europas nieder [1].<br />
Mühselig wurden in den folgenden Jahren<br />
die Anschriften der heimgekommenen, aber<br />
auch der vertriebenen <strong>und</strong> nun an anderer<br />
Stelle an ihre chirurgische Arbeit zurückgekehrten<br />
Mitglieder ermittelt; Hilfe leisteten<br />
dabei neben dem Reichsverband der für Berufsgenossenschaften<br />
tätigen Ärzte (gegr.<br />
1926) auch einzelne berufsgenossenschaftliche<br />
Verwaltungen. Der 1939 in Kiel als<br />
Vorsitzender für die nächstjährige Tagung<br />
gewählte H. Bohnenkamp, Freiburg i. Br.,<br />
später Oldenburg, war verhindert, sein Amt<br />
auszuüben. Im Frühjahr 1949 hielt die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie in Frankfurt<br />
am Main ihre erste Nachkriegstagung ab;<br />
deren Schriftführer, A. Hübner, Berlin, auch<br />
* Bis zur Mitgliederversammlung am 29.11.1990<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e, Versicherungs<strong>und</strong><br />
Versorgungsmedizin e. V.<br />
Herausgeber der „Monatsschrift für Unfallheilk<strong>und</strong>e“,<br />
die ihr Erscheinen bereits wieder<br />
aufgenommen hatte, veranlasste dort<br />
für die inzwischen ermittelten Mitglieder<br />
der noch ruhenden <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e „eine Besprechung aller<br />
an der Wiederherstellung unserer <strong>Gesellschaft</strong><br />
interessierten Chirurgen“, der etwa<br />
50 Teilnehmer folgten. H. Bürkle de la Camp,<br />
Chefarzt der Berufsgenossenschaftlichen<br />
Krankenanstalten Bochum, wurde die Aufgabe<br />
übertragen, „als Vorsitzender unsere<br />
<strong>Gesellschaft</strong> wieder arbeitsfähig zu machen“<br />
[1].<br />
Die 14. Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e, Versicherungs-<br />
<strong>und</strong> Versorgungsmedizin, somit die<br />
1. Tagung nach Wiedererrichtung der <strong>Gesellschaft</strong>,<br />
fand am 20. <strong>und</strong> 21.10.1950 in<br />
Bochum statt. Erst dort konnte die Mitgliederversammlung<br />
den bisher die Geschäfte<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> führenden Arbeitsausschuss<br />
nachträglich als Vorstand anerkennen,<br />
dem neben H. Bürkle de la Camp als<br />
Vorsitzendem W. Schwarz als Schriftführer<br />
<strong>und</strong> P. Hörnig als Schatzmeister angehörten.<br />
Es wurde eine Satzung beschlossen. In seiner<br />
Eröffnungsrede sprach der Vorsitzende die<br />
Hoffnung aus, „dass in nicht zu ferner Zeit<br />
auch unser zerrissenes Deutschland <strong>und</strong> vor<br />
allem sein so trostlos gespaltenes Volk wieder<br />
zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen<br />
wird.“ Die <strong>Gesellschaft</strong> zählte nun wieder<br />
428 Mitglieder; an dieser ersten Nachkriegstagung<br />
nahmen insgesamt schon<br />
etwa 500 Ärzte <strong>und</strong> Versicherungsfachleute<br />
teil. Bei der Durchsicht der – seither ununterbrochen<br />
in den Heften zur Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />
erscheinenden – Tagungsberichte fällt<br />
auf, dass sich unter den Vortragenden zwar<br />
schon Kollegen aus der Schweiz <strong>und</strong> Österreich<br />
befanden, doch keiner aus der sowjetisch<br />
besetzten Zone. F. Quensel, Schkeuditz,<br />
weil. Nervenheilanstalt Bergmannswohl,<br />
der später zum Ehrenmitglied ernannt wurde,<br />
beteiligte sich an der Aussprache über<br />
Bandscheibenprolaps, dabei beklagte er<br />
„die größte Schwierigkeit, die Zustimmung<br />
der Kranken zu einem operativen Eingriff zu<br />
erlangen.“ [1].<br />
Im folgenden Jahr 1951 konnte der Vorsitzende<br />
E. Frh. v. Redwitz, Bonn, Gäste aus<br />
Holland, aus Österreich <strong>und</strong> aus der Schweiz<br />
sowie aus dem unter französischer Verwaltung<br />
stehenden Saargebiet begrüßen, er<br />
hob aber auch die Anwesenheit der Kollegen<br />
hervor, „die es ermöglicht haben, aus der<br />
Ostzone zu unserer Tagung zu erscheinen.“ F.<br />
Quensel, jetzt Leipzig, meldete sich dreimal<br />
zur Aussprache: „Bei dem traurigen Schicksal<br />
Querschnittsgelähmter ist eine zentrale Einrichtung<br />
zu ihrer Behandlung sehr zu begrüßen<br />
<strong>und</strong> es wäre ein wertvoller Erfolg, wenn<br />
unsere Versammlung den Anstoß gibt, dass<br />
auch in der DDR eine derartige Sammelstelle<br />
geschaffen würde, die meines Wissens bisher<br />
nicht existiert.“ Und zum Referat von L. Böhler,<br />
Wien, über „Die Entwicklung der Unfallchirurgie<br />
für Betriebsunfälle in Öster reich“<br />
kommentierte F. Quensel: „Wie aus den<br />
Ausführungen des Vortr. hervorgeht, sind die<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> die wirtschaftlichen<br />
Vorteile einer spezialisierten Behandlung Unfallverletzter<br />
so groß, dass sie in Österreich<br />
die Neueinrichtung besonderer Unfallkrankenhäuser<br />
rechtfertigen. Wenn man bisher in<br />
der DDR die noch bestehenden Anstalten wegen<br />
dringenderer Aufgaben anderer Bestimmung<br />
hat zuführen müssen, so darf man<br />
hoffen, dass das Gewicht der vorgetragenen<br />
Zahlen dahin führen wird, die Häuser wie<br />
Bergmannstrost, Bergmannswohl usw. wieder<br />
ihrer früheren Aufgabe zuzuführen oder<br />
Ersatz dafür zu schaffen“ [2].<br />
H. Bohnenkamp musste entgegen den allseitigen<br />
Hoffnungen bei der 16. Jahrestagung<br />
1952 in Oldenburg als Vorsitzender<br />
„die bedrückende Mitteilung machen, dass<br />
von den zahlreichen Mitgliedern unserer <strong>Gesellschaft</strong>,<br />
die in der Ostzone beheimatet sind,<br />
<strong>und</strong> die aufgefordert wurden <strong>und</strong> besondere<br />
persönliche Einladungen von mir erhielten,<br />
trotz allen Versuchen wegen der Ungunst<br />
der Zeit <strong>und</strong> der politischen Lage nur eine<br />
einzelne Genehmigung erhielt, an diesem in<br />
Westdeutschland stattfindenden Kongress<br />
teilzunehmen. Die Mehrzahl hat dem Verlauf<br />
unserer Tagung beste Wünsche entbieten lassen.<br />
Ja, unser Ehrenmitglied, Herr Professor<br />
Dr. Quensel aus Leipzig, hat sogar noch ein<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 85
Manuskript für seinen Diskussionsbeitrag<br />
geschickt. Wir hoffen, dass mit der Lösung<br />
der Spannungen wir wieder gemeinsam zu<br />
unseren Tagungen zusammentreffen <strong>und</strong> in<br />
einem gemeinsamen Vaterland um neue Erkenntnisse<br />
<strong>und</strong> ärztliche Fortschritte ringen<br />
können“ [3]. Der Tagungsbericht wurde den<br />
Mitgliedern in Ostdeutschland zugesandt.<br />
Dr. Cyrenius, Mühlhausen in Thüringen,<br />
dankte dafür schriftlich: „Wie ich aus dem<br />
Inhalt ersehen habe, verdanke ich diese großzügige<br />
Gabe einer Spende aller westdeutschen<br />
Mitglieder, um auch uns, die wir an<br />
der Tagung leider nicht teilnehmen konnten,<br />
einen vollständigen Einblick in die Verhandlung<br />
während der Tagung in Oldenburg zu<br />
geben. Ich möchte mich dafür bei Ihnen recht<br />
herzlich bedanken.“ [4] Aus dem Tagungsbericht<br />
1953 ist zu entnehmen, dass B. Karitzky,<br />
Rostock, in der Diskussion zu Schock <strong>und</strong><br />
Kollaps sowie zu juristisch-chirurgischen<br />
Problemen Stellung nahm, während G.<br />
Ostapowicz, Ostberlin, sich an der Diskussion<br />
über die Verbrennungskrankheit beteiligte.<br />
[4] Beide waren auch 1954 in Stuttgart<br />
mit Diskussionsbemerkungen zur Stelle [5],<br />
Ostapowicz erneut auch 1955 in Goslar mit<br />
einer interessanten, längeren Bemerkung<br />
zum Frakturgeschehen bei M. Paget [6].<br />
Erst 1956 konnten sich in Heidelberg K. Unger,<br />
Rostock, mit einem Referat „Zur Versorgung<br />
Schwerstverletzter“ <strong>und</strong> J. Rehm, Leipzig,<br />
mit seinem Vortrag „Druckmessungen<br />
im Knochenmarkraum <strong>und</strong> Bestimmung des<br />
Gesamtfettgehaltes in den abführenden Venen<br />
bei Küntschernagelung“ an der wissenschaftlichen<br />
Arbeit beteiligen [7]. Ebenso<br />
referierte W. van de Kamp, Potsdam, 1957<br />
in Köln ausführlich über „Erfahrungen mit<br />
der fächerförmigen Drahtosteosynthese<br />
bei Oberarmkopfbrüchen“ [8]. Im Tagungsbericht<br />
für 1958, Kiel, wird erwähnt, dass<br />
Professor Dr. Friedrich Quensel, seit 1952<br />
Ehrenmitglied, 1957 85-jährig verstorben<br />
ist [9].<br />
Auch in den folgenden Jahren konnten<br />
sich nur wenige Kollegen aus der DDR mit<br />
Vorträgen <strong>und</strong> Diskussionsbemerkungen<br />
beteiligen, so 1959 G. Bellmann, Dresden,<br />
zu Berufskrankheitenproblemen bei Bandscheiben<br />
<strong>und</strong> Menisken, Gelenken <strong>und</strong><br />
Knochen [10], 1960 G. Ostapowicz, Berlin,<br />
zur Rückenmarkbeteiligung bei Wirbelsäulenverletzungen<br />
[11], 1961 H. Hainzl, Eisleben,<br />
zur Dreipunkt-Fixation im Gips bei<br />
Unterarmbrüchen [12]. Doch 1962 musste<br />
der Vorsitzende, C. Dierkes, bei der 26.<br />
Jahrestagung in Bad Godesberg mitteilen,<br />
„in diesem Jahr die Kollegen aus dem Osten<br />
Deutschlands nicht begrüßen zu können. In<br />
den vergangenen Jahren hatten wir immer<br />
die Freude, sie unter uns zu sehen.“ [13] Es<br />
war die Zeit nach dem 13.8.1961. Seit der<br />
Tagung 1963 in Berlin finden sich im Programm<br />
keine Vortragenden <strong>und</strong> keine Diskussionsredner<br />
mehr aus der DDR. Der Vorsitzende,<br />
H. Lauterbach, musste sich darauf<br />
beschränken: „Unser besonderer Gruß gilt<br />
unseren Brüdern <strong>und</strong> Schwestern in der sowjetisch<br />
besetzten Zone Deutschlands. Viele<br />
von ihnen – das wissen wir – wären heute<br />
hier unter uns <strong>und</strong> würden mit uns zusammen<br />
die den Kongress bewegten Fragen erörtern,<br />
wenn sie nicht in ihrer Bewegungsmöglichkeit<br />
gehemmt wären. Ein unerbittliches<br />
Schicksal zwingt sie gegen ihren Willen, uns<br />
fernzubleiben. In einem mir als Eilbrief gestern<br />
zugegangenen Schreiben eines prominenten<br />
Vertreters der Unfallheilk<strong>und</strong>e in der<br />
Ostzone, dessen Name ich aus naheliegenden<br />
Gründen nicht nennen möchte, klingt diese<br />
Feststellung wieder. Er schreibt Folgendes:<br />
„Leider ist es uns immer noch versagt, an den<br />
Tagungen <strong>und</strong> Kongressen im anderen Teil<br />
unseres Vaterlandes teilzunehmen. Wir aber<br />
brauchen die Verbindung mit unseren Verwandten<br />
<strong>und</strong> Kollegen, mit unseren Fre<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> Bekannten nötiger denn je! Darum<br />
danke ich Ihnen für Ihre verbindenden, herzlichen<br />
Worte im Vorwort Ihres Tagungsprogramms.<br />
Ich wünsche Ihrer Tagung von hier<br />
aus einen echten Erfolg <strong>und</strong> grüße Sie <strong>und</strong><br />
die Teilnehmer in bleibender Verb<strong>und</strong>enheit.“<br />
Soweit die Worte unseres in Mitteldeutschland<br />
lebenden Fre<strong>und</strong>es! Steine, Zement <strong>und</strong><br />
Mörtel können zwar eine äußere Trennung<br />
erreichen, sie können aber das geistige Band<br />
<strong>und</strong> unsere innere Gemeinsamkeit <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>enheit<br />
mit den Menschen der Ostzone<br />
nicht lösen oder lockern. In der festen Überzeugung,<br />
dass wir dereinst wieder in einem<br />
vereinten Deutschland unsere Kongresse begehen<br />
können, grüßen wir unsere Mitglieder<br />
in der sowjetisch besetzten Zone <strong>und</strong> alle die<br />
dort drüben leben <strong>und</strong> genau so zu uns streben<br />
wie wir zu ihnen.“ [14] Ein Jahr später,<br />
1964, eröffnete A. N. Witt in Würzburg den<br />
Kongress mit den Worten: „Mit Bedauern<br />
stelle ich fest, dass auch in diesem Jahr immer<br />
noch unsere Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen aus<br />
der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands<br />
unter uns fehlen. Dass unsere Gedanken mit<br />
besonderer Sympathie bei ihnen sind, wissen<br />
Sie alle. Hoffen wir, dass sie in nicht allzu ferner<br />
Zeit ihre Erfahrungen <strong>und</strong> ihr Wissen wieder<br />
beisteuern können zum Gelingen dieses<br />
Kongresses.“ [15] Immer wieder waren die<br />
<strong>Gesellschaft</strong> <strong>und</strong> ihre Vorsitzenden bemüht,<br />
die Verbindungen aufrechtzuerhalten. Referenten<br />
wurden eingeladen, durften aber<br />
nicht reisen; manchmal gelang es, das<br />
schriftlich eingereichte Referat in den Tagungsbericht<br />
aufzunehmen, so von Kühne,<br />
Jena, 1965 über „Staubbedingte Lungenveränderungen<br />
bei Schmalkalder Schleifer. Pathologisch-anatomische<br />
Untersuchungen“.<br />
Es klingt anrührend, wenn der Vorsitzende<br />
von 1965, K. Humperdinck, sagte: „Auch<br />
dies Mal kommt uns wieder zu Bewusstsein,<br />
dass innerhalb unseres Vaterlandes Grenzen<br />
bestehen. Wir sind keine Politiker <strong>und</strong><br />
können nur wünschen, dass sich Wege der<br />
Verständigung finden mögen. Denn drüben<br />
wie hüben hallt der Ruf, wie ihn Beethoven<br />
in seinem Werk „Fidelio“ so tief empf<strong>und</strong>en<br />
in Musik gesetzt hat: ¸Es ruft der Bruder seine<br />
Brüder.“ [16]<br />
Hoffnungen weckte 1982 der Regierende<br />
Bürgermeister von Berlin, der spätere B<strong>und</strong>espräsident<br />
Richard Frh. v. Weizsäcker, in<br />
seiner Begrüßungsansprache zur 46. Jahrestagung<br />
(Präsident J. Probst), 60 Jahre nach<br />
Gründung der <strong>Gesellschaft</strong>: „Auch wenn ein<br />
bipolares System heute eine endgültige Trennungslinie<br />
mitten durch Europa, Deutschland<br />
<strong>und</strong> Berlin gelegt zu haben scheint, so<br />
lehrt uns dennoch ein Blick in die Geschichte,<br />
dass noch nie irgendeine Lösung politischer<br />
Art, die in dieser zentraleuropäischen Region<br />
Platz gegriffen hat, von Dauer war. Weder<br />
dürfen wir an der Tatsache vorbeigehen,<br />
dass der Versuch der <strong>Deutsche</strong>n, aus dem<br />
Einflussbereich von Nachbarn <strong>und</strong> Nächsten<br />
durch den Griff nach einer Vormacht- oder<br />
Weltmachtstellung zu entkommen, in diesem<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert gescheitert ist, noch aber<br />
dürfen wir aus der Antwort der Geschichte,<br />
nämlich der Antwort der Teilung schließen,<br />
dass dies die endgültige <strong>und</strong> die letzte Antwort<br />
der Geschichte sei.“ Wie schon seit langem<br />
waren keine Teilnehmer aus der DDR<br />
anwesend [17].<br />
In den folgenden Jahren 1973 bis 1987 wiesen<br />
die Kongressberichte [18] eine zunehmende<br />
internationale Beteiligung aus, die<br />
sich nicht nur auf die uns eng verb<strong>und</strong>enen<br />
Kollegen in der Schweiz <strong>und</strong> in Österreich<br />
bezog, sondern auch Referenten aus dem<br />
übrigen westlichen Europa zu uns führte.<br />
Nicht selten waren auch Vortragende aus<br />
Kanada, USA <strong>und</strong> Südafrika unsere Gäste.<br />
Und durch alle Jahre hindurch erfreuten<br />
uns Kollegen aus den Staaten des Ostblocks<br />
regelmäßig mit ihrer Anwesenheit. Alle Präsidenten<br />
bemühten sich über jegliche möglichen<br />
Verbindungen, Ausnahmegenehmigungen<br />
für die Kollegen in der DDR zu<br />
erwirken; doch alle diese Versuche schlugen<br />
fehl.<br />
Mit dem Jahr 1972 begann die Reihe der<br />
gemeinsamen deutsch-österreichischschweizerischen<br />
Unfalltagungen, in diesem<br />
Jahr in Bern, mit bemerkenswert reger Beteiligung<br />
nicht nur aus diesen drei Ländern,<br />
sondern u. a. auch aus Polen, Finnland, der<br />
Tschechoslowakei <strong>und</strong> Jugoslawien – doch<br />
ohne Beteiligung der Kollegen aus der DDR.<br />
86<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Die gemeinsamen Tagungen in Wien (1979)<br />
<strong>und</strong> Lausanne (1983) ließen die Erwartung<br />
zu, dass die Kollegen aus der DDR eine Reisegenehmigung<br />
für die neutralen Länder erhielten;<br />
aber auch in diesen Fällen wurden<br />
sie <strong>und</strong> wir enttäuscht. 1987 fand die gemeinsame<br />
Tagung zum zweiten Mal in Berlin<br />
statt; Vorverhandlungen schienen eine<br />
Beteiligungsmöglichkeit zu versprechen –<br />
man setzte auf die nun zum Tagesgespräch<br />
gewordene Perestroika. Während die durchgehend<br />
Deutsch sprechenden Kollegen aus<br />
den Ostblockstaaten sich unter uns nicht<br />
anders bewegten als die Österreicher <strong>und</strong><br />
Schweizer, mussten die <strong>Deutsche</strong>n aus der<br />
DDR wiederum draußen bleiben [19].<br />
Schon im Frühjahr 1989 mehrten sich die<br />
Vorzeichen eines politischen Wandels, dem<br />
teils mit Hoffnung, nach den Vorgängen<br />
in Peking aber auch mit großer Sorge begegnet<br />
wurde. Am 1. September begann<br />
in Budapest die Tagung der Ungarischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Traumatologie. Der Empfang<br />
durch die ungarischen Kollegen war<br />
ebenso überwältigend, wie der Eindruck des<br />
lockeren Auftretens der Honveds. Während<br />
mir Gyula Laszlo, der uns schon mehrfach in<br />
Murnau besucht hatte, einige Schönheiten<br />
der Stadt zeigte, begegneten uns viele Rekruten,<br />
die mir wenig militärisch auftretend<br />
vorkamen. Sowjetische Soldaten waren nirgendwo<br />
zu sehen. Auf meine offene Frage<br />
an den Kollegen, was hier vorginge, erklärte<br />
er mir freimütig, die jungen Soldaten würden<br />
jetzt hauptsächlich für soziale Aufgaben<br />
eingesetzt, eine irgendwie bedrohliche,<br />
insbesondere militärische Eskalation stehe<br />
nicht an, wobei er insbesondere hervorhob,<br />
man stehe mit den Russen auf gutem Fuß,<br />
ein 1956 werde sich nicht wiederholen. Vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> der zum Massenphänomen<br />
anschwellenden Fluchtbewegungen<br />
aus der DDR über Ungarn <strong>und</strong> Österreich<br />
wurde der bereits im Gange befindliche politische<br />
Wandel offenk<strong>und</strong>ig. Beim festlichen<br />
Abendessen traf ich erstmals Eberhard<br />
Markgraf aus Jena, der mir bisher nur aus<br />
der Fachliteratur bekannt war. Wir kamen<br />
sehr schnell ins Gespräch, das im Hinblick<br />
auf die aktuellen politischen Entwicklungen<br />
beiderseits „rücksichtsvoll“ geführt wurde.<br />
Aber wir spürten beide, dass eine Zäsur bereits<br />
eingetreten war. Ich vernahm in diesen<br />
Tagen den Hauch der Geschichte <strong>und</strong> verabschiedete<br />
mich von Eberhard Markgraf<br />
mit den Worten, in knapp drei Monaten, zur<br />
Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e in Berlin, werde die<br />
Welt anders aussehen. Von seinem Gesicht<br />
las ich ab, dass auch er es hoffte, aber noch<br />
nicht glauben mochte, dass ein gr<strong>und</strong>legender<br />
Wandel eintreten werde, von dessen<br />
Abb. 1 Einladungsschreiben vom 9.11.1989 an die Unfallchirurgen in der DDR, unmittelbar nach<br />
Verkündung der Grenzöffnung der DDR verfasst <strong>und</strong> an ca. 200 Chirurgen in der DDR versandt.<br />
Abb. 2 Da die Unfallchirurgen aus der DDR über keine Mitgliedsausweise verfügten, die ihnen den<br />
kostenfreien Zutritt zum Kongress ermöglicht hätte, wurden eiligst „Gastkarten“ gedruckt – die bange<br />
Frage nach der Teilnahmegebühr musste gar nicht erst gestellt werden.<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 87
Form <strong>und</strong> Ablauf wir beide freilich noch keine<br />
wirkliche Vorstellung haben konnten.<br />
In meinem Tagebuch bemerkte ich unter<br />
dem 9.11.1989 nüchtern: „Bekanntgabe<br />
der freien Reisemöglichkeiten in der DDR um<br />
19:00 Uhr.“ Wenige Tage zuvor hatte ich mit<br />
dem Präsidenten, K.-P. Schmit-Neuerburg,<br />
in einem längeren Telefonat erörtert, was<br />
im Hinblick auf die sich in der DDR überstürzenden<br />
politischen Veränderungen für<br />
unseren am 20. November in Berlin beginnenden<br />
Kongress zu veranlassen sei. Meines<br />
Erachtens müssten Vorbereitungen getroffen<br />
werden, den Kollegen aus der DDR Möglichkeiten<br />
zum Besuch unseres Kongresses<br />
zu verschaffen. Doch zögerte der Präsident,<br />
der eine so rasche Entwicklung noch nicht<br />
erwartete. Nun aber war eingetreten, was<br />
28 Jahre lang unser aller Hoffnung gewesen:<br />
Die Mauer war gefallen! Was nun? Es<br />
war keine Zeit zu verlieren; denn der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e fiel<br />
in diesem Augenblick die Pflicht zu, stellvertretend<br />
für alle wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
den Kollegen im Osten des gemeinsamen<br />
Vaterlandes die Hände entgegenzustrecken.<br />
Wie konnte ich als Generalsekretär<br />
der DGU zwölf Tage vor Beginn der Jahrestagung<br />
auch die Türen des Kongresszentrums<br />
ICC für die Kollegen aus der DDR öffnen?<br />
Mir kam der Zufall zu Hilfe: In all den Jahren<br />
der Trennung hatte sich ein schmales,<br />
aber dauerhaftes Band zwischen dem in<br />
der Murnauer Unfallklinik befindlichen Literaturarchiv<br />
<strong>und</strong> zahlreichen Chirurgen in<br />
der DDR gespannt. Jährlich wurden viele<br />
h<strong>und</strong>ert Sonderdrucke unfallchirurgischen<br />
Inhalts dorthin ausgeliehen <strong>und</strong> nicht wenige<br />
im Gegenzug zur Verfügung gestellt. Gerade<br />
war wieder einmal eine Aussendung<br />
in Vorbereitung <strong>und</strong> an die zweih<strong>und</strong>ert<br />
Adressen lagen versandfertig bereit. Ich verfasste,<br />
immer wieder unterbrochen von den<br />
sich überstürzenden Meldungen im Fernsehen,<br />
in dieser Nacht einen Einladungsr<strong>und</strong>brief<br />
an die Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in der<br />
DDR, der am folgenden Morgen mit der Post<br />
abging ( Abb. 1). Schon eine Woche später<br />
traf die erste Zusage ein, ihr Absender war<br />
Eberhard Schenk, Magdeburg; er ließ seinen<br />
befreiten Gefühlen offenen Lauf.<br />
Es kam der 22.11.1989. Der Eröffnung des<br />
Kongresses ging die turnusgemäße Sitzung<br />
des Präsidiums voraus, in der erste Beschlüsse,<br />
die Öffnung der innerdeutschen Grenze<br />
betreffend, gefasst wurden. Zunächst<br />
wurde die Frage der Mitgliedschaft diskutiert,<br />
wobei verständlicherweise zunächst<br />
keine einheitliche Meinung gebildet werden<br />
konnte. Das lag zum einen daran, dass<br />
auch im politischen Raum noch gar keine<br />
Vorstellungen einer „Wiedervereinigung“<br />
bestanden, vielfach günstigenfalls von einer<br />
fortbestehenden Zweistaatlichkeit ausgegangen<br />
<strong>und</strong> lediglich eine zwischenstaatliche<br />
Normalisierung <strong>und</strong> Angleichung mit<br />
freiem Personenverkehr erwartet wurde.<br />
Zum anderen bestanden in der DGU keine<br />
hinreichenden Kenntnisse der strukturellen<br />
Verfassung der wissenschaftlichen Organisationen<br />
in der DDR, hier insbesondere<br />
der Sektion Traumatologie in der fachübergreifenden<br />
wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie der DDR. So wurde pragmatisch<br />
beschlossen, „interessierten Kollegen<br />
aus der DDR die Mitgliedschaft in der DGU<br />
zu eröffnen, wobei der Mitgliedsbeitrag in<br />
der Landeswährung gezahlt werden“ solle.<br />
Allen Präsidiumsmitgliedern war zu diesem<br />
Zeitpunkt jedoch schon klar, dass die<br />
Grenzöffnung, welche Folgen auch immer<br />
sie im gesamtpolitischen Raum haben werde,<br />
auch seitens der wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en aktive Unterstützung <strong>und</strong><br />
Hilfe, <strong>und</strong> zwar unbürokratisch <strong>und</strong> rasch,<br />
gegenüber den Kollegen in der DDR erfordere.<br />
So beschloss das Präsidium auf Vorschlag<br />
des Geschäftsführenden Vorstandes als erste<br />
Maßnahme, vier Stipendien zu je 2.500<br />
DM auszusetzen, die Kollegen aus der DDR<br />
die Möglichkeit bieten sollten, an Kliniken<br />
in der B<strong>und</strong>esrepublik zu hospitieren, um<br />
Kontakte aufzunehmen, Verbindungen zu<br />
schaffen, Erfahrungen auszutauschen. Die<br />
Stipendien sollten auch als Anstoß für andere<br />
Institutionen wirken, ihrerseits Möglichkeiten<br />
zu Hospitationen zu eröffnen<br />
<strong>und</strong> Eigeninitiativen anzuregen [21]. In der<br />
traditionsgemäß am zweiten Kongresstage<br />
stattfindenden Mitgliederversammlung<br />
hob der Generalsekretär hervor, jetzt zu entwickelnde<br />
„Eigeninitiative könne ein bescheidener<br />
Dank sein für das, was die Kollegen in<br />
der DDR viele Jahre lang unter schwierigsten<br />
Umständen <strong>und</strong> Verhältnissen geleistet hätten.<br />
Ihnen gebühre auch Dank dafür, dass<br />
sie es geschafft hätten, nun wenigstens die<br />
Einheit im Geist sichtbar herzustellen (anhaltender<br />
Beifall).“ Zu erinnern bleibt, dass in<br />
dieser Mitgliederversammlung auch bereits<br />
ein erstes Mitglied aus der DDR in die DGU<br />
aufgenommen wurde [17]. Der kostenlose<br />
Zutritt zu allen Kongressveranstaltungen<br />
wurde kurzerhand durch Ausgabe von<br />
„Gastkarten“ geregelt ( Abb. 2).<br />
Als eine demonstrative Geste hatte ich am<br />
Vortage gemeinsam mit meinem 1. Oberarzt<br />
G. Hofmann die Charité besucht, wo<br />
wir sehr fre<strong>und</strong>lich vom Leiter der Unfallabteilung,<br />
W. Tausch, empfangen wurden.<br />
Späteren Nachforschungen zufolge war<br />
dies wahrscheinlich die erste Verbindungsaufnahme<br />
einer wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong><br />
zu einer Einrichtung in der DDR. Staunend<br />
betrachteten wir den Sitzungssaal, in<br />
welchem die Büsten der großen Chirurgen<br />
des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts aufgereiht standen.<br />
Wir blickten nicht ohne innere Bewegung<br />
auf das Gemälde mit den Gründern der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie [20].<br />
Zur Kongresseröffnung öffneten sich die Türen<br />
des ICC, die bis dahin üblich gewesenen<br />
Einlasskontrollen erwiesen sich als Regularien<br />
von gestern – ich hatte sie kraft Amtes<br />
kurzerhand aufgehoben. Der Ansturm am<br />
Kongressbüro konnte erst im Laufe der Tage<br />
abgearbeitet werden; ob alle Kongressteilnehmer<br />
registriert worden sind, ist zweifelhaft.<br />
Insgesamt hatten wir mit etwa<br />
100 Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen gerechnet,<br />
tatsächlich waren es dann ungefähr 300.<br />
Dies war auch ein Signal für andere wissenschaftliche<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en. Der historischen<br />
Treue mag es am besten dienen, den Dokumenten<br />
im Bericht über die Jahrestagung<br />
in Nr. 212 der Buchreihe „Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e“<br />
[17] zu folgen: Präsident K.-P.<br />
Schmit-Neuerburg in seiner Eröffnungsansprache:<br />
„Ich begrüße sehr herzlich unsere lieben Kollegen<br />
aus der DDR <strong>und</strong> Ostberlin. In all den<br />
Jahren konnte der Präsident immer nur sein<br />
Sprüchlein aufsagen, dass die Kollegen aus<br />
der DDR zwar eingeladen worden seien, aber<br />
nicht kommen durften. Ich bin jetzt der erste<br />
Präsident, den Sie selbst dank Ihrer friedlichen<br />
Revolution in die Lage versetzt haben,<br />
Sie hier als Teilnehmer unseres Kongresses begrüßen<br />
zu dürfen. Von ganzem Herzen hoffe<br />
ich, dass es auch künftig immer so sein möge,<br />
nicht nur in Berlin, sondern auch bei allen<br />
Kongressen <strong>und</strong> Symposien in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
<strong>und</strong> im westlichen Ausland. Sollten<br />
Sie irgendeinen Wunsch haben, den ich Ihnen<br />
erfüllen kann, bitte ich Sie, sich jederzeit an<br />
mich, meine Sekretärin oder an das Kongress-<br />
Büro zu wenden: Wir werden alles tun, was<br />
in unsren Kräften steht.<br />
Unser ständiger Tagungsort Berlin ist historischer<br />
Urgr<strong>und</strong>. Hier ereignet sich Geschichte<br />
hautnah. Wie oft war hier in der Vergangenheit<br />
Erregung spürbar – durch Ereignisse<br />
an der Mauer, durch politische Kälteeinbrüche,<br />
die sich an dieser sensiblen Nahtstelle<br />
sofort in Spannung umsetzten. Wer nach<br />
Berlin kam <strong>und</strong> kommt, wurde sofort mit der<br />
Vergangenheit konfrontiert, hatte die Bilder<br />
der Kaiser- <strong>und</strong> Nazi-Zeit vor Augen, sah im<br />
Geiste die transparenten Gesichter der ausgehungerten,<br />
tuberkulösen Kinder nach dem<br />
Ersten Weltkrieg <strong>und</strong> die Überlebenden am<br />
Ende des Zweiten Weltkrieges, die nach ungezählten<br />
Bombennächten in einer bizarren<br />
Trümmerlandschaft aus den Kellern krochen.<br />
88<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Anlage 1 Antwortschreiben vom 5.4.1990 an die ca. 80<br />
Hospitationsbewerber.<br />
Anlage 2 Programm der Informationsveranstaltung der Berufs ge nos sen <br />
schaften für Unfallchirurgen aus der DDR am 21./22.9.1990 in Berlin.<br />
So war es später beim Mauerbau <strong>und</strong> den<br />
dramatischen Fluchtversuchen mitten in Berlin.<br />
Es gab sehr wenige Ereignisse, die bei aller<br />
Brisanz freudige Emotionen weckten – da<br />
waren eigentlich nur die Luftbrücke während<br />
der Blockade Berlins <strong>und</strong> der Besuch Präsident<br />
Kennedys an der Berliner Mauer. Und jetzt,<br />
dieser 9. November: ein typisches Berliner Ereignis,<br />
unerwartet, plötzlich, extrem <strong>und</strong> von<br />
atemberaubendem Tempo im Handlungsablauf.<br />
Wäre über Nacht die ganze Berliner<br />
Mauer von Souvenir-Jägern geklaut worden<br />
– wen hätte es noch gew<strong>und</strong>ert!<br />
Aber nicht nur der 9. November 1989 wird<br />
als das einzige freudige „November-Ereignis“<br />
in die Geschichte eingehen. Diese <strong>Deutsche</strong>n,<br />
die in der DDR noch weitere 40 Jahre eine<br />
Diktatur ertragen mussten <strong>und</strong> denen man<br />
noch nie eine Revolution zugetraut hatte,<br />
weil sie zu sehr vom Untertanengeist beseelt<br />
seien, diese <strong>Deutsche</strong>n haben ganz allein<br />
die erste friedliche Revolution zustande gebracht<br />
<strong>und</strong> die Regierung gestürzt, ohne dass<br />
ein Tropfen Blut vergossen worden wäre. Das<br />
1 Allgemeine Betrachtungen zur Weltliteratur 1827 bis 1830.<br />
Die Zusammenkunft der Naturforscher in Berlin 1928<br />
ist ein Novum in Europa, eine historische Tat,<br />
die besonders gut in die ereignisreiche Geschichte<br />
Berlins passt.“<br />
Der Bericht über diese Tagung, der als Nr.<br />
212 der Reihe „Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e“<br />
einige Monate später erschien <strong>und</strong> als ein<br />
historisches Dokument einen besonderen<br />
Platz einnimmt, wurde allen Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen in der DDR als Geschenk übergeben.<br />
Er enthält eingangs folgende Widmung:<br />
„Die 52. Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e vereinte in den<br />
schon historisch zu nennenden Novembertagen<br />
1989 als erste wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />
die fast 30 Jahre lang getrennten<br />
Kollegen. Obwohl eine ganze Generation<br />
ausgefallen war, fanden wir in jenen Tagen<br />
<strong>und</strong> in den nachfolgenden Monaten zusammen,<br />
als ob es nie eine Grenze zwischen uns<br />
gegeben hätte.<br />
Jetzt leben <strong>und</strong> arbeiten wir wieder in<br />
einem Land. Vieles ist aufzuholen. Die Diskussion<br />
<strong>und</strong> Weitergabe von Erfahrungen<br />
– urtümliche Aufgabe einer wissenschaftlichen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> – begonnen am traditionsreichen<br />
Kongressort Berlin, fortgesetzt in<br />
bereits unzähligen kollegialen Begegnungen<br />
<strong>und</strong> ergänzt durch den freien Austausch der<br />
Literatur, wird in Zukunft wesentlich dazu<br />
beitragen, dass sich auch im Sinne unserer<br />
Wissenschaft das Goethewort erfüllt:<br />
Der Himmel gönne dem wissenschaftlichen<br />
Streben in unserem deutschen Vaterland<br />
noch lange Friede <strong>und</strong> Ruhe, so<br />
wird sich eine Tätigkeit entfalten, wie sie<br />
die Welt nur in einem Jahrh<strong>und</strong>ert nach<br />
langer Finsternis, nach Erfindung des<br />
Druckes, bei weit geringeren Hilfsmitteln<br />
erlebt hat. 1<br />
Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />
widmet diesen Kongressbericht ihren<br />
Kollegen, die 1989/90 mit ihrem Eintritt in<br />
unsere <strong>Gesellschaft</strong> auch dieser neue Aufgaben<br />
gestellt haben.“ [17]<br />
In den folgenden Wochen <strong>und</strong> Monaten kristallisierte<br />
sich erst allmählich heraus, dass<br />
viele politische Hürden zu nehmen waren,<br />
ehe die staatliche Einheit wiederhergestellt<br />
werden könne. Viel rascher wuchs das Bewusstsein,<br />
jenen noch gar nicht abgemessenen<br />
staatlichen äußeren Rahmen durch<br />
praktisches Handeln füllen <strong>und</strong> durchdringen<br />
zu müssen. Dabei wurde allmählich<br />
allen klar, dass trotz allen Bewahrens die<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 89
Abb. 3 Bericht über die 11. Murnauer<br />
Unfalltagung, 19.5.1990.<br />
Abb. 4 Teilnehmer des Einweisungskurses 1990 aus der DDR. Hörsaal der BG-Unfallklinik Murnau. Aus:<br />
Privatarchiv J. Probst<br />
innere Substanz viele Schäden erlitten hatte.<br />
So kam es dazu, dass insbesondere durch<br />
die Initiative der Ärztlichen Direktoren der<br />
Berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken<br />
an diesen <strong>und</strong> an anderen Krankenhäusern<br />
zahlreiche mehrwöchige Einzelhospitationen<br />
für Chef- <strong>und</strong> Oberärzte organisiert<br />
wurden <strong>und</strong> diese, auch dank der Einsicht<br />
vieler Verwaltungen, nicht an Kostenfragen,<br />
die großzügig ausgeschaltet wurden, scheitern<br />
mussten. Durch die DGU sind mehr als<br />
80 derartige Hospitationen vermittelt worden,<br />
die bereits ab April 1990 anliefen; sie<br />
dauerten in der Regel vier Wochen. Die Gäste<br />
konnten aus einer Liste aufnahmebereiter<br />
Kliniken frei wählen. Im Vordergr<strong>und</strong> der<br />
Aufenthalte standen neben der Teilnahme<br />
an Operationen, Visiten <strong>und</strong> Fortbildungen<br />
die Organisation der berufsgenossenschaftlichen<br />
Verfahren <strong>und</strong> das Zusammenspiel<br />
mit den Sachbearbeitern der Unfallversicherungsträger<br />
sowie die Praxis der Begutachtung.<br />
Aus diesen Hospitationen<br />
entwickelten sich nicht wenige dauerhafte<br />
kollegiale Beziehungen ( Anlage 1). Insbesondere<br />
im berufsgenossenschaftlichen Bereich<br />
wurde auch die Übernahme unfallverletzter<br />
Patienten aus DDR-Krankenhäusern<br />
in BG-Unfallkliniken eröffnet. Am 27.4.1990<br />
erfolgte der erste Hubschraubertransport<br />
einer Patientin von Dresden nach Murnau;<br />
das ist insofern bemerkenswert, als die Lufthoheit<br />
in der DDR noch bei der sowjetischen<br />
Besatzungsmacht lag [20].<br />
Rasch wuchs auch das Interesse der Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen an Fachtagungen<br />
in der B<strong>und</strong>esrepublik. So nahmen mehr<br />
als 30 von ihnen am 18./19.5.1990 an der<br />
11. Murnauer Unfalltagung „Der verletzte<br />
Fuß“ teil ( Abb. 3 <strong>und</strong> 4). Bei noch bestehender<br />
Währungsunterschiedlichkeit musste<br />
die Unterbringungsfrage gelöst werden:<br />
Spontan stellte die Murnauer B<strong>und</strong>eswehrgarnison<br />
sich kostenlos als „Hotel garni“ zur<br />
Verfügung. Das Blockdenken war bereits<br />
ferne Vergangenheit! Als die Teilnehmer<br />
sich nach getaner Arbeit am Staffelsee in<br />
geselliger R<strong>und</strong>e zusammenfanden, wurde<br />
der Gedanke geboren, die regionale Unfallmedizinische<br />
Tagung mit ihrem noch<br />
diskussionsfreudigen Rahmen auch auf die<br />
DDR zu übertragen [20]; daraus ging 1996<br />
die mit dem BG-Landesverband Bayern <strong>und</strong><br />
Sachsen <strong>und</strong> der Unfallchirurgischen Klinik<br />
der TU Dresden (Professor Dr. H. Zwipp) gegründete<br />
„Dresdner Unfalltagung“ hervor<br />
[22].<br />
Den Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> anderen<br />
gesetzlichen Unfallversicherungsträgern<br />
oblag nach dem Staatsvertrag die Einführung<br />
dieses Sozialversicherungszweiges<br />
in der DDR. Schon bevor die rechtlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen gegeben waren, wurden praktische<br />
Maßnahmen ergriffen, wobei der<br />
insoweit fachlich zuständige „Heilverfahrensausschuss“<br />
des Hauptverbandes der<br />
gewerblichen Berufsgenossenschaften sich<br />
auch auf die Beratenden Ärzte seiner sechs<br />
Landesverbände stützen konnte. Erste Erörterungen<br />
fanden am 20.2.1990 in einer Sitzung<br />
der „Vereinigung der Berufsgenossenschaftlichen<br />
Kliniken“ (VBGK) statt [20]. Am<br />
16./17.3.1990 hielten die Landesverbände<br />
Berlin <strong>und</strong> Nordwestdeutschland in Berlin<br />
ihre turnusgemäße Unfallmedizinische Tagung<br />
ab, mit der sich die Berufsgenossenschaften<br />
den DDR-Chirurgen in Referaten<br />
<strong>und</strong> Diskussionen vorstellten [23]. Ungeachtet<br />
dessen, dass noch eine mehrjährige<br />
Organisationsarbeit bevorstand, hatten<br />
sich die Berufsgenossenschaften schon<br />
mit dieser Tagung als zukunftsverheißend<br />
eingeführt. Im Verlauf der Einigungsverhandlungen<br />
wurde die Einführung der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung in den neuen<br />
B<strong>und</strong>esländern zum 1.1.1991 festgelegt.<br />
Dies bedeutete auch eine Übernahme der<br />
Berichts- <strong>und</strong> Heilverfahrensarten, insbesondere<br />
des Durchgangsarzt- <strong>und</strong> des Verletzungsartenverfahrens.<br />
In Vorbereitung<br />
hierzu <strong>und</strong> unter Mithilfe der DGU konnte<br />
der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />
am 21./22. 9.1990 in<br />
Berlin eine Informationsveranstaltung für<br />
diejenigen Chefärzte durchführen, die künftig<br />
für die Berufsgenossenschaften in den<br />
neuen B<strong>und</strong>esländern tätig sein würden<br />
( Anlage 2).<br />
Vorausgegangen waren zahlreiche Konferenzen<br />
<strong>und</strong> Beratungen in größerem oder<br />
kleinerem Kreis ( Anlage 3), sodann am<br />
21.8.1990 eine Sitzung des Arbeitskreises<br />
„Qualität“ der Kommission für Rehabilitation<br />
des Hauptgeschäftsführer–Arbeitskreises<br />
in Frankfurt/Main, an der neben den<br />
Beratenden Ärzten S. Decker, G. Hierholzer,<br />
H. Nonnemann <strong>und</strong> J. Probst als Sachverständige<br />
auf Vorschlag der DGU auch E.<br />
Schenk, Magdeburg, <strong>und</strong> K. Welz, Cottbus,<br />
teilnahmen. Die Niederschrift [32] liest sich<br />
wie ein Katechismus, sie spiegelt die wechselseitigen<br />
Informationen aus den seit Jahresbeginn<br />
aufgenommenen Gesprächen<br />
wider <strong>und</strong> vermittelt dokumentarisch die<br />
Bereitschaft, auf diesem Sektor die Wiedervereinigung<br />
rasch <strong>und</strong> ohne zeitraubende<br />
Umwege durchzuführen. Dies wurde so<br />
eingeleitet, obwohl noch keine gesetzliche<br />
Gr<strong>und</strong>lage hergestellt war, dass „zum<br />
1.1.1991 auch auf dem Gebiet der DDR die<br />
volle Zuständigkeit der Träger der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung für die Leistungen<br />
zur Heilbehandlung gegeben sein wird.“ Es<br />
90<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Anlage 3 Schreiben des Generalsekretärs der DGU <strong>und</strong> Beratenden Arztes des LV Bayern der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 23.3.1990 an den<br />
Vorsitzenden des Heilverfahrensausschusses des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften, Dir. Förster.<br />
spricht gleichermaßen für die Berufsgenossenschaften<br />
wie für die Unfallchirurgen<br />
in der DDR, dass dieses Ziel in kurzer Zeit,<br />
nachhaltig <strong>und</strong> reibungslos erreicht worden<br />
ist ( Anlage 4).<br />
Dabei war festgelegt worden, dass die berufsgenossenschaftliche<br />
Betreuung durch<br />
die jeweils angrenzenden Landesverbände<br />
regional erfolgen werde, nämlich in Berlin,<br />
Brandenburg <strong>und</strong> Mecklenburg-Vorpommern<br />
durch den Landesverband Berlin, für<br />
Sachsen-Anhalt durch den LV Nordwestdeutschland<br />
in Hannover, für Thüringen<br />
durch den LV Hessen-Mittelrhein in Mainz,<br />
für Sachsen durch den LV Bayern in München.<br />
Im Rahmen dieser Entwicklung oblag<br />
den Beratenden Ärzten der Landesverbände<br />
die Evaluation der D-Ärzte <strong>und</strong> Chefärzte<br />
der zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen<br />
Krankenhäuser; dieses Verfahren<br />
entsprach den hergebrachten Zulassungskriterien<br />
in der B<strong>und</strong>esrepublik. Auch in<br />
dieser Hinsicht wirkten sich die zahlreichen<br />
Hospitationen hilfreich aus <strong>und</strong> dies umso<br />
mehr, als den Beratenden Ärzten nunmehr<br />
viele Kollegen, die sich um diese Zulassungen<br />
bewarben, schon persönlich bekannt<br />
geworden waren [24].<br />
Zur gleichen Zeit – <strong>und</strong> auch im Zusammenhang<br />
mit den berufsgenossenschaftlichen<br />
Zulassungen – tauchte das Problem der<br />
Anerkennung der in der DDR erworbenen<br />
Facharztqualifikationen sowie der Anrechenbarkeit<br />
erbrachter Weiterbildungsleistungen,<br />
speziell zur Subspezialität Traumatologie,<br />
auf. Wiederum waren die Präsidiumsmitglieder<br />
der DGU Anlaufstelle <strong>und</strong><br />
Vermittler in einem, wenn es darum ging,<br />
Ratschläge zu erteilen oder Zugangswege<br />
aufzuzeigen. Die Subspezialität Traumatologie<br />
wurde vorbehaltlos anerkannt, in<br />
einzelnen Zweifelsfällen konnten anhand<br />
von Leistungsnachweisen positive Entscheidungen<br />
für die Kollegen erwirkt werden.<br />
Für die berufsgenossenschaftlichen Zulassungen<br />
musste indessen darauf bestanden<br />
werden, dass ausschließlich die verbriefte,<br />
seitens der Landesärztekammern anerkannte<br />
Subspezialität Traumatologie unabdingbare<br />
Voraussetzung war [25].<br />
Dass in einer so umwälzenden Situation,<br />
wie sie durch die Ereignisse des Novembers<br />
1989 <strong>und</strong> in den folgenden Monaten entstanden<br />
war, auch menschliche Probleme<br />
auftraten, kann nicht verw<strong>und</strong>ern. Manche<br />
Kollegen mussten sich um ihre Stellung sorgen,<br />
manchen mussten neue Betätigungsmöglichkeiten<br />
aufgezeigt werden. Die frühzeitige<br />
Einleitung direkter Kontakte schuf<br />
jedoch alsbald Vertrauensbeziehungen,<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 91
Anlage 4/1 Ergebnisniederschrift des AK „Qualität“ vom 21.8.1990 (Seite 1–2).<br />
<br />
die sich gelegentlich auch bei amtlichen<br />
Stellen als nützlich erwiesen. So erließ das<br />
Bayerische Staatsministerium für Arbeit,<br />
Familie <strong>und</strong> Sozialordnung „Leitlinien für<br />
Hilfen im Ges<strong>und</strong>heitswesen Thüringens <strong>und</strong><br />
Sachsens“, die genau den von der DGU bzw.<br />
den Berufsgenossenschaften bereits praktizierten<br />
Verfahren, neben Hospitationen<br />
auch Seminare, Beratungstätigkeiten, Entsendung<br />
von Fachkräften, entsprachen [26].<br />
Ebenso konnten den Berufsgenossenschaften,<br />
denen ihrerseits an der Aufnahme<br />
vertraglicher Beziehungen zu den Ärzten gelegen<br />
war, insbesondere durch deren Beratende<br />
Ärzte der Landesverbände wirksame<br />
Unterstützung <strong>und</strong> eine Art persönliche<br />
Bürgschaft für die zu den Verfahren zuzulassenden<br />
Unfallchirurgen vermittelt werden.<br />
In einzelnen Fällen galt es auch Denunziationen<br />
(in Anspielung auf den Titel einer einschlägigen<br />
Broschüre waren solche nur als<br />
Ausgeburten „kranker Gehirne“ begreiflich),<br />
wie sie typische Begleiterscheinungen jedes<br />
Umbruchs sind, entgegenzutreten. Dabei<br />
musste bei den davon passiv Betroffenen,<br />
die sich vom Rechtsstaat im Augenblick enttäuscht<br />
fühlten, erst einmal geworben werden<br />
um Verständnis für die zurückhaltende<br />
Entscheidungspraxis öffentlich-rechtlicher<br />
Institutionen, die pflichtgemäßes Ermessen<br />
walten lassen mussten, wo die DGU sich auf<br />
die Prinzipien der Kollegialität berufen <strong>und</strong><br />
danach pragmatisch handeln konnte. Langwierige<br />
Ungewissheiten, wie sie Jahrzehnte<br />
zuvor, in der Nachkriegszeit, über mehrere<br />
Jahre hinweg nicht wenige Ärzte belastet<br />
hatten, konnten so vermieden werden, ohne<br />
neue Ungerechtigkeiten zu schaffen [27].<br />
Schon seit Jahresbeginn 1990 beantragten<br />
viele Kollegen aus der DDR die Mitgliedschaft<br />
in der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Unfallheilk<strong>und</strong>e. Es stellte sich die Frage,<br />
ob neben den satzungsgemäßen Voraussetzungen<br />
weitere Auflagen zu erfüllen<br />
waren. Manche wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
haben lange, einige sehr lange<br />
gezögert, offen auf die Kollegen zuzugehen;<br />
das hat später deren Annäherung unnötig<br />
erschwert. Für die DGU stellte sich dieses<br />
Problem nicht: Die schon seit den denkwürdigen<br />
Kongresstagen im November 1989<br />
<strong>und</strong> in den ersten Wochen <strong>und</strong> Monaten<br />
1990 geknüpften Verbindungen, dazu die<br />
Aufnahme enger persönlicher Beziehungen<br />
– in meinem Falle u. a. mit E. Markgraf in<br />
Jena, K. Welz in Cottbus, E. Schenk in Magdeburg<br />
– hatten Gewissheiten begründet,<br />
die ausreichende Gewähr für eine sachlich<br />
einwandfreie <strong>und</strong> kollegiale Zusammenarbeit<br />
verhießen ( Anlage 5). Der Geschäftsführende<br />
Vorstand der DGU billigte am<br />
7.6.1990 <strong>und</strong> das Präsidium der DGU bestätigte<br />
am 29.6.1990 die vom Generalsekretär<br />
angewandte Verfahrenspraxis. In dieser<br />
Sitzung beschloss das Präsidium auch, zwei<br />
Kollegen aus der DDR als außerordentliche<br />
Mitglieder in den Beirat zu berufen, um die<br />
Zusammenarbeit rasch <strong>und</strong> wirkungsvoll zu<br />
vertiefen. Ausgewählt wurden hierfür Eberhard<br />
Schenk, Magdeburg, <strong>und</strong> Klaus Welz,<br />
Cottbus, die schon seit November 1989 im<br />
engen Kontakt mit uns standen. Diskutiert<br />
worden war auch, ob die noch bestehende<br />
Sektion Traumatologie der DDR bzw. deren<br />
Mitglieder summarisch in die DGU übergeführt<br />
werden sollten. Dazu gelangte das<br />
92<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Anlage 4/2 Ergebnisniederschrift des AK „Qualität“ vom 21.8.1990 (Seite 3–4).<br />
<br />
Präsidium der DGU jedoch mehrheitlich zu<br />
der Auffassung, eine solche „Gleichschaltung“<br />
nicht zuzulassen. Es sollte auch nicht<br />
der Eindruck erweckt werden, die Sektion<br />
Traumatologie zu zerschlagen, zumal zu dieser<br />
Zeit die endgültige staatliche Struktur,<br />
d. h. die staatliche Wiedervereinigung, nicht<br />
nur noch nicht bestand, sondern immer<br />
noch nicht mit Gewissheit zu sehen war. Es<br />
wurde stattdessen beschlossen, den Mitgliedern<br />
der Sektion Traumatologie ihr wissenschaftliches<br />
Zuhause in der DGU zu bieten,<br />
wenn sie dieses wünschten <strong>und</strong> durch<br />
persönliche Beitrittserklärung beantragten.<br />
Damit wurden auch rechtliche Schwierigkeiten,<br />
die sich aus den satzungsgemäßen<br />
Verfassungen sowohl der Sektion als auch<br />
der DGU ergeben würden, von vornherein<br />
vermieden; die DGU in der Rechtsform des<br />
rechtsfähigen, eingetragenen Vereins kannte<br />
<strong>und</strong> kennt nur die persönliche ordentliche<br />
Mitgliedschaft [28]. Bis zur Jahrestagung im<br />
November 1990 wurden 216 Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen aus der DDR bzw. den nunmehr<br />
„neuen Ländern“ als Mitglieder in die<br />
DGU aufgenommen.<br />
Am 3.10.1990 wurde die Wiedervereinigung<br />
mit der staatlichen Herstellung der Einheit<br />
Deutschlands vollzogen. Kurz darauf fand<br />
unter der Leitung von E. Markgraf, Jena, in<br />
Leipzig der XII. Kongress der Sektion Traumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
der DDR, an dem sich zahlreiche Mitglieder<br />
der DGU beteiligten, statt. Deren Präsident,<br />
A. Pannike, Frankfurt/Main, stellte<br />
dieses Ereignis auf der 54. Jahrestagung am<br />
29.11.1990 in den Mittelpunkt seiner Eröffnungsansprache<br />
[29]:<br />
„Nach dem Zerbrechen der Mauer waren<br />
wir zuerst überwältigt von der Freude über<br />
die bis dahin unvorstellbare Chance, die der<br />
ungebrochene Freiheitswille der Menschen in<br />
dieser Stadt <strong>und</strong> in diesem Land, aber auch<br />
die gleichermaßen historische Qualität des<br />
menschlichen <strong>und</strong> politischen Verständnisses<br />
unserer Nachbarn, unserem Volk eröffnet<br />
hatten. Seither hat sich manche erste Hoffnung<br />
nicht erfüllt, vielleicht auch nicht erfüllen<br />
können. Wir erkennen nun die Realität,<br />
die von uns allen als Aufgabe angenommen<br />
werden muss, wenn unsere Hoffnungen<br />
Wirklichkeit werden sollen.<br />
Die Zeit erfordert gebieterisch gemeinsame<br />
Arbeit: Hoffnung <strong>und</strong> Zuversicht scheinen<br />
weniger fern, wenn wir erinnern, dass dieses<br />
Motto unserer <strong>Gesellschaft</strong> in die Wiege gelegt<br />
wurde, als sie 1922 hier in Leipzig als<br />
interdisziplinäre Unfallmedizinische <strong>Gesellschaft</strong><br />
gegründet wurde. Im Sinne dieser<br />
Gemeinsamkeit möchte ich an dieser Stelle<br />
– wie in Leipzig so auch hier – einem Manne<br />
danken, dem Deutschlands Unfallchirurgen<br />
in besonderem Maße zu danken haben. Wir<br />
danken Herrn Professor Hans Willenegger für<br />
das nie nachlassende menschliche Engagement,<br />
mit dem er dort Kontakte nicht abreißen<br />
ließ <strong>und</strong> neue Kontakte knüpfte, wo uns<br />
dies über viele Jahre politisch verwehrt war.<br />
Dies sei unvergessen.<br />
Mit dem XII. Unfallchirurgenkongress in<br />
Leipzig hat die Sektion Traumatologie der<br />
ehemaligen DDR ihre Arbeit beendet. Wir<br />
anerkennen mit hohem Respekt die wissenschaftliche<br />
<strong>und</strong> menschliche Leistung, die in<br />
schwerer Zeit vollbracht wurde <strong>und</strong> erleben<br />
mit großer Freude, dass die Kolleginnen <strong>und</strong><br />
Kollegen aus den neuen B<strong>und</strong>esländern von<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 93
Anlage 4/3 Ergebnisniederschrift des AK „Qualität“ vom 21.8.1990 (Seite 5–6).<br />
nun an mit uns in unserer <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e für die gemeinsame<br />
Zukunft arbeiten werden. Noch einmal:<br />
Herzlich Willkommen.“<br />
Anschließend sprach Eberhard Sander,<br />
Halle, altes <strong>und</strong> reaktiviertes Mitglied der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e,<br />
Gruß- <strong>und</strong> Dankesworte, die gewissermaßen<br />
nicht nur als Abschluss des Jahres<br />
der staatlichen Wiedervereinigung sondern<br />
auch als glücklicher Auftakt der wiederhergestellten<br />
Einheit der deutschen Unfallchirurgie<br />
empf<strong>und</strong>en wurden:<br />
„Es ist für mich eine große Ehre, dem diesjährigen<br />
Kongress der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e, der erstmalig in einem<br />
geeinten Deutschland stattfindet, im Namen<br />
der neu hinzugekommenen B<strong>und</strong>esländer<br />
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen<br />
<strong>und</strong> Mecklenburg-Vorpommern einen<br />
guten Verlauf zu wünschen.<br />
Wir freuen uns sehr, dass wir nun endlich<br />
dazugehören. Ganz besonders freuen<br />
sich die, denen es früher nie vergönnt war,<br />
solche Veranstaltungen zu besuchen. Hier<br />
im ehemaligen West-Berlin schon gar nicht.<br />
Gottseidank gehört die Zeit der handverlesenen<br />
Delegationen endgültig der Vergangenheit<br />
an. Dem ganz natürlichen Anspruch<br />
auf Weiterbildung kann heute jeder meiner<br />
Landsleute nachgehen, wo immer er will.<br />
So auch bei internationalen Kongressen, die<br />
zu den wichtigsten Kommunikationseinrichtungen<br />
zählen, durch die der Fortschritt in<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Technik verbreitet wird.<br />
Als ich am Anfang des Jahres von Ihnen,<br />
Herr Präsident, damit betraut wurde, zu diesem<br />
Kongress ein Grußwort für meine Landsleute<br />
zu sprechen, war die Einheit Deutschlands<br />
noch nicht vollzogen <strong>und</strong> es erübrigt<br />
sich heute eigentlich, aus dem vereinten Land<br />
eine gesonderte Grußbotschaft zu entbieten.<br />
Ich möchte aber diese Gelegenheit nutzen,<br />
um gleichzeitig ein Wort des Dankes an den<br />
Vorstand der <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />
<strong>und</strong> auch an Sie, verehrte Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen aus der alten B<strong>und</strong>esrepublik,<br />
zu richten. Sie haben unmittelbar nach der<br />
Wende, noch weit vor der Währungsunion,<br />
damit begonnen, Kollegen, die Ihnen sogar<br />
meistens unbekannt waren, weil sie ihrer<br />
Unangepasstheit wegen stets im zweiten<br />
Glied standen <strong>und</strong> keinem „Reisekader“ angehörten,<br />
eine Fülle von Möglichkeiten zur<br />
fachlichen Weiterbildung zu erschließen<br />
durch Einladungen mannigfacher Art – oft<br />
auf ganz persönlicher <strong>und</strong> privater Basis –,<br />
wofür wir Ihnen an dieser Stelle noch einmal<br />
unseren Dank sagen möchten. Es wurde viel<br />
in dieser Hinsicht getan – in selbstloser Spontaneität.<br />
Den meisten halfen die neuen Kontakte<br />
bei der Überbrückung von mancherlei<br />
Hemmschwellen. Schließlich haben 40 Jahre<br />
Abgrenzung, geographisch <strong>und</strong> politisch,<br />
aber auch der nichtkonvertierbare Markt der<br />
DDR Spuren im Selbstbewusstsein der Bürger<br />
hinterlassen. Gewiss nicht bei allen, so gibt<br />
es auch Kollegen, deren Selbstbewusstsein<br />
in den vergangenen Jahren keinerlei Schaden<br />
genommen hat, auch jetzt nicht. Einige<br />
von ihnen leiden hinsichtlich ihrer früheren<br />
politischen Aktivitäten an einer Amnesie. Sie<br />
sollten sich besinnen. Etwas mehr Zurückhaltung<br />
wäre jetzt angebracht.<br />
Was die Leistung in unserem Fachgebiet<br />
anbetrifft, so haben wir insgesamt keinen<br />
Gr<strong>und</strong>, unser Licht unter den Scheffel zu stel-<br />
94<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
len. Unsere Arbeitsergebnisse können sich<br />
trotz der spezifischen Gegebenheiten durchaus<br />
sehen lassen. Durch unsere mehr als<br />
zwei Jahrzehnte währende Einbindung in die<br />
Schweizer-AO <strong>und</strong> später in die AO-International<br />
erhielten wir vielseitige Hilfe <strong>und</strong> Anregung<br />
von dort. Hierbei sind wir insbesondere<br />
Herrn Prof. Willenegger zu großem Dank verpflichtet.<br />
Ich nenne hier nur die Workshops,<br />
die wir als Geschenk erhielten <strong>und</strong> die regelmäßige<br />
Bereitstellung von Plätzen für<br />
Kurse <strong>und</strong> Hospitation in schweizerischen,<br />
seit geraumer Zeit auch in b<strong>und</strong>esdeutschen<br />
AO-Kliniken. Unsere eigenen, alljährlich<br />
stattfindenden AO-Veranstaltungen <strong>und</strong><br />
Unfall kongresse wurden ebenfalls kollegial<br />
unterstützt. Auch die Österreichische Allgemeine<br />
Unfallversicherungsanstalt stellte<br />
uns seit mehr als 10 Jahren eine bestimmte<br />
Anzahl an Hospitationsplätzen <strong>und</strong> Teilnahmeplätzen<br />
für die Jahrestagung der Österreichischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie zur<br />
Verfügung. Allen sei gedankt, denn dadurch<br />
waren wir immer auf dem Laufenden <strong>und</strong><br />
imstande solide Arbeit in unserem Fach zu<br />
leisten. Wir müssen jetzt jedoch bemüht sein,<br />
unsere Ausrüstung mit Instrumentarien <strong>und</strong><br />
apparativer Technik auf den neuesten Stand<br />
zu bringen, <strong>und</strong> das in mehr Kliniken als bisher.<br />
Der wachsende Rückstand auf diesem<br />
Gebiet hat die Arbeit der Kollegen, insbesondere<br />
in der Peripherie sehr erschwert. Der<br />
Vergleich mit westlichen Möglichkeiten war<br />
oft frustrierend. Dass dabei dennoch gute<br />
Resultate zustande kamen, muss umso höher<br />
eingeschätzt werden. Unsere Unfallchirurgen<br />
bringen also Zusammenarbeit in Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Forschung mit.“ [29]<br />
Am Jahresende 1990 zählte die <strong>Gesellschaft</strong><br />
1.544 Mitglieder. In ihrer Mitgliederversammlung<br />
am 29.11.1990 beschloss sie die<br />
Namensänderung <strong>und</strong> heißt nun <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie e. V.<br />
Schon im Frühjahr 1990 hatte der Leiter<br />
der Arbeitsgemeinschaft für Traumatologie<br />
des Kindesalters der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
– Sektion Traumatologie – der DDR,<br />
W. Kurz, Lübben, die Verbindung zur DGU<br />
gesucht ( Anlage 6). Vorangegangen war<br />
die Tagung dieser Arbeitsgemeinschaft am<br />
10.5.1990 in Bad Düben, die dem Generalsekretär<br />
Gelegenheit geboten hatte, auch<br />
in diesem Kreise kollegiale Verbindungen<br />
zu knüpfen, die sich bald fruchtbringend erweisen<br />
sollten. Die Arbeitsgemeinschaft sah<br />
sich in der Gefahr, in den Veränderungen<br />
der Wendezeit unterzugehen, zumal von<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Kinderchirurgie<br />
(West) zunächst wenig Interesse an<br />
Kontakten gezeigt worden war. Die Tagung<br />
in Bad Düben hatte aber gerade erwiesen,<br />
welch wertvolle Arbeit die Arbeitsgemeinschaft<br />
schon bisher leistete <strong>und</strong> dass ihre<br />
Anlage 5 Schreiben des Generalsekretärs der DGU vom 5.3.1990 an Prof. Dr. Markgraf, Jena.<br />
Zukunftsvorstellungen den Intensionen der<br />
DGU umso mehr entgegenkamen, als die<br />
Neufassung der Satzung der DGU die Bildung<br />
von Arbeitsgemeinschaften ausdrücklich<br />
vorsah <strong>und</strong> die Pflege dieses Arbeitsgebietes<br />
nicht zuletzt deswegen als verpflichtende<br />
Aufgabe der DGU gesehen wurde, weil<br />
im Zuge der Differenzierung der Chirurgie<br />
die Kinderchirurgie zunehmende Verselbständigungsbestrebungen<br />
(die alsbald<br />
auch realisiert wurden) erkennen ließ. Die<br />
Unfallchirurgie des Kindes musste jedoch<br />
weiterhin als Aufgabe gelten, die sich jedem<br />
Unfallchirurgen <strong>und</strong> auch vielen Allgemeinchirurgen<br />
stellt, während der Kinderchirurg<br />
in der Regel nicht in der Behandlung der Unfallverletzungen<br />
seine Schwerpunktaufgabe<br />
sieht. Begünstigt wurde die Annäherung<br />
durch den Eintritt zahlreicher Kollegen, die<br />
in der Arbeitsgemeinschaft schon viele Jahre<br />
aktiv mitgewirkt hatten, als Mitglieder<br />
in die DGU, sodass am 27.11.1990 das<br />
Präsidium die Neugründung der „Arbeitsgemeinschaft<br />
Kindertraumatologie in der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie“<br />
beschloss [30].<br />
Ihre erste Tagung hat diese Arbeitsgemeinschaft<br />
vom 20. bis 22.11.1991 unter<br />
starker Beteiligung von Unfallchirurgen,<br />
Kinderchirurgen <strong>und</strong> Orthopäden abgehalten.<br />
Dem Anlass angemessen fand die<br />
ebenso würdige wie festliche Eröffnung in<br />
Anwesenheit des Ministerpräsidenten von<br />
Thüringen <strong>und</strong> des Oberbürgermeisters im<br />
historischen Rathaussaal von Erfurt statt.<br />
In der Begrüßungsansprache führte der Generalsekretär<br />
unter anderem aus: „Auf den<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 95
Wochentag genau nach zwei Jahren hat sich<br />
für die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />
eine Hoffnung erfüllt, die in öffentlichen<br />
Verlautbarungen eher vom Legitimationszwang<br />
getragen wurde. Hoffnung ist<br />
aber etwas sehr Menschliches <strong>und</strong> eigentlich<br />
überhaupt nichts Materielles. Paragraphen<br />
<strong>und</strong> Verträge, selbst wenn sie in einer Sprache<br />
geschlossen wurden, schaffen Erfüllungsansprüche<br />
– „pacta servanda“ – die durch sie<br />
geschaffenen Bedingungen sind nur rechtlicher<br />
Natur. Das Ereignis des 9. November<br />
1989 ist nicht auf diesem Boden entstanden,<br />
eher sogar gegen die noch herrschende<br />
Konvention. Unsere ersten Begegnungen<br />
am Buß- <strong>und</strong> Bettag 1989 haben ganz im<br />
Zeichen des menschlichen Aufbruchs jener<br />
Tage gestanden. Nie werde ich das erste Kennenlernen<br />
mit vielen Kollegen, die uns heute<br />
so vertraut sind, als hätte es je keine Grenze<br />
zwischen uns gegeben, vergessen. Menschliche<br />
Qualitäten hängen nicht von äußeren<br />
Umständen ab! Wir haben Anlass, unseren<br />
Kollegen, bei denen wir heute zu Gast sind,<br />
zu danken, dass sie das Unveräußerliche bewahrt<br />
haben, auch wenn Schaden nicht immer<br />
unabwendbar gewesen ist. Bei den sehr<br />
viel stärker materialisierten Bemühungen,<br />
die Wiederherstellung der staatlichen Einheit<br />
durchzuführen, dürfen wir nicht übersehen,<br />
dass die Ordnung der Gegenständlichkeiten<br />
ein Prozess ist, als dessen eines Maß der Faktor<br />
Zeit nicht hinweggedacht werden kann.<br />
Nichts aber wäre mit diesem Prozess gewonnen,<br />
gäbe es nicht den aus dem Gewissen<br />
entspringenden Willen, der lange hat verborgen<br />
werden müssen, der jedoch fortbestand.<br />
Unfallchirurgen sind nicht W<strong>und</strong>ärzte<br />
mit viel Handwerk <strong>und</strong> wenig Nachdenken.<br />
Der Unfallchirurg bringt auch den ersten Zuspruch,<br />
noch mehr: die erste Hoffnung dem<br />
W<strong>und</strong>geschlagenen. Die Verletzten in diesen<br />
Ländern konnten sich in den vergangenen 4<br />
Jahrzehnten sehr wohl darauf verlassen, in<br />
ihrer durch Unfall herbeigeführten Not nicht<br />
allein gelassen zu werden, auch dann nicht,<br />
wenn die medizinischen Mittel knapp waren.<br />
Die Unfallchirurgen sind auch dadurch Bewahrer<br />
der Hoffnung, ohne die kein Mensch<br />
leben kann, gewesen. Dabei dürfen wir nicht<br />
vergessen, dass nicht nur die heutige Chirurgengeneration<br />
diese Sorge getragen hat,<br />
sondern schon fast 2 Generationen in diesem<br />
Bewusstsein unanfechtbar geblieben sind;<br />
auch ihnen schulden wir Dank!<br />
Die ersten Monate nach der Wende <strong>und</strong><br />
das erste Jahr der staatlichen Einheit haben<br />
immer wieder die Frage laut werden lassen,<br />
ob, wie weitgehend <strong>und</strong> mit welchen Vorbehalten<br />
den Menschen zwischen Elbe <strong>und</strong><br />
Oder, Ostsee <strong>und</strong> Erzgebirge vertraut werden<br />
dürfe. Wir Unfallchirurgen haben diese<br />
Frage nie gestellt. Dabei stand nicht nur die<br />
Einsicht Pate, besser sei es doch wohl, schnell<br />
Anlage 6 Schreiben von Dr. sc. med. Kurz, Lübben, Vorsitzender der AG Kindertraumatologie an den<br />
Generalsekretär der DGU mit Einladung zur 11. Arbeitstagung der AG KT in Bad Düben. Von diesem<br />
Schreiben gingen die Verhandlungen zur Bildung der Arbeitsgemeinschaft (heutigen Sektion)<br />
Kindertraumatologie der DGU aus.<br />
<strong>und</strong> wirksam Unterstützung zu leisten. Vielmehr<br />
wollten wir uns die Freiheit des Irrtums<br />
erlauben, eher die eine oder andere Enttäuschung<br />
zu erleben, als Schuld aus eigenem<br />
Hochmut, versteckt hinter weisem Zögern,<br />
auf uns zu nehmen. Der heilige Augustinus<br />
hat einmal verkündet, das Gewissen sei eine<br />
tiefe Einsamkeit, darin keines Menschen Fuß<br />
noch Auge dringe; darin solle man gläubig<br />
wohnen!<br />
Zu denen, die sich in der Vergangenheit<br />
nicht irre machen ließen, gehörten unsere<br />
Kindertraumatologen, deren Tagungseröffnung<br />
wir heute miterleben dürfen. Viele Jahre<br />
haben sie auf dem beschränkten Territorium<br />
<strong>und</strong> ohne die Möglichkeit grenzüberschreitender<br />
Kommunikation die selbstgestellte<br />
Aufgabe treulich erfüllt. Dafür schulden wir<br />
ihnen Anerkennung. Das traumatisierte Kind<br />
ist das bedauernswerteste aller Geschöpfe.<br />
Aus voller Ges<strong>und</strong>heit trifft es der Unfall, dessen<br />
überall lauernder Gefahr sich das Kind<br />
nicht bewusst ist. Der unter Umständen tiefe<br />
Einschnitt in Körper <strong>und</strong> Psyche kann von lebensprägender<br />
Bedeutung sein. Das Schädel-<br />
Hirn-Trauma als Todesursache Nummer 1 des<br />
Kindesalters macht allzu deutlich, was der<br />
Unfall bedeutet.<br />
Deswegen muss Sorge dafür getragen sein,<br />
dass jedes unfallverletzte Kind auf dem kürzesten<br />
Wege sachk<strong>und</strong>ige Hilfe erhält. Diesen<br />
Teil der Chirurgie am Kinde müssen wir jedem<br />
sorgfältigen Chirurgen als Pflicht auferlegen.<br />
Die auf Wunsch der Kollegen aus den neuen<br />
B<strong>und</strong>esländern gegründete Arbeitsgemeinschaft<br />
für Kindertraumatologie übernimmt<br />
auch die an Wichtigkeit gar nicht zu überschätzende<br />
Aufgabe, die traumatologischen<br />
Ansprüche der Kinder stärker zur Geltung zu<br />
bringen.“ [31]<br />
96<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Allen Beschränkungen <strong>und</strong> Behinderungen<br />
zum Trotz hatten sich die Mitglieder der<br />
DGU in der DDR über lange Zeit zu ihrer<br />
Mitgliedschaft bekannt. Darüber geben die<br />
zeitweilig den Mitgliederverzeichnissen<br />
beigefügten Ortsverzeichnisse eine beredte<br />
Auskunft: Im Gründungsjahr 1950 zählte<br />
die DGU 464 Mitglieder, darunter aus „Ost-<br />
Berlin bzw. Ost-Zone“ jeweils 9 bzw. 11; Mitglied<br />
im Beirat war Professor Dr. Quensel,<br />
Leipzig. Der <strong>Gesellschaft</strong> gehörten auch bereits<br />
wieder 6 ausländische Kollegen an. In<br />
den folgenden Jahren vermehrte sich dieser<br />
Mitgliederbestand sogar: 1954/55 747 Mitglieder,<br />
darunter aus Ost-Berlin 11, aus der<br />
übrigen DDR 22, ausländische Mitglieder<br />
27. 1956/57 864 Mitglieder, davon aus Ost-<br />
Berlin 11, aus der DDR 29, aus dem Ausland<br />
30. 1957/58 914 Mitglieder, aus Ost-Berlin<br />
10, aus der DDR 35, aus dem Ausland 36.<br />
Nach dem Mauerbau trat zunächst keine<br />
Minderung der Zahl der Mitglieder aus Ost-<br />
Berlin <strong>und</strong> der DDR ein: Die <strong>Gesellschaft</strong><br />
zählte 1965 1.059 Mitglieder, aus Ost-Berlin<br />
9, aus der DDR 54, aus dem Ausland 48<br />
Kollegen. Auch 1969 nannte das Verzeichnis<br />
bei insgesamt 1.114 Mitgliedern noch 7 Kollegen<br />
aus Ost-Berlin, 36 aus der DDR sowie<br />
54 ausländische Kollegen. Waren bis 1961<br />
Kongressbesuche von Kollegen aus der DDR<br />
bereits mit großen Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en,<br />
so waren solche nach dem Mauerbau<br />
1961 so gut wie ausgeschlossen. Dass dennoch<br />
eine so beachtliche Zahl von Kollegen<br />
an ihrer Mitgliedschaft in der DGU festhielt,<br />
verdient ausdrückliche Würdigung!<br />
Am Ende des Wiedervereinigungsjahres<br />
1990 zählte die <strong>Gesellschaft</strong> 1.544 Mitglieder.<br />
Aus den neuen B<strong>und</strong>esländern waren<br />
inzwischen 216 Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
eingetreten. – Im Jahre 2008 sieht die<br />
Bilanz ähnlich aus: Berlin stellt 278, die neuen<br />
B<strong>und</strong>esländer verzeichnen 545, die alten<br />
2.467 Mitglieder. Einschließlich der 186<br />
ausländischen Kollegen beträgt der aktuelle<br />
Bestand 3.476 Mitglieder.<br />
1994 wählte die Mitgliederversammlung<br />
E. Markgraf, Jena, der schon mehrere Jahre<br />
dem Beirat angehörte, zum Präsidenten der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />
für 1996. Sie gab damit weithin k<strong>und</strong>, dass<br />
die deutschen Unfallchirurgen die Wiederherstellung<br />
ihrer Einheit vollendet hatten.<br />
Literatur<br />
1. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1950); Nr. 42;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
2. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1951); Nr. 43;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
3. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1952); Nr. 44;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
4. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1953); Nr. 47;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
5. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1954); Nr. 48;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
6. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1955); Nr. 52;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
7. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1956); Nr. 55;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
8. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1957); Nr. 56;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
9. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1958); Nr. 60;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
10. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1959); Nr. 62;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
11. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1960); Nr. 66;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
12. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1961); Nr. 71;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
13. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1962); Nr. 75;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
14. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1963); Nr. 78;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
15. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1964); Nr. 81;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
16. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1965); Nr. 87;<br />
Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
17. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1982); Nr.<br />
164; Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
18. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongresse 1973-1987);<br />
Nr. 117, 121, 126, 129, 132, 138, 148, 153, 158,<br />
163, 174, 181, 189, 200; Berlin Göttingen Heidelberg:<br />
Springer<br />
19. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongresse 1972/79/<br />
83); Nr. 114, 148, 163; Berlin Göttingen Heidelberg:<br />
Springer<br />
20. Probst J. Tagebuch<br />
21. Protokoll Präsidiumssitzung DGU 2/1989<br />
22. Dresdner Unfalltagung Schriftenreihe Unfallmed<br />
Tagungen 1996; 94<br />
23. Unfallmed. Tagung LV Nordwestdeutschland,<br />
Berlin 16./17.3.1990. Schriftenreihe Unfallmed<br />
Tagungen 1990; 73<br />
24.Die Berufsgenossenschaft. „Wie hat die Unfallversicherung<br />
die Wiedervereinigung erlebt <strong>und</strong> gestaltet?“<br />
Berlin, Bielefeld, München: Erich Schmidt<br />
Verlag, Schwerpunktheft 12/2001<br />
25.<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong>. <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e 1990; 22<br />
26.Bayer. Staatsministerium für Arbeit, Familie <strong>und</strong><br />
Soziales, München (Umdruck)<br />
27.Persönl. bzw. dienstl. Schriftwechsel<br />
28.Protokoll Präsidiumssitzung DGU 1/1990<br />
29.Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1990); Nr.<br />
220; Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />
30.Protokoll Präsidiumssitzung DGU 2/1990<br />
31.<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong>. <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallchirurgie 1991; 24<br />
32.Ergebnisniederschrift AK Qualität, Frankfurt/<br />
Main, 21.8.1990<br />
33.Zentralblatt für Chirurgie 1940; 67<br />
Prof. Dr. J. Probst<br />
Asamallee 10<br />
82418 Murnau/Staffelsse<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 97
Unfallchirurgie in der Zeit der<br />
Wiedervereinigung Deutschlands<br />
E. Markgraf<br />
Anmerkungen zum Verlauf der Wende<br />
Im August 1989 hatte die Massenflucht von<br />
DDR-Bürgern, insbesondere der jüngeren in<br />
b<strong>und</strong>esdeutsche Botschaften in Ostberlin,<br />
Prag, Budapest <strong>und</strong> Warschau bedeutend<br />
zugenommen.<br />
Vom 30.08. bis 02.09.1989 fand in Budapest<br />
ein Kongress „Unfallchirurgie <strong>und</strong> Rehabilitation“,<br />
an dem auch Unfallchirurgen<br />
der DDR teilnahmen, statt. Überall in der<br />
Stadt waren DDR-Bürger, die ihre Republik<br />
über Ungarn verlassen wollten, zu beobachten.<br />
Am Rande des Kongresses wurden die<br />
Vorgänge in der DDR lebhaft diskutiert. E.<br />
Markgraf <strong>und</strong> Frau hatten anlässlich einer<br />
Einladung von Frau <strong>und</strong> Herrn G. Berentey<br />
zum Abendessen in ihre Wohnung Gelegenheit,<br />
Frau <strong>und</strong> S. Weller aus Tübingen näher<br />
kennen zu lernen <strong>und</strong> über die Lage zu sprechen.<br />
Erstmals kam es während des Festabends<br />
des Kongresses zu einem längeren<br />
Gespräch mit dem Generalsekretär der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />
(später für Unfallchirurgie), J. Probst. Zu<br />
diesem Zeitpunkt hatte keiner von uns damit<br />
gerechnet, dass schon in naher Zukunft<br />
die Wiedervereinigung der zwei deutschen<br />
Staaten erfolgen würde. Die meisten der<br />
DDR-Bürger erwarteten gr<strong>und</strong>legende Reformen<br />
des Systems in der DDR. Zu diesen<br />
musste auf alle Fälle das Aufheben des Reiseverbots,<br />
die Abschaffung der Hegemonie<br />
des Parteiapparates <strong>und</strong> der Aufbau demokratischer<br />
Verhältnisse gehören.<br />
Später, am 23.1.1990, betonte J. Probst in<br />
einem Brief an E. Markgraf: „Ich denke noch<br />
manchmal an unsere Begegnung in Budapest<br />
zurück. Damals waren wir beide gleichermaßen<br />
skeptisch <strong>und</strong> besorgt. Seit dem ist so viel<br />
auf den Weg gekommen <strong>und</strong> wir können nur<br />
hoffen, dass bald alle Hindernisse aus dem<br />
Weg geräumt sein werden“.<br />
In einem Telefongespräch von E. Krenz, der<br />
begleitet von neuen Protesten der Bevölkerung<br />
als Nachfolger des zurückgetretenen<br />
Vorsitzenden des Staatsrats E. Honecker gewählt<br />
wurde, mit B<strong>und</strong>eskanzler H. Kohl am<br />
26.10.1989 betonte er, dass die DDR sozialistisch<br />
bleiben werde <strong>und</strong> eine Vereinigung<br />
nicht auf der Tagesordnung stünde [1].<br />
Abb. 1 Der Vorstand der Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR am 16.1.1989<br />
in Berlin. Von links: K Welz, K. Franke, E. Markgraf, E. Sander, H. Arzinger-Jonasch, L. Stöcker, W. Kurz, G.<br />
Woziwodski. Nicht auf dem Bild: W. Senst (Fotograf). Aus: Privatarchiv E. Markgraf<br />
Am 4.9.1989 begannen die Montagsdemonstrationen<br />
mit Gottesdiensten in der<br />
evangelischen Nikolaikirche in Leipzig, deren<br />
Teilnehmerzahl ständig zunahm. Die<br />
unaufhörlich ausgerufenen Sprechchöre der<br />
Demonstranten „Wir sind das Volk“ wurden<br />
bald abgewandelt in „Wir sind ein Volk“. Für<br />
die Unfallchirurgen <strong>und</strong> andere Ärzte war<br />
die Situation belastend <strong>und</strong> <strong>und</strong>urchsichtig,<br />
da immer damit zu rechen war, dass es zu<br />
blutigen Auseinandersetzungen mit Polizei<br />
oder Armee kommen könnte. Die Krankenhäuser,<br />
besonders in Leipzig <strong>und</strong> Berlin,<br />
wurden so ausgerüstet, dass sie in der Lage<br />
sein sollten, eine größere Anzahl von Verletzten<br />
zu versorgen.<br />
Am 9.10.1989 kamen zur Montagsdemonstration<br />
70.000 Menschen nach Leipzig.<br />
Es war die größte Protestk<strong>und</strong>gebung in<br />
der DDR seit dem Aufstand vom 17.6.1953<br />
[1]. Glücklicherweise ist es nicht zu den befürchteten<br />
Übergriffen der Sicherheitskräfte<br />
auf die Demonstranten gekommen.<br />
Zum AO-Kurs vom 4.10. bis 7.10.1989<br />
in Salzburg hat der Vorstand der Sektion<br />
Traumatologie der DDR eine „Delegation“,<br />
bestehend aus E. Markgraf, Jena (Delegationsleiter)<br />
<strong>und</strong> W. Wehner, Karl-Marx-Stadt,<br />
gesandt. Immer noch herrschte das diskriminierende<br />
<strong>und</strong> absolut sinnlose Ritual,<br />
dass die Delegierten vor der Abreise in das<br />
Außenministerium in Berlin bestellt wurden.<br />
Hier wurde ihnen erläutert, wie man<br />
sich in einem kapitalistischen Land zu verhalten<br />
habe <strong>und</strong> dass allen Versuchen der<br />
Kontaktaufnahme zu widerstehen sei. Nach<br />
Beendigung der Reise war ein politischer<br />
Kurzbericht innerhalb der ersten Tage <strong>und</strong><br />
später ein fachlicher Bericht an das Ministerium<br />
erforderlich.<br />
In den Kliniken wurde in dieser Zeit viel<br />
diskutiert. Die ersten wagten, die Verhältnisse<br />
konkret anzusprechen. St<strong>und</strong>enlange<br />
Belegschaftsversammlungen deckten immer<br />
deutlicher bestehende Missstände auf.<br />
Ein Fanal für die „friedliche Revolution“<br />
war eine K<strong>und</strong>gebung in Berlin am<br />
4.11.1989, an der geschätzte 500.000 bis<br />
eine Million Menschen teilnahmen. Ausdrucksstark<br />
wurde das Begehren der Bevölkerung<br />
neben anderen Rednern durch die<br />
Schriftsteller Stefan Heym <strong>und</strong> Christa Wolf<br />
artikuliert.<br />
Die Regierung der DDR ist am 7.11. <strong>und</strong><br />
das Politbüro der SED am 8.11.1989 zurückgetreten.<br />
98<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 2 Brief von G. Muhr, Bochum, vom 2.11.1990<br />
Am 8./9.11.1989 fand im „Hufhaus“ im<br />
Harz das letzte gemeinsame Unfallsymposium,<br />
das von den Unfallchirurgen W.<br />
H<strong>und</strong>shagen, Nordhausen <strong>und</strong> K. Arnold,<br />
Unfallklinik Berlin Friedrichshain, veranstaltet<br />
wurde, statt. E. Markgraf hatte dort<br />
über das Management beim Polytrauma zu<br />
sprechen. Anschließend wurde vom 10. bis<br />
11.11.1989 die Jahreshaupttagung in Heiligenstadt<br />
durchgeführt. Der 10. November<br />
war der Tag der Maueröffnung. Es herrschte<br />
eine euphorische Stimmung mit der Fragestellung:<br />
„Warst Du schon in Duderstadt?“<br />
Das ist die nächste von Heiligenstadt aus zu<br />
erreichende Stadt in der BRD. Auf der Rückfahrt<br />
über Worbis fuhren wir an einer über<br />
45 km langen Autoschlange, die sich in Richtung<br />
der bisherigen innerdeutschen Grenze<br />
formiert hatte, vorbei.<br />
H. Modrow, seit dem 13.11.1989 neuer Regierungschef,<br />
hat am 26.11.1989 eine Regierungserklärung<br />
abgegeben, in der er den<br />
Vorschlag einer Vertragsgemeinschaft mit<br />
der B<strong>und</strong>esrepublik angeregt <strong>und</strong> eine Kooperation<br />
mit der EG angekündigt hat [1].<br />
Zur Sitzung des Vorstandes der Sektion Traumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der<br />
DDR am 21.11.1989 in Berlin wurde angesichts<br />
der politischen Entwicklung konkret<br />
erörtert, wie es mit der Sektion weitergehen<br />
soll. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde keine<br />
Beendigung der Tätigkeit erwartet. Die Abbildung<br />
1 ( Abb. 1) zeigt den Vorstand der<br />
Sektion anlässlich einer Sitzung vom Januar<br />
1989 in Berlin.<br />
Am 22.11.1989 nahmen zahlreiche Unfallchirurgen<br />
erstmals an der Jahrestagung<br />
der DGU im ICC in Berlin teil. P. Schmit-Neuerburg,<br />
Präsident dieser 53. Tagung, hat diesen<br />
Umstand sehr gewürdigt <strong>und</strong> die Kollegen<br />
der DDR herzlich begrüßt.<br />
Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen<br />
Lebens der DDR haben am 26.11.1989 einen<br />
Aufruf „Für unser Land“ veröffentlicht, in<br />
dem sie sich für die Eigenstaatlichkeit der<br />
DDR eingesetzt haben.<br />
Vom 6. bis 8.2.1990 fand in Berlin eine weitere<br />
Sitzung des Vorstandes der Sektion<br />
Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
der DDR statt. Es ging um gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Positionierungen der Sektion in der<br />
Wendezeit <strong>und</strong> die Überlebenschancen der<br />
eigenen <strong>Gesellschaft</strong>. Übereinstimmend<br />
wurde davon ausgegangen, dass die Sektion,<br />
in welcher Art auch immer, weiter bestehen<br />
sollte, gegebenenfalls als unfallchirurgische<br />
Dachorganisation der Region Ost.<br />
G. Muhr, Bochum, hat seine Ansicht dazu in<br />
einem Brief mitgeteilt ( Abb. 2). Auf dieser<br />
Tagung wurde E. Markgraf, gewählter Vorsitzender<br />
der Sektion für 1991, gebeten, die<br />
wissenschaftliche Leitung des XII. Unfallchirurgenkongresses<br />
der DDR mit internationaler<br />
Beteiligung im November 1990 in<br />
Leipzig zu übernehmen.<br />
Die Frage, wie die Arbeit der Sektion<br />
Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
zukünftig aussehen soll, war auch im<br />
Juni 1990 noch nicht geklärt, wie aus einem<br />
R<strong>und</strong>brief an die Mitglieder der Sektion vom<br />
22.6.1990 hervorgeht. Dieser lautete: „Sehr<br />
verehrte Frau Kollegin! Sehr geehrter Herr<br />
Kollege!<br />
In einer Zeit bedeutender politischer Entscheidungen<br />
möchten wir Ihnen in dieser<br />
Form unsere Meinung über die weitere Arbeit<br />
<strong>und</strong> die Perspektive unserer Sektion Traumatologie<br />
mitteilen sowie auf einige Veranstaltungen<br />
hinweisen.<br />
Die Arbeit der Sektion wird auch unter den<br />
veränderten Umständen wie bisher fortgesetzt.<br />
Der Vorstand ist Ihnen dankbar, wenn<br />
Sie auch weiterhin ihr Engagement einbrin-<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 99
gen. Wir streben im Rahmen der Vereinigung<br />
der beiden deutschen Staaten selbstverständlich<br />
auch die Vereinigung der unfallchirurgischen<br />
Organisationen an. Möglicherweise<br />
wird in der einheitlichen <strong>Gesellschaft</strong> eine<br />
gewisse Selbständigkeit der durch die heutige<br />
DDR repräsentierten Landesabschnitte<br />
verbleiben. In gleicher Weise ist vorgesehen,<br />
der Sektion Ostdeutschland der AO International<br />
innerhalb der vorgesehenen einheitlichen<br />
Sektion Deutschland ein spezifisches<br />
Gepräge zu erhalten.<br />
Die von allen Unfallchirurgen für wichtig<br />
erachteten Kontakte zur <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e haben sich in kurzer<br />
Zeit erfreulich gut entwickelt <strong>und</strong> werden<br />
auch auf dem Kongress in Leipzig ihren Niederschlag<br />
finden.<br />
Der XII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />
mit internationaler Beteiligung wird vom<br />
6. bis 8. November 1990 unter der wissenschaftlichen<br />
Leitung von Herrn Professor<br />
Markgraf, Jena, stattfinden. Die Programme<br />
werden rechtzeitig versandt. Da es sicherlich<br />
der letzte Kongress unserer Sektion in der<br />
herkömmlichen Form sein wird, wären wir<br />
Ihnen für eine engagierte Teilnahme sehr<br />
verb<strong>und</strong>en.<br />
Im Rahmen des Unfallchirurgenkongresses<br />
wird selbstverständlich eine Mitgliederversammlung<br />
stattfinden, zu der Ihre aktive<br />
Teilnahme erwünscht ist.<br />
Der erweiterte Vorstand der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie der DDR hat sich im Mai 1990<br />
für ein Weiterbestehen der <strong>Gesellschaft</strong> ausgesprochen,<br />
soweit noch selbständige politische<br />
Einheiten in Deutschland bestehen.<br />
Somit soll auch der Chirurgenkongress der<br />
DDR vom 11. bis 15.3.1991 in Berlin stattfinden.<br />
Die unfallchirurgische Thematik bezieht<br />
sich auf die Verletzungen des Beckens.<br />
Das für November 1991 vorgesehene IV.<br />
Symposium der Sektion DDR der AO-International<br />
soll in Weimar stattfinden <strong>und</strong> wird<br />
vorbereitet.<br />
Wir wünschen Ihnen persönlich <strong>und</strong> in<br />
Ihrer anspruchsvollen beruflichen Tätigkeit<br />
alles Gute <strong>und</strong> bauen weiter auf eine gute<br />
Zusammenarbeit."<br />
gez.:<br />
OMR Prof. Dr. K. Franke<br />
Berlin<br />
1. Vorsitzender<br />
Prof. Dr. E. Markgraf<br />
Jena<br />
2. Vorsitzender<br />
OMR Dr. K. Welz<br />
Cottbus<br />
Sekretär<br />
Abb. 3 Brief von S. Weller, Tübingen, vom 27.2.1990<br />
Entwicklungen nach der Wende<br />
Nach der Öffnung der Grenze haben die Unfallchirurgen<br />
der DDR ein uneingeschränktes<br />
Entgegenkommen der Kollegen aus der BRD<br />
<strong>und</strong> eine Vertiefung der schon bestandenen<br />
guten Beziehungen zur AOI <strong>und</strong> wichtigen<br />
Vertretern der Unfallchirurgie Österreichs<br />
<strong>und</strong> der Schweiz erlebt. E. Markgraf wurde<br />
von G. Muhr zum traditionellen „Bochum-<br />
Treff“ vom 1.–3.2.1990 eingeladen <strong>und</strong><br />
mit dem Vorsitz eines Tagungsabschnitts<br />
betraut. Am 19.3.1990 weilte J. Probst mit<br />
Gattin in Jena, um die weiteren notwendigen<br />
Schritte in der Annäherung der beiden<br />
unfallchirurgischen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
mit E. Markgraf, damals 2. Vorsitzender der<br />
Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR, zu erörtern.<br />
Vom 20.–22.3.1990 war der Präsident der<br />
AO-International U. Heim mit seiner Gattin<br />
in Jena. Mit dem Obmann elect. E. Markgraf<br />
wurden nach Abstimmung mit dem Obmann<br />
der Sektion DDR, E. Sander, Fragen<br />
der weiteren Arbeit der DDR-Sektion besprochen.<br />
Zum traditionellen AO-Kurs in Freiburg/<br />
B. vom 26.–30.3.1990 hatte der wissenschaftliche<br />
Leiter, E.H. Kuner, Direktor der<br />
Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums<br />
als Referenten <strong>und</strong> Instrukteure<br />
die Herren E. Markgraf, Jena, W. Otto, Halle<br />
<strong>und</strong> K. Welz, Cottbus, eingeladen.<br />
An der seit einigen Jahren etablierten Fortbildungsveranstaltung<br />
für Unfallchirurgen<br />
vom 8.–10.4.1990 in Gera-Kaimberg nahmen<br />
erstmals Vertreter dar Unfallchirurgen<br />
100<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Nürnbergs unter Leitung von H.W. Stedtfeld<br />
teil. Die Festveranstaltung in der Gaststätte<br />
„Wilhelmshöhe“ in Jena war ein emotionales<br />
Erlebnis der gewonnenen Gemeinsamkeit.<br />
S. Weller hat in einem Schreiben vom<br />
27.2.1990 ein großzügiges Hospitationsangebot<br />
( Abb. 3) für Unfallchirurgen der<br />
DDR gemacht.<br />
E. Markgraf hat, wie zahlreiche andere Kollegen,<br />
das Angebot dankbar wahrgenommen<br />
<strong>und</strong> vom 6.–12.5.1990 in der Berufsgenossenschaftlichen<br />
Klinik (Universitätsklinik)<br />
Tübingen hospitiert. Empfang <strong>und</strong> Aufenthalt<br />
wurde vom Klinikdirektor, S. Weller <strong>und</strong><br />
seiner Frau für den Hospitanten optimal<br />
gestaltet. Es gab viele Gelegenheiten, die<br />
Ereignisse der Zeit zu besprechen. Herzlich<br />
war der Empfang auch seitens der Oberärzte<br />
<strong>und</strong> Mitarbeiter der Klinik. Der gegenseitige<br />
Informationsbedarf war außerordentlich<br />
groß. Manche fre<strong>und</strong>schaftliche Beziehungen<br />
haben sich bis heute erhalten.<br />
Abb. 4 Brief von G. Hierholzer, Duisburg, vom 27.2.1990<br />
Neben anderen leitenden Unfallchirurgen<br />
der BRD hat auch G. Hierholzer seine Erwartungen<br />
in einem Schreiben vom 27.2.1990<br />
zum Ausdruck gebracht ( Abb. 4).<br />
Inzwischen hatte die Industrie für Implantate<br />
<strong>und</strong> Instrumente für die Unfallchirurgie<br />
ihre Chancen in den ostdeutschen<br />
B<strong>und</strong>esländern entdeckt. Das war für die<br />
Unfallchirurgen vorteilhaft, zumal damit<br />
auch bemerkenswerte Hilfeleistungen <strong>und</strong><br />
Unterstützungen verb<strong>und</strong>en waren. So<br />
positionierte die Firma „Synthes Bochum“,<br />
Hauptverteiler der Schweizer AO-Implantate,<br />
im Mai 1990 ihr „Infomobil“ in mehreren<br />
ostdeutschen B<strong>und</strong>esländern als sehr<br />
wertvolles Informationsangebot. Betreut<br />
wurde dieses Mobil vom Geschäftsführer J.<br />
Gühne. Die briefliche Ankündigung dieser<br />
Präsentation geht aus Abb. 5 hervor.<br />
Eine Aktennotiz vom 1. Vorsitzenden der<br />
Sektion Traumatologie, K. Franke, über die<br />
Mitgliederversammlung der <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie der DDR am 18.8.1990 in Magdeburg<br />
unter der Leitung der Vorstandsmitglieder<br />
P. Heinrich, Magdeburg, S. Kiene,<br />
Leipzig <strong>und</strong> W. Usbeck, Erfurt, enthält folgende<br />
Angaben.<br />
1. Nach Satzung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie ist ein korporativer Beitritt<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR<br />
nicht möglich, so dass nur der Erwerb von<br />
Einzelmitgliedschaften durch Chirurgen<br />
der DDR bleibt.<br />
2. Der Auflösung der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
der DDR wird von den Anwesenden<br />
mit einer Gegenstimme zugestimmt. Geschäftsschluss<br />
ist der 14.10.1990.<br />
2.1. Auf Antrag des Unterzeichnenden (in<br />
Bestätigung eines Briefes von Prof. Markgraf)<br />
wird die Tätigkeit der Sektion Traumatologie<br />
bis zum Unfallchirurgenkongress<br />
in Leipzig (6.–8.11.1990) verlängert,<br />
wo diese dann ihr Wirken einstellt.<br />
3. Dem Schatzmeister wird Entlastung erteilt.<br />
Das Vermögen der <strong>Gesellschaft</strong> wird<br />
auf die Regionalgesellschaften für Chirurgie<br />
in den Ländern der DDR aufgeteilt.<br />
4. Das Protokoll der letzten Mitgliederversammlung<br />
wird in der Medizinischen<br />
Akademie Erfurt deponiert. Die Akten der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR werden<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
zur Aufbewahrung übergeben.“<br />
Übernahme der Mitglieder Der Sektion<br />
Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
in die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e,<br />
später Unfallchirurgie<br />
Am 15. <strong>und</strong> 16. 9.1990 waren E. Markgraf<br />
<strong>und</strong> Gattin einer Einladung des Generalsekretärs<br />
der DGU J. Probst <strong>und</strong> seiner Frau<br />
nach Murnau am Staffelsee gefolgt. Die<br />
sehr persönliche Begegnung, die mit einer<br />
Besichtigung der beeindruckenden BG-Klinik<br />
begann, diente der sachlichen Erörterung<br />
aller Fragen, die mit der möglichen Zusammenführung<br />
der DGU <strong>und</strong> der Sektion<br />
Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
der DDR verb<strong>und</strong>en waren.<br />
Die spätere Übernahme der Mitglieder der<br />
Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR erfolgte ohne Ansehen<br />
der Personen oder Hinterfragung ihrer jeweiligen<br />
politischen Anamnesen durch ihre<br />
Zustimmung nach brieflicher Befragung, ob<br />
die Bereitschaft zur individuellen Übernah-<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 101
Abb. 5 Brief von J. Gühne, Bochum, vom 23.4.1990<br />
me in die DGU besteht. Als Bürgen fungierten<br />
J. Probst <strong>und</strong> seine Mitarbeiter.<br />
In einem Brief des Präsidenten A. Pannike<br />
<strong>und</strong> des Generalsekretärs J. Probst der<br />
DGU vom 4.10.1990 an den Vorsitzenden<br />
der Sektion Traumatologie der DDR wird formuliert:<br />
„Seit den denkwürdigen Novembertagen<br />
des vergangenen Jahres haben die Unfallchirurgen<br />
als erste <strong>und</strong> demonstrativ deutlich<br />
gemacht, dass die Jahrzehnte währende<br />
Trennung nicht zur gegenseitigen Entfremdung<br />
der Kollegen in Ost <strong>und</strong> West zu führen<br />
vermocht hat. Wir haben mit großer Freude<br />
gesehen, dass in diesen Monaten ungezählte<br />
Beziehungen zwischen Kollegen <strong>und</strong> Kliniken<br />
geknüpft wurden.<br />
Wenn die Sektion Traumatologie mit dem<br />
XII. Internationalen Unfallkongress vom<br />
6.–8.11.1990 in Leipzig, der Stadt, in der<br />
1922 die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />
gegründet worden ist, ihre Tätigkeit<br />
beendet, sollen die Unfallchirurgen aus<br />
den neuen B<strong>und</strong>esländern wissen, dass sie<br />
uns entsprechend ihrem frei bek<strong>und</strong>eten Antrag<br />
auf persönliche Aufnahme in die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e als Mitglieder<br />
herzlich willkommen sind.<br />
Wie sehr wir uns mit allen diesen Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen verb<strong>und</strong>en fühlen, haben<br />
wir inzwischen mehrfach, nicht zuletzt<br />
auch durch die Kooption von zwei Kollegen –<br />
Prof. Dr. Schenk <strong>und</strong> Dr. Welz – als außerordentliche<br />
Mitglieder des Beirats unserer <strong>Gesellschaft</strong>,<br />
deutlich gemacht.<br />
Im Augenblick unserer staatlichen Vereinigung<br />
geht nicht nur der Wunsch der<br />
Menschen in Erfüllung, gemeinsam in einem<br />
Land zu leben, sondern es ergeben sich auch<br />
neue <strong>und</strong> in ihren Aussichten noch gar nicht<br />
abzusehende Möglichkeiten der praktischen<br />
<strong>und</strong> wissenschaftlichen Zusammenarbeit<br />
in einem wesentlich vergrößerten Kollegenkreis.<br />
Wir grüßen alle am Unfallchirurgenkongress<br />
in Leipzig teilnehmenden Kollegen mit<br />
dem vom Mitbegründer unserer <strong>Gesellschaft</strong><br />
1922 dort ausgegebenen Leitspruch: Die Zeit<br />
fordert gebieterisch gemeinsame Arbeit.“<br />
In der Folgezeit besuchten immer mehr<br />
Unfallchirurgen aus der DDR Tagungen <strong>und</strong><br />
Kurse in der BRD. Der begonnene Dialog<br />
wurde fortgesetzt <strong>und</strong> es zeigte sich eine<br />
fre<strong>und</strong>schaftliche Zuwendung von beiden<br />
Seiten. Stellvertretend möchte ich den AO-<br />
Kurs unter der Leitung von G. Hierholzer,<br />
Duisburg, G. Muhr, Bochum <strong>und</strong> P. Schmit-<br />
Neuerburg, Essen vom 26.–29.8.1990 <strong>und</strong><br />
das Münchener Innenstadtsymposium,<br />
geleitet von L. Schweiberer, München, vom<br />
10.–13.10.1990 nennen.<br />
Im Rahmen des 7. Mittelfränkischen<br />
Trauma-Colloquiums unter der Leitung von<br />
H. Beck am 3.10.1990 wurde E. Markgraf,<br />
der als Referent auftrat, von H.W. Stedtfeld<br />
in dessen Haus eingeladen, wo im Beisein<br />
zweier seiner Oberärzte die <strong>Deutsche</strong> Einheit<br />
gefeiert wurde.<br />
Vom 6.–8.11.1990 fand der XII. <strong>und</strong> letzte<br />
Unfallchirurgenkongress der Sektion Traumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der<br />
DDR in Leipzig statt. Obwohl die DDR zu diesem<br />
Zeitpunkt nicht mehr existierte, wurde<br />
die Kongressbezeichnung belassen, da das<br />
Drucken der Programme bereits im August<br />
1990 stattgef<strong>und</strong>en hatte. Die Organisation<br />
des Kongresses oblag KH. Sandner, der<br />
bereits für die vorangegangenen Tagungen<br />
der Sektion verantwortlich war. Der holzgetäfelte<br />
kleine Gewandhaussaal war ein<br />
würdiger Tagungsort. In den Abb. 6/1 <strong>und</strong><br />
6/2 sind die im Programm aufgeführten<br />
Vorsitzenden <strong>und</strong> Referenten dargestellt.<br />
Nachfolgend ist der Wortlaut der Eröffnungsansprache<br />
des Präsidenten E. Markgraf<br />
wiedergegeben.<br />
„Meine sehr verehrten Damen <strong>und</strong> Herren!<br />
Ich erlaube mir, Sie auf des herzlichste in Leipzig<br />
zu begrüßen. Ich fühle eine große Genugtuung<br />
darüber, dass Sie trotz der vielen persönlichen<br />
<strong>und</strong> allgemeinen Aufgaben dieser<br />
wildbewegten Zeit unserer Einladung gefolgt<br />
sind. Ganz herzlich begrüße ich Herrn Pannike,<br />
Präsident <strong>und</strong> Herrn Probst, Generalsekretär<br />
als Repräsentanten der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e.<br />
Es ist uns eine große Freude, Gäste aus der<br />
Schweiz, aus Österreich, Ungarn, der CSFR,<br />
Jugoslawien <strong>und</strong> der Sowjetunion zu begrüßen.<br />
Stellvertretend für alle ausländischen<br />
Gäste möchte ich Herrn Heim, Präsident der<br />
AO-International, sehr willkommen heißen.<br />
Gruß <strong>und</strong> Dank gilt dem Rektor der ehrwürdigen<br />
Leipziger Universität Magnifizenz Leu-<br />
102<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 6/1 Vorsitzende <strong>und</strong> Referenten des XII. Unfallchirurgenkongresse vom 5.–8.11.1990 in Leipzig (auszugsweiser Abdruck aus dem Programm)<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 103
Abb. 6/2 Vorsitzende <strong>und</strong> Referenten des XII. Unfallchirurgenkongresse vom 5.–8.11.1990 in Leipzig (auszugsweiser Abdruck aus dem Programm)<br />
104<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
tert, der das Anliegen unseres Kongresses in<br />
großzügiger Weise unterstützt.<br />
Meine Damen <strong>und</strong> Herren!<br />
Im Herbst 1989, vor einem Jahr, begannen<br />
die ersten Vorbereitungen für diese Tagung.<br />
Rings um uns war, insbesondere in dieser<br />
Stadt, eine gespannte Atmosphäre. Die Menschen<br />
wurden, teils ängstlich, teils durch Anfangserfolge<br />
gestärkt, selbsbewusster, solidarischer<br />
<strong>und</strong> emotioneller, trotz des Gespürs<br />
der Gefahren, die mit dem Heraufbeschwören<br />
eigenen Wollens <strong>und</strong> eigener Initiative<br />
verb<strong>und</strong>en waren. Schritt für Schritt wurde<br />
das Volk zum Gestalter der historischen Szene.<br />
Alle wollten das „Alte“ überwinden, aber<br />
keiner wusste, welche Gestalt das „Neue“<br />
haben würde. Wie das aus bunten Glassteinen<br />
reflektierte Bild eines Kaleidoskops bei<br />
forcierter Bewegung zusammenfällt, um ein<br />
neues anderes Mosaik entstehen zu lassen,<br />
so haben wir in den vergangenen Monaten<br />
immer neue Situationen, neue Reflektionen,<br />
neuen Fortschritt <strong>und</strong> bei aller Freude über<br />
die erreichten geschichtlichen Tragweiten<br />
auch neue Probleme <strong>und</strong> Ängste erlebt. Alle<br />
fest geglaubten Strukturen kamen ins Wanken<br />
<strong>und</strong> wir lernten, dass das kaleidoskopische<br />
Bild Kleinkorrekturen nicht verträgt.<br />
Inzwischen ist, wie Jens Reich betont, der<br />
Überfall der Freiheit weitgehend irreversibel<br />
abgeschlossen. Der schicksalsgestaltende<br />
Umbruch hat dabei im kritiklosen Ansturm,<br />
besonders in Leipzig, auch ehrenwerte Persönlichkeiten<br />
umgerissen <strong>und</strong> es bleibt uns<br />
die Hoffnung, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt.<br />
Oft waren in den letzten Monaten die uns<br />
prägenden Gefühle wie antipodische Kräfte.<br />
Wir wussten nicht, wie nahe euphorische<br />
Wiederbegegnungsumarmungen mit der<br />
Absteckung von Machtansprüchen verwandt<br />
sein können. Ständig fühlten wir, dass das Leben<br />
immer live ist <strong>und</strong> jede Herausforderung<br />
eine Antwort verlangt. Es zeigte sich nun ein<br />
neues Selbstwertgefühl, das für Kraft <strong>und</strong><br />
Kreativität Bedingung ist.<br />
Meine Damen <strong>und</strong> Herren!<br />
Wir haben das Programm unseres Kongresses,<br />
der in der Erstjährung des neuen Aufbruchs,<br />
dessen politischen Konsequenzen <strong>und</strong> dessen<br />
neues Denken unser Leben in allen Dimensionen<br />
verändert hat <strong>und</strong> der der letzte herkömmlicher<br />
Art sein wird, mit dem Bild der<br />
Nikolaikirche in Leipzig im Programm ausgewiesen.<br />
Was sonst hätte das ungewöhnliche<br />
Drehbuch ins Leben übertragen können,<br />
wenn nicht der aus bitterer Enttäuschung<br />
entstandene hoffnungsergreifende Wille der<br />
Menschen mit dem Symbol brennender Kerzen<br />
zu einer Macht geworden wäre!<br />
In diesen St<strong>und</strong>en des Kampfes <strong>und</strong> Bangens<br />
waren wiederum, wie immer in problembelasteten<br />
Situationen, die Unfallchirurgen<br />
gefordert.<br />
Ihnen, meine Damen <strong>und</strong> Herren, den Unfallchirurginnen<br />
<strong>und</strong> Unfallchirurgen, ihren<br />
Familien <strong>und</strong> ihren Mitstreitern, die unbeirrt<br />
<strong>und</strong> mit großer Hingabe wirken <strong>und</strong> wissend,<br />
dass der Beruf derer, die Unfallchirurgie betreiben,<br />
oft nur eine reduzierte Lebensqualität<br />
hat, sei dieser Kongress gewidmet.<br />
Sie haben über Jahre <strong>und</strong> Jahrzehnte eine<br />
große Arbeit geleistet. Auch deshalb möchten<br />
wir die gelegentlich zu spürende Schuldzuweisung<br />
ablehnen, dass sich das DDR-System<br />
deshalb so lange halten konnte, weil<br />
viele Unfallchirurgen auf das Verlassen des<br />
Landes, was aber die Kündigung der Verantwortung<br />
gegenüber ihren Patienten bedeutete,<br />
verzichtet hätten.<br />
Viel freudiger ist unser Empfinden über den<br />
Wunsch Goethes, der mit dieser Stadt so eng<br />
verb<strong>und</strong>en war <strong>und</strong> 1829 schrieb:<br />
„Mir ist nicht bange, dass Deutschland<br />
nicht eins werde,<br />
vor allem sei es eins in Liebe untereinander<br />
<strong>und</strong> immer sei es eins<br />
dass der deutsche Thaler <strong>und</strong> Groschen<br />
im ganzen Reich gleichen Wert habe -<br />
eins, dass mein Reisekoffer durch alle deutschen<br />
Länder<br />
ungeöffnet passieren könnte.“<br />
Große Hilfe haben wir in den vergangenen<br />
Monaten durch viele Fre<strong>und</strong>e erfahren. Ihr<br />
Rat, ihre konkrete Hilfe, ihr mitfühlender<br />
<strong>und</strong> mitgestalteter Beistand haben uns sehr<br />
geholfen. Vielen Unfallchirurgen unseres<br />
Landesabschnittes wurde inzwischen die<br />
Möglichkeit zu Hospitationen geboten, die<br />
sie dankbar nutzten, um bestehende Defizite<br />
kraftvoll <strong>und</strong> in kurzer Zeit ausgleichen zu<br />
können.<br />
Dank sei auch den Firmen gesagt, die unseren<br />
Kongress mit ihren Expositionen bereichern<br />
<strong>und</strong> darüber hinaus mit großem Entgegenkommen<br />
aufwarten.<br />
Meine Damen <strong>und</strong> Herren!<br />
Die Geometrie <strong>und</strong> schlichte Eleganz dieses<br />
historischen Raumes, Ernst <strong>und</strong> Freude dieser<br />
St<strong>und</strong>e, die Anwesenheit von Gästen aus<br />
vielen Ländern <strong>und</strong> der ausgeprägte Sinn von<br />
Unfallchirurgen zum Zusammenhalt geben<br />
der Eröffnung unseres Kongresses ihr Gepräge<br />
<strong>und</strong> das Gefühl großer Freude <strong>und</strong> Dankbarkeit.<br />
Seien Sie noch einmal herzlich willkommen<br />
geheißen, <strong>und</strong> es möge Ihnen vergönnt<br />
sein, die ungewöhnliche Dimension der Stadt<br />
Leipzig zu erleben, sich bleibender menschlicher<br />
Begegnungen zu erfreuen <strong>und</strong> sie mit<br />
fruchtbaren Erfahrungen der wissenschaftlichen<br />
Debatten zu verbinden. Der XII. Unfallchirurgenkongress<br />
in Leipzig ist eröffnet.“<br />
An der 54. Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e unter der<br />
Präsidentschaft von A. Pannicke, die vom<br />
28.11.–1.12.1990 in Berlin stattfand, nahmen<br />
zahlreiche Vertreter der ehemaligen<br />
Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR teil, wobei einige als Vortragende<br />
tätig oder mit dem Vorsitz von Tagungsabschnitten<br />
betraut wurden.<br />
Die Stimmung der ostdeutschen Unfallchirurgen<br />
war betont ambivalent. Einerseits<br />
war die Freude über die Überwindung des<br />
erstarrten DDR-Regimes <strong>und</strong> die nun uneingeschränkten<br />
Kontakte mit den Kollegen<br />
der BRD groß, andererseits waren die Ängste<br />
über die Zukunft des DDR-Ärztestandes<br />
real vorhanden.<br />
Übernahme der Mitglieder der Sektion<br />
DDR der AOI in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />
Am 21.9.1990 fand in Berlin die letzte Sitzung<br />
der Sektion DDR der AO-I statt. E.<br />
Markgraf wurde zu diesem Anlass als Nachfolger<br />
von E. Sander zum Obmann der Sektion<br />
gewählt.<br />
Am 24.9.1990 hat E. Markgraf als Obmann<br />
der Sektion DDR der AO-International einen<br />
Brief an den Obmann der <strong>Deutsche</strong>n Sektion<br />
der AO-International, Prof. Dr. Dr. h.c. S.<br />
Weller mit folgendem Inhalt geschrieben:<br />
„Sehr verehrter Herr Vorsitzender, lieber Herr<br />
Weller!<br />
Ich erlaube mir, Sie über den Verlauf <strong>und</strong> das<br />
Ergebnis der letzten Mitgliederversammlung<br />
der Sektion DDR der AO-International am<br />
21.9.1990 in Berlin zu informieren. Gleichzeitig<br />
möchte ich Ihnen unsere auf der Sitzung<br />
formulierten Vorstellungen über die<br />
weitere Entwicklung zur Kenntnis bringen.<br />
Die Mitglieder der Sektion DDR haben mich<br />
für die Übergangsphase als Nachfolger von<br />
Herrn Prof. Sander in demokratischer Abstimmung<br />
als Obmann gewählt <strong>und</strong> mich für<br />
Absprachen über die künftige Entwicklung in<br />
Deutschland mit Ihnen autorisiert. Nach der<br />
Vereinigung Deutschlands sollte <strong>und</strong> kann es<br />
aus der Sicht der Mitglieder der bisherigen<br />
Sektion DDR nur noch eine Sektion Deutschland<br />
der AO-International geben. In dieser<br />
einheitlichen Sektion sollte die Arbeit nach<br />
Gebieten von den dort tätigen Mitgliedern<br />
der Sektion organisiert werden. Diese Gebiete<br />
könnten neben den schon vorhandenen<br />
Strukturen Nordwestdeutschland <strong>und</strong> Süddeutschland<br />
künftig durch Ostdeutschland<br />
ergänzt werden.<br />
Der Anspruch auf die Übernahme der bisherigen<br />
Sektion DDR in die gesamtdeutsche<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 105
<strong>und</strong> das Weiterwirken einiger ihrer Repräsentanten<br />
in der künftigen einheitlichen Sektion<br />
Deutschland ergibt sich nach unseren Vorstellungen<br />
daraus, dass die Sektion DDR ein<br />
eigenständiges Mitglied der AO-International<br />
gewesen ist. Es wurde in der Vergangenheit<br />
entsprechend der Satzung der Sektion DDR<br />
<strong>und</strong> den Empfehlungen der AO-International<br />
eine umfangreiche Arbeit geleistet.<br />
Wir gehen auch davon aus, dass die zu<br />
lösenden Probleme <strong>und</strong> die inhaltliche Zielstellung<br />
der AO-International im Gebiet<br />
Ostdeutschland einen gewissen besonderen<br />
Charakter, zumindest in den nächsten Jahren,<br />
haben wird.<br />
So möchten wir das für den Herbst 1991<br />
geplante IV. AO-Symposium in Weimar<br />
durchführen <strong>und</strong> auch bei der Ausrichtung<br />
von AO-Kursen weiter aktiv bleiben.<br />
Ich wäre Ihnen sehr verb<strong>und</strong>en, wenn Sie<br />
sich zu unseren Vorstellungen äußern würden.<br />
Zu einer persönlichen Aussprache, die<br />
Sie bereits in Kiel in Aussicht gestellt haben,<br />
bin ich zusammen mit anderen Mitgliedern<br />
unserer Sektion selbstverständlich jederzeit<br />
bereit.<br />
Mit vorzüglicher Hochachtung <strong>und</strong><br />
herzlichen Grüßen<br />
Ihr Eberhard Markgraf“<br />
Am 16.11.1990 trafen sich in der BG-Klinik<br />
in Tübingen der Vorstand der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Sektion der AO mit ihrem Obmann S. Weller<br />
mit E. Markgraf, Obmann, S. Grafe <strong>und</strong> K.<br />
Welz als Vertreter der Sektion DDR der AOI.<br />
An der Beratung nahmen auch G. Hierholzer,<br />
A. Pannike, <strong>und</strong> O. Oest teil.<br />
Nachdem zunächst unterschiedliche<br />
Standpunkte dargelegt wurden, konnte später<br />
Einigkeit darüber erzielt werden, dass es<br />
nicht sinnvoll wäre, 2 Sektionen in Deutschland<br />
bestehen zu lassen. Der Vorschlag der<br />
Übernahme der Mitglieder der Sektion DDR<br />
in die <strong>Deutsche</strong> Sektion, gleichberechtigt<br />
ohne Ausgrenzung Einzelner wurde von allen<br />
als faire <strong>und</strong> moderate Lösung empf<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> beschlossen.<br />
Für die Übernahme wurde ein späterer<br />
Termin in Aussicht gestellt. Die Verhandlungspartner<br />
der Sektion DDR wurden in<br />
den Beirat der <strong>Deutsche</strong>n Sektion kooptiert.<br />
Am 5.10.1991 erfolgte in Berlin die Aufnahme<br />
der Mitglieder der Sektion DDR der<br />
AOI in die nunmehr gemeinsame <strong>Deutsche</strong><br />
Sektion. Die Abb. 7 zeigt die gute Stimmung<br />
von drei Teilnehmern zu diesem Anlass.<br />
Ebenso wurden ostdeutsche Unfallchirurgen<br />
als aktive Mitgestalter des AO-Kurses in<br />
Davos vom 8.–14.12.1990 eingeladen.<br />
Abb. 7 Während der Aufnahme der Mitglieder der ehemaligen Sektion DDR in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />
der AOI am 5.10.1991. Von links: U. Heim, Davos, W. Senst, Frankfurt/Oder, E. Markgraf, Jena.<br />
Aus: Privatarchiv E. Markgraf<br />
Abb. 8 Die Vorsitzenden eines Tagungsabschnittes des IV. Ostdeutschen AO-Symposiums. Von links:<br />
G. Muhr, Bochum, E. Markgraf, Jena, S. Weller, Tübingen <strong>und</strong> St. Perren, Davos. Aus: Privatarchiv E.<br />
Markgraf<br />
Vom 31.5.–1.6.1991 fand in München die<br />
Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n Sektion der<br />
AOI statt. Auf der Mitgliederversammlung<br />
wurde das am 16.11.1990 in Tübingen ausgehandelte<br />
Vorgehen von den Mitgliedern<br />
akzeptiert.<br />
Vom 9.–11.10.1991 fand in Weimar das IV.<br />
Ostdeutschen AO-Symposium statt <strong>und</strong><br />
vereinigte wieder eine große Zahl von Unfallchirurgen<br />
<strong>und</strong> Orthopäden aus dem In<strong>und</strong><br />
Ausland.<br />
Der wissenschaftliche Leiter des Symposiums,<br />
E. Markgraf, betonte bei der feierlichen<br />
Eröffnung des Symposiums am 9.10.1991<br />
im Schloss Weimar (auszugsweise):<br />
„Meine sehr verehrten Damen <strong>und</strong> Herren!<br />
Sehr herzlich begrüße ich Sie zum AO-Symposium<br />
in Weimar. Nachdem in der 15-jährigern<br />
Geschichte unserer eigenen Sektion<br />
Symposien 1979 in Cottbus, 1983 in Potsdam<br />
uns 1987 in Eisenach stattfanden, freue<br />
ich mich sehr, Sie in Weimar, der Stadt der<br />
großen Kontraste <strong>und</strong> einer weitreichenden<br />
Bedeutung begrüßen zu können.<br />
In der vergangenen Woche wurde zu unserer<br />
Freude den Mitgliedern der ehemaligen<br />
Sektion DDR der AO-International in feierlicher<br />
Form <strong>und</strong> nach absolut akzeptablen<br />
Verhandlungen die Aufnahme in die <strong>Deutsche</strong><br />
Sektion ermöglicht.<br />
Somit haben wir in der <strong>Deutsche</strong>n Sektion<br />
reichlich Gelegenheit zur weiteren Betäti-<br />
106<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Abb. 9 Vorsitzende <strong>und</strong> Referenten des IV. Ostdeutschen AO-Symposium (auszugsweiser Abdruck aus dem Programm)<br />
gung unter dem Dach der AO-International,<br />
die wohl zu den überzeugendsten Gemeinschaftswerken<br />
der Wissenschaftsgeschichte<br />
<strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge gehört <strong>und</strong><br />
deren Philosophie uns begeistert <strong>und</strong> zusammenführt.<br />
Wir haben nach Weimar gebeten, der<br />
Stadt „der Weimarer Republik“, als Stätte<br />
bedeutender nationaler aber auch kultureller<br />
Traditionen. Im Konversationslexikon von<br />
Knauer (1934) wird Weimar als die Hauptstadt<br />
Thüringens, an der Ilm gelegen, mit<br />
einer Einwohnerzahl von 51.700 ausgewiesen<br />
<strong>und</strong> namentlich Schloss, Friedhof mit der<br />
Fürstengruft <strong>und</strong> Goethe-Nationalmuseum<br />
erwähnt.<br />
Weimar ist auch die Stadt bedeutender<br />
Gelehrter <strong>und</strong> Künstler, der Architektur <strong>und</strong><br />
Industrie <strong>und</strong> konträr zu ihrer hohen kulturellen<br />
<strong>und</strong> humanistischen Tradition leider<br />
auch die Stadt, in deren Schatten Buchenwald<br />
auf dem Ettersberg liegt.<br />
Das IV. AO-Symposium ist die erste Veranstaltung<br />
in den neuen B<strong>und</strong>esländern unter<br />
der Schirmherrschaft der einheitlichen <strong>Deutsche</strong>n<br />
Sektion <strong>und</strong> wird, nicht zuletzt durch<br />
die zahlreiche Teilnahme bedeutender Vertreter<br />
des Unfallchirurgie aus dem In- <strong>und</strong><br />
Ausland, an der Schaffung <strong>und</strong> Vertiefung<br />
menschlicher Begegnungen zu messen sein.“<br />
Die Abb. 8 zeigt die Vorsitzenden eines Tagungsabschnittes.<br />
In der Abb. 9 sind die<br />
Vorsitzenden <strong>und</strong> Referenten dieses Symposiums<br />
aufgeführt.<br />
Ereignisse nach der Wende<br />
Die Zeit nach der Wende, insbesondere die<br />
Jahre 1990 <strong>und</strong> 1991 brachten für die Bürger<br />
der ehemaligen DDR, so auch für die<br />
ostdeutschen Ärzte teilweise unfassbare Erkenntnisse.<br />
Dazu gehörten die verhängnisvolle<br />
Tätigkeit der Staatssicherheit <strong>und</strong> die<br />
Verstrickungen von Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzten<br />
mit dem Ministerium für Staatssicherheit<br />
[3,4]. Viele andere Missstände wurden jetzt<br />
offiziell bekannt.<br />
Es vollzogen sich für die Ärzte tiefgreifende<br />
Veränderungen im Personalwesen, in der<br />
ärztlichen Tätigkeit <strong>und</strong> den Krankenhaus<strong>und</strong><br />
Verwaltungsstrukturen.<br />
An den Hochschulen wurden Evaluationskommissionen<br />
gebildet, die über die<br />
Weiterbeschäftigung leitender Ärzte <strong>und</strong><br />
Hochschullehrer befinden mussten. Lagen<br />
keine politisch motivierten Gründe für die<br />
Beendigung einer Weiterbeschäftigung vor,<br />
mussten sich die Hochschullehrer offiziell<br />
schriftlich bewerben <strong>und</strong> wurden von je<br />
zwei Ordinarien der BRD begutachtet.<br />
Für die ärztliche Tätigkeit ergab sich der<br />
erfreuliche Aspekt, dass durch die BRD eine<br />
Modernisierung der Krankenhaustechnik,<br />
eine zugängliche Ausrüstung mit Instrumenten<br />
<strong>und</strong> Implantaten erfolgte. Der Ansturm<br />
von Firmenvertretern erschwerte die<br />
Auswahl.<br />
Von besonderer Bedeutung waren die<br />
Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
mit flächendeckender Etablierung<br />
von Durchgangsärzten <strong>und</strong> die Einführung<br />
des Verletzungsarten-Verfahrens, was aus<br />
dem Beitrag von K. Welz [5] ersichtlich<br />
wird. Dazu war die Erfüllung bestimmter<br />
Auflagen durch die jeweiligen Landesverbände,<br />
die für den Aufbau des Systems in<br />
den neuen B<strong>und</strong>esländern eine Patenschaft<br />
übernahmen, notwendig. Die relativ zügige<br />
Durchsetzung der berufsgenossenschaftlichen<br />
Unfallbehandlung muss als organisatorische<br />
Meisterleistung bezeichnet werden<br />
[5]. Neben der unmittelbaren Betreuung in<br />
den Kliniken mit Übergabe von Ordnern, die<br />
alle notwendigen Informationen <strong>und</strong> Vor-<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 107
drucke enthielten, wurden Exemplare der<br />
Broschüre „Die Berufsgenossenschaften,<br />
was sie wurden, was sie sind, was sie leisten“<br />
übergeben, wodurch auch Informationen<br />
an die Verletzten möglich waren. Zahlreiche<br />
Fortbildungen wurden durchgeführt.<br />
Vom 21.–22.9.1990 fand im Hotel Steigenberger<br />
in Berlin eine zentrale Informationsveranstaltung<br />
statt.<br />
Die Themen der sehr gut besuchten Tagung<br />
waren u. a.<br />
– Die Stellung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in der Sozialversicherung,<br />
– die Leistungen der Unfallversicherung <strong>und</strong><br />
deren Berichterstattung im Durchgangsarzt-Verfahren,<br />
– Aufgaben der Berufsgenossenschaften bei<br />
der Heilbehandlung <strong>und</strong> Begutachtung<br />
für die gesetzliche Unfallversicherung.<br />
J. Probst referierte über „Durchgangsarzt<strong>und</strong><br />
Verletzungsarten-Verfahren in der berufsgenossenschaftlichen<br />
Heilbehandlung“.<br />
Weitere Informationsveranstaltungen organisierten<br />
die jeweiligen Landesverbände in<br />
ihrem Zuständigkeitsbereich. So wurde eine<br />
solche Veranstaltung am 21.2.1991 im Hörsaal<br />
der Chirurgischen Klinik der Friedrich-<br />
Schiller-Universität durchgeführt.<br />
Ein weiterer wichtiger Schritt war der Aufbau<br />
der ärztlichen Selbstverwaltung in den<br />
neuen B<strong>und</strong>esländern, da sich erhebliche<br />
Veränderungen in der Organisation des<br />
Ges<strong>und</strong>heitssystems ergaben. Während<br />
zum Stichtag des 31.12.1989 von den ambulant<br />
tätigen Ärzten der DDR noch 62 %<br />
in Polikliniken, 18 % in Ambulatorien, 11%<br />
in sonstigen Einrichtungen, 7 % in Staatspraxen<br />
<strong>und</strong> nur 2 % in Niederlassungen<br />
tätig gewesen sind, waren am 31.12.1994<br />
97 % niedergelassen <strong>und</strong> nur noch 3 % in<br />
Einrichtungen nach & 3112 SGB V tätig [2].<br />
Allein diese Zahlen verdeutlichen die gewaltigen<br />
Umbrüche im Ges<strong>und</strong>heitssystem der<br />
Wendezeit. Der letzte Ges<strong>und</strong>heitsminister<br />
der DDR vor der Wiedervereinigung, J. Kleditzsch,<br />
sah nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
Nach dem Einigungsvertrag<br />
hätten sich die Ereignisse überschlagen.<br />
Qualifiziertes Personal im Ministerium gab<br />
es kaum. Nach Angaben von Kleditzsch<br />
wurden „Gesetze am Abend vorbereitet <strong>und</strong><br />
am nächsten Morgen verabschiedet.“ Auf<br />
dem 93. <strong>Deutsche</strong>n Ärztetag im Mai 1990<br />
in Würzburg wurde der Wunsch nach einer<br />
Veränderung des Ges<strong>und</strong>heitssystems in<br />
ganz Deutschland angesprochen, dem aber<br />
nicht entsprochen wurde. [2].<br />
Die Wende hat bei den überwältigenden<br />
großen Fortschritten <strong>und</strong> der endlich errungenen<br />
Freiheit der Bürger der DDR auch<br />
zu einigen schmerzlichen Veränderungen<br />
geführt. Zu diesen gehört das Schicksal des<br />
Johann Ambrosius Barth Verlags in Leipzig.<br />
Dieser Verlag, der auch die Zeitschrift<br />
„Zentralblatt für Chirurgie“ verlegt hat, war<br />
eines der wichtigsten Publikationsorgane<br />
für Chirurgen <strong>und</strong> Unfallchirurgen. In einem<br />
offenen Brief vom 5.11.1990 an die Teilnehmer<br />
des XII. Unfallchirurgenkongresses der<br />
DDR schrieb der damalige Cheflektor Bläske<br />
auszugsweise: „Wir freuen uns, allen Kongressteilnehmern<br />
mitteilen zu können, dass<br />
unser 210-jähriger Verlag nach schweren<br />
Jahren <strong>und</strong> einer Zwangsehe mit anderen<br />
Häusern wieder ein selbständiges Unternehmen<br />
mit obiger Bezeichnung ist. Auch auf<br />
unseren traditionellen Gebieten Chirurgie<br />
einschließlich Traumatologie können wir nun<br />
wieder in hoher Qualität <strong>und</strong> kürzester Zeit<br />
produzieren.“<br />
1990 hatte sich der Barth Verlag prinzipiell<br />
bereit erklärt, die Veröffentlichung<br />
eines umfangreichen Fachbuchs „Unfallchirurgie“,<br />
dessen Veröffentlichung beim Verlag<br />
Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in Berlin gescheitert<br />
war (siehe Seiten 41–42), zu übernehmen.<br />
Zu dieser Veröffentlichung ist es nicht<br />
gekommen.<br />
Im März 1991 haben die Herren Hüthig<br />
<strong>und</strong> Dr. Windsheimer von der Verlagsgemeinschaft<br />
Hüthig Decker & Müller GmbH<br />
in einem persönlichen Brief an Prof. Markgraf<br />
geschrieben (Auszug):<br />
„Johann Ambrosius Barth Verlag, Leipzig <strong>und</strong><br />
Heidelberg<br />
Sehr geehrter Herr Professor Markgraf,<br />
die Treuhandanstalt in Berlin hat dieser Tage<br />
ein Dokument unterzeichnet, das uns – nun<br />
endlich doch – zum alleinigen <strong>Gesellschaft</strong>er<br />
des Johann Ambrosius Barth Verlages macht.<br />
Um diese Entscheidung ist lange gerungen<br />
worden, <strong>und</strong> uns allen wäre es lieb gewesen,<br />
sie wäre früher gekommen. Denn die Ungewissheit,<br />
unter der nicht nur die Mitarbeiter<br />
des Verlages, sondern auch seine Herausgeber<br />
<strong>und</strong> Autoren zu leiden hatten, hinterlässt<br />
Spuren <strong>und</strong> ist der Entwicklung des Verlages<br />
nicht förderlich gewesen.<br />
Umso mehr beeilen wir uns jetzt, Ihnen<br />
die Botschaft zu überbringen. Wir bitten Sie,<br />
dem Johann Ambrosius Barth Verlag Ihr Vertrauen<br />
zu bewahren <strong>und</strong> ihn in eine neue Ära<br />
verlegerischen Schaffens zu begleiten. Als der<br />
neue <strong>Gesellschaft</strong>er sind wir aufgefordert,<br />
den Standort des Verlages zu bestimmen <strong>und</strong><br />
ihm im Umfeld der großen <strong>und</strong> glänzenden<br />
Institutionen des wissenschaftlichen Literaturbetriebes<br />
seinen Platz zu sichern.“<br />
Am 3.12.1991 schrieb Cheflektor Bläske an<br />
Prof. Markgraf auszugsweise u. a.: „Heute<br />
möchte ich Ihnen nur mitteilen, dass im<br />
Zusammenhang mit der in Jena angedeuteten<br />
Neustrukturierung unseres Hauses im<br />
Verb<strong>und</strong> der Hüthig Verlagsgruppe Frau H.<br />
Zscherp das Fachgebiet Chirurgie weiterführt,<br />
ich befasse mich mit Innerer Medizin<br />
<strong>und</strong> anderen nichtchirurgischen Gebieten.<br />
Das Leipziger Cheflektorat wurde durch eine<br />
Bereichsleitung Medizin mit Sitz in Heidelberg<br />
ersetzt. Ich danke Ihnen bei dieser Gelegenheit<br />
für die sehr guten persönlichen<br />
Kontakte in der Zusammenarbeit der vergangenen<br />
Jahre, <strong>und</strong> ich bitte Sie, in diesem<br />
Sinne die Herren Prof. Senst <strong>und</strong> Prof. Muhr<br />
ganz herzlich von mir zu grüßen.“<br />
Die langjährige Lektorin des Verlages,<br />
Frau Zscherp, hat mir in einer persönlichen<br />
schriftlichen Mitteilung mit dem Zuspruch<br />
des Rechts der Veröffentlichung 2008 die<br />
weitere Geschichte des Verlags mitgeteilt.<br />
„Ab Juli 1990 gehörte der Johann Ambro sius<br />
Barth Verlag zur Hüthig-Verlagsgruppe in<br />
Heidelberg. Das Verlagsgebäude in der Salomonstr.<br />
wurde verkauft, das Verlagsarchiv<br />
nach Heidelberg ausgelagert. Fünf Mitarbeiter<br />
führten die Verlagsgeschäfte in neuen<br />
Büroräumen weiter. Schwerpunkte der<br />
Verlagsarbeit waren die Weiterführung der<br />
verbliebenen Zeitschriften (Zentralblatt für<br />
Chirurgie, Zentralblatt für Neurochirurgie,<br />
Zentralblatt für Kinderchirurgie, Zentralblatt<br />
für Gynäkologie, Endokrinologie) <strong>und</strong> die Herausgabe<br />
u. a. der chirurgischen Literatur.<br />
1999 trennte sich der Hüthig-Verlag vom<br />
Johann Ambrosius Barth Verlag. Der Georg<br />
Thieme Verlag Stuttgart übernahm den Johann<br />
Ambrosius Barth Verlag <strong>und</strong> schloss<br />
das Büro in Leipzig. Trotz Intervention der<br />
Mitarbeiter, vieler Autoren des Verlages <strong>und</strong><br />
des damaligen Oberbürgermeisters der Stadt<br />
Leipzig gab es für den bekannten Leipziger<br />
Verlag kein Überleben an seinem Gründungsort.“<br />
Literatur<br />
1. Bahrmann H, Links C. Am Ziel vorbei. Die deutsche<br />
Einheit – Eine Zwischenbilanz. Berlin: Ch. Links<br />
Verlag; 2005<br />
2. Merten M, Gerst T. Wende im DDR-Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
1989/1990: Vom Westen viel Neues.<br />
<strong>Deutsche</strong>s Ärzteblatt 2006; 103:36, C-1916–21<br />
3. Richter-Kuhlmann E. Die meisten IM-Ärzte bespitzelten<br />
Kollegen. <strong>Deutsche</strong>s Ärzteblatt 2007;<br />
104:48, C-2806<br />
4. Thom A. Das Entscheidungsjahr 1989 - die ersten<br />
Auswirkungen der politischen Wandlungen in der<br />
DDR am Bereich Medizin. In: Kästner I, Thom A.<br />
575 Jahre Medizinische Fakultät der Universität<br />
Leipzig. Leipzig: J.A. Barth Verlag; 1990, S. 287–91<br />
5. Welz K. Der Aufbau der Gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in den östlichen B<strong>und</strong>esländern. Langenbecks<br />
Arch Chir Suppl (Kongressbericht) 1995:<br />
685–91<br />
Prof. Dr. med. E. Markgraf<br />
Gillestr. 5<br />
07743 Jena<br />
108<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Einführung <strong>und</strong> Aufbau der<br />
gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />
K. Welz<br />
Gesetzliche Unfallversicherung <strong>und</strong> berufsgenossenschaftliche<br />
Heilbehandlung<br />
können in historischer Rückschau auch im<br />
östlichen Deutschland durchaus auf Tradition<br />
setzen. Bereits um die vorige Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />
hat Prof. Dr. Carl Thiem (Cottbus)<br />
bis zu seinem Tode 1917 mit größtem Elan<br />
nicht nur die Belange der Unfallchirurgie,<br />
sondern gerade auch jene des berufsgenossenschaftlichen<br />
Heilverfahrens im damaligen<br />
Deutschland vertreten. Besonderen<br />
Respekt verdienten Thiems Thesen <strong>und</strong><br />
kritischen Beiträge zu der Problematik „13-<br />
wöchige Karenzzeit für Arbeitsunfallverletzte“,<br />
auf der vor allem gewerbliche <strong>und</strong> landwirtschaftliche<br />
Berufsgenossenschaften in<br />
damaliger Zeit bestanden, ehe Leistungen<br />
in der Heilbehandlung beansprucht werden<br />
durften. Schließlich argumentierte Thiem<br />
leidenschaftlich gegen damalige Auflagen,<br />
die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung<br />
nach Knochenbrüchen nicht wie festgelegt<br />
mit der knöchernen Konsolidierung,<br />
sondern erst mit Wiederherstellung der<br />
Funktion betroffener Gliedmaßen oder anderer<br />
Körperabschnitte zu beenden, - eine<br />
Forderung die uns heute selbstverständlich<br />
erscheint.<br />
Die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in den neuen B<strong>und</strong>esländern ab<br />
1.01.1991 bedeutete also nichts gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
Neues. Es galt für einen bestimmten<br />
Kreis von Unfallchirurgen eine Aufgabe zu<br />
übernehmen, die zuvor vom bisherigen Sozialversicherungsträger<br />
in der DDR wahrgenommen<br />
wurde, wenn auch unter anderen<br />
Vorzeichen.<br />
Die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
zum 1.01.1991 mit flächendeckender<br />
Bestellung von Durchgangsärzten<br />
<strong>und</strong> der Etablierung des Verletzungsartenverfahrens<br />
stellte die Unfallchirurgen der<br />
ehemaligen DDR somit doch vor eine neue<br />
Herausforderung.<br />
Dazu erforderliche Maßnahmen stützten<br />
sich auf die bereits im Mai 1990 mit Art.<br />
23 des Staatsvertrages <strong>und</strong> am 31. August<br />
1990 mit dem Einigungsvertrag festgeschriebene<br />
Angleichung der Sozialversicherungssysteme<br />
in den ostdeutschen Ländern<br />
zum 1.01.1991. Zu diesem Zeitpunkt war<br />
es unübersehbar, dass ein solches Unterfangen<br />
als schwierige Aufgabe vor Verwaltungsorganen<br />
der neuen B<strong>und</strong>esländer <strong>und</strong><br />
den dafür zuständigen ärztlichen Kollegen<br />
im Osten <strong>und</strong> Westen stand. Für zahlreiche<br />
Unfallchirurgen der westlichen Landesteile<br />
galt es, das organisatorische Bemühen der<br />
Verwaltungen der gesetzlichen Unfallversi<br />
cherungen zu fördern <strong>und</strong> durch theoretisches<br />
Unterweisen <strong>und</strong> praktisches Anweisen<br />
langjährig gewonnene Erfahrungen<br />
in den Aufbau des Systems in den östlichen<br />
Regionen einzubringen. Vor Unfallchirurgen<br />
der fünf neuen Länder stand infolge der<br />
Kürze der Vorbereitungszeit die dringliche<br />
Aufgabe, sich über Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Richtlinien<br />
der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
<strong>und</strong> über ein umfangreiches Regelwerk an<br />
Leitnummern zu informieren, um ein Rüstzeug<br />
für die Praxis zu gewinnen. Auch stand<br />
fest, dass die Organisation der BG Heilbehandlung<br />
als qualitätsförderndes Anliegen<br />
nur im Zusammenwirken von Verwaltungsorganen<br />
<strong>und</strong> Ärzten bewältigt werden<br />
konnte.<br />
Der nur kurz bemessene Aktionsraum zwischen<br />
Gesetzesvorlage im Mai 1990 <strong>und</strong><br />
praktischer Realisierung zum 1.01.1991<br />
spiegelte ein allseitig engagiertes Bemühen<br />
der beteiligten Partner aus allen Ländern<br />
wider. Einige Stationen der Vorbereitung<br />
verdienen besondere Erwähnung:<br />
– Im Juni 1990 fand in engen Gesprächsr<strong>und</strong>en,<br />
initiiert durch Probst, J. (Murnau)<br />
<strong>und</strong> Hierholzer, G. (Duisburg) ein erster<br />
Informationsaustausch, eine Bestandsaufnahme<br />
<strong>und</strong> die Sondierung von Möglichkeiten<br />
zur Realisierung eines Systems<br />
der medizinischen Versorgung Arbeitsunfallverletzter<br />
statt.<br />
– Die am 21.08.1990 anberaumte Vertiefung<br />
des Gedankenaustausches in der BG<br />
Unfallklinik Frankfurt/Main vereinte Vertreter<br />
des Hauptverbandes, Geschäftsführer<br />
von Landesverbänden, Beratende Ärzte<br />
<strong>und</strong> eingeladene Unfallchirurgen aus den<br />
östlichen Ländern.<br />
– Im Ergebnis von Sachverständigengesprächen<br />
zeichnete sich die Notwendigkeit<br />
gezielter Informationsr<strong>und</strong>en ab. Am<br />
21. <strong>und</strong> 22.09.1990 trafen sich im Hotel<br />
„Steigenberger“ in Berlin 120 Unfallchirurgen<br />
der östlichen Länder. Diese potentiellen<br />
Träger der zu erwartenden Aufgaben<br />
nahmen die gebotenen Informationen<br />
namhafter Referenten <strong>und</strong> Kenner<br />
der Materie in der Gewissheit entgegen,<br />
einer aufwendigen <strong>und</strong> verantwortungsvollen,<br />
aber auch erfolgversprechenden<br />
Tätigkeit entgegen zu sehen. Die Themen<br />
der sehr gut besuchten Tagung waren<br />
u. a. die Stellung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in der Sozialversicherung,<br />
Leistungen der Unfallversicherungen <strong>und</strong><br />
deren Feststellung, Berichterstatttung<br />
im Durchgangsarztverfahren, Aufgaben<br />
der Berufsgenossenschaften bei der Heilbehandlung<br />
<strong>und</strong> Begutachtung für die<br />
gesetzliche Unfallversicherung. J. Probst<br />
referierte über Durchgangsarzt- <strong>und</strong> Verletzungsartenverfahren<br />
in der berufsgenossenschaftlichen<br />
Heilbehandlung.<br />
Weitere Informationsveranstaltungen organisierten<br />
die jeweiligen Landesverbände in<br />
ihren Zuständigkeitsbereichen.<br />
– Nach Verwirklichung der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Einheit am 3. Oktober 1990 aktivierten<br />
einige Landesverbände der Berufsgenossenschaften<br />
die organisatorischen Vorbereitungen.<br />
Die zunächst in Aussicht<br />
genommene Gründung eines Landesverbandes<br />
„Ost“ wurde bald wieder verworfen.<br />
– Das Konzept, die Verwaltungsträgerschaft<br />
durch bestimmte westdeutsche Landesverbände<br />
für die beginnende berufsgenossenschaftliche<br />
Arbeit in den aus 16<br />
Bezirken reorganisierten Landesstrukturen<br />
der 5 neuen B<strong>und</strong>esländer zu übernehmen,<br />
muss rückwirkend als erfolgversprechende<br />
Strategie zur Lösung des<br />
anstehenden Gesetzesauftrages gesehen<br />
werden. Berlin-Brandenburg-Mecklenburg-Vorpommern<br />
entstand als neuer LV,<br />
Sachsen-Anhalt übernahm der LV Nordwestdeutschland,<br />
Thüringen kam zum<br />
bisherigen LV Hessen-Mittelrhein, der LV<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 109
Bayern titelte seither als LV Bayern <strong>und</strong><br />
Sachsen. Die festgelegten Zuständigkeiten<br />
haben sich bis in die Gegenwart bewährt.<br />
– Für die Realisierung der Schwerpunktaufgaben:<br />
• Bestellung von D-Ärzten,<br />
• Zulassung von VAV-Krankenhäusern,<br />
• Sicherstellung kompetenter<br />
Begutachtung von Unfallfolgen<br />
seien die wichtigsten Vorbereitungen<br />
schlagwortartig genannt:<br />
1. Erfassung qualifizierter Unfallchirurgen,<br />
2. Bestandaufnahme leistungsfähiger<br />
Einrichtungen,<br />
3. Prüfung von Antragstellungen auf<br />
Bestellung bzw. Zulassung,<br />
4. Bestätigungsverfahren.<br />
Dieser Maßnahmenkatalog gibt zu zwei<br />
Feststellungen Anlaß:<br />
– Der Aufbau des BG-Heilverfahrens hieß<br />
für die tätige Chirurgengeneration der<br />
ehemaligen DDR Betreten von Neuland.<br />
Institutionelle Vorleistungen gab es nicht.<br />
– Der Stand der Entwicklung der Unfallchirurgie<br />
zum 03.10.1990 bedeutete dagegen<br />
bei Weitem keinen Nullanfang. Als<br />
Gr<strong>und</strong>lagen eines leistungsfähigen Systems<br />
erwiesen sich:<br />
1. Die ehemaligen Bezirke Ostdeutschlands<br />
verfügten über gegliederte Betreuungsstrukturen<br />
in der stationären Behandlung<br />
Verletzter. Unterschieden wurde<br />
nach:<br />
• Einrichtungen mit Schwerpunktfunk tion<br />
<strong>und</strong><br />
• Einrichtungen zur Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Regelversorgung.<br />
Zu den Einrichtungen mit Schwerpunktaufgaben<br />
in der Unfallchirurgie zählten:<br />
- Hochschulkliniken,<br />
- Kliniken <strong>und</strong> Abteilungen an Bezirkskrankenhäusern,<br />
- Abteilungen an Kreiskrankenhäusern<br />
mit erweiterter Aufgabenstellung. Dieser<br />
Kreis integrierte r<strong>und</strong> 90 Krankenhäuser.<br />
Diesen Einrichtungen konnte<br />
organisatorische <strong>und</strong> fachliche Verantwortung<br />
für die Behandlung Arbeitsunfallverletzter<br />
uneingeschränkt übertragen<br />
werden. Aufgr<strong>und</strong> gegliederter<br />
Strukturen mit Schwerpunktkompetenz<br />
zur spezialisierten Behandlung Verletzter<br />
bestanden gute Voraussetzungen<br />
für die Wahrnehmung qualifizierter unfallchirurgischer<br />
Aufgaben im Rahmen<br />
des Verletzungsartenverfahrens.<br />
2. Die fachliche Kompetenz fußte auf<br />
dem Erwerb der besonderen unfallchirurgischen<br />
Qualifizierung der Subspezialisierung<br />
Traumatologie. Zum Zeitpunkt<br />
der Vereinigung Deutschlands am 03.<br />
Oktober 1990 existierten in östlichen wie<br />
westlichen Landesteilen des vereinten<br />
Deutschlands Weiterbildungsordnungen<br />
für Unfallchirurgie, die konzeptionell <strong>und</strong><br />
inhaltlich durchaus vergleichbare Maßstäbe<br />
besaßen. So war die Gestaltung der<br />
Weiterbildung zum qualifizierten Unfallchirurgen<br />
in der Vergangenheit im Osten<br />
wie im Westen durch die Überzeugung<br />
der Verantwortlichen bestimmt, das eine<br />
schwerpunktmäßige <strong>und</strong> qualifizierte<br />
ärztliche Tätigkeit in der Unfallchirurgie<br />
unabdingbare Voraussetzung für die Optimierung<br />
der Behandlung Verletzter darstelle.<br />
3. Bei der Standortbestimmung der räumlichen<br />
<strong>und</strong> apparativen Kapazitäten musste<br />
allerdings davon ausgegangen werden,<br />
dass zunächst nur Mindestanforderungen<br />
vorausgesetzt werden konnten <strong>und</strong> gewisse<br />
Einschränkungen an die Anforderungsprofile<br />
zugestanden werden mussten.<br />
Die Zulassung der Krankenhäuser war<br />
daher in zahlreichen Fällen vorerst mit<br />
Auflagen verb<strong>und</strong>en.<br />
4. Die Bestellung zum D-Arzt setzte keine<br />
Subspezialisierung, wohl aber eine<br />
2-jährige Betätigung von Fachärzten für<br />
Chirurgie in der klinischen Unfallchirurgie<br />
voraus, um damit Bedingungen der<br />
Qualität für die stationäre <strong>und</strong> ambulante<br />
Behandlung von Arbeitsunfallverletzten<br />
außerhalb der Zulassung zum Verletzungsartenverfahren<br />
zu schaffen. Zusätzlich<br />
galt die erforderliche Ausstattung des<br />
Arbeitsplatzes als wesentliches Kriterium<br />
der Bestellung zum D-Arzt.<br />
– Der Stand am Aufbau der gesetzliche<br />
Unfallversicherung spiegelte sich bereits<br />
1992, mehr noch 1994 nach erhobenen<br />
Analysen in einem dem territorialen Gefüge<br />
<strong>und</strong> zu versorgender Bevölkerungsdichte<br />
angemessenen Umfang wider.<br />
– In den vier Landesverbandsbereichen<br />
Berlin-Brandenburg <strong>und</strong> Mecklenburg-<br />
Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />
<strong>und</strong> Thüringen waren 1992 zunächst 605,<br />
1994 bereits 755 D-Ärzte tätig (in stationären<br />
Einrichtungen 272, in ambulanten<br />
Einrichtungen 483). Dieser Anteil von 64<br />
% stand dem Prozentanteil von 67,5 % in<br />
den alten B<strong>und</strong>esländern nur gering nach.<br />
– Die Zahl der zum VA-Verfahren zugelassenen<br />
Einrichtungen betrug Ende 1994<br />
42,2 % (Anzahl 132 von 313 Abteilungen).<br />
In den alten B<strong>und</strong>esländern angesichts<br />
höherer Bevölkerungsdichte 58,4 % (1., 2.).<br />
– Für BGSW-Verfahren waren in den östlichen<br />
B<strong>und</strong>esländern per 31.12.1994 26<br />
Einrichtungen bestimmt worden. Dieser<br />
Anteil machte r<strong>und</strong> 1/3 aller in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
für BGSW-Verfahren verfügbaren<br />
Einrichtungen aus.<br />
Über chirurgisches Fachwissen <strong>und</strong> operative<br />
Fertigkeiten auch die sozialen<br />
Rechtsgr<strong>und</strong>lagen zu berücksichtigen <strong>und</strong><br />
chirurgische Verantwortung im System<br />
der gesetzlichen Unfallversicherung mit<br />
sozialrechtlicher Kompetenz <strong>und</strong> gutachterlichem<br />
Sachverstand zu paaren, hat zunächst<br />
eine anspruchsvolle Anforderung<br />
bedeutet. Nach etwa 2-3-jährigem Wirken<br />
galten gewisse Anfangsschwierigkeiten als<br />
weitgehend überw<strong>und</strong>en.<br />
Die in doch kurzer Zeit nachweisliche respektable<br />
Angleichung der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung in den östlichen B<strong>und</strong>esländern<br />
verlief bei rückwirkender Einschätzung<br />
weitgehend reibungslos <strong>und</strong><br />
offenbarte nach kurzem Zeitraum noch geringe<br />
Niveauunterschiede zu den alten B<strong>und</strong>esländern.<br />
Dafür sprachen drei Umstände:<br />
– die Voraussetzung <strong>und</strong> der Bestand einer<br />
Subspezialisierung Traumatologie mit<br />
ebenbürtiger personeller Qualifikation,<br />
– die dankenswerte Unterstützung durch<br />
die entsprechenden Verwaltungen der<br />
Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> engagierter<br />
ärztlicher Kollegen in den alten B<strong>und</strong>esländern,<br />
die ihre langjährigen Erfahrungen<br />
in die Aufbauphase einbrachten.<br />
– das unübersehbare Engagement <strong>und</strong> die<br />
Bereitschaft, die ostdeutsche Unfallchirurgen<br />
für die Realisierung der neuen Aufgabe<br />
an den Tag legten,<br />
– letztlich der Umstand, dass der Aufbau<br />
der gesetzlichen Unfallversicherung in<br />
einer Rückkoppelung zur Aktivierung der<br />
fachlichen Entwicklung in den östlichen<br />
Ländern beigetragen hat. Hervorzuheben<br />
sind:<br />
• die Einführung der Luftrettung,<br />
• die Errichtung spezieller BG-licher stationärer<br />
Strukturen (BG-Kliniken Berlin<br />
Marzahn <strong>und</strong> Halle, Brandverletzten-<br />
Zentren) sowie stationärer Kapazitäten<br />
zu erweiterten Rehabilitation.<br />
– Das gemeinsame Verständnis zu existentiellen<br />
Positionen der Unfallchirurgie in<br />
den östlichen wie westlichen Landesteilen<br />
trug wesentlich zur Bewältigung einer<br />
sicher anspruchsvollen Aufgabe bei,<br />
ein als vorbildlich akzeptiertes System<br />
medizinischer <strong>und</strong> sozialer Rehabilitation<br />
Verletzter im östlichen Teil Deutschlands<br />
in bemerkenswert kurzem Zeitraum aufzubauen.<br />
Dr. med. K. Welz<br />
Finsterwalder Str. 45a<br />
03048 Cottbus<br />
Literatur<br />
1. Nehls, J. Die Situation der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />
in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der Dt. <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Unfallheilk<strong>und</strong>e. Heft 25 (1992) 29–32<br />
110<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
2. Nehls, J. Die Entwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in den neuen B<strong>und</strong>esländern aus<br />
Sicht der gesetzlichen Unfallversicherung. Berichte<br />
über unfallmedizinische Tagungen in Mainz<br />
(1992) 115–123<br />
3. Probst, J. Errichtung der BG Unfallklinik Berlin-<br />
Marzahn. <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der Dt.<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e. 13, 24 (1991),<br />
35–37<br />
4. Welz, K. Entwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in den neuen B<strong>und</strong>esländern aus ärztlicher<br />
Sicht. Schriftenreihe Unfallmedizinischer<br />
Tagungen der Landesverbände 81 (1992) 125–135<br />
<strong>und</strong> Unfallchirurgie 1 (1993) 54–59<br />
5. Welz, K. Der Aufbau der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
in den östlichen B<strong>und</strong>esländern.<br />
Langenbeck’s Archiv Chirurgie, Supplement (Kongressbericht<br />
1995) 685–691<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 111
Autoren des Supplements<br />
mit Bild <strong>und</strong> Curriculum<br />
Burgkhardt, Michael<br />
Dr. med.,<br />
geb. am 20.6.1945 in<br />
Pößneck/Thüringen<br />
1964–1968 Hilfspfleger an den<br />
Universitätskliniken Leipzig<br />
1965–1967 Volkshochschule Leipzig<br />
1967 Abitur Volkshochschule Leipzig<br />
1968–1975 Medizinstudium an der<br />
Karl-Marx-Universität Leipzig<br />
1975 Medizinische Approbation in Leipzig<br />
1975–1982 Facharztausbildung Urologie an den<br />
Universitätskliniken Leipzig<br />
1978 Medizinisches Diplom Universität<br />
Leipzig<br />
1981 Facharzt für Urologie<br />
1982–1983 Ärztlicher Leiter der Schnellen<br />
Medizinischen Hilfe (SMH) in<br />
Pößneck/Thüringen<br />
1983 Promotion an der Akademie für<br />
Ärztliche Fortbildung der DDR,<br />
Berlin<br />
1983–1986 Allgemeinmedizinische Tätigkeit an<br />
der Poliklinik Leipzig-Ost<br />
1986–1990 Ärztlicher Direktor der Poliklinik<br />
Leipzig-Ost<br />
1990–1991 Leiter der Landesrettungsschule<br />
Sachsen e.V. in Leipzig<br />
1991–1993 Ärztlicher Leiter Rettungsdienst der<br />
Stadt Leipzig<br />
1993 Niederlassung als Praktischer Arzt in<br />
Leipzig<br />
2003 Facharzt für Allgemeinmedizin<br />
2003 Niederlassung Gemeinschaftspraxis<br />
für Allgemeinmedizin <strong>und</strong><br />
Gynäkologie (mit Ehefrau)<br />
Fachk<strong>und</strong>e Leitender Notarzt, Strahlenschutz<br />
<strong>und</strong> Sonographie; Zusatzbezeichnungen<br />
Notfallmedizin <strong>und</strong> Suchtmedizin;<br />
Qualifikationen: „Medical examiner for divers“,<br />
“Reisemedizin, Verkehrsmedizinischer Gutachter,<br />
Psychosomatische Gr<strong>und</strong>versorgung, Übende<br />
Verfahren/autogenes Training, Ärztlicher Leiter<br />
Rettungsdienst“<br />
Zahlreiche Lehrtätigkeiten, u. a. Taktikausbildung<br />
Ärztekammer für Kärnten/Österreich;<br />
Refresherkurse für Leitende Notärzte<br />
Funktionen:<br />
– Prüfungsausschutzvorsitzender Notfallmedizin<br />
der Sächsischen LÄK<br />
– Ausschussvorsitzender Notfall- <strong>und</strong><br />
Katastrophenmedizin der Sächsischen LÄK<br />
– Redaktionsausschussmitglied der Zeitschrift<br />
„DER NOTARZT“<br />
– Stellvertretender Prüfungsvorsitzender für<br />
Rettungsassistenten Regierungspräsidium<br />
Leipzig<br />
– Vorstandsmitglied der AG Sächsischer Notärzte<br />
e. V.<br />
– Lehrbeauftragter für das Fach Allgemeinmedizin<br />
Universität Leipzig<br />
– Aufsichtsratsmitglied Klinikum St. Georg<br />
Leipzig gGmbH<br />
– Stellvertretender Vorsitzender der B<strong>und</strong>esvereinigung<br />
der Notarztarbeitsgemeinschaften<br />
Deutschlands (BAND) e. V.<br />
– Mitglied im Beirat für den Brandschutz,<br />
Rettungsdienst <strong>und</strong> Katastrophenschutz im<br />
Freistaat Sachsen<br />
– Mitglied im Drogenbeirat der Stadt Leipzig<br />
– Ehrenvorsitzender des Kriseninter ventionsteams<br />
Leipzig e. V.<br />
Franke, Kurt<br />
Prof. Dr. med., OMR,<br />
geb. am 27.10.1926<br />
in Berlin; gest. am<br />
5.3.2008 in Berlin<br />
1943–1944 Luftwaffenhelfer mit Notabitur<br />
1944–1945 Marinesoldat <strong>und</strong> britische<br />
Gefangenschaft<br />
1946–1951 Medizinstudium an der Humboldt-<br />
Universität Berlin<br />
1951 Promotion<br />
1952–1958 Weiterbildung zum Facharzt für<br />
Chirurgie im Stadtkrankenhaus<br />
Meißen (Chefarzt Dr. Krohn) <strong>und</strong> im<br />
Städtischen Krankenhaus<br />
Berlin-Friedrichshain (Prof. Klose;<br />
Prof. Janik)<br />
1961–1963 Oberarzt der Chirurgischen Klinik<br />
Berlin-Buch (Dr. Weber)<br />
1964–1991 Chefarzt der Chirurgischen Klinik,<br />
gleichzeitig<br />
1967–1991 Leiter der Abteilung für<br />
Sporttraumatologie im Städtischen<br />
Krankenhaus Berlin-Pankow<br />
1961–1980 Chefredakteur der Zeitschrift<br />
„Medizin <strong>und</strong> Sport“<br />
1969 Habilitation<br />
1977 Berufung zum Professor für<br />
Chirurgie/Unfallchirurgie<br />
1984–1986 Vorsitzender der Berliner<br />
Chirurgischen <strong>Gesellschaft</strong><br />
1986–1988 Vorsitzender der Sektion Traumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR<br />
1984–1991 Vorstandsmitglied der ESKA<br />
(European Society of Knee Surgery<br />
and Arthroscopy)<br />
1981–1990 Mitglied der „WHO-advisory group<br />
on accident prevention”<br />
Betreuung von 11 Habilitanden <strong>und</strong> 75<br />
Doktoranden<br />
Verfasser mehrerer Fachbücher <strong>und</strong> des autobiographischen<br />
Buches „Chirurg am linken Ufer der<br />
Panke“ (Verlag Das Neue Berlin, 2002)<br />
Grafe, Sieghart<br />
Gottgetreu<br />
Prof. Dr. med.,<br />
OMR, geb. am<br />
15.8.1935 in Bautzen<br />
1953–1958 Medizinstudium in Halle<br />
1958 Promotion<br />
1961–1965 Ausbildung zum Facharzt an der<br />
Chirurgischen Klinik der<br />
Martin-Luther-Universität<br />
in Halle (Prof. Mörl)<br />
1965 Facharzt für Chirurgie<br />
1965–1978 Wissenschaftlicher Assistent der<br />
Chirurgischen Klinik der Martin-<br />
Luther-Universität Halle <strong>und</strong> der<br />
Traumatologischen Abteilung (Prof.<br />
Sander)<br />
1976 Subspezialisierung Traumatologie<br />
1976 Berufung als Gründungsmitglied<br />
der Sektion DDR der AO-<br />
International<br />
1978–2001 Leitender Chefarzt <strong>und</strong> Chefarzt<br />
der Klinik für Chirurgie am<br />
Diakonissenhaus (später<br />
Diakonissen krankenhaus gGmbH)<br />
Leipzig<br />
1988 Habilitation<br />
1990 Hochschuldozent<br />
1990 Mitglied der DGU<br />
1991 Mitglied der Deutsch Sektion der<br />
AO-International<br />
1991 Facultas docendi<br />
1992 außerplanmäßige Professur<br />
1998 Mitpreisträger des Förderpreises des<br />
Richard-Merten-Preises<br />
2001 Ruhestand<br />
112<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
Kurz, Wolfgang<br />
Dr. s.c. med., MR, geb.<br />
am 25.11.1934 in<br />
Breslau<br />
1954–1959 Medizinstudium an der Humboldt-<br />
Universität in Berlin<br />
1960 Promotion<br />
Chirurgische Ausbildung in Lübben<br />
1966 Facharzt für Chirurgie<br />
1976–1990 Chefarzt der Chirurgischen Klinik<br />
der Spreewaldklinik<br />
1982 Subspezialisierung<br />
Traumatologie<br />
1979 Habilitation<br />
1983 Facultas docendi<br />
1989 Lehrauftrag für Chirurgie<br />
1990–1995 Ärztlicher Direktor der<br />
Spreewaldklinik Lübben<br />
1995 Facharzt für Viszeralchirurgie<br />
1987–1991 Vorsitzender der Arbeits gemeinschaft<br />
Kindertraumatologie<br />
der Sektion Traumatologie <strong>und</strong><br />
Kinderchirurgie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR<br />
1991–1998 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft,<br />
später Sektion Kindertraumatologie<br />
der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />
Mitglied mehrerer wissenschaftlicher<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en<br />
Ehrenmitglied der Ungarischen <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Kindertraumatologie<br />
Markgraf, Eberhard<br />
Univ.-Prof. Dr. med.,<br />
geb. am 2.4.1937 in<br />
Zwickau/Sachsen<br />
1955–1960 Medizinstudium in Leipzig<br />
1960 Promotion in Leipzig<br />
1961 Pflichtassistent am Bezirkskrankenhaus<br />
Meiningen<br />
1962–1964 Landarzt im Thüringer Wald<br />
1964–1965 wissenschaftlicher Assistent am<br />
Pathologischen Institut der<br />
Karl-Marx-Universität Leipzig<br />
(Prof. Holle)<br />
1965 Assistent an der Chirurgischen<br />
Klinik der Friedrich-Schiller-<br />
Universität Jena (Prof. Becker)<br />
1968 Facharzt für Chirurgie<br />
1976 Leiter der Abteilung für Traumatologie<br />
<strong>und</strong> der Abteilung für<br />
Physio- <strong>und</strong> Ergotherapie der<br />
Chirurgischen Klinik der FSU Jena<br />
1977 Habilitation<br />
1979 Subspezialisierung Unfallchirurgie<br />
1980 Mehrwöchentliche Hospitation an<br />
Unfallkrankenhäusern in Österreich<br />
1983 Dozentur<br />
1984–1990 Mitglied der Bezirksgutachterkommission<br />
Gera<br />
1987 außerordentlicher Professor für<br />
Chirurgie<br />
1990 Obmann der Sektion DDR der<br />
AO-International<br />
1988–1990 Stellvertretender Vorsitzender<br />
der Sektion Traumatologie der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR<br />
1990 Präsident des XII. Unfallchirurgenkongresses<br />
der DDR in Leipzig<br />
1990 Partner Ostdeutschlands bei<br />
den Verhandlungen über die<br />
Zusammenführung der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />
<strong>und</strong> der Sektion Traumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />
der DDR sowie der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Sektion <strong>und</strong> der Sektion DDR der<br />
AO-International. Über mehrere<br />
Jahre wissenschaftlicher Leiter<br />
der „Ostdeutschen AO-Seminare“<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Sektion der AO-<br />
International<br />
1991–2001 Member of the Board of Trustees of<br />
the AO-Fo<strong>und</strong>ation<br />
1992 Lehrstuhl für Unfallchirurgie<br />
(C-4-Professur) an der FSU Jena<br />
1992–2004 Direktor der Klinik für Unfall-, Hand<strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie<br />
1996 Präsident der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />
1995, 1997 Vizepräsident; seitdem Mitglied des<br />
Präsidiums der DGU<br />
Herausgeber <strong>und</strong> Mitherausgeber<br />
von mehreren wissenschaftlichen<br />
Zeitschriften<br />
Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en<br />
2004 Emeritierung<br />
2005–2007 Sprecher des Senats der DGU<br />
Ehrenmitglied<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie,<br />
der European Trauma Society (ETS) <strong>und</strong><br />
der Tschechischen <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Unfallchirurgie<br />
„Carl Thiem Gedenkmünze“ der DGU<br />
Miehle, Dietrich<br />
Doz. Dr. med. habil.,<br />
geb. am 4.12.1936 in<br />
Zwickau/Sachsen<br />
1955–1960 Medizinstudium in Leipzig <strong>und</strong><br />
Erfurt<br />
1961 Pflichtassistent Heinrich Braun<br />
Krankenhaus Zwickau<br />
1961 Promotion<br />
1961–1967 Allgemeinpraktisches Jahr im<br />
Landambulatorium Mosel<br />
Ausbildung zum Facharzt für<br />
Chirurgie am Heinrich Braun<br />
Krankenhaus Zwickau<br />
1967 Facharzt für Chirurgie<br />
1969 Oberarzt<br />
1975–1978 Chefarzt der Unfallchirurgischen<br />
Klinik am BKH Heinrich Braun in<br />
Zwickau<br />
1977 Subspezialisierung Traumatologie<br />
1978–1982 Delegierung an die Unfall chirurgische<br />
Klinik Karl-Marx-Stadt<br />
1982–1985 Delegierung an die Chirurgische<br />
Klinik der Humboldt-Universität<br />
Berlin, Charité<br />
1982 Habilitation an der Akademie für<br />
Ärztliche Fortbildung der DDR<br />
1988 Dozentur für Chirurgie an der<br />
Humboldt-Universität Berlin<br />
1986–1990 Chefarzt der Chirurgischen<br />
Klinik des Kreiskrankenhauses<br />
Lichtenstein/Sachsen<br />
1992 Niederlassung in einer chirurgischen<br />
<strong>und</strong> unfallchirurgischen<br />
Praxis in Zwickau; D-Arzt<br />
Preis für Medizin Karl-Marx-Stadt<br />
Virchowpreisträger<br />
Otto, Wieland<br />
Univ.-Prof. Dr. med.,<br />
geb. am 25.4.1942 in<br />
Halle<br />
1962–1968 Medizinstudium in Halle<br />
1968 Approbation als Arzt in Halle<br />
1968 Eintritt in die Chirurgische Universitätsklinik<br />
Halle (Prof. Schober)<br />
1969 Promotion<br />
1970–1989 Regelmäßige aktive Beteiligung<br />
(Instruktor, Referent) an den<br />
Halleschen AO-Kursen für Ärzte <strong>und</strong><br />
Pflegekräfte<br />
1973 Facharzt für Chirurgie<br />
1977 Subspezialisierung für<br />
Traumatologie<br />
1981 Oberarzt <strong>und</strong> stellvertretender<br />
Leiter der Traumatologischen<br />
Abteilung (Prof. Sander)<br />
1988 Kommissarischer Leiter der<br />
Abteilung für Traumatologie<br />
1988 Habilitation<br />
1989 Venia legendi <strong>und</strong> Leiter der<br />
Abteilung Traumatologie<br />
1989 Aufnahme in die Sektion DDR der<br />
AO-International<br />
1991 Übernahme in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />
der AO-International<br />
1992–2003 Wissenschaftliche Leitung der<br />
Halleschen AO-Kurse 10-21<br />
1993 Gründung der Klinik für Unfall<strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie<br />
des Klinikums der Martin-Luther<br />
Universität Halle/Wittenberg<br />
Einsetzung als kommissarischer<br />
Direktor<br />
1994 Universitätsprofessor für Chirurgie/<br />
Unfallchirurgie <strong>und</strong> geschäftsführender<br />
Direktor der Klinik für Unfall<strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 113
1996 Auslagerung der Klinik für Unfall<strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie in<br />
die BG-Kliniken „Bergmannstrost“<br />
in Halle. Lehrstuhlinhaber <strong>und</strong><br />
Direktor der BG-Klinik (bis 2005)<br />
2006 Rückkehr des Lehrstuhls an<br />
die Medizinische Fakultät der<br />
Universität Halle; Beschränktes<br />
Aufgabengebiet wegen Krankheit<br />
<strong>und</strong> Schwerbehinderung<br />
2007 Emeritierung<br />
2008 Ehrenmitglied der AO Deutschland<br />
Eine bedeutende Zahl wissenschaftlicher<br />
Publikationen <strong>und</strong> Vorträge; Anleitungen zu den<br />
praktischen Übungen der Halleschen AO-Kurse<br />
Paul, Karin<br />
geb. am 27.2.1942 in<br />
Markersdorf<br />
1958 Mittlere Reife<br />
1958–1962 Ausbildung zur Krankenschwester<br />
im Kreiskrankenhaus Rochlitz,<br />
Medizinische Fachschule Karl-Marx-<br />
Stadt<br />
1962 Staatsexamen<br />
1963–1975 Beginn der Tätigkeit im Bezirkskrankenhaus<br />
Dresden-Friedrichstadt<br />
als Zweitschwester der<br />
II. Medi zi nischen Klinik<br />
1975 Abteilungsschwester der HNO-<br />
Poliklinik Dresden-Friedrichstadt<br />
1983–1985 Auslandseinsatz Chirurgische<br />
Abteilung Provinzkrankenhaus Tete<br />
in Mosambik<br />
1985 Auszeichnung mit der Hufeland-<br />
Medaille<br />
1992–2000 Sachbearbeiterin für BG-Angelegenheiten<br />
in der Unfallklinik Dresden-<br />
Friedrichstadt<br />
2000 Ruhestand<br />
Paul, Dieter<br />
Priv.-Doz. Dr. med., MR,<br />
geb. am 16.4.1935 in<br />
Leipzig<br />
1948–1953 Mitglied des Thomanerchors Leipzig<br />
1953–1958 Medizinstudium in Leipzig<br />
1958 Promotion in Leipzig<br />
1959 Pflichtassistent im Krankenhaus<br />
Mittweida<br />
1960–1963 Chirurgische Facharztausbildung im<br />
Krankenhaus Rochlitz<br />
1963 Tätigkeit in der Chirurgischen<br />
Klinik Dresden Friedrichstadt (Prof.<br />
Schumann, Prof. Herzog)<br />
1965 Facharzt für Chirurgie<br />
1966 Oberarzt, mit der Entwicklung der<br />
Unfallchirurgie betraut<br />
1975 Subspezialisierung (Schwerpunkt)<br />
Traumatologie<br />
1981 Abteilungsleiter der Abteilung<br />
Unfall- <strong>und</strong> Wiederherstellungschirurgie<br />
1983 Habilitation (Prof. Knoch)<br />
1983–1985 Auslandseinsatz Chirurgische<br />
Abteilung Provinzkrankenhaus Tete<br />
in Mosambik<br />
1986 Facultas docendi der Akademie für<br />
Ärztliche Fortbildung der DDR<br />
1989 6 Monate Tätigkeit in Uganda<br />
1990 Privatdozent der Medizinischen<br />
Akademie Dresden<br />
1994–2000 Kommissarischer, ab 1995<br />
Chefarzt der Klinik für Unfall-,<br />
Wiederherstellungs- <strong>und</strong> Handchirurgie<br />
Krankenhaus Dresden<br />
Friedrichstadt<br />
2000 Ruhestand; ausgedehnte<br />
Gutachtertätigkeit für<br />
Sozialgerichte, Landesgerichte <strong>und</strong><br />
Schlichtungsstellen<br />
Vormals Mitglied der Sektion Traumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie DDR <strong>und</strong> der<br />
Sektion DDR der AO-International; nach 1990<br />
Mitglied der DGU <strong>und</strong> der <strong>Deutsche</strong>n Sektion<br />
der AO-International; Prüfungsvorsitzender<br />
Unfallchirurgie der LÄK Sachsen; D-Arzt <strong>und</strong><br />
Beratungsarzt mehrerer Berufsgenossenschaften;<br />
Vertragsgutachter Sächsisches Landessozialgericht<br />
<strong>und</strong> Sachverständigenrat der<br />
Schlichtungsstelle LÄK Dresden<br />
Probst, Jürgen<br />
Prof. Dr. med., geb. am<br />
19.1.1927 in Hannover<br />
1943–1945 Soldat<br />
1946–1952 Studium Veterinärmedizin, Medizin<br />
<strong>und</strong> Naturwissenschaften in<br />
Hannover <strong>und</strong> Mainz<br />
1952 Promotion Dr. med. in Mainz<br />
1954–1961 Chirurgische, orthopädische <strong>und</strong><br />
röntgenologische Ausbildung<br />
(Klinikum Sanderbusch, BG-Unfallklinik<br />
Murnau, Klinikum München<br />
rechts der Isar (Prof. Lob; Prof.<br />
Maurer, Prof. Schede)<br />
1961 Facharzt für Chirurgie<br />
1969 Schwerpunkt Unfallchirurgie<br />
1975–1980/<br />
1989–1997 Generalsekretär der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />
(DGU)<br />
1970/1993 Gründung der Unfalltagungen<br />
Murnau/Dresden<br />
1972 Habilitation TU München<br />
1969–1993 Ärztlicher Direktor der BG-<br />
Unfallklinik Murnau<br />
1977 Präsident der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Plastische <strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie<br />
1978–1998 Leiter des BG-Archivs (Lobsche<br />
Sammlung) mit zuletzt 200.000<br />
Literaturtiteln<br />
1982 Präsident der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />
1985 Schwerpunkt Physikalische Therapie<br />
1972–1999 Beratender Arzt BG-Landesverband<br />
Bayern <strong>und</strong> Sachsen<br />
1993 Facharzt Physikalische Medizin <strong>und</strong><br />
Rehabilitationsmedizin<br />
Bücher, Buchbeiträge <strong>und</strong> eine Vielzahl von<br />
Publikationen, Vorträgen <strong>und</strong> Beiträgen zu<br />
Unfallchirurgie, Rehabilitation, Physikalische<br />
Therapie, Krankenhaushygiene, Geschichte,<br />
Rechtsfragen <strong>und</strong> zur Begutachtung; Redaktion<br />
<strong>und</strong> Herausgeber der Kongressberichte der DGU<br />
1974–1980 <strong>und</strong> 1989; Gründung, Redaktion <strong>und</strong><br />
Herausgabe der „<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong>“<br />
der DGU 1979–1997<br />
Ehrungen:<br />
Korrespondierendes Mitglied Schweizerische<br />
<strong>und</strong> Österreichische <strong>Gesellschaft</strong>en für<br />
Unfallmedizin bzw. Unfallchirurgie <strong>und</strong> der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Wehrmedizin<br />
<strong>und</strong> Wehrpharmazie/Vereinigung <strong>Deutsche</strong>r<br />
Sanitätsoffiziere<br />
Ehrenmitgliedschaft: Bayerische<br />
Chirurgenvereinigung; <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Plastische <strong>und</strong> Wiederherstellungschirurgie;<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Unfallchirurgie; Thüringische <strong>Gesellschaft</strong><br />
für Chirurgie; Sächsische/ Mitteldeutsche<br />
Chirurgenvereinigung; B<strong>und</strong>esverband der für<br />
BG tätigen Ärzte; Griechische <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Orthopädie <strong>und</strong> Traumatologie; Küntscher-Kreis;<br />
Johann-Friedrich-Dieffenbach-Büste der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie;<br />
Goldene Medaille B<strong>und</strong>esverband der für BG<br />
tätigen Ärzte; Karl Schuchardt-Medaille der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Plastische <strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie; Ernst-von-<br />
Bergmann-Plakette der B<strong>und</strong>esärztekammer<br />
Staatliche Auszeichnungen:<br />
BVK a.B.; BVK I. Klasse, Gold. Ehrenzeichen<br />
Bayerisches Rotes Kreuz; Bayerische<br />
Staatsmedaille für Soziale Verdienste;<br />
Ehrenmedaille in Gold des Landkreises Garmisch-<br />
Partenkirchen<br />
Sandner, Karlheinz<br />
Prof. Dr. med., geb.<br />
am 21.7.1939 in<br />
Landwüst/Vogtland<br />
1957–1963 Medizinstudium in Leipzig<br />
1963 Promotion an der Karl-Marx-<br />
Universität in Leipzig<br />
1963–1964 Pflichtassistent am Anatomischen<br />
Institut der KMU Leipzig;<br />
Theoretische Vollapprobation<br />
114<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008
1964–1965 Pflichtassistent in der Medizinischen<br />
<strong>und</strong> Chirurgischen Klinik<br />
der KMU Leipzig; Klinische<br />
Vollapprobation<br />
Ausbildung zum Facharzt am<br />
Universitätsklinikum Leipzig<br />
1968 Facharzt für Chirurgie<br />
1979 Subspezialisierung Traumatologie<br />
1987 Habilitation<br />
1988 Oberarzt der Klinik für Chirurgie der<br />
KMU Leipzig<br />
1990 Facultas docendi<br />
1992 Kommissarischer Leiter der<br />
Traumatologischen Abteilung der<br />
Klinik für Chirurgie<br />
1993 Mai bis Dezember: Kommissarischer<br />
Direktor der Klinik III für Unfall- <strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie der<br />
Universität Leipzig<br />
1994–1996 1. Oberarzt der Klinik III für Unfall<strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie<br />
1995 Professur (C3) für Chirurgie mit<br />
Schwerpunkt Unfallchirurgie<br />
1996–1997 Kommissarischer Direktor<br />
der Klinik III für Unfall- <strong>und</strong><br />
Wiederherstellungs chirurgie<br />
1997–2000 1. Oberarzt der Klinik III für Unfall<strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie<br />
1999 Zusatzbezeichnung Handchirurgie<br />
2000–2007 Chefarzt der Abteilung Unfallchirurgie<br />
des Klinikum Mittleres<br />
Erzgebirge gGmbH, Haus Zschopau<br />
Organisatorischer Leiter der Unfallchirurgenkongresse<br />
der DDR von 1978 bis 1990<br />
(Prof. Markgraf)<br />
2001 Facharzt für Chirurgie<br />
2000 Fachk<strong>und</strong>e Tauchmedizin<br />
(Taucherarzt), Halle<br />
2003 Kurs Ärztlicher Leiter Rettungsdienst<br />
Jena<br />
2004 Oberarzt der Klinik für Unfall-,<br />
Hand- <strong>und</strong> Wiederherstellungschiru<br />
rgie des Klinikums der FSU Jena<br />
2004–2007 Ärztlicher Leiter der Zentralen<br />
Notaufnahme des Universitätsklinikums<br />
der FSU Jena<br />
2005 Erwerb der Zusatzbezeichnung<br />
Notfallmedizin<br />
2007 Ärztlicher Leiter der<br />
Interdisziplinären Zentralen<br />
Notaufnahme des<br />
Universitätsklinikums Jena<br />
2008 Promotion<br />
Mitarbeit in zahlreichen nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en <strong>und</strong> Gremien der<br />
Notfallmedizin; Wissenschaftlicher Leiter internationaler<br />
Kongresse für Notfallmedizin;<br />
Engagement in der DLRG<br />
Schulz, Frieder<br />
Priv.-Doz. Dr. med., geb.<br />
am 11.5.1944 in Jena<br />
1990 Hospitationen in Unfallkliniken in<br />
Österreich, der Unfallchirurgischen<br />
Klinik in Darmstadt <strong>und</strong> der<br />
Chirurgischen Universitätsklinik in<br />
Basel<br />
1993 Chefarzt der Chirurgischen<br />
Abteilung des Sophienkrankenhauses<br />
in Weimar<br />
1998 Chefarzt der Klinik für Unfall- <strong>und</strong><br />
Wiederherstellungschirurgie II des<br />
Sophien- <strong>und</strong> Hufeland-Klinikums<br />
Weimar<br />
2002 Chefarzt der zusammengelegten<br />
Kliniken für Unfall- <strong>und</strong> Wiederh<br />
erstellungschirurgie I <strong>und</strong> II des<br />
Sophien- <strong>und</strong> Hufeland-Klinikums<br />
Weimar<br />
Umfangreiche wissenschaftliche Leistungen<br />
(Publikationen <strong>und</strong> Vorträge); Ausrichtung<br />
mehrerer unfallchirurgisch-orthopädischer<br />
Symposien in Weimar<br />
Senst, Wolfgang<br />
Prof. Dr. med., OMR,<br />
geb. am 1.3.1934 in<br />
Reetz (Mark)<br />
Schäfer, Raik<br />
Dr. med. geb. am<br />
4.4.1965 in Weißenfels<br />
1983 Abitur<br />
1983–1986 Wehrdienst NVA<br />
1986–1992 Humanmedizinstudium an der FSU<br />
Jena<br />
1992–1993 Arzt im Praktikum, Klinik für<br />
Unfallchirurgie der FSU Jena<br />
1993 Junior House Officer, Stafford<br />
District General Hospital,<br />
Großbritannien<br />
1993–2001 Weiterbildung zum Facharzt am<br />
Klinikum der FSU Jena<br />
1995 Fachk<strong>und</strong>e Notfallmedizin Jena<br />
1995–2004 Lehrtätigkeit in der studentischen<br />
Ausbildung mit fakultativer<br />
Vorlesungsreihe „Notfallmedizin<br />
aus unfallchirurgischer Sicht“ sowie<br />
IDK Notfallmedizin<br />
1996 Organisatorischer Leiter der<br />
96. Tagung der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie in<br />
Berlin, dabei Organisator einer viel<br />
beachteten Repräsentation von<br />
Rettungselementen<br />
1998 Fachk<strong>und</strong>e Strahlenschutz<br />
1998 Kurs Leitender Notarzt Jena<br />
1999–2004 Ärztlicher Leiter des Nothilfezentrums<br />
des Klinikums der FSU<br />
1962 Abitur in Jena<br />
1963 Facharbeiterprüfung als<br />
Chemielaborant<br />
1963–1964 Vorpraktisches Jahr in der Chirurgischen<br />
Universitätsklinik Jena<br />
1964–1970 Medizinstudium in Jena <strong>und</strong> Halle<br />
1970 Approbation in Halle<br />
1970–1974 Assistenzarzt in der Chirurgischen<br />
Universitätsklinik Jena<br />
1973 Dipl.-Med.<br />
1974 Promotion (Universität Halle)<br />
1975 Facharzt für Chirurgie<br />
1975–1977 Allgemeinchirurgische Tätigkeit <strong>und</strong><br />
ab<br />
1977 Mitarbeit in der Abteilung für<br />
Traumatologie der Chirurgischen<br />
Universitätsklinik Jena<br />
1981 Subspezialisierung Traumatologie<br />
1985 Habilitation an der Medizinischen<br />
Fakultät der Friedrich-Schiller-<br />
Universität Jena<br />
1986 Tätigkeit im Wissenschaftlichen<br />
Zentralinstitut für Orthopädie <strong>und</strong><br />
Traumatologie der Universität Riga/<br />
Lettland<br />
1987 Oberarzt der Chirurgischen<br />
Universitätsklinik Jena<br />
1988 Facultas docendi<br />
1987–1990 Viszeralchirurgische Tätigkeit in der<br />
Universitätsklinik Jena<br />
1990 1. Oberarzt der Klinik für Unfall-,<br />
Hand- <strong>und</strong> Wiederherstellungschirurgie<br />
der FSU Jena (Prof. Markgraf)<br />
1990 Ernennung zum Privatdozenten<br />
1952 Abitur in Wiesenburg (Mark)<br />
1952–1957 Medizinstudium in Leipzig<br />
1957 Promotion Karl-Marx-Universität<br />
Leipzig<br />
1958 Pflichtassistent im Kreiskrankenhaus<br />
Rochlitz/Sachsen<br />
1959–1960 Ambulantes Pflichtjahr im Landambulatorium<br />
Geringswalde<br />
1960–1961 Schiffsarzt der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Seerederei Rostock<br />
1961–1965 Chirurgische Ausbildung im<br />
Kreiskrankenhaus Mittweida <strong>und</strong><br />
ab 1963 an der Chirurgischen<br />
Universitätsklinik der Ernst-Moritz-<br />
Arndt-Universität Greifswald<br />
1965 Facharzt für Chirurgie<br />
1966–1969 Oberarzt<br />
1969–1974 1. Oberarzt der Klinik<br />
1971–1974 Leiter der Abteilung Traumatologie<br />
der Universitätsklinik für Chirurgie<br />
Greifswald<br />
1972 Habilitation<br />
1976 Honorardozentur<br />
1982 Honorarprofessur<br />
1975–1990 Mitglied der „Zentralen Fachkommission<br />
Chirurgie der DDR“<br />
1974–1999 Chefarzt der Klinik für Chirurgie des<br />
Klinikums Frankfurt/O<br />
1974–1989 Vorsitzender der Bezirks fachkommission<br />
Chirurgie (Frankfurt/O)<br />
1975–1990 Mitglied der Bezirksgutachterkommission<br />
(Frankfurt/O)<br />
1968–1990 Mitglied des Vorstands bzw. des<br />
Erweiterten Vorstands der Sektion<br />
Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR<br />
1980–1984 Vorsitzender der Sektion<br />
Traumatologie<br />
DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 115
1980–1989 Mitglied des Redaktionskollegiums<br />
der Zeitschrift „Beiträge zur<br />
Orthopädie <strong>und</strong> Traumatologie“<br />
1982–1990 Vorsitzender der Zentralen Fachkommission<br />
Chirurgie der DDR, in<br />
dieser Funktion a.o. Mitglied des<br />
Vorstands der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR<br />
1991–1999 Mitglied Prüfungsausschuss<br />
Chirurgie <strong>und</strong> Unfallchirurgie der<br />
Ärztekammer Brandenburg<br />
Mitglied in mehreren nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />
wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
Ehrenmitglied der Polnischen <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Orthopädie <strong>und</strong> Traumatologie<br />
Welz, Klaus<br />
Dr. med., OMR, geb. am<br />
31.1.1934 in Berlin<br />
1952–1957 Medizinstudium an der Humboldt-<br />
Universität Berlin<br />
1958 Beginn ärztliche Tätigkeit am<br />
Bezirkskrankenhaus Cottbus<br />
1958 Promotion an der Humboldt-<br />
Universität Berlin<br />
1963 Facharzt für Chirurgie<br />
1964 Oberarzt der Chirurgischen Klinik<br />
Cottbus (Prof. Welcker)<br />
1964–1970 Spezielle Qualifizierung in der<br />
Unfallchirurgie bei Prof. Dr. Sander,<br />
Frau Prof. Büchter, Halle, <strong>und</strong> Prof.<br />
Manninger, Budapest; weitere<br />
Hospitationen in Kosice, Graz, St.<br />
Gallen, Bern, Davos<br />
1971 Chefarzt der Klinik für Unfall-,<br />
Wiederherstellungs- <strong>und</strong><br />
Handchirurgie am Carl-Thiem-<br />
Klinikum Cottbus<br />
1973 Subspezialisierung Traumatologie<br />
<strong>und</strong> Berufung zum 1. Vorsitzenden<br />
der „Zentralen Fachgruppe für<br />
Traumatologie“ an der „Akademie<br />
für Ärztliche Fortbildung (AfÄF)“<br />
1974 Stellvertretender Vorsitzender der<br />
Sektion DDR der AO-International<br />
1974–1978 2. Vorsitzender der Sektion<br />
Trauma tologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Chirurgie der DDR<br />
1975–1989 Mitglied des Redaktionskollegiums<br />
der Zeitschrift „Zentralblatt für<br />
Chirurgie“<br />
1978–1990 Sekretär der Sektion Traumatologie<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der<br />
DDR<br />
1991–1999 Mitglied des Redaktionsbeirates der<br />
Zeitschrift „Unfallchirurgie“<br />
1991–1999 Vorsitzender des Fachausschusses<br />
<strong>und</strong> der Prüfungskommission<br />
Unfallchirurgie der LÄK<br />
Brandenburg<br />
1991–1998 Mitglied des „Nichtständigen<br />
Beirats“ des Präsidiums der DGU<br />
1992–1997 Mitglied des Beirats der „<strong>Deutsche</strong>n<br />
Sektion der AO-International“<br />
1995–1999 Wissenschaftliche <strong>und</strong> organisatorische<br />
Leitung des 5. <strong>und</strong> 10.<br />
„Ostdeutschen AO-Seminars“ in<br />
Cottbus<br />
1999 Wissenschaftliche <strong>und</strong> organisatorische<br />
Leitung der 9. Sommertagung<br />
der „Berliner Chirurgischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>“ in Cottbus<br />
1999 Emeritierung nach 42 Dienstjahren<br />
am Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus<br />
2000 Verleihung der „Carl-Thiem-<br />
Gedenkmünze“ der DGU<br />
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