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Mitteilungen und Nachrichten - Deutsche Gesellschaft für ...

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30. Jahrgang<br />

Supplement 1<br />

September 2008<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie e. V.<br />

<strong>Mitteilungen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong><br />

Supplement<br />

Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie<br />

in der DDR<br />

Herausgegeben von:<br />

Prof. Dr. E. Markgraf, Jena<br />

Prof. Dr. W. Otto, Dieskau<br />

Dr. K. Welz, Cottbus<br />

h


<strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Unfallchirurgie e. V.<br />

Supplement<br />

Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie in der DDR<br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong><br />

30. Jahrgang<br />

Supplement 1<br />

September 2008<br />

Schriftleitung:<br />

Prof. Dr. Hartmut Siebert,<br />

Schwäbisch Hall<br />

Redaktion:<br />

Dipl.-Pol. Joachim Arndt,<br />

Berlin<br />

Herausgeber des<br />

Supplements:<br />

Prof. Dr. E. Markgraf, Jena<br />

Prof. Dr. W. Otto, Kabelsketal<br />

Dr. K. Welz, Cottbus<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Grußwort<br />

A. Ekkernkamp, H. Siebert<br />

2 Geleitwort<br />

J. Probst<br />

3 Vorwort<br />

E. Markgraf, W. Otto, K. Welz<br />

4 <strong>Gesellschaft</strong>liche Konditionen –<br />

Teil 1<br />

W. Otto<br />

6 <strong>Gesellschaft</strong>liche Konditionen –<br />

Teil 2<br />

K. Welz<br />

8 Aufbau des staatlichen<br />

Ges<strong>und</strong>heits wesens der DDR<br />

W. Senst, K. Welz<br />

15 Unfallchirurgie an den Hochschuleinrichtungen<br />

der DDR<br />

E. Markgraf, W. Otto<br />

24 Die Rolle der konfessionellen<br />

Krankenhäuser in der DDR<br />

S. Grafe<br />

26 Die medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en in der DDR<br />

K. Sandner, W. Senst, E. Markgraf<br />

31 Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

K. Welz<br />

37 Kongresse – Tagungen mit<br />

internationaler Beteiligung<br />

K. Sandner, E. Markgraf, W. Senst<br />

43 Unfallchirurgische Aktivitäten<br />

<strong>und</strong> Erfahrungen in Mosambik<br />

<strong>und</strong> Uganda<br />

D. Paul, K. Paul<br />

48 Erinnerungen an mein Zusatzstudium<br />

im Lettischen wissenschaftlichen<br />

Institut für Traumatologie<br />

<strong>und</strong> Orthopädie in Riga<br />

F. Schulz<br />

51 Die Sektion DDR der<br />

AO-International<br />

W. Otto, E. Markgraf<br />

58 Sporttraumatologie in der DDR<br />

K. Franke<br />

64 Voraussetzungen für die operative<br />

Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie in<br />

der DDR<br />

W. Otto<br />

67 Die Entwicklung der externen<br />

Knochenfixation in der DDR<br />

D. Miehle<br />

70 Studienreise nach Nicaragua<br />

D. Miehle<br />

72 Begutachtung<br />

W. Senst<br />

76 Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft<br />

Kindertraumatologie<br />

W. Kurz<br />

80 Die Unfallchirurgie als Wurzel der<br />

außerklini schen Notfallversorgung<br />

in Ost deutschland<br />

M. Burgkhardt, R. Schäfer<br />

85 Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />

<strong>und</strong> ihre Verbindungen<br />

zu den Unfallchirurgen in der DDR<br />

1950 – 1990<br />

J. Probst<br />

98 Unfallchirurgie in der Zeit der<br />

Wiedervereinigung Deutschlands<br />

E. Markgraf<br />

109 Einführung <strong>und</strong> Aufbau der<br />

gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />

K. Welz<br />

112 Autoren des Supplements mit Bild<br />

<strong>und</strong> Curriculum


Impressum<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Unfallchirurgie e. V.<br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong><br />

30. Jahrgang<br />

Schriftleitung<br />

Prof. Dr. med. Hartmut Siebert<br />

Chirurgische Klinik II<br />

Diakonieklinikum<br />

Heilbronnerstr. 100<br />

74523 Schwäbisch Hall<br />

E-Mail: hsiebert@diaksha.de<br />

Verlag<br />

Georg Thieme Verlag KG<br />

Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder<br />

Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart<br />

Tel.: (07 11) 89 31-0<br />

Fax: (07 11) 89 31-298<br />

http://www.thieme.de<br />

http://www.thieme.de/fz/dgunfall<br />

Copyright<br />

Die Zeitschrift <strong>und</strong> alle in ihr enthaltenen<br />

einzelnen Beiträge <strong>und</strong> Abbildungen sind<br />

für die Dauer des Urheberrechts geschützt.<br />

Jede Verwertung außerhalb der engen<br />

Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist<br />

ohne Zustimmung des Verlages unzulässig<br />

<strong>und</strong> strafbar. Das gilt insbesondere für<br />

Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />

<strong>und</strong> die Einspeicherung <strong>und</strong><br />

Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Redaktion<br />

Dipl.-Pol. Joachim Arndt<br />

DGU-Geschäftsstelle<br />

Langenbeck-Virchow-Haus<br />

Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin<br />

Tel.: (0 30) 28 00-430 <strong>und</strong> -431<br />

Fax: (0 30) 28 00-43 06<br />

E-Mail: dgunfallchirurgie@dgu-online.de<br />

Verantwortlich für den Anzeigenteil<br />

Thieme.media<br />

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Christine Volpp<br />

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Printed in Germany<br />

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Friedrichstr. 11/12, 06366 Köthen<br />

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Allgemeine Informationen<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie e. V.<br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong>, 1436-6142,<br />

erscheint 2-mal im Jahr.<br />

Wichtiger Hinweis<br />

Wie jede Wissenschaft ist die Medizin<br />

ständigen Entwicklungen unterworfen.<br />

Forschung <strong>und</strong> klinische Erfahrung<br />

erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere<br />

was Behandlung <strong>und</strong> medikamentöse<br />

Therapie anbelangt. Soweit in<br />

diesem Heft eine Dosierung oder eine<br />

Applikation erwähnt wird, darf der Leser<br />

zwar darauf vertrauen, dass Autoren,<br />

Herausgeber <strong>und</strong> Verlag große Sorgfalt<br />

darauf verwandt haben, dass diese<br />

Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung<br />

der Zeitschrift entspricht. Für<br />

Angaben über Dosierungsanweisungen<br />

<strong>und</strong> Applikationsformen kann vom Verlag<br />

jedoch keine Gewähr übernommen<br />

werden. Jeder Benutzer ist angehalten,<br />

durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel<br />

der verwendeten Präparate <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls nach Konsultation eines<br />

Spezialisten festzustellen, ob die dort<br />

gegebene Empfehlung für Dosierungen<br />

oder die Beachtung von Kontraindikationen<br />

gegenüber der Angabe in dieser<br />

Zeitschrift abweicht. Eine solche Prüfung<br />

ist besonders wichtig bei selten verwendeten<br />

Präparaten oder solchen, die neu<br />

auf den Markt gebracht worden sind.<br />

Jede Dosierung oder Applikation erfolgt<br />

auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren<br />

<strong>und</strong> Verlag appellieren an jeden Benutzer,<br />

ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten<br />

dem Verlag mitzuteilen.<br />

48,–<br />

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Information für unsere Leser<br />

Wir bitten unsere Abonnenten, Adressänderungen<br />

dem Abonnentenservice mitzuteilen,<br />

um eine reibungslose Zustellung der<br />

Zeitschrift zu gewährleisten.<br />

Marken, geschäftliche Bezeichnungen oder<br />

Handelsnamen werden nicht in jedem Fall<br />

besonders kenntlich gemacht. Aus dem<br />

Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht<br />

geschlossen werden, dass es sich um einen<br />

freien Handelsnamen handelt.<br />

Informationen für Autoren<br />

Manuskripteinreichung:<br />

an die Schriftleitung<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich werden nur solche Manuskripte<br />

angenommen, die vorher weder im<br />

Inland noch im Ausland (in vollem Umfang,<br />

in ähnlicher Form oder in jedweder anderen<br />

Medienform) veröffentlicht worden sind.<br />

Die Manuskripte dürfen auch nicht gleichzeitig<br />

anderen Publikationsorganen zur Publikation<br />

angeboten werden.<br />

Soweit Abbildungen aus anderen Veröffentlichungen<br />

entnommen sind, räumt der Verfasser<br />

dem Verlag lediglich das nicht ausschließliche<br />

Nutzungsrecht im Umfang des<br />

vorstehenden Absatzes ein. Der Verfasser<br />

ist für die vollständige Quellenangabe sowie<br />

die Einholung der schriftlichen Einwilligung<br />

des anderen Verlages zu den vorstehenden<br />

Rechtsräumungen verantwortlich<br />

<strong>und</strong> weist diese dem Verlag nach.<br />

© Georg Thieme Verlag KG<br />

Stuttgart • New York 2008<br />

48,–<br />

(68,80)<br />

Mitglieder folgender <strong>Gesellschaft</strong>en erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft:<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie e. V.<br />

Einzelheft 28,– € (D) zuzüglich Versandkosten ab Verlagsort, unverbindlich empfohlener Preis;<br />

inklusive 7 % Mehrwertsteuer.<br />

* in € (D); unverbindlich empfohlene Preise; inklusive 7 % Mehrwertsteuer. Das Abonnement wird zum Jahreswechsel<br />

im Voraus berechnet <strong>und</strong> zur Zahlung fällig. Das Abonnement kann jederzeit begonnen werden. Die Bezugsdauer verlängert<br />

sich automatisch jeweils um ein Jahr, wenn bis zum 30. September des Vorjahres keine Abbestellung vorliegt.<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Grußwort<br />

A. Ekkernkamp, H. Siebert<br />

Fast 19 Jahre nach dem Fall der Berliner<br />

Mauer erscheinen die von vielen erwarteten<br />

„Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie<br />

in der DDR“.<br />

Wer hätte dies kompetenter <strong>und</strong> authentischer<br />

abhandeln können als die drei Herausgeber<br />

Eberhard Markgraf, Jena (Präsident<br />

der DGU 1996), Wieland Otto, Halle,<br />

<strong>und</strong> Klaus Welz, Cottbus.<br />

Wesentliche Kapitel wurden von den Herausgebern<br />

selbst verfasst, darüber hinaus<br />

ist es ihnen gelungen, alle wichtigen Facetten<br />

der DDR-Unfallchirurgie zu beleuchten<br />

<strong>und</strong> Autoren zu gewinnen, für die der Begriff<br />

Zeitzeuge nicht übertrieben ist.<br />

Die Realisierung dieses ehrgeizigen Projektes<br />

ist zu einem maßgeblichen Teil dem<br />

langjährigen Generalsekretär der DGU,<br />

Herrn Prof. Dr. med. Jürgen Probst, Murnau,<br />

zu verdanken. Dieser hat vor der deutschen<br />

Wiedervereinigung nach Kräften den wissenschaftlichen<br />

Austausch <strong>und</strong> kontinuierlichen<br />

Dialog zwischen den Unfallchirurgen<br />

im Osten <strong>und</strong> Westen gefördert. In<br />

den frühen 90er Jahren hat der „General“<br />

dafür gesorgt, dass die neu hinzugekommenen<br />

Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen rasch in<br />

die DGU integriert werden konnten – unter<br />

den wissenschaftlichen Fachgesellschaften<br />

keineswegs selbstverständlich. Durch Interesse<br />

<strong>und</strong> Zuwendung ist es den Herren<br />

Probst <strong>und</strong> Kurz aus Lübben gelungen, die<br />

Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie<br />

der DDR als interdisziplinäre Sektion in die<br />

DGU zu überführen, wovon die jungen Unfallchirurginnen<br />

<strong>und</strong> Unfallchirurgen, Kinderchirurginnen<br />

<strong>und</strong> Kinderchirurgen noch<br />

heute profitieren.<br />

Herausgebern <strong>und</strong> Autoren sei für die enorme<br />

Mühe, die mit aufwendigen Recherchen<br />

verb<strong>und</strong>en gewesen ist, gedankt. Dem Thieme-Verlag<br />

ist es gelungen, die Präsentation<br />

wirklich ansehnlich zu gestalten.<br />

Den Leserinnen <strong>und</strong> Lesern wünschen wir<br />

Erkenntnisgewinn, Erinnerung an schöne<br />

<strong>und</strong> auch schwierige Zeiten. Manches<br />

Vorurteil ist nach der Lektüre nicht länger<br />

aufrecht zu erhalten, das Werk leistet einen<br />

wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der<br />

deutsch-deutschen Vergangenheit.<br />

Das besondere Interesse der Unterzeichnenden,<br />

die aus eigenem Erleben „östliche“<br />

<strong>und</strong> „westliche“ unfallchirurgische Schulen<br />

erfahren durften, ist garantiert.<br />

Gratulation <strong>und</strong> herzliche Grüße!<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Axel Ekkernkamp<br />

Präsident – <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Unfallchirurgie e. V.<br />

Prof. Dr. Hartmut Siebert<br />

Generalsekretär – <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallchirurgie e. V.<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 1


Geleitwort<br />

J. Probst<br />

Zu den ältesten abendländischen Kulturträgern<br />

zählt die Geschichtsschreibung, deren<br />

Begründer Thukydides (* um 460, † nach 400<br />

a. C.) die wahrheitsgemäße Schilderung der<br />

Ereignisse, nicht deren nachgehende, der<br />

Betrachterzeit zugeordnete Deutung oder<br />

Wertung als Prinzip voraussetzte. Nicht Auskünfte<br />

des ersten Besten, sondern Selbsterlebtes<br />

sowie auf Wahrheitsgehalt genauestens<br />

geprüfte <strong>Nachrichten</strong> sollten überliefern,<br />

was in der Zukunft dauernder Besitz<br />

<strong>und</strong> nützlich bleibe, auch wenn daraus kein<br />

erzählerisches Prunkstück entstehe [1].<br />

Die Verführung, sich historischer Argumente<br />

zu bedienen <strong>und</strong> damit (politische)<br />

Ansprüche zu begründen, ist seit Ende des<br />

18. Jahrh<strong>und</strong>erts historisch – <strong>und</strong> seitdem<br />

oft missbraucht worden. „Die Historie wird<br />

immer neu geschrieben. Jede Zeit <strong>und</strong> ihre<br />

Richtung macht sie sich zu eigen <strong>und</strong> trägt<br />

ihre Gedanken darauf über. Danach wird<br />

Lob <strong>und</strong> Tadel ausgeteilt.“ [2] Unsere eigenen<br />

Erfahrungen bestätigen diese Erkenntnis<br />

in besonders leidvoller Weise.<br />

Noch nicht lange liegt hinter uns die Epoche<br />

der an Vollständigkeit nicht zu überbietenden<br />

Teilung <strong>und</strong> Trennung unseres<br />

Volkes, unseres Gemeinwesens, der Wissenschaften<br />

<strong>und</strong> damit auch der Chirurgen. Und<br />

doch sind fast zwei Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung<br />

verstrichen, ein Zeitraum, in<br />

dem bereits viele Zeitgenossen von uns gegangen<br />

sind, ohne dass uns ihre Zeugnisse<br />

erhalten blieben. Rechnet man noch die Zeit<br />

des 2. Weltkrieges hinzu, sind mehr als zwei<br />

Generationen „vergessen“. So wurde es Zeit,<br />

Dokumente <strong>und</strong> Erfahrungen, Erlebtes, Erlittenes<br />

<strong>und</strong> mit Mut Bewahrtes aus erster<br />

Hand zu sichern, um jene vier Jahrzehnte<br />

getrennter Wege der nach dem 2. Weltkrieg<br />

aufstrebenden Unfallchirurgie nicht auszulöschen.<br />

Die Geschichte der Chirurgie wurde von der<br />

Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

von anderen ihrer Aufgabengebiete<br />

beherrscht, ihr ältester Teil, die Chirurgie<br />

der Verletzungen, blieb in zweiter Reihe.<br />

Erst aus der Asche des Infernos erstand<br />

die moderne Unfallchirurgie, die, ebenso<br />

wie einst die Chirurgie der großen Körperhöhlen,<br />

der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen<br />

bedurfte, um aus der oft nur<br />

mit Schaden erhaltenden W<strong>und</strong>arznei die<br />

Wiederherstellungschirurgie <strong>und</strong> damit den<br />

neben der Viszeralchirurgie größten Anteil<br />

der chirurgischen Versorgung hervorgehen<br />

zu lassen. Dass diese Entwicklung in die Zeit<br />

der deutschen Teilung fiel, ist eine Tragik an<br />

sich, insofern sie eine Demigration der wissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> der auf praktischem<br />

Erfahrungsaustausch beruhenden evolutionären<br />

Kapazitäten verursachte.<br />

Es ist ein geschichtliches Anrecht der Unfallchirurgen<br />

der ehemaligen DDR, ihre unter<br />

schwierigen Umständen geleistete Arbeit<br />

über die engere Phase der staatlichen Wiedervereinigung<br />

hinaus gewürdigt zu sehen.<br />

Die Geschichte der Unfallchirurgie bliebe<br />

unvollständig <strong>und</strong> auch unwahr, ließe man<br />

ihren Fortgang zwischen Kriegsende <strong>und</strong><br />

Zusammenbruch des Eisernen Vorhanges<br />

jenseits dessen unbeachtet. Sie blieb <strong>und</strong><br />

ist ein Teil des Ganzen! „Ein Verständnis der<br />

Gegenwart gibt es nicht ohne Kenntnis der<br />

früheren Zeiten. Die eine reicht der andern<br />

die Hände: eine kann ohne die andere entweder<br />

gar nicht existieren oder doch nicht<br />

vollkommen sein.“ [3]<br />

Nicht nur die chirurgischen Leistungen<br />

verdienen unseren Respekt. Allen Behinderungen<br />

<strong>und</strong> Bedrängungen zum Trotz<br />

hielten die Unfallchirurgen in der DDR auch<br />

die unsichtbare Flagge der Menschlichkeit<br />

<strong>und</strong> der Kollegialität aufrecht. Ohne diese<br />

wäre die Wiederherstellung der Einheit in<br />

diesem für die uns anvertrauten Menschen<br />

so wichtigen Bereich schwerlich so rasch, so<br />

erfolgreich <strong>und</strong> so atraumatisch gelungen,<br />

wie sie tatsächlich zustande gekommen ist.<br />

Im Jahr der Wiedervereinigung starb unser<br />

ältestes Ehrenmitglied, „der Chirurg mit<br />

dem Jahrh<strong>und</strong>ert“, Werner Wachsmuth,<br />

dessen Wort die Unfallchirurgen in Ost <strong>und</strong><br />

West beherzigten: „Nicht äußere Liebenswürdigkeit<br />

<strong>und</strong> Bequemlichkeit des Umganges<br />

begründen Fre<strong>und</strong>schaften, sondern<br />

alle wirklich echten <strong>und</strong> beständigen Beziehungen<br />

zwischen den Menschen beruhen<br />

auf der Erkenntnis des inneren Wertes des<br />

Anderen.“ [4]<br />

Prof. Dr. Jürgen Probst<br />

Asamallee 10<br />

82418 Murnau/Staffelsee<br />

Literatur<br />

1. Thukydides, Peloponnesischer Krieg I, 22<br />

2. L. v. Ranke, Tagebuch um 1840<br />

3. L. v. Ranke, Sämtliche Werke 24, 288<br />

4. W. Wachsmuth, Zentralblatt für Chirurgie 67<br />

(1940)<br />

2<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Vorwort<br />

E. Markgraf, W. Otto, K. Welz<br />

Die Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der<br />

Unfallchirurgie“ der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallchirurgie, die von J. Probst<br />

ins Leben gerufen wurde, hat sich das Ziel<br />

gestellt, persönliche Daten von Repräsentanten<br />

unserer <strong>Gesellschaft</strong> <strong>und</strong> historische<br />

Dokumente zu erhalten <strong>und</strong> der interessierten<br />

Öffentlichkeit zugänglich zu machen.<br />

Dabei musste vielfach zur Kenntnis genommen<br />

werden, dass, je weiter die Jahrzehnte<br />

zurückliegen, immer weniger Dokumente<br />

erhalten geblieben sind oder Lebensdaten<br />

einst bedeutender Vertreter der Chirurgie<br />

vorliegen. Zwangsläufig ergab sich die<br />

Notwendigkeit, entsprechende Fakten <strong>und</strong><br />

Gegebenheiten auch über die Unfallchirurgie<br />

in der DDR zu konservieren. 2005 hat<br />

sich deshalb eine besondere Arbeitsgruppe<br />

konstituiert, die ihre Bemühungen unter<br />

der Losung „wider das Vergessen <strong>und</strong> wider<br />

das Verfälschen“ begonnen hat. Dieses<br />

Supplement enthält das Ergebnis der Bemühungen.<br />

Die Beiträge erheben nicht den<br />

Anspruch, geschichtswissenschaftlichen<br />

Anforderungen gerecht zu werden. Es sind<br />

vielmehr persönliche Erfahrungen der Autoren,<br />

die, J. Probst ausnehmend, alle in<br />

leitenden Positionen in der DDR tätig waren<br />

<strong>und</strong> deshalb Zeitzeugen sind. Auf zahlreiche<br />

Persönlichkeiten <strong>und</strong> ihre unfallchirurgischen<br />

Aktivitäten in der DDR konnte<br />

nicht eingegangen werden. Recherchen,<br />

die alle Kliniken der DDR <strong>und</strong> ihre leitenden<br />

ärztlichen Persönlichkeiten erfasst hätten,<br />

waren den Herausgebern <strong>und</strong> Autoren aus<br />

sicher verständlichen Gründen nicht möglich.<br />

Die in den vorliegenden Beiträgen zum<br />

jetzigen Zeitpunkt noch erfassbaren Fakten<br />

<strong>und</strong> Dokumente haben wir aufbereitet, weil<br />

diese in einigen Jahren oder Jahrzehnten<br />

nicht mehr zugänglich sein werden. Die<br />

Meinung eines um eine spezielle Auskunft<br />

gebetenen Kollegen, „dass die an einer Situation<br />

beteiligten <strong>und</strong> in einer Ereignisfolge<br />

mitwirkenden Personen nicht in der Lage<br />

sind, die Fakten <strong>und</strong> die daraus resultierenden<br />

Probleme wertungsfrei zusammenzufassen“,<br />

haben wir nicht geteilt; die sicher<br />

nicht widerlegbare Befangenheit haben wir<br />

bewusst in Kauf genommen.<br />

Wir bitten zu berücksichtigen, dass Vergleiche<br />

der unterschiedlichen staatlichen<br />

Systeme nur möglich sind, wenn die gleichen<br />

historischen Zeiträume <strong>und</strong> ihre Entwicklungsstufen<br />

zugr<strong>und</strong>e gelegt werden.<br />

Es muss auch betont werden, dass die<br />

Realität der zwei deutschen Staaten auf<br />

völlig unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

<strong>und</strong> Möglichkeiten, die auch unterschiedliche<br />

Denkweisen <strong>und</strong> Vorstellungen hervor<br />

gerufen haben, basierten. Was das ärztliche<br />

Ethos <strong>und</strong> die Bewältigung der besonderen<br />

Leistungsanforderungen an Unfallchirurginnen<br />

<strong>und</strong> Unfallchirurgen betrifft, dürfte<br />

eine weitgehende Übereinstimmung in beiden<br />

deutschen Staaten vorgelegen haben.<br />

Der Beitrag über die gesellschaftlichen<br />

Konditionen wurde bewusst <strong>und</strong> unabhängig<br />

von zwei Mitherausgebern der Beiträge<br />

verfasst, da diese wichtige Einschätzung der<br />

Realität in der DDR eine nuancierte Betrachtung<br />

notwendig erscheinen lässt.<br />

Die in den einzelnen Kapiteln dargestellten<br />

Auffassungen der Autoren zeigen deren<br />

subjektive Sicht, die nicht mit der Meinung<br />

der Herausgeber übereinstimmen muss.<br />

Wir hoffen, dass sich trotz der formulierten<br />

Unzulänglichkeiten insgesamt ein Überblick<br />

ergibt, der die spezifische Situation unfallchirurgischer<br />

Betätigung in der DDR in den<br />

einzelnen Entwicklungsphasen hinreichend<br />

real widerspiegelt.<br />

H. W. Schreiber hat auf dem 117. Kongress<br />

der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

im Jahr 2000 das Thema seines Vortrags<br />

„Ist Geschichte noch zeitgemäß“? treffend<br />

beantwortet: „Geschichte ist immer zeitgemäß<br />

<strong>und</strong> immer notwendig. Wir sind täglich<br />

aufs Engste mit ihr verb<strong>und</strong>en. Wer die<br />

Vergangenheit missachtet, handelt wider<br />

Vernunft <strong>und</strong> Klugheit. Er ist nur zufällig in<br />

der Gegenwart <strong>und</strong> fährt mit Abblendlicht<br />

in die Zukunft“. [1]<br />

Wir hoffen, dass unsere Beiträge das Interesse<br />

der Leser finden <strong>und</strong> die <strong>Mitteilungen</strong><br />

nützlich sind. Die Herausgeber danken allen<br />

Autoren für ihre engagierte Mitarbeit <strong>und</strong><br />

die fruchtbaren Diskussionen bei mehreren<br />

Autorenberatungen.<br />

Prof. Dr. E. Markgraf<br />

Gillestr. 5<br />

07743 Jena<br />

Prof. Dr. W. Otto<br />

Am Park 5<br />

06184 Kabelsketal<br />

OT Dieskau<br />

Dr. K. Welz<br />

Finsterwalder Str. 45a<br />

03048 Cottbus<br />

Literatur<br />

1. Chirurg BDC 39, Nr. 8, 202–295<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 3


<strong>Gesellschaft</strong>liche Konditionen – Teil 1<br />

W. Otto<br />

Gegründet auf den Trümmern des Nazireiches,<br />

des von ihm angezettelten <strong>und</strong><br />

schließlich verlorenen 2. Weltkrieges, durch<br />

Reparationsleistungen an die Siegermächte,<br />

vor allem an die Sowjetunion, zusätzlich<br />

geschwächt, entwickelte sich im Osten<br />

Deutschlands, der sowjetischen Besatzungszone<br />

(„SBZ“), mit der DDR ein „Arbeiter- <strong>und</strong><br />

Bauernstaat“. Geführt von der aus der Vereinigung<br />

von KPD <strong>und</strong> SPD entstandenen<br />

Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands<br />

(SED), wurde als offizielle Doktrin die Diktatur<br />

des Proletariates vertreten, <strong>und</strong> es sollte<br />

angeblich eine sozialistische, später eine<br />

kommunistische <strong>Gesellschaft</strong>sordnung aufgebaut<br />

werden. Nicht zur Klasse der Arbeiter<br />

<strong>und</strong> Bauern gehörende Bürger wurden<br />

in allen Lebensbereichen offen <strong>und</strong> absichtsvoll<br />

benachteiligt, von der Teilnahme<br />

ausgeschlossen oder nur unter erschwerten<br />

Bedingungen dazu zugelassen.<br />

Die gezielte, planmäßig-tendenziöse <strong>und</strong><br />

höchst kritische Information der Bürger über<br />

die vorausgegangene nationalsozialistische<br />

Herrschaft bereits im Kindesalter <strong>und</strong> die<br />

umfassende Verurteilung dieses Regimes<br />

standen schon sehr bald für viele Menschen<br />

im Osten in krassem Widerspruch zu den<br />

ideologisch-strategischen Vorgaben der<br />

„Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernmacht“ <strong>und</strong> ihrer diktatorischen<br />

Umsetzung. Diese zeigte sich<br />

nicht zuletzt in der massenhaften Enteignung<br />

bis dahin privat geführter Unternehmen<br />

<strong>und</strong> der Zwangskollektivierung der<br />

Landwirtschaft in den fünfziger Jahren. Das<br />

führte zwangsläufig zur Verstärkung oppositioneller,<br />

systemkritischer Gedanken <strong>und</strong><br />

Hintergr<strong>und</strong>saktivitäten, vor allem in Kreisen<br />

der Intelligenz.<br />

Die deutlichen Vorteile, die staats- <strong>und</strong> parteiergebene<br />

„Aktivisten“ <strong>und</strong> Mitläufer in<br />

beruflicher wie persönlicher Entwicklung<br />

genossen, führten andererseits jedoch<br />

zu einem Zustrom von Mitgliedern in die<br />

Staatspartei <strong>und</strong> die sogenannten Blockparteien<br />

(mit der SED in der „Nationalen<br />

Front“ zusammengeschlossen <strong>und</strong> weitgehend<br />

gleichgeschaltet). Die zunehmende<br />

selbstverständliche Besetzung wichtiger<br />

Positionen in allen Lebensbereichen mit<br />

Parteimitgliedern führte zu einer weiter<br />

wachsenden Zahl opportunistischer Parteieintritte.<br />

Damit sank zugleich die Chance<br />

der parteilos <strong>und</strong> kritisch gebliebenen<br />

Bevölkerungsteile, Führungspositionen zu<br />

besetzen, auch wenn die fachliche Qualifikation<br />

gleichwertig oder sogar höher war.<br />

Im Hochschulbereich bzw. in der Wissenschaft<br />

galten gr<strong>und</strong>sätzlich die gleichen<br />

Bedingungen, nur setzten sie sich dort, ganz<br />

besonders auf dem Sektor des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

<strong>und</strong> der medizinischen Fakultäten,<br />

mit weniger großer Geschwindigkeit durch.<br />

Politischer Druck, Enteignungen <strong>und</strong> die<br />

schon früh deutlich werdende relative<br />

Schwäche des in der DDR praktizierten<br />

Wirtschaftssystems, dominiert von Volkseigenen<br />

Betrieben, Staatsgütern, Landwirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> Handwerklichen Produktionsgenossenschaften<br />

<strong>und</strong> zentralen<br />

Plankommissionen mit deren langfristigen<br />

unrealistischen Vorgaben, waren für viele,<br />

vor allem Intellektuelle, Gründe, dieses Land<br />

zu verlassen. Das schwächte zusätzlich das<br />

System <strong>und</strong> führte schließlich zu den Maßnahmen<br />

des 13. August 1961, dem Bau der<br />

Berliner Mauer sowie der Selbstschussanlagen,<br />

Zäune <strong>und</strong> Minenfelder entlang der<br />

Grenze zur B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

(BRD). Damit hinderte man die Menschen<br />

einerseits zwar an der Flucht aus diesem<br />

Land, verstärkte aber andererseits die kritische<br />

Auseinandersetzung vieler Menschen<br />

mit dem immer mehr sich als unfähig <strong>und</strong><br />

menschenverachtend zu erkennen gebenden<br />

Regime „von Partei <strong>und</strong> Regierung“. Verb<strong>und</strong>en<br />

mit den Maßnahmen des 13. August<br />

1961 war ein absolutes Reiseverbot in<br />

die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, von dem<br />

nur die „Reisekader“ <strong>und</strong> später die Rentner<br />

nicht betroffen waren. Auch der Reiseverkehr<br />

in die osteuropäischen Staaten wurde<br />

eher restriktiv gesteuert <strong>und</strong> unterlag strengen<br />

Regularien.<br />

Alle Wirtschafts- <strong>und</strong> Lebensbereiche waren<br />

neben der staatlich-administrativen<br />

Leitung der Kontrolle <strong>und</strong> Weisung von Parteileitungen<br />

unterstellt. Oberstes Gremium<br />

war das Politbüro des Zentralkomitees der<br />

SED, entscheidende Person dessen Generalsekretär,<br />

in der Regel in Personalunion<br />

Staatsratsvorsitzender <strong>und</strong> Vorsitzender<br />

des Nationalen Verteidigungsrates, also<br />

Oberbefehlshaber der Streitkräfte (W. Ulbricht,<br />

E. Honnecker!). Durch den Staatssicherheitsdienst<br />

<strong>und</strong> die Polizeikräfte des<br />

Innenministeriums erfolgte eine intensive<br />

breitflächige Überwachung der Bürger. Bei<br />

Bedarf wurden die KVP (kasernierte Volkspolizei),<br />

später die NVA (Nationale Volksarmee)<br />

<strong>und</strong> die Kampfgruppen der Betriebe<br />

zur „Abwehr des Klassenfeindes“, zur „Wahrung<br />

des inneren Friedens“, <strong>und</strong> zur Beseitigung<br />

<strong>und</strong> Bekämpfung von „Staatsfeinden“<br />

eingesetzt. Die Justiz ahndete Verstöße gegen<br />

die ideologisch-politischen Verhaltensvorschriften<br />

mit besonders drastischen Urteilen.<br />

Wer also nicht mitmachte, sondern<br />

sich eigene Gedanken machte, musste in<br />

Kauf nehmen, ein Außenseiter <strong>und</strong> Außenstehender<br />

zu sein oder sogar mit Strafe verfolgt<br />

zu werden. Alles dies war geeignet, ein<br />

umfassendes System der Verunsicherung<br />

<strong>und</strong> Angst zu etablieren. „Mit der Bombe<br />

leben“ nannten das die Betroffenen, <strong>und</strong><br />

das Spiel mit dem Risiko war eine Art täglich<br />

neu zu bestehenden, geradezu „sportlichen“<br />

Wettbewerbs, der nicht immer fair <strong>und</strong> dessen<br />

Ausgang nie ganz sicher war.<br />

Für die Medizin <strong>und</strong> die zu ihr gehörenden<br />

Berufsgruppen trat die politisch-ideologische<br />

Indoktrination im Vergleich mit den<br />

übrigen Lebensbereichen etwas verzögert<br />

ein <strong>und</strong> entwickelte sich weniger dramatisch.<br />

Die Nachkriegschefs in den Krankenhäusern<br />

<strong>und</strong> Kliniken waren in der Regel<br />

bürgerlicher Herkunft <strong>und</strong> in vielen Fällen<br />

Kriegsteilnehmer. Sie waren in ihrem politischen<br />

Engagement eher zurückhaltend<br />

<strong>und</strong> gegenüber dem herrschenden Regime<br />

skeptisch. Es dauerte viele Jahre, sie entweder<br />

zu aktiver politischer Mitarbeit zu<br />

gewinnen oder sie durch systemtreue Nachfolger<br />

zu ersetzen. Gegen Ende der DDR war<br />

jedoch schließlich der prozentuale Anteil<br />

der SED-Mitglieder in den Führungsetagen<br />

<strong>und</strong> -positionen auch im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />

Hochschulwesen der DDR eindeutig höher<br />

als bei den übrigen Mitarbeitern. Allerdings<br />

war es nicht gelungen, dieses Prinzip komplett<br />

durchzusetzen.<br />

Viele im Ges<strong>und</strong>heitswesen Tätige, vor allem<br />

Ärzte, verließen bis 1961 aber auch noch in<br />

den nachfolgenden Jahren trotz Gefahr für<br />

Freiheit, Leib <strong>und</strong> Leben die DDR, um in der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik in einer freiheitlichen <strong>Gesellschaft</strong>sordnung<br />

<strong>und</strong> unter günstigeren<br />

wirtschaftlichen Bedingungen einen Neubeginn<br />

zu wagen. Wer im Osten blieb, tat<br />

dies nicht unbedingt aus Sympathie zur<br />

DDR <strong>und</strong> ihren Machthabern, sondern aus<br />

familiärem Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />

wegen persönlicher Bindungen an die vertraute<br />

Heimatregion oder aus solidarischer<br />

Verantwortung gegenüber beruflichen<br />

4<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Aufgaben <strong>und</strong> den Menschen, die daran<br />

beteiligt oder davon betroffen waren. Man<br />

suchte <strong>und</strong> fand Gleichgesinnte, traf sich in<br />

Arbeitsgruppen, in der Freizeit <strong>und</strong> im privat<br />

– persönlichen Bereich, grenzte sich ansonsten<br />

weitgehend ab <strong>und</strong> mied, wo immer<br />

möglich, offizielle <strong>und</strong> politische Anlässe,<br />

Diskussionen oder Meinungsäußerungen,<br />

beschränkte die beruflichen Aktivitäten auf<br />

rein wissenschaftliche <strong>und</strong> praktische Arbeit<br />

<strong>und</strong> Erfahrungsaustausch.<br />

Einige Angehörige der Intelligenz <strong>und</strong> der<br />

Ärzteschaft waren nach späterem eigenem<br />

Bek<strong>und</strong>en in die SED eingetreten, um diese<br />

von innen her zu reformieren. Davon war allerdings<br />

bis zur Wende im Jahr 1989 wenig<br />

oder nichts zu spüren.<br />

Das Leben in der DDR war durchgehend von<br />

„Engpässen“, Mangel an Geld, Waren des<br />

täglichen Bedarfs, Versorgungsgütern, Arbeitsmaterialien<br />

<strong>und</strong> daraus resultierenden<br />

Sparzwängen bestimmt. Das war auch <strong>und</strong><br />

besonders im Ges<strong>und</strong>heitswesen deutlich<br />

zu spüren. Besondere Zuwendungen der<br />

Staats- <strong>und</strong> Parteiführung konnten immer<br />

nur für begrenzte Zeit an bestimmte Wirtschaftszweige,<br />

Wissenschaftsdisziplinen<br />

oder medizinische Fachrichtungen erfolgen<br />

<strong>und</strong> waren immer politisch oder devisenwirtschaftlich<br />

motiviert. So kann es als eine<br />

Gunst der Zeit betrachtet werden, dass die<br />

medizinisch-ärztlichen Bemühungen um<br />

eine entscheidende Verbesserung der unfallchirurgischen<br />

Versorgung der Bevölkerung<br />

durch Einführung moderner Methoden,<br />

Techniken, Implantate <strong>und</strong> Instrumentensätze<br />

bis hin zur Gründung einer DDR-Sektion<br />

einer von der Schweiz ausgehenden<br />

internationalen Arbeitsgemeinschaft (AO-<br />

International) in den späten 60er <strong>und</strong> den<br />

70er Jahren zusammentrafen mit dem politischen<br />

Willen der Regierenden, auf diesem<br />

Gebiet eine gr<strong>und</strong>legende Veränderung im<br />

positiven Sinn herbei zu führen. Leider blieb<br />

diese Förderung auf den o. g. Zeitraum begrenzt.<br />

Danach fiel das politische Interesse<br />

auf andere prestigeträchtige Disziplinen,<br />

<strong>und</strong> die positive Entwicklung der Unfallchirurgie<br />

musste nun durch persönliche Initiative,<br />

Einfallsreichtum, Improvisation <strong>und</strong><br />

gezielte Fortbildung stabilisiert <strong>und</strong> fortgeführt<br />

werden.<br />

Für die dazu unabdingbar notwendigen<br />

Auslandsbeziehungen der Mitglieder der<br />

Medizinischen <strong>Gesellschaft</strong>en der DDR,<br />

deren Genehmigung <strong>und</strong> Kontrolle war offiziell<br />

zuständig das „Generalsekretariat<br />

der Medizinisch-Wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

der DDR“. Hier wurde auf eine Ideologie-konforme<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Gestaltung<br />

aller in- <strong>und</strong> ausländischen Aktivitäten<br />

geachtet <strong>und</strong> gedrungen <strong>und</strong> die jeweils<br />

notwendige Genehmigung erteilt oder<br />

verweigert. Der wissenschaftlich-fachliche<br />

Sachverstand bzw. die Sachdienlichkeit von<br />

Aktivitäten <strong>und</strong> ihrer Initiatoren wurde in<br />

aller Regel hinter die politisch-ideologische<br />

Bewertung gestellt. Gelegentlich bedurfte<br />

es der Fürsprache linientreuer, renommierter<br />

<strong>und</strong> damit einflussreicher Kollegen,<br />

die Entscheidungsgremien zu positiven Urteilen<br />

zu bewegen, auch wenn diese Forderungen<br />

an den jeweiligen Kandidaten nicht<br />

immer vordergründig erfüllt waren.<br />

Prof. Dr. W. Otto<br />

Am Park 5<br />

06184 Kabelsketal<br />

OT Dieskau<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 5


<strong>Gesellschaft</strong>liche Konditionen – Teil 2<br />

K. Welz<br />

Das Vorhaben, die Phänomene <strong>und</strong> Sachverhalte<br />

eines Teilgebietes der Medizin – der<br />

Unfallchirurgie – wenn auch nur für einen<br />

eng bemessenen historischen Zeitabschnitt,<br />

der DDR-Epoche – aufzuzeigen, bleibt ohne<br />

Beachtung entsprechender politischer Dimensionen,<br />

des gesellschaftlichen Umfeldes<br />

<strong>und</strong> der volkswirtschaftlichen Bedingungen<br />

dieses Zeitabschnittes bruchstückhaft <strong>und</strong><br />

für nachfolgende Chirurgengenerationen<br />

unverständlich. Diese Entwicklung aufzuzeigen<br />

heißt vor allem, die im Ergebnis des<br />

zweiten Weltkrieges für die Bevölkerung<br />

Deutschlands so verhängnisvolle Realität<br />

der politischen Teilung des Landes vom<br />

Zeitpunkt des Mauerbaues 1961 bis zur<br />

politischen Wende der Jahre 1989/1990 zu<br />

berücksichtigen. Für die überwiegende Zahl<br />

deutscher Chirurgen <strong>und</strong> Unfallchirurgen<br />

bedeuten jene drei Jahrzehnte nicht nur<br />

die unüberwindliche Trennung deutschen<br />

Territoriums, zugleich auch die Einstellung<br />

<strong>und</strong> den Verlust des wissenschaftlichen<br />

Erfahrungsaustausches sowie kollegialer<br />

Kontakte innerhalb eines beträchtlichen eigenen<br />

Lebensabschnittes.<br />

Während die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

sich rasch in die westliche Staatengemeinschaft<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftssphäre integriert<br />

sah, wurde das Territorium der damaligen<br />

sowjetischen Besatzungszone <strong>und</strong> späteren<br />

DDR Mitglied des sozialistischen Ostblocks.<br />

Mit dieser Teilung Deutschlands entstanden<br />

gänzlich neue Bedingungen für die Organisation<br />

des Ges<strong>und</strong>heitswesens, der medizinischen<br />

Fachdisziplin <strong>und</strong> im Besonderen<br />

auch für die Chirurgie <strong>und</strong> Unfallchirurgie.<br />

Für das Territorium des östlichen Deutschlands<br />

gipfelten sie in separaten Bestrebungen<br />

entsprechender Staatsorgane <strong>und</strong><br />

des Ges<strong>und</strong>heitsministeriums der DDR ausschließlich<br />

ostdeutsche Chirurgentreffen in<br />

Berlin <strong>und</strong> Leipzig zu organisieren <strong>und</strong> 1966<br />

mit der Gründung der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

der DDR <strong>und</strong> den dazugehörigen Sektionen<br />

vollendete Tatsachen zu schaffen.<br />

Generell zeichnete sich damals die Entwicklung<br />

der Nachkriegschirurgie sowohl in ostwie<br />

auch westlichen Landesteilen Deutschlands<br />

durch einen stürmischen Aufschwung<br />

der medizinischen Spezialdisziplinen aus.<br />

Dieser Trend wurde durch beachtliche technische<br />

Neuentwicklungen gestützt, so vor<br />

allem durch die Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung<br />

neuer Biomaterialien die nicht nur der<br />

Herz-, Gefäß- sowie der Transplantationschirurgie<br />

zu großem Aufschwung verhalfen,<br />

sondern vor allem auch den Stellenwert<br />

der Traumatologie hinsichtlich der Osteosynthese<br />

<strong>und</strong> der gesamten operativen<br />

Unfallchirurgie ganz beträchtlich erhöhten.<br />

Diese Trends blieben trotz aller Isolierungsbestrebungen<br />

ostdeutscher Machthaber<br />

auch den Chirurgen <strong>und</strong> Unfallchirurgen<br />

im ostdeutschen Raum nicht verborgen. Die<br />

Entwicklung der stabilen Osteosyntheseverfahren<br />

– initiiert durch die Schweizer<br />

Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese –<br />

fand nachhaltig Eingang in die traumatologische<br />

Patientenversorgung der DDR. Zeigte<br />

sich doch hierbei trotz aller anfänglichen<br />

Probleme der Sicherstellung materieller<br />

Voraussetzungen <strong>und</strong> der Qualifizierung<br />

von Chirurgen ein Ansatz der gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

dem Streben ostdeutscher Politiker entsprach,<br />

Bürgern des Landes eine optimale<br />

medizinische Betreuung zu gewähren <strong>und</strong><br />

die Ergebnis- <strong>und</strong> Lebensqualität Verletzter<br />

positiv zu beeinflussen.<br />

Diese Tatsache spiegelte sich schließlich<br />

für die DDR-Unfallchirurgie in der sehr<br />

fruchtbaren Entwicklung einer Arbeitsgemeinschaft<br />

für Osteosynthese wider, die<br />

ungeachtet aller Probleme der materiellen<br />

Sicherstellung von Instrumenten <strong>und</strong> Implantaten<br />

nach 1970 einen hohen Stellenwert<br />

in der Unfallchirurgie der damaligen<br />

DDR bekam <strong>und</strong> ganz wesentlich zur Wiedergewinnung<br />

von Lebensqualität für verletzte<br />

Patienten beitrug.<br />

Ein vor allem in den 60er <strong>und</strong> 70er Jahren<br />

nachweislicher Leistungsanstieg medizinischer<br />

Betreuung bedarf angesichts getrennter<br />

Entwicklungswege in dem durch<br />

politische Zwänge zweigeteilten Deutschland<br />

mit zwei unterschiedlichen <strong>Gesellschaft</strong>ssystemen<br />

einer differenzierten Betrachtung<br />

<strong>und</strong> Bewertung. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

ist vorauszuschicken, dass aufgezwungen<br />

getrennte Wege dennoch nicht der gleichen<br />

Gr<strong>und</strong>lage ärztlicher Ethik <strong>und</strong> gleicher<br />

Ziele unfallchirurgisch ärztlichen Handels<br />

entbehrten. Gute Heilergebnisse zu erreichen,<br />

die bestmögliche Leistungsfähigkeit<br />

Verletzter wiederzugewinnen <strong>und</strong> Patientenerwartungen<br />

nach Begebenheiten<br />

<strong>und</strong> Möglichkeiten zu entsprechen galten in<br />

der DDR als qualitätssichernde Aufgaben in<br />

der medizinischen Betreuung <strong>und</strong> natürlich<br />

auch in der Unfallchirurgie. Leistungsdefiziten<br />

<strong>und</strong> Systemschwächen standen respektable<br />

Betreuungsleistungen <strong>und</strong> Behandlungsqualität<br />

sowie eine nicht unerhebliche<br />

Zahl medizinischer Errungenschaften gegenüber.<br />

Mit den nachfolgenden Kapiteln ist es vom<br />

Autorenkollektiv nicht etwa beabsichtigt<br />

einer vergleichenden Darstellung von Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Leistungen der Unfallchirurgie<br />

der früheren DDR zur B<strong>und</strong>esrepublik<br />

zu erliegen. Noch viel weniger konnte es<br />

darum gehen, einer Nostalgiementalität zu<br />

folgen! Undenkbar war darüber hinaus eine<br />

vollständige Chronik der Entwicklung der<br />

Unfallchirurgie jener DDR-Jahrzehnte anzubieten,<br />

weil solches Vorhaben nicht gelingen<br />

konnte. Ziel <strong>und</strong> Zweck nachfolgender<br />

Kapitel ist es, maßgeblich wesentliche Fakten<br />

<strong>und</strong> Phänomene der DDR-Unfallchirurgie<br />

– zu großen Teilen gestützt auf Erinnerungen<br />

aus eigenem Erleben <strong>und</strong> Begleiten<br />

der Entwicklung – tatsachengerecht zu dokumentieren<br />

<strong>und</strong> nicht der Vergessenheit<br />

anheim fallen zu lassen.<br />

Dass solches Vorhaben ein schwieriges<br />

Unterfangen darstellt, beweisen die nunmehr<br />

15 Jahre nach Wiederherstellung der<br />

politischen Einheit Deutschlands nicht endenden<br />

widersprüchlichen Diskussionen –<br />

ob in Bevölkerungskreisen oder politischen<br />

Gesprächsr<strong>und</strong>en – die alle Schattierungen<br />

zwischen uneingeschränkter Zustimmung<br />

<strong>und</strong> Totalablehnung der DDR-Realität beinhalten.<br />

Dazu wecken die unsicheren Perspektiven<br />

des gegenwärtigen Ges<strong>und</strong>heits<strong>und</strong><br />

Sozialwesen nicht nur neuen Zündstoff,<br />

sondern zugleich Erinnerungen an so manche<br />

Errungenschaften des DDR-Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />

die bisher völliger Ignoranz<br />

anheim fielen. Aktuell erfahren frühere<br />

Ambulanz- <strong>und</strong> Poliklinikstrukturen unter<br />

neuen Gesichtern nichts anderes als ihre<br />

Wiederbelebung, erwiesen sich doch Polikliniken,<br />

fachärztliche Gemeinschaftspraxen<br />

<strong>und</strong> Betriebsambulatorien von außerordentlicher<br />

Betreuungseffizienz <strong>und</strong> nicht zu<br />

übersehender Wirtschaftlichkeit. Wenn hier<br />

Kritik zu üben ist, dann vor allem an mangelhafter<br />

Ausstattung <strong>und</strong> politischer Leitungsbeeinflussung!<br />

Sehnsüchte nach dem<br />

Kassenarztsystem <strong>und</strong> freier Niederlassung<br />

bestanden damals offenbar nicht.<br />

Keine Zweifel! Mit der Wiedervereinigung<br />

Deutschlands wurden neben allen Nach-<br />

6<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


teilen einer politischen Diktatur die in der<br />

Partei, Staatsführung <strong>und</strong> Sicherheitsorganen<br />

uneingeschränkte Macht ausübte,<br />

eine Vielzahl von beklagten Fesseln, die besonders<br />

Mediziner unter DDR-Bedingungen<br />

als ungerecht empfanden, zurecht beseitigt.<br />

Erinnert sei an solche Beispiele wie politische<br />

Unmündigkeit <strong>und</strong> weltanschauliche<br />

Intoleranz, an Furcht vor politischer Überwachung,<br />

an aufgezwungene Unterordnung<br />

in das Kollektiv mit Unterdrückung<br />

von Eigeninteressen, die Privilegierung von<br />

Parteigängern, Reisebeschränkungen <strong>und</strong><br />

Reisekaderproblematik, materielle Mängelwirtschaft<br />

mit Knappheit von Gütern <strong>und</strong><br />

Verbrauchsmaterialien. Sie alle erzeugten<br />

unverkennbar Widerspruch, Demotivierung<br />

im beruflichen Alltag bis hin zum Verdruss<br />

in der privaten Lebenssphäre.<br />

Dennoch konnte, wie das Verkehrswesen der<br />

DDR den grünen Pfeil, so das sozialistische<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen für sich eine Reihe an<br />

Positiva in Anspruch nehmen, die an Bedeutung<br />

ersterem bei weitem in den Schatten<br />

stellten. Für alle Bürger fand die kostenlose<br />

medizinische Behandlung deren ungeteilte<br />

Zustimmung im breiten Bevölkerungskreis.<br />

Auch die Existenz der Polikliniken, Fachambulanzen<br />

<strong>und</strong> poliklinischen Hausarztpraxen<br />

erfreuten sich weitgehender Zustimmung<br />

<strong>und</strong> verbreiteter Inanspruchnahme<br />

durch die Bevölkerung. Das ausgesprochen<br />

gut organisierte Zusammenwirken von stationären<br />

<strong>und</strong> ambulanten Behandlungseinrichtungen<br />

spiegelte nicht nur ein hohes<br />

Maß an Gemeinschaftsbezogenheit wider,<br />

sondern verhalf der knapp bemessenen materiellen<br />

Basis zu Effektivität, dabei gewann<br />

die tägliche Arbeitsgemeinschaft über das<br />

berufliche Zusammenwirken vielmehr auch<br />

als menschliches Begegnungsfeld Bedeutung.<br />

Es schloss gnadenlose Konkurrenz<br />

einerseits <strong>und</strong> Ausuferung eines Verdienststrebens<br />

aus. Eine Ökonomisierung des ärztlichen<br />

Berufes, wie sie heute ausgeprägt die<br />

Wandlung des Patienten zum K<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

die Krankheit zur Ware hat, war damaliger<br />

DDR-Ärzteschaft fremd. Sicher sind diese<br />

aufgezeigten Vor- <strong>und</strong> Nachteile damaliger<br />

Zeit intensiver diskussionswürdig. Zu beklagen<br />

ist heute, dass unvoreingenommene<br />

Gespräche dazu unterblieben sind <strong>und</strong><br />

durchaus gute Entwicklungen diskussionslos<br />

der Vergessenheit anheim fielen.<br />

Beispiele aus 30 Jahren einer Entwicklung<br />

in der Unfallchirurgie der DDR stellen nachdrücklich<br />

unter Beweis, dass sich die Unfallchirurgen<br />

unter DDR-Verhältnissen zu einer<br />

vergleichbar leistungsfähigen Institution<br />

unter den zentraleuropäischen Staaten entwickelt<br />

haben. Drei Beispiele mögen diese<br />

Aussage unterstreichen.<br />

1. Bezirke der früheren DDR verfügten<br />

ohne Ausnahme über gegliederte Betreuungsstrukturen<br />

stationärer Versorgung von<br />

Verletzten durch eine Differenzierung zwischen<br />

Einrichtungen mit Schwerpunktfunktionen<br />

<strong>und</strong> Krankenhäusern der Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong><br />

Regelversorgung. Zu den Schwerpunktkrankenhäusern<br />

zählten alle Hochschulkliniken<br />

<strong>und</strong> solche von Bezirks- sowie ausgewählten<br />

leistungsfähigen Kreiskrankenhäusern,<br />

denen sowohl fachliche wie organisatorische<br />

Verantwortung für eine qualifizierte<br />

Behandlung Schwerverletzter oblagen. Sie<br />

setzten in vier Jahrzehnten DDR – in gleicher<br />

Weise wie in den westlichen B<strong>und</strong>esländern<br />

– Maßstäbe für eine hochqualifizierte<br />

Behandlung Schwerverletzter, die von der<br />

Überzeugung bestimmt wurden, dass eine<br />

schwerpunktmäßige unfallchirurgische Tätigkeit<br />

eine unabdingbare Voraussetzung<br />

für die medizinische Rehabilitation Verletzter<br />

darstellt. Diese gegliederten Strukturen<br />

mit einer f<strong>und</strong>ierten Auswahl an Schwerpunktkompetenz<br />

zur spezialisierten Verletztenbehandlung<br />

boten ab 1990 so optimale<br />

Voraussetzungen für die Wahrnehmung<br />

qualifizierter Betreuungsaufgaben, dass die<br />

Auswahl von Krankenhäusern für das Verletzungsartenverfahren<br />

praktisch vorprogrammiert<br />

war <strong>und</strong> nur einer kurz zeitigen<br />

reibungslosen Realisierung bedurfte.<br />

2. Die fachliche Kompetenz für spezialisierte<br />

unfallchirurgische Versorgung Verletzter<br />

stützte sich auf den Erwerb der besonderen<br />

unfallchirurgischen Qualifizierung<br />

der „Subspezialisierung Traumatologie“, die<br />

für einen Facharzt für Chirurgie eine dreijährige<br />

Zusatzqualifikation nach einer seit<br />

1973 bewährten Weiterbildungsordnung<br />

erforderlich machte. Zum Zeitpunkt der<br />

deutschen Wiedervereinigung bot nicht nur<br />

ein über knapp zwei Jahrzehnte konzeptionell<br />

bewährtes Spezialisierungsverfahren,<br />

sondern vor allem auch die Vielzahl subspezialisierter<br />

Unfallchirurgen auf ostdeutschem<br />

Territorium die Gewähr, sowohl für<br />

eine vergleichbar gute <strong>und</strong> spezialisierte<br />

unfallchirurgische Patientenversorgung,<br />

zugleich aber auch für die Bewältigung aller<br />

zu erwartenden Aufgabenstellungen<br />

des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens.<br />

Die Weiterbildungsordnungen in Ost<br />

<strong>und</strong> West zeigten inhaltlich völlig vergleichbare<br />

Maßstäbe, sie waren hier wie da durch<br />

die Überzeugung der Verantwortlichen bestimmt,<br />

dass eine qualifizierte ärztliche Tätigkeit<br />

in der Unfallchirurgie unabdingbare<br />

Voraussetzung für die Optimierung der Behandlung<br />

Verletzter darstellte.<br />

3. Einen weiteren Akzent setzte das Wirken<br />

der im Dezember 1968 innerhalb der<br />

Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

DDR gegründeten Arbeitsgemeinschaft für<br />

operative Knochenbruchbehandlung. Ihre<br />

vielfachen Aktivitäten bei der Lösung ihrer<br />

Aufgabenstellungen, wie landesweite Organisation<br />

der operativen Frakturenbehandlung,<br />

umfassende Qualifizierung von Unfallchirurgen<br />

<strong>und</strong> Operationsschwestern in<br />

den Belangen neuer operativer Techniken,<br />

wissenschaftlicher Erfahrungsaustausch,<br />

das Mitwirken an der Regulierung materieller<br />

Ressourcen, die Überwachung einer<br />

kontinuierlichen Dokumentation operativer<br />

Behandlungen von Knochenbrüchen, zeigte<br />

nicht nur die Akzeptanz durch ihre Mitglieder,<br />

sie erlangten zugleich Anerkennung<br />

durch die führenden Kollegen der Schweizer<br />

AO <strong>und</strong> weiterer europäischer Sektionen.<br />

Den mit Unterstützung von Synthes <strong>und</strong><br />

der AO International regelmäßig veranstalteten<br />

AO-Kursen für Ärzte <strong>und</strong> Operationsschwestern<br />

sowie der AO-Symposien während<br />

der DDR-Zeit wurde trotz unübersehbarer<br />

Schwierigkeiten ihrer Durchführung<br />

ein stets vergleichbarer hoher technischer<br />

Standard zu den Veranstaltungen der westlichen<br />

Länder bescheinigt. Der Durchführung<br />

der ostdeutschen AO-Dokumentation<br />

haben ausländische Kollegen ebenso Lob<br />

gezollt, wie der exakten Anwendung der<br />

AO-Technik, die durch besondere Exzellenz<br />

der Arbeit beeindruckt hatten.<br />

Diese nur wenigen Beispiele stehen für eine<br />

Vielzahl positiver Identifikationsmerkmale<br />

für gute Erfahrungen <strong>und</strong> bemerkenswerte<br />

Fähigkeiten der DDR-Unfallchirurgie. Die Ergebnisse<br />

<strong>und</strong> Phänomene von drei bis vier<br />

Jahrzehnten DDR-Zeit in toto schlecht zu<br />

reden entspricht einfach nicht den objektiven<br />

Gegebenheiten. Insofern verdient die<br />

Geschichte der Unfallchirurgie in der DDR<br />

mit ihren Schwächen <strong>und</strong> Stärken, mit nicht<br />

übersehbaren Missklängen aber auch den<br />

nachweislich überwiegenden Errungenschaften<br />

eine faire Analyse.<br />

Dr. K. Welz<br />

Finsterwalder Str. 45a<br />

03048 Cottbus<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 7


Aufbau des staatlichen<br />

Ges<strong>und</strong>heits wesens der DDR<br />

W. Senst, K. Welz<br />

Gr<strong>und</strong>sätzliches zur<br />

Ges<strong>und</strong>heitspolitik<br />

Die wichtigen Zielssetzungen unterschieden<br />

sich nicht gr<strong>und</strong>sätzlich von denen anderer<br />

entwickelter Länder. Das Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />

Sozialwesen war fest in das staatliche <strong>und</strong><br />

gesellschaftliche System der sozialistischen<br />

DDR eingeordnet. In der Verantwortung<br />

waren deshalb weit überwiegend die staatlichen,<br />

nur in geringer Zahl kirchliche gemeinnützige<br />

Träger.<br />

Die gr<strong>und</strong>sätzlichen Schwerpunkte der Ges<strong>und</strong>heits-<br />

<strong>und</strong> Sozialpolitik wurden, wie in<br />

allen Bereichen der Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>,<br />

nach Vorbereitung <strong>und</strong> auf Vorschlag<br />

der oberen Parteigremien auf den Parteitagen<br />

der SED beschlossen (z. B. Ausbau <strong>und</strong><br />

Verstaatlichung des Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />

Investitionen für den Aufbau neuer Krankenhäuser<br />

<strong>und</strong> Altersheime usw.). Gr<strong>und</strong>satzentscheidungen<br />

konnten von unteren<br />

Leitungsebenen nicht beeinflusst werden.<br />

Auch bei der Umsetzung der Beschlüsse<br />

wurden die wesentlichen Entscheidungen<br />

von den Parteiorganen der SED getroffen.<br />

Das führte mitunter zu Spannungen mit der<br />

staatlichen Seite.<br />

Dazu der letzte Ges<strong>und</strong>heitsminister der<br />

DDR L. Mecklinger [5]: „… Subjektivistische,<br />

opportunistische Entscheidungen in personellen<br />

Fragen wurden initiiert bzw. getroffen,<br />

Überheblichkeit <strong>und</strong> Arroganz gegenüber<br />

Staatsfunktionären blieben keine Seltenheit,<br />

ein absolut unbegründeter Alleinvertretungsanspruch<br />

in der Beurteilung von zentralen<br />

<strong>und</strong> örtlichen Projekten im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

unterminierten die Autorität der<br />

zur Mitarbeit bereiten Beratungsgremien auf<br />

staatlicher Ebene <strong>und</strong> ignorierten die Sach<strong>und</strong><br />

Entscheidungskompetenz zuständiger<br />

staatlicher Leiter <strong>und</strong> Organe“.<br />

Bestandteil ges<strong>und</strong>heitspolitischer Belange<br />

waren auch die Vergütungen, die für alle<br />

Beschäftigten des staatlichen Ges<strong>und</strong>heits-<br />

<strong>und</strong> Sozialwesens ein Rahmenkollektivvertrag<br />

(RKV) regelte, der zwischen<br />

dem Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

<strong>und</strong> dem Zentralvorstand der Gewerkschaft<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen abgeschlossen wurde.<br />

Im Vorwort zum RKV 1972 [9] schreibt der<br />

Stellvertreter des Ministers, OMR Dr. Erler:<br />

„ … Die Festlegungen über die Vergütungen<br />

der Beschäftigten des Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens<br />

drücken die Anerkennung aus,<br />

die die Werktätigen der <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen<br />

Republik den Mitarbeitern des<br />

Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens entgegen<br />

bringen …“. Er enthielt alle Regelungen des<br />

Geltungsbereiches, der Eingruppierungen,<br />

der Vergütungen <strong>und</strong> Zuschläge, einschließlich<br />

für Bereitschaftsdienste. Nach § 8 war<br />

der Abschluss von Einzelverträgen möglich,<br />

was aber eine große Ausnahme war.<br />

Die Tariftabellen weisen im Jahre 1972<br />

für Chefärzte bis zum 12. Dienstjahr ein Gehalt<br />

von 1.900 <strong>und</strong> nach dem 30. von 2.100<br />

Mark aus. Ein Oberarzt erhielt 200 Mark<br />

weniger. Die wissenschaftliche Qualifikation<br />

für Habilitierte wurde mit monatlichen<br />

Zuschlägen von 200 <strong>und</strong> für Professoren<br />

mit 400 Mark honoriert. Die Bezahlung des<br />

Bereitschaftsdienstes war vom Umfang der<br />

Aktivzeit abhängig. Bei einer durchschnittlichen<br />

Tätigkeit über 4 St<strong>und</strong>en erhielt der<br />

Facharzt für die Bereitschaftsdiensteinheit<br />

von 12 St<strong>und</strong>en insgesamt 32 Mark. Das Gehalt<br />

einer Schwester lag bei 500 Mark.<br />

Struktur <strong>und</strong> Leitungsebenen<br />

Die von den Parteitagen der SED gefassten<br />

profilbestimmenden (verbindlichen!) Beschlüsse<br />

wurden auf dem staatlichen Wege<br />

unter Kontrolle der Parteiorgane umgesetzt.<br />

Die erforderlichen Gesetze wurden von der<br />

Volkskammer nach Vorbereitung <strong>und</strong> Beratung<br />

im Ausschuss für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

verabschiedet.<br />

Anmerkung In der 8. Wahlperiode bestand<br />

dieser Ausschuss aus 37 Mitgliedern,<br />

24 kamen aus dem Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen:<br />

17 Ärzte, davon 5 Hochschullehrer,<br />

5 Krankenschwestern, 1 Fürsorgerin, 1 Hebamme.<br />

15 der 37 Ausschussmitglieder gehörten<br />

der SED an. [13]<br />

Die Exekutivebenen waren: Ministerium<br />

für Ges<strong>und</strong>heitswesen (Uni-Kliniken betreffend:<br />

Abstimmung zwischen den Ministerien<br />

für Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong> Hoch- <strong>und</strong><br />

Fachschulwesen) Rat des Bezirkes (Bezirksarzt,<br />

Ausschuss für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

des Bezirkstages) Rat des Kreises (Kreisarzt,<br />

Ausschuss für Ges<strong>und</strong>heitswesen des<br />

Kreistages) Ärztliche Direktoren der Krankenhäuser<br />

<strong>und</strong> weiterer Einrichtungen des<br />

Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich galt das Prinzip der doppelten<br />

Unterstellung in der Leitungsstruktur. So<br />

zum Beispiel war der Bezirksarzt fachlich<br />

dem Minister für Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong><br />

als Ratsmitglied dem Vorsitzenden des Rates<br />

des Bezirkes unterstellt.<br />

Anmerkung Die Ausschüsse der Bezirks<strong>und</strong><br />

Kreistage hatten keine generelle Entscheidungsbefugnis.<br />

Deren formellen Befugnisse<br />

waren auf die lokale Umsetzung der jeweiligen<br />

Beschlüsse <strong>und</strong> Gesetze ausgerichtet.<br />

In den Einrichtungen des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

bestand das Prinzip der ärztlichen Leitung,<br />

das nach Mecklinger [5] seit 1971 auch<br />

in der Ebene Ministerium galt. Weiterhin<br />

herrschte seit Bestehen der DDR das Prinzip<br />

der Einzelentscheidung. Dieses galt auch<br />

für den Chefarzt, der die Verantwortung für<br />

alle Belange der Klinik trug! Der Gr<strong>und</strong>satz<br />

einer ärztlichen Leitung von Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen<br />

war nach Mecklinger [6] Gegenstand<br />

ständiger Diskussionen höheren<br />

Ortes, wurde aber nicht aufgegeben.<br />

Die Medizinischen Bereiche der Hochschulen<br />

sowie der Akademie der Wissenschaften;<br />

die Medizinischen Dienste des Verkehrswesens,<br />

der Nationalen Volksarmee, der<br />

Volkspolizei, des Ministeriums für Staatssicherheit;<br />

der Sportmedizinische Dienst [3]<br />

waren nicht dem Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

unterstellt, sondern befanden<br />

sich im Weisungsbereich des jeweiligen<br />

Ministers. Daraus ergaben sich Schwierigkeiten<br />

in medizinisch-administrativer Hinsicht<br />

<strong>und</strong> vor allem bei der Aufteilung von<br />

knappen Ressourcen <strong>und</strong> Valutamitteln.<br />

Versicherungswesen<br />

Bereits nach dem Ende des Krieges begann<br />

in der Sowjetischen Besatzungszone auf der<br />

8<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Basis eines Befehls der Sowjetischen Militäradministration<br />

Deutschlands (SMAD)<br />

die Umgestaltung aller Bereiche der Sozialversicherung,<br />

der Sozialfürsorge <strong>und</strong><br />

der Vertragsversicherung (Personen- <strong>und</strong><br />

Sachversicherung) <strong>und</strong> wurde nach Gründung<br />

der DDR fortgesetzt. Die allgemeine<br />

Sozialversicherung lag fortan, einschließlich<br />

der Sozialfürsorge, in den Händen der<br />

Sozialversicherungskasse (SVK) des Freien<br />

<strong>Deutsche</strong>n Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es (FDGB =<br />

Einheitsgewerkschaft). Die Sozialversicherung<br />

Selbständiger, der Bauern <strong>und</strong> Genossenschaftler<br />

erfolgte durch die <strong>Deutsche</strong><br />

Versicherungsanstalt (DVA), später Staatliche<br />

Versicherung der DDR, welche auch<br />

die Sach- <strong>und</strong> Vertragsversicherung betrieb<br />

[11]. Insgesamt gab es also nur zwei Versicherungsträger.<br />

In diesem Rahmen erfolgte<br />

im Lauf der Jahre auch die systematische<br />

Neuregelung des Begutachtungswesens.<br />

Stationärer Bereich<br />

Die Aufgaben <strong>und</strong> die Organisation der<br />

Krankenhäuser des Staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

regelte die „Rahmen-Krankenhausordnung“<br />

(RKO), die 1954 [1] in Kraft<br />

trat <strong>und</strong> 1979 [10] aktualisiert wurde. Diese<br />

Ordnung legte die Aufgaben, die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

der medizinischen Betreuung, die Gruppierungen<br />

<strong>und</strong> das Leistungsprofil sowie die<br />

Leitungsstruktur fest.<br />

Die RKO 1979 unterschied – in leichter Abwandlung<br />

zur RKO 1954 – folgende Krankenhausgruppen:<br />

A) Orts-/Stadtkrankenhäuser<br />

Unterstellt den Räten der der Gemeinden,<br />

Städten, Kreise<br />

B) Kreiskrankenhäuser/Kreiskrankenhäuser<br />

mit erweiterter Aufgabenstellung<br />

Unterstellt den Räten der Kreise<br />

C) Bezirkskrankenhäuser<br />

Unterstellt den Räten der Kreise<br />

D) durch das Ministerium zentral geleitete<br />

Krankenhäuser <strong>und</strong> Forschungsinstitute<br />

mit klinischen Abteilungen<br />

Unterstellt dem Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

E) Fachkrankenhäuser<br />

Unterstellt den Räten der Kreise oder Bezirke<br />

Alle Krankenhäuser verfügten neben den<br />

stationären über ambulante <strong>und</strong> diagnostisch-therapeutische<br />

Kapazitäten<br />

Gemäß RKO 1979 wurden die Standorte,<br />

Kapazitäten, Struktur, Leistungsprofil <strong>und</strong><br />

Betreuungsbereiche für Krankenhäuser der<br />

Gruppen A, B, C <strong>und</strong> E unter Berücksichtigung<br />

allgemeiner Vorgaben des Ministeriums<br />

für Ges<strong>und</strong>heitswesen durch die Räte<br />

der Bezirke festgelegt. Die Kategorien des<br />

Leistungsprofils waren: Die Gr<strong>und</strong>betreuung,<br />

die spezialisierte medizinische Betreuung<br />

<strong>und</strong> die hochspezialisierte medizinische<br />

Betreuung.<br />

Krankenhäuser der Gruppe A, in Abteilungen<br />

<strong>und</strong> Stationen gegliedert, gewährleisteten<br />

die medizinische Gr<strong>und</strong>betreuung<br />

auf 1 bis 3 Fachgebieten, darunter in der Regel<br />

Innere Medizin <strong>und</strong> Chirurgie. Sie durften<br />

mit Zustimmung des Bezirksarztes die<br />

Bezeichnung „Kreiskrankenhaus“ führen.<br />

Krankenhäuser der Gruppe B, unterteilt<br />

in Abteilungen <strong>und</strong> Stationen, gewährleisteten<br />

die Gr<strong>und</strong>betreuung auf 4 <strong>und</strong><br />

mehr Fachgebieten, vertreten in der Regel<br />

die Fachgebiete Innere Medizin, Chirurgie,<br />

Kinderheilk<strong>und</strong>e, Gynäkologie/Geburtshilfe,<br />

die anästhesiologische Betreuung war<br />

Bedingung. Vorhanden waren weiterhin Abteilungen<br />

für Röntgendiagnostik, Labordiagnostik,<br />

Physiotherapie. Die Räte der Bezirke<br />

konnten Häusern der Gruppe B Aufgaben<br />

der spezialisierten medizinischen Betreuung<br />

übertragen. So erfüllten „Kreiskrankenhäuser<br />

mit erweiterter Aufgabestellung“<br />

überkreisliche Aufgaben <strong>und</strong> verfügten<br />

über weitere Fachgebiete wie Intensivtherapie,<br />

Unfallchirurgie, Urologie, Neurologie/<br />

Psychiatrie u. a..<br />

Krankenhäuser der Gruppe C gewährleisteten<br />

die spezialisierte Betreuung in einem<br />

größeren Betreuungsbereich, erfüllten die<br />

Aufgaben eines Notfallzentrums <strong>und</strong> hatten<br />

außerdem die medizinische Gr<strong>und</strong>betreuung<br />

im engeren Bereich zu sichern. Vertreten<br />

waren in der Regel folgende Leistungsbereiche:<br />

Innere Medizin (einschließlich<br />

Dialyse, Infektionskrankheiten), Chirurgie<br />

(einschließlich Abteilung Traumatologie),<br />

Kinderchirurgie, Kinderheilk<strong>und</strong>e, Gynäkologie/Geburtshilfe,<br />

Urologie, Orthopädie,<br />

Hals-Nasen-Ohrenheilk<strong>und</strong>e, Augenheilk<strong>und</strong>e,<br />

Haut- <strong>und</strong> Geschlechtskrankheiten,<br />

Kiefer- <strong>und</strong> Gesichtschirurgie, Neurologie/<br />

Psychiatrie, Intensivtherapie/Anästhesiologie,<br />

Labordiagnostik, Röntgendiagnostik,<br />

Nuklearmedizin, Pathologie (ggf. Gerichtsmedizin),<br />

Physiotherapie, Arbeitstherapie,<br />

Klinische Pharmakologie, Zentrale Operationsabteilung,<br />

Rettungsstelle. Bei besonderen<br />

territorialen Erfordernissen konnten<br />

weitere Leistungsbereiche vorhanden sein.<br />

Krankenhäuser der Gruppe C waren in Kliniken,<br />

Abteilungen <strong>und</strong> Stationen gegliedert.<br />

Ein Institutsstatus (der Radiologie,<br />

Pathologie, Laboratoriumsdiagnostik u. a.)<br />

war möglich. Kliniken <strong>und</strong> Institute durften<br />

aus mehreren fachlich selbständigen Abteilungen<br />

in wissenschaftlich begründeter<br />

Größenordnung bestehen.<br />

Krankenhäuser der Gruppe D erfüllten Aufgaben<br />

der spezialisierten <strong>und</strong> hochspezialisierten<br />

medizinischen Betreuung.<br />

Krankenhäuser der Gruppe E waren überregionale<br />

Fachkrankenhäuser für Neurologie<br />

<strong>und</strong> Psychiatrie, für Lungenkrankheiten<br />

<strong>und</strong> Tuberkulose, für Orthopädie sowie Rehabilitation.<br />

Krankenhäuser der Gruppen C <strong>und</strong> D hatten<br />

medizinischen Zentralbibliotheken, alle<br />

anderen Häuser medizinische Fachbibliotheken.<br />

Soweit Auszüge aus der RKO 1979. Dieser<br />

gesetzlich mögliche Zustand konnte häufig<br />

nicht realisiert werden, teils aus objektiven,<br />

teils aus personellen Gründen.<br />

Eine besondere Kategorie der stationären<br />

Einrichtungen, die Regierungskrankenhäuser,<br />

übernahmen keine allgemeinen Versorgungsaufgaben.<br />

Sie standen nur den Mitarbeitern<br />

höherer Leitungsebenen von Partei,<br />

Regierung <strong>und</strong> Wirtschaft, auch Botschaftsangehörigen,<br />

zur Verfügung.<br />

Die Krankenhäuser der evangelischen <strong>und</strong><br />

katholischen Kirche waren in der jeweiligen<br />

Region fest in das System des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

einbezogen <strong>und</strong> leisteten einen<br />

stabilen Beitrag in der Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> spezialisierten<br />

Betreuung (s. Beitrag S. Grafe: “Konfessionelle<br />

Häuser“ in diesem Kapitel). Die<br />

diesbezüglichen Abstimmungen erfolgten<br />

mit den Bezirksärzten <strong>und</strong> Kreisärzten. Ihre<br />

Kosten rechneten sie mit den Versicherungsträgern<br />

nach Tageskostensätzen ab,<br />

die jährlich neu festgelegt wurden. Wegen<br />

der in der Regel besseren apparativen Ausrüstung<br />

(Geräte <strong>und</strong>/oder Devisen aus der<br />

BRD), vor allem aber wegen der vorbildlichen<br />

ärztlichen <strong>und</strong> pflegerischen Betreuung,<br />

genossen die konfessionellen Häuser<br />

ein großes Vertrauen der Bevölkerung.<br />

Es fehlte eine zentrale <strong>und</strong> entsprechend<br />

ausgerüstete Klinik für thermische Verletzungen.<br />

Ausgewählte Einrichtungen der<br />

Hochschulen <strong>und</strong> des kommunalen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

(z.B. das Bezirkskrankenhaus<br />

St. Georg Leipzig) übernahmen überregionale<br />

Aufgaben bei der Behandlung<br />

Verbrennungsverletzter, die aber sowohl in<br />

räumlicher als auch personeller Hinsicht die<br />

Normen einer „burn unit“ nicht erreichten.<br />

Anmerkung Anlässlich des IV. Unfallchirurgenkongresses<br />

der Sektion Traumatologie<br />

1973 referierten Röding (Potsdam), Sauer u. a.<br />

(Leipzig), Simko (Kosiče), Dietz (Berlin), Zellner<br />

(Ludwigshafen zum „Stand der Vorarbeiten<br />

zur Gründung von Verbrennungszentren in<br />

der DDR“. [8]<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 9


Die besondere Unterstützung durch das<br />

Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen war bis<br />

zu einem gewissen Grade gegeben. Sie bestand<br />

u. a. in der Gewährung von Importen<br />

(z. B. Antiseptika, Dermatome) <strong>und</strong> Unterstützung<br />

von Hospitationen, besonders in<br />

den Verbrennungszentren der CSSR in Prag<br />

<strong>und</strong> Kosiče. Das relativ hohe Behandlungsniveau<br />

von Verbrennungsverletzten wurde<br />

maßgeblich durch die Arbeitsgemeinschaft<br />

„Thermische <strong>und</strong> kombinierte Schäden“ innerhalb<br />

der Sektion Traumatologie beeinflusst.<br />

Zu den Leistungen der AG zählten<br />

Produkte für den temporären Hautersatz,<br />

die in der Praxis zur Anwendung gelangten.<br />

Eine Forschungsgruppe um Prof. Dr. S. Kiene<br />

entwickelte eine desantigenisierte, lyophilisierte<br />

Schweinespalthautkonserve („Xenoderm“).<br />

Eine weitere Gruppe um Frau Prof.<br />

Dr. H. Arzinger-Jonasch <strong>und</strong> Dr. J. Riedeberger<br />

(Leipzig) setzte die Produktion eines synthetischen<br />

Hautersatzes („SYSpur-derm“)<br />

durch. 1979 erschien von H. Arzinger-Jonasch<br />

<strong>und</strong> J. Riedeberger die Monografie<br />

„Klinik <strong>und</strong> Therapie der Verbrennungsverletzungen“<br />

(2. Auflage 1983).<br />

Ambulanter Bereich [7, 11]<br />

Die Polikliniken der Chirurgischen Kliniken<br />

der Universitäten <strong>und</strong> Medizinischen Akademien<br />

blieben auch in der DDR traditioneller<br />

integraler Bestandteil der Klinik in<br />

allen Belangen der Lehre, Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Medizinischen Betreuung.<br />

Die Polikliniken in den Städten waren die<br />

Basis der ambulanten Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> spezialisierten<br />

Betreuung. Gr<strong>und</strong>sätzlich wurde<br />

die Funktions- <strong>und</strong> Verwaltungseinheit<br />

mit dem stationären Bereich (sog. „Funktionseinheit<br />

Krankenhaus-Poliklinik“) angestrebt,<br />

was auch überwiegend der Fall war.<br />

Die verwaltungstechnische <strong>und</strong> juristische<br />

Verselbständigung einer Poliklinik setzte<br />

sich in der Regel dort durch, wo es sich um<br />

unterschiedliche Standorte handelte.<br />

In größeren Chirurgischen Abteilungen<br />

der Polikliniken erfolgte eine gewisse Spezialisierung.<br />

Fachärzte, die sich z. B. schwerpunktmäßig<br />

mit Unfallchirurgie, Handchirurgie,<br />

Proktologie befassten. Es war möglich<br />

<strong>und</strong> laut RKO 1979 [10] abgesichert, mit<br />

der Klinik zu kooperieren, dort auch operativ<br />

tätig zu werden <strong>und</strong> sich am Bereitschaftsdienst<br />

zu beteiligen.<br />

Die Betriebspolikliniken wirkten in den<br />

größeren Betrieben aller Industriezweige.<br />

Schwerpunkt war die arbeitsmedizinische<br />

Betreuung <strong>und</strong> ambulante Gr<strong>und</strong>versorgung.<br />

Die Stadtambulatorien waren anfänglich<br />

organisatorisch den Polikliniken angegliedert.<br />

Sie wurden vorwiegend von Fachärzten<br />

für Allgemeinmedizin geleitet. Angesiedelt<br />

waren weiterhin Kinderärzte, selten<br />

Gynäkologen. Neben dem entsprechenden<br />

mittleren medizinischen <strong>und</strong> technischen<br />

Personal waren dem Stadtambulatorium<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendfürsorgerinnen <strong>und</strong> erfahrene<br />

Gemeindeschwestern zugeordnet,<br />

die dem Leiter organisatorisch unterstellt<br />

waren. Über Röntgeneinrichtungen, Laboratorien,<br />

chirurgisch-instrumentelle Ausrüstungen<br />

verfügten die Ambulatorien nicht.<br />

In den 80er Jahren wurden alle Stadtambulatorien<br />

<strong>und</strong> Staatliche Arztpraxen zusammengefasst,<br />

geleitet von einem Direktor für<br />

ambulante Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen, der<br />

direkt dem Kreisarzt unterstellt war.<br />

Die Funktion der staatlichen Landambulatorien<br />

entsprach jener der Ambulatorien<br />

in den Städten, jedoch mit breiterer Aufgabenstellung,<br />

aber eingeschränkten medizinischen<br />

Leistungsprofil. Ihnen waren<br />

weiterhin regionale Kinderkrippen, Altersheime,<br />

Behinderteneinrichtungen medizinisch,<br />

disziplinarisch <strong>und</strong> verwaltungstechnisch<br />

unterstellt. Sie wurden durchgehend<br />

von Fachärzten für Allgemeinmedizin<br />

betrieben. Bei erhöhtem Bedarf war eine<br />

st<strong>und</strong>enweise Unterstützung durch Ärzte<br />

anderer Fachrichtungen wie Innere Medizin,<br />

Pädiatrie, Gynäkologie zwar möglich, aber<br />

die Ausnahme.<br />

Die Aufgabenstellung erstreckte sich auf<br />

die medizinische Gr<strong>und</strong>versorgung im umfassenden<br />

Sinne. Der Allgemeinarzt wurde<br />

regelmäßig <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich primär<br />

aufgesucht. Ärzte anderer Fachrichtungen<br />

wurden nur auf dem Überweisungswege in<br />

Anspruch genommen. Zu seinen Aufgaben<br />

zählten weiterhin Schwangerenberatungen,<br />

Mütterberatungen, Impfprophylaxe, Vorsorgeuntersuchungen<br />

in Kinderkrippen <strong>und</strong><br />

-gärten, Arbeitsmedizinische Untersuchung<br />

der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung.<br />

Zugeordnet waren Gemeindeschwestern,<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendfürsorgerinnen.<br />

Landambulatorien wurden schon in den<br />

50er Jahren in Regionen dünner Besiedelung<br />

<strong>und</strong> landwirtschaftlicher Schwerpunkte<br />

erbaut, vorwiegend als einheitlicher Typenbau.<br />

Ihr medizinisches Versorgungsgebiet<br />

erstreckte sich über mehrere Dörfer mit insgesamt<br />

8.000 bis 15.000 Einwohnern.<br />

In den Staatlichen Arztpraxen wirkten vorwiegend<br />

Fachärzte für Allgemeinmedizin.<br />

Sie handelten in eigener Verantwortung,<br />

<strong>und</strong> die Organisationsform dieser Praxen<br />

entsprach im Wesentlichen der einer Niederlassung.<br />

Verwaltungstechnisch organisatorisch<br />

waren sie zum Teil den Ambulatorien,<br />

zum Teil dem Rat des Kreises zugeordnet.<br />

Dementsprechend war auch die<br />

disziplinarische Unterstellung unterschiedlich<br />

geregelt.<br />

Im Oktober 1989 arbeiteten 22.000 Ärzte<br />

(über die Hälfte aller Ärzte der DDR) <strong>und</strong><br />

13.000 Zähnärzte in den staatlichen ambulanten<br />

Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen.<br />

Privatpraxen waren die absolute Ausnahme.<br />

Noch in den 50er Jahren wurde die<br />

ambulante medizinische Betreuung vorwiegend<br />

von niedergelassenen Ärzten getragen.<br />

Nach dem Mauerbau 1961 wurde auf<br />

einen Wechsel dieser Ärzte in Einrichtungen<br />

des staatlichen ambulanten Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

gedrängt. Neue Niederlassungen<br />

wurden nur noch dann gewährt, wenn<br />

Kinder die elterliche Praxis übernehmen<br />

wollten. 1989 standen 341 Ärzte in eigener<br />

Niederlassung 1635 Ärzten in Staatspraxen<br />

gegenüber.<br />

Ein weit verbreitetes Prinzip war die vertraglich<br />

geregelte, honorierte <strong>und</strong> außerhalb<br />

der Dienstzeit zu erbringende Nebentätigkeit<br />

(sog. „Z-Stelle“ = Z(usatz)-Stelle).<br />

Zahlreiche Klinikärzte wurden so ambulant<br />

tätig. Auf diese Regelung griff man dann zurück,<br />

wenn in Ambulanzen <strong>und</strong> Polikliniken<br />

notwendige fachärztliche Leistungen aus<br />

personellen Gründen nicht gewährleistet<br />

waren oder der Bedarf für eine volle Planstelle<br />

nicht ausreichte. Von dieser Regelung<br />

profitierten auch die Patienten, da häufig<br />

der Erstkontakt vor einer Operation, dann<br />

die stationäre Behandlung einschließlich<br />

des operativen Eingriffs bis hin zur Nachsorge<br />

in den Händen des gleichen Arztes lag.<br />

Mit der besseren personellen Ausstattung<br />

des ambulanten Bereichs trat diese Z-Stellen-Regelung<br />

mehr <strong>und</strong> mehr in den Hintergr<strong>und</strong>.<br />

Eine besondere Aufgabe der ambulanten<br />

Einrichtungen waren die „Dispensaires“.<br />

Aus der im Mittelalter in Klöstern Frankreichs<br />

gewährten unentgeltlichen Heilbehandlung<br />

<strong>und</strong> Arzneiabgabe entwickelte<br />

sich als moderne Form eine Bindung an die<br />

Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge. In der DDR integrierte<br />

die „Dispensairebetreuung“ alle Maßnahmen<br />

einer ständigen, kontinuierlichen<br />

Überwachung, Behandlung <strong>und</strong> Rehabilitation<br />

Gefährdeter <strong>und</strong> Geschädigter. Im<br />

Gegensatz zur Spezialsprechst<strong>und</strong>e stand<br />

der langfristige <strong>und</strong> prophylaktische Aspekt<br />

im Vordergr<strong>und</strong>. Außerdem fanden letztere<br />

vorwiegend in den Kliniksambulanzen statt<br />

10<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


<strong>und</strong> wurden von spezialisierten Klinikärzten<br />

durchgeführt.<br />

Zur ambulanten Behandlung unfallchirurgischer<br />

Patienten<br />

Für die stationären Unfallchirurgen war es<br />

unproblematisch, Verletzte nach der Entlassung<br />

aus stationärer Behandlung in den<br />

Klinikambulanzen des Krankenhauses weiter<br />

zu behandeln <strong>und</strong> zu kontrollieren. Das<br />

erfolgte in der Regel dann, wenn aus fachlichen<br />

Gründen die direkte Nachsorge vorteilhaft<br />

erschien.<br />

In zahlreichen größeren Polikliniken mit chirurgischen<br />

Abteilungen hatte sich ein Arzt<br />

auf dem Gebiete der Unfallchirurgie spezialisiert,<br />

der mit der Klinik kooperierte, teilweise<br />

dort operativ tätig wurde <strong>und</strong> an den<br />

Klinikfortbildungen teilnahm. Eine weitere<br />

Möglichkeit war eine vertraglich geregelte,<br />

honorierte Nebentätigkeit (Z-Stelle) von Klinikärzten<br />

in der Ambulanz. Ein stationärer<br />

Unfallchirurg konnte auf dieser Honorarbasis<br />

sowohl in der Klinikambulanz als auch in<br />

der Poliklinik tätig werden.<br />

Kur- <strong>und</strong> Bäderwesen, Rehabilitation<br />

(unter Mitarbeit von R. Lang*)<br />

Das Kur- <strong>und</strong> Bäderwesen war neben den<br />

stationären <strong>und</strong> ambulanten Einrichtungen<br />

eine 3. Säule im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen<br />

der DDR. Dieses genoss die besondere<br />

fachliche <strong>und</strong> wissenschaftliche Aufmerksamkeit<br />

<strong>und</strong> Unterstützung der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Physiotherapie.<br />

Jeder Facharzt konnte unter Beachtung der<br />

Fragen<br />

– Ist die Kur notwendig?<br />

– Ist der Patient kurfähig?<br />

– Liegt eine Kureignung vor?<br />

– Hat der Patient die richtige Einstellung zur<br />

Kur?<br />

beim zuständigen Kreisarzt eine Kur beantragen.<br />

Dieser legte den Antrag einer<br />

Fachkommission zur Prüfung vor <strong>und</strong> traf<br />

im positiven Falle die Genehmigung unter<br />

Beachtung seines Kontingents, das ihm aufgeschlüsselt<br />

nach Einwohnerzahl <strong>und</strong> industrieller<br />

Ballung über seinen Bezirksarzt<br />

vom Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

<strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esvorstand des FDGB (Freier<br />

<strong>Deutsche</strong>r Gewerkschaftsb<strong>und</strong>) als Kostenträger<br />

zugeteilt worden war.<br />

* Dr. med. R. Lang, vorm. Ärztlicher Direktor des Kliniksana<br />

toriums für Unfall- <strong>und</strong> Sportverletzte „Raupennest“,<br />

Altenberg/Erzgebirge.<br />

1978 wurde vom Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

ein Verzeichnis über die Bäder<br />

<strong>und</strong> Sanatorien <strong>und</strong> deren Leistungsprofil<br />

herausgegeben. Dabei wurde auf die Konzentration<br />

bestimmter Indikationen <strong>und</strong><br />

Krankheitsgruppen auf besonders geeignete,<br />

hinsichtlich ihrer speziellen diagnostischen<br />

<strong>und</strong> therapeutischen Möglichkeiten<br />

profilierte Kur- <strong>und</strong> Rehabilitationseinrichtungen<br />

geachtet.<br />

Die zahlreichen traditionellen Kureinrichtungen<br />

aus der Vorkriegszeit wurden zum<br />

Teil weiter ausgebaut. Die Kapazität für Genesungskuren,<br />

auch nach leichteren Unfällen,<br />

war ausreichend.<br />

Problematisch war die Frührehabilitation<br />

bzw. die spezielle Rehabilitation schwerer<br />

<strong>und</strong> besonderer Unfallfolgen. Diese wurde<br />

zumeist von den erstbehandelnden stationären<br />

Einrichtungen übernommen. Die<br />

heutigen optimalen Voraussetzungen wie<br />

Bewegungsbad, Ergotherapie <strong>und</strong> dergleichen<br />

waren allerdings selten <strong>und</strong> zuletzt<br />

nur in den neu erbauten Bezirkskrankenhäusern<br />

gegeben.<br />

Das „Raupennest“ in Altenberg (Osterzgebirge),<br />

allgemein als Sanatorium für Unfall<strong>und</strong><br />

Sportverletzungen bezeichnet, war eine<br />

Ausnahme. Es war die einzige Einrichtung<br />

für die spezielle Rehabilitation nach Unfällen<br />

bzw. orthopädischen Operationen, abgesehen<br />

vom Sanatorium in Kreischa bei Dresden,<br />

das aber nur den Leistungssportlern<br />

vorbehalten blieb. Das Haus war im Jahre<br />

1926 von der Aktiengesellschaft „Sächsische<br />

Werke“ als imposantes Hotel „Berghof Raupennest“<br />

erbaut worden. Der 2. Weltkrieg<br />

hinterließ nur eine Ruine. Nach dem Wiederaufbau<br />

1951 wurde es als Rehabilitationsstätte<br />

genutzt. Ab 1. Januar 1989 erhielt<br />

Raupennest den Status „Kliniksanatorium“.<br />

Jährlich wurden im „Raupennest“ mit etwa<br />

150 Betten etwa 1200 Patienten von 90<br />

Mitarbeitern, darunter 4 Ärzten, behandelt.<br />

Rehabilitationsziel war die Wiedereingliederung<br />

in den Arbeitsprozess sowie in das<br />

private <strong>und</strong> gesellschaftliche Leben. Als<br />

Therapieformen kamen neben der Physiotherapie<br />

(Einzel- <strong>und</strong> Gruppengymnastik,<br />

Gehschule, Schlingenkäfig, Schwimmübungen,<br />

Fußübungsgerät) die Ergotherapie<br />

(Weben, Knüpfen, Drucken, Emaillieren) <strong>und</strong><br />

der Heilsport (Konditionierung, gezielter<br />

Muskelaufbau) zum Einsatz. In der Freizeit<br />

standen den Rehabilitanden eine umfangreiche<br />

Bibliothek, wie auch Klub-, Schach<strong>und</strong><br />

Billardräume zur Verfügung. Kulturelle<br />

Veranstaltungen <strong>und</strong> Arztvorträge dienten<br />

der Unterstützung des Rehabilitationsprozesses.<br />

Jährlich wurden „Raupennestsportspiele“<br />

veranstaltet, um dauergeschädigte<br />

Menschen für den Versehrtensport des<br />

DTSB (<strong>Deutsche</strong>n Turn- <strong>und</strong> Sportb<strong>und</strong>) der<br />

DDR zu interessieren.<br />

Der reguläre Aufenthalt von 4 Wochen<br />

reichte für die schwersten Unfallfolgen<br />

nicht aus. Die für einen 10-Jahreszeitraum<br />

errechnete durchschnittliche Verweildauer<br />

betrug 41,6 Tage. Der Einweisungsmodus<br />

war der speziellen Indikation angepasst. 10<br />

größere Kliniken (Universitäten, Akademien,<br />

einzelne BKH) hatten ein Kontingent für Direkteinweisungen<br />

mit der Möglichkeit einer<br />

Frührehabilitation. Beim regulären Einweisungsverfahren<br />

wurde auf eine strenge Indikationsstellung<br />

geachtet.<br />

Ein großes Defizit im internationalen Vergleich<br />

bestand bis zur Wende bei der Rehabilitation<br />

Querschnittsgelähmter. Einige<br />

Fortschritte gab es durch die zentral angeordnete<br />

Regelung in den 80er Jahren:<br />

Die Primärversorgung hatte regional in<br />

ausgewählten BKH mit entsprechender<br />

technischer Ausrüstung <strong>und</strong> qualifiziertem<br />

Personal zu erfolgen; daran schloss sich<br />

– regional aufgeteilt – die medizinische Rehabilitation<br />

in den Zentren Sülzhain-Harz<br />

oder Berlin-Buch an; für die soziale Rehabilitation<br />

<strong>und</strong> Integration waren die Kommunen<br />

zuständig.<br />

Ein weiterer Missstand war die unzureichende<br />

<strong>und</strong> zum Teil primitive Ausstattung<br />

mit technischen Hilfsmitteln für körperlich<br />

Behinderte: Es mangelte an Rollstühlen mit<br />

einem höheren technischen Niveau, aber<br />

auch an kleinen Hilfen für die Belange des<br />

täglichen Lebens wie spezielle Essbestecke<br />

<strong>und</strong> dergleichen. Diese mussten entweder<br />

durch Eigenhilfe hergestellt oder irgendwie<br />

beschafft werden.<br />

Militärmedizinische Einrichtungen<br />

Die medizinischen Einrichtungen der Nationalen<br />

Volksarmee (NVA) schalteten sich in<br />

die Betreuung der Bevölkerung ein, sofern<br />

die übergeordneten militärmedizinischen<br />

Belange dies zuließen. In Notfällen bestand<br />

jedoch für die ärztlichen Notfalldienste in<br />

Kliniken <strong>und</strong> Lazaretten der NVA die Pflicht,<br />

sowohl inländische als auch ausländische<br />

Bürger zu versorgen.<br />

Die geregelte Ausbildung von Militärärzten<br />

begann 1951 [2, 4]. Dem Krankenhaus der<br />

Kasernierten Volkspolizei (KVP) in Leipzig-<br />

Wiederitzsch war eine Studentenkompanie<br />

angegliedert, deren Mitglieder an der Medizinischen<br />

Fakultät der Leipziger Universität<br />

studierten. Im Jahre 1955 wurde mit der<br />

Gründung einer Militärmedizinischen Sektion<br />

(MMS) die Ernst-Moritz-Arndt-Universität<br />

Greifswald für die militärmedizinische<br />

Ausbildung ausgewählt. Die MMS in Greifswald<br />

war zugleich Ausbildungsstätte für<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 11


Militärzahnärzte <strong>und</strong> -apotheker. Weiterhin<br />

fanden hier routinemäßig mehrwöchige<br />

Lehrgänge für Reservisten – zu einem hohen<br />

Anteil Chirurgen der Hochschulkliniken<br />

<strong>und</strong> des kommunalen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

– statt.<br />

1954 wurde in Bad Saarow das „Zentralkrankenhaus<br />

der KVP“ errichtet; später „Armeelazarett“<br />

bzw. „Zentrales Armeelazarett“<br />

der NVA <strong>und</strong> ab 1981 „Militärmedizinische<br />

Akademie“ (MMA). Hier wurden Angehörige<br />

der NVA, Zivilbeschäftigte der NVA, Familienangehörige<br />

des Offizierbestandes <strong>und</strong><br />

mit einem Anteil bis zu 30 % der Bettenkapazität<br />

auch zivile Bürger behandelt.<br />

Der Leiter des Lehrstuhls Feldchirurgie<br />

(Prof. Dr. L. Stöcker) war im klinischen Bereich<br />

einer der Stellvertreter des Chefarztes<br />

der Chirurgischen Klinik (Prof. Dr. G. Lochmann).<br />

Eine selbständige Unfallchirurgie<br />

gab es nicht.<br />

Das klinische Profil der MMA Bad Saarow<br />

entsprach dem eines Krankenhauses der<br />

hochspezialisierten Versorgung. Kliniken<br />

<strong>und</strong> Institute zeichneten sich durch eine<br />

sehr gute technische Ausrüstung <strong>und</strong> profilierte<br />

personelle Besetzung aus. Die Chirurgische<br />

Klinik hatte die volle Berechtigung<br />

zur Facharztweiterbildung. Es bestand eine<br />

enge Zusammenarbeit mit zivilen Partnern.<br />

Für Krankenhäuser der Region wurden<br />

Dienstleistungen übernommen (CT, MRT,<br />

Steinzertrümmerung, Schnellschnittuntersuchungen).<br />

Leitende Ärzte arbeiteten in<br />

den wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en der<br />

DDR mit, so der Leiter des Lehrstuhls Feldchirurgie<br />

im Vorstand der Sektion Traumatologie.<br />

Die Standorte der Lazarette: der Landstreitkräfte<br />

in Dresden, Gotha, Leipzig, Neustadt-Glewe,<br />

Potsdam <strong>und</strong> Ückermünde<br />

(Prenzlau), der Seestreitkräfte in Strals<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> der Luftstreitkräfte in Cottbus. Der Anteil<br />

ziviler Patienten war in den Lazaretten<br />

aus Kapazitätsgründen gering.<br />

Die Unfallchirurgie im staatlichen<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

Die „Institutionalisierung“ der Unfallchirurgie<br />

vollzog sich in der DDR relativ schwerfällig.<br />

Alter deutscher Tradition entsprechend<br />

dominierten lange Zeit, wie in der BRD<br />

auch, die Allgemeinchirurgie <strong>und</strong> damit der<br />

Allgemeinchirurg als Chefarzt. Das traumatologische<br />

Krankengut wurde auf einer<br />

„Unfallstation“ zusammengefasst, die oft<br />

vom jeweils jüngsten Oberarzt geleitet <strong>und</strong><br />

dann dem nachrückenden jüngeren Oberarzt<br />

übergeben wurde. Die Assistenten „rotierten“<br />

im Rahmen der Weiterbildung. Die<br />

Dauer ihrer unfallchirurgischen Tätigkeit<br />

wurde zumeist nicht von den Belangen der<br />

Weiterbildung, sondern von denen der Klinik<br />

bestimmt.<br />

Nur in wenigen Häusern <strong>und</strong> Gremien wurde<br />

die zunehmende Bedeutung der Unfallchirurgie<br />

für die medizinische Versorgung<br />

rechtzeitig erkannt. So entstanden selbständige<br />

Kliniken für Unfallchirurgie in Berlin-Friedrichshain<br />

(1956), Berlin-Köpenick<br />

(1961), Karl-Marx-Stadt – die „Zschopauer-Straße“<br />

(1968), Cottbus (1971), Zwickau<br />

(1975), Dessau (1975).<br />

Im Beitrag „Die Entwicklung der Unfallchirurgie<br />

in der DDR“ (Kapitel 6: „Die medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en in<br />

der DDR“) wird ausführlicher über die Stellung<br />

der Unfallchirurgie innerhalb der chirurgischen<br />

Fachrichtung berichtet.<br />

Ausdruck eines Fortschritts <strong>und</strong> einer Anerkennung<br />

der zunehmenden Bedeutung der<br />

Unfallchirurgie war der Aufbau einer geregelten<br />

Aus-, Weiter- <strong>und</strong> Fortbildung. Die<br />

Akademie für Ärztliche Fortbildung in Berlin,<br />

verantwortlich für alle Belange der Weiterbildung<br />

zum Facharzt <strong>und</strong> kontinuierlichen<br />

Fortbildung, regelte die Subspezialisierung<br />

Traumatologie (s. Kap. 7: „Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung“).<br />

Neben den wissenschaftlichen<br />

Themen bildete die Fortbildung bei den<br />

seit 1972 jeweils in 2-jährlichen Abständen<br />

traditionell in Leipzig stattfindenden Unfallchirurgenkongressen<br />

der DDR (s. Kap. 8:<br />

„Kongresse – Tagungen mit internationaler<br />

Beteiligung“) ein Schwergewicht; ebenso<br />

bei den im 2-Jahresabstand stattfindenden<br />

wissenschaftlichen Kongressen der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie der DDR.<br />

Aus der täglichen Praxis<br />

Auf dem Gebiete der Unfallprophylaxe bestanden<br />

Defizite, wie anderen Ortes auch.<br />

In der Verkehrssicherheit reduzierten sich<br />

die Bemühungen auf programmatische Erklärungen.<br />

Das primitive Sicherheitsniveau<br />

der PKW <strong>und</strong> die dürftigen Straßenverhältnisse<br />

setzten der Vorbeugung schwerer<br />

Verletzungen ohnehin objektive Grenzen.<br />

Eine Ausnahme bildeten die Betriebsunfälle,<br />

wo aus den Zahlen im Laufe der Jahre<br />

Fortschritte ersichtlich sind. Trotz des absoluten<br />

Alkoholverbotes beim Führen eines<br />

Kraftfahrzeugs wurde bei den Unfallverursachern<br />

in einem hohen Prozentsatz ein<br />

Alkoholeinfluss nachgewiesen, z. B. in den<br />

Jahren 1970 bis 1980 von 8 bis 9 %.<br />

Die notärztliche Hilfe am Unfallort verbesserte<br />

sich mit der Einrichtung der „Dringlichen<br />

Medizinischen Hilfe“ (DMH), als<br />

Struktureinheit des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

eines Kreises, Mitte der 70er Jahre. Damit<br />

waren Schulungen <strong>und</strong> kontinuierliche<br />

Fortbildungen des Ärzteteams verb<strong>und</strong>en,<br />

die sich an diesem Notdienst beteiligten. Bis<br />

dahin gab es nur an wenigen Einrichtungen<br />

speziell ausgerüstete Krankenwagen, die<br />

vom <strong>Deutsche</strong>n Roten Kreuz der DDR bereitgestellt<br />

<strong>und</strong> in der Regel von den Anästhesisten<br />

im Rahmen eines regulären Bereitschaftsdienstes<br />

besetzt wurden. (s. Kap.<br />

13: „Notfallmedizin, Katastrophenschutz,<br />

Rettungsmedizin“)<br />

Anmerkung Der Aufbau des Systems der<br />

notärztlichen Hilfe wurde vorrangig von den<br />

Vertretern der aufstrebenden Fachrichtung<br />

Anästhesie getragen. Beispielgebend war das<br />

Klinikum Berlin-Friedrichshain. Berlin hatte<br />

seit 1957 die ersten Chefärzte für Anästhesiologie<br />

im deutschsprachigen Raum [12].<br />

Für die DMH standen in den letzten Jahren<br />

spezielle Fahrzeuge zur Verfügung. Der<br />

Verletzten- <strong>und</strong> Krankentransport mit dem<br />

Hubschrauber bildete die absolute Ausnahme,<br />

zurückzuführen auf militärische Vorgaben<br />

<strong>und</strong> auf die Kosten. Außerdem war das<br />

Gerät nur bedingt geeignet, wegen der improvisierten<br />

Ausrüstung <strong>und</strong> vor allem wegen<br />

des Motorenlärms war eine wirksame<br />

notärztliche Behandlung während des<br />

Fluges kaum möglich. (s. auch Kap. 18: "Die<br />

Unfallchirurgie als Wurzel einer modernen<br />

interdisziplinären außerklinischen Notfallversorgung<br />

in Ostdeutschland")<br />

Die Erwartungen der Patienten <strong>und</strong> ihrer<br />

Angehörigen an den Unfallchirurgen waren,<br />

wie in allen Bereichen der Medizin,<br />

sehr hoch. Der DDR-Bürger war durch das<br />

Westfernsehen über den internationalen<br />

Leistungsstand der Chirurgie bestens informiert.<br />

Die Diskrepanz auf medizintechnischem<br />

Gebiet, welche trotz der ständig<br />

anwachsenden Westimporte von Instrumenten<br />

<strong>und</strong> Instrumentarien bis zum Ende<br />

der DDR bestehen blieb, wurde durch schöpferische<br />

Improvisation <strong>und</strong> vor allem durch<br />

das vorbildliche Engagement der Ärzte zu<br />

einem großen Teil kompensiert.<br />

In vielen kleineren Häusern der Gr<strong>und</strong>versorgung<br />

waren die medizintechnischen<br />

Voraussetzungen für eine zeitgemäße unfallchirurgische<br />

Versorgung nicht gegeben.<br />

Zum Beispiel fehlte noch Ende der 70er Jahre<br />

in vielen kleinen Häusern der Bildverstärker,<br />

obwohl dieses Gerät in Dresden produziert<br />

wurde. Die Produktion war begrenzt,<br />

der Export hatte Vorrang. Wiederholte <strong>und</strong><br />

im jeweiligen Jahresplan der Krankenhäuser<br />

schriftlich begründete Anforderungen<br />

führten selten zum Erfolg. Knappe Geräte<br />

12<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


aus Import <strong>und</strong> Eigenproduktion unterlagen<br />

ohnehin der bezirksärztlichen oder noch höheren<br />

Kontrolle <strong>und</strong> wurden je nach offizieller<br />

bzw. regionaler Aufgabenstellung <strong>und</strong><br />

damit nach Dringlichkeit zugeordnet. Auch<br />

die Fachgesellschaften wurden teilweise<br />

einbezogen. Ein Brief aus der üblichen Planungskorrespondenz<br />

soll das exemplarisch<br />

belegen <strong>und</strong> einen Eindruck vermitteln<br />

( Abb. 1).<br />

Der Mangel führte teilweise zu kuriosen Lösungen:<br />

Ein typisches Beispiel gebotenen Improvisationsvermögens<br />

waren die vielen, durchaus originellen<br />

technischen Lösungen der in Eigenproduktion<br />

hergestellten äußeren Festhalter.<br />

Importgeräte renommierter Firmen standen<br />

über viele Jahre nur größeren Kliniken mit<br />

dem Status eines unfallchirurgischen Schwerpunkts<br />

zur Verfügung. Findige Unfallchirurgen<br />

in den kleineren Krankenhäusern gewannen<br />

Feinmechaniker in den unterschiedlichsten<br />

Betrieben der jeweiligen Region für einen Eigenbau.<br />

An Schanz-Schrauben bestand kein<br />

Mangel, <strong>und</strong> die Leistungsfähigkeit eines<br />

Fixateur externe ist nicht an sein Design geb<strong>und</strong>en.<br />

Auch die Frage der Handhabung ist<br />

letztlich zweitrangig. Später stand das in der<br />

DDR hergestellte „System Miehle“ zur Verfügung.<br />

In kleineren Mengen wurden auch der<br />

„Ilisarov-Apparat“ <strong>und</strong> ähnliche Geräte aus<br />

der Sowjetunion importiert.<br />

Die Orthopädiewerkstatt der Charité stellte in<br />

Eigenproduktion einen Halo-Yoke-Fixateur her<br />

– eine wichtige Ergänzung zur operativen Fusion<br />

(lange Zeit mittels selbst gefertigter Implantate,<br />

schmale AO-Platten wurden zersägt!),<br />

besonders bei Verletzungen der oberen Halswirbelsäule.<br />

Das Problem war die Bezahlung,<br />

eine bestimmte finanzielle Grenze durfte nicht<br />

überschritten werden. Die Lösung brachte die<br />

„Umwandlung“ in zwei Geräte, einen Halo <strong>und</strong><br />

einen Yoke. Die jeweilige Rechnungssumme<br />

blieb nun unter der magischen Grenze.<br />

Ein weiteres Beispiel: Vielen DDR-Unfallchirurgen<br />

werden die Fahrten zum Auslieferungslager<br />

für Instrumentarien <strong>und</strong> Implantate<br />

in Gera oder zur Forschungsabteilung der<br />

Herstellerfirma Königssee/Thüringen in Erinnerung<br />

bleiben. Auf diesem Wege <strong>und</strong> unter<br />

Umgehung des staatlichen Planungsrituals<br />

ließen sich unkonventionelle Möglichkeiten<br />

für den Direkteinkauf finden.<br />

Von großem Glück konnte der Unfallchirurg<br />

einer kleineren Einrichtung dann sprechen,<br />

wenn ein höherer Partei- <strong>und</strong> Staatsfunktionär<br />

in seinem Versorgungsbereich verunglückte<br />

<strong>und</strong> wegen der Schwere seiner Verletzungen<br />

nicht in ein Regierungskrankenhaus verlegt<br />

werden konnte. Ad hoc wurde dann ein AO-<br />

Besteck aus irgendwelchen Reserven geliefert<br />

oder auf direktem Wege aus Westberlin<br />

beschafft, welches danach dem Krankenhaus<br />

weiterhin zur Verfügung stand.<br />

Abb. 1 Kopie eines Schreibens des Instituts für Arzneimittelwesen der DDR. Die Versorgung mit<br />

Implantaten lag im Verantwortungsbereich des „Instituts für Arznei mittel wesen“. Die Zusammenarbeit<br />

mit den Fachgesellschaften wurde angestrebt, z. B. hinsichtlich der Zusammensetzung des Sortiments.<br />

Der Mangel an Geräten <strong>und</strong> Instrumentarien<br />

in den kleineren Häusern hatte bei allen<br />

negativen Seiten auch etwas Positives.<br />

Er führte zwangsläufig zur Verlegung der<br />

betroffenen Patienten in die Kliniken der<br />

Universitäten <strong>und</strong> Bezirkskrankenhäuser<br />

mit allen Vorteilen einer Zentralisierung<br />

therapeutisch anspruchvoller Erkrankungen<br />

<strong>und</strong> Verletzungen.<br />

Die meisten DDR-Unfallchirurgen verfügten<br />

über umfangreiche allgemeinchirurgische<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten <strong>und</strong> waren<br />

als Subspezialisten gut weitergebildet (s.<br />

Kap. 7: „Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung“). In vielen<br />

schwierigen Situationen waren sie in der<br />

Lage, sinnvoll zu improvisieren <strong>und</strong> eine folgerichtige<br />

technische Notlösung zu finden.<br />

Auch deshalb bereitete die Handhabung<br />

der nach der Wende schnell zur Verfügung<br />

stehenden Geräte, Instrumentarien <strong>und</strong><br />

Implantate – unterstützt durch Kurse der<br />

Fachgesellschaften <strong>und</strong> Industrie, durch<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 13


Partnerschaften mit westlichen Häusern sowie<br />

durch zahlreiche persönliche Kontakte<br />

<strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftliche Kollegialität – keine<br />

Probleme.<br />

Bedingt durch Mängel in der technischen<br />

Ausrüstung, einschließlich des Operationssaals,<br />

war allerdings die Zahl der Komplikationen<br />

relativ hoch, insbesondere die Infektionsrate.<br />

Neben der Weiterbildung zum Facharzt<br />

<strong>und</strong> traumatologischen Subspezialisierung<br />

war auch die kontinuierliche postgraduale<br />

Fortbildung (Kongresse, Regionaltagungen,<br />

Symposien, Hospitationen) seit Mitte der<br />

60er Jahre sehr gut etabliert (s. Kap. 8:<br />

„Kongresse – Tagungen mit internationaler<br />

Beteiligung“). Die Veranstaltungen fanden<br />

großes Interesse <strong>und</strong> waren immer gut besucht.<br />

Generell bestand wegen des Devisenmangels<br />

ein Defizit an Fachliteratur. Die Anzahl<br />

der Periodika <strong>und</strong> Monografien westlicher<br />

Herkunft in den wissenschaftlichen Bibliotheken<br />

der Krankenhäuser entsprach der<br />

Bedeutung <strong>und</strong> Aufgabenstellung des jeweiligen<br />

Hauses. Die Vergabe erfolgte auf<br />

staatlicher Ebene durch den Bezirksarzt,<br />

dem pro Jahr ein zentral vergebener Fonds<br />

zur Verfügung stand. Seine Entscheidung<br />

basierte auf den Vorschlägen einer von ihm<br />

ernannten Kommission, die aus Ärzten von<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik bestand. Darüber hinaus<br />

stand jedem der Literaturdienst großer<br />

Bibliotheken zur Verfügung. Kostenlose<br />

Kopien wissenschaftlicher Artikel konnten<br />

angefordert, Monografien ausgeliehen werden.<br />

Die Unfallchirurgen hatten darüber<br />

hinaus die Möglichkeit, auf zahlreiche von<br />

der AO-International unterstützte <strong>und</strong> von<br />

Firmen getragene zusätzliche Literaturquellen<br />

zurückgreifen zu können. Die Erarbeitung<br />

aktuellen Wissens war zwar mitunter<br />

schwierig, Defizite hatten aber vorwiegend<br />

subjektive Ursachen.<br />

Zusammenfassung<br />

Im DDR-Ges<strong>und</strong>heitswesen dominierte der<br />

staatliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Charakter<br />

seiner Struktur. Dieser Gr<strong>und</strong>satz widerspiegelte<br />

sich in allen Belangen der Leitung, Planung,<br />

Ausrüstung, Wissenschaft, Forschung<br />

<strong>und</strong> Praxis.<br />

Die wesentlichen Entscheidungen wurden<br />

von den Parteiorganen der SED getroffen.<br />

Deren fachliche Inkompetenz führte mitunter<br />

zu Spannungen mit der staatlichen<br />

Leitungsebene <strong>und</strong> den Mitarbeitern des<br />

Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens. In den<br />

Einrichtungen des Ges<strong>und</strong>heitswesens bestand<br />

das Prinzip der ärztlichen Leitung.<br />

Trotz vieler Einschränkungen <strong>und</strong> Mängel<br />

war das Ges<strong>und</strong>heitswesen leistungsfähig<br />

<strong>und</strong> konnte beachtliche Erfolge in der<br />

Prophylaxe, Diagnostik, Therapie, Metaphylaxe,<br />

Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung<br />

aufweisen. Hier wurden im Gemeinwesen<br />

DDR zum Teil tragfähige gr<strong>und</strong>sätzliche Lösungen<br />

gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> beachtenswerte Erfahrungen<br />

gemacht.<br />

Den entscheidenden Anteil an diesem erreichten<br />

Niveau hatten die Mitarbeiter<br />

des Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens aller<br />

Ebenen <strong>und</strong> Bereiche. Durch die Systematik<br />

in der studentischen Ausbildung, Weiterbildung<br />

zum Facharzt, Subspezialisierung<br />

<strong>und</strong> kontinuierlichen postgradualen Fortbildung,<br />

besonders jedoch durch hohe Motivation<br />

<strong>und</strong> vorbildliches Engagement waren<br />

die Unfallchirurgen für die anspruchsvollen<br />

Aufgaben gut gerüstet. Der Beweis wurde<br />

nach der Wende angetreten. Mit dem in<br />

kurzer Zeit geschaffenen BRD-Niveau an<br />

Technik <strong>und</strong> Räumlichkeit wurden trotz tief<br />

greifender organisatorischer Umgestaltungen<br />

schnell vergleichbare Ergebnisse<br />

erreicht.<br />

Literatur<br />

1. Anordnung über die Aufgaben <strong>und</strong> die Organisation<br />

der Krankenhäuser des Staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

– Rahmen-Krankenhausordnung –.<br />

Vom 5. November 1954 (GBl Sonderdruck Nr 54).<br />

i.d.F. der ÄndAO vom 7. Juli 1955 (GBl I S. 500).<br />

2. Ewert G, Steiner ER, Maronde HU. Historische<br />

<strong>und</strong> zeitgenössische Fragmente. In: Interaktionen<br />

zwischen der Stadt Greifswald, der Ernst-Moritz-<br />

Arndt-Universität <strong>und</strong> dem Militär. Veröff. Med.<br />

Ges. 2007; Heft 61.<br />

3. Franke K. Persönliche Mitteilung 2007<br />

4. Lemmens FJ, Locher WG. Der Medizinische Dienst<br />

der NVA – Teil I. Klitzschen: Elbe-Dnjepr-Verlag Dr.<br />

Rudi Meier; 2006<br />

5. Mecklinger L. „Das Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR<br />

– Konzept <strong>und</strong> Realität“. Eröffnungsvortrag zur Podiumsdiskussion<br />

zum Thema „Das Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />

der DDR – Konzept <strong>und</strong> Realität“ (Berlin<br />

16.12.1994). In: Rapoport I. Veröffentlichungen<br />

der Interessengemeinschaft Medizin <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

e. V. 1994; 1: 65<br />

6. Mecklinger L. Zur Umsetzung der Ges<strong>und</strong>heitspolitik<br />

im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen der DDR;<br />

Teil 1: Einleitung, Ges<strong>und</strong>heitspolitik, Ges<strong>und</strong>heitszustand,<br />

Leitung. Veröff. Med. Ges. 1998; 4:<br />

1–65 (Heft 13), 32–33<br />

7. Pomerenke G. Persönliche Mitteilung<br />

8. Programmheft des IV. Unfallchirurgenkongresses<br />

der DDR mit internationaler Beteiligung. 5.–7. Dezember<br />

1973 in Leipzig.<br />

9. Rahmenkollektivvertrag für die Beschäftigten<br />

des staatlichen Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens.<br />

1. Auflage. Redaktionsschluss 1. Juli 1972. Staatliches<br />

Amt für Arbeit <strong>und</strong> Löhne. Nr. 133/72<br />

10. Rahmen-Krankenhausordnung – RKO – vom<br />

14. November 1979 (GBl. Sonderdruck Nr. 1032).<br />

11. Rähmer, KH. Persönliche Mitteilung 2006<br />

12. Scheidler K. „Besonderheiten des Berliner Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

in den 50er Jahren“. Vortrag, Wissenschaftliche<br />

Arbeitstagung Medizin <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

e. V. Berlin 26.11.1994. Vom Vortragenden<br />

autorisierte Fassung (Dokumentation IG Medizin<br />

<strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>)<br />

13. Schwartze P. „Die Arbeit des Ausschusses für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

der Volkskammer der DDR“. Vortag,<br />

Wissenschaftliche Arbeitstagung Medizin<br />

<strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong> e. V. Berlin 26.11.1994. Vom Vortragenden<br />

autorisierte Fassung (Dokumentation<br />

IG Medizin <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>)<br />

Prof. Dr. W. Senst<br />

Wildenbruch Str. 5a<br />

15230 Frankfurt/O<br />

Dr. K. Welz<br />

Finsterwalder Str. 45a<br />

03048 Cottbus<br />

14<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Unfallchirurgie an den Hochschuleinrichtungen<br />

der DDR<br />

E. Markgraf, W. Otto<br />

Situation nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft<br />

<strong>und</strong> die Folgen des 2. Weltkrieges<br />

mit den Zerstörungen der Städte durch die<br />

großen Luftangriffe hatten Deutschland<br />

in eine erschütternde Not <strong>und</strong> eine fast<br />

ausweglose Situation gebracht. Mangel an<br />

Unterkünften, Nahrungsmitteln, Kleidung,<br />

Heizmaterialien, Medikamenten, aber auch<br />

räumlichen Kapazitäten für die Kranken<strong>und</strong><br />

Verletztenversorgung bestimmte den<br />

Alltag. Krankheiten (Fleckfieber, Typhus,<br />

Tuberkulose, venerische Erkrankungen) traten<br />

epidemieartig auf. Die anschwellenden<br />

Flüchtlingsströme von Menschen aus den<br />

ehemaligen Ostgebieten verschärften die Situation.<br />

Eine enorme Zahl von Angehörigen<br />

der ehemaligen Wehrmacht war gefallen,<br />

in Kriegsgefangenschaft gekommen oder<br />

galt als vermisst. Die besonders schweren<br />

Bedingungen eines Arztes im 2. Weltkrieg<br />

<strong>und</strong> der nachfolgenden Gefangenschaft hat<br />

der ehemalige Sanitätsoffizier <strong>und</strong> spätere<br />

Ordinarius für Chirurgie in Halle, Karl-Ludwig<br />

Schober (1912–1999), Abb. 1, der die<br />

Schlacht um Stalingrad überlebt hat, anschaulich<br />

geschildert [16].<br />

Zur Behandlung verletzter Menschen standen<br />

in den Jahren nach Beendigung des<br />

2. Weltkriegs nur unzureichende operative<br />

Abb. 1 Porträt von K.-L. Schober (1912–1999)<br />

Aus: Privatbesitz Prof. Dr. Wieland Otto<br />

Möglichkeiten zur Verfügung. Auch die<br />

Reha bilitation der vielen Kriegsversehrten,<br />

die noch über viele Jahre betreuungspflichtig<br />

waren, bereiteten fachliche <strong>und</strong> technische<br />

Probleme. Entsprechende Notsituationen<br />

ergaben sich auch aus den teilweise<br />

erheblichen Kriegseinwirkungen an Krankenhausgebäuden.<br />

Es war, im Westen wie<br />

im Osten, eine erhebliche Aufbauleistung<br />

bei oft desolaten Voraussetzungen nötig. F.<br />

Meißner [10], hat sich in einem Artikel zum<br />

100. Geburtstag des früheren Ordinarius für<br />

Chirurgie in Leipzig, Herbert Uebermuth, folgendermaßen<br />

geäußert: „Lebensgeschichte<br />

ist immer auch Zeitgeschichte. Für die Vita<br />

des von uns heute <strong>und</strong> immer verehrten Herbert<br />

Uebermuth im doppelten Sinn, insofern,<br />

als sein Leben infernalischen äußeren Kräften<br />

ausgesetzt war. Er mußte 2 Weltkriege<br />

durchstehen, <strong>und</strong> er mußte seinen Weg durch<br />

2 Diktaturen finden. Wir sollten uns erinnern,<br />

dass viele Klinikdirektoren <strong>und</strong> erfahrene<br />

Chirurgen aus dem Krieg gekommen waren,<br />

sie vollzogen unter grotesken Bedingungen<br />

den Wiederaufbau ihrer vielfach in ruinenhaftem<br />

Zustand angetroffenen Kliniken in<br />

verblüffender Zeit. Diesen Männern ist viel<br />

zu verdanken, Herbert Uebermuth gehörte<br />

zu ihnen. Sie sicherten, dass es zu keinem Erdrutsch<br />

in der medizinischen Versorgung der<br />

Bevölkerung kam <strong>und</strong> hatten den Anschluß<br />

der deutschen Chirurgie an die rasante Entwicklung<br />

in der westlichen Welt herbeizuführen.“<br />

Eine solche Aufbauleistung aus der Kraft<br />

gestalterischen Willens haben viele Ordinarien<br />

der ostdeutschen Region nach dem<br />

2. Weltkrieg gezeigt.<br />

Über Einflüsse der Kriegsjahre auf die weitere<br />

Profilierung der Unfallheilk<strong>und</strong>e schrieben<br />

Ekkernkamp <strong>und</strong> Probst [2]: „Nach der<br />

Zäsur des 2. Weltkrieges <strong>und</strong> unter dem Einfluss<br />

eines erneuten pragmatischen Wandels<br />

von der morphologisch bestimmten zu einer<br />

zunehmend physiologisch motivierten Chirurgie<br />

veränderte sich auch das Bild der Unfallheilk<strong>und</strong>e:<br />

Die rasche wirtschaftliche Erholung<br />

mit der rasanten Ausweitung des Verkehrs<br />

löste eine traumatische Epidemie aus,<br />

die biologisch-physiologische Auffassung der<br />

Chirurgie <strong>und</strong> Medizin brachte neue Therapieformen<br />

hervor, eine vielseitig innovative<br />

Medizintechnik eröffnete apparativ-instrumentelle<br />

Möglichkeiten, die frühere Chirurgengenerationen<br />

schon vorgedacht, über die<br />

sie aber noch nicht hatten verfügen können.<br />

An erster Stelle ist hier die auf den Schlachtfeldern<br />

des 2. Weltkrieges aus der Not geborene<br />

Schockforschung zu nennen; unzweifelbar<br />

ist z. B. die Bedeutung der Bluttransfusionsforschung<br />

in Deutschland. Eng verzahnt<br />

mit ihr ist der Ausbau des land-, luft- <strong>und</strong><br />

seegestützten Rettungswesens, das ebenfalls<br />

historische Wurzeln hat.“<br />

Unfallchirurgie in der Nachkriegszeit<br />

Die Verletztenversorgung ist die älteste<br />

menschliche <strong>und</strong> ärztliche Hilfeleistung. In<br />

der Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts war sie zwar<br />

ein wichtiger Teil chirurgischer Obliegenheiten,<br />

aber völlig in die Gesamtchirurgie<br />

integriert. Während in der ersten Jahrh<strong>und</strong>erthälfte<br />

unter dem Einfluss von T. Billroth<br />

<strong>und</strong> seiner Schüler besonders die Entwicklung<br />

der heute als viszeralchirurgisch zugeordneten<br />

Eingriffe dominierte, hatte die<br />

Unfallchirurgie noch kein herausragendes<br />

Profil. Die Ergebnisse der operativen Eingriffe<br />

waren nicht überzeugend.<br />

Die vielfach zur so genannten „Knochenchirurgie“<br />

degradierten Aufgaben waren<br />

mehrheitlich eine ambulante Behandlungsart;<br />

unter den chirurgischen Obliegenheiten<br />

galten sie eher als unwichtig! Auch<br />

die stationär zu versorgenden Verletzten<br />

mussten die oft langzeitigen konservativen<br />

Prozeduren, u. a. mit Streckverbänden oder<br />

aufwendigen Ruhigstellungen der Extremitäten,<br />

des Brustkorbs, Beckens oder der<br />

Wirbelsäule in Gipsverbänden oder Liegeschalen<br />

durchstehen. Es muss aber betont<br />

werden, dass diese Behandlungsformen, die<br />

von Lorenz Böhler [1] zur weltweiten Anerkennung<br />

geführt wurden, viel Geschick,<br />

Kenntnisse <strong>und</strong> ärztliche Zuwendung erforderten.<br />

Sein zitiertes Buch, Erstausgabe<br />

1929, wurde von ihm mehrfach erweitert,<br />

ist in mehreren Auflagen <strong>und</strong> in zahlreichen<br />

Übersetzungen erschienen. F. Povacz [12]<br />

hat die Biographie Böhlers <strong>und</strong> seine Gr<strong>und</strong>sätze<br />

anschaulich dargestellt. An den Medizinischen<br />

Fakultäten gab es keine unfallchirurgische<br />

Repräsentanz.<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 15


estagung unter dem Vorsitz von Bürkle de<br />

la Camp. Er konnte auch Gäste aus Holland,<br />

Österreich <strong>und</strong> der Schweiz begrüßen. Insgesamt<br />

folgten 500 Teilnehmer der Einladung.<br />

Die Mitgliederzahl betrug 464. Hauptthemen<br />

waren Bandscheibenschäden <strong>und</strong> Marknagelung,<br />

Themen, die es vor dem zweiten<br />

Weltkrieg nicht gegeben hatte. Der Kongreßbericht<br />

erschien nun in den „Heften zur<br />

Unfallheilk<strong>und</strong>e“, Supplementen zur Monatsschrift<br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e, <strong>und</strong> blieb seither<br />

in der Obhut des Springer-Verlages.“<br />

Abb. 2 Porträt von G. Küntscher (1900–1972)<br />

Hans Willenegger (1910–1998), einer der<br />

Pioniere <strong>und</strong> Mitbegründer der „Internationalen<br />

Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen“<br />

(AO) hat 1945 nach Analysen<br />

der Schweizer Unfallversicherungs-Anstalt<br />

die Invaliditätsraten von fast 100 % bei der<br />

Verletzung belasteter Gelenke, von 65 %<br />

nach einfachen Oberschenkelbrüchen <strong>und</strong><br />

von 37 % nach geschlossenen Unterschenkelschaftbrüchen<br />

mitgeteilt. U. Heim hat<br />

die Geschichte der AO beschrieben [4].<br />

1960 hat H. Stiller [19] in der Zeitschrift<br />

„Therapie der Gegenwart“ in einem Artikel<br />

über „Gedanken zur Behandlung von Verletzungen<br />

<strong>und</strong> ihren Früh- <strong>und</strong> Spätfolgen“<br />

festgestellt: „Im allgemeinen plädieren wir<br />

für ein möglichst konservatives Vorgehen bei<br />

der Behandlung von Frakturen. Diese Einstellung<br />

fand auch in den Vorträgen von Bürkle<br />

de la Camp <strong>und</strong> Böhler auf dem diesjährigen<br />

Chirurgenkongress ihren Niederschlag.“<br />

Er bezog sich dabei auch auf den von G.<br />

Küntscher (1900–1972) inaugurierten Marknagel,<br />

dieses Verfahren sei aber mit einem<br />

zu großen Komplikationsrisiko belastet.<br />

Der in Zwickau/Sachsen geborene Gerhard<br />

Küntscher, Abb. 2, hatte im November<br />

1939 seinen Marknagel erstmals bei einer<br />

Oberschenkelfraktur eines mehrfach Verletzten<br />

erfolgreich implantiert. Am 18.03.<br />

1940 hielt Küntscher auf der 64. Tagung der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie in Berlin<br />

einen Vortrag über „Die Marknagelung<br />

von Knochenbrüchen.“ Zu dieser Zeit hatte<br />

er seine neue Methode bereits bei 12 Patienten<br />

angewendet. Einer Festschrift zu Ehren<br />

von Küntscher ist zu entnehmen: „Die<br />

Abb. 3 Porträt von T. Becker (1916–1991)<br />

Aus: Privatbesitz Frau Helga Becker<br />

Reaktion der versammelten Fachwelt auf den<br />

zehnminütigen Vortrag war einmütig. Skepsis<br />

<strong>und</strong> Ablehnung schlugen dem Chirurgen<br />

entgegen, der nach Ansicht seiner Kollegen<br />

so leichtsinnig oder fahrlässig war, einen<br />

daumendicken Metallprügel in den Knochen<br />

zu schlagen <strong>und</strong> dabei das Knochenmark auf<br />

einer langen Strecke zu stören" [5].<br />

Die Verbreitung der Marknagelung, an deren<br />

Entwicklung Küntschers Orthopädie-<br />

Mechanikermeister Ernst Pohl (1876–1962)<br />

maßgeblich beteiligt war, erfolgte zunächst<br />

in großen außeruniversitären <strong>und</strong> ausländischen<br />

Krankenhäusern.<br />

Entwicklung der Ost-West-Kontakte<br />

deutscher Chirurgen <strong>und</strong> Unfallchirurgen<br />

Während es in den ersten Nachkriegsjahren<br />

vergleichbare Bedingungen für die Chirurgie<br />

im kriegsbedingt verbliebenen Raum<br />

Deutschlands gab, wurden mit der Proklamation<br />

der zwei deutschen Staaten unterschiedliche<br />

Entwicklungswege eingeleitet.<br />

Die Kontaktpflege der Chirurgen auf beiden<br />

Seiten wurde immer mehr erschwert<br />

<strong>und</strong> kam in den 60iger Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

fast zum Erliegen, insbesondere<br />

nach dem Bau der Berliner Mauer <strong>und</strong> des<br />

Grenzwalles am <strong>und</strong> nach dem 13. August<br />

1961.<br />

J. Probst [13] schrieb in einer Festschrift „60<br />

Jahre <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e,<br />

Versicherungs- <strong>und</strong> Versorgungsmedizin<br />

e. V.“ 1982: „Am 20./21. Oktober<br />

1950 traf man sich in Bochum zur 14. Jah-<br />

In der 1949 gegründeten <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen<br />

Republik (DDR) hat keine<br />

Fortsetzung der Arbeit der 1922 in Leipzig<br />

gegründeten <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Unfallheilk<strong>und</strong>e, Versicherungs- <strong>und</strong> Versorgungsmedizin<br />

stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Ebenso ist keine gesetzliche Unfallversicherung<br />

oder ein System, das mit der Tätigkeit<br />

von Berufsgenossenschaften vergleichbar<br />

gewesen wäre, aufgebaut worden. Die „Sozial-<br />

<strong>und</strong> Krankenversicherung“ (SVK) der<br />

DDR trat an diese Stelle. Sie war eine Untergliederung<br />

des „Freien <strong>Deutsche</strong>n Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es“<br />

(FDGB) <strong>und</strong> kam für<br />

die Kosten der Akutbehandlung, der Rehabilitation<br />

<strong>und</strong> auch für die Renten auf. Für<br />

Selbstständige, Gewerbetreibende, Künstler<br />

etc. gab es die Möglichkeit bzw. Pflicht, sich<br />

bei der „<strong>Deutsche</strong>n Versicherungsanstalt“<br />

(DVA), später „Staatliche Versicherung der<br />

DDR“ vergleichbar zu versichern.<br />

Bezüglich akademischer Kontakte <strong>und</strong><br />

gemeinsamer wissenschaftlicher Zielstellungen<br />

an den Hochschulen wurde auf<br />

Universitäten der sozialistischen Länder, vor<br />

allem auf die der UdSSR verwiesen.<br />

In den 60er bis Mitte der 70er Jahre war es an<br />

den meisten Universitätskliniken in der Regel<br />

noch üblich, dass neben den Assistenten<br />

<strong>und</strong> Stationsärzten auch die Oberärzte innerhalb<br />

der einzelnen chirurgischen Richtungen<br />

einer Rotation unterlagen. Der für<br />

die Unfallchirurgie verantwortlich benannte<br />

Oberarzt wechselte zum Beispiel mit<br />

dem für die Thoraxchirurgie zuständigen<br />

Kollegen. Das hat sich fernerhin wegen der<br />

längeren Einarbeitungszeiten, der ständig<br />

zunehmenden Aufgabenfülle <strong>und</strong> der notwendigen<br />

Kompetenz der späteren Spezialgebiete<br />

(Subspezialitäten) auf die Dauer<br />

nicht bewährt. Die meisten Ordinarien der<br />

DDR erkannten diese Entwicklung. Theo Becker<br />

(1916–1991), Abb. 3, der 1961 mit<br />

45 Jahren als jüngster Ordinarius der DDR<br />

das Direktorat der Klinik in Jena mit dem<br />

Anspruch auf maximale Entfaltung der Chirurgie<br />

übernommen hatte, war einer der ersten,<br />

der die unvermeidbare Spezialisierung<br />

16<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 4 Eine Saalstation in der Chirurgischen Universitätsklinik Jena Anfang der 60er Jahre Aus: Privatarchiv Prof. Dr. E. Markgraf<br />

erkannte <strong>und</strong>, natürlich unter strenger Einbindung<br />

in den Gesamtverband der Chirurgie,<br />

förderte. Er leitete einen umfassenden<br />

Umbau der Saalstationen ( Abb. 4), die es<br />

vielfach noch zu Beginn der zweiten Hälfte<br />

des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts gab, in kleinere Krankenzimmer<br />

ein. Dabei mussten zahlreiche<br />

Widerstände überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Geduld aufgebracht<br />

werden. Er war ein bedeutender<br />

Vertreter der Chirurgie <strong>und</strong> Unfallchirurgie<br />

der DDR [9]. Damals war es auch noch üblich,<br />

dass Krankenschwestern „Häubchen“<br />

auf dem Kopf trugen, was heute, abgesehen<br />

von konfessionellen Schwestern, kaum<br />

noch vorstellbar ist. Die Abbildung 5 zeigt<br />

diese Zierde, von Frau Oberschwester Sigrid<br />

Oehler nachgestellt. Auch Eberhard Sander<br />

hat in Halle die notwendige Eigenständigkeit<br />

der Unfallchirurgie mit höchstem Engagement<br />

<strong>und</strong> mit besonderen Leistungen in<br />

der klinischen Praxis <strong>und</strong> bei der Durchsetzung<br />

der AO-Prinzipien mitbestimmt. Diese<br />

teilweise Verselbständigung der Unfallchirurgie<br />

vollzog sich in Form fachlich unabhängiger<br />

(weisungsfreier) Abteilungen in<br />

allen Chirurgischen Universitätskliniken mit<br />

einer zeitlichen Staffelung in den 70er bis<br />

80er Jahren <strong>und</strong> stellte teilweise keinen einfachen<br />

Prozess dar, zumal einige Ordinarien<br />

die Unfallchirurgen nur halbherzig in eine<br />

relative Eigenständigkeit entließen.<br />

Profilierung der Unfallchirurgie<br />

im 7. <strong>und</strong> 8. Dezennium des<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

Mit der Entwicklung neuer operativer Verfahren<br />

durch eine Schweizer Arbeitsgruppe<br />

von Chirurgen, Orthopäden, Metallurgen<br />

<strong>und</strong> Ingenieuren, die nach intensiven wissenschaftlichen<br />

Voruntersuchungen, Tierexperimenten<br />

<strong>und</strong> ersten klinischen Erfahrungen<br />

Ende der 50er Jahre ihr Konzept<br />

vorstellte, begann eine neue Epoche in der<br />

Geschichte der Unfallchirurgie. Gr<strong>und</strong>lage<br />

war die Entwicklung knochenadaptierter<br />

Schrauben <strong>und</strong> Platten aus austhenitischen<br />

Metalllegierungen. Die führenden Persönlichkeiten<br />

dieser Aktivitäten waren die<br />

Schweizer M. E. Müller (geb. 1918), H. Willenegger<br />

(1910–1998), M. Allgöwer (1917–<br />

2007), R. Schneider (1912–1990) <strong>und</strong> W.<br />

Bandi (1912–1997). Sie gründeten 1958 die<br />

Sektion Schweiz der AO [4]. W. Otto hat im<br />

Beitrag 11 die Entwicklung der Sektion DDR<br />

der AO-International dargestellt. Die AO-<br />

International hat sich zu einer weltweiten<br />

Organisation entwickelt, die bis dahin nicht<br />

vorstellbare Erfolge der diversen Osteosynthesen<br />

ermöglichte. Alle Anwender waren<br />

von den neuen Möglichkeiten begeistert.<br />

Abb. 5 Krankenschwester mit „Häubchen“,<br />

fre<strong>und</strong>licherweise von Frau Oberschwester Sigrid<br />

Oehler von der FSU Jena nachgestellt<br />

Später wurde das Phänomen der Osteoneogenese<br />

durch Distraktion, im Gegensatz zur<br />

Philosophie der AO, die eine intrafragmentäre<br />

Kompression als entscheidende ossäre<br />

Heilungskondition postulierte, durch G.A.<br />

Ilisarow (1921–1996), Abb. 6, experimentell<br />

<strong>und</strong> praktisch begründet. Er führte seine<br />

Experimente vorwiegend in dem eigens für<br />

ihn erbauten Klinikum mit Forschungseinrichtung<br />

in Kurgan, Westsibirien, durch. Der<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 17


kommen, weitgehend vorenthalten wurde.<br />

Dazu gehörte auch die eingeschränkte<br />

Publikationsmöglichkeit durch fehlende<br />

Beteiligung an wichtigen internationalen<br />

Verlagen, reduzierte Möglichkeiten der<br />

Forschung <strong>und</strong> die absolute Knappheit der<br />

Ressourcen. Die auch nur eingeschränkten,<br />

aber im Prinzip möglichen Kontakte zu den<br />

Ges<strong>und</strong>heitssys temen der „sozialistischen<br />

Bruderländer“ waren keine Kompensation<br />

der beschriebenen Mängel. Die Probleme<br />

des so genannten Zusatzstudiums für Habilitationsanwärter<br />

der DDR im sozialistischen<br />

Ausland hat F. Schulz in seinem<br />

Beitrag geschildert. Eine weitere Möglichkeit,<br />

die persönliche Karriere positiv zu beeinflussen,<br />

bestand in einem mehrmonatlichen<br />

Einsatz in Ländern der dritten Welt<br />

(Afrika, Mittelamerika u. a.), zu denen die<br />

DDR diplomatische <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftliche<br />

Beziehungen unterhalten hat.<br />

Im Kapitel von K. <strong>und</strong> D. Paul wird über Erfahrungen<br />

mit solchen Auslandeinsätzen<br />

berichtet.<br />

Abb. 6 Porträt von G. A. Ilisarow (1921–1996)<br />

Autor E. M. hat an einer internationalen Tagung<br />

vom 03. bis 05. 09. 1986 in Kurgan teilgenommen.<br />

Die Abbildung 7 zeigt eine<br />

Kongressbroschüre, auf der anlässlich des<br />

genannten Kongresses die Klinik in Kurgan<br />

abgebildet ist.<br />

Bedeutungsvoll für die Unfallchirurgie waren<br />

auch der enorme Fortschritt der Intensivmedizin,<br />

zu dem auch andere medizinische<br />

Disziplinen beigetragen haben <strong>und</strong><br />

der gewaltige Aufschwung bildgebender<br />

diagnostischer Verfahren, besonders in den<br />

70er <strong>und</strong> 80er Jahren.<br />

Aber auch neue Erkenntnisse <strong>und</strong> Strukturierungen<br />

der Notfallmedizin, der Organisation<br />

von Rettungsketten <strong>und</strong> der Logistik<br />

des Traumamanagements haben die besondere<br />

Bedeutung der Unfallchirurgie in<br />

Verbindung mit der Anästhesiologie <strong>und</strong><br />

Intensivtherapie herausgestellt.<br />

Diese beschriebenen Entwicklungen, besonders<br />

in der zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />

haben den Weg der Unfallchirurgie<br />

als eigene bedeutende Gliederung der<br />

Gesamtchirurgie <strong>und</strong> ihre Verwirklichung<br />

in der Krankenbetreuung, der Lehre <strong>und</strong><br />

der Forschung als unabdingbar notwendig<br />

gebahnt. Es bestand nie ein Zweifel daran,<br />

dass die allgemeinchirurgischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />

als Bindeglied der einzelnen Subspezialisierungen<br />

anerkannt sind <strong>und</strong> erhalten<br />

werden müssen.<br />

Dieser gesamte, zunehmend interdisziplinäre<br />

Fortschritt, war Gr<strong>und</strong>lage für neue<br />

Konzeptionen der universitären Lehre.<br />

Es war schicksalhaft, dass diese internationale,<br />

vorwiegend aber in Deutschland<br />

vollzogene sprunghafte Entwicklung, den<br />

Kollegen in der DDR durch mangelhafte<br />

Kontaktaufnahme, Reiseverbote oder sehr<br />

starke Beschränkungen, fehlende Möglichkeiten<br />

an internationale Literatur heranzu-<br />

Abb. 7 Das Klinikum von Prof. Ilisarow in Kurgan/<br />

Westsibirien<br />

Hochschulstandorte <strong>und</strong><br />

Leitungsstrukturen<br />

Medizinische Fakultäten existierten an<br />

den Universitäten: Berlin, Greifswald Halle,<br />

Jena, Leipzig <strong>und</strong> Rostock. Die offiziellen<br />

Bezeichnungen waren „Klinik <strong>und</strong> Poliklinik<br />

für Chirurgie der Medizinischen Fakultät“,<br />

später des Bereichs Medizin der jeweiligen<br />

Universität. Die Traumatologie war bis in<br />

die späten 60er bis 70er Jahre fest in die Gesamtchirurgie<br />

integriert, dann wurden zu<br />

unterschiedlichen Zeitpunkten Abteilungen<br />

für Traumatologie gebildet.<br />

Medizinische Akademien (ohne „Vorklinik“)<br />

existierten in Dresden, Erfurt <strong>und</strong> Magdeburg.<br />

Die personelle Besetzung <strong>und</strong> die<br />

Ausrüstungen der Medizinischen Akademien<br />

waren mit denen der Universitätsklinken<br />

vergleichbar.<br />

Medizinische Fachschulen <strong>und</strong> andere Ausbildungsmöglichkeiten<br />

für das mittlere<br />

medizinische Personal sowie Physiotherapeuten<br />

u. a. waren oft an Universitätsklinika<br />

oder Medizinische Akademien angeschlossen.<br />

Für alle Krankenhäuser der DDR war der<br />

Minister für Ges<strong>und</strong>heitswesen des Ministerrates<br />

der DDR zuständig. Die Universitätskliniken<br />

<strong>und</strong> die der Medizinischen<br />

Akademien waren seit 1950 zusätzlich dem<br />

Minister für das Hoch- <strong>und</strong> Fachschulwesen<br />

unterstellt. In dessen Verantwortung<br />

lagen die Zielstellung <strong>und</strong> die Entwicklung<br />

18<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


der Universitäten <strong>und</strong> Akademien sowie anderer<br />

wissenschaftlicher Einrichtungen, die<br />

immer zentral festgelegten Studieninhalte,<br />

kaderpolitische Entscheidungen <strong>und</strong> die<br />

Integration aller Hochschuleinrichtungen<br />

in das politische Konzept von Partei <strong>und</strong> Regierung.<br />

Weitere übergeordnete Einrichtungen waren:<br />

– Die Ges<strong>und</strong>heitskommission beim Zentralkomitee<br />

der SED<br />

– Das Generalsekretariat der Medizinisch-<br />

Wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

– Der Koordinierungsrat der Medizinisch-<br />

Wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

Universitätsleitung<br />

Jede Universität wurde von einem Rektor<br />

repräsentiert, der an den Medizinischen<br />

Akademien immer Mediziner, an den Universitäten<br />

auch ein Hochschullehrer aus einer<br />

beliebigen anderen Fakultät sein konnte<br />

<strong>und</strong> seine Aufgabe nebenamtlich versah.<br />

Der 1. Prorektor war verantwortlich für alle<br />

Verwaltungsgeschäfte sowie für Fragen der<br />

Zivilverteidigung <strong>und</strong> der Kampfgruppen.<br />

Es existierten Prorektoren für Forschung sowie<br />

Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung. Neben dem<br />

Verwaltungsdirektor gab es einen Kaderdirektor<br />

<strong>und</strong> einen Personalleiter, der u.a. Ansprechpartner<br />

für die Staatssicherheit war.<br />

Die gr<strong>und</strong>sätzlichen Entscheidungen oblagen<br />

der Universitätsparteileitung (UPL) der<br />

SED mit ihrem 1. Sekretär oder wurden von<br />

ihm streng kontrolliert.<br />

Die Universitätsgewerkschaftsleitung (UGL)<br />

hatte einige Untergruppen, so für Soziales,<br />

Wohnen, Kindergärten, Ferienheime, ideologische<br />

Bildung, sozialistischen Wettbewerb<br />

u. a.<br />

Schließlich existierte eine Hochschulgruppenleitung<br />

der (einzigen) Jugendorganisation<br />

„Freie <strong>Deutsche</strong> Jugend“ (FDJ).<br />

Leitung der Fakultäten <strong>und</strong> der später<br />

gebildeten Bereiche Medizin<br />

An der Spitze der Fakultät standen zunächst<br />

traditionsgemäß der Dekan mit letzter Entscheidungsbefugnis,<br />

die Prodekane <strong>und</strong> der<br />

Verwaltungsleiter. In der Mitte der 60er Jahre<br />

wurden als neue Organisations- <strong>und</strong> Leitungsstrukturen<br />

die „Fachbereiche“ der Universitäten<br />

geschaffen. Die Medizinische Fakultät<br />

war damit nur noch Teil des „Bereichs<br />

Medizin“ <strong>und</strong> der Dekan <strong>und</strong> die Prodekane<br />

waren nur noch für die akademischen Belange<br />

zuständig. Wichtigste Entscheidungsperson<br />

war der „Bereichsdirektor.“ Dieser<br />

hatte 3 Stellvertreter: für medizinische Betreuung,<br />

für Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung <strong>und</strong><br />

für Forschung. Die Repräsentanten waren<br />

Ärzte <strong>und</strong> in der Regel Hochschullehrer. Für<br />

alle Verwaltungs- <strong>und</strong> Verfahrensfragen war<br />

ein Verwaltungsdirektor zuständig. Für das<br />

„Mittlere Medizinische Personal“ war eine<br />

Oberin verantwortlich. Es gab Zusammenarbeiten<br />

mit den regionalen Fachschulen.<br />

Die gr<strong>und</strong>sätzliche Verantwortung lag auch<br />

in den Bereichen Medizin bei der Bereichsparteileitung<br />

der SED. Weitere Leitungsfunktionen<br />

hatten die Bereichsgewerkschaftsleitung,<br />

die FDJ-Leitung des Bereichs<br />

<strong>und</strong> ein Sicherheitsbevollmächtigter, in der<br />

Regel wohl ein Mitarbeiter der Stasi.<br />

Als Arbeitsinstrumente existierten Sitzungen<br />

der Bereichsleitung (ad libitum mit<br />

Dekan, Verwaltungsdirektor <strong>und</strong> Vertretern<br />

aus den Einrichtungen), der Stellvertreterbereiche<br />

für Medizinische Betreuung, Erziehung<br />

<strong>und</strong> Ausbildung <strong>und</strong> Forschung.<br />

Daneben gab es Bereichskonferenzen, Parteileitungssitzungen<br />

<strong>und</strong> Beteiligung von<br />

Vertretern des Bereichs an Konzilen (Universität).<br />

Struktur <strong>und</strong> Leitung der Kliniken <strong>und</strong><br />

Institute<br />

Die Leitung dieser Institutionen führten Direktoren<br />

mit Stellvertretern; für die einzelnen<br />

Gliederungen waren Abteilungsleiter<br />

oder Oberärzte verantwortlich. Es gab Stellvertreter<br />

des Direktors für medizinische Betreuung,<br />

Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung sowie<br />

Forschung. Weitere leitende Personen waren<br />

der Verwaltungsleiter, die Oberschwester,<br />

der Parteisekretär <strong>und</strong> der Gewerkschaftsleiter.<br />

Neben Angeboten zur fachlichen Fortbildung<br />

in den Einrichtungen gab es regelmäßig<br />

gesellschaftspolitische Veranstaltungen,<br />

wobei die Leiter dieser Diskussionszirkel in<br />

der Regel aus den gesellschaftspolitischen<br />

Einrichtungen der Universität kamen.<br />

Ferner gab es die Delegierungen von Mitarbeitern<br />

der Kliniken <strong>und</strong> Institute zu:<br />

– sozialistischen Abend(schul)kursen<br />

– Schulung von Hochschullehrern über<br />

mehrere Tage (Internat)<br />

– Hochschulpädagogische Kurse<br />

Auslandsreisen<br />

Bis zum Bau der Mauer in Berlin gab es<br />

einige interkollegiale Kontakte zwischen<br />

Chirurgen der beiden <strong>Deutsche</strong>n Staaten,<br />

wenngleich sie nicht erwünscht waren. Bis<br />

dahin bestanden noch Mitgliedschaften von<br />

Chirurgen der DDR in Fachgesellschaften<br />

der BRD, die teilweise schon vor der Nazidiktatur<br />

gegründet worden waren.<br />

Nach der endgültigen Teilung des Landes<br />

waren für Chirurgen der DDR, insbesondere<br />

für Mitarbeiter der Hochschulen, noch folgende<br />

Kontakte möglich:<br />

– Zusatzstudium in Ländern des sozialistischen<br />

Lagers, vorwiegend in der SU, für<br />

Habilitanden mit Anwartschaft auf eine<br />

Hochschullehrerposition.<br />

– Möglichkeiten zur individuellen Hospitation<br />

in Kliniken im sozialistischen Ausland<br />

über die „Abteilungen für Internationale<br />

Beziehungen“ <strong>und</strong> letztlich auch hier wieder<br />

über das Ministerium für Hoch- <strong>und</strong><br />

Fachschulwesen.<br />

– Möglichkeiten der fachlichen Weiterbildung<br />

im „kapitalistischen Ausland“ für<br />

einzelne Mitarbeiter nach strengen Auswahl-<br />

<strong>und</strong> Prüfverfahren <strong>und</strong> entsprechender<br />

Vermittlung. So hat die „Arbeitsunfallversicherungsanstalt“<br />

(AUVA) Österreichs<br />

in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren nach<br />

Vorschlag der Sektion Traumatologie der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR einigen<br />

Unfallchirurgen aus der DDR devisenfreie<br />

Hospitationen in universitären <strong>und</strong> anderen<br />

führenden Arbeitsunfallkrankenhäusern<br />

Österreichs ermöglicht.<br />

Lehre <strong>und</strong> Ausbildung an den Universitäten<br />

<strong>und</strong> Akademien<br />

Die Zulassung zum Medizinstudium hatte<br />

bestimmte Voraussetzungen, die sich im<br />

Laufe der Jahrzehnte verdeutlichten. Generell<br />

spielte die familiäre Abstammung im<br />

Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernstaat eine bevorzugte<br />

Rolle. Kinder aus Familien, die sich nicht offiziell<br />

zum Staat bekannten, oder offen ihr<br />

christliches Bekenntnis demonstrierten,<br />

hatten weniger Chancen, einen Studienplatz<br />

zu bekommen.<br />

Die inhaltliche Zielstellung der Bildungspolitik<br />

hat Kurt Hager, Leiter der Abteilung<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Hochschulen beim ZK<br />

(Zentralkomitee) der SED, auf der Hochschulkonferenz<br />

der SED in Leipzig am 30.<br />

Oktober 1953 zum Thema „Festigung unserer<br />

Arbeiter- <strong>und</strong> Bauern-Macht“ formuliert<br />

[3]:<br />

„Die Aufhebung des Bildungsprivilegs der<br />

Reichen, die Sicherstellung des Studiums für<br />

Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernkinder, die Einführung<br />

neuer fortschrittlicher Studienmethoden <strong>und</strong><br />

die gesellschaftswissenschaftliche marxistisch-leninistische<br />

Ausbildung der Studenten<br />

sind feste <strong>und</strong> dauerhafte Gr<strong>und</strong>lagen unseres<br />

Hochschulwesens, die wir nicht antasten<br />

lassen. An den Universitäten, Hochschulen<br />

<strong>und</strong> wissenschaftlichen Instituten<br />

werden die Kader unseres Staates erzogen.<br />

Unsere Universitäten, Hochschulen <strong>und</strong><br />

wissenschaftlichen Institute müssen zu Festungen<br />

unserer Arbeiter- <strong>und</strong> Bauern-Macht<br />

werden. Sie müssen Festungen des Friedens<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 19


sein, Stätten der Erziehung einer neuen, dem<br />

Volke ergebenen Intelligenz, Zentren einer<br />

wahrhaft friedliebenden Wissenschaft. Es<br />

geht darum – <strong>und</strong> das ist die große Erziehungsfrage<br />

–, standhafte, vom Haß gegen<br />

Imperialismus <strong>und</strong> Militarismus erfüllte, der<br />

Arbeiterklasse <strong>und</strong> unserem Arbeiter-<strong>und</strong>-<br />

Bauern-Staat treu ergebene, für die Sache<br />

des Friedens, der Demokratie <strong>und</strong> des Sozialismus<br />

begeisterte, mit tiefem marxistischem<br />

Wissen ausgerüstete Kader zu erziehen, auf<br />

die sich Partei <strong>und</strong> Regierung voll <strong>und</strong> ganz<br />

verlassen können.“<br />

Über die Situation an den Hochschuleinrichtungen<br />

<strong>und</strong> die Rolle der Hochschullehrer in<br />

der DDR sind 1981 [17] ( Abb. 8) <strong>und</strong> in<br />

den letzten Jahren äußerst aufschlussreiche<br />

<strong>und</strong> im Detail beschreibende Publikationen<br />

erschienen [6,18].<br />

In der Regel war, besonders in den letzten<br />

Jahrzehnten der DDR, für die männlichen<br />

Bewerber ein Dienst in der „Nationalen<br />

Volksarmee“ (NVA) von 3–4 Jahren für die<br />

Studienfreigabe notwendig. Wehrpflichtverweigerer<br />

hatten, im Gegensatz zu den<br />

heutigen Zivildiensttuenden, mit gerichtlicher<br />

Bestrafung zu rechnen, später wurde<br />

ihnen der Dienst als Bausoldat abverlangt,<br />

der zwar ohne Waffendienst, aber unter<br />

sehr schweren Bedingungen stattfand <strong>und</strong><br />

einer Bestrafung gleichkam. An ein Studium,<br />

besonders der Medizin, war für sie nicht<br />

zu denken!<br />

Ende der 50er <strong>und</strong> Anfang der 60er Jahre<br />

war es an einigen Universitäten, besonders<br />

in Leipzig, zu heftigen, von der FDJ-Leitung<br />

initiierten Attacken gegen Studenten gekommen,<br />

die sich nicht linientreu verhielten.<br />

Oft endeten diese öffentlich in Hörsälen<br />

veranstalteten Tribunale damit, dass<br />

ein in Beschuss geratener Student sein fast<br />

obligatorisches Mitgliedsbuch der Jugendorganisation<br />

FDJ abgeben musste, was häufig<br />

zur Exmatrikulation führte. Oft gingen<br />

diese Studenten unmittelbar danach in die<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />

Ein weiteres ernstes Problem war die besonders<br />

in den 50er Jahren einsetzende<br />

Abwanderung von Hochschullehrern in das<br />

Ausland, namentlich in die BRD. Das hatte<br />

zum Teil erhebliche Einschränkungen in der<br />

medizinischen Betreuung <strong>und</strong> in der akademischen<br />

Lehre, einschließlich unfallchirurgischer<br />

wissenschaftlicher Untersuchungen<br />

(Abbruch begonnener Promotionsarbeiten,<br />

für die oft kein nachfolgender Betreuer gef<strong>und</strong>en<br />

wurde), aber auch in der Forschung<br />

zur Folge. Darüber hinaus war die moralische<br />

Seite dieser Verhaltensweise für uns<br />

Studenten bedenklich; schließlich hatten<br />

Abb. 8 Umschlag des 1981 im Urania-Verlag<br />

erschienen Buches „Magister <strong>und</strong> Scholaren,<br />

Professoren <strong>und</strong> Studenten“<br />

sie die von uns erwartete Vorbildwirkung als<br />

Hochschullehrer verloren <strong>und</strong> speziell auch<br />

ihre Patienten an den Hochschulkliniken<br />

mit ihren besonderen Aufgabestellungen<br />

im Stich gelassen. Selbstredend muss man<br />

dabei zwischen Motiven der ideologischen<br />

Zwangslage <strong>und</strong> der rein subjektiven, vorwiegend<br />

materiell <strong>und</strong> chancenorientierten<br />

Gewinnerwartung der Ausreisenden unterscheiden.<br />

Der Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung der Studenten<br />

<strong>und</strong> Ärzte wurde in der DDR große Aufmerksamkeit<br />

geschenkt, allerdings in untrennbarer<br />

Verflechtung mit gesellschaftspolitischen<br />

Forderungen.<br />

Der formale Ablauf des Medizinstudiums<br />

betrug in der frühen DDR 10 Semester Regelstudium,<br />

davon 4 Semester Vorklinik<br />

(Vorphysikum nach 2 Semestern, Physikum).<br />

Später betrug die Gesamtstudienzeit<br />

12 Semester. Im 6. Studienjahr wurde das<br />

Staatsexamen in mündlichen Prüfungen erworben.<br />

Die Promotion innerhalb der Studienzeit<br />

war möglich. Nach der so genannten<br />

Pflichtassistentenzeit von einem Jahr wurde<br />

durch den Bezirksarzt die Approbation<br />

erteilt.<br />

Das Medizinstudium war parteipolitisch klar<br />

reglementiert. Die Studenten wurden in Seminargruppen<br />

eingeteilt <strong>und</strong> hatten eigene<br />

gesellschaftliche Vertretungen (Partei, FDJ).<br />

Die Betreuung der Seminargruppen erfolgte<br />

durch einen Seminargruppenbeauftragten<br />

(Arzt). Es bestanden so genannte Studienjahreskommissionen<br />

(Hochschullehrer,<br />

Mittelbau, Studenten), die sich mit Problemen<br />

im Studienablauf <strong>und</strong> ihrer möglichen<br />

Überwindungen zu beschäftigen hatten, im<br />

Wesentlichen aber der Überwachung ideologischer<br />

Tatbestände dienten.<br />

Ein Wechsel der Universität während des<br />

Studiums war nicht erwünscht <strong>und</strong> meist<br />

nicht möglich.<br />

Ein zeitweiliges Studium im sozialistischen<br />

Ausland, z. B. UdSSR, CSSR, Ungarn, Rumänien<br />

war möglich; oft kamen die Studenten<br />

nach Beendigung des vorklinischen Studienabschnitts<br />

zur Weiterführung des Studiums<br />

in die DDR zurück.<br />

Zunehmende Probleme des ärztlichen<br />

Selbstverständnisses, insbesondere auch<br />

auf die universitäre Ausbildung bezogen,<br />

hat Lemmens [7] wie folgt beschrieben:<br />

„Besonders in der zweiten Hälfte der 50er<br />

Jahre nahmen die Widersprüche in der politischen<br />

<strong>und</strong> geistigen Entwicklung an Schärfe<br />

zu; eine größere Zahl von mit den gesellschaftlichen<br />

Gegebenheiten, den Arbeitsbedingungen<br />

<strong>und</strong> dem Grad der sozialen<br />

Wertschätzung des ärztlichen Berufes unzufriedenen<br />

Mitarbeiter verließ die Fakultät<br />

<strong>und</strong> das Land.“<br />

Über die Entwicklung der Institute <strong>und</strong> Kliniken<br />

der Medizinischen Fakultät der Universität<br />

in Leipzig in den Jahren 1949 bis<br />

1961 schreibt Lemmens [7]:<br />

„Mit der Bildung des Staatssekretariats<br />

für Hochschulwesen im Januar des Jahres<br />

1951, dem die Leitung aller Universitäten,<br />

Hochschulen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Einrichtungen<br />

übertragen wurde, setzte eine<br />

stärkere zentralisierte Steuerung zunächst<br />

der Ausbildungsprozesse ein, die auch für<br />

die Medizinischen Fakultäten bzw. die 1952<br />

gebildeten Medizinischen Akademien wirksam<br />

geworden ist. Die Studienreform des<br />

Jahres 1952 führte dabei das zehnmonatige<br />

lehrplangeb<strong>und</strong>ene Studienjahr mit festgeschriebenen<br />

Zwischenprüfungen ein, forderte<br />

die obligatorische Aneignung der russischen<br />

Sprache <strong>und</strong> begründete die Pflicht<br />

zur Teilnahme aller Studierenden an einer<br />

gesellschaftswissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>ausbildung.“<br />

Das neu eingeführte gesellschaftswissenschaftliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagenstudium enthielt<br />

Lehrveranstaltungen zur marxistisch-leninistischen<br />

Philosophie, zur politischen Ökonomie<br />

<strong>und</strong> zur Geschichte der Arbeiterbewegung.<br />

20<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Gestaltung des Medizinstudiums<br />

„Zur Neugestaltung des Medizinstudiums<br />

im Jahre 1962 setzte ein komplizierter <strong>und</strong><br />

langwieriger Prozess ein, der erst mit der<br />

Erarbeitung des Studienplanes 1976 einen<br />

vorläufigen, aber noch nicht endgültigen Abschluss<br />

gef<strong>und</strong>en hat. Als Ziel der Neugestaltung<br />

des Medizinstudiums wurde formuliert,<br />

einen ärztlichen Nachwuchs heranzubilden,<br />

der über ein hohes natur- <strong>und</strong> gesellschaftswissenschaftliches<br />

Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Fachwissen<br />

<strong>und</strong> praktische medizinische Erfahrungen<br />

verfügt, auf die Aufgaben des Arztes in der<br />

sozialistischen <strong>Gesellschaft</strong> gut vorbereitet<br />

ist <strong>und</strong> einen festen Klassenstandpunkt sowie<br />

hohe moralisch-ethische Eigenschaften<br />

besitzt“ [15].<br />

Auf dem 2. Nationalen Symposium Lehre<br />

<strong>und</strong> Erziehung an den Hochschulen der<br />

DDR am 21. <strong>und</strong> 22.06.1963 wurden die<br />

„Berliner Erfahrungen“ (eine entsprechende<br />

Vorarbeit) ausgewertet <strong>und</strong> „Gr<strong>und</strong>sätze<br />

zur Neugestaltung des Medizinstudiums“<br />

verabschiedet. Für das klinische Studium<br />

wurden folgende Thesen formuliert (Auszug):<br />

– Berücksichtigung der Einheit von Prophylaxe,<br />

Therapie <strong>und</strong> Metaphylaxe im klinischen<br />

Unterricht eines jeden Faches<br />

– Beherrschung der Gr<strong>und</strong>sätze der ärztlichen<br />

Ersten Hilfe durch jeden Absolventen<br />

– Gr<strong>und</strong>sätzliche Beibehaltung der Übersichtsvorlesungen,<br />

aber stärkere Betonung<br />

der praktischen Ausbildung<br />

1969 wurde von einer Arbeitsgruppe in Berlin<br />

eine völlig neue Konzeption des Medizinstudiums<br />

(„Mecklinger-Plan“) vorgelegt<br />

[15].<br />

Darin war auch eine Neugestaltung des<br />

Chirurgieunterrichts enthalten. Kernstück<br />

bildeten die interdisziplinäre Wissensvermittlung<br />

<strong>und</strong> die Betonung der Pro- <strong>und</strong><br />

Metaphylaxe.<br />

Eine neue Facharztordnung wurde 1974<br />

gemeinsam mit einer Anordnung über die<br />

Subspezialisierung beschlossen.<br />

1976 wurden durch den Wissenschaftlichen<br />

Beirat für Medizin beim Ministerium für das<br />

Hoch- <strong>und</strong> Fachschulwesen neue Studienpläne<br />

erarbeitet, in denen anteilig auch die<br />

Ausbildung in der Traumatologie verankert<br />

war.<br />

Für die Chirurgie wurden dabei u. a. folgende<br />

Lehrveranstaltungen vorgegeben:<br />

– Interdisziplinärer Komplex (IDK) Einführung<br />

in die Notfallmedizin<br />

– Gr<strong>und</strong>lagen der Chirurgie (34 St<strong>und</strong>en)<br />

– Spezielle Chirurgie (einschließlich Unfallchirurgie<br />

– 136 St<strong>und</strong>en im 3. bis 5. Studienjahr)<br />

– Chirurgischer Operationskurs (17 St<strong>und</strong>en)<br />

– IDK Notfallsituationen (11 S<strong>und</strong>en) im 5.<br />

Studienjahr<br />

Am 11.08.1978 wurde das „Klinische Praktikum“<br />

im 6. Studienjahr eingeführt, wobei<br />

die bis zum Ende der DDR gültige Facharztordnung<br />

in Kraft trat.<br />

Medizinische Betreuung<br />

Trotz eingeschränkter materiell-technischer<br />

Voraussetzungen hatten die meisten Ärzte<br />

in der DDR, besonders auch die an Hochschulkliniken<br />

beschäftigten, eine hohe ärztliche<br />

Moral <strong>und</strong> eine ebenso hohe fachliche<br />

Kompetenz.<br />

Zu diesem Anliegen hat Löffler, 1. Vorsitzender<br />

der medizinisch-wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Orthopädie der DDR bei ihrer<br />

Gründung am 09.05.1953 im Virchowhaus<br />

des Pathologischen Instituts der Humboldt-<br />

Universität Berlin betont: „Im Mittelpunkt<br />

unserer Arbeit steht der Mensch, das heißt<br />

der Mensch in seiner Gesamtheit, bestehend<br />

aus Leib <strong>und</strong> Seele. Gerade bei den Körperbehinderten,<br />

seien es angeborene, seien es<br />

erworbene Ursachen, sind oft Leib <strong>und</strong> Seele<br />

sehr krank! Daher muss die Behandlung eine<br />

zweifache sein <strong>und</strong> daher muß gerade der<br />

Facharzt für Orthopädie Arzt im wahrsten<br />

Sinne sein, das heißt Mensch <strong>und</strong> Mediziner,<br />

der aus Liebe zu seinen Mitmenschen, um<br />

diesen zu helfen, diesen Beruf erwählt hat“<br />

[8].<br />

Das durchgehende „Dispansaire-System“<br />

brachte Patienten <strong>und</strong> Ärzten deutliche<br />

Vorteile. Das Qualitätsbewusstsein aller<br />

Mitarbeiter für die medizinische Leistung<br />

ist nachträglich schwer zu beurteilen. Ein<br />

besonderer Vorteil, so die Meinung der<br />

Autoren dieses Artikels, war das Fehlen<br />

von Privatpatienten. Es ersparte uns die<br />

Selektion der Patienten <strong>und</strong> erlaubte die<br />

Konzentration der leitenden Ärzte auf die<br />

Schwerpunkte der Arbeit, unabhängig von<br />

profitablen Betätigungen. Es soll in diesem<br />

Supplement nur einmal erläutert werden,<br />

dass die Honorierung ärztlicher Tätigkeit<br />

in der DDR im Vergleich mit der in Westdeutschland<br />

<strong>und</strong> anderen europäischen<br />

Ländern beschämend gering war.<br />

Der Mangel an fortgeschrittener Technik<br />

(Untersuchungsgerätschaft, technische<br />

Ausrüstungen, Instrumente, Implantate)<br />

war eklatant. Aber auch für simple Zubehöre<br />

unserer Tätigkeit, wie z. B. Verbandsmaterial,<br />

Operationshandschuhe, Wäsche<br />

u. a. bestand oft Mangel; über Arbeitsgruppen<br />

bei den Bezirksärzten mussten solche<br />

Artikel angefordert werden.<br />

Die genannten Umstände führten zu beachtlichen<br />

improvisatorischen Leistungen<br />

der Ärzteschaft <strong>und</strong> ihrer Mitarbeiter.<br />

Was die poststationäre Betreuung Unfallverletzter<br />

betraf, war die mögliche Weiterbetreuung<br />

der Patienten durch die primär<br />

behandelnden Ärzte ein großer Vorteil; anspruchsvolle<br />

Rehabilitationseinrichtungen<br />

standen ungenügend zur Verfügung.<br />

Was Spitzensportler betraf, hat der Autor<br />

E. M. einige Erfahrungen.<br />

Der Hochspringer R. B., der aufgr<strong>und</strong> seiner<br />

Leistungen eine Chance auf eine olympische<br />

Medaille hatte, zog sich beim Training eine<br />

Achillessehnenruptur zu. Es war an einem<br />

Sonntag. Die wenigen Einrichtungen der<br />

DDR, die für solche Behandlungen in Frage<br />

kamen, schieden aus, da die entsprechenden<br />

Chefärzte nicht erreichbar waren. Schließlich<br />

wurde ich beauftragt, die notwendige<br />

Operation durchzuführen. Die Operation<br />

erbrachte eine stabile Wiederherstellung<br />

der Sehnenkontinuität. Postoperativ wurde<br />

mir, gegen meinen Protest, die Nachsorge<br />

meines Patienten durch die Sportführung<br />

untersagt. 4 Wochen nach der Operation<br />

wurde er erneut vorgestellt, da die Sehnennaht<br />

ausgerissen <strong>und</strong> wiederum eine Diastase<br />

der Sehnenstümpfe vorlag. Ursache<br />

dieses Ereignisses war das Üben der Dorsalextension<br />

des Fußes der operierten Seite<br />

gegen einen Widerstand von 100 kg. Die<br />

Reoperation wurde mir nicht übertragen;<br />

sie erfolgte in einer für Spitzensportler vorgesehenen<br />

Klinik in Bad Düben.<br />

Forschung<br />

Wissenschaftliche Untersuchungen zu unfallchirurgischen<br />

Fragestellungen erfolgten<br />

bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

hinein vorwiegend im Rahmen<br />

der chirurgischen Forschung.<br />

Diese fanden in drei Bereichen statt [11]:<br />

– zum einen in den Instituten der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Akademie der Wissenschaften– später<br />

Akademie der Wissenschaften der DDR in<br />

den so genannten „Bucher Instituten“<br />

– in den chirurgischen Hochschulkliniken<br />

– im Bereich des Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen,<br />

also den nichtuniversitären<br />

Einrichtungen<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 21


Von besonderer Bedeutung war die Gründung<br />

der „Zeitschrift für experimentelle<br />

Chirurgie“ 1968, die Gründung der „Sektion<br />

für experimentelle Chirurgie der DDR“ 1973<br />

<strong>und</strong> der „Sektion Experimentelle Chirurgie“<br />

im Rahmen der „<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie“<br />

der DDR 1972 [11].<br />

Die Notwendigkeit klinischer Forschung<br />

wurde in der DDR erkannt, es gab diverse<br />

Aufgabenstellungen <strong>und</strong> Lösungsansätze.<br />

An der Chirurgischen Klinik der Friedrich-<br />

Schiller-Universität in Jena wurde beispielsweise<br />

eine naturwissenschaftlich-technische<br />

Abteilung errichtet, in der Naturwissenschaftler<br />

<strong>und</strong> Ingenieure tätig waren.<br />

Es bestand eine gute Zusammenarbeit mit<br />

dem zentralen Tierexperimentellen Institut;<br />

vor dessen Inbetriebnahme wurden Tierexperimente<br />

in den Kellerräumen der Klinik<br />

durchgeführt.<br />

Auch an den Chirurgischen Kliniken der Universitäten<br />

bzw. Akademien in Berlin, Dresden,<br />

Erfurt, Greifswald, Halle, Leipzig, Magdeburg<br />

<strong>und</strong> Rostock waren experimentelle<br />

Institutionen vorhanden.<br />

Interdisziplinäre <strong>und</strong> interinstitutionelle<br />

Verbindungen wurden aufgebaut.<br />

Außer der Nutzung der genannten experimentellen<br />

Kapazitäten war für den klinisch<br />

tätigen Forscher keine oder nur eine sehr<br />

geringe Kapazität (Personal, Zeit) reserviert.<br />

Die meisten wissenschaftlichen Aktivitäten<br />

erfolgten in der Freizeit. Es bestand meist<br />

auch ein Mangel an entsprechender Technik,<br />

an Geräten, Bürotechnik u. a.<br />

Aus der notwendigen Verknüpfung von experimenteller<br />

Chirurgie <strong>und</strong> der klinischen<br />

Praxis ergaben sich folgende Aufgaben<br />

[11]:<br />

– Ausarbeitung neuer Operationsmethoden<br />

– Ausarbeitung <strong>und</strong> Einführung neuer chirurgischer<br />

Methoden <strong>und</strong> Verfahren (z. B.<br />

Laser, Ultraschall)<br />

– experimentelle Pathologie <strong>und</strong> Pathophysiologie<br />

chirurgischer Erkrankungen<br />

– Erprobung neuer chirurgischer Materialien,<br />

– Ausbildung in neuen Operationsverfahren.<br />

Die Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie der DDR hat zahlreiche Gemeinschaftsstudien<br />

durchgeführt, auf ihren Unfallchirurgenkongressen<br />

mitgeteilt <strong>und</strong> publiziert<br />

(Auswahl der Zusammenfassungen<br />

im Zentralblatt für Chirurgie von W. Senst).<br />

VI. Unfallchirurgenkongress der DDR vom<br />

13. bis 15.09.1978 in Leipzig. Thema: „Epidemiologie<br />

<strong>und</strong> Klinik des diaphysären Unterschenkelschaftbruchs<br />

im Kindesalter.“ In<br />

die Studie eingeschlossen (H. Vinz) waren<br />

über 1200 Kinder mit den entsprechenden<br />

Frakturen.<br />

VII. Unfallchirurgenkongress der DDR vom<br />

17. bis 19.09.1980 in Leipzig. Thema: Spätergebnisse<br />

nach Osteosynthesen von Unterarmfrakturen<br />

im Kindesalter. Bericht der<br />

AG für Traumatologie des Kindesalters (W:<br />

Kurz).<br />

VIII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

vom 15. bis 17. September 1982 in Leipzig.<br />

Thema: „Behandlung <strong>und</strong> Ergebnisse von<br />

Kalkaneusfrakturen.“ Gemeinschaftsstudie<br />

der Sektion Traumatologie (K. Welz).<br />

IX. Unfallchirurgenkongress der DDR vom<br />

12. bis 14.09.1984 in Leipzig. Thema: „Behandlung<br />

<strong>und</strong> Ergebnisse von Oberschenkelschaftbrüchen.“<br />

Gemeinschaftsstudie der<br />

Sektion Traumatologie (K. Welz).<br />

XI. Unfallchirurgenkongress der DDR vom<br />

06. bis 09.11. 1988 in Leipzig. Thema: „Intraartikuläre<br />

Frakturen – Tibiakopf.“ Sammelstudie<br />

der DDR 1981–1985 (G. Hildebrand,<br />

D. Tralles, N. Brewka, F. Göttel).<br />

An allen Hochschulkliniken gab es unfallchirurgische<br />

Forschungsschwerpunkte. So<br />

wurden beispielsweise in Leipzig in den Jahren<br />

1977 bis 1988 5 Habilitationsschriften<br />

zum Thema der Verbrennungskrankheit<br />

erstellt. Weitere Aktivitäten hat K. Sandner<br />

im Kapitel „Wissenschaftlich Aktivitäten“<br />

beschrieben.<br />

Abb. 9 Portät von H. Brückner (1919–1988)<br />

In Halle fand im Zusammenhang mit der<br />

Einführung der AO-Prinzipien <strong>und</strong> entsprechender<br />

Methoden eine klinisch angewandte<br />

Forschung zu verschiedenen Verletzungsbildern<br />

<strong>und</strong> dazu geeigneten Behandlungsverfahren<br />

statt. Insbesondere ging es<br />

um die verletzungs- oder in der ersten Zeit<br />

auch behandlungsbedingten Heilungsstörungen,<br />

Komplikationen <strong>und</strong> Fehlheilungen<br />

wie Pseudarthrosen, posttraumatisch <strong>und</strong><br />

postoperative Osteitiden <strong>und</strong> Osteomyelitiden<br />

sowie ihre Therapie- <strong>und</strong> Korrekturmöglichkeiten.<br />

Vier Habilitationsschriften<br />

befassten sich im Sinne der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

experimentell mit der Infektion nach<br />

Plattenosteosynthesen im Zusammenhang<br />

mit der geschädigten periostalen Durchblutung,<br />

der Biomechanik des Unterschenkelskeletts<br />

unter konservativen <strong>und</strong> operativen<br />

Behandlungsbedingungen <strong>und</strong> zu Akutauswirkungen<br />

von Kälteschäden. Regelmäßige<br />

AO-Kurse für Ärzte <strong>und</strong> Operationspersonal<br />

sowie die zwischengeschalteten AO-Symposien<br />

forderten von dem kleinen Team der<br />

Halleschen Traumatologischen Abteilung<br />

zusätzliches intensives wissenschaftliches,<br />

organisatorisches uns logistisches Engagement.<br />

Eine herausragende unfallchirurgische Persönlichkeit<br />

war H. Brückner (1919–1988),<br />

der an der Universität Rostock tätig war <strong>und</strong><br />

sich u.a. mit der Kreation des plastischen<br />

Ersatzes des vorderen Kreuzbandes des<br />

Kniegelenks internationale Anerkennung<br />

erworben hatte. Die Abbildung 9 zeigt<br />

H. Brückner.<br />

Auf weitere unfallchirurgische Forschungen,<br />

die an den verschiedenen Universitäten <strong>und</strong><br />

Akademien der DDR bearbeitet wurden,<br />

kann hier nicht eingegangen werden.<br />

Über die chirurgische Forschung in der DDR<br />

schrieb R. Reding, ehemals Ordinarius für<br />

Chirurgie in Greifswald <strong>und</strong> Rostock 2007<br />

[14]: „Bei aller staatlicher <strong>und</strong> politischer Reglementierung<br />

des Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong><br />

der Universitäten in der DDR spiegeln die erbrachten<br />

Forschungsleistungen persönliches<br />

Engagement, Eignung, Kreativität <strong>und</strong> Einsatz<br />

einzelner Chirurgen wider, was hervorhebenswert<br />

erscheint.“<br />

Kaderpolitik an Universitäten <strong>und</strong><br />

Medizinischen Akademien der DDR<br />

Der individuelle Drang zur fachlichen Entwicklung<br />

<strong>und</strong> weiteren Qualifizierung wurde<br />

im Prinzip nicht unterdrückt, nur wurden<br />

Voraussetzungen <strong>und</strong> Bedingungen dafür<br />

schon gezielt unterschiedlich zugeteilt. Die<br />

Entwicklungschancen hingen eben weniger<br />

von dem Qualifikationsgrad als vom gesellschaftspolitischen<br />

Bekenntnis ab.<br />

22<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Der Aufstieg in höhere Positionen war<br />

nicht das Ergebnis von Konkurrenz <strong>und</strong><br />

Leistung, die Auswahl erfolgte durch die<br />

gesellschaftspolitische Führungsriege der<br />

SED. Mitglieder bestimmter Gruppen (z. B.<br />

Blockparteien, Frauenförderung) hatten bestimmte<br />

Vorteile.<br />

Ein entscheidender Mangel bestand auch in<br />

der zunehmenden Unterordnung ges<strong>und</strong>heitspolitischer<br />

<strong>und</strong> auch klinischer Aufgaben<br />

durch parteigelenkte Zielstellungen<br />

<strong>und</strong> entsprechende Vorgaben. Das betraf<br />

besonders die Entwicklungs- <strong>und</strong> Aufstiegsmöglichkeiten<br />

von ärztlichen Mitarbeitern,<br />

die sich nicht durch SED-Mitgliedschaft explizit<br />

zur DDR-Politik bekannten. Der intensive<br />

Einfluss der Staatssicherheit in nahezu<br />

alle Belange der ärztlichen Berufsausübung<br />

<strong>und</strong> der universitären Lehre war der überwiegenden<br />

Zahl der ärztlichen Mitarbeiter<br />

nicht bekannt.<br />

Zu kaderpolitischen Entscheidungen berichtet<br />

der Autor E. M. über seine persönlichen<br />

Erfahrungen.<br />

Ich habe nach meiner Habilitation im Jahre<br />

1977 mehrere, von meinem Klinikdirektor<br />

unterstützte Anträge auf Zuerkennung<br />

einer Dozentur gestellt. Mehrere Anträge<br />

wurden abgelehnt; die Antragsunterlagen<br />

habe ich in Form spärlicher Reste erst nach<br />

der Wende zurück bekommen. Ich wurde<br />

auch nach keiner einzigen Ablehnung offiziell<br />

informiert. Der Tatbestand wurde mir<br />

innoffiziell von einem Kenntnisträger mitgeteilt.<br />

Erst 1983 wurde ich zum Dozenten<br />

ernannt. Im Jahre 1987 wurde ich durch den<br />

Minister für das Hoch- <strong>und</strong> Fachschulwesen<br />

der DDR als außerordentlicher Professor berufen.<br />

Der Vorschlag ging von H. Schröder<br />

(1929–1997), Nachfolger von T. Becker, <strong>und</strong><br />

von Vertretern meiner Universität aus, die<br />

offensichtlich auf meine weitere Tätigkeit<br />

in Jena nicht verzichten wollten. Ich war inzwischen<br />

an anderen Hochschulen der DDR<br />

(Rostock, Magdeburg) für die Leitung der<br />

Abteilung Unfallchirurgie im Gespräch.<br />

Ein anderes mehrfach selbst erlebtes Beispiel<br />

betraf die Behinderung des Besuchs<br />

von Fortbildungsveranstaltungen im westlichen<br />

Ausland. Im Jahr 1970 erhielt ich eine<br />

Einladung zum Besuch eines AO-Kurses in<br />

Bad Gleichenberg in Österreich. Nach Bearbeitung<br />

der aufwendigen Formalitäten<br />

<strong>und</strong> langer Wartezeit erhielt ich schließlich<br />

via Ministerium, Rektorat der Universität,<br />

Bereichsleitung Medizin <strong>und</strong> Klinikdirektor<br />

den Hinweis, dass der Antrag abgelehnt<br />

wurde, da keine Devisen zur Verfügung<br />

stünden. Nach meiner Information an die<br />

Veranstalter über die Ablehnung meiner<br />

Teilnahme hat mir der organisatorische Leiter<br />

des Kurses, der damalige Oberarzt der<br />

Universitätsklinik für Chirurgie in Graz, Dr.<br />

Harald Tscherne, geschrieben, dass das Organisationskomitee<br />

der Sektion Österreich<br />

der AO mich <strong>und</strong> meine Frau abermals einladen<br />

möchte <strong>und</strong> alle Kosten für den Kurs,<br />

die Übernachtung <strong>und</strong> die Reise übernehmen<br />

würde. Die Antwort nach langer Zeit,<br />

den genannten Weg nehmend, war eine<br />

Ablehnung meiner Reise; diesmal ohne Begründung.<br />

Das war politischer Alltag in der DDR!<br />

Literatur<br />

1. Böhler L. Die Technik der Knochenbruchbehandlung.<br />

Verlag Wilhelm Maudrich 1929<br />

2. Ekkernkamp A, Probst J. Von der Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />

zur Unfallchirurgie. Z. ärztl. Fortbild. Qual. Ges<strong>und</strong>h.wes<br />

2004; 98: 31–36<br />

3. Fläschendräger W, Klaus W, Köhler R, Kraus A, Steiger<br />

G. Magister <strong>und</strong> Scholaren, Professoren <strong>und</strong><br />

Studenten – Geschichte deutscher Universitäten<br />

<strong>und</strong> Hochschulen im Überblick. Leipzig-Jena-Berlin:<br />

Urania-Verlag; 1981<br />

4. Heim UFA. Das Phänomen AO – Gründung <strong>und</strong><br />

erste Jahre der Arbeitsgemeinschaft für das Studium<br />

der Osteosynthese. Verlag H. Huber 2001<br />

5. Howmedica GmbH Kiel. Gerhard Küntscher – Ein<br />

Pionier der modernen Osteosynthese. Festschrift<br />

1990<br />

6. Hoßfeld U, Kaiser T, Mestrup H. Hochschule im Sozialismus.<br />

Bölau Verlag 2007<br />

7. Lemmens F. Der Wiederaufbau <strong>und</strong> die Entwicklung<br />

des Leistungsprofils der Medizinischen Fakultät<br />

in den Jahren 1945 bis 1961. In.: Kästner I,<br />

Thom A. 575 Jahre Medizinische Fakultät der Universität<br />

Leipzig. Johann Ambrosius Barth Verlag<br />

1990: 210–211<br />

8. Löffler F. Eröffnungsansprache des 1. Vorsitzenden<br />

auf der ersten wissenschaftlichen Tagung der<br />

neuen <strong>Gesellschaft</strong>. Beitr. Orthop. 1954; 1: 7–11<br />

9. Markgraf E. Theo Becker - ein Wegbereiter der<br />

Chirurgie in der ehemaligen DDR. Zentralbl Chir<br />

2006; 131: 93–94<br />

10. Meißner F. Herbert Uebermuth <strong>und</strong> die Spezialisierung<br />

der Chirurgie. In: Schönfelder M, Schwokowski<br />

C. Herbert Uebermuth (1901–1986) – Leben<br />

<strong>und</strong> Werk eines Chirurgen. Leipzig: Verlag Andreas<br />

Lieback; 2001<br />

11. Neumann M, Spiegel HU. Chirurgische Forschung<br />

in der DDR. <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie 2007; 36:<br />

350–355<br />

12. Povacz F. Der Geist der Böhlerschule. Verlag Wilhelm<br />

Maudrich; 2004<br />

13. Probst J. 60 Jahre <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e.<br />

Demeter Verlag; 1982<br />

14. Reding R. Kommentar zu „Chirurgische Forschung<br />

in der DDR“. In: Neumann M, Spiegel HU. Chirurgische<br />

Forschung in Deutschland. Kaden Verlag;<br />

169–190. <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie; 36: 355–356<br />

15. Rupprecht H, Schickedanz H, Presselt N. Erziehung,<br />

Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung. In: Schickedanz<br />

H. Die Chirurgische Klinik der Universität Jena<br />

1961–1980. Wissenschaftliche Beiträge der FSU;<br />

1980: 17–28<br />

16. Schober KL. Stalingrad – Befreiung in Gefangenschaft.<br />

Demeter Verlag; 1995<br />

17. Steiger G, Flaschenträger W. Magister <strong>und</strong> Scholaren,<br />

Professoren <strong>und</strong> Studenten – Geschichte<br />

deutscher Universitäten <strong>und</strong> Hochschulen im<br />

Überblick. Urania-Verlag; 1981; 225<br />

18. Steinbach, Matthias. Universitätserfahrung Ost.<br />

DDR-Hochschullehrer im Gespräch. Verlag Bussert<br />

& Stadeler; 2005<br />

19. Stiller H. Gedanken zur Behandlung von Verletzungen<br />

<strong>und</strong> ihren Früh- <strong>und</strong> Spätfolgen. Ther. d.<br />

Gegenw. 1960; 99: 361–371<br />

Prof. Dr. E. Markgraf<br />

Gillestr. 5<br />

07743 Jena<br />

Prof. Dr. W. Otto<br />

Am Park 5<br />

06184 Kabelsketal<br />

OT Dieskau<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 23


Die Rolle der konfessionellen<br />

Krankenhäuser in der DDR<br />

S. Grafe<br />

Abb. 1 Hauptgebäude des katholischen „St. Elisabethkrankenhauses“<br />

Leipzig. Aus: Privatarchiv S. Grafe<br />

Abb. 2 Die einzige selbständige Poliklinik mit Fachambulanzen in der DDR<br />

in Rechtsträgerschaft des Vereins des Diakonissenhauses Leipzig.<br />

Aus: Privatarchiv S. Grafe<br />

Das staatliche Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR<br />

wurde, wie das Adjektiv aussagt, vom Staat,<br />

somit von der Regierung, reglementiert <strong>und</strong><br />

durchorganisiert. Für andere Rechtsträger<br />

war deshalb in diesem System auch aus ideologischen<br />

Gründen kein Platz vorgesehen.<br />

Die von der DDR, übrigens auch für andere<br />

Länder des real existierenden Sozialismus<br />

nicht ganz selbstverständliche, einmalige<br />

Vorgabe einer für den Patienten völlig kostenfreien<br />

Versorgung <strong>und</strong> ärztlichen Behandlung<br />

der Kranken war ein Gr<strong>und</strong>prinzip<br />

der deutschen Arbeiterbewegung. Sie wurde<br />

verwirklicht durch die ebenfalls staatlich<br />

kontrollierten Krankenversicherungen <strong>und</strong><br />

sie verlangte eine totale finanzielle Absicherung<br />

durch den staatlichen Haushaltsplan<br />

(sog. Fünfjahrplan). Die Ausgaben der Versicherungen<br />

wurden zentral vorgegeben. Der<br />

Plan sollte eingehalten werden. Ein mangelhaft<br />

kontrollierbarer Posten, wie die Budgets<br />

<strong>und</strong> die Ausgabenplanung nicht staatlicher<br />

Einrichtungen, passte deshalb nicht ins<br />

Konzept. Damit war die Zulassung anderer<br />

Krankenhausrechtsträger für die DDR nicht<br />

nur ein ideologisches, sondern auch ein<br />

wirtschaftliches Problem, das bis in das ausgehende<br />

achte Dezennium des vergangene<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts nur über eine kostendeckende<br />

Vergütung der Leistungen einseitig zu Lasten<br />

der konfessionellen Krankenhäuser geregelt<br />

wurde.<br />

Andererseits, <strong>und</strong> auch das ist für die<br />

DDR eine Besonderheit gewesen, waren die<br />

konfessionellen Krankenhäuser, wie auch<br />

die großen Glaubens- <strong>und</strong> Religionsgemeinschaften<br />

selbst, eben erst aus der Unterdrückung<br />

durch das Naziregime befreit worden.<br />

Sie hatten, bis auf einige Ausnahmen, nach<br />

dem zweiten Weltkrieg die Eigenständigkeit<br />

durch die sowjetische Militäradministration<br />

wieder zurückerhalten ( Abb. 1).<br />

So begnügte sich der aufstrebende sozialistische<br />

Staat mit der Strategie der kleinen<br />

Nadelstiche. Den Krankenhäusern <strong>und</strong><br />

Anstalten wurde jede Unterstützung materieller<br />

<strong>und</strong> finanzieller Art vorenthalten.<br />

Die geduldete stationäre Versorgung von<br />

Patienten (einschließlich der ambulanten<br />

Nachbehandlung) musste im Gegensatz<br />

zu den staatlichen Einrichtungen auf Heller<br />

<strong>und</strong> Pfennig nach den tatsächlichen Ausgaben<br />

am Ende eines abgelaufenen Jahres<br />

abgerechnet werden. Das Krankenhaus trat<br />

also finanziell immer erst in Vorleistung.<br />

Das änderte sich erst als Staat <strong>und</strong> evangelische<br />

Kirche in einem Spitzengespräch am<br />

18.03.1978 ein besseres Zusammenarbeiten<br />

beschlossen. Gr<strong>und</strong> dafür war einerseits<br />

die Anerkennung der Leistungen der Mitarbeiter<br />

der kirchlichen Einrichtungen auf<br />

dem Gebiet des Ges<strong>und</strong>heitswesens. Andererseits<br />

war die Arbeit der konfessionellen<br />

Krankenhäuser, der Rehabilitations- <strong>und</strong> der<br />

Pflegeeinrichtungen ein ökonomisch <strong>und</strong><br />

leistungsmäßig nicht mehr wegzudenkender<br />

Faktor im Ges<strong>und</strong>heitswesen geworden.<br />

Eine bemerkenswerte Ausnahme gab es auf<br />

dem Gebiet der DDR, entgegen dem Gr<strong>und</strong>satz,<br />

dass für konfessionelle Träger nur<br />

Krankenhausarbeit zugelassen war, in der<br />

Duldung einer selbständigen ambulanten<br />

Einrichtung in der Rechtsträgerschaft des<br />

Vereins des Diakonissenhauses Leipzig, der<br />

seine Poliklinik weiter betreiben durfte, weil<br />

diese in einem Arbeiterwohngebiet 1923<br />

zur kostengünstigen ambulanten Versorgung<br />

der werktätigen Bevölkerung entstanden<br />

war. Beide Diktaturen hat diese Poliklinik<br />

überstanden. Erst die politisch gewollte<br />

Auflösung der Krankenhausambulanzen im<br />

Jahre 1996 brachte das Aus für sie ( Abb. 2).<br />

Aus zu Beginn unterdrückten, später geduldeten<br />

Einrichtungen waren durch die Entwicklung<br />

Arbeitsfelder hervorgegangen,<br />

die notwendige zusätzliche Kapazitäten im<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen vorhielten, auf die man<br />

nicht mehr verzichten konnte <strong>und</strong> wollte.<br />

Rehabilitation <strong>und</strong> Pflege von Behinderten<br />

waren anfangs dem aufstrebenden Sozialismus<br />

ein Hemmschuh, den man gerne<br />

den Kirchen <strong>und</strong> Glaubensgemeinschaften<br />

überlies. Nach dem oben erwähnten Spitzengespräch<br />

zwischen dem Staatsratsvorsitzenden<br />

Honecker, dem vorsitzenden<br />

evangelischen Bischof <strong>und</strong> Vertretern der<br />

Diakonie wurde deshalb den konfessionellen<br />

Krankenhäusern erstmalig auch Unterstützung<br />

zu Teil. Es gab ab dato einen<br />

reibungsfreien Transfer für die vielfältige finanzielle<br />

<strong>und</strong> materielle Unterstützung, die<br />

der <strong>Deutsche</strong> evangelische Krankenhausverband<br />

<strong>und</strong> der Caritasverband in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland aus Spenden <strong>und</strong><br />

aus dem Staatsvertrag der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

24<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


mit den Kirchen organisierte. Das führte<br />

dazu, dass in vielen Häusern den Patienten<br />

modernste medizinische Geräte <strong>und</strong> Instrumente<br />

zur Verfügung standen ( Abb. 3).<br />

Trotzdem haben die konfessionellen Krankenhäuser<br />

<strong>und</strong> Behinderteneinrichtungen<br />

zu keiner Zeit die Würdigung erfahren, die<br />

ihnen gerecht geworden wäre. In der Chronik<br />

des <strong>Deutsche</strong>n evangelischen Krankenhausverbandes<br />

liest sich das so: – „Zuletzt<br />

gab es in der DDR 46 evangelische <strong>und</strong> 31<br />

katholische Krankenhäuser. Sie stellten<br />

16,7 % der insgesamt 541 Krankenhäuser<br />

<strong>und</strong> 14,2 % aller Krankenhausbetten in der<br />

DDR. – Dennoch blieben sie Fremdkörper im<br />

staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesen – sie wurden<br />

geduldet, weil sie unentbehrlich waren, <strong>und</strong><br />

sie behielten ihre Selbständigkeit, weil eine<br />

Übernahme in staatliche Trägerschaft vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> des in der Verfassung der<br />

DDR garantierten Gr<strong>und</strong>rechts auf freie Religionsausübung<br />

politisch brisant war.“ [1]<br />

Nach all dem, was sich daraus ergeben<br />

hat, ist es nur verständlich, dass sich auch<br />

die Traumatologie in den konfessionellen<br />

Krankenhäusern nur sehr ambivalent entwickeln<br />

konnte. Einerseits profitierte das<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen von der Möglichkeit<br />

hochqualifizierte operative Knochenbruchbehandlung<br />

in den Krankenhäusern vornehmen<br />

zu lassen, weil importierten Geräte<br />

<strong>und</strong> Instrumente dem international höchsten<br />

Standard genügten <strong>und</strong> weil sie nicht<br />

aus dem Devisenvolumen des Staates für<br />

das Ges<strong>und</strong>heitswesen finanziert werden<br />

mussten. Andererseits wurde den Häusern<br />

keinerlei Unterstützung für Forschung <strong>und</strong><br />

Weiterentwicklung gewährt. Kein konfessionelles<br />

Krankenhaus wurde für die Maximalversorgung<br />

zugelassen. Die Regel war<br />

die Einstufung in die Gr<strong>und</strong>versorgung,<br />

nur bei regionalen Besonderheiten wurde<br />

notgedrungen der Status für die Regelversorgung<br />

zuerkannt. Eine weitere Hürde war<br />

die zentrale Regelung der Patientenströme<br />

durch den Krankentransport, was im Rettungsdienst<br />

besonders deutlich zum Ausdruck<br />

kam. In den Ballungsgebieten erreichten<br />

deshalb nur geringfügig Verletzte das<br />

am Ort tätige konfessionelle Krankenhaus.<br />

Dass trotz dieser gr<strong>und</strong>sätzlichen Ignoranz,<br />

schwerer Verletzte in konfessionelle Häuser<br />

eingeliefert wurden, war dem guten Ruf<br />

<strong>und</strong> den Erfolgen von Spezialisten in deren<br />

chirurgischen Abteilungen zu danken. In<br />

der Bevölkerung <strong>und</strong> auch in Kreisen der<br />

Parteiführung gab es immer wieder Personen,<br />

die darauf bestanden in ein Haus der<br />

Kirche eingewiesen zu werden, auch wenn<br />

das eigentlich für sie nicht vorgesehen war.<br />

So konnten die Fachkenntnisse der Ärzte,<br />

die auch im „nichtsozialistischen Ausland“<br />

Tagungen besuchten, auf dem modernsten<br />

Wissensstand gebracht werden.<br />

Der o. a. kirchliche Finanztransfer war für<br />

die beste Behandlung der Patienten vorgesehen.<br />

Diese Mittel aber für die Forschung<br />

einzusetzen, verbot sich gegenüber den<br />

Spendern <strong>und</strong> Organisationen, die sie ausschließlich<br />

für Wohltätigkeitszwecken zur<br />

Verfügung gestellt hatten. Es war deshalb<br />

kein W<strong>und</strong>er, dass wenn Ärzte in den konfessionellen<br />

Krankenhäusern Forschung betrieben<br />

haben, Fragen der täglichen Praxis <strong>und</strong><br />

Erfahrung mit einfachen Verletzungsbildern<br />

zu Themen gemacht wurden. Unblutige<br />

Knochenbruchheilungswege, in Sonderheit<br />

die Methoden der frühfunktionellen Knochenbruchbehandlung<br />

beispielsweise in<br />

Anlehnung an die Lehre von Sarmiento fanden<br />

eine Weiterentwicklung. Da die Dauer<br />

des Aufenthaltes im Krankenhaus nicht der<br />

staatlichen Reglementierung unterlag <strong>und</strong><br />

jeder Patient auch ambulant vom Krankenhausarzt<br />

zu Ende behandelt werden durfte,<br />

waren für solche klinischen Forschungen<br />

die Voraussetzungen nahezu ideal. Die<br />

Traumatologie wurde also in den einzelnen<br />

Häusern sehr unterschiedlich praktiziert.<br />

Sie zeichnete sich einerseits durch<br />

hohe Qualität der operativen Versorgung<br />

von Knochenbrüchen mit internationalem<br />

Standard der Technik der Osteosynthesen,<br />

andererseits aber auch durch einfache, oft<br />

unblutige Konzepte zur Knochenbruchbehandlung<br />

mit guten funktionellen Ergebnissen<br />

aus. Die zentrale Bedeutung einer den<br />

Mitmenschen achtenden <strong>und</strong> ihm zugewandten<br />

Betreuung als Kernmotivation von<br />

Caritas <strong>und</strong> Diakonie, ließ dem Patienten<br />

die Wahl, welchen therapeutischen Weg er<br />

bevorzugte. Keine finanziellen Erwägungen<br />

störten ihn <strong>und</strong> seinen Arzt in der Entscheidung<br />

über die angebotene Therapie. Die oft<br />

langen Krankenhausaufenthalte boten die<br />

notwendige Zeit, mit dem Patienten eine<br />

persönliche Beziehung einzugehen. Diese<br />

konnte die manchmal wenig komfortablen<br />

Unterbringungen kompensieren. Das entstandene<br />

Vertrauensverhältnis hat viele<br />

Patienten ermutigt, die erforderliche Akzeptanz<br />

für seine Verletzung aufzubauen.<br />

Schnelle <strong>und</strong> gute Wiederherstellung der<br />

Funktion verletzter Extremitäten waren der<br />

Erfolg. Zuletzt darf die bedeutende, in mancherlei<br />

Weise beispielgebende Rolle bei der<br />

Rehabilitation Verletzter in den orthopädisch<br />

geführten, konfessionellen Behinderteneinrichtungen<br />

nicht vergessen werden<br />

zu erwähnen.<br />

Nach dem 18. März 1978 hat es dann auch<br />

keine Hindernisse mehr gegeben, die finanziellen<br />

Mittel für die ausreichende Versorgung<br />

der Verletzten jeder Art in voller Höhe<br />

mit den Krankenkassen in einem vorauslaufenden<br />

Planungsprozess auszuhandeln.<br />

Diese Budgetverhandlungen hatten nur<br />

die konfessionellen Krankenhäuser mit der<br />

Krankenkasse des „Freien <strong>Deutsche</strong>n Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es“<br />

der DDR zu führen. Ein<br />

Umstand, der sich nach der Wende auszahlte.<br />

Sie waren mit der prinzipiellen Problematik<br />

der Budgetverhandlungen vertraut<br />

<strong>und</strong> konnten ihre Erfahrungen auch an andere<br />

Krankenhäuser weitergeben.<br />

Literatur<br />

1 Helbig W. Evangelischer Krankenhauskongress 98,<br />

Dokumentation, Herne-Wanne 1999<br />

Prof. Dr. S. Grafe<br />

Lise-Meitner-Str. 13<br />

04178 Leipzig<br />

Abb. 3 Einsatz modernster Spitzentechnik im traumatologischen Operationssaal: „Bildverstärker<br />

letzter Generation“. Aus: Privatarchiv S. Grafe<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 25


Die medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en in der DDR<br />

K. Sandner, W. Senst, E. Markgraf<br />

Nach der bedingungslosen Kapitulation<br />

Hitlerdeutschlands im Mai 1945 wurden<br />

alle bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet<br />

Deutschland existierenden medizinischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en durch Kontrollratsbeschluss<br />

aufgelöst.<br />

Am 12.5.1947 erteilte die Sowjetische Militäradministration<br />

in Deutschland (SMAD)<br />

den Befehl 124 „Über die Organisation<br />

der deutschen wissenschaftlichen medizinischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en“. Dieser Befehl wurde<br />

vom Oberbefehlshaber der SMAD, dem<br />

Oberkommandierenden der sowjetischen<br />

Besatzungstruppen <strong>und</strong> Marschall der Sowjetunion<br />

W. Sokolowski <strong>und</strong> vom Chef des<br />

Stabes der SMAD, Generalleutnant Tratwin<br />

unterzeichnet. In diesem Schreiben wurde<br />

die Bildung von medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en in der sowjetischen<br />

Besatzungszone gefordert ( Abb. 1).<br />

Für den organisatorischen Aufbau der <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

wurde gleichzeitig als Paragraph<br />

8 des Befehls ein Musterstatut beigefügt.<br />

Im Befehl Nr. 124 der SMAD wurden<br />

die Universitätsstädte mit medizinischen<br />

Fakultäten ausdrücklich zur Gründung derartiger<br />

medizinisch-wissenschaftlicher <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

berechtigt <strong>und</strong> aufgefordert,<br />

in anderen Städten wurden Auflagen hinsichtlich<br />

einer Mindestzahl von ansässigen<br />

Ärzten (mehr als 25 Ärzte einer gleichen<br />

Fachrichtung) gemacht.<br />

Der für ein Jahr von der Mitgliederversammlung<br />

zu wählende Vorstand war vom<br />

Gelehrtenrat bei der deutschen Verwaltung<br />

des Ges<strong>und</strong>heitswesens in der sowjetischen<br />

Besatzungszone (Vorläufer des Ministeriums<br />

für Ges<strong>und</strong>heitswesen) zu bestätigen.<br />

Nach Erlass dieses Befehls wurden im selben<br />

Jahr regionale <strong>Gesellschaft</strong>en von Fachärzten<br />

an den Universitäten gebildet.<br />

In einzelnen Ländern der sowjetischen<br />

Besatzungszone erfolgte diese Entwicklung<br />

jedoch unterschiedlich. Ende 1949 wurden<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Befehls 46 medizinische<br />

Regionalgesellschaften in den<br />

Ländern der sowjetischen Besatzungszone<br />

gegründet, wie z. B. die <strong>Gesellschaft</strong> für Klinische<br />

Medizin in Berlin, die <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

für Innere Medizin an den Universitäten<br />

Jena, Leipzig, Greifswald <strong>und</strong> Rostock <strong>und</strong><br />

die <strong>Gesellschaft</strong> für Innere Medizin, Neurologie,<br />

Kinderheilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Grenzgebiete in<br />

Sachsen-Anhalt.<br />

Die ersten medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en für Chirurgie wurden<br />

an den Universitäten Berlin, Leipzig, Halle,<br />

Jena, Rostock <strong>und</strong> Greifswald gegründet.<br />

Die Berliner <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

wurde durch Herrn Prof. Dr. Sauerbruch am<br />

27.1.1948 neu unter dem Namen „Chirurgische<br />

<strong>Gesellschaft</strong> an der Universität Berlin“<br />

gegründet. Nach dem Mauerbau wurde<br />

die Berliner <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie bis<br />

zur vollständigen Wiedervereinigung im<br />

Jahre 1991 im Ost- <strong>und</strong> Westteil der Stadt in<br />

zwei <strong>Gesellschaft</strong>steilen fortgeführt.<br />

Die wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

zu Leipzig wurde 1948 durch Prof. Dr.<br />

Heller ins Leben gerufen. Sie hielt bis zum<br />

Jahre 1990 insgesamt 47 wissenschaftliche<br />

Tagungen ab.<br />

1948 wurde auch die Medizinisch-Wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie,<br />

Urologie, Röntgenologie <strong>und</strong> Orthopädie an<br />

der Universität Leipzig gegründet, die sich<br />

ab 1959 Medizinisch-Wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie an der Universität<br />

Leipzig nannte.<br />

1948 wurde die <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

an der Universität Leipzig, Tochtergesellschaft<br />

Dresden gegründet.<br />

Im März 1948 wurde die Medizinisch-Wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

an der Universität Halle-Wittenberg durch<br />

Prof. Dr. Budde gegründet, die sich dann ab<br />

Anfang der 80-er Jahre Medizinisch-Wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie an der<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

nannte.<br />

Bei den jährlich stattfindenden Tagungen<br />

wurden stets auch unfallchirurgische Themen<br />

abgehandelt, z. B. referierte im Mai<br />

1963 der Nestor der österreichischen Unfallchirurgie<br />

Prof. Dr. Lorenz Böhler aus Wien<br />

über Oberschenkelfrakturen <strong>und</strong> im Mai<br />

1979 hielt Prof. Dr. H. Tscherne aus Hannover<br />

das Hauptreferat – „Der polytraumatisierte<br />

Patient“. 1949 wurde als Regionalgesellschaft<br />

auch die Medizinisch-Wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie im<br />

Lande Sachsen-Anhalt gegründet.<br />

Bereits im Oktober 1947 gründete Prof.<br />

Dr. Guleke die Thüringer-Medizinisch-Wissenschaftliche<br />

Chirurgenvereinigung, die<br />

1949 in die Medizinisch-wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie Thüringen in Jena<br />

umbenannt wurde. 1950 nannte sie sich<br />

Abb. 1 Befehl Nr.124 der SMAD [1]<br />

26<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie an der Friedrich-Schiller-Universität<br />

in Jena. Im Jahre 1979 erfolgte auf<br />

Vorschlag <strong>und</strong> Initiative von Prof. Dr. Usbeck<br />

die Umbenennung in „Thüringische <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie“, die auch die Chirurgen<br />

der Südbezirke der DDR Erfurt, Gera <strong>und</strong><br />

Suhl mit einbezog. Diese <strong>Gesellschaft</strong> zeichnete<br />

sich durch eine rege wissenschaftliche<br />

Tätigkeit aus. Jährlich fanden zwei Tagungen<br />

jeweils im Frühjahr <strong>und</strong> Herbst statt.<br />

1948 wurden auch die medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en für Chirurgie<br />

an den Universitäten in Rostock <strong>und</strong><br />

Greifswald gegründet.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der geringen Mitgliederzahl<br />

wurden 1959 die Chirurgen beider Universitäten<br />

in den Medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en für Chirurgie an den<br />

Universitäten Rostock <strong>und</strong> Greifswald zusammengefasst.<br />

Mitglieder konnten die<br />

Chirurgen von Mecklenburg-Vorpommern<br />

<strong>und</strong> die der übrigen 11 Bezirke der DDR werden.<br />

1968 erfolgte die Umbenennung in die<br />

Vereinigung der Chirurgen der beiden Nordbezirke<br />

der DDR.<br />

Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

für Chirurgie existierten ferner an<br />

der Medizinischen Akademie Carl-Gustav-<br />

Carus Dresden seit 1962, an der Medizinischen<br />

Akademie in Erfurt <strong>und</strong> an der Medizinischen<br />

Akademie in Magdeburg.<br />

Außerdem gab es eine Medizinisch-wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

des Bezirkes Karl-Marx-Stadt.<br />

Die von den Chirurgengesellschaften organisierten<br />

wissenschaftlichen Tagungen der<br />

Regionalgesellschaften dienten zur Förderung<br />

des wissenschaftlichen Nachwuchses,<br />

zur Förderung der praktischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />

Anliegen der Chirurgie <strong>und</strong> der<br />

Förderung wissenschaftlicher Forschung<br />

<strong>und</strong> Studien in der Chirurgie.<br />

Jüngere Fachkollegen hatten hier die<br />

Möglichkeit Vorträge zu halten <strong>und</strong> sich<br />

wissenschaftlich zu profilieren.<br />

Die Chirurgengesellschaften fühlten sich<br />

mitverantwortlich für die Arbeit <strong>und</strong> Qualität<br />

der Fachkommissionen, die u. a. die Facharztprüfungen<br />

durchzuführen hatten.<br />

Nach der Errichtung der Mauer in Berlin im<br />

Jahre 1961 erfolgte ein systematischer Aufbau<br />

der medizinisch-wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

der DDR ungestört <strong>und</strong> zielgerichtet.<br />

Am 5.5.1962 wurde die <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Klinische Medizin der DDR als Dachgesellschaft<br />

für die klinischen Fächer gegründet.<br />

Zunächst bestanden 5 Dachgesell schaften<br />

– Klinische Medizin, Experimen telle<br />

Medizin, Gesamte Hygiene, Stomatologie,<br />

Pharmazie – später kam noch die Militärmedizin<br />

hinzu ( Abb. 2).<br />

Klinische<br />

Medizin<br />

Deleg. Konf.<br />

Präsidium<br />

Rev. Komm.<br />

R<br />

B G<br />

9<br />

K<br />

F G<br />

35<br />

B G<br />

11 fachl. Glied.<br />

ohne:<br />

mit:<br />

7<br />

28<br />

Unterstellung<br />

Zuordnung<br />

Zusammenwirken<br />

Koordinierung<br />

Experimentelle<br />

Medizin<br />

Deleg. Konf.<br />

Präsidium K<br />

Rev. Komm.<br />

R<br />

B G<br />

3<br />

F G<br />

12<br />

fachl. Glied.<br />

ohne: 4<br />

mit: 8<br />

Koordinierungsrat<br />

Kommissionen<br />

Dachgesellschaften<br />

Gesamte<br />

Hygiene<br />

Deleg. Konf.<br />

Präsidium<br />

Rev. Komm.<br />

Bedeutende Fortschritte für die Präzisierung<br />

der Aufgabenstellung <strong>und</strong> die Perspektive<br />

der medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en wurden durch die Realisierung<br />

der „Verordnung zur Registrierung von<br />

Vereinen“ vom 9.11.1967 (GBl. II/1967, S.86)<br />

erreicht.<br />

Die staatliche Verantwortung für die<br />

Tätigkeit <strong>und</strong> Entwicklung der medizinischwissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR<br />

wurde mit Wirkung vom 1.7.1969 dem<br />

„Generalsekretariat der medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en“ beim Ministerium<br />

für Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR<br />

übertragen.<br />

Das Generalsekretariat hatte folgende Aufgaben:<br />

– die Planung <strong>und</strong> Organisation des Kongresswesens<br />

in der DDR<br />

– die Planung <strong>und</strong> Realisierung der Teilnahme<br />

von <strong>Gesellschaft</strong>en der DDR an<br />

wissenschaftlichen Veranstaltungen im<br />

Ausland einschließlich der Arbeit nach der<br />

BRD <strong>und</strong> Westberlin<br />

K<br />

Sekretariat<br />

KR<br />

Stomatologie<br />

Deleg. Konf.<br />

Präsidium K<br />

Rev. Komm.<br />

Pharmazie<br />

Deleg. Konf.<br />

Präsidium K<br />

Rev. Komm.<br />

Minister <strong>und</strong><br />

Ministerium für<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

Generalsekretariat<br />

der medizinisch<br />

wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en<br />

beim<br />

Ministerium<br />

für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

Militär-<br />

Medizin<br />

Deleg. Konf.<br />

Präsidium<br />

Rev. Komm.<br />

B G F G B G F G B G F G B G F G<br />

0 8 11 6 8 4 7 8<br />

fachl. Glied.<br />

ohne: 1<br />

mit: 7<br />

fachl. Glied.<br />

ohne: 6<br />

mit: 0<br />

fachl. Glied.<br />

ohne: 2<br />

mit: 2<br />

Abb. 2 Die Struktur der wissenschaftlich-medizinischen <strong>Gesellschaft</strong>en der DDR [3]<br />

– die Organisierung der internationalen<br />

Arbeit sowie die Wahrnehmung der Aufgaben<br />

in <strong>und</strong> gegenüber internationalen<br />

medizinischen <strong>Gesellschaft</strong>en sowie<br />

– die Publikationstätigkeit <strong>und</strong> Profilierung<br />

der medizinischen Zeitschriften.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage eines Ministerratsbeschlusses<br />

der DDR vom 7.5.1969 wurde am<br />

21.10.1969 in Potsdam der Koordinierungsausschuss<br />

der medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR gegründet,<br />

dessen Mitglieder durch das Ministerium<br />

für Ges<strong>und</strong>heitswesen ernannt wurden.<br />

Die Verbindung zum Ministerium stellte<br />

der Direktor des Generalsekretariats der<br />

medizinisch-wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

beim Ministerium dar ( Abb. 3).<br />

Die <strong>Gesellschaft</strong> für Klinische Medizin der<br />

DDR gliederte sich in 35 Fachgesellschaften<br />

<strong>und</strong> 9 selbstständige regionale <strong>Gesellschaft</strong>en.<br />

K<br />

fachl. Glied.<br />

ohne: 4<br />

mit: 4<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 27


Ministerium<br />

für Hoch- u.<br />

Fachschulwesen<br />

Medizin<br />

Akademie d.<br />

Wissenschaften<br />

Molekularbiologie<br />

u. Medizin<br />

MHF-Einrichtungen<br />

Rat für<br />

Planung <strong>und</strong><br />

Koordinierung<br />

der mediz.<br />

Wissenschaften<br />

Die <strong>Gesellschaft</strong> für Klinische Medizin der<br />

DDR umfasste<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Arbeitsmedizin der<br />

DDR,<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Altersforschung der<br />

DDR,<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Anästhesiologie <strong>und</strong><br />

Reanimation der DDR,<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> der Augenärzte der DDR,<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Bronchiologie der<br />

DDR.<br />

Die <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR umfasste<br />

7 Sektionen:<br />

– Sektion Poliklinische Chirurgie,<br />

– Sektion Experimentelle Chirurgie,<br />

– Sektion Herz- <strong>und</strong> Gefäßchirurgie,<br />

– Sektion Kinderchirurgie,<br />

– Sektion Plastische- <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie,<br />

– Sektion Thoraxchirurgie <strong>und</strong> die<br />

– Sektion Traumatologie<br />

Ministerrat der DDR<br />

staatliche<br />

Plankommission<br />

Minister <strong>und</strong> Ministerium<br />

für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

General-Sekretariat<br />

d. mediz.-wissenschaftl.<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en beim<br />

M. f. Ge. der DDR<br />

Koordinierungsrat<br />

der mediz.-wissenschaftl.<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR<br />

Kommissionen<br />

Präsidien der Dachgesellschaften<br />

I II III IV V VI<br />

ADW-Einrichtungen<br />

Praxis des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes der DDR<br />

übrige<br />

zentrale<br />

staatliche<br />

Organe<br />

Akademie<br />

für ärztliche<br />

Fortbildg.<br />

d. DDR<br />

Unterstellung<br />

Zuordnung<br />

Zusammenwirken<br />

Koordinierung<br />

übrige dem<br />

M. f. Ge.<br />

nachgeordnete<br />

Einrichtungen<br />

örtliche Organe<br />

der Staatsmacht<br />

Abt. Ges<strong>und</strong>heits<strong>und</strong><br />

Sozialwesen<br />

staatl. Ges<strong>und</strong>heits-<br />

Einrichtungen<br />

Abb. 3 Die Organisation der medizinisch-wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en in der DDR <strong>und</strong> ihre<br />

gesellschaftlichen Verbindungen [3]<br />

Die Sektion Traumatologie untergliederte<br />

sich wiederum in 5 Arbeitsgemeinschaften:<br />

– Arbeitsgemeinschaft Knochenbruchbehandlung,<br />

– Arbeitsgemeinschaft Unfallprophylaxe<br />

<strong>und</strong> Erste chirurgische Hilfe,<br />

– Arbeitsgemeinschaft Thermische <strong>und</strong><br />

kombinierte Schädigungen,<br />

– Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie<br />

<strong>und</strong> die<br />

– Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation <strong>und</strong><br />

Begutachtung.<br />

Außerdem existierten in der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie der DDR<br />

– die Arbeitsgemeinschaft Gefäßchirurgie,<br />

– die Arbeitsgemeinschaft Herzchirurgie,<br />

– die Arbeitsgemeinschaft Hospitalismus,<br />

– die Arbeitsgemeinschaft Tumorchirurgie<br />

im Kindesalter,<br />

– die Arbeitsgemeinschaft Chirurgie des<br />

Harntrakts im Kindesalter <strong>und</strong><br />

– die Arbeitsgemeinschaft für Prognosefragen.<br />

Bezirksgesellschaften der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR bestanden in Berlin, Dresden,<br />

Gera, Halle, Karl-Marx-Stadt, Leipzig,<br />

Potsdam <strong>und</strong> Rostock:<br />

– die Dermatologische <strong>Gesellschaft</strong> der<br />

DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Endokrinologie <strong>und</strong><br />

Stoffwechselkrankheiten der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Gastroenterologie der<br />

DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Geschwulstbekämpfung<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Gynäkologie <strong>und</strong> Geburtshilfe<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Hämatologie <strong>und</strong><br />

Bluttransfusion der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für klinische <strong>und</strong> experimentelle<br />

Immunologie der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Innere Medizin der<br />

DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Kardiologie <strong>und</strong> Angiologie<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Lungenkrankheiten<br />

<strong>und</strong> Tuberkulose der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Medizinische Mykologie<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Nephrologie der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Neurochirurgie der<br />

DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Neuro-Elektrodiagnostik<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Neuropathologie der<br />

DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Orthopädie der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Osteologie der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Otorhinolaryngologie<br />

<strong>und</strong> cervicofaciale Chirurgie der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Pädiatrie der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für perinatale Medizin der<br />

DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Physiotherapie der<br />

DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Psychiatrie <strong>und</strong> Neurologie<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Ärztliche Psychotherapie<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für medizinische Radiologie<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Rheumatologie der<br />

DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Sportmedizin der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Ultraschalldiagnostik<br />

der DDR<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Urologie der DDR<br />

– die Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />

der DDR zum Studium der aktuellen<br />

Lebensbedingungen<br />

Zu den selbstständigen regionalen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

gehörten<br />

– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> der Bezirke<br />

Cottbus <strong>und</strong> Frankfurt/Oder<br />

– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> Magdeburg<br />

28<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> des Bezirkes<br />

Potsdam<br />

– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> Rostock<br />

– die Medizinische <strong>Gesellschaft</strong> Zwickau<br />

– die Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />

an der Medizinischen Akademie<br />

Erfurt<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> der Ärzte des Bezirkes<br />

Gera<br />

– der Medizinische Verein Greifswald<br />

– die Medizinisch-wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />

Eichsfelder Ärzte<br />

Zu den weiteren Dachgesellschaften<br />

( Abb. 2) gehörten<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Experimentelle Medizin<br />

der DDR mit 12 Subgesellschaften<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für die gesamte Hygiene<br />

der DDR mit 8 Subgesellschaften<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Stomatologie der DDR<br />

mit 6 Subgesellschaften<br />

– die Pharmazeutische <strong>Gesellschaft</strong> der DDR<br />

mit 4 Subgesellschaften<br />

– die <strong>Gesellschaft</strong> für Militärmedizin der<br />

DDR<br />

Publikationsorgane waren:<br />

– Das deutsche Ges<strong>und</strong>heitswesen (Berlin:<br />

VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit)<br />

– Beiträge zur Orthopädie <strong>und</strong> Traumatologie<br />

(Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit)<br />

– Medizin <strong>und</strong> Sport (Berlin: VEB Verlag Volk<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit)<br />

– Zeitschrift für die gesamte Innere Medizin<br />

<strong>und</strong> ihre Grenzgebiete (Leipzig: VEB Georg<br />

Thieme)<br />

– Zentralblatt für Chirurgie (Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth)<br />

– Zeitschrift für Ärztliche Fortbildung (Jena:<br />

VEB Gustav-Fischer-Verlag)<br />

– Zeitschrift für experimentelle Chirurgie<br />

<strong>und</strong> chirurgische Forschung (Berlin: VEB<br />

Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit) Band 1/1968<br />

– Band 9/1976<br />

– Zeitschrift für experimentelle Chirurgie,<br />

Transplantation <strong>und</strong> künstliche Organe<br />

(Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit)<br />

Band 10/1977 – Band 23/1990<br />

Das Zentralblatt für Chirurgie war das wichtigste<br />

Publikationsorgan der Ostdeutschen<br />

Chirurgen.<br />

Die Entwicklung der Unfallchirurgie<br />

in der DDR<br />

Alter deutscher Tradition entsprechend<br />

dominierte in der DDR lange Zeit, wie in<br />

der BRD auch, die „große Chirurgie“ <strong>und</strong><br />

damit der Allgemeinchirurg als „Chef“. Am<br />

Knochen „hart“ zu operieren galt vielerorts<br />

gegenüber der Weichteilchirurgie als weniger<br />

anspruchsvoll. Das traumatologische<br />

Krankengut wurde in der Regel auf einer<br />

Unfallstation zusammengefasst, die meist<br />

von einem Oberarzt geleitet wurde. Auf<br />

Budget <strong>und</strong> personelle Besetzung hatte<br />

dieser kaum Einfluss. Die Assistenten „rotierten“<br />

im Rahmen der Weiterbildung zum<br />

Facharzt für Chirurgie. Selbst an größeren<br />

Kliniken zählte im Bereitschaftsdienst die<br />

Behandlung verunfallter Patienten, bis hin<br />

zur Schädeltrepanation, zur allgemeinen<br />

Dienstaufgabe. Ein spezieller unfallchirurgischer<br />

Hintergr<strong>und</strong>dienst war bis in die<br />

70er Jahre die Ausnahme.<br />

Nur in wenigen Krankenhäusern wurde auf<br />

die wachsende Bedeutung der Unfallchirurgie<br />

für die medizinische Versorgung frühzeitig<br />

reagiert <strong>und</strong> ihr der entsprechende<br />

Status eingeräumt. So entstanden neben<br />

der Allgemeinchirurgie an kommunalen<br />

Häusern selbstständige Kliniken für Unfallchirurgie<br />

in Berlin-Friedrichshain 1956,<br />

Berlin-Köpenick 1961, Karl-Marx-Stadt 1968<br />

(die „Zschopauer-Straße“), Cottbus 1971,<br />

Zwickau 1975, Dessau 1975. Den Bereitschaftsdienst<br />

sicherte hier zumeist ein gemeinsames<br />

Team aus Allgemein- <strong>und</strong> Unfallchirurgen<br />

ab.<br />

Unter dem Druck steigender Unfallzahlen<br />

<strong>und</strong> Unfallschwere in den 70er Jahren erlangte<br />

die Unfallchirurgie auch in der DDR<br />

eine größere Aufmerksamkeit. Außerdem<br />

musste den großen Fortschritten der operativen<br />

Knochenbruchbehandlung Rechnung<br />

getragen werden. Die 1958 gegründete<br />

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für<br />

Osteosynthesefragen (SAO) hatte durch<br />

die Neuentwicklung <strong>und</strong> technische Perfektionierung<br />

von Instrumentarien <strong>und</strong><br />

Implantaten, durch Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />

systematische Ergebniskontrollen sowie<br />

Schulungskurse für Ärzte <strong>und</strong> Operationsschwestern<br />

große Erfolge <strong>und</strong> weltweite<br />

Ausstrahlung erlangt. Das konnte in der<br />

DDR nicht unbeachtet bleiben. Hier trugen<br />

die Aktivitäten von E. Sander, Halle, wesentlich<br />

zu einer Entwicklung bei, welche die<br />

Einführung <strong>und</strong> Verbreitung der modernen<br />

operativen Knochenbruchbehandlung zum<br />

Ziele hatte. Jetzt wurden auch mehr staatliche<br />

Mittel für Importe aus dem westlichen<br />

Ausland bereitgestellt.<br />

Mit der besseren technischen Ausrüstung<br />

stieg besonders an den Hochschulkliniken<br />

<strong>und</strong> Bezirkskrankenhäusern die Zahl unfallchirurgischer<br />

Operationen weiter an. Die<br />

technischen Voraussetzungen erlaubten<br />

anspruchsvollere Eingriffe, zum Beispiel die<br />

operative Stabilisierung von Frakturen des<br />

Beckens <strong>und</strong> der Wirbelsäule oder der Gelenkersatz.<br />

Die Unfallchirurgie erfuhr eine<br />

allgemeine Aufwertung.<br />

In den 80er Jahren entstanden an den Chirurgischen<br />

Universitäts- <strong>und</strong> Akademiekliniken<br />

unfallchirurgische Abteilungen mit<br />

weitgehender Selbstständigkeit in Lehre,<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis. Für die Leiter<br />

eröffnete sich die Perspektive eines Lehrstuhles<br />

für Unfallchirurgie. Die ordentlichen<br />

Professuren waren zwar fachbezogen ausgewiesen,<br />

blieben aber der Gr<strong>und</strong>fachrichtung<br />

Chirurgie zugeordnet. Zum Professor<br />

für Chirurgie/Traumatologie wurden zum<br />

Beispiel berufen: R. Henke, Erfurt, 1981; G.<br />

Hildebrandt, Berlin-Charité, 1983; H. Arzinger-Jonasch,<br />

Leipzig, 1984; E. Schenk, Magdeburg,<br />

1985. Den ersten Lehrstuhl für Unfallchirurgie<br />

an einer deutschen Hochschule<br />

richtete Prof. Dr. Walter Schmitt bereits im<br />

Jahre 1965 innerhalb der Klinik <strong>und</strong> Poliklinik<br />

für Chirurgie der Universität Rostock<br />

ein. Erster Inhaber dieses Lehrstuhls war H.<br />

Brückner, einer der führenden Traumatologen<br />

sowie plastischen <strong>und</strong> plastisch-rekonstruktiven<br />

Chirurgen dieser Zeit. Seine<br />

klinischen Nachfolger waren die Dozenten<br />

Dr. D. Ansorge <strong>und</strong> Dr. H. Tröger.<br />

An den Chirurgischen Kliniken der Bezirkskrankenhäuser<br />

<strong>und</strong> der größeren Kreiskrankenhäuser<br />

vollzog sich eine vergleichbare<br />

Entwicklung der unfallchirurgischen Spezialisierung.<br />

Unfallchirurgische Oberärzte<br />

erhielten mehr Selbstständigkeit. Die personelle<br />

Hoheit <strong>und</strong> ein eigenes Budget wurden<br />

ihnen allerdings nicht zugestanden.<br />

Trotzdem bedeutete dieser Status für die<br />

Oberärzte – zumeist gestandene, allseitig<br />

ausgebildete Chirurgen <strong>und</strong> häufig die Vertreter<br />

des Chefarztes – eine sichere Perspektive<br />

in der Einrichtung <strong>und</strong> vor allem einen<br />

großen medizinischen Fortschritt im territorialen<br />

Betreuungsbereich.<br />

Relativ früh reagierten das Ministerium für<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong> die ihm nachgeordnete<br />

Akademie für Ärztliche Fortbildung. Ab<br />

1974 galt die Anweisung zur Subspezialisierung.<br />

Fachärzte für Innere Medizin (Diabetologie<br />

– Gastroenterologie – Kardiologie/<br />

Angiologie - Nephrologie – Rheumatologie),<br />

Pharmakologie (Klinische Pharmakologie)<br />

<strong>und</strong> Chirurgie (Herz- <strong>und</strong> Gefäßchirurgie,<br />

Traumatologie) konnten eine Subspezialisierung<br />

aufnehmen (s. Kapitel 7: „Fort- <strong>und</strong><br />

Weiterbildung“). Mit dieser Subspezialisierung<br />

sollte einer überzogenen Verselbstständigung<br />

<strong>und</strong> Abspaltung spezialisierter<br />

Bereiche aus dem jeweiligen „Mutterfach“<br />

begegnet werden. Denn die Vertreter dieser<br />

Fachgebiete strebten oft eine eigene Fachrichtung<br />

an, nicht zuletzt in der durchaus<br />

berechtigten Hoffnung, in personeller <strong>und</strong><br />

technischer Hinsicht besser ausgestattet<br />

zu werden. Allgemein jedoch wurde damals<br />

diese Regelung der Subspezialisierung<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 29


als Fortschritt begrüßt, da mit dem zuvor<br />

erworbenen Facharzt die solide fachliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage bei weiterer Spezialisierung gewahrt<br />

blieb.<br />

Die Rahmen-Krankenhausordnung (RKO)<br />

vom 14.11.1979 trug der wachsenden Bedeutung<br />

der Unfallchirurgie schon Rechnung.<br />

Für Krankenhäuser mit erweiterter<br />

Aufgabenstellung, das heißt mit überkreislichen<br />

<strong>und</strong> über die Gr<strong>und</strong>betreuung<br />

hinausgehenden Aufgaben, wurde eine<br />

Fachabteilung für Unfallchirurgie gefordert.<br />

Für größere Häuser der spezialisierten <strong>und</strong><br />

hochspezialisierten Betreuung war eine Abteilung<br />

Traumatologie ebenfalls geforderter<br />

Standard innerhalb der Chirurgie. Der Grad<br />

an Selbstständigkeit der Unfallabteilungen<br />

wird in dieser Rahmenordnung allerdings<br />

nicht näher bezeichnet.<br />

An den Hochschulen <strong>und</strong> in den einflussreichen<br />

Gremien der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

der DDR überwog die kritische Haltung<br />

gegenüber einer absoluten Verselbstständigung<br />

der Unfallchirurgie. Die diesbezüglichen<br />

Bemühungen zahlreicher Traumatologen<br />

hatten deshalb keinen Erfolg. Bis zum<br />

Ende der DDR wurden an den Universitäten<br />

<strong>und</strong> Akademien keine selbstständigen Kliniken<br />

für Unfallchirurgie eingerichtet, <strong>und</strong><br />

an den Bezirkskrankenhäusern kamen nach<br />

1975 keine eigenständigen Unfallkliniken<br />

mehr hinzu. Begründet wurde diese Strategie<br />

unter anderem mit dem Argument, dass<br />

die optimale Behandlung des Polytraumas<br />

<strong>und</strong> anderer komplizierter Verletzungen eine<br />

breite Kompetenz der Traumatologen in der<br />

Gr<strong>und</strong>fachrichtung Chirurgie <strong>und</strong> die Vorteile<br />

einer strukturierten Klinik unter einem gemeinsamen<br />

Dach voraussetze. Im Allgemeinen<br />

herrschte Übereinstimmung darin, dass<br />

die Behandlung eines Mehrfachverletzten<br />

zwar eine interdisziplinäre Aufgabe darstelle,<br />

aber die Koordinierung der einzelnen Behandlungsmaßnahmen<br />

<strong>und</strong> damit die letzte<br />

Verantwortung beim Unfallchirurgen liege.<br />

Die Verantwortung für die vitalen Funktionen<br />

obliege dabei dem Anästhesisten. Um<br />

dieser Aufgabe gerecht werden zu können,<br />

brauche der Traumatologe die Integration in<br />

die Breite des chirurgischen Faches.<br />

Es ist erstaunlich, dass die offensichtliche<br />

Dynamik in der Traumatologie des Stütz<strong>und</strong><br />

Bewegungsapparates <strong>und</strong> die sich<br />

schon in den 70er Jahren abzeichnende<br />

unaufhaltsame weitere Spezialisierung vielerorts<br />

nicht erkannt oder nicht gebührend<br />

beachtet wurde. Die Ergebnisse der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

zur Knochenbruchheilung,<br />

die systematischen klinischen Ergebniskontrollen,<br />

nicht zuletzt die metallurgischen<br />

Studien hatten neue Perspektiven eröffnet.<br />

Neue Osteosyntheseverfahren <strong>und</strong> Instrumentarien,<br />

eine Vielzahl spezieller <strong>und</strong> gewebsverträglicher<br />

Implantate waren das<br />

Ergebnis. Es war jetzt eine „individualisierte<br />

Osteosynthese“ möglich, die neben der<br />

Frakturlokalisation <strong>und</strong> Frakturform auch<br />

Alter, Zustand <strong>und</strong> zum Teil sogar Wünsche<br />

des Patienten berücksichtigen konnte. Die<br />

operative Rekonstruktion <strong>und</strong> Stabilisierung<br />

von Hüftpfannenbrüchen, Beckenbrüchen,<br />

Frakturen <strong>und</strong> Luxationen der Wirbelsäule<br />

war auf dem Wege zur Routine. Krankenhausaufenthalt<br />

<strong>und</strong> Behandlungszeit<br />

wurden verkürzt, Behandlungskomfort<br />

<strong>und</strong> Endresultate verbessert. Die Wiedererlangung<br />

der Arbeitsfähigkeit im erlernten<br />

Beruf <strong>und</strong> selbst die Wiederherstellung<br />

der Sportfähigkeit als Behandlungsziel war<br />

keine illusionäre Vorstellung mehr. Neue<br />

Arbeitsrichtungen <strong>und</strong> Spezialisierungen<br />

(Endoskopische Eingriffe, mikrochirurgische<br />

Eingriffe unter Verwendung des Operationsmikroskops)<br />

waren zwar noch auf<br />

Zentren begrenzt, eine schnelle Ausweitung<br />

zur Routine zeichnete sich aber bereits ab.<br />

Nicht zuletzt sind die Erfolge einer wichtigen<br />

Säule der AO zu nennen: die systematischen<br />

Schulungen von Ärzten <strong>und</strong> Schwestern.<br />

Die angesichts dieser Entwicklung folgerichtige<br />

Aufbruchstimmung unter den Unfallchirurgen<br />

fand vonseiten der Vertreter der<br />

„großen Chirurgie“, wie retrospektiv kritisch<br />

festzustellen ist, zu wenig Beachtung, <strong>und</strong><br />

das sowohl an den Hochschulen als auch<br />

den kommunalen Häusern. Die Struktur<br />

der chirurgischen Kliniken <strong>und</strong> Status der<br />

Unfallchirurgie änderten sich in der Regel<br />

selbst in den 80er Jahren noch nicht.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass<br />

das traumatologische Leistungsprofil in der<br />

DDR im Großen <strong>und</strong> Ganzen dem internationalen<br />

Stand entsprach. Persönlicher Einsatz<br />

<strong>und</strong> Initiative vieler Unfallchirurgen,<br />

wissenschaftliches Engagement im staatlichen<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen, die wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong> mit ihren Arbeitsgruppen,<br />

die Kontakte zu ausländischen Kollegen<br />

in Ost <strong>und</strong> West, hatten zum erreichten<br />

Niveau beigetragen. Allerdings war dieser<br />

Stand vorwiegend auf größere Kliniken beschränkt.<br />

Mancherorts erreichten die Ergebnisse<br />

noch nicht das internationale Niveau.<br />

So war als Folge der baulichen Einschränkungen<br />

die Infektionsrate relativ hoch.<br />

Die anstehenden Strukturänderungen blieben<br />

der Zeit nach 1990 vorbehalten.<br />

Literatur<br />

1. <strong>Deutsche</strong>s Ges<strong>und</strong>heitswesen 1947; 14<br />

2. Horn H, Abe R. Die Medizinisch-wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong> an der Medizinischen Akademie Erfurt<br />

– Geschichte, Traditionen, Perspektiven. Beiträge zur<br />

Geschichte der Universität Erfurt (1975–1978); 18<br />

3. Matthes T, Rohland L, Spaar H. Die medizinischwissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR.<br />

Geschichte – Funktion – Aufgaben. Teil I <strong>und</strong> II.<br />

2. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1981<br />

4. Rühland D, Eigler FW. Die regionalen Chirurgenvereinigungen<br />

in Deutschland. Oberhausen: Verlag<br />

Karl Maria Laufen; 1999<br />

5. Schoenemann J. Das Ges<strong>und</strong>heitswesen in der<br />

DDR. <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie 2005; 1: 53–61<br />

6. Zaage J. Bericht über den 2. Mitteldeutschen Chirurgenkongress<br />

vom 23.9. bis 25.9.2004 in Leipzig.<br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie 2005; 1: 74<br />

7. 25 Jahre DDR – 25 Jahre Entwicklung der medizinisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en in der<br />

DDR. 1. Aufl. Berlin: Koordinierungsrat d. Med. –<br />

Wiss. <strong>Gesellschaft</strong>en d. DDR; 1974<br />

Prof. Dr. K. Sandner<br />

Rohrbacher Str. 18<br />

08258 Markneukirchen/Sachsen<br />

OT Landwüst<br />

Prof. Dr. W. Senst<br />

Wildenbruch Str. 5a<br />

15230 Frankfurt/O<br />

Prof. Dr. E. Markgraf<br />

Gillestr. 5<br />

07743 Jena<br />

30<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

K. Welz<br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Ziele<br />

Mitte der 50er <strong>und</strong> während der 60er Jahre<br />

des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts erlebte eine<br />

Reihe bis dahin von den Auswirkungen des<br />

2. Weltkrieges geprägten Staaten im zentralen<br />

Europa nicht nur ein nachhaltiges Erstarken<br />

ihrer Wirtschaft, darüber hinaus trugen<br />

auch medizintechnischer Aufschwung <strong>und</strong><br />

ein interdisziplinäres Zusammenwirken<br />

zahlreicher Wissenschaftszweige spürbare<br />

Früchte. Sie spiegelten sich in recht bedeutsamen<br />

Fortschritten der medizinischen Praxis<br />

wieder. Sie wurden – wie auch in anderen<br />

medizinischen Fachgebieten – gerade in der<br />

Chirurgie von einer rasanten Entwicklung<br />

zahlreicher Spezialdisziplinen, wie Thorax-,<br />

Herz- <strong>und</strong> Gefäß-, Transplantations- <strong>und</strong><br />

schließlich gerade auch der Unfallchirurgie<br />

begleitet. Gerade letztere konnte sich an<br />

beachtenswerten Forschritten in Diagnostik,<br />

Therapie <strong>und</strong> Rehabilitation orientieren,<br />

wenngleich Niveauunterschiede in der materiellen<br />

Basis zwischen westlich ausgerichteten<br />

<strong>und</strong> Ostblockstaaten unübersehbar<br />

waren.<br />

Allein in der Unfallchirurgie bedeuteten<br />

die für die Knochenbruchbehandlung revolutionierenden<br />

Behandlungskonzepte der<br />

Schweizer AO – durch neue Erkenntnisse<br />

in der Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> eine bisher<br />

beispiellose technische Basis – eine<br />

beachtliche Erweiterung des Behandlungsspektrums<br />

<strong>und</strong> eine glänzende fachliche<br />

Perspektive. Sie hatte in Deutschland zu<br />

Beginn der 40er Jahre des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

durch Gerhard Küntschers bahnbrechendes<br />

Konzept der Markraumnagelung<br />

einen nicht zu unterschätzenden Vorlauf<br />

erfahren.<br />

In entsprechenden Fachgremien Ostdeutschlands<br />

wuchs mit Ende der 60er Jahre<br />

die Erkenntnis, dass der objektive Prozess<br />

medizinisch-wissenschaftlicher <strong>und</strong> technischer<br />

Fortschritte sowie die offensichtlichen<br />

Trends einer Spezialisierung mit Arbeitsteilung<br />

auf zahlreichen medizinischen<br />

Fachgebieten nicht nur Vorteile für die<br />

medizinische Patientenbetreuung, sondern<br />

zwangsläufig Auswirkungen auf eine postgraduale<br />

Weiterbildung der Fachärzte nach<br />

sich ziehen musste, um die Vorteile für die<br />

medizinische Patientenbetreuung in dem<br />

nun gebotenen Umfang zu sichern.<br />

Wie zunächst in der postgradualen Weiterbildung<br />

von Internisten, Frauen- <strong>und</strong><br />

Kinderärzten waren den verantwortlichen<br />

zentralen Gremien des Ministeriums für<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR <strong>und</strong> der dazu<br />

beauftragten Akademie für ärztliche Fortbildung,<br />

die bereits im Dezember 1954<br />

statutengemäß den Hochschulen gleichgestellt<br />

worden war, die Spezialisierung<br />

von interessierten Fachärzten für Chirurgie<br />

zu hochqualifizierten Unfallchirurgen ein<br />

notwendiges gesellschaftliches Anliegen.<br />

Es wurde von der Überzeugung bestimmt,<br />

dass eine schwerpunktmäßige <strong>und</strong> spezialisierte<br />

fachärztliche Betätigung in der Unfallchirurgie<br />

eine unabdingbare Voraussetzung<br />

für eine Optimierung der Behandlung<br />

Verletzter darstellte. Die wissenschaftlich<br />

technische Entwicklung hatte bereits Ende<br />

der 60er Jahre <strong>und</strong> Anfang der 70er Jahre<br />

eine zunehmende Arbeitsteilung in der<br />

Fachrichtung Chirurgie erkennen lassen. Daraus<br />

resultierte u. a. auch eine Profilierung<br />

von unfallchirurgischen Abteilungen an<br />

chirurgischen Universitätskliniken <strong>und</strong> an<br />

den damaligen Bezirkskrankenhäusern der<br />

16 Bezirke der ehemaligen DDR. Mit Beginn<br />

der 70er Jahre existierten darüber hinaus<br />

eine Reihe organisatorisch eigenständiger<br />

unfallchirurgischer Kliniken am Städtischen<br />

Klinikum Berlin-Friedrichshain, Berlin-Köpenick<br />

sowie den Bezirkskrankenhäusern<br />

Cottbus, Dessau <strong>und</strong> Karl-Marx-Stadt.<br />

Um generell territorial flächendeckend die<br />

Qualität der unfallmedizinischen Betreuung<br />

– wie übrigens auch in den schon aufgezeigten<br />

übrigen Gr<strong>und</strong>fachrichtungen<br />

– steigern zu können wurde mit zunächst<br />

15 Subspezialisierungsrichtungen der rechtliche<br />

Rahmen postgradualer Weiterbildung<br />

durch die Anordnung Nr. 2 vom 23.05.1974<br />

(Gesetzblatt 1/1974/12) über die Weiterbildung<br />

der Ärzte <strong>und</strong> Zahnärzte zur Subspezialisierung<br />

abgesteckt.<br />

Die damaligen Zielstellungen geregelter<br />

Subspezialisierungen seien in folgenden<br />

Leitsätzen zusammengefasst:<br />

– Wie auch in weiteren Fachbereichen galt<br />

es, das „Mutterfach“ Chirurgie in seiner<br />

Einheit zu erhalten <strong>und</strong> einer drohenden<br />

Zersplitterung in eine Vielzahl expandierender<br />

chirurgischer Fachdisziplinen<br />

durch eine geregelte postgraduale Weiterbildung<br />

(Voraussetzung FA f. Chirurgie)<br />

Einhalt zu gebieten <strong>und</strong> sie übersehbar zu<br />

regulieren.<br />

– Einer generellen Selbstständigkeit der<br />

Subspezialisierungsgebiete wurde bewusst<br />

mit der sogenannten Bezeichnung<br />

„Subspezialisierung“ begegnet, um dadurch<br />

die Zugehörigkeit zur Gr<strong>und</strong>fachrichtung<br />

Chirurgie zu unterstreichen.<br />

– Eine Subspezialisierung „Traumatologie“<br />

(gesetzlich festgelegte Bezeichnung für<br />

die spezialisierte Unfallchirurgie in der<br />

damaligen DDR) wurde als Gr<strong>und</strong>lage der<br />

Optimierung einer Versorgung Verletzter<br />

erachtet <strong>und</strong> damit zugleich eine Voraussetzung<br />

für die Sicherung eines Netzes<br />

flächendeckender personeller Kapazitäten<br />

zur qualifizierten unfallmedizinischen Betreuung<br />

Verletzter geschaffen.<br />

– In der Subspezialisierung von Fachärzten<br />

für Chirurgie zu Subspezialisten der Traumatologie<br />

wurde eine wesentliche Bedingung<br />

für die Weiterentwicklung des<br />

Subspezialisierungsgebietes gesehen. Darüber<br />

hinaus sei nicht verschwiegen, dass<br />

sich subspezialisierte Chirurgen der Traumatologie<br />

durch die Subspezialisierung<br />

eine vorteilhafte Entwicklung der bis dahin<br />

stagnierenden materiell-technischen<br />

Basisausstattungen versprachen.<br />

Gesetzliche Bestimmungen<br />

Mit den erklärten Zielen<br />

– spezialisierte medizinische Betreuung der<br />

Bevölkerung durch entsprechend qualifizierte<br />

Fachärzte zu sichern <strong>und</strong>,<br />

– die Fachärzte, die ständig beabsichtigen<br />

auf einen der festgelegten Spezialisierungsgebiete<br />

tätig zu sein, zur qualifizierten<br />

spezialisierten Betätigung zu befähigen<br />

hat das Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

der DDR mit der Anweisung Nr. 1 über die<br />

Weiterbildung der Ärzte – Subspezialisierung<br />

der Fachärzte – vom 20.06.1974 (GBL<br />

1/1974/12) die weitere berufliche Qualifizierung<br />

von Fachärzten auf gesetzlicher<br />

Gr<strong>und</strong>lage geregelt. Mit dieser Anordnung<br />

wurden zunächst 9 Subspezialisierungsrichtungen<br />

traditioneller Facharztdisziplinen<br />

festgelegt, zu denen auch die Unfallchirurgie<br />

(damalige Bezeichnung Traumatologie)<br />

zählte [1] ( Abb. 1).<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 31


Die wichtigsten Inhalte der Anordnung<br />

lassen sich in folgenden Positionen zusammenfassen:<br />

– Die Präambel der Anordnung enthielt den<br />

eindeutigen Hinweis, das Subspezialisierungsrichtungen<br />

Teilgebiete traditioneller<br />

Facharztdisziplinen <strong>und</strong> keine eigenen<br />

Facharztrichtungen darstellen.<br />

– Als Bedingung einer Subspezialisierung<br />

Traumatologie galt eine vorausgegangene<br />

abgeschlossene Facharztausbildung <strong>und</strong><br />

die bestätigte Anerkennung des erworbenen<br />

Facharztes für Chirurgie.<br />

– Die Zulassung zur Subspezialisierung Traumatologie<br />

– wie übrigens auch zu jeder<br />

anderen Subspezialisierung – unterlag der<br />

Entscheidung durch die Fachabteilungen<br />

Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesen der Räte<br />

der ehemaligen Bezirke der DDR. Maßgabe<br />

der Zulassungsentscheidung war der<br />

objektive Bedarf an Subspezialisten, der<br />

sich an der Territorial- <strong>und</strong> Krankenhausstruktur<br />

der 16 Bezirke <strong>und</strong> der jeweiligen<br />

Bevölkerungsdichte orientierte.<br />

– Die Dauer der Subspezialisierung wurde<br />

für alle festgelegten Richtungen mit mindestens<br />

2 Jahren anberaumt. Details des<br />

Ablaufes wurden in die Kompetenz der zu<br />

berufenden zentralen Fachgruppen für die<br />

Subspezialisierung Traumatologie verwiesen.<br />

Die gr<strong>und</strong>sätzliche Richtungskompetenz<br />

spiegelte sich schließlich in dem von<br />

der zentralen Fachgruppe Traumatologie<br />

erarbeiteten Bildungsprogramm wieder.<br />

Jedes Bildungsprogramm, so auch jenes für<br />

die Subspezialisierung Traumatologie, betonte<br />

eingangs den Anspruch des Bildungszieles,<br />

mit der Subspezialisierung Traumatologie<br />

die komplexe Versorgung aller Verletzungen<br />

<strong>und</strong> ihrer Folgen zu gewährleisten.<br />

Darüber hinaus wurden in der Folge die<br />

fachspezifischen theoretisch-praktischen<br />

<strong>und</strong> medizinischtechnischen Bildungsinhalte<br />

aufgezeigt:<br />

– Erweiterung <strong>und</strong> Vertiefung von Gr<strong>und</strong>lagenwissen,<br />

– Erwerb spezieller Kenntnisse, Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Fertigkeiten in der Unfallchirurgie,<br />

– spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten<br />

unter besonderer Berücksichtigung<br />

von Grenzgebieten aus anderen<br />

Fachrichtungen (Orthopädie, Physiotherapie,<br />

Epidemiologieprophylaxe <strong>und</strong> Sportschäden).<br />

In den verantwortlichen Gremien bestand<br />

uneingeschränkte Übereinstimmung, dass<br />

der Umfang der Bildungsinhalte eine 3-jährige<br />

Dauer der Subspezialisierung Unfallchirurgie<br />

rechtfertigte (24 Monate Unfallchirurgie,<br />

4 Monate Neurochirurgie, 3 Monate<br />

Orthopädie, 3 Monate Handchirurgie, 2 Monate<br />

Thoraxchirurgie).<br />

Abb. 1 Subspeziali sierungs richtungen in der Weiter bildung der Ärzte (Anordnung vom 20.06.1974).<br />

Aus: Verfügungen <strong>und</strong> <strong>Mitteilungen</strong> des Minist. f. Ges<strong>und</strong>heitswesen Berlin (1974) 12, S. 75<br />

Als besondere <strong>und</strong> zusätzliche Leistungsnachweise<br />

wurden gefordert:<br />

– Teilnahme an einem fachbezogenem<br />

Lehrgang sowie Teilnahme an weiteren<br />

Fortbildungs- <strong>und</strong> Arbeitstagungen des<br />

Subspezialisierungsgebietes,<br />

– bestätigte Gutachtertätigkeit (20 Gutachten),<br />

– Nachweise wissenschaftlicher Aktivitäten.<br />

Der Gesetzestext des Bildungsprogramms<br />

„Traumatologie“ ist als Anlage 1 beigefügt.<br />

Inhalte des Bildungsprogramms<br />

Wie auch in anderen zentraleuropäischen<br />

Ländern stellte die Unfallchirurgie in der<br />

damaligen DDR eine Querschnittsdisziplin<br />

dar. Dem entsprachen im Wesentlichen die<br />

Leistungsprofile Chirurgischer Kliniken mit<br />

Abteilungsbildungen <strong>und</strong> die Hochschul<strong>und</strong><br />

territorialen Schwerpunktkliniken.<br />

Mit der Subspezialisierung Traumatologie<br />

konnte daher die komplexe Versorgung der<br />

verschiedenen Verletzungskategorien <strong>und</strong><br />

ihrer Folgen gewährleistet werden.<br />

Neben einem breiten theoretischen Wissenserwerb<br />

war die Anerkennung praktischer<br />

Fertigkeiten in der akut- <strong>und</strong> wiederherstellenden<br />

Unfallchirurgie des Halte<strong>und</strong><br />

Bewegungsapparates, der Verletzungen<br />

des Schädels, Verletzungen von Rumpf- <strong>und</strong><br />

Gliedmaßen, bei thorakalen <strong>und</strong> abdominellen<br />

Verletzungszuständen, der Beckenregion,<br />

deren Organsystemen sowie des ZNS<br />

<strong>und</strong> der Wirbelsäule erklärtes Weiterbildungsziel.<br />

Zielstellung des Bildungsprogramms hinsichtlich<br />

umfassender theoretischer Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> operativer Fertigkeiten war dem<br />

angestrebten umfassenden Erwerb von<br />

32<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


1. Bildungsziel<br />

In Auswertung der Entwicklung der Chirurgie<br />

<strong>und</strong> ihrer Besonderheiten in der DDR stellt die<br />

Unfallchirurgie eine Querschnittsdisziplin dar,<br />

deren Basis die allgemeine Chirurgie ist. Mit der<br />

Subspezialisierung sollte daher die komplexe<br />

Versorgung aller Verletzungen <strong>und</strong> ihrer Folgen<br />

gewährleistet werden.<br />

Die Subspezialisierung hat das Ziel, entsprechend<br />

der Notwendigkeit von Qualitätsverbesserungen<br />

der medizinischen Betreuung qualifizierte<br />

Fachärzte für Chirurgie zur spezialisierten<br />

Behandlung Unfallgeschädigter zu befähigen.<br />

Der Subspezialist muss nach dem internationalen<br />

Stand die Ätiologie, Epidemiologie,<br />

Diagnostik, Therapie <strong>und</strong> Nachsorge von<br />

Verletzungen Übersehen. Von ihm ist zu fordern,<br />

dass er ambulant <strong>und</strong> stationär jede frische<br />

Verletzung, gleich welcher Lokalisation, in ihrem<br />

Ausmaß erkennen <strong>und</strong> dringlich versorgen, dass<br />

er Verletzungsfolgen korrigieren <strong>und</strong> gestörte<br />

Funktionen im Rahmen des Möglichen wiederherstellen<br />

kann. Dazu muss er die modernen<br />

Untersuchungsmethoden, differentialdiagnostische<br />

Möglichkeiten, spezialisierte konservative<br />

<strong>und</strong> operative Behandlungsverfahren selbständig<br />

anwenden können. Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten in<br />

der Organisation der Behandlungsmaßnahmen<br />

beim Massenanfall Geschädigter müssen<br />

ebenso beherrscht werden wie die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> Methoden der Rehabilitation Verletzter <strong>und</strong><br />

die Begutachtung von Verletzungen <strong>und</strong> ihren<br />

Folgen.<br />

Für dieses Weiterbildungsziel ist eine umfassende<br />

Aneignung von Wissen <strong>und</strong> Können erforderlich,<br />

das sich auf den fachbezogenen Erwerb<br />

von theoretischen Kenntnissen <strong>und</strong> praktischen<br />

Fertigkelten in der Chirurgie des Skelett- <strong>und</strong><br />

Bewegungsapparates, der abdominellen <strong>und</strong><br />

thorakalen Unfallchirurgie <strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der Neurotraumatologie, der plastischen <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie, der Urologie, der<br />

Orthopädie sowie auf die Physiotherapie erstrecken<br />

muss.<br />

Der Unfallchirurg soll in allen Situationen<br />

beruflicher Forderung Entschlusskraft <strong>und</strong><br />

Einsatzfreude zum notwendigen Handeln beweisen,<br />

die erworbenen gesellschaftswissenschaftlichen<br />

Kenntnisse zur Lösung der ihm gestellten<br />

Aufgaben praktisch anwenden <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitserzieherisch<br />

einwirken können <strong>und</strong> erkennbar<br />

bemüht sein, den wissenschaftlichen Fortschritt<br />

des Subspezialisierungsgebietes zu fördern.<br />

2. Fachspezifische theoretische, praktische<br />

<strong>und</strong> medizintechnische Bildungsinhalte<br />

Theoretische Kenntnisse <strong>und</strong> praktische Fertigkeiten<br />

des Bildungsprogramms zum Fach arzt<br />

für Chirurgie sind Voraussetzung der Weiterbildung<br />

auf dem Subspezialisierungsgebiet<br />

Unfallchirurgie.<br />

2.1 Erweiterung <strong>und</strong> Vertiefung des Gr<strong>und</strong>lagenwissens<br />

nach den Anforderungen des Subspezialisierungsgebietes<br />

– Vertiefte Kenntnisse in der topographischen<br />

Anatomie<br />

– Pathophysiologie von Traumafolgen.<br />

2.2 Spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten <strong>und</strong><br />

Fertigkeiten des Subspezialisierungsgebietes<br />

2.2.1 Nachfolgender fachspezifischer theoretischer<br />

Bildungsinhalt muss beherrscht werden:<br />

– konservative <strong>und</strong> operative Frakturen behandlung<br />

– biomechanische Reaktionen des Knochens in<br />

Abhängigkeit von Frakturform, Behandlung<br />

<strong>und</strong> Heilung<br />

– histomorphologische, biomechanische <strong>und</strong><br />

metallurgische Gr<strong>und</strong>lagen für die Metallimplantation<br />

– Diagnostik <strong>und</strong> Behandlung von Schädelhirntraumen<br />

<strong>und</strong> ihren Komplikationen<br />

– Unfallchirurgie des Thorax <strong>und</strong> Abdomens<br />

– Unfallchirurgie des Beckens <strong>und</strong> Uroge ni talsystems<br />

– Unfallchirurgie das Bewegungsapparates<br />

– dringliche Unfallchirurgie an der Hand<br />

– Gr<strong>und</strong>lagen der fachbezogenen plastischen<br />

<strong>und</strong> rekonstruktiven Chirurgie<br />

– Besonderheiten der Verletzungen im Kindes<strong>und</strong><br />

Greisenalter<br />

– thermische, aktinische <strong>und</strong> chemische Schädi<br />

gungen<br />

– Polytrauma <strong>und</strong> kombinierte Schädigungen<br />

– Prinzipien der Feldchirurgie (spezialisierte<br />

chirur gische Hilfe)<br />

– Organisation <strong>und</strong> Verhalten bei Massenunfällen<br />

<strong>und</strong> im Katastropheneinsatz<br />

– Prinzipien der Rehabilitation Unfall ge schädigter<br />

– Begutachtung von Unfallfolgen<br />

– Dokumentation in der Unfallchirurgie<br />

– Geschichte <strong>und</strong> gesellschaftliche Stellung der<br />

Unfallchirurgie.<br />

Nachfolgende fachspezifische Behandlungs verfahren<br />

müssen praktisch beherrscht werden:<br />

– kortikale <strong>und</strong> intramedulläre Osteosynthese -<br />

ver fahren<br />

– operative Methoden bei Frakturen im Wach s-<br />

tumsalter<br />

– operative Behandlung bei gestörter Knochenbruchheilung<br />

– Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Anwendung physiotherapeutischer<br />

Verfahren zur Rehabilitation nach<br />

Verletzungen einschließlich Arbeitstherapie<br />

<strong>und</strong> Versehrtensport<br />

– Epidemiologie, Prophylaxe <strong>und</strong> Behandlung<br />

von traumatisch bedingten Arbeitsschäden<br />

– Diagnostik <strong>und</strong> Therapie von traumatischen<br />

Sportschäden sowie deren Reha bi litationsmethoden<br />

– Indikation <strong>und</strong> Technik fachbezogener örtlicher<br />

Betäubungsverfahren.<br />

3. Hinweise zum Ablauf der Subspezialisierung<br />

Die Dauer der Subspezialisierung beträgt<br />

3 Jahre.<br />

Für die Subspezialisierung durch einen Facharzt<br />

für Chirurgie werden folgende Weiter bil dungszeiten<br />

empfohlen:<br />

Unfallchirurgie 24 Monate<br />

Neurotraumatologie 4 Monate<br />

Orthopädie<br />

3 Monate<br />

Handchirurgie 3 Monate<br />

Thoraxchirurgie 2 Monate<br />

Die Delegierungen sind nach Möglichkeit ohne<br />

zeitliche Unterbrechung an dafür zugelassenen<br />

Einrichtungen abzuleisten. Der zur Weiterbildung<br />

delegierte Facharzt ist voll in den Arbeitsablauf<br />

der Klinik, an der die Hospitation stattfindet, zu<br />

integrieren.<br />

4. Lehrveranstaltungen <strong>und</strong> Leistungsnachweise<br />

4.1 Lehrveranstaltungen<br />

Zur Vermittlung erforderlicher theoretischer<br />

Kenntnisse <strong>und</strong> praktischer Fertigkeiten sind folgende<br />

Lehrgänge zu besuchen:<br />

obligatorisch: Teilnahme an fachbezogenen<br />

Fortbildungs lehrgängen <strong>und</strong> Arbeitstagungen<br />

empfohlen: Teilnahme an Fortbildungs lehrgängen<br />

<strong>und</strong> Arbeitstagungen von Grenzdisziplinen<br />

mit fachbezogener Thematik (entsprechend<br />

dem Inhalt des Bildungsprogramms )<br />

4.2 Leistungsnachweise<br />

– Begutachtung von Unfallfolgen<br />

– Nachweis wissenschaftlicher Publikationstätigkeit.<br />

Anlage 1 Bildungsprogramm: Subspezialisierung für Traumatologie (Erarbeitet durch die Mitglieder der zentralen Fachgruppe Traumatologie [siehe Seite 35]<br />

<strong>und</strong> bestätigt durch die Akademie für ärztl. Fortbildung der DDR.)<br />

Fähigkeiten geschuldet, Verletzungen aller<br />

Körperregionen, Polytraumen, thermische<br />

Schädigungen u. a. erfolgreich behandeln<br />

sowie organisatorische Probleme bei Massenanfall<br />

Verletzter sowie im Katastropheneinsatz<br />

in eigener Regie bewältigen zu<br />

können.<br />

Mit dem Abschluss der Subspezialisierung<br />

Traumatologie war daher:<br />

– der Erwerb umfassenden Wissens, der<br />

Epidemiologie, Ätiologie, Diagnostik,<br />

Therapie <strong>und</strong> Nachsorge Verletzter aller<br />

Schweregrade nach jeweiligem Stand der<br />

Erkenntnisse in einer Prüfung beizubringen,<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 33


Anlage 2 Durch die Akademie für Ärztl. Fortbildung den zentralen<br />

Fachgruppen zur Vefügung gestellt.<br />

Anlage 3 Die Anerkennungsbestätigung wurde ausschließlich durch die<br />

Räte der Bezirke den Subspezialisten übermittelt.<br />

– ein Nachweis entsprechender operativer<br />

Fertigkeiten der Behandlung Akutverletzter<br />

oder deren Folgezustände zu führen,<br />

– die Bestätigung über eine 3-jährige Weiterbildungszeit<br />

im Subspezialisierungsgebiet<br />

mit einem Prüfungsabschluss nachzuweisen.<br />

( Anlagen 2 <strong>und</strong> 3)<br />

Das Bildungsprogramm enthielt zugleich<br />

eine „Übergangsregelung“ für Fachärzte die<br />

bereits vor Erlass der Anordnung über die<br />

Subspezialisierung Traumatologie entsprechende<br />

Weiterbildungsmaßnahmen absolviert<br />

hatten oder Kenntnisse nachweisen<br />

konnten, bzw. mehrere Jahre traumatologisch<br />

tätig waren. Wer eine 5-jährige Tätigkeit<br />

in traumatologischen Schwerpunkteinrichtungen<br />

nachweisen konnte <strong>und</strong> die im<br />

Bildungsprogramm geforderten Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> Fertigkeiten beherrschte, konnte einen<br />

Antrag auf Anerkennung als Subspezialist<br />

stellen.<br />

Institutionen der Weiterbildung/<br />

Subspezialisierung<br />

Akademie für ärztliche Fortbildung<br />

Die Subspezialisierung „Traumatologie“<br />

unterlag von Beginn an wie alle weiteren<br />

bestätigten Subspezialisierungsrichtungen<br />

in Leitung, Planung, Organisation <strong>und</strong> Realisierung<br />

einer gesetzlich geregelten Unterstellung.<br />

Dafür hatte der Minister für<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen die Akademie für ärztliche<br />

Fortbildung der DDR mit Wirkung vom<br />

1.07.1961 einem eigenständigen Status zugeführt<br />

<strong>und</strong> sie autorisiert für die geregelte<br />

Weiter- <strong>und</strong> Fortbildung aller Hochschulabsolventen<br />

des Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens<br />

verantwortlich zu zeichnen. Trotz<br />

teilweise dirigistischer Züge erwies sich die<br />

Institution <strong>und</strong> das Direktorat der Akademie<br />

für ärztliche Fortbildung angesichts der Tatsache,<br />

dass es abgesehen vonseiten der Bezirke<br />

keine den Länderhoheiten der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland vergleichbaren dezentralisierten<br />

Verwaltungsinstitutionen gab,<br />

für die Durchsetzung der Subspezialisierung<br />

als sehr effektiv. Der Senat der Akademie<br />

hatte sich unter Leitung des damaligen<br />

Rektors Prof. Dr. H. Redetzky mit zunächst<br />

19 Lehrstühlen konstituiert. Als Aufgaben<br />

wurden ihr die Mitarbeit bei der Organisation<br />

der fachärztlichen Ausbildung, der<br />

Durchführung zentraler Fortbildungslehrgänge<br />

<strong>und</strong> eine Anleitung <strong>und</strong> Förderung<br />

peripherer regionaler Fortbildungsaktivitäten<br />

aufgetragen. Außerdem wurde ihr die<br />

Wahrnehmung eines Habilitationsrechtes<br />

zugesprochen. Ungeachtet nachfolgender<br />

Erweiterung von Aufgabenstellungen <strong>und</strong><br />

struktureller Veränderungen in den Folgejahren<br />

blieb sie für die Durchführung der<br />

Subspezialisierung bis 1990 in vollem Umfang<br />

verantwortlich.<br />

In zahlreichen Gesprächen <strong>und</strong> Auswertungen<br />

von Diskussionen war im Vorfeld<br />

der 1974 erlassenen Anordnungen unter<br />

akademiebeauftragten Vertretern entsprechender<br />

medizinischwissenschaftlicher<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en <strong>und</strong> zentraler Gremien<br />

Übereinstimmung erzielt worden, dass eine<br />

Spezialisierung in medizinischer Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Praxis eine objektiv notwendige<br />

Entwicklung darstellte die es gebot, den<br />

Rahmen rechtlicher Regelung auf die Spe-<br />

34<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


zialisierung von Fachärzten auszudehnen,<br />

um dadurch eine höhere Qualität der medizinischen<br />

Betreuung auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />

postgraduellen Spezialisierung realisieren<br />

zu können.<br />

Eine besondere Aufgabe fiel der Akademie<br />

für ärztliche Fortbildung mit der Berufung<br />

von Mitgliedern zentraler Fachgruppen <strong>und</strong><br />

deren Bildung für die jeweiligen Subspezialisierungsgebiete<br />

zu, um nach Erlass der<br />

Anordnung über die Subspezialisierung<br />

vom 23.05.1974 das gesetzlich verankerte<br />

Inkrafttreten mit dem 1.09.1974 wirksam<br />

zu unterstützen.<br />

Die zentrale Fachgruppe Traumatologie<br />

Die für die Subspezialität Traumatologie<br />

berufene Fachgruppe hatte mit Beginn des<br />

Jahres 1974 ihre Arbeit aufgenommen. Zu<br />

Mitgliedern wurden 6 Kollegen bestellt:<br />

Frau Prof. Dr. H. Arzinger-Jonasch, Leipzig;<br />

Prof. Dr. K. Franke, Berlin; MR Dr. K. Lowie,<br />

Berlin; Prof. Dr. E. Sander, Halle; Prof. Dr. W.<br />

Senst, Frankfurt; OMR Dr. K. Welz, Cottbus<br />

<strong>und</strong> als zeitweiliges Mitglied für Angelegenheiten<br />

der Subspezialisierung beim<br />

medizinischen Dienst der NVA Prof. Dr. Stöcker,<br />

Bad Saarow. Auf ihrer ersten Beratung<br />

wurde zum Vorsitzenden der Zentralen<br />

Fachgruppe auf Vorschlag der Fachgruppenmitglieder<br />

OMR Dr. K. Welz vom Rektor der<br />

Akademie für ärztliche Fortbildung ernannt.<br />

Er nahm diese Funktion über 16 Jahre bis<br />

zum 31.03.1990 wahr.<br />

In zeitweilig wechselnder Zusammensetzung<br />

trat die Kommission zu Beginn ihrer<br />

Tätigkeit in kurzzeitigen Abständen – in den<br />

Folgejahren in 1/4-jährlichem Turnus zusammen.<br />

Zu ihren Aufgaben zählten<br />

– die Erarbeitung eines Bildungsprogramms,<br />

– die Festlegung von Weiterbildungseinrichtungen,<br />

– die Überwachung der Subspezialisierungsabläufe,<br />

– die Organisation zentraler Weiterbildungsveranstaltungen,<br />

– die Überprüfung erfolgreicher Subspezialisierungsabschlüsse<br />

<strong>und</strong><br />

– eine generelle fachliche Anleitung.<br />

Die Fachgruppentätigkeit war von dem<br />

Bestreben geprägt die Subspezialisierung<br />

in der Unfallchirurgie zu begleiten <strong>und</strong> zu<br />

einem vollen Erfolg zu verhelfen. Ihre Tätigkeit<br />

fand über die Grenzen der damaligen<br />

DDR gebührende Anerkennung wie in einer<br />

Publikation „Der Erfolg der AO im kommunistischen<br />

Ostdeutschland“ (Surgery, Sciencpand<br />

Industry, a Revolution in Fracture<br />

Care 1950–1990) zu lesen ist. [5]<br />

Einrichtungen zur Subspezialisierung<br />

Nach eingehenden Beratungen wurden zur<br />

Wahrnehmung der Weiterbildung Subspezialisierung<br />

von der zentralen Fachgruppe<br />

alle unfallchirurgischen Abteilungen an<br />

chirurgischen Hochschulkliniken <strong>und</strong> den<br />

Kliniken für Chirurgie der Bezirkskrankenhäuser<br />

für die Zulassung zur Weiterbildung<br />

vorgeschlagen. Nach Überprüfung des<br />

Leistungsprofils wurde in den folgenden<br />

Jahren darüber hinaus die Zahl der Weiterbildungskliniken<br />

durch geeignete Unfallabteilungen<br />

größerer Kreiskrankenhäuser <strong>und</strong><br />

Städtischer Einrichtungen erweitert <strong>und</strong> in<br />

das Netz zugelassener Weiterbildungseinrichtungen<br />

integriert. Damit besaß die DDR<br />

eine ausreichende Zahl leistungsfähiger<br />

Kliniken <strong>und</strong> Abteilungen mit einem den<br />

Leistungsanforderungen adäquaten Profil<br />

für eine geregelte Weiterbildung in der Unfallchirurgie.<br />

Die zur Weiterbildung Subspezialisierung<br />

Traumatologie von der AfÄFB bestätigten<br />

Einrichtungen wurden zugleich in den Status<br />

von Fortbildungszentren der Akademie<br />

für ärztliche Fortbildung erhoben. Sie bildeten<br />

praktisch die klinische Basis für die<br />

Akademie für ärztliche Fortbildung, die neben<br />

der Gewährleistung der Weiterbildung<br />

zur Subspezialisierung Fortbildungsaufgaben,<br />

wie Gruppenhospitationen sowie<br />

Einzelhospitationen für Fachärzte aus der<br />

medizinischen Gr<strong>und</strong>betreuung auf freiwilliger<br />

Basis wahrnahmen <strong>und</strong> sich großer<br />

Akzeptanz erfreuten. Die bestätigten<br />

Weiterbildungseinrichtungen der Subspezialisierung<br />

Traumatologie standen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

für Delegierungen von angehenden<br />

Subspezialisten aus weniger spezialisierten<br />

Einrichtungen zur Verfügung. Für die Delegierung<br />

zur organisierten subspezialisierten<br />

Weiterbildung entschieden im Übrigen<br />

territorialer Bedarf an Subspezialisierungsmaßnahmen<br />

<strong>und</strong> die fachliche Eignung<br />

der betreffenden Kollegen. Die finanziellen<br />

Bedingungen waren in der Regel bei Delegierungen<br />

finanziell akzeptabel gestaltet<br />

(überwiegend Weiterzahlung des Gehaltes<br />

durch die delegierende Einrichtung).<br />

Ergebnisse der Subspezialisierung<br />

zwischen 1974 – 1990<br />

Der Erlass der Ministeranordnung über die<br />

Weiterbildung/Subspezialisierung vom<br />

23.05.1974 <strong>und</strong> dazugehöriger Anweisungen<br />

fand unter Fachärzten für Chirurgie<br />

sowie auch in den weiteren angesprochenen<br />

Disziplinen eine verbreitete Resonanz,<br />

obwohl mit einem Abschluss der<br />

Weiterbildung/Subspezialisierung keine<br />

höhere Vergütung verb<strong>und</strong>en war. Rasch<br />

zeichnete sich dennoch die Tendenz ab, dass<br />

die Subspezialisierung Traumatologie von<br />

Fachärzten für Chirurgie als willkommene<br />

Gelegenheit persönlicher Weiterbildung<br />

<strong>und</strong> schließlich auch beruflicher Perspektive<br />

betrachtet wurde.<br />

Die zentrale Fachgruppe für Traumatologie<br />

nahm mit Inkrafttreten der Anordnung eine<br />

geregelte Tätigkeit ab 1.09.1974 turnusmäßig<br />

pro Quartal wahr. Sie sah sich in der Anfangsperiode<br />

ihrer Tätigkeit in erster Linie<br />

mit Antragstellungen konfrontiert, die von<br />

Fachärzten im Sinne der Übergangsbestimmungen<br />

gestellt wurden. Die auch in der<br />

Folge zahlreich erfolgten Antragstellungen<br />

führten in zahlreichen Beratungen immer<br />

wieder zu Diskussionen darüber, ob die Antragstellungen<br />

einem tatsächlichen Bedarf<br />

entsprachen. Hierzu konnte die zentrale<br />

Fachgruppe keine Entscheidungen treffen.<br />

Ihr oblag es fernerhin, das zentral gelenkte<br />

einheitliche Weiterbildungssystem gesetzesentsprechend<br />

zu begleiten, die Fachabteilungen<br />

der Räte der Bezirke hinsichtlich<br />

Auswahl geeigneter Weiterbildungseinrichtungen<br />

zu beraten <strong>und</strong> die Einhaltung des<br />

Bildungsprogramms zu kontrollieren. Die<br />

Organisation der Realisierung der Subspezialisierung,<br />

d. h. die bedarfsgerechte Weiterbildung<br />

oblag entsprechend den territorialen<br />

Bedingungen <strong>und</strong> Bedürfnissen den<br />

Räten der Bezirke.<br />

Um die Bedingungen der Weiterbildung zu<br />

erleichtern wurde auf Vorschlag bei Besonderheiten<br />

der Territorialstruktur die Zahl<br />

der Weiterbildungskliniken nach Überprüfung<br />

des Leistungsprofils um geeignete Unfallabteilungen<br />

von Kreis- <strong>und</strong> Städtischen<br />

Einrichtungen für eine Teil- oder auch<br />

Vollausbildung erweitert, so dass die Zahl<br />

bestätigter Weiterbildungseinrichtungen<br />

für die Subspezialisierung Traumatologie<br />

10 Jahre nach Inkrafttreten der Anordnung<br />

bereits 27, 1989 42 betrug.<br />

Auf Initiative der Zentralen Fachgruppe<br />

fanden zwischen 1974 <strong>und</strong> 1988 in Berlin<br />

Pankow <strong>und</strong> zwischen 1977 bis 1989 in Bagenz/Cottbus<br />

jeweils in 2-jährigen Abständen<br />

turnusgemäße Weiterbildungswochen<br />

für ständig in spezialisierten Einrichtungen<br />

tätigen Kollegen unter besonderer Berücksichtigung<br />

der in der Subspezialisierung<br />

befindlichen Fachärzte statt. Die jeweils 5-<br />

tägigen Veranstaltungen zielten vorrangig<br />

auf Vermittlung von unfallchirurgischem<br />

Spezialwissen unter Berücksichtigung der<br />

Zielstellung der Programme für die Subspezialisierung<br />

ab. Diese jeweiligen Wochenkurse<br />

erfreuten sich eines ständig wachsenden<br />

Zuspruches. Die Teilnehmerkapazitäten<br />

waren bereits Wochen zuvor komplett aus-<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 35


gebucht. Die Unterbringung der Teilnehmer<br />

erfolgte kostenfrei, Verpflegung wurde gegen<br />

ein geringes Entgelt gewährt. Für die<br />

Vortragstätigkeit <strong>und</strong> die Diskussionsr<strong>und</strong>en<br />

stellten sich stets namhafte Vertreter<br />

des Fachgebietes Unfallchirurgie aus Hochschul-<br />

<strong>und</strong> Schwerpunkteinrichtungen zur<br />

Verfügung. Die wissenschaftliche Leitung<br />

der Kurse lag in den Händen ortsansässiger<br />

Mitglieder der Zentralen Fachgruppe<br />

(in Berlin Prof. Dr. K. Fanke, in Bagenz Dr. K.<br />

Welz) ( Abb. 2).<br />

Der Zuwachs an spezialisierten Fachärzten<br />

entsprach im Wesentlichen den territorialen<br />

Bedürfnissen. Ende 1987 betrug die<br />

Zahl anerkannter Subspezialisten 152, Ende<br />

1988 176 <strong>und</strong> Ende 1989 187.<br />

Zusammenfassend hat das Staatliche Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

der DDR mit der Weiterbildung<br />

Subspezialisierung den Bedürfnissen<br />

spezialisierter unfallchirurgischer Patientenbetreuung<br />

entsprochen. Die Akademie<br />

erfuhr mit dem Weiterbildungssystem internationale<br />

Aufmerksamkeit <strong>und</strong> mit seinem<br />

zentral durchorganisierten System die<br />

Anerkennung einer Ernennung zum Collaboration<br />

Centre der WHO.<br />

Die geregelte Weiterbildung zur Subspezialisierung<br />

Traumatologie hat ihre Bewährungsprobe<br />

nicht nur vor 1989 bestanden.<br />

Gerade auch nach der politischen Wende<br />

bildete die geregelte Weiterbildung zur Subspezialisierung<br />

Unfallchirurgie die Gr<strong>und</strong>lage<br />

für eine problemlose Integration in das<br />

Ges<strong>und</strong>heitssystem der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland <strong>und</strong> allerbeste Voraussetzung<br />

für die Realisierung des berufsgenossenschaftlichen<br />

Heilverfahrens.<br />

Literatur<br />

1. Anweisung Nr. 1/ Supspezialisierung der Fachärzte<br />

vom 20. Juni 1974. Verfügungen <strong>und</strong> <strong>Mitteilungen</strong><br />

des Min. f. Ges<strong>und</strong>heitswesen; 1974; Nr.<br />

12<br />

2. Dokumente für die Subspezialisierung der Fachärzte.<br />

Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR,<br />

Berlin 1976<br />

3. Mros B, Jäschke G, Spaar H. Akademie für ärztliche<br />

Fortbildung. Veröff. Med. Ges. 2003; 44/55<br />

4. Reding R. In: Hierholzer G. u. S. Chirurgisches Handeln<br />

– Der Einfluss des Zeitgeschehens auf die<br />

Entwicklung der Chirurgie in Mitteleuropa Mitte<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bis zur Gegenwart. Stuttgart:<br />

Thieme Verlag; 1989, 204–211<br />

5. Schlich T. Surgery, Science and Industry, A Revolution<br />

in Fracture Care 1950 bis 1990; Bastingstoke:<br />

Verlag Polgrave Macmillan; 2002<br />

Abb. 2 Deckblatt des wissenschaftlichen Programms zum letzten Lehrgang für Traumatologie der<br />

Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR/Sept. 1989<br />

Dr. med. K. Welz<br />

Finsterwalder Str. 45a<br />

03048 Cottbus<br />

36<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Kongresse – Tagungen mit<br />

internationaler Beteiligung<br />

K. Sandner, E. Markgraf, W. Senst<br />

Kongresse <strong>und</strong> Symposien sollten als Foren<br />

des wissenschaftlichen Meinungsstreites<br />

zur Vorbereitung oder Lösung von Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsaufgaben in der<br />

DDR <strong>und</strong> des kontinuierlichen wissenschaftlichen<br />

Erfahrungsaustausches organisiert<br />

werden. Eine entsprechende Thematik sollte<br />

im Mittelpunkt eines jeden Kongresses stehen,<br />

um Stellung, Bedeutung <strong>und</strong> Aufgaben<br />

eines Fachgebietes im sozialistischen<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen zu analysieren <strong>und</strong><br />

seine Perspektive unter Orientierung auf<br />

die gesamtgesellschaftliche Entwicklung<br />

vorzubereiten <strong>und</strong> mitzubestimmen. Für<br />

das Problemgebiet wurden die zuständigen<br />

internationalen Spitzenwissenschaftler eingeladen.<br />

Die Kongressteilnehmer sollten<br />

breit gefächert über den neuesten Wissensstand<br />

<strong>und</strong> die Wissenschaftsentwicklung<br />

im Fachgebiet informiert <strong>und</strong> die Ergebnisse<br />

in Fachzeitschriften, wie zum Beispiel<br />

im Zentralblatt für Chirurgie, veröffentlicht<br />

werden. Eine Redaktionskommission erarbeitete<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage der Autorreferate<br />

<strong>und</strong> der Vortragsmanuskripte qualifizierte<br />

Ergebnisberichte.<br />

Ziel der Kongresse <strong>und</strong> der wissenschaftlichen<br />

Tagungen war es, die Darstellung<br />

<strong>und</strong> Diskussion neuer wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse verzögerungsfrei in die Praxis<br />

des sozialistischen Ges<strong>und</strong>heitswesens zu<br />

überführen. Die von Expertengruppen in<br />

Vorbereitung des Kongresses im Auftrag des<br />

Vorstandes der <strong>Gesellschaft</strong>en erörterten<br />

Empfehlungen über die Anwendung diagnostischer<br />

<strong>und</strong> therapeutischer Methoden<br />

<strong>und</strong> Standards wurden bekannt gegeben<br />

<strong>und</strong> diskutiert. Zu den Podiumsdiskussionen<br />

(R<strong>und</strong>tischgesprächen) wurden ebenfalls<br />

kompetente internationale Wissenschaftler<br />

des Fachgebietes eingeladen. Industrieausstellungen<br />

<strong>und</strong> Industrieinformationen<br />

anlässlich der wissenschaftlichen Veranstaltungen<br />

sollten nicht nur neue technischmethodische<br />

Möglichkeiten bekannt geben,<br />

sondern auch die wesentlichen Parameter<br />

der beabsichtigten technischen Entwicklung<br />

den Fachexperten zur Diskussion stellen.<br />

Ziel war ferner die Integration der Spezialgebiete<br />

einer medizinischen Disziplin, der<br />

medizinischen Disziplinen untereinander<br />

<strong>und</strong> der medizinischen Wissenschaft mit<br />

der Natur- <strong>und</strong> der <strong>Gesellschaft</strong>swissenschaft.<br />

Es wurde empfohlen, Kongresse gemeinsam<br />

oder Teile von Kongressen durch<br />

zwei oder mehrere Fachdisziplinen zu organisieren.<br />

Persönliche Kontakte während<br />

der Kongresse <strong>und</strong> die Anknüpfung wissenschaftlicher<br />

Kooperationsbeziehungen<br />

stellten die effektivsten Ergebnisse dar.<br />

Die abgehaltene Mitgliederversammlung<br />

während des Kongresses (halber Tagesabschnitt)<br />

stellte das höchste demokratische<br />

Organ der <strong>Gesellschaft</strong> dar. Von ihr gingen<br />

die entscheidenden Impulse zur Lösung der<br />

dem Fachgebiet übertragenen Aufgaben<br />

aus. Außerdem wurden der Vorstand <strong>und</strong><br />

der „Vorsitzende“ für einen begrenzten Zeitraum<br />

gewählt.<br />

In der DDR wurden zwei Tagungen für Unfallchirurgie<br />

<strong>und</strong> 10 Unfallchirurgenkongresse<br />

mit internationaler Beteiligung veranstaltet.<br />

Der XII. Unfallchirurgenkongress<br />

der DDR mit internationaler Beteiligung<br />

fand als Kuriosum im November 1990 im<br />

wiedervereinten Deutschland statt.<br />

Die Kongresse III bis V wurden durch Dr. J.<br />

Riedeberger, die Kongresse VI bis XII durch<br />

Dr. K. Sandner organisiert.<br />

Die I. Tagung Unfallchirurgie mit internationaler<br />

Beteiligung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für klinische Medizin der DDR, der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie fand in der Zeit<br />

vom 28.–30.5.1959 in Erfurt unter der wissenschaftlichen<br />

Leitung von Herrn Prof. Dr.<br />

Egbert Schwarz statt. Hauptthemen des<br />

Kongresses waren Frakturen, Schädel-Hirn-<br />

Verletzungen <strong>und</strong> Fragen der Unfallprophylaxe.<br />

An der oben genannten Tagung<br />

nahmen r<strong>und</strong> 500 Gäste aus Ost <strong>und</strong> West<br />

teil. Als namhafte Persönlichkeiten aus dem<br />

Ausland konnten der Nestor der Unfallchirurgie<br />

in Österreich, Prof. Dr. Lorenz Böhler,<br />

Wien, sowie die Professoren Dr. Pavrovsky,<br />

Prag (CSSR), Dr. Novak, Brno (CSSR), <strong>und</strong> Dr.<br />

Robany, Budapest (Ungarn), sowie Dr. Szulc,<br />

Warschau (Polen), begrüßt werden.<br />

Die II. Tagung Unfallchirurgie mit internationaler<br />

Beteiligung der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

klinische Medizin der DDR, der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie fand vom 28.–30.10.1965 in<br />

Weimar unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

von Herrn Prof. Dr. F. Mörl, Halle/Saale,<br />

statt. Hauptthemen des wissenschaftlichen<br />

Programms waren die „operative Osteosynthese“,<br />

das Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelbrüche,<br />

Bauchverletzungen, Knöchelbrüche<br />

sowie Fragen der Begutachtung. Im Rahmen<br />

dieser Tagung wurde ein wissenschaftliches<br />

Filmprogramm veranstaltet. Als prominente<br />

Gäste nahmen die Professoren Dr. M. Allgöwer,<br />

Chur (Schweiz), Dr. H. Contzen, Frankfurt/Main,<br />

<strong>und</strong> Dr. J. Manninger, Budapest<br />

(Ungarn), teil.<br />

Die wissenschaftlichen Veranstaltungen auf<br />

dem Gebiet der Unfallchirurgie wurden anschließend<br />

von der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für klinische Medizin der DDR, der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie, der Sektion Traumatologie<br />

als Unfallchirurgenkongresse der DDR<br />

mit internationaler Beteiligung organisiert<br />

<strong>und</strong> durchgeführt.<br />

Der III. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

fand vom 13.–14.4.1972 in Leipzig unter der<br />

wissenschaftlichen Leitung von Herrn Prof.<br />

Dr. W. Wehner, Leipzig, statt. Der Kongress<br />

wurde gemeinsam mit der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Orthopädie der DDR mit dem wissenschaftlichen<br />

Hauptthema „Pseudarthrosen langer<br />

Röhrenknochen“ veranstaltet. Während des<br />

Kongresses tagte die Arbeitsgemeinschaft<br />

„Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung“ der<br />

Sektion Traumatologie <strong>und</strong> bei dieser Gelegenheit<br />

wurde die Arbeitsgemeinschaft<br />

„Prophylaxe <strong>und</strong> 1. Hilfe bei Unfällen“ der<br />

gleichen Sektion neu gegründet. Am zweiten<br />

Kongresstag handelte die Arbeitsgemeinschaft<br />

„Thermische <strong>und</strong> kombinierte<br />

Schädigungen“ der Sektion Traumatologie<br />

das Thema „Thermische Schädigungen“ ab.<br />

Im Rahmen dieses wissenschaftlichen Programms<br />

wurden die Epidemiologie thermischer<br />

Schädigungen erörtert, Todesfälle<br />

nach Verbrennungen analysiert sowie die<br />

Infektion der Verbrennungsw<strong>und</strong>e <strong>und</strong> die<br />

Lokalbehandlung der Verbrennungsw<strong>und</strong>en<br />

diskutiert. In einer Podiumsdiskussion wurde<br />

eine „Empfehlung zur Behandlung thermischer<br />

Schädigungen“ verabschiedet. Das<br />

wissenschaftliche Programm wurde durch<br />

namhafte Gastreferenten, wie die Herren<br />

Professoren Dr. H. Willenegger, Liestal<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 37


(Schweiz), Dr. G. Küntscher, Flensburg, <strong>und</strong><br />

Dr. C. Burri, Ulm, bereichert.<br />

Der IV. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

fand vom 5.–7.12.1973 in Leipzig unter der<br />

wissenschaftlichen Leitung von Herrn Prof.<br />

Dr. W. Wehner, Magdeburg, statt. Dieser<br />

Kongress wurde gemeinsam mit den <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

für Orthopädie <strong>und</strong> Alternsforschung<br />

der DDR sowie den Sektionen für<br />

Kinderchirurgie <strong>und</strong> Experimentelle Chirurgie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie <strong>und</strong> der<br />

AG Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung der<br />

Sektion Traumatologie veranstaltet. Die<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR führte<br />

am 5.12.1973 eine Sonderveranstaltung<br />

zum Thema „Fehler bei der Beurteilung des<br />

Körperschadens nach einfachen Unfällen<br />

bei Ärzten im Rahmen der Vertragsversicherung“<br />

durch. Ferner tagten die Arbeitsgemeinschaften<br />

der Sektion Traumatologie<br />

„Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung“,<br />

„Prophylaxe <strong>und</strong> 1. Hilfe bei Unfällen“<br />

sowie „Thermische <strong>und</strong> kombinierte Schädigungen“.<br />

Die Tagung der Arbeitsgemeinschaft<br />

„Thermische <strong>und</strong> kombinierte Schädigungen“<br />

stand unter dem Thema „Frühexzision<br />

<strong>und</strong> primäre Totaldeckung drittgradiger<br />

Verbrennungsw<strong>und</strong>en, unter besonderer<br />

Berücksichtigung von Konservenhaut“. Die<br />

Plenartagungen standen am 6.12.1973 unter<br />

dem Thema „Altersfrakturen des proximalen<br />

Femur“ <strong>und</strong> am 7.12.1973 unter der<br />

Thematik „Osteosynthesen im Kindesalter“.<br />

Prominente Gastreferenten wie die Professoren<br />

Dr. S. Weller, Tübingen, Dr. E. Trojan,<br />

Wien (Österreich), <strong>und</strong> Dr. J. Manninger,<br />

Budapest (Ungarn), trugen mit ihren wissenschaftlichen<br />

Beiträgen wesentlich zum<br />

Gelingen des Kongresses bei.<br />

Der V. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

fand vom 22.–24.9.1976 in Leipzig unter der<br />

wissenschaftlichen Leitung von Herrn Prof.<br />

Dr. E. Sander, Halle/Saale, statt. Als Hauptthema<br />

wurden komplex die „Verletzungen<br />

des Kniegelenkes“ wissenschaftlich abgehandelt.<br />

Unter anderem wurden hierbei<br />

die Biomechanik <strong>und</strong> Diagnostik des Kniegelenkes,<br />

kniegelenknahe Oberschenkelbrüche,<br />

Schienbeinkopfbrüche, Patellafrakturen,<br />

Kniegelenkverletzungen des Kindes,<br />

Weichteil-, Knorpel- <strong>und</strong> Bandverletzungen<br />

bei Kniegelenkfrakturen diskutiert. Ferner<br />

wurden Fragen der Rehabilitation <strong>und</strong> der<br />

Begutachtung erörtert. Namhafte Gastreferenten<br />

wie die Professoren Dr. H. Tscherne,<br />

Hannover, Dr. J. Rehn, Dortm<strong>und</strong>, Dr. E. Morscher,<br />

Basel (Schweiz), sowie Dr. W. Bandi,<br />

Interlaken (Schweiz), bereicherten das wissenschaftliche<br />

Programm.<br />

Summary: Zbl. Chirurgie 1977; 102:<br />

802–814<br />

Abb. 1 Titelblatt zum Programmheft des<br />

VI. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1978<br />

Abb. 2 Titelblatt zum Programmheft des<br />

VII. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1980<br />

Der VI. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

( Abb. 1) fand vom 13.-15.9.1978 in Leipzig<br />

unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

von Herrn Prof. Dr. E. Sander, Halle/Saale,<br />

statt. Die Hauptthemen des Kongresses<br />

beschäftigten sich mit der „Messtechnik in<br />

der Unfallchirurgie“, dem „stumpfen Bauchtrauma“<br />

<strong>und</strong> dem frischen „geschlossenen<br />

diaphysären Unterschenkelbruch“. Zur<br />

Bereicherung des wissenschaftlichen Programms<br />

trugen aktiv die Professoren Dr. H.<br />

Willenegger, Bern (Schweiz), Dr. G. Hierholzer,<br />

Duisburg, Dr. R. Ganz, Bern (Schweiz),<br />

<strong>und</strong> Dr. J. Rehn, Bochum, bei.<br />

Summary: Zbl. Chirurgie 1979; 104:<br />

332–345<br />

Der VII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

( Abb. 2) wurde vom 17.-19.9.1980 in<br />

Leipzig unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

von Herrn Prof. Dr. E. Sander, Halle/<br />

Saale, veranstaltet. Als Hauptthemen des<br />

Kongresses wurden die „Sofort- <strong>und</strong> Frühbehandlung<br />

schwerer Verbrennungsverletzungen“,<br />

„Verletzungen des Vorderarmes“<br />

sowie „Thoraxverletzungen“ abgehandelt<br />

<strong>und</strong> diskutiert. Das wissenschaftliche Programm<br />

wurde durch die Anwesenheit der<br />

Professoren Dr. G. Muhr, Hannover, Dr. K. H.<br />

Jungbluth, Hamburg, Dr. G. Chapchal, Luzern<br />

(Schweiz), <strong>und</strong> M.D. Jackson, Birmingham<br />

(Großbritannien), bereichert.<br />

Summary: Zbl. Chirurgie 1981; 106:<br />

757–770<br />

Der VIII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

( Abb. 3) wurde vom 15.–17.9.1982 in<br />

Leipzig unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

von Herrn Prof. Dr. W. Senst, Frankfurt/Oder,<br />

abgehalten. Die Hauptthemen<br />

des Kongresses beschäftigten sich mit der<br />

„Knochendurchblutung unter den Bedingungen<br />

der Fraktur“, mit der „Epidemiologie<br />

des Unfallgeschehens in der DDR“ <strong>und</strong> den<br />

„modernen Untersuchungsmethoden in der<br />

Unfallchirurgie“. Weitere Kongressthemen<br />

behandelten die Verletzungen des Fußes,<br />

wie zum Beispiel des Talus, des Kalkaneus,<br />

des Vorfußes, Luxationen im Fußbereich<br />

<strong>und</strong> Fußverletzungen im Kindesalter. Ausgenommen<br />

waren die Verletzungen des<br />

oberen Sprunggelenkes. Die Beiträge der<br />

Gastreferenten der Professoren Dr. E. Beck,<br />

Innsbruck (Österreich), Dr. G. Berentey, Budapest<br />

(Ungarn), <strong>und</strong> Dr. G. Muhr, Homburg,<br />

trugen wesentlich zum Gelingen des<br />

Kongresses bei.<br />

Summary: Zbl. Chirurgie 1983; 108:<br />

667–677<br />

Der IX. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

( Abb. 4) fand vom 12.–14.9.1984 in Leipzig<br />

unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

von Herrn Prof. Dr. W. Senst, Frankfurt/Oder,<br />

38<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


statt. Ein Teil des wissenschaftlichen Programms<br />

beschäftigte sich mit der „Erstbehandlung<br />

von „Halswirbelsäulenverletzungen“.<br />

Ein weiteres Thema bildeten die<br />

„Oberschenkelschaftbrüche“. In diesem<br />

Rahmen wurden zwei Studien der Sektion<br />

Traumatologie der DDR vorgetragen <strong>und</strong><br />

diskutiert. Die Studien beinhalteten die Behandlungsergebnisse<br />

allgemein, mit <strong>und</strong><br />

ohne Komplikationen (z. B. Infektionen). Ferner<br />

wurden die Indikationen zur Operation,<br />

die Operationsmethoden, Oberschenkelschaftfrakturen<br />

bei Mehrfachverletzungen,<br />

der gestörte Heilverlauf, Folgezustände<br />

nach Oberschenkelschaftfrakturen sowie<br />

Oberschenkelschaftbrüche im Wachstumsalter<br />

erörtert. In Kasuistiken wurden „Problemsituationen<br />

in der unfallchirurgischen<br />

Versorgung“ vorgestellt. Das wissenschaftliche<br />

Programm wurde durch die Gastreferenten<br />

wie die Professoren Dr. H. Willenegger,<br />

Bern (Schweiz), Dr. G. Muhr Bochum, Dr.<br />

J. Poigenfürst, Wien (Österreich), <strong>und</strong> Dr. K.<br />

Kalnbers, Riga (Sowjetunion), bereichert.<br />

Summary: Zbl. Chirurgie 1985; 110:<br />

944–957<br />

Der X. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

( Abb. 5) wurde vom 10.–12.9.1986 in<br />

Leipzig unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

von Frau Prof. Dr. H. Arzinger-Jonasch<br />

abgehalten. Der Kongress wurde in Kooperation<br />

mit der Sektion Neurotraumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Neurochirurgie der DDR<br />

veranstaltet. Die Hauptthemen des Kongresses<br />

waren „Schädelhirnverletzungen“<br />

<strong>und</strong> „Verletzungen des Schultergelenkes“.<br />

Die Schädelhirnverletzungen beinhalteten<br />

Übersichten <strong>und</strong> Diagnostik, Therapie, Letalitätsanalysen<br />

sowie Fragen der Rehabilitation<br />

<strong>und</strong> Begutachtung. Bei den Schultergelenkverletzungen<br />

wurden Übersichten<br />

<strong>und</strong> Diagnostik, die Therapie der Frakturen,<br />

Schulterluxationen, Luxationsfrakturen,<br />

Verletzungen der Rotatorenmanschette,<br />

Humerusverletzungen im Wachstumsalter<br />

sowie Fragen der Rehabilitation <strong>und</strong> Begutachtung<br />

diskutiert. Außerdem standen die<br />

Verletzungen des Schultereckgelenkes im<br />

Mittelpunkt der wissenschaftlichen Erörterungen.<br />

Als Gastreferenten nahmen die Professoren<br />

Dr. J. Böhler, Wien (Österreich), <strong>und</strong><br />

Dr. G. Hierholzer am wissenschaftlichen<br />

Programm aktiv teil.<br />

Summary: wurde nicht gedruckt<br />

Der XI. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

( Abb. 6) fand vom 6.–9.9.1988 in Leipzig<br />

unter der wissenschaftlichen Leitung von<br />

Herrn Prof. Dr. K. Franke, Berlin/Pankow,<br />

statt. Das Hauptthema des Kongresses<br />

beschäftigte sich im Komplex mit den „frischen<br />

Verletzungen des Kniegelenkes inklusive<br />

der instrumentellen Diag nostik <strong>und</strong> der<br />

Abb. 3 Titelblatt zum Programmheft des<br />

VIII. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1982<br />

Abb. 5 Titelblatt zum Programmheft des<br />

X. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1986<br />

Abb. 4 Titelblatt zum Programmheft des<br />

IX. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1984<br />

Abb. 6 Titelblatt zum Programmheft des<br />

XI. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1988<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 39


Publikationen<br />

Abb. 7 Anlässlich des XI. Unfallchirurgenkon gresses wurde Herrn Dr. h.c. Robert Mathys (Schweiz)<br />

im Gewandhaus zu Leipzig die Ehrennadel der „Karl-Marx-Universität Leipzig“ verliehen. (v.l.n.r.: Welz<br />

(Cottbus), Markgraf (Jena), Arzinger-Jonasch (Leipzig), Mathys (Bettlach-Schweiz), Henke (Erfurt),<br />

Sandner (Leipzig)). Aus: Privatarchiv K. Sandner<br />

Kniegelenk-Endoskopie“. In diesem Rahmen<br />

wurden die intraartikulären Frakturen, traumatische<br />

Knorpelschäden, Kapsel-Bänder-<br />

Läsionen, inklusive Meniskusläsionen <strong>und</strong><br />

operative Arthroskopie umfassend abgehandelt.<br />

Außerdem wurden die Verletzungen<br />

nach Kniegelenkluxationen, die sek<strong>und</strong>äre<br />

Therapie sowie Fragen der Rehabilitation<br />

<strong>und</strong> der Begutachtung erörtert. Die optimale<br />

Therapie der Kniegelenkverletzungen<br />

wurde in R<strong>und</strong>tischgesprächen ausführlich<br />

diskutiert <strong>und</strong> zusammengefasst als Therapierichtlinien<br />

den Kongressteilnehmern<br />

zur Verfügung gestellt. Zum Gelingen des<br />

Kongresses trugen als Gastreferenten die<br />

Professoren Dr. W. Glinz, Zürich (Schweiz),<br />

Dr. G. Muhr, Bochum, <strong>und</strong> Dr. P. Hertel, Berlin-West,<br />

bei ( Abb. 7).<br />

Summary: Zbl. Chirurgie 1989; 114:<br />

1171–1180<br />

Abb. 8 Titelblatt zum Programmheft des<br />

XII. Unfallchirurgenkongresses der DDR 1990<br />

Der XII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

( Abb. 8) stellt ein Unikat in der Geschichte<br />

der deutschen Unfallchirurgie dar. Die wissenschaftliche<br />

Veranstaltung wurde in der<br />

DDR beschlossen, entsprechend konzipiert<br />

<strong>und</strong> nahezu vollständig organisiert. Der<br />

Kongress fand unter der wissenschaftlichen<br />

Leitung von Herrn Prof. Dr. E. Markgraf,<br />

Jena, vom 5.–8.11.1990 im wiedervereinten<br />

Deutschland in Leipzig statt. Als Hauptthema<br />

des Kongresses wurde die „konservative<br />

Frakturtherapie – Indikationen <strong>und</strong> Methoden<br />

bei Verletzungen der oberen <strong>und</strong><br />

unteren Extremität“ abgehandelt. Ferner<br />

wurden „neue Trends in der Infektionsbehandlung“<br />

sowie „therapeutische Grenzindikationen<br />

bei Wirbelfrakturen“ vorgestellt.<br />

Ein weiteres wichtiges Kongressthema<br />

betraf verlaufsbedingte Komplikationen<br />

nach Extremitätenverletzungen, wie zum<br />

Beispiel nervale Komplikationen, das Kompartment-Syndrom,<br />

Gefäßschäden, Morbus<br />

SUDECK (Algodystrophie) <strong>und</strong> ossäre Komplikationen<br />

(verzögerte Knochenbruchheilung,<br />

Pseudarthrosen, Komplikationen nach<br />

Osteosynthesen). Außerdem wurden Fragen<br />

der Begutachtung erörtert. Der Repräsentant<br />

der AO-International, Herr Professor Dr.<br />

H. Willenegger, Pratteln-Liestal (Schweiz),<br />

sowie die Professoren Dr. U. Heim, Bern<br />

(Schweiz), Dr. E. Trojan, Wien (Österreich),<br />

Dr. H. Renner, Budapest (Ungarn), Dr. G.<br />

Muhr, Bochum, J. Probst, Murnau, <strong>und</strong> Dr.<br />

D. Havemann, Kiel, bereicherten mit ihren<br />

Beiträgen wesentlich das Kongresspro -<br />

gramm.<br />

1. Arzinger-Jonasch H, Riedeberger J.<br />

Klinik <strong>und</strong> Therapie der Verbrennungsverletzungen.<br />

1. Aufl. Berlin: VEB Volk <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit; 1979<br />

2. Arzinger-Jonasch H. Klinik <strong>und</strong> Therapie<br />

der Verbrennungsverletzungen. 2. überarbeitete<br />

<strong>und</strong> erweiterte Auflage. Berlin: VEB<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1983<br />

3. Becker T. Kurzgefasster Operationskurs.<br />

1. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1955. 1. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1956, 2. neubearbeitete<br />

Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />

1959, 3. neubearbeitete Aufl. Leipzig: VEB<br />

Johann Ambrosius Barth; 1963. 4. Aufl. Leipzig:<br />

VEB Johann Ambrosius Barth; 1980<br />

5. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1984. 6. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1989. Lizenzausgabe des<br />

Barth-Verlags. Frankfurt/Main: Ed. Wötzel;<br />

1989<br />

4. Becker T. Gr<strong>und</strong>riss der allgemeinen Unfallchirurgie.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1967<br />

5. Becker T. Gr<strong>und</strong>riss der speziellen Unfallchirurgie.<br />

Teil I: Kopf – Hals – Brust – Bauch<br />

– Becken. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1968<br />

6. Becker T. Gr<strong>und</strong>riss der speziellen Unfallchirurgie.<br />

Teil II: Wirbelsäule – Beckengürtel<br />

– Bein <strong>und</strong> Fuß – Schultergürtel – Arm <strong>und</strong><br />

Hand. Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />

1973<br />

7. Becker T. Gr<strong>und</strong>riss der speziellen Unfallchirurgie.<br />

1. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1983<br />

8. Becker T, Markgraf E. Gr<strong>und</strong>riss der speziellen<br />

Unfallchirurgie. 2. überarbeitete<br />

<strong>und</strong> ergänzte Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1986. 2. überarbeitete <strong>und</strong><br />

ergänzte Aufl. (Lizenzausgabe des Barth-Verlages).<br />

Stuttgart-NewYork: Thieme;1986.<br />

3. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1989<br />

9. Becker T. Krebs <strong>und</strong> Unfall. Leipzig: VEB<br />

Johann Ambrosius Barth; 1966 bzw. München:<br />

J. A. Barth; 1966<br />

10. Brückner H. Frakturen <strong>und</strong> Luxationen.<br />

1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit; 1969. 2. bearbeitete Aufl. Berlin:<br />

VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1974.<br />

3. bearbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978. 4. bearbeitete<br />

Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1981. 5. bearbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1984<br />

40<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


11. Brückner H, Hinze M. Zugangswege in<br />

der Traumatologie. 1. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1980. 2. bearbeitete<br />

Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />

1986. 2. bearbeitete Aufl. Stuttgart: Hippokrates<br />

Verlag; 1986<br />

12. Brückner H. Das Verbandbuch. 1. Aufl.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1985<br />

13. Brückner H, Hoff H. Der Gipsverband.<br />

1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1979. 2. bearbeitete Aufl. Berlin: VEB<br />

Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1983<br />

14. Brückner H, Ansorge D. Verbandvademecum.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit; 1988<br />

15. Büchter L. Chirurgische Behandlung der<br />

verletzten <strong>und</strong> erkrankten Hand. Leipzig:<br />

VEB Johann Ambrosius Barth; 1972<br />

16. Franke K. Traumatologie des Sports<br />

– Sportmedizin in der DDR. 1. Aufl. Berlin:<br />

VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1977.<br />

2. bearbeitete <strong>und</strong> erweiterte Aufl. Berlin:<br />

VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1980. Traumatologie<br />

des Sports. 2. bearbeitete Aufl.<br />

Stuttgart-New York: Thieme; 1980<br />

17. Franke K, Brenke H. Traumatologie des<br />

Sports. 3. bearbeitete <strong>und</strong> erweiterte Aufl.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1986. 3. bearbeitete Aufl. Stuttgart-New<br />

York: Thieme; 1986<br />

18. Franke K. Erste Hilfe bei Sportverletzungen<br />

<strong>und</strong> Sporthygiene. 2. Aufl. Berlin:<br />

Sportverl; 1960 (1. Aufl. u.d.T.: Krause G.<br />

Erste Hilfe bei Sportverletzungen <strong>und</strong> Sporthygiene)<br />

19. Franke K, Unger RR, Paul B. Das Schädel-<br />

Hirn-Trauma (SHT) in der Notfallpraxis.<br />

1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1973. 2. bearb. <strong>und</strong> erweit. Aufl. Berlin:<br />

VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978<br />

20. Heller E. Das Handwerk des chirurgischen<br />

Stationsdienstes. 1. Aufl. Leipzig:<br />

Hirzel; 1948. 2. neubearbeitete Aufl. Leipzig:<br />

Hirzel; 1955. 3. neubearbeitete Aufl. von<br />

Franz Mörl. Leipzig: Hirzel; 1961. 4. neubearbeitete<br />

Aufl. von Franz Mörl. Leipzig: Hirzel;<br />

1966<br />

21. Kiene S, Külz J. Das Schädelhirn trauma<br />

im Kindesalter. Klinische <strong>und</strong> elektroenzephalographische<br />

Aspekte. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1968<br />

22. Kürzinger R, Kollmorgen G, Müldner J.<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der ärztlichen Begutachtung.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1987<br />

23. Mörl F. Lehrbuch der Unfallchirurgie.<br />

1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit; 1964. 2. durchges., verb. u. erw.<br />

Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1968<br />

24. Reding R. Chirurgie <strong>und</strong> Diabetes mellitus.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />

1974<br />

25. Reding R, Lang G. Schädel – Hirn – Trauma<br />

<strong>und</strong> Kombinationsverletzungen. Leipzig:<br />

VEB Johann Ambrosius Barth; 1977<br />

26. Reding R. Gr<strong>und</strong>lagen der Chirurgie.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1983<br />

27. Senst W. Spezielle Krankheitslehre/Chirurgie/Anästhesiologie/Urologie.<br />

1. Aufl.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1982. 2. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit; 1987. 3. Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1989<br />

28. Serfling HJ, Schober KL, Schmitt W. Spezielle<br />

Chirurgie. 1. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1971. 2. Aufl. Leipzig: VEB<br />

Johann Ambrosius Barth; 1978<br />

29. Strauch E, Schneider HJ, Schröder R.<br />

Einführung in die Unfallheilk<strong>und</strong>e, ein<br />

Leitfaden für Schwestern <strong>und</strong> Pfleger <strong>und</strong><br />

DRK-Helfer. 1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1962. 2. überarbeitete Aufl.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1973. 3. überarbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 197<br />

30. Strauch E, Heinicke D. Die Operationsschwester.<br />

1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1980. 2. überarbeitete Aufl.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1985. Strauch E, Düsterhöft S. 3. überarbeitete<br />

Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1989<br />

31. Scheidler K, Wolf E. Notfallmedizin – Organisation<br />

<strong>und</strong> Praxis. 1. Aufl. Berlin: VEB<br />

Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978.<br />

2. überarbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1981<br />

32. Schmitt W. Allgemeine Chirurgie.<br />

1. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1955. 2. verb. u. verm. Aufl. Leipzig:<br />

VEB Johann Ambrosius Barth; 1958. 3. verb.<br />

u. verm. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1960. 4. verb. Aufl. Leipzig: VEB<br />

Johann Ambrosius Barth; 1963. 5. verb. Aufl.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1964.<br />

6. verb. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1966. 7. erw. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1970. 8. erw. Aufl.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1977.<br />

8. erw. Aufl. Stuttgart: Enke; 1977. 9. Aufl.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1979.<br />

10. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1985<br />

33. Schmitt W. Chirurgie der Infektionen.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1968<br />

34. Schmitt W, Kiene S. Chirurgie der<br />

Infektionen. 2. überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte<br />

Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth;<br />

1981. 2. überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte Aufl.<br />

Berlin; Heidelberg; New York: Springer; 1981<br />

35. Wehner W. Fettembolie.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1968<br />

36. Wehner W, Sander E. Unfallchirurgie.<br />

Lehrbuch für Studenten der Medizin.<br />

1. Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1981<br />

37. Wehner W, Schädlich M. Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der ersten Hilfe. 1. Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1972. 2. überarbeitete<br />

Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1975. 3. überarbeitete Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978. 4. überarbeitete<br />

Aufl. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1982. 5. überarbeitete Aufl. Berlin:<br />

VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1988<br />

38. Uebermuth H. Die Weichteile im<br />

Bereich der Extremitäten. Lehrbuch der<br />

Chirurgie – Band 1. 11. umgearbeitete Aufl.<br />

Jena: Fischer; 1956<br />

39. Uebermuth H. Spezielle Chirurgie.<br />

1. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1957. 2. verb. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1960. 3. verb. Aufl.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1962.<br />

4. verb. Aufl. Leipzig: VEB Johann Ambrosius<br />

Barth; 1964. 5. verb. Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1967<br />

40. Uebermuth H. Die Chirurgie der Lungen.<br />

Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1960<br />

41. Uebermuth H. Die Verletzungen des<br />

Bauches <strong>und</strong> der Bauchorgane. Aus: Die<br />

Chirurgie des Traumas – Band 2. Berlin: VEB<br />

Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1967<br />

42. Zeumer G. Praxis der Handchirurgie<br />

in Operationsskizzen. 1. Aufl. Leipzig: VEB<br />

Johann Ambrosius Barth; 1972. 2. überarbeitete<br />

<strong>und</strong> erweiterte Aufl. Leipzig: VEB Johann<br />

Ambrosius Barth; 1982<br />

43. Zippel H, Höhndorf H. Meniskusverletzungen<br />

<strong>und</strong> Menikusschäden.<br />

Leipzig: VEB Johann Ambrosius Barth; 1973<br />

Fachbuch „Unfallchirurgie“<br />

Das 1964 im Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

erschienene, weit verbreitete „Lehrbuch<br />

für Unfallchirurgie“ von Professor Franz<br />

Mörl, Direktor der Chirurgischen Klinik <strong>und</strong><br />

Poliklinik der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg, war nicht weiter geführt<br />

worden. Inzwischen hatte sich aber eine<br />

immense Entwicklung in allen Bereichen<br />

der Unfallchirurgie vollzogen. Es fehlte eine<br />

breit angelegte, umfassende Übersicht des<br />

aktuellen Wissens. Nach dem IX. Unfallchirurgenkongress<br />

1984 gewann der Verlag<br />

Wolfgang Senst als Initiator für ein neues<br />

Projekt.<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 41


Am 26.9.1986 wurde der Vertrag zwischen<br />

dem VEB „Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ <strong>und</strong><br />

den Herausgebern Prof. Dr. Wolfgang Senst,<br />

Chefarzt der Chirurgischen Klinik des BKH<br />

Frankfurt/Oder, Prof. Dr. Günther Hildebrandt,<br />

Leiter der Unfallchirurgischen Abteilung<br />

der Chirurgischen Klinik der Charité,<br />

Humboldt-Universität Berlin <strong>und</strong> Dozent Dr.<br />

Eberhard Markgraf, Leiter der Unfallchirurgischen<br />

Abteilung der Chirurgischen Klinik<br />

der Friedrich-Schiller-Universität Jena, unterzeichnet.<br />

Die Herausgeber hatten sich für den Charakter<br />

eines Fachbuchs entschieden, das folgenden<br />

Zielstellungen dienen sollte:<br />

– Vermittlung eines unfallchirurgischen Basiswissens<br />

für den Facharzt für Chirurgie<br />

oder Orthopädie in der täglichen traumatologischen<br />

Praxis,<br />

– Informationsquelle für den Arzt in Weiterbildung<br />

zum Facharzt für Chirurgie <strong>und</strong> in<br />

der Subspezialisierung Traumatologie,<br />

– Nachschlagewerk für Allgemeinmediziner,<br />

Sportärzte, Fachärzte für Physiotherapie<br />

<strong>und</strong> der angrenzenden chirurgischen<br />

Fachgebiete.<br />

Eine besondere Motivation bestand für Verlag,<br />

Herausgeber <strong>und</strong> Autoren darin, dass<br />

im deutschsprachigen Raum kein Werk existierte,<br />

welches mit dem angestrebten Profil<br />

eines Fachbuches vergleichbar gewesen<br />

wäre. Die Herausgeber verwiesen auf die<br />

Marktsituation <strong>und</strong> schrieben in der Konzeption:<br />

„Das unfallchirurgische Basiswissen<br />

wird in erster Linie durch Monografien<br />

über abgegrenzte Themenkreise, darüber<br />

hinaus in Handbüchern, Kompendien <strong>und</strong><br />

Lehrbüchern für Studenten vermittelt“. Erst<br />

1995 erschien im Verlag Urban & Schwarzenberg<br />

die „Unfallchirurgie“ von A. Rüter,<br />

O. Trentz <strong>und</strong> M. Wagner.<br />

Die Herausgeber <strong>und</strong> die weiteren 34 Mitautoren<br />

aus der DDR, BRD, CSSR, Österreich,<br />

Schweiz, Ungarn bearbeiteten insgesamt<br />

36 Kapitel. In einer mehrtägigen Klausur<br />

wurden Einzelheiten des Buchprofils beraten<br />

<strong>und</strong> eine inhaltliche Abstimmung vorgenommen.<br />

Im Jahre 1988 verstarb Professor Dr. G. Hildebrandt<br />

unerwartet. Wolfgang Senst <strong>und</strong><br />

Eberhard Markgraf führten das Projekt allein<br />

weiter <strong>und</strong> legten Anfang 1989 dem<br />

Verlag ein etwa 1400 Seiten umfassendes<br />

Manuskript mit zahlreichen Abbildungen,<br />

Strichzeichnungen, Tabellen <strong>und</strong> Diagrammen<br />

vor. Doch das Lektorat kam in Verzug,<br />

die Lektoren wechselten, so dass der Titel<br />

nicht wie geplant im gleichen Jahr erscheinen<br />

konnte.<br />

Als Folge der politischen Wende <strong>und</strong> Wiedervereinigung<br />

vollzog sich ein in dieser<br />

Zeit für den Osten Deutschlands charakteristischer<br />

weiterer Ablauf: Der zur GmbH<br />

umgewandelte volksei gene Verlag „Volk<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ verlangte eine finanzielle<br />

Risikoabsicherung <strong>und</strong> orientierte auf Sponsoren,<br />

um den Titel weiter führen zu können.<br />

Diese Unterstützungen wurde uns von<br />

SYNTHES GmbH Bochum, HUG GmbH Freiburg/Umkirch,<br />

BEIERSDORF-AG Hamburg<br />

in Aussicht gestellt. Daraufhin erhielten wir<br />

am 19.11.1990 vom Verlag die Zusage, das<br />

1989 bereits begonnene Lektorieren des<br />

Manuskripts zügig abzuschließen <strong>und</strong> das<br />

Buch im Herbst 1991 herauszubringen. Es<br />

sollte anlässlich des 4. Ostdeutschen AO-<br />

Symposiums in Weimar vorgestellt werden.<br />

Im Jahr darauf nahm der Verlag Volk <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit, der bald darauf nicht mehr existierte,<br />

von seinen Verpflichtungen Abstand.<br />

Diese Entwicklung voraussehend, nahmen<br />

wir schon im Herbst 1990 mit dem Johann<br />

Ambrosius Barth Verlag Leipzig Kontakt auf.<br />

Eberhard Markgraf hatte ein sondierendes<br />

Gespräch geführt, an welches wir jetzt anknüpfen<br />

konnten. Inzwischen (März 1991)<br />

war jedoch J. A. Barth über die Treuhand von<br />

der Hüthig-Verlagsgruppe Heidelberg als<br />

alleiniger <strong>Gesellschaft</strong>er übernommen worden.<br />

Mit Nachdruck wurde nunmehr aus<br />

marktstrategischen Gründen empfohlen,<br />

Verträge mit Alt-BRD-Autoren abzuschließen<br />

<strong>und</strong> auch in vorhandene <strong>und</strong> bewährte<br />

Titel namhafte Fachvertreter aus den alten<br />

B<strong>und</strong>esländern einzubeziehen. Daraufhin<br />

gewannen wir Prof. Dr. Gert Muhr, Direktor<br />

der Chirurgischen Universitätsklinik <strong>und</strong><br />

Poliklinik Berufsgenossenschaftliche Krankenanstalten<br />

„Bergmannsheil Bochum“ als<br />

weiteren Herausgeber. Das Manuskript war<br />

inzwischen veraltet. In die Überarbeitung<br />

<strong>und</strong> Neufassung von Kapiteln sollten Mitarbeiter<br />

von Gert Muhr einbezogen werden.<br />

2 Jahre später, am 4.11.1993, entschlossen<br />

sich die Herausgeber das Projekt aufzugeben.<br />

Dieser schweren Entscheidung, zu der<br />

wir keine Alternative sahen, lagen mehrere<br />

Ursachen zugr<strong>und</strong>e. Der langjährige <strong>und</strong><br />

mit der chirurgischen DDR-Fachliteratur<br />

vertraute Cheflektor des Johann-Ambrosius-Barth-Verlages<br />

P. Bläske hatte im Rahmen<br />

der Verlagsumgestaltung seine Tätigkeit<br />

gewechselt. Das Leipziger Cheflektorat<br />

wurde durch eine Bereichsleitung Medizin<br />

mit Sitz in Heidelberg ersetzt. Die Überarbeitung<br />

des gesamten Manuskriptes war<br />

nicht vorangekommen. Die Mitautoren im<br />

Osten Deutschlands waren mit den Auswirkungen<br />

der Wiedervereinigung ausgelastet.<br />

Chefärzte <strong>und</strong> Leiter konzentrierten sich in<br />

dieser Zeit der Umgestaltung auf andere<br />

Aufgaben. Priorität hatte die Umsetzung<br />

neuer Gesetze sowie versicherungsrechtlicher<br />

<strong>und</strong> finanzieller Regelungen in ihren<br />

Verantwortungsbereichen. Die technische<br />

Modernisierung in vielen Klinikbereichen<br />

erforderte ebenfalls eine besondere Aufmerksamkeit.<br />

Es fehlte der nötige Freiraum.<br />

Die jahrelangen Mühen führten zwar nicht<br />

zum Erfolg, sie waren dennoch nicht vergeblich.<br />

Wir können heute auf eine Zeit interessanter<br />

Diskussionen <strong>und</strong> anregender<br />

Gespräche in einer sehr angenehmen kollegialen<br />

Atmosphäre zurückblicken.<br />

Prof. Dr. K. Sandner<br />

Rohrbacher Str. 18<br />

08258 Markneukirchen/Sachsen<br />

OT Landwüst<br />

Prof. Dr. E. Markgraf<br />

Gillestr. 5<br />

07743 Jena<br />

Prof. Dr. W. Senst<br />

Wildenbruch Str. 5a<br />

15230 Frankfurt/O<br />

42<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Unfallchirurgische Aktivitäten <strong>und</strong><br />

Erfahrungen in Mosambik <strong>und</strong> Uganda<br />

D. Paul, K. Paul<br />

Diese Mitteilung beruht überwiegend auf<br />

eigenen Erfahrungen, die wir als Chirurg<br />

<strong>und</strong> Krankenschwester während eines<br />

2-jährigen Aufenthaltes in Mosambik 1983<br />

bis 1985 <strong>und</strong> einem weiteren 6-monatigen<br />

Einsatzes als Chirurg in Uganda 1989 sammeln<br />

konnten. Die in diesem Bericht enthaltenen<br />

politischen Schlussfolgerungen sind<br />

letztlich als persönliche <strong>und</strong> damit unverbindliche<br />

Einschätzungen anzusehen.<br />

Die DDR unterhielt während ihres Bestehens<br />

enge Beziehungen zu den Staaten<br />

der dritten Welt, die ihr besonders in der<br />

Anerkennungsfrage wohl gesonnen waren<br />

<strong>und</strong> zu erkennen gaben, dass sie zumindest<br />

tendenziell eine sozialistische Entwicklung<br />

einschlagen wollten. Im Rahmen dieser Beziehungen<br />

wurde auch die Gewährung medizinischer<br />

Hilfeleistungen vereinbart. Da<br />

die Haltung mancher dieser „befre<strong>und</strong>eten“<br />

Staaten im Laufe der Zeit wechselte, wurde<br />

die medizinische Hilfeleistung der DDR unterschiedlichen<br />

Staaten zuteil: Wurden anfangs<br />

Ärzte z. B. nach Algerien, Ghana <strong>und</strong><br />

Ägypten entsandt, betraf das später mehr<br />

Angola, Mosambik, Nikaragua, Kambotscha<br />

<strong>und</strong> Äthiopien. Dabei ist nicht zu übersehen,<br />

dass es sich oft um innenpolitisch außerordentlich<br />

instabile Länder handelte, in denen<br />

Bürgerkrieg oder zumindest bürgerkriegsähnliche<br />

Zustände herrschten.<br />

Die medizinischen Hilfeleistungen beruhten<br />

auf zwischenstaatlichen Verträgen<br />

zwischen der DDR <strong>und</strong> dem jeweiligen Entwicklungsland<br />

<strong>und</strong> wurde prinzipiell von<br />

staatlichen Stellen der DDR organisiert:<br />

Das Ministe rium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

war zuständig für Ärzte aus Bezirks- <strong>und</strong><br />

Kreiskrankenhäusern, das Ministerium für<br />

Hochschulwesen für Ärzte aus Universitätskliniken.<br />

Seltener wurden Außenhandelsbetriebe<br />

wie BIEG u. a. aktiv. Für die Abwicklung<br />

vor Ort waren die Botschaften der DDR<br />

zuständig, die wiederum von verschiedenen<br />

untergeordneten Strukturen (z. B. INTER-<br />

COOP) unterstützt wurden.<br />

Die Auswahl geeigneter Ärzte oblag in der<br />

Regel der Abteilung Ges<strong>und</strong>heitswesen bei<br />

den Räten der Bezirke. Die Anregung zu<br />

einer Tätigkeit im Ausland ging fast ausschließlich<br />

von dieser Behörde aus, während<br />

persönliche Bewerbungen <strong>und</strong> Initiativen<br />

eher Ausnahmen darstellten. Dabei war die<br />

DDR schon aus Imagegründen an der Entsendung<br />

erfahrener kompetenter Fachärzte<br />

interessiert. Die Zugehörigkeit zu einer Partei<br />

stellte dagegen kein Kriterium für einen<br />

derartigen Einsatz dar. Ehepaare konnten<br />

gemeinsam reisen, wenn eine geeignete<br />

berufliche Tätigkeit für den Ehepartner am<br />

Einsatzort vorhanden war <strong>und</strong> Kinder in der<br />

DDR zurückblieben.<br />

In unserem Fall konfrontierte uns völlig<br />

überraschend <strong>und</strong> ohne jede Vorankündigung<br />

eine Mitarbeiterin des Rates des Bezirkes<br />

mit der Frage, ob wir bereit wären,<br />

2 Jahre lang als Chirurg <strong>und</strong> Krankenschwester<br />

in einem Provinzkrankenhaus in Mosambik<br />

zu arbeiten. Die Entscheidung darüber<br />

lag ausschließlich bei uns; Druck wurde<br />

nicht ausgeübt.<br />

Die Motivation für die Übernahme einer<br />

solchen Aufgabe dürfte bei den einzelnen<br />

Kandidaten sicher unterschiedlich gewesen<br />

sein. Bei uns überwog eindeutig der<br />

Gedanke, der Eintönigkeit des täglichen Lebens<br />

in der Enge der DDR für eine gewisse<br />

Zeit zu entfliehen <strong>und</strong> etwas völlig Neues,<br />

einschließlich des Erlernens einer Fremdsprache<br />

(bei uns portugiesisch) kennen zu<br />

lernen. Weiter war für uns, wie sicher auch<br />

für viele andere Kollegen, der Wunsch sehr<br />

wesentlich, sinnvolle Hilfe in einem Entwicklungsland<br />

zu leisten. Finanzielle Erwägungen<br />

dürften demgegenüber von untergeordneter<br />

Bedeutung gewesen sein. Eine<br />

entsprechende Absicherung war gegeben,<br />

da die Planstelle während der Abwesenheit<br />

nicht anderweitig vergeben werden durfte<br />

<strong>und</strong> somit die Rückkehr auf den alten Arbeitsplatz<br />

gewährleistet war. Das Gehalt<br />

wurde während des Einsatzes weiter gezahlt,<br />

hinzu kam vor Ort eine zusätzliche relativ<br />

geringe Auslösung in der Landeswährung.<br />

Eine größere Rolle, was allerdings für<br />

uns nicht zutraf, dürften dagegen nicht selten<br />

Absprachen über einen Karrieresprung<br />

nach Beendigung des Einsatzes gespielt<br />

haben.<br />

Die unmittelbare Vorbereitung bestand in<br />

der Teilnahme an einem intensiven Sprachkurs<br />

<strong>und</strong> der aufwändigen Beschaffung mitzunehmender<br />

persönlicher Ausrüstungsgegenstände<br />

<strong>und</strong> Nahrungsmittel. Es mussten<br />

u. a. Kleidung, Waschmittel, Kosmetika <strong>und</strong><br />

persönliche Medikamente für 2 Jahre <strong>und</strong><br />

Nahrungsmittel für 3 Monate, dazu zahlreiche<br />

Ausrüstungsgegenstände wie Tauchsieder,<br />

Elektrokocher, Backform usw. besorgt<br />

<strong>und</strong> verpackt werden. Dazu standen neben<br />

dem üblichen Fluggepäck insgesamt 100 kg<br />

„Vorausgepäck“ <strong>und</strong> eine Seekiste für weitere<br />

100 kg zur Verfügung. Diese Vorbereitungen<br />

waren speziell für Mosambik wegen<br />

der dort herrschenden extremen Notsituation<br />

(es waren weder Nahrungsmittel noch<br />

andere Gegenstände käuflich zu erwerben)<br />

erforderlich; der „Nachschub“ wurde dann<br />

direkt aus der DDR in einem 3-Monate-<br />

Rhythmus realisiert. Brot musste von den<br />

Frauen selbst gebacken, das gesamte Trinkwasser<br />

musste gefiltert, abgekocht <strong>und</strong> anschließend<br />

gekühlt werden.<br />

Eigene Erfahrungen in Mosambik<br />

Aufgr<strong>und</strong> der genannten Verträge versorgten<br />

Fachärzte aus der DDR die Provinzkrankenhäuser<br />

in Chimoio <strong>und</strong> Tete, wobei<br />

wir in Tete, ca. 800 km landeinwärts von der<br />

Hauptstadt Maputo entfernt am Sambesi<br />

gelegen, zum Einsatz kamen. Dieser einzigen<br />

stationären Einrichtung in der gleichnamigen<br />

Provinz oblag die Versorgung der<br />

ca. 1 Million Einwohner in einem Gebiet von<br />

der Größe etwa eines Viertels von Deutschland.<br />

Die Gesamtsituation wurde damals bestimmt<br />

durch einen seit ca. 10 Jahren tobenden<br />

Bürgerkrieg, wobei das regierungstreue<br />

Militär die großen Städte besetzt<br />

hielt <strong>und</strong> dort auch für Sicherheit sorgte,<br />

während das gesamt flache Land de facto<br />

von den „Rebellen“ beherrscht wurde. Daraus<br />

ergaben sich besonders für die weit<br />

von der Hauptstadt entfernten Provinzen<br />

wie Tete außerordentliche Schwierigkeiten<br />

durch den vollständigen Zusammenbruch<br />

der gesamten Infrastruktur <strong>und</strong> die damit<br />

verb<strong>und</strong>ene Unterbrechung der Straßenverbindungen<br />

<strong>und</strong> damit der Nachschubwege<br />

für Nahrungsmittel <strong>und</strong> sonstige Hilfsmaßnahmen.<br />

Die einzige Verbindung zur Hauptstadt<br />

bestand in einer einzigen Flugverbindung<br />

pro Woche. Dieses Flugzeug wurde<br />

stets sehnlichst erwartet, da es möglicher-<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 43


weise Post aus der Heimat an Bord hatte.<br />

Stabile Straßenverbindungen existierten<br />

auch innerhalb der Provinz Tete nicht mehr,<br />

so dass die Mehrzahl der Einwohner das<br />

Provinzkrankenhaus nur unter größten<br />

Schwierigkeiten erreichen konnte.<br />

Unter diesen unruhigen Umständen<br />

standen natürlich Fragen der eigenen Sicherheit<br />

stets im Mittelpunkt, zumal wir erleben<br />

mussten, wie Ansiedlungen in naher<br />

Umgebung der Stadt Tete überfallen <strong>und</strong><br />

niedergebrannt <strong>und</strong> ihre Einwohner getötet<br />

oder schwer verletzt wurden.<br />

In die Zeit unseres Aufenthaltes fiel auch<br />

ein tragisches Ereignis, als in einer anderen<br />

Provinz landwirtschaftliche Entwicklungshelfer<br />

aus der DDR auf dem Weg zu ihrer<br />

Arbeit in einen Hinterhalt gerieten <strong>und</strong> ermordet<br />

wurden.<br />

Wir können aber retrospektiv feststellen,<br />

dass wir glücklicherweise selbst nie in gefährliche<br />

Situationen geraten sind, wobei<br />

wir uns allerdings nie außerhalb der Stadt<br />

aufgehalten haben, was übrigens auch<br />

sinnvollerweise von der Botschaft der DDR<br />

so vorgegeben war.<br />

Erstaunlich schnell wurden wir von der Bevölkerung<br />

angenommen <strong>und</strong> integriert. Dabei<br />

schätzten wir die zahlreichen Kontakte<br />

mit ganz unterschiedlichen Personengruppen<br />

als sehr interessant <strong>und</strong> wertvoll ein.<br />

Für ganz einfache Menschen war ein kurzer<br />

Besuch unsererseits in ihren Unterkünften<br />

eine Ehre. Einladungen für unsere Mitarbeiter<br />

wie z. B. die spanischen Nonnen bereiteten<br />

beiden Seiten große Freude. Gern<br />

statteten wir indischen, pakistanischen<br />

oder den wenigen verbliebenen portugiesischen<br />

Familien Besuche ab. Eine gute <strong>und</strong><br />

längere Zusammenarbeit bestand mit einer<br />

jungen britischcn Ärztin, gelegentliche Kontakte<br />

auch zu französischen „Ärzten ohne<br />

Grenzen“ <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esdeutschen Entwicklungshelfern.<br />

Es soll nicht verschwiegen<br />

werden, dass es eine Pflicht zur Berichterstattung<br />

über derartige Kontakte gab, die<br />

man mühelos damit erfüllte, dass man in<br />

größeren Abständen entsprechend harmlose<br />

kurze Schreiben verfasste, etwa wir<br />

folgt: „Bei einem Kaffeetrinken mit mosambikanischen<br />

Mitarbeitern wurde die<br />

schwierige Versorgungslage ausführlich<br />

diskutiert.“<br />

Abwechslung im etwas ermüdenden<br />

Alltag vermittelten ansonsten nur Kinobesuche,<br />

wo überwiegend sehr seichte<br />

indische Filme oder aber Karate-Filme gezeigt<br />

wurden. Echte Höhepunkte dagegen<br />

bedeuteten für uns die Christvespern in der<br />

hochmodernen Kathedrale, denn Tete war<br />

katholischer Bischofssitz.<br />

Abb. 1 Besuch bei einer „Medizinfrau“. Aus: Privatarchiv D. <strong>und</strong> K. Paul<br />

Die Einheimischen waren diesen politischen<br />

Wirren praktisch schutzlos ausgeliefert.<br />

Die Lage wurde zusätzlich durch<br />

eine kaum vorstellbare Hungersnot infolge<br />

des Ausbleibens einer Regenzeit 1983/1984<br />

kompliziert. Diese wurde noch wesentlich<br />

verstärkt durch das Ausbleiben von Hilfsmaßnahmen,<br />

was wiederum auf die völlig<br />

darniederliegende Infrastruktur zurückzuführen<br />

war. Verhungerte Menschen am<br />

Straßenrand <strong>und</strong> am Hunger gestorbene<br />

Kinder, die von ihren Müttern ins Krankenhaus<br />

gebracht wurden, waren keine seltenen,<br />

dafür aber psychisch belastenden Erlebnisse.<br />

Bezeichnend für die extrem hohe<br />

Kindersterblichkeit war, dass verstorbene<br />

Kinder erst ab dem 5. Lebensjahr registriert<br />

wurden. Auch die Leistungsfähigkeit des<br />

mit uns zusammenarbeitenden Personals<br />

litt natürlich unter diesen Bedingungen.<br />

Nicht zu unterschätzen <strong>und</strong> aus europäischer<br />

Sicht sicher kritisch zu bewerten<br />

war die verbreitete Tätigkeit von Medizinmännern<br />

<strong>und</strong> -frauen. Die Einheimischen<br />

suchten primär fast regelmäßig vor der<br />

Konsultation eines Arztes den „curandeiro“<br />

auf, was auch auf Mosambikaner zutraf, die<br />

in der DDR jahrelang eine berufliche Ausbildung<br />

absolviert hatten. Wir lernten eine<br />

Medizinfrau, die sich von uns an einem Leistenbruch<br />

operieren ließ, kennen <strong>und</strong> hatten<br />

die seltene Gelegenheit, einmal ihren<br />

Behandlungen beizuwohnen ( Abb. 1).<br />

Alle im Krankenhaus tätigen DDR-Bürger<br />

waren gemeinsam in einem recht modernen<br />

Haus mit großen Wohnungen untergebracht,<br />

in unmittelbarer Nähe wohnten<br />

indische <strong>und</strong> pakistanische Familien, zu<br />

denen sich rasch gutnachbarliche Beziehungen<br />

ergaben. Allerdings schützten uns<br />

diese für mosambikanische Verhältnisse<br />

sehr guten Wohnbedingungen nicht vor<br />

unkalkulierbaren Ausfällen der Strom- <strong>und</strong><br />

Wasserversorgung einschließlich von Kühlschrank<br />

<strong>und</strong> Klimaanlage <strong>und</strong> der Ausgang<br />

des Kampfes gegen die allgegenwärtigen<br />

Kakerlaken blieb jederzeit spannend.<br />

Belastend waren zweifellos auch die<br />

klimatischen Verhältnisse, zumal die Regenzeit<br />

in die Sommermonate Oktober bis<br />

März mit Temperaturen bis um 40°C fiel,<br />

während die Wintermonate April bis September<br />

(Trockenperiode mit Temperaturen<br />

zwischen 20° <strong>und</strong> 30°C) wesentlich angenehmer<br />

waren.<br />

Im von den Portugiesen recht zweckmäßig<br />

konzipierten Provinzkrankenhaus Tete waren<br />

2 Chirurgen, 1 Gynäkologe, 1–2 Pädiater,<br />

1 Internist, 1 Zahnarzt <strong>und</strong> 1 Apothekerin<br />

aus der DDR tätig. Zwei der mitreisenden<br />

Ehefrauen konnten als Krankenschwestern,<br />

eine weitere als MTA (Laborantin) arbeiten.<br />

Das Krankenhaus stand unter der Leitung<br />

des einzigen einheimischen Arztes, eines<br />

Allgemeinmediziners. Als Anaesthesisten<br />

fungierten 2 fachlich ausgezeichnete „Techniker“,<br />

d. h. speziell ausgebildete Krankenpfleger.<br />

Da der andere Chirurg überwiegend<br />

abdominalchirurgisch orientiert war, konnte<br />

ich mich schwerpunktmäßig dem unfallchirurgisch-orthopädischen<br />

Krankengut<br />

widmen.<br />

Auch das Operationspersonal besaß eine<br />

durchaus befriedigende Qualifikation <strong>und</strong><br />

in der Zusammenarbeit mit ihm gab es nie<br />

ernsthafte Probleme.<br />

Sehr wertvoll für uns war der Umstand,<br />

dass die Krankenstationen von langjährig<br />

44<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 2 Zusammenarbeit mit spanischer Nonne auf der neu eingerichteten „Mini-Wachstation“. Aus:<br />

Privatarchiv D. <strong>und</strong> K. Paul<br />

Abb. 3 Abszedierende Myositis. Aus: Privatarchiv<br />

D. <strong>und</strong> K. Paul<br />

dort tätigen spanischen Nonnen geleitet<br />

wurden, deren fachliche Kenntnisse <strong>und</strong><br />

vor allem deren Engagement über jeden<br />

Zweifel erhaben waren. Die Freude über die<br />

vertrauensvolle Zusammenarbeit war auf<br />

beiden Seiten groß. Mit ihrer Hilfe wurde es<br />

z. B. meiner Frau ermöglicht, ein Zimmer für<br />

Frischoperierte als „Mini-Wachstation“ einzurichten<br />

( Abb. 2).<br />

Die Versorgung der Patienten wurde erschwert<br />

durch<br />

– eine insuffiziente Röntgentechnik: Die<br />

zur Verfügung stehenden Röntgenfilme<br />

brachten bei dem klimabedingt enorm<br />

hohen Entwicklertemperaturen oft kaum<br />

verwertbare Ergebnisse, trotz aller Bemühungen<br />

eines durchaus gut geschulten<br />

Röntgenassistenten;<br />

– das Fehlen einer Bakteriologie vor Ort: Es<br />

konnten zwar Blut-, Urin- <strong>und</strong> Stuhlproben<br />

auf Malaria <strong>und</strong> Wurmeier untersucht<br />

werden, Keim- <strong>und</strong> Resistenzbestimmungen<br />

mussten jedoch per Flugzeug in<br />

die Hauptstadt gebracht werden, so dass<br />

die Ergebnisse oft erst nach 3 Wochen<br />

zur Verfügung standen. Somit war eine<br />

gezielte Antibiotikagabe praktisch nicht<br />

möglich. Gleiches galt für histologische<br />

Untersuchungen;<br />

– ein sehr „buntes“ Angebot an aus internationalen<br />

Hilfslieferungen stammenden<br />

Medikamenten, weil z. B. deren Zusammensetzung<br />

bei Beschriftungen in Chinesisch<br />

oder Japanisch kaum zu entziffern<br />

war;<br />

– eine nur sehr eingeschränkte Verwendbarkeit<br />

von Geräten <strong>und</strong> Instrumenten, die<br />

entweder inkomplett oder defekt waren<br />

<strong>und</strong> kein Service zur Verfügung stand;<br />

– den häufigen Ausfall der Wasser- <strong>und</strong><br />

Stromversorgung mit entsprechenden<br />

Auswirkungen auf Wäscheaufbereitung,<br />

Sterilisation usw., wobei ein Notstromaggregat<br />

nur für den Operationssaal existierte;<br />

– den Ausfall von Geräten durch Mangel an<br />

technischen Gasen;<br />

– den Mangel an Blutkonserven, da unter<br />

den beschriebenen Lebensbedingungen<br />

kaum Spender zu finden waren, falls sich<br />

nicht ein Familienmitglied zu einer Spende<br />

bereit erklärte;<br />

– die ungenügende Hygiene auf den Stationen<br />

<strong>und</strong><br />

– den herabgesetzten Allgemeinzu stand<br />

der Patienten <strong>und</strong> auch der Mitarbeiter<br />

durch Hunger, Malaria, Tbc, Bilharziose<br />

<strong>und</strong> Durchfallerkrankungen, möglicherweise<br />

auch durch AIDS, wobei uns damals<br />

diesbezüglich sowohl medizinische Erfahrungen<br />

als auch diagnostische Möglichkeiten<br />

fehlten.<br />

Wir Chirurgen wurden mit völlig ungewohnten<br />

Krankheitsbildern konfrontiert,<br />

über die wir vorher nicht aufgeklärt worden<br />

<strong>und</strong> somit auch nicht entsprechend vorbereitet<br />

waren.<br />

In der Allgemeinchirurgie traf das u. a. auf<br />

die Operation unförmiger Inguinalhernien<br />

zu, deren Beseitigung oft an die Grenze der<br />

technischen Möglichkeiten führte.<br />

Eine weitere Besonderheit stellte die Exstirpation<br />

riesiger Splenomegalien als Folge<br />

chronischer Malariaerkrankung dar, wobei<br />

das Risiko hauptsächlich darin bestand,<br />

dass meistens nur 500 bis maximal 1000 ml<br />

Blut bereitgestellt werden konnte.<br />

Während Appendizitiden praktisch nie<br />

vorkamen, musste bei lokalisierten Peritonitiden<br />

im rechten Unterbauch deshalb<br />

primär stets an entzündliche Konglomerattumoren<br />

im Ileozökalbereich infolge Spulwurmbefalls<br />

oder Bilharziose gedacht<br />

werden. Der Mut des Zuwartens mit Durchführung<br />

einer konservativen Behandlung<br />

wurde damit belohnt, dass eine risikoreiche<br />

Laparotomie mit eventueller rechtsseitiger<br />

Hemikolektomie vermieden werden konnte.<br />

Völlig überraschend entdeckten wir bei<br />

einigen Probelaparotomien junger Männer,<br />

die völlig unklare Peritonitissymptome boten,<br />

Dünndarmperforationen infolge eines<br />

Typhus abdominalis. Die Dünndarmresektion<br />

führte in Verbindung mit Antibiotikagaben<br />

zu überraschend günstigen Heilverläufen.<br />

Ein junger mosambikanischer<br />

Armeearzt, der gern bei uns hospitierte,<br />

stellte uns ein Lehrbuch über „Chirurgie in<br />

den Tropen“ zur Verfügung, welches für uns<br />

bei der Erkennung <strong>und</strong> Behandlung derartig<br />

exotischer Krankheitsbilder von unschätzbarem<br />

Wert war.<br />

Völlig unbekannt waren uns auch riesige<br />

Abszessbildungen an den Extremitäten,<br />

auffälligerweise ohne schwerere Allgemeinsymptome.<br />

Bei der Spaltung entleerten sich<br />

dann Eitermengen von oft über 1000 ml in<br />

Verbindung mit ausgedehnten Muskelnekrosen<br />

(abszedierende Myositis) ( Abb. 3).<br />

Für den Unfallchirurgen stellte die Versorgung<br />

der häufigen Schussverletzungen aller<br />

Art die größte Herausforderung dar. Diese<br />

betrafen seltener die Körperhöhlen, da diese<br />

Verletzten wahrscheinlich in der Mehrzahl<br />

der Fälle das Hospital nicht lebend erreichten,<br />

sondern überwiegend die<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 45


46<br />

Abb. 4 Verletzung nach unsachgemäßem<br />

Umgang mit einer Panzerfaust. Aus: Privatarchiv<br />

D. <strong>und</strong> K. Paul<br />

Abb. 5 Minenopfer. Aus: Privatarchiv D. <strong>und</strong> K.<br />

Paul<br />

Abb. 6 „Transfixationsgips“ zur Behandlung<br />

infizierter Schussbrüche. Aus: Privatarchiv D.<br />

<strong>und</strong> K. Paul<br />

Extremitäten. Infolge der bereits beschriebenen<br />

desolaten Infrastruktur handelte es<br />

sich überwiegend um bereits einige Tage<br />

alte unversorgte Schussbrüche mit beginnenden<br />

Infektzeichen, die, wenn einmal ein<br />

Konvoi das Krankenhaus erreichte, stets in<br />

der Mehrzahl (bis zu 20 Verletzte) eingeliefert<br />

wurden ( Abb. 4).<br />

Besonders schwere Verletzungen mit<br />

Zertrümmerung der unteren Extremitäten,<br />

oft einschließlich der Genitalien, sahen wir<br />

nach Minenexplosionen ( Abb. 5).<br />

Hieb- <strong>und</strong> Stichverletzungen durch<br />

Buschmesser <strong>und</strong> Bajonette vervollständigten<br />

die Palette der durch den Bürgerkrieg<br />

bedingten <strong>und</strong> uns Europäern weitgehend<br />

unbekannten Verletzungsarten.<br />

Da der Fluss Sambesi reichlich von Krokodilen<br />

<strong>und</strong> Flusspferden besiedelt ist <strong>und</strong> die<br />

Einheimischen prinzipiell bis zu den Knien<br />

im <strong>und</strong>urchsichtig braunen Wasser stehend<br />

angelten, mussten mehrfach Nachamputationen<br />

nach abgerissenen Beinen infolge<br />

von Krokodilbissen vorgenommen werden,<br />

sofern der Betroffene überhaupt lebend die<br />

Klinik erreichte. Einmal mussten wir eine<br />

Frau mit Mehrfachfakturen versorgen, die<br />

vor ihrer Hütte von einem Flusspferd angefallen<br />

<strong>und</strong> durch die Luft gewirbelt worden<br />

war.<br />

Als häufigster typischer Verkehrsunfall<br />

ist der Sturz von der Ladefläche eines Lkw<br />

mit entsprechenden Folgen zu nennen.<br />

Schwere Verbrennungen ereigneten sich<br />

sehr häufig sowohl bei Kindern wie auch bei<br />

Erwachsenen, wenn diese am offenen Feuer<br />

in der Hütte einschliefen, eine seltenere Ursache<br />

war der unsachgemäße Umgang mit<br />

brennbaren Flüssigkeiten.<br />

Weitere Indikationen ergaben sich aus der<br />

Notwendigkeit rekonstruktiver Maßnahmen<br />

bei Pseudarthrosen, Fehlstellungen,<br />

Osteomyelitiden, Gelenktuberkulosen, Nervenverletzungen,<br />

chronischen Hautdefekten<br />

<strong>und</strong> Kontrakturen nach Verbrennungen.<br />

Unfälle waren mit 44,9 % an den 2427 innerhalb<br />

von 21 Monaten stationär aufgenommen<br />

Patienten in der Chirurgie beteiligt. In<br />

diesem Zeitraum wurden stationär <strong>und</strong> ambulant<br />

1274 Knochenbrüche versorgt.<br />

Das Fehlen kompletter Systeme zur Osteosynthese,<br />

noch stärker aber die ungünstigen<br />

Hygienebedingungen <strong>und</strong> auch die Mentalität<br />

<strong>und</strong> der Intelligenzgrad der Patienten<br />

zwangen prinzipiell zunächst zur Ausschöpfung<br />

aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten<br />

(88 % der Extremitätenfrakturen).<br />

Plattenosteosynthesen waren aus den genannten<br />

Gründen als sehr problematisch<br />

einzuschätzen, zumal eine effektive Nachbehandlung<br />

<strong>und</strong> Nachuntersuchungen <strong>und</strong>urchführbar<br />

waren <strong>und</strong> „Teilbelastungen“<br />

<strong>und</strong> ähnliche Maßnahmen kaum von den<br />

Patienten realisiert wurden.<br />

Für einige Verletzungen, mehr noch für<br />

die genannten rekonstruktiven Eingriffe,<br />

eigneten sich eher die wenigen vorhandenen<br />

Marknägel. Optimal wären für eine<br />

große Anzahl der Fälle die Anwendung geeigneter<br />

(billiger) Fixateur externe-Systeme<br />

gewesen, die aber nicht zur Verfügung<br />

standen. So blieb als – übrigens recht erfolgreicher<br />

– Ausweg besonders bei infizierten<br />

Unterschenkelschussbrüchen eine<br />

Improvisation in Form eines „Transfixations-<br />

Gipses“, wobei eingebrachte Steinmann-<br />

Nägel mit beidseits angebrachten schmalen<br />

Gipslonguetten verb<strong>und</strong>en wurden <strong>und</strong><br />

anschließend das Gebilde zu einem inkompletten<br />

Oberschenkelliegegips ergänzt wurde<br />

( Abb. 6).<br />

Umfangreiche klinische Erfahrungen,<br />

besonders aber solide biomechanische<br />

Kenntnisse bilden die Gr<strong>und</strong>lage dafür,<br />

dass sich mit derartigen, auf den Einzelfall<br />

zugeschnittenen „Improvisationen“ durchaus<br />

gute/befriedigende Resultate erzielen<br />

lassen. Unfallchirurgie in Entwicklungsländern<br />

kann keine Aufgabe für Anfänger sein<br />

( Abb. 7).<br />

Eigene Erfahrungen in Uganda<br />

Ein weiterer 6-monatiger Aufenthalt in<br />

Ugan da 1989 basierte auf einem Wirtschaftsabkommen,<br />

in dessen Rahmen die<br />

DDR für einen neu gebauten Operationstrakt<br />

eines Krankenhauses in Kampala die<br />

gesamte technische <strong>und</strong> instrumentelle<br />

Ausstattung geliefert hatte. Gemeinsam<br />

mit einem Anaesthesisten hatte ich die Aufgabe,<br />

den Operationstrakt einzurichten <strong>und</strong><br />

in Betrieb zu nehmen.<br />

Auch hier bestand das Krankengut überwiegend<br />

aus den Folgen oft jahrelang zurückliegender<br />

Schussverletzungen während<br />

des Bürgerkrieges (Infekt-/Defektpseudarthrosen,<br />

chronische Gelenkempyeme; teilweise<br />

groteske Fehlstellungen). Da aber alle<br />

gängigen Instrumente zur Verfügung standen,<br />

konnte die Behandlung nach den anerkannten<br />

Prinzipien vorgenommen werden,<br />

so dass auf eine detaillierte Darstellung<br />

verzichtet werden kann. Während des Aufenthaltes<br />

in Kampala konnten von mir die<br />

ersten 6 Hüftgelenkstotalendoprothesen in<br />

Uganda implantiert werden.<br />

Eine nicht zu übersehende Proble matik<br />

bestand hier jedoch darin, dass die auf<br />

den Stationen herrschenden Verhältnisse<br />

den weitgehend optimalen Bedingungen<br />

im neuen Operationstrakt diametral entgegengesetzt<br />

waren, besonders was die<br />

Sauberkeit <strong>und</strong> Hygiene betraf. So musste<br />

in jedem einzelnen Fall bei der Durchfüh-<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 7 Ergebnis nach Arthrodese linkes<br />

Hüftgelenk, valgisierender Osteotomie linker<br />

Oberschenkel <strong>und</strong> Verkürzungsosteotomie<br />

rechter Oberschenkel nach frühkindlicher<br />

Hüftkopfnekrose unbekannter Genese. Aus:<br />

Privatarchiv D. <strong>und</strong> K. Paul<br />

rung eines aseptischen Eingriffs mit großer<br />

Hartnäckigkeit eine gesonderte <strong>und</strong> somit<br />

zumindest einigermaßen adäquate Unterbringung<br />

durchgesetzt werden, um Misserfolge<br />

zu vermeiden.<br />

Zusammenfassung<br />

– Der Einsatz von Unfallchirurgen stellt einen<br />

wesentlichen Teil der medizinischen<br />

Hilfeleistungen in Entwicklungsländern<br />

dar <strong>und</strong> ist deshalb generell als wertvoll<br />

<strong>und</strong> sinnvoll einzuschätzen.<br />

– Für die notleidenden <strong>und</strong> auf kompetente<br />

ärztliche Hilfe wartenden Menschen in<br />

den Entwicklungsländern ist es unerheblich,<br />

aus welchen Staaten diese Hilfe<br />

kommt <strong>und</strong> auf welchen persönlichen,<br />

karitativen oder auch politischen Motiven<br />

diese Hilfe basiert.<br />

– Die seitens der DDR-Ärzte geleistete Arbeit<br />

war zweifellos effektiv <strong>und</strong> wurde vor<br />

Ort als sehr wertvoll eingeschätzt, weil<br />

erfahrende Fachärzte entsandt wurden,<br />

die fähig waren, auch unter schwierigen<br />

Bedingungen zumindest befriedigende<br />

Resultate zu erzielen.<br />

– Die organisatorische Vorbereitung der<br />

Ärzte, deren Betreuung im Einsatzland<br />

seitens der DDR-Behörden <strong>und</strong> der gesicherte<br />

Erhalt des Arbeitsplatzes in der<br />

Heimat können retrospektiv als durchaus<br />

zweckentsprechend <strong>und</strong> nützlich bezeichnet<br />

werden.<br />

– Übereinstimmend schätzen in Entwicklungsländern<br />

tätig gewesene Kollegen<br />

auch noch nach Jahren nicht nur ihre fachliche<br />

Tätigkeit als sinnvoll <strong>und</strong> effektiv ein,<br />

sondern verweisen auch darauf, dass ein<br />

derartiger Einsatz sie durch das Kennnenlernen<br />

der Schönheiten <strong>und</strong> der Probleme<br />

des faszinierenden Erdteils Afrika bereichert,<br />

besonders aber auch persönlichcharakterlich<br />

wesentlich geprägt habe.<br />

PD Dr. D. Paul<br />

K. Paul<br />

Wilder-Mann-Str. 42<br />

01129 Dresden<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 47


Erinnerungen an mein Zusatzstudium im<br />

Lettischen wissenschaftlichen Institut für<br />

Traumatologie <strong>und</strong> Orthopädie in Riga<br />

1. Januar bis 30. Juni 1986<br />

F. Schulz<br />

„Du musst als parteiloser Mitarbeiter an einer<br />

Universitätsklinik ein Gegengewicht haben<br />

<strong>und</strong> eine Habilitation (B-Promotion) in<br />

Angriff nehmen.“ So oder ähnlich war der<br />

Rat meines damaligen unfallchirurgischen<br />

Lehrers <strong>und</strong> Förderers, Prof. Dr. Markgraf, in<br />

der Jenaer Chirurgischen Universitäts-klinik.<br />

In dieser Zeit (80er Jahre) war auch in der<br />

Chirurgischen Universitätsklinik in Jena die<br />

Habilitation die Muss-Voraussetzung für<br />

eine Oberarzternennung. Bei der Aufnahme<br />

meiner Untersuchungen zur Habilitation<br />

(B-Promotion) war mir jedoch nicht bewusst,<br />

dass für den erfolgreichen Abschluss<br />

ein Zusatzstudium in einem der „sozialistischen<br />

Bruderländer“ gefordert war. Nach<br />

der Verteidigung meiner Habilitationsschrift<br />

im Dezember 1985 musste ich somit<br />

noch das formale Kriterium „Zusatzstudium“<br />

erfüllen.<br />

Befre<strong>und</strong>ete Kollegen hatten berichtet, dass<br />

sie während ihres Zusatzstudiums in Moskau<br />

bzw. Leningrad (St. Petersburg) hauptsächlich<br />

im Operationssaal auf einem Treppchen<br />

über die Schulter des Operateurs schauen<br />

durften <strong>und</strong> relativierten damit insgesamt<br />

den Nutzen eines solchen Aufenthaltes. Für<br />

mich stand somit, fest – da Prag <strong>und</strong> Budapest<br />

in dem für mich in Frage kommenden<br />

Zeitraum nicht möglich war – dass ich mir<br />

in der damaligen Sowjetunion eine andere<br />

Stadt als Moskau oder Leningrad suchen<br />

musste. Neben Prof. Ilisarow in Kurgan war<br />

zu dieser Zeit Prof. Kalnbers in Riga für seinen<br />

Ringfixateur zur Frakturstabilisierung<br />

<strong>und</strong> für Extremitätenkorrekturen bekannt.<br />

Meiner Bewerbung, das Zusatzstudium in<br />

Riga zu absolvieren, wurde nach entsprechenden<br />

Begründungsschreiben vom Direktorat<br />

für Internationale Beziehungen der<br />

Friedrich-Schiller-Universität Jena stattgegeben.<br />

Damit waren jedoch noch nicht alle<br />

Voraussetzungen erfüllt. Ich musste noch<br />

in die <strong>Gesellschaft</strong> für Deutsch-Sowjetische<br />

Fre<strong>und</strong>schaft eintreten <strong>und</strong> den Russisch-<br />

Sprachk<strong>und</strong>igen-Nachweis erbringen. Letzteres<br />

bedeutete ein Jahr vier St<strong>und</strong>en pro<br />

Woche Russischunterricht <strong>und</strong> Ablegen der<br />

Abschlussprüfung.<br />

Nach Überwindung all dieser Hürden flog<br />

ich dann am 2. Januar 1986 via Moskau<br />

nach Riga. Für 14 Tage wohnte ich im Ersten<br />

Hotel am Platz, im Hotel „Latvija“. Umso<br />

größer war die Umstellung, als ich danach<br />

in ein Wohnheim für wissenschaftliche Mitarbeiter<br />

der Rigaer Universität einquartiert<br />

wurde. Selbst für einen nicht verwöhnten<br />

DDR-Bürger waren die Wohnbedingungen<br />

nicht akzeptabel. Es war beeindruckend, mit<br />

welcher Selbstverständlichkeit die überaus<br />

kargen Wohnbedingungen von den jungen<br />

Akademikern der Rigaer Universität toleriert<br />

wurden (schlecht funktionierende Gemeinschaftsduschen;<br />

reparaturbedürftige Außentoiletten;<br />

kleine, dunkle, renovierungsbedürftige<br />

Hinterhofzimmer – möbliert<br />

mit Bett, Stuhl, Tisch, Spind). Ich habe es in<br />

diesem Wohnheim nur zwei Tage <strong>und</strong> zwei<br />

Nächte ausgehalten <strong>und</strong> konnte dann in ein<br />

am Stadtrand gelegenes Ausländerwohnheim<br />

einziehen, allerdings mit dem Preis,<br />

täglich 45 Minuten mit dem Trolleybus<br />

quer durch Riga fahren zu müssen, da das<br />

Traumatologisch-Orthopädische Institut im<br />

gegenüber liegenden Stadtteil lag. Der Unterschied<br />

zwischen den zwei Wohnheimen<br />

war gravierend: Ich bezog eine meinen Bedürfnissen<br />

entsprechende, renovierte <strong>und</strong><br />

gut ausgestattete Appartement-Wohnung<br />

(Bad, kleiner Flur, Küche, Wohnzimmer mit<br />

Schlafcouch).<br />

Am ersten Tag wurde ich morgens von<br />

einem Kollegen abgeholt, im Institut von<br />

Abb. 2 Lageplan der medizinischen Gebäude des<br />

Institutes<br />

Herrn Prof. Kalnbers herzlich begrüßt <strong>und</strong><br />

zunächst mit der Struktur des Institutes<br />

vertraut gemacht ( Abb. 1).<br />

Abb. 1 Prof. Kalnbers demonstriert seinen<br />

„Apparat“. Aus: Informationsbroschüre „Latvian<br />

Scientific Research Institute for Traumatology<br />

and Orthopaedics“ (1981)<br />

Das Lettische wissenschaftliche Institut für<br />

Traumatologie <strong>und</strong> Orthopädie in Riga war<br />

das Zentralinstitut für Wissenschaft, Forschung<br />

<strong>und</strong> Ausbildung <strong>und</strong> für die überregionale<br />

traumatologisch-orthopädische<br />

Versorgung der Patienten der damaligen<br />

baltischen Sowjetrepubliken Lettland, Litauen<br />

<strong>und</strong> Estland zuständig. Die Gebäude<br />

der medizinischen Abteilungen des Institutes<br />

lagen verstreut in einem parkähnlichen<br />

Gelände. Die Operationssäle waren<br />

dezentralisiert in den einzelnen operativen<br />

Abteilungen untergebracht ( Abb. 2, 3).<br />

Abb. 3 Gebäude der ersten <strong>und</strong> zweiten<br />

klinischen Abteilung<br />

48<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Die klinischen Abteilungen verfügten damals<br />

insgesamt über 450 traumatologischorthopädische<br />

Betten. Täglich wurden<br />

unfallchirurgische Notfallpatienten einschließlich<br />

neuro-traumatologischer <strong>und</strong><br />

Verbrennungspatienten sowie Patienten<br />

mit orthopädischen Erkrankungen aufgenommen.<br />

Die Zuweisung erfolgte aus allen<br />

Städten <strong>und</strong> Distrikten Lettlands <strong>und</strong> den<br />

anderen damaligen baltischen Republiken.<br />

Des weiteren waren die erfahrenen unfallchirurgisch-orthopädischen<br />

Kollegen des<br />

Institutes oft zu Konsultationen <strong>und</strong> operativer<br />

Unterstützung in den anderen Kliniken<br />

Rigas <strong>und</strong> per Hubschrauber in ganz Lettland<br />

unterwegs. Der entsprechende consult<br />

doctor war oft tagelang nicht im Institut<br />

einsetzbar. In den 80er Jahren wurden ca.<br />

6500 Patienten jährlich in den Kliniken des<br />

Institutes stationär behandelt. 7000 operative<br />

Eingriffe wurden durchgeführt. Die<br />

Zahl der ambulanten Behandlungen betrug<br />

ca. 25000 im Jahr. Das Zentrum des Institutes<br />

bildete das Forschungsdepartment<br />

der Methodik der externen Knochenfixation<br />

mit dem Kompressions-Distraktions-Apparat<br />

nach Prof. Kalnbers. Angeschlossen<br />

waren biophysikalische <strong>und</strong> biomechanische<br />

Forschungslabors. So wurde die<br />

Frakturheilung unter den Bedingungen des<br />

„Kalnbers-Apparates“ unter unterschiedlichen<br />

Lastbedingungen, nach Einbringen<br />

allogener demineralisierter Knochenmatrix,<br />

unter Magnetfeldbedingungen, mit direkter<br />

bzw. indirekter Elektrostimulation sowie<br />

bei komplizierten Frakturen auch mit immuntherapeutischen<br />

Verfahren untersucht.<br />

Es wurden an Materialprüfmaschinen vergleichende<br />

Stabilitätsmessungen unterschiedlicher<br />

Ringmontagen durchgeführt,<br />

um die bestmögliche rigide Konstruktion<br />

zu erzielen. Im Labor für klinische Biophysik<br />

wurden in Zusammenarbeit mit der Akademie<br />

der Wissenschaften der Lettischen<br />

Sowjetrepublik die Voraussetzungen für die<br />

Serienproduktion des „Alfa pulsar“, eines<br />

Gerätes für die niederfrequente elektromagneti-sche<br />

Therapie bei Patienten mit verzögerter<br />

Frakturheilung, geschaffen. Die Behandlungsstrategien<br />

bei angeborenen <strong>und</strong><br />

erworbenen Skelettfehlstellungen <strong>und</strong> zur<br />

Frakturversorgung waren ausschließlich auf<br />

den „Kalnbers-Kompressions-Distraktions-<br />

Apparat“ ausgerichtet. Die bei uns angewendeten<br />

Osteosyntheseverfahren der internen<br />

Knochenbruchfixation kamen kaum<br />

zur Anwendung <strong>und</strong> wenn, dann nicht nach<br />

den Prinzipien der AO. In der experimentellen<br />

Abteilung des Institutes unter der<br />

Leitung von Prof. Kalnbers wurde die erste<br />

Generation des externen Kompressions-Distraktions-Apparates<br />

bereits 1976 entwickelt<br />

<strong>und</strong> in den folgenden Jahren bis 1979 kontinuierlich<br />

verbessert. Mit seinen Bestandtei-<br />

len – Plastehalbringen bzw. Komplettringen<br />

in flacher, mit Bohrungen versehener oder<br />

r<strong>und</strong>er Form, den Befestigungsschellen, Gewindestangen<br />

<strong>und</strong> Kompressions- bzw. Distraktionsmuttern,<br />

war es möglich – über die<br />

transossär eingebrachten <strong>und</strong> gespannten<br />

Kirschnerstifte (mit oder ohne Olive) die Reposition<br />

<strong>und</strong> rigide Fixation von Schaftfrakturen<br />

<strong>und</strong> Gelenkfrakturen zu erzielen. Für<br />

mich beeindruckend war, mit welcher Präzision<br />

das Anlegen des Apparates geplant<br />

<strong>und</strong> durchgeführt wurde. Anhand des präoperativen<br />

Röntgenbildes wurden die Positionierung<br />

der Kirschnerstifte <strong>und</strong> die Lage<br />

der Ringe festgelegt, unmittelbar vor der<br />

Operation die Landmarken der Region, der<br />

Verlauf der wichtigen funktionellen Gebilde<br />

<strong>und</strong> der Frakturverlauf aufgezeichnet. Die<br />

begleitende Röntgenbildverstärkerkontrolle<br />

während der Operation war obligat. Für<br />

jede Region der Extremitätenknochen, Gelenkregion<br />

<strong>und</strong> Schaftknochen der oberen<br />

<strong>und</strong> unteren Extremität gab es einen Spezialisten,<br />

der dieses Gebiet wissenschaftlich<br />

bearbeitet <strong>und</strong> darüber promoviert hatte.<br />

Ich konnte während meiner Hospitation<br />

bei allen Operationen assistieren <strong>und</strong> auch<br />

selbst den „Apparat“ mit erfahrenen Kollegen<br />

anlegen ( Abb. 4–6).<br />

Komplexe <strong>und</strong> schwierige Frakturformen<br />

aller Extremitätenregionen wurden überzeugend<br />

<strong>und</strong> routiniert mit dem Kalnbers<br />

Apparat dreidimensional reponiert, retiniert<br />

<strong>und</strong> individuell frakturtypadäquat funktionell<br />

mit guten <strong>und</strong> akzeptablen Ergebnissen<br />

zur Ausheilung gebracht. Sicher ist diskussionswürdig,<br />

dass Frakturen ausschließlich<br />

mit dem Kalnbers-Apparat stabilisiert wurden<br />

<strong>und</strong> andere Osteosyntheseverfahren<br />

praktisch nicht zur Anwendung kamen.<br />

Verantwortlich dafür waren die materialtechnischen<br />

Voraussetzungen: das AO-<br />

Instrumentarium <strong>und</strong> die AO-Implantate<br />

sowie intramedulläre Nagelsysteme waren<br />

zwar bekannt, aber nicht vorhanden. So war<br />

die „Wahl“ des geeigneten Osteosyntheseverfahrens<br />

vorgegeben. Ich habe lediglich<br />

vereinzelt Osteosyntheseplatten polnischen<br />

Fabrikates gesehen. Auch die Hüftendoprothetik<br />

war aufgr<strong>und</strong> der herrschenden Mangelsituation<br />

aus meiner Sicht unterentwickelt,<br />

obwohl verschiedene Biomaterialien<br />

auf ihre statischen <strong>und</strong> dynamischen Eigenschaften<br />

im sogenannten Endoprothesenlabor<br />

untersucht wurden. Ein schwedisches<br />

Team hat einmal an zwei Tagen bikondyläre<br />

Knieprothesen implantiert. Sie hatten dafür<br />

alle Instrumente <strong>und</strong> Implantate bis hin zum<br />

Nahtmaterial mitgebracht. Der materialtechnische<br />

Mangel hat jedoch andererseits<br />

zu vielen eigenständigen patentrechtlichen<br />

Entwicklungen geführt <strong>und</strong> insgesamt das<br />

Improvisationsvermögen gefordert. Ich<br />

Abb. 4 Planung der Positionierung des<br />

„Apparates“<br />

Abb. 5 Der „Kalnbers-Apparat“ am Ober- <strong>und</strong><br />

Unterschenkel in situ<br />

Abb. 6 Der Patient während der funktionellen<br />

Nachbehandlung<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 49


Abb. 7 Reiserouten während meines<br />

Studienaufenthaltes<br />

erinnere mich an ein dem Schenkelhalsdurchmesser<br />

angepasstes köcherförmiges<br />

Zielgerät zum Einbringen einer Vielzahl von<br />

Kirschnerstiften zur Versorgung medialer<br />

<strong>und</strong> lateraler Schenkelhalsfrakturen oder an<br />

eine Halsmanschette, die über einen Federmechanismus<br />

zur kontrollierten Distraktion<br />

der HWS führte (Prof. Zeidurs).<br />

Regelhaft begann der Dienst im Institut um<br />

7:30 Uhr mit einer Morgenbesprechung<br />

<strong>und</strong> Röntgenvisite, die zur sprachlichen<br />

Schulung der Mitarbeiter in verschiedenen<br />

Abteilungen abwechselnd russisch, lettisch,<br />

englisch oder deutsch abgehalten wurden.<br />

Um 8:00 Uhr begann dann das Operationsprogramm.<br />

Außer Akutoperationen, die<br />

notfallmäßig versorgt wurden, wurde nur<br />

an jedem zweiten Tag elektiv operiert. Die<br />

anderen Tage wurden für Stationsarbeiten<br />

<strong>und</strong> administrative Tätigkeiten genutzt. Regelmäßige<br />

Weiterbildungsveranstaltungen<br />

fanden außerhalb der regulären Dienstzeit<br />

statt. Vordergründig habe ich während<br />

meines Studienaufenthaltes in Riga die<br />

Frakturversorgung, das Pseudarthrosenmanagement<br />

<strong>und</strong> die Korrektur angeborener<br />

<strong>und</strong> erworbener Extremitätenfehlstellungen<br />

mit dem „Kalnbers-Apparat“ kennen<br />

gelernt. Daneben konnte ich aber auch<br />

bei Säuglingshüftdysplasieoperationen,<br />

hautplastischen <strong>und</strong> weichteilrekonstruktiven<br />

Verfahren, Meniskusoperationen<br />

(erstaunlicherweise in infiltrativer Lokalanästhesie,<br />

ausnahmslos offen <strong>und</strong> in Form<br />

der Exstirpation) <strong>und</strong> – unüblich in einem<br />

traumatologisch-orthopädischen Institut<br />

– bei Mammaaufbauplastiken mit vorgeformten<br />

„Kadaverfettkörpern“ assistieren.<br />

Arthroskopische Eingriffe am Kniegelenk,<br />

wie wir sie in Jena zu dieser Zeit bereits in<br />

einer gewissen Zahl durchführten, waren<br />

aufgr<strong>und</strong> der nicht vorhandenen Ausrüstung<br />

in Riga nicht etabliert. Patienten mit<br />

Verletzungen der Körperhöhlen wurden in<br />

entsprechenden Spezialkliniken Rigas versorgt<br />

<strong>und</strong> die Behandlung der begleitenden<br />

Extremitätenverletzungen erfolgte durch<br />

die hinzugerufenen „consult doctors“. Auch<br />

bei diesen Aktionen konnte ich mich jederzeit<br />

beteiligen.<br />

Insgesamt habe ich alle zwei Monate die<br />

Abteilung gewechselt. Ich wurde in jedem<br />

Team herzlich, ausgesprochen kollegial <strong>und</strong><br />

uneingeschränkt integriert. So habe ich an<br />

mannigfachen Teamfeiern, verschiedenen<br />

Exkursionen <strong>und</strong> an den regelmäßigen<br />

sportlichen Betätigungen der Kollegen teilgenommen.<br />

Zweimal in der Woche wurde<br />

abends Basketball gespielt <strong>und</strong> selbst bei<br />

einem öffentlichen Orientierungslauf im<br />

Mai 1986 wurde ich zur Teilnahme veranlasst<br />

( Abb. 7, 8).<br />

Wie der Landkartenabbildung zu entnehmen<br />

ist, habe ich Dank der Kollegen fast<br />

alle Regionen im Baltikum bereisen können,<br />

obwohl ich offiziell nur eine Aufenthaltsgenehmigung<br />

für die Stadt Riga hatte.<br />

Nicht nur das beeindruckende Riga, sondern<br />

auch Vilnius <strong>und</strong> Tallin habe ich unter fachk<strong>und</strong>iger<br />

Führung kennen lernen dürfen<br />

( Abb. 9).<br />

Ich bin mir bewusst, dass ich mich nach<br />

22 Jahren nur fragmenthaft <strong>und</strong> auch nur an<br />

einige Akzente meines Studienaufenthaltes<br />

in Riga erinnern kann. Entgegen meiner anfänglichen<br />

Vorbehalte gegen die Unternehmung<br />

„Zusatzstudium“ <strong>und</strong> auch nach den<br />

erlebten Einschränkungen gegenüber dem<br />

vergleichbaren Alltag in Jena möchte ich die<br />

sechs Monate in Riga nicht missen. Habe ich<br />

doch eine andere Struktur des Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

unter den Bedingungen des materialtechnischen<br />

Mangels <strong>und</strong> ein Verfahren<br />

der Frakturversorgung <strong>und</strong> der Korrektur<br />

von Fehlstellungen des Skelettsystems mit<br />

dem Distraktions-Kompressions-Apparat<br />

von Prof. Kalnbers kennen <strong>und</strong> schätzen gelernt.<br />

Ich bin unvermindert dankbar für die<br />

in dieser Zeit erlebte kollegiale Zuwendung<br />

der lettischen Kollegen, die mich fre<strong>und</strong>schaftlich<br />

beruflich, aber auch im privaten<br />

Umfeld in ihre Aktivitäten eingeb<strong>und</strong>en haben.<br />

Ich hege noch immer Hochachtung für<br />

ihre stets demonstrierte Bescheidenheit,<br />

mit der sie ohne zu klagen, in sich ruhend,<br />

mit lettischer Leichtigkeit, sogar fröhlich<br />

<strong>und</strong> mit Optimismus, die Dinge, die für sie<br />

nicht änderbar waren – die schwierigen<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Bedingungen<br />

in der damaligen Lettischen Sowjetrepublik<br />

– getragen haben. In ihrer Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />

haben sie sinnbildlich den letzten Rubel<br />

mit mir geteilt. So hat der Studienaufenthalt<br />

in Riga mich menschlich geprägt <strong>und</strong><br />

auch meine Einstellung zu unserer Situation<br />

in der DDR 1986 relativiert, waren doch<br />

hier die beklagten wirtschaftlichen Bedingungen<br />

– die politischen Verhältnisse außer<br />

acht gelassen – unvergleichlich besser.<br />

PD Dr. med. F. Schulz<br />

Sophien- <strong>und</strong> Hufeland-Klinikum gGmbH<br />

Henry-van-de-Velde-Straße 2<br />

99425 Weimar<br />

Abb. 8 Eisangler auf der Ostsee in Jurmala<br />

Abb. 9 Blick auf Riga mit dem Schloss im Vordergr<strong>und</strong> über die Daugava<br />

50<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Die Sektion DDR der AO-International<br />

W. Otto, E. Markgraf<br />

a b c d e<br />

Abb. 1 Die „Gründerväter“ der AO in der Schweiz, a R. Schneider, b W. Bandi, c M. Allgöwer, d M.<br />

E. Müller <strong>und</strong> e H. Willenegger (Aus: Matter P, Loelinger U. AO history/AO today. CD-ROM der AO-<br />

Fo<strong>und</strong>ation vom 6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung von AO Publishing, © AO Publishing,<br />

Schweiz)<br />

a<br />

Abb. 2 a Dr. Ing. Fritz Straumann <strong>und</strong> b R. Mathy s<br />

sen. (Aus: Matter P, Loelinger U. AO history/AO<br />

today. CD-ROM der AO-Fo<strong>und</strong>ation vom 6.6.2003;<br />

mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung von AO Publishing,<br />

© AO Publishing, Schweiz).<br />

b<br />

Von eminenter Bedeutung für die Entwicklung<br />

einer modernen, wissenschaftlich<br />

be gründeten, flächendeckenden unfallchirurgischen<br />

Versorgung in der DDR war,<br />

dass frühzeitig <strong>und</strong> konsequent die Chance<br />

erkannt <strong>und</strong> ergriffen wurde, mit der AO–<br />

Schweiz bzw. später der AO-International<br />

zusammen- <strong>und</strong> schließlich sogar als nationale<br />

Sektion in letzterer mitzuarbeiten. Die<br />

Voraussetzungen dafür, die beschrittenen<br />

Wege, die maßgeblichen Akteure <strong>und</strong> Beteiligten<br />

sowie die Erfolge sind eine zusammenfassende<br />

Beschreibung wert. Die seit<br />

den späten sechziger Jahren mit den Methoden<br />

der AO auch in der DDR erreichten<br />

Behandlungsergebnisse waren sowohl für<br />

die beteiligten Ärzte als auch für ungezählte<br />

Patienten von kaum zu ermessendem<br />

Vorteil.<br />

Allgemeine Voraussetzungen<br />

Der 6. 11. 1958, der Tag, an dem in der<br />

Schweiz von 13 führenden Orthopäden<br />

<strong>und</strong> unfallchirurgisch profilierten Chirurgen<br />

eine „Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen“,<br />

die „AO“, gegründet wurde, stellt<br />

einen Wendepunkt in der Geschichte beider<br />

Fachgebiete dar! Am Anfang standen natürlich<br />

mehr Fragen als Antworten. Die ärztlichen<br />

Hauptinitiatoren, die Orthopäden M.<br />

E. Müller <strong>und</strong>. R. Schneider sowie von chirurgischer<br />

Seite M. Allgöwer, H. Willenegger<br />

<strong>und</strong> W. Bandi ( Abb. 1) konnten mit Robert<br />

Mathys sen., Bettlach, <strong>und</strong> Dr. Ing. Fritz<br />

Strau mann, Waldenburg, ( Abb. 2) interessierte,<br />

innovative <strong>und</strong> engagierte Techniker<br />

gewinnen, die nach den Ideen der Ärzte<br />

Instrumente <strong>und</strong> Implantate konstruierten<br />

<strong>und</strong> herstellten.<br />

Die Knochenbruchheilung ohne Callusbildung<br />

unter absoluter Ruhe im Frakturspalt<br />

war als „primäre“ oder „angiogene“ Heilung<br />

zunächst das Faszinosum ( Abb. 3). Die<br />

AO konzentrierte sich zunächst auf Therapieprinzipien,<br />

die diese anfangs als ideal<br />

angesehene Heilungsform regelmäßig zu<br />

erzielen gestatteten, <strong>und</strong> fanden sie in der<br />

Druckosteosynthese mittels Schrauben <strong>und</strong><br />

Platten. Mit ihr wurden so ungewöhnliche<br />

Heilungsverläufe <strong>und</strong> -ergebnisse erzielt,<br />

dass eine große internationale Aufmerksamkeit<br />

entstand <strong>und</strong> schon bald die Bildung<br />

von Arbeitsgruppen gleicher Zielsetzung<br />

in anderen Ländern Europas <strong>und</strong> in Amerika<br />

folgte. So entwickelte sich eine grenzenübergreifende<br />

Arbeitsgemeinschaft, die am<br />

25. 11. 1972 offiziell als „AO-International“<br />

gegründet wurde.<br />

Der Weg zur AO – Sektion DDR<br />

Im Osten Deutschlands, also der DDR, wie<br />

international, stand man in den 50er <strong>und</strong><br />

frühen 60er Jahren des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

medizinisch vor dem Problem,<br />

dass mit den herkömmlichen konservativen<br />

<strong>und</strong> operativen Verfahren sehr oft wirklich<br />

gute Ergebnisse bei der Behandlung von<br />

Verletzungen des Stütz- <strong>und</strong> Bewegungsapparates<br />

nicht zu erzielen waren. Auch<br />

hier suchte man nach neuen, effizienten<br />

Behandlungsverfahren <strong>und</strong> strebte nach<br />

einer Verbesserung der Resultate, stieß aber<br />

a<br />

b<br />

Abb. 3 „Primäre“, „angiogene“, „direkte“ Heilung ohne Callus. a Histologie des frakturübergreifenden angiogenen Umbaus, b entsprechende Heilung nach<br />

stabiler Schrauben- <strong>und</strong> Plattenosteosynthese am Tibiaschaft.<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 51


a<br />

Abb. 4 Prof. Dr. med.<br />

habil. F. Mörl, Direktor<br />

der Chirurgischen<br />

Universitätsklinik Halle<br />

1956 bis 1965<br />

Abb. 5 a Dr. med. E. Sander 1962, b Prof. Dr. med.<br />

habil. E. Sander 1987. Von Herrn Prof. Dr. Otto<br />

privat/persönlich übergeben.<br />

b<br />

Abb. 6 Prof. Dr. med.<br />

habil. M. Allgöwer<br />

(Aus: Matter P, Loelinger<br />

U. AO history/AO<br />

today. CD-ROM der<br />

AO-Fo<strong>und</strong>ation vom<br />

6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Genehmigung von<br />

AO Publishing, © AO<br />

Publishing, Schweiz)<br />

ökonomisch wie politisch immer wieder auf<br />

Grenzen. Der Mangel an Devisen <strong>und</strong> die<br />

politisch begründeten Beschränkungen der<br />

Reisefreiheit, insbesondere nach den sogenannten<br />

Grenzsicherungsmaßnahmen am<br />

13. August 1961 erschwerten bzw. verhinderten<br />

den Gedankenaustausch oder die<br />

wissenschaftliche Zusammenarbeit ganz<br />

erheblich.<br />

1965 wurde Professor Dr. med. Franz Mörl<br />

( Abb. 4), der damalige Direktor der Chirurgischen<br />

Universitätsklinik Halle <strong>und</strong> für<br />

diese Zeit bemerkenswert unfallchirurgisch<br />

profiliert, interessiert <strong>und</strong> engagiert, zur<br />

Teilnahme an einem AO-Kurs in Davos eingeladen.<br />

Diese Einladung gab er, kurz vor der<br />

Emeritierung stehend, weiter an den Leiter<br />

der traumatologischen Abteilung seiner Klinik,<br />

Herrn Dozenten Dr. med. habil. Eberhard<br />

Sander ( Abb. 5). Dieser reiste im Dezember<br />

1965 zum ersten Mal zu einer solchen<br />

Veranstaltung <strong>und</strong> war von den neuen Erkenntnissen<br />

<strong>und</strong> sich abzeichnenden Möglichkeiten<br />

sofort überzeugt, ja begeistert,<br />

<strong>und</strong> Willens, diese so bald wie möglich im<br />

eigenen Land nutzbar zu machen. Professor<br />

Dr. Martin Allgöwer ( Abb. 6), einer der<br />

Gründer der AO - Schweiz <strong>und</strong> seinerzeit<br />

Direktor der Chirurgischen Klinik des Kantonsspitals<br />

in Chur, lud ihn danach zu einer<br />

Hospitation in seiner Klinik ein. Diese konnte<br />

1966 für zwei Monate realisiert werden<br />

<strong>und</strong> war der Beginn einer langjährigen kollegial-fre<strong>und</strong>schaftlichen<br />

Verb<strong>und</strong>enheit.<br />

Im Jahre 1967 konnte E. Sander erneut an<br />

einem AO-Kurs in Davos teilnehmen. Danach<br />

war sein Entschluss endgültig gefasst,<br />

diese modernen Prinzipien, Methoden <strong>und</strong><br />

Behandlungsverfahren nicht nur an der<br />

Halleschen Universitätsklinik alsbald einzuführen,<br />

sondern darüber hinaus so schnell<br />

wie möglich auch in der ganzen DDR möglich<br />

zu machen <strong>und</strong> umzusetzen.<br />

Spezielle Voraussetzungen <strong>und</strong><br />

Aktivitäten in der DDR<br />

Parallel zu dieser Entwicklung, jedoch voneinander<br />

unabhängig, hatte sich in der<br />

DDR eine „Sektion Traumatologie in der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie“ etabliert. Unter<br />

deren Dach bildete E. Sander schon bald<br />

nach seiner Hospitation in Chur eine „Kooperationsgruppe<br />

für operative Knochenbruchbehandlung“.<br />

Namens <strong>und</strong> im Auftrag<br />

Abb. 7 Programm für den AO-Einführungskurs am 12. <strong>und</strong> 13.12.1968<br />

(nachgebesserte Kopie eines sehr schlechten Durchschlages)<br />

Abb. 8 Programm der 1. Arbeitstagung der Kooperationsgruppe für operative<br />

Knochenbruchbehandlung am 29. <strong>und</strong> 30.10.1969 (Kopie eines<br />

Durchschlages)<br />

52<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 9 Titelseite <strong>und</strong> Programm zum 3. Instruktionskurs für die Druckosteosynthese mit Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft für operative<br />

Knochenbruchbehandlung vom 02. bis 04.11.1970<br />

Abb. 10 Titelseiten der Programmflyer der Instruktionskurse zur Druckosteosynthese <strong>und</strong> Arbeitstagungen der AG für operative Knochenbruchbehandlung<br />

der Jahre 1971, 1973 <strong>und</strong> 1975<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 53


dieser Gruppe führte er am 12. <strong>und</strong> 13. Dezember<br />

1968 einen „AO Einführungskurs“<br />

an der Halleschen Universitätsklinik durch<br />

( Abb. 7). An diesem nahmen führende<br />

Vertreter der Unfallchirurgie in der DDR<br />

aus jener Zeit teil. Sie alle waren begeistert<br />

von den neuen Therapiemöglichkeiten <strong>und</strong><br />

der offensichtlich wesentlich verbesserten<br />

Prognose. Bei dieser Gelegenheit wurde die<br />

„Arbeitsgemeinschaft für operative Knochenbruchbehandlung<br />

in der Sektion Traumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der<br />

DDR gegründet. Die Statuten wurden formuliert<br />

<strong>und</strong> in Kraft gesetzt. Bereits im Oktober<br />

1969 folgte eine erste Arbeitstagung<br />

dieser Arbeitsgemeinschaft ( Abb. 8) wiederum<br />

in Halle <strong>und</strong> vom 2. bis 4. 11. 1970<br />

der „3. Instruktionskurs für die Druckosteosynthese“,<br />

verb<strong>und</strong>en mit der „2. Arbeitstagung“<br />

am gleichen Ort ( Abb. 9). Es folgten<br />

weitere „Arbeitstagungen mit praktischen<br />

Übungen“ der Arbeitsgemeinschaft nach<br />

dem Vorbild der AO-Basis-Kurse für Ärzte<br />

1971, 1973 <strong>und</strong> 1975 ( Abb. 10).<br />

AO-Veranstaltungen<br />

Erst nachdem im April 1976 eine Sek tion<br />

DDR der AO-International gegründet worden<br />

war, konnten in den Jahren 1977, 1981,<br />

1985 <strong>und</strong> 1989 weitere derartige Veranstaltungen<br />

stattfinden ( Abb. 11), die<br />

nun auch offiziell AO-Kurse (6. bis 9.) genannt<br />

werden durften. Die beiden letzten<br />

davon waren für Fortgeschrittene an- <strong>und</strong><br />

ausgelegt, alle anderen waren Basis- bzw.<br />

Gr<strong>und</strong>lagenkurse. Sie alle standen unter der<br />

wissenschaftlichen Leitung von Doz. (spä­<br />

Abb. 11 Kurse der Sektion DDR der AO-International der Jahre 1977, 1981, 1985 <strong>und</strong> 1989, Titelseiten der Programmflyer<br />

Abb. 12 Titelseite des Vorprogramms für den X.<br />

Halleschen AO-Kurs vom 22. bis 24.06.1992<br />

Abb. 13 Programmtitel der AO-Symposien der DDR-Sektion in den Jahren 1979, 1983 <strong>und</strong> 1987<br />

54<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


ter dann Prof.) Dr. Sander. Die Organisation<br />

lag in den Händen seines Mitarbeiters Dr.<br />

med. Sieghard Grafe, der später Chefarzt<br />

des evangelisch- lutherischen Diakonissenkrankenhauses<br />

in Leipzig war <strong>und</strong> nach der<br />

Wende im Rahmen der Wiedergutmachung<br />

zum Professor berufen wurde.<br />

Als Ergänzung zu den AO-Basis-Kursen für<br />

Ärzte in Halle bekam die DDR-Sektion Anfang<br />

der 80er Jahre drei Übungsinstrumentarien<br />

kostenlos zur Verfügung gestellt, mit<br />

denen im Rahmen von Workshops dezentral<br />

<strong>und</strong> in kleineren Gruppen die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der Osteosynthese nach den Prinzipien der<br />

AO vermittelt <strong>und</strong> in praktischen Übungen<br />

die Anwendung von Instrumenten <strong>und</strong> Implantaten<br />

trainiert werden konnten. Sie waren<br />

nach Frankfurt/Oder, Karl-Marx-Stadt<br />

<strong>und</strong> Halle vergeben worden <strong>und</strong> kamen<br />

dort unter Leitung der Herren Professoren<br />

Senst, Wehner <strong>und</strong> Sander zum Einsatz. Die<br />

Gesamtheit dieser Aktivitäten für die bzw.<br />

im Sinne der AO <strong>und</strong> deren konzentrierter<br />

Ausgang von der Halleschen Universitätsklinik<br />

hatte ihre Wirkung auf die Entwicklung<br />

der Unfallchirurgie im Osten nicht<br />

verfehlt. Deshalb entstand nach der Wende<br />

das dringende Bedürfnis, diese zu einer guten<br />

Tradition gewordenen Veranstaltungen<br />

möglichst bald wieder aufleben zu lassen.<br />

Drei Jahre nach dem politischen Zusammenbruch<br />

der DDR <strong>und</strong> im Zuge der Wiedervereinigung<br />

Deutschlands konnten<br />

die Kursaktivitäten in Halle im Juni 1992<br />

wieder aufgenommen werden, nun unter<br />

Leitung von PD. (später Univ.-Prof.) Dr. med.<br />

Wieland Otto, der ein langjähriger Schüler,<br />

Mitarbeiter <strong>und</strong> schließlich Amtsnachfolger<br />

von Prof. Dr. Sander an der Universitätsklinik<br />

Halle war. Nachdem dieser 10. Hallesche<br />

AO-Kurs ( Abb. 12) erfolgreich verlaufen<br />

war, wurde beschlossen, zukünftig jährlich<br />

einen AO-Gr<strong>und</strong>lagen-Kurs in Halle zu veranstalten<br />

<strong>und</strong> damit einen dritten festen<br />

Standort für die Durchführung solcher Veranstaltungen<br />

in Deutschland zu etablieren.<br />

Die organisatorische Leitung übernahm Dr.<br />

med. Wolfgang Wawro, Halle.<br />

In den Jahren 1979, 1983 <strong>und</strong> 1987 haben<br />

in Cottbus, Potsdam <strong>und</strong> Eisenach AO-Symposien<br />

zu speziellen Rahmenthemen stattgef<strong>und</strong>en<br />

( Abb. 13). Auch diese standen<br />

unter der wissenschaftlichen Leitung von<br />

Professor Sander. Organisiert wurden sie<br />

von Klaus Welz, Cottbus, (Cottbus, 1979<br />

<strong>und</strong> Eisenach, 1987) <strong>und</strong> Friedhelm Struck<br />

(Potsdam, 1983).<br />

Neben Vertretern der AO-Sektion DDR<br />

konnten 1979 als Referenten zu den Problemfeldern<br />

„Offene Frakturen“, „Posttraumatische<br />

Knocheninfektion“ <strong>und</strong> „Freie<br />

Themen“ die Herren Szyszkowitz, Graz;<br />

Zolczer, Budapest; Burri, Ulm; Cech, Prag;<br />

Willenegger, Bern <strong>und</strong> Schneider, Biel, gewonnen<br />

werden.<br />

1983 Stand das Rahmenthema „Individualisierung<br />

der Osteosynthese“ neben „Varia“ zur<br />

Debatte. Als ausländische Referenten beteiligten<br />

sich Willenegger, Bern; Salacz, Budapest;<br />

Vecsei, Wien; Schweiberer, München, Reschauer,<br />

Graz; Muhr, Bochum <strong>und</strong> Cech, Prag.<br />

1987 waren „Hüftnahe Femurfrakturen <strong>und</strong><br />

ihre besonderen Aspekte“ sowie „Dis tale<br />

Femurfrakturen“ Gegenstand der Verhandlungen.<br />

Auswärtige Referenten waren Salacz,<br />

Budapest; Regazzoni, Basel; Raaijmakers,<br />

Amsterdam, Vrevc, Ljubliana; Reschauer,<br />

Linz; Povacz, Wels; Berentey Budapest: Kuner,<br />

Freiburg <strong>und</strong> Micnek, Brno.<br />

In die Zeit des Aufbruchs aus der postkommunistischen<br />

DDR in das wiedervereinigte<br />

Deutschland fiel auch noch das von Prof. Dr.<br />

med. Eberhard Markgraf, Friedrich-Schiller-<br />

Universität Jena, veranstaltete IV. Ostdeutsche<br />

AO-Symposium vom 9. bis 11. 10. 1991<br />

in Weimar unter der organisa torischen<br />

Verantwortung von R. Friedel, Jena. Als Referenten<br />

aus anderen AO-Sektionen konnten<br />

hierfür gewonnen werden die Herren<br />

Claudi, München; Heim, Bern; Höntzsch,<br />

Tübingen; Kuner Freiburg; Maurer, Tübingen;<br />

Muhr Bochum; Ondracek, Aachen;<br />

Pannicke, Frankfurt/Main; Perren, Davos;<br />

Rueger, Frankfurt/Main; Rahman za deh,<br />

Berlin; Remiger, Davos; Schmitz, Aachen;<br />

Schweiberer München; Trentz, Zürich; Volkmann,<br />

Tübingen <strong>und</strong> Weller, Tübingen.<br />

Neben diesen AO-Veranstaltungen für<br />

Ärzte war natürlich auch die Fortbildung<br />

bzw. Schulung des OP-Personals in diesen<br />

neuen Methoden <strong>und</strong> Techniken, in der<br />

Instrumentenlehre <strong>und</strong> -pflege eine dringende<br />

Notwendigkeit, aus ärztlicher Sicht<br />

ein echtes Bedürfnis. Deshalb fanden vom<br />

Jahr 1972 an ebenfalls alle zwei Jahre, also<br />

im Wechsel mit den Kursen <strong>und</strong> Symposien<br />

für die Ärzte, auch solche für das Op.-Personal<br />

statt, auch „Schwesternkurse“ genannt.<br />

Auch für diese zeichnete Prof. Dr. Sander in<br />

enger Zusammenarbeit mit der Firma Synthes<br />

Bettlach (Schweiz) wissenschaftlich/<br />

inhaltlich verantwortlich. Organisator war<br />

auch hierfür Dr. med. S. Grafe. Diese Kurse<br />

fanden von 1972 bis 1984 7 mal ebenfalls<br />

in Halle statt, der 8. <strong>und</strong> 9. als Fortbildungskurse<br />

für bereits gr<strong>und</strong>sätzlich geschultes<br />

Personal in Himmelpfort, nördlich von Berlin<br />

in einer für diesen Zweck zur Verfügung<br />

gestellten Ferienanlage eines Hallenser Betriebes<br />

(Bezirksfilmdirektion Halle).<br />

Rahmenbedingungen für diese<br />

Aktivitäten<br />

Die partei- <strong>und</strong> regierungsseitigen Restriktionen,<br />

bezüglich der Anmelde-, Antrags<strong>und</strong><br />

Genehmigungsverfahren <strong>und</strong> -fristen<br />

für Veranstaltungen mit Beteiligung ausländischer<br />

Referenten, namentlich aus dem<br />

„nichtsozialistischen Ausland“ aber auch<br />

die sozioökonomischen Bedingungen im<br />

Land waren so angelegt oder hatten sich so<br />

ungünstig entwickelt, dass maximal eine<br />

derartige Veranstaltung pro Jahr möglich<br />

war. Das Programm der jeweiligen Veranstaltung<br />

<strong>und</strong> der Druck von Vorprogrammen<br />

<strong>und</strong> Programmen bedurften sogar der<br />

polizeilichen Genehmigung.<br />

Ein für die DDR-typisches Hindernis bei der<br />

Organisation derartiger Veranstaltungen<br />

war der Mangel an Hotelkapazitäten <strong>und</strong><br />

die Notwendigkeit, die Buchungen dafür<br />

2 Jahre im Voraus vorzunehmen. Der Mangel<br />

an Druckkapazitäten war ebenfalls eklatant.<br />

Auch aus diesen Gründen war es kaum<br />

vorstellbar, die Reihe der verschiedenen AO-<br />

Veranstaltungen auf mehr als eine pro Jahr<br />

zu verdichten. Hinzu kam, dass maximal 6<br />

Referenten aus dem „nichtsozialistischen<br />

Ausland“ eingeladen werden durften, darunter<br />

höchstens ein b<strong>und</strong>esdeutscher<br />

Staatsbürger. Der gesamte technische Support<br />

<strong>und</strong> ein großer Teil der Referenten kamen<br />

daher jeweils aus der Schweiz. Die industriellen<br />

Partner in der AO, in der Synthes<br />

zusammengefasst, übernahmen die Aufgabe<br />

der technisch-apparativen Ausstattung<br />

aller dieser Fortbildungsveranstaltungen.<br />

Für das Gebiet der DDR, den Nordosten<br />

Deutschlands, war im Wesentlichen die<br />

Firma Robert Mathys, Bettlach (CH) zuständig,<br />

unterstützt für den Bereich des prothetischen<br />

Ersatzes aus unfallchirurgischer<br />

Indikation von Vertretern der Prothek-AG<br />

(Bern [CH]).<br />

Aufwendige Zollverfahren waren bei der<br />

Ein- <strong>und</strong> Ausreise die Regel <strong>und</strong> wenig geeignet,<br />

den Enthusiasmus dieser wichtigen<br />

Partner zu fördern. Trotzdem blieb er erhalten.<br />

Auch das benötigte Informations- <strong>und</strong><br />

Lehrmaterial, Kataloge, Lehrbücher, spezielle<br />

wissenschaftliche Publikationen, Operationslehren<br />

etc. wurde großzügig <strong>und</strong> in<br />

aller Regel kostenlos durch die AO <strong>und</strong> die<br />

Synthes zur Verfügung gestellt. Auch deren<br />

„Einfuhr“ bedurfte der behördlichen Genehmigung.<br />

Nach 1989 übernahm dann<br />

die Fa. Synthes Bochum unter ihrem Geschäftsführer<br />

Hans-Jürgen Gühne große<br />

Teile der technisch-organisatorischen <strong>und</strong><br />

logistischen Betreuung.<br />

Von Anfang an wurden die genannten Veranstaltungen<br />

extrem bereichert durch die<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 55


a b c<br />

Abb. 14 a M. E. Müller, b H. Willenegger <strong>und</strong> c M. Allgöwer , verdienstvolle<br />

Ärzte, Forscher, <strong>und</strong> Hochschullehrer, die zur Entwicklung der AO in der DDR<br />

wesentliche Beiträge geleistet haben (Aus: Matter P, Loelinger U. AO history/AO<br />

today. CD-ROM der AO-Fo<strong>und</strong>ation vom 6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Genehmigung von AO Publishing, © AO Publishing, Schweiz).<br />

wiederholte oder gar regelmäßige Teilnahme<br />

hoch- <strong>und</strong> höchstrangiger Persönlichkeiten<br />

der AO-Schweiz bzw. der AO-International.<br />

Neben M. E. Müller, M. Allgöwer,<br />

H. Willenegger, ( Abb. 14) W. Bandi <strong>und</strong> R.<br />

Schneider waren als hochgeschätzte Gäste<br />

T. Rüedi, S. Perren, S. Steinemann, B. Rahn<br />

<strong>und</strong> H. Burch zum Teil mehrfach in Halle, besonders<br />

bei den Veranstaltungen für Ärzte.<br />

So entstanden neben fachlich-beruflichen<br />

Übereinstimmungen auch starke persönliche<br />

Beziehungen <strong>und</strong> Verbindungen, die<br />

für uns nicht nur sehr anregend <strong>und</strong> erfreulich<br />

sondern zugleich Ansporn waren,<br />

die von Ihnen vertretene Sache der AO zu<br />

unserer eigenen zu machen <strong>und</strong> mit aller<br />

Kraft für ihre Umsetzung in der klinischen<br />

Praxis einzutreten. Alle unsere Gäste nahmen<br />

immer wieder mancherlei Unannehmlichkeiten,<br />

Schikanen, Behinderungen <strong>und</strong><br />

Umstände auf sich, um zum Erfolg der<br />

AO-Veranstaltungen beizutragen. Bedauerlicher<br />

Weise stehen direkte Bilddokumente<br />

aus all den Jahren nicht oder nur in sehr<br />

begrenztem Umfang zur Verfügung <strong>und</strong><br />

wenn, dann in privater Hand.<br />

Trotz aller staatlich-politischen Restriktionen,<br />

die eine Teilnahme von Vertretern der<br />

AO der B<strong>und</strong>esrepublik sehr erschwerten,<br />

gelang es 1977, Herrn Prof. Dr. med. Siegfried<br />

Weller ( Abb. 15), damals Obmann der AO-<br />

Sektion der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />

als Referenten zu gewinnen, eine Einreisegenehmigung<br />

für ihn zu erwirken <strong>und</strong> ihn<br />

einladen zu können. Erstmals 1975, danach<br />

beinahe regelmäßig, war auch Urs Heim<br />

Abb. 15 Prof. Dr.<br />

med. habil. S. Weller,<br />

Gründungspräsident der<br />

(B<strong>und</strong>es-)<strong>Deutsche</strong>n AO-<br />

Sektion (Aus: Matter P,<br />

Loelinger U. AO history /<br />

AO today. CD-ROM der<br />

AO-Fo<strong>und</strong>ation vom<br />

6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Genehmigung von<br />

AO Publishing, © AO<br />

Publishing, Schweiz).<br />

( Abb. 16), später Nachfolger von Hans<br />

Willenegger im Amt des Präsidenten der<br />

AO-I, verehrter Gast, Mentor, gefragter Referent<br />

<strong>und</strong> Disputant der Halleschen Kurse.<br />

Parallel zu diesen praktischen <strong>und</strong> auf die<br />

möglichst rasche <strong>und</strong> authentische Vermittlung<br />

dieser wahrhaft Epoche machenden<br />

Erkenntnisse <strong>und</strong> sich daraus ergebende<br />

therapeutischen Möglichkeiten gerichteten<br />

Aktivitäten fanden zwischen 1972 <strong>und</strong> 1976<br />

mehrere intensive Gespräche von Professor<br />

Willenegger mit Vertretern verschiedener<br />

Ministerien oder sonstigen Repräsentanten<br />

der Regierung statt, in denen schließlich<br />

erreicht wurde, dass eine gewisse Zahl<br />

von Gr<strong>und</strong>instrumentarien einschließlich<br />

einer Erstausstattung mit Implantaten eingeführt<br />

<strong>und</strong> an entsprechend qualifizierte<br />

<strong>und</strong> interessierte Kliniken unter maßgeblicher<br />

Mitwirkung von Professor Sander<br />

verteilt werden konnte. Dabei spielten Qualifikation<br />

<strong>und</strong> regionale Bedarfssituation eine<br />

wesentliche Rolle.<br />

Dem unermüdlichen Engagement <strong>und</strong> persönlichen<br />

Einsatz der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />

für operative Knochenbruchbehandlung<br />

<strong>und</strong> deren Vorsitzendem sowie<br />

der ebenso ausdauernden, wie geschickten<br />

<strong>und</strong> intensiven Verhandlungs- <strong>und</strong> Gesprächsführung<br />

von Hans Willenegger ist es<br />

zu danken, dass es gelang, die Vertreter von<br />

„Partei <strong>und</strong> Regierung“ schließlich davon zu<br />

überzeugen, dass die Mitarbeit in einer internationalen<br />

Arbeitsgemeinschaft wie der<br />

AO-International für die Patienten von groß­<br />

Abb. 16 Dr. med. U.<br />

Heim, Präsident der<br />

AO-International 1988-<br />

1993 (Aus: Matter P,<br />

Loelinger U. AO history/<br />

AO today. CD-ROM der<br />

AO-Fo<strong>und</strong>ation vom<br />

6.6.2003; mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Genehmigung von<br />

AO Publishing, © AO<br />

Publishing, Schweiz).<br />

em Vorteil wäre, nicht zuletzt aber auch für<br />

das Prestige der DDR <strong>und</strong> ihrer Führung sich<br />

nach innen <strong>und</strong> nach außen sehr vorteilhaft<br />

auswirken würde. So konnte am 3. April<br />

1976 eine Sektion DDR der AO-International<br />

gegründet werden. Ihr gehörten zunächst<br />

20 Mitglieder an. Bedingung war, dass sie<br />

eigenständig <strong>und</strong> fachlich unabhängig eine<br />

Unfallchirurgische oder Orthopädische Klinik<br />

oder Abteilung eines größeren (Bezirks-,)<br />

Krankenhauses oder eines Universitäts- bzw.<br />

Akademie-Klinikums leiteten. Zum Obmann<br />

wurde Herr Professor Dr. med. E. Sander gewählt,<br />

der dieses Amt bis 1990 bekleidete.<br />

Herr Dr. med. K. Welz wurde zum Sekretär<br />

der Sektion ernannt <strong>und</strong> Herr Dr. med. G.<br />

Hildebrandt (gest. 1988) aus der Hallenser<br />

Universitätsklinik übernahm die zentrale<br />

Dokumentation für die Sektion.<br />

Weitere Gründungsmitglieder waren<br />

(in alphabetischer Ordnung):<br />

– Dr. med. K. Arnold, Berlin-Friedrichshain<br />

– Doz. Dr. med. H. Arzinger, Univ.-Klinikum<br />

Leipzig<br />

– Dr. med. J. Bernhard, Medizin. Akademie<br />

Dresden<br />

– Dr. med. R. Brückner, Charité Berlin<br />

– Dr. med. S. Grafe, Univ.-Klinikum Halle<br />

– Dr. med. G. Graner, Medizin. Akademie Erfurt<br />

– Dr. med. S. Hecht, St. Georg-Krankenhaus<br />

Leipzig<br />

– Prof. Dr. sc. med. J. Hellinger, Medizin. Akademie<br />

Dresden<br />

– Dr. med. S. Hirschfeld, Kreiskrankenhaus<br />

Weißenfels<br />

– Dr. med. D. Miehle, Bezirkskrankenhaus<br />

Zwickau<br />

– Dr. med. S. Neumann, Bezirkskrankenhaus<br />

Rostock-Südstadt<br />

– Dr. med. D. Paul, Bezirkskrankenhaus Dresden-Friedrichstadt<br />

– Doz. Dr,. med. J. Richter, Medizin. Akademie<br />

Magdeburg<br />

– Doz. Dr. med. W. Senst, Bezirkskrankenhaus<br />

Frankfurt/Oder<br />

– Prof. Dr. med. H. Seyfarth, Univ. Klinikum<br />

Leipzig<br />

– Dr. med. F. Struck, Bezirkskrankenhaus<br />

Potsdam<br />

– Prof. Dr. med. W. Wehner, Bezirkskrankenhaus<br />

Karl-Marx-Stadt<br />

In den folgenden Jahren kamen einige Mitglieder<br />

hinzu, sofern sie die fachliche Qualifikation<br />

nachweisen konnten <strong>und</strong> einer<br />

unabhängigen Klinik oder Abteilung für Unfallchirurgie<br />

oder Orthopädie vorstanden.<br />

Bei einer erweiterten Vorstandssitzung in<br />

Ostberlin am 21. 9. 1990, also in der „postwendischen“<br />

DDR, konnten weitere neue<br />

Mitglieder aufgenommen werden, darunter<br />

auch der Autor. Herr Prof. Dr. med. E. Mark­<br />

56<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 17 Offizielle Übernahme der Mitglieder der Sektion DDR der AO-I in die <strong>Deutsche</strong> Sektion am 5. Oktober 1991 durch deren Präsidenten Prof. Dr. med. S.<br />

Weller (7. v. l.) im Beisein des Präsidenten der AO-International, Dr. U. Heim, (3. v. l.)<br />

Von links nach rechts: Wöllenweber, Schenk, Heim, Arnold, Arzinger, Grafe, Weller, Markgraf, Welz, Senst <strong>und</strong> Otto. Aus: Privatarchiv W. Otto<br />

graf, Univ.- Klinikum Jena, wurde zum Nachfolger<br />

des ausscheidenden Präsidenten<br />

Prof. Dr. E. Sander gewählt. Er übte dieses<br />

Amt aus bis zur Übernahme der Mitglieder<br />

der DDR-Sektion in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />

der AO-International im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung<br />

am 5. Oktober 1991<br />

( Abb. 17). Damit fand die sich über 15<br />

Jahre erstreckende Geschichte der eigenständigen<br />

<strong>und</strong> sehr erfolgreichen Sektion<br />

DDR der AO-International ihr Ende.<br />

Lehren <strong>und</strong> Lernen<br />

Als eine besondere Ehre <strong>und</strong> Würdigung<br />

der bis dahin erbrachten Leistungen der<br />

Unfallchirurgen der DDR auf ihrem Weg in<br />

die AO darf deren Beteiligung an der wissenschaftlichen<br />

Ausgestaltung des ersten<br />

AO-Symposions für Ungarn im Frühsommer<br />

1976 in Budapest betrachtet werden.<br />

Drei Referenten aus der Schweiz, drei aus<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> drei aus der DDR<br />

bestritten das gesamte wissenschaftliche<br />

Programm dieser gr<strong>und</strong>legenden <strong>und</strong> sehr<br />

erfolgreichen mehrtägigen Veranstaltung.<br />

Die Delegation aus der DDR bestand aus<br />

den Herren Sander, Halle, Welz, Cottbus <strong>und</strong><br />

Otto, Halle.<br />

Dank der intensiven <strong>und</strong> erfolgreichen Bemühungen<br />

um die Entwicklung der AO im<br />

Osten Deutschlands <strong>und</strong> der guten persönlichen<br />

Beziehungen zu wichtigen Repräsentanten<br />

der internationalen Arbeitsgemeinschaft<br />

gelang es, auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

kostendeckender persönlicher Einladungen<br />

oder als Mitglieder offizieller Delegationen<br />

in begrenztem Umfang Unfallchirurgen<br />

<strong>und</strong> Orthopäden aus der DDR zu Kursen der<br />

AO nach Davos, zu den sogenannten Hüftkursen<br />

nach Bern <strong>und</strong> auch zu mehrwöchigen<br />

Klinikhospitationen in prominenten<br />

Schweizer AO-Kliniken <strong>und</strong> österreichischen<br />

Unfallkrankenhäusern reisen zu lassen <strong>und</strong><br />

ihnen damit wertvolle Fortbildung <strong>und</strong> zunehmende<br />

Spezialisierung in Unfallchirurgie<br />

<strong>und</strong> Orthopädie zu vermitteln. Dieser<br />

Zuwachs an Wissen <strong>und</strong> Erfahrung schlug<br />

sich unmittelbar in Klinik, wissenschaftlicher<br />

Arbeit, Aus-, Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

nieder <strong>und</strong> kam sehr direkt den Patienten zu<br />

gute.<br />

Schlussbemerkung<br />

Die Sektion DDR der AO-International war<br />

<strong>und</strong> blieb bis zur <strong>Deutsche</strong>n Wiedervereinigung<br />

<strong>und</strong> der politischen Wende im<br />

Jahr 1989 in ganz Osteuropa die einzige<br />

nationale AO-Sektion <strong>und</strong> konnte ihren eigenständigen<br />

Beitrag zur gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> -ergebnisse mit den Methoden<br />

<strong>und</strong> Verfahren der AO leisten. Trotz unterschiedlicher<br />

politisch-ideologischer, organisatorischer<br />

<strong>und</strong> struktureller Bedingungen<br />

kann rückblickend mit einigem Stolz festgestellt<br />

werden, dass der unfallchirurgische<br />

Versorgungsstandard, der Wissens- <strong>und</strong><br />

Kenntnisstand <strong>und</strong> die Erfolge der ostdeutschen<br />

Unfallchirurgen denen in anderen<br />

europäischen Ländern mit nationalen AO-<br />

Sektionen durchaus vergleichbar waren <strong>und</strong><br />

dass von daher ohne Komplikationen oder<br />

Probleme die Integration der Mitglieder<br />

der DDR-Sektion in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />

der AO-Fo<strong>und</strong>ation möglich war. Die Verb<strong>und</strong>enheit<br />

mit der AO, ihrem Know-How<br />

<strong>und</strong> den hervorragenden Möglichkeiten der<br />

praktischen Umsetzung hat bei allen, die die<br />

hier aufgezeigte Entwicklung mit gestalten<br />

oder mit erleben durften, besonders tiefgehende<br />

Wurzeln.<br />

Prof. Dr. W. Otto<br />

Am Park 5<br />

06184 Kabelsketal<br />

OT Dieskau<br />

Prof. Dr. E. Markgraf<br />

Gillestr. 5<br />

07743 Jena<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 57


Sporttraumatologie in der DDR<br />

K. Franke<br />

Historische Vorbemerkungen<br />

Während in der letzten Dekade des 19. <strong>und</strong><br />

der ersten Dekade des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts die<br />

sportliche Betätigung durch Turnen, Radfahren,<br />

Fußballspielen, Schwimmen <strong>und</strong><br />

Leichtathletik zunehmend weite Kreise der<br />

deutschen Bevölkerung begeisterte, finden<br />

sich im Handbuch der Unfallerkrankungen<br />

von C. Thiem aus dem Jahre 1910 [1] nur<br />

relativ wenige Hinweise auf Verletzungen<br />

beim Sport. Unter ätiologischen Gesichtspunkten<br />

viel ergiebiger erscheinen bei<br />

Thiem die Sanitätsberichte der preußischen<br />

Armee (SBPA). In ihnen werden eine Vielzahl<br />

von Verletzungen beim Exerzieren, ‚Ausdauertraining’<br />

durch Marschieren <strong>und</strong> beim Reiten<br />

erwähnt, allerdings auch beim Turnen.<br />

Auf die dabei unfreiwillig überschrittene<br />

Grenzbelastbarkeit des Bindegewebes weisen<br />

einige der mitgeteilten Diagnosen hin,<br />

z. B. Spontanfrakturen des Femur, Marschfrakturen<br />

der Metatarsalia <strong>und</strong> Achillessehnenrupturen.<br />

Letztere sind mit sechs Zeilen<br />

abgehandelt, <strong>und</strong> es wird lediglich eine konservative<br />

Behandlung erwähnt.<br />

Dass es subjektiv viel angenehmer ist,<br />

vor dem Unfall Sport getrieben zu haben, als<br />

in einem militärischen Objekt gesch<strong>und</strong>en<br />

worden <strong>und</strong> dabei zu Schaden gekommen<br />

zu sein, können fast alle bestätigen, denen<br />

entsprechende Vergleichsmöglichkeiten zugemutet<br />

worden sind.<br />

Zwei Jahre nach der Gründung des „<strong>Deutsche</strong>n<br />

Reichskomitees zur Förderung der<br />

Leibesübungen“ anlässlich einer 1912 in<br />

Oberhof von F. Kraus geleiteten Tagung [2],<br />

erschien die erste deutschsprachige Monographie,<br />

welche Verletzungen beim Sport<br />

als ätiologische Entität berücksichtigte. Auf<br />

Besonderheiten in Therapie <strong>und</strong> Rehabilitation<br />

wurde in ihr jedoch kaum eingegangen.<br />

Verfasser des Buches „Sportverletzungen“<br />

war der Österreicher PD G. Freiherr v. Saar<br />

aus Innsbruck [3]. Er begründete im allgemeinen<br />

Teil, warum er gerade dieses Thema<br />

bearbeitet hatte:<br />

1. war der Zusammenhang zwischen Bewegung<br />

<strong>und</strong> Verletzung nach Sportunfällen<br />

klarer darzustellen;<br />

2. sind Sportler besser über den Unfallhergang<br />

orientiert als Handarbeiter <strong>und</strong><br />

3. bestehen Unterschiede im Heilungsverlauf.<br />

In dem nach Sportarten gegliederten speziellen<br />

Teil beschränkt sich v. Saar auf Diagnosen<br />

<strong>und</strong> klammert die Therapie weitgehend<br />

aus. Kennt man heutige Zahlen,<br />

erscheint es kaum glaubhaft, dass unter<br />

21.000 in Wien 1912 registrierten Unfällen<br />

nur 220, also ca. 1 % während sportlicher<br />

Betätigung entstanden sind. Unter diesen<br />

220 ereigneten sich 20 % beim Fußball,<br />

19 % beim Eislauf, 18 % beim Turnen … 6 %<br />

beim Rodeln <strong>und</strong> 5 % beim Skilauf. Die bei<br />

v. Saar aus der Literatur zitierten lediglich<br />

zwei Rupturen des vorderen Kreuzbandes<br />

(VKB) machen den epidemiologischen Wandel<br />

ebenso deutlich, wie die Zahlen bei den<br />

Meniskusverletzungen. Diese hatten sich zu<br />

80 % bei Bergleuten ereignet.<br />

Nach dem 1. Weltkrieg wuchs in Deutschland<br />

trotz der politisch <strong>und</strong> ökonomisch<br />

schwierigen Situation das Interesse am<br />

Sporttreiben. Hierzu trug sicher der Standpunkt<br />

des prominenten Chirurgen August<br />

Bier (1861–1949) bei, dass die körperliche<br />

Ertüchtigung eines Volkes auch seine nationale<br />

Stärke mitbedingt [2, 4]. Bier gründete<br />

jedenfalls die Reichsakademie für Leibesübungen<br />

<strong>und</strong> wurde ihr erster Präsident. Der<br />

August-Bier-Sportplatz auf dem Gelände<br />

des Berliner Olympiastadions erinnert an<br />

diese Ambition des Chirurgen.<br />

11 Jahre nach den „Sportverletzungen“<br />

von v. Saar greift erneut ein Österreicher das<br />

Thema auf. Von F. Mandl erscheint 1925 die<br />

„Chirurgie der Sportunfälle“ [5]. Dieser Monographie<br />

ist zu entnehmen, dass sich 80 %<br />

der in der Wiener Chirurgischen Univ. Klinik<br />

(v. Hochenegg) behandelten Sportunfälle<br />

beim Fußball ereignet hatten. Eine andere<br />

dort zitierte Quelle weist aus, dass bei 1.140<br />

Sportverletzungen in etwa der Hälfte das<br />

Geräteturnen ursächlich beteiligt war.<br />

Eine Dekade danach erscheinen etwa<br />

zeitgleich in Deutschland <strong>und</strong> Österreich<br />

weitere Monographien zum Thema Sportverletzungen<br />

[6, 8, 9]. Ätiologische Faktoren<br />

werden darin mit Hinweisen zur Prophylaxe<br />

verb<strong>und</strong>en.<br />

1936 stellt W. Baetzner die Folgen einer<br />

Fehlbelastung von Strukturen des Binde<strong>und</strong><br />

Stützgewebes durch Arbeit <strong>und</strong> Sport<br />

zur Diskussion [7]. Dieses Problem erlangte<br />

seit den 1960er Jahren eine zunehmende Bedeutung,<br />

seit immer aggressivere Trainingsmethoden<br />

<strong>und</strong> Wettkampfbelastungen die<br />

Grenzbereiche der Belastbarkeit des Binde<strong>und</strong><br />

Stützgewebes für das Individuum im<br />

Freizeit- <strong>und</strong> Spitzensport aufzeigten.<br />

Der 1932 in München bei E. Lexer für<br />

Sportmedizin habilitierte Chirurg Karl<br />

Gebhardt (1897–1948) publizierte 1933<br />

eine Monographie zum „Bandschaden des<br />

Kniegelenkes“ [10]. Durch sein Engagement<br />

für die NSDAP seit 1923 wurde er ärztlicher<br />

Leiter der Olympischen Spiele 1936 in Berlin.<br />

In deren Vorfeld berief man ihn 1935 zum<br />

ao. Professor <strong>und</strong> 1937 zum o. Professor <strong>und</strong><br />

Ordinarius für orthopädische Chirurgie an<br />

der Friedrich-Wilhelms-Universität [11]. Er<br />

missbrauchte seine fachliche Qualifikation,<br />

die ihn auch als Leiter des Sanatoriums für<br />

Sportverletzte in Hohenlychen auswies, für<br />

Menschenversuche an Häftlingen des KZ<br />

Ravensbrück. Dafür wurde er in Nürnberg<br />

zum Tode verurteilt <strong>und</strong> hingerichtet [12].<br />

Der Oberarzt von K. Gebhardt in Hohenlychen,<br />

Frowalt Heiß, habilitierte sich bei<br />

seinem Chef <strong>und</strong> setzte nach 1945 seine<br />

Laufbahn als Leiter des Sanatoriums für<br />

Sportverletzte in Stuttgart-Bad Cannstatt<br />

fort [2].<br />

Übergangszeit nach 1945<br />

Von den aus früherer Zeit an sporttraumatologischen<br />

Problemen interessierten Chirurgen<br />

<strong>und</strong> Orthopäden waren nach 1945<br />

nur wenige in der sowjetischen Besatzungszone<br />

(SBZ) verblieben. Nach Gründung der<br />

DDR am 7. Oktober 1949 sind mir von diesen<br />

in Erinnerung Prof. Frosch (Arnstadt),<br />

der spätere Prof. H. H. Schnelle (Halle) <strong>und</strong><br />

Dr. H. Eckhardt (Wernigerode). Ferner wäre<br />

noch Prof. A. Arnold zu nennen, der vor dem<br />

2. Weltkrieg in Leipzig Sportmedizin lehrte<br />

<strong>und</strong> nach 1945 das Sanatorium im Thermalbad<br />

Wiesenbad leitete [2].<br />

Im kriegszerstörten <strong>und</strong> in Besatzungszonen<br />

aufgeteilten Deutschland, mit dem<br />

Hunger als Massenerscheinung, war Sport<br />

wahrlich nicht das primäre Bedürfnis.<br />

Dennoch fanden bereits im Sommer 1945<br />

Fußballspiele zwischen alliierten Soldaten<br />

<strong>und</strong> <strong>Deutsche</strong>n statt [13]. In der SBZ<br />

auf kommunaler Ebene organisiert, nahm<br />

in den folgenden Jahren das Interesse an<br />

sportlicher Betätigung wieder kontinuierlich<br />

zu. Das führte 1948 zur Gründung des<br />

<strong>Deutsche</strong>n Sportausschusses. Die ärztliche<br />

Betreuung war zu dieser Zeit von lokalen<br />

Gegebenheiten <strong>und</strong> individuellen Möglichkeiten<br />

abhängig. Der Hausarzt überwies<br />

Verletzungen, die seine Kompetenz überschritten,<br />

zur Behandlung dem Chirurgen<br />

58<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


oder Orthopäden, also meistens ins örtliche<br />

Krankenhaus. Daraus erwuchsen bei<br />

sporttreibenden jungen Ärzten oder älteren<br />

Studenten Interessen für die medizinischen<br />

Probleme beim Sport, die manche mit der<br />

später gewählten Fachrichtung koordinierten.<br />

Bis in die frühen 1950er Jahre war<br />

dieses Vorgehen landesweit üblich, wobei<br />

sich regional Profilierungen abzeichneten<br />

<strong>und</strong> dadurch zu einer größeren Frequenz<br />

von Sportverletzungen in der einen oder<br />

anderen Einrichtung führten. Das kann der<br />

Autor auch über die eigene diesbezügliche<br />

Entwicklung mitteilen: Die 1956 fachlich<br />

selbständig gewordene Unfallklinik des<br />

Städt. Krankenhauses im Friedrichshain (ÄD<br />

Prof. H. Klose) erfreute sich bei Sportverletzten<br />

eines zunehmend guten Rufes. Ihr Chefarzt<br />

PD B. Janik hatte sich 1954 über Kreuzbandverletzungen<br />

(n=48!) habilitiert <strong>und</strong><br />

genoss nicht nur in Berlin einen sehr guten<br />

Ruf. Davon zehrten auch seine Assistenten<br />

P. Fabian, K. Franke <strong>und</strong> G. Welsch, die in der<br />

Jugend <strong>und</strong> während des Studiums aktive<br />

Sportler waren. Sie erarbeiteten eine „Traumatologie<br />

des Sports“, die 1959 zum 80. Geburtstag<br />

von H. Klose im Sportverlag Berlin<br />

erschien. Als Herausgeber zeichnete aber<br />

dann ein ‚Autorenkollektiv’, da P. Fabian <strong>und</strong><br />

Prof. B. Janik die DDR verlassen hatten.<br />

Aufbau einer staatlich organisierten<br />

sportmedizinischen Betreuung [14]<br />

Der größer werdenden Zahl aktiver Sportler<br />

bei Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen<br />

trug das staatliche Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

durch eine Reihe von Anordnungen Rechnung,<br />

welche die Qualität der ärztlichen<br />

Betreuung von organisiert Sporttreibenden<br />

verbessern sollten. Das waren<br />

– 1953 die Anordnung über Organisation<br />

<strong>und</strong> Durchführung der sportärztlichen Betreuung<br />

in Kreisen <strong>und</strong> Bezirken, mit der<br />

die Einrichtung sportärztlicher Beratungsstellen<br />

in den Kreisen <strong>und</strong> Bezirken der<br />

DDR begann;<br />

– 1956 eine Anordnung über die Befreiung<br />

vom Turn- <strong>und</strong> Sportunterricht;<br />

– 1956 die Anordnung über die staatliche<br />

Anerkennung als Sportarzt, wofür insgesamt<br />

sechs Lehrgangswochen erforderlich<br />

waren, davon eine mit unfallchirurgisch/<br />

orthopädischen Inhalten;<br />

– 1963 die Anordnung über die Weiterbildung<br />

zum Facharzt für Sportmedizin<br />

in fünf Jahren, davon ein Jahr stationär<br />

unfallchirurgisch-orthopädisch. Anpassungen<br />

der Weiterbildungsordnung erfolgten<br />

1965, 1972 <strong>und</strong> 1980;<br />

– 1963 die Gründung des Sportmedizinischen<br />

Dienstes (SMD) der DDR. Dieser war<br />

in die Bereiche Breitensport, Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendsport <strong>und</strong> Leistungssport gegliedert.<br />

Chefarzt wurde G. Welsch, nach seinem<br />

Unfalltod 1976 D. Hannemann.<br />

Abb. 1 Teilnahme am Kongress der österreichischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie 1971.<br />

Aus: Privatarchiv K. Franke<br />

Bis genügend Fachärzte ausgebildet waren,<br />

wurden die meisten sportmedizinischen<br />

Aufgaben nebenamtlich ausgeführt, d. h.<br />

von ambulant oder klinisch Tätigen, die<br />

Honorarverträge beim SMD erhielten. Da<br />

Sportler primär ges<strong>und</strong> waren <strong>und</strong> meist<br />

nicht simulierten, war ihre prophylaktische<br />

Betreuung subjektiv natürlich angenehmer,<br />

als z. B der Nachtdienst in einer Rettungsstelle.<br />

Im Breitensport sowie im Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendsport war jährlich eine ärztliche<br />

Untersuchung vorgeschrieben. Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendliche mit besonderen sportlichen<br />

Talenten wurden entweder in Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendsportschulen unterrichtet oder außerschulisch<br />

in Förderstufen zusammengefasst.<br />

Auch ihre regelmäßige sportmedizinische<br />

Kontrolle war gesichert. Bis 1990<br />

blieben diese traditionellen Möglichkeiten<br />

zur Behandlung von Sportverletzten erhalten,<br />

die von den fachlichen Voraussetzungen<br />

im Territorium abhängig waren.<br />

Die gut ausgebildeten Sportmediziner<br />

konnten das einschätzen <strong>und</strong> besaßen zudem<br />

seit 1967 mit den Konsiliarkliniken des<br />

SMD in der Chirurgischen Klinik des Städt.<br />

Krankenhauses Pankow (K. Franke) <strong>und</strong> der<br />

Orthopädischen Klinik Bad Düben (D. Jungmichel)<br />

eine Möglichkeit, in Zweifelsfällen<br />

dort Patienten vorzustellen. Für Leistungssportler<br />

war das Konsilium in Pankow oder<br />

Bad Düben verbindlich für den Fall vorgeschrieben,<br />

dass der betreuende Sportmediziner<br />

Probleme für die Wiederherstellung<br />

der sportlichen Leistungsfähigkeit sah. Als<br />

B. Paul 1984 nach Rostock berufen wurde,<br />

erhielt die unfallchirurgische Abteilung der<br />

dortigen Chirurgischen Universitätsklinik<br />

ebenfalls den Konsiliarstatus für den SMD.<br />

Die Angehörigen der Armee-Sportvereinigungen<br />

wurden bei Verletzungen<br />

zunächst in den Lazaretten der NVA behandelt.<br />

Im Bedarfsfall konnten sie in den<br />

sporttraumatologischen Abteilungen in<br />

Bad Düben <strong>und</strong> Pankow vorgestellt werden.<br />

Die SV Dynamo besaß seit 1966 eine eigene<br />

sportmedizinische Hauptberatungsstelle in<br />

Berlin (H. Wuschech, ab 1978 E. Ahrendt).<br />

Diese hatte nach baulicher Erweiterung ab<br />

1972 auch Möglichkeiten zur chirurgischstationären<br />

Behandlung von Sportverletzten<br />

(zwei Op.-Säle, 25 Betten).<br />

Die poststationäre Behandlung verletzter<br />

Leistungssportler erfolgte zentralisiert im<br />

1962 gegründeten Rehabilitationszentrum<br />

Kreischa bei Dresden, einem ehemaligen<br />

Krankenhaus der Wismut A.G. Es wurde<br />

großzügig um ein Bettenhaus, Sportanlagen<br />

<strong>und</strong> Labore zur Bestimmung leistungsphysiologischer<br />

Parameter erweitert (Direktor:<br />

S. E. Strauzenberg, Traumatologie: J. Weber)<br />

[14]. Die Qualität der dort geleisteten Arbeit<br />

ist auch daraus ersichtlich, dass die Einrichtung<br />

1991 durch ein BRD-Konsortium übernommen<br />

<strong>und</strong> zu einer 1000-Betten-Rehabilitationsklinik<br />

ausgebaut wurde.<br />

Seit 1970 bestand bei der Leitung des<br />

SMD eine zentrale Gutachterkommission,<br />

deren Vorsitz der Chefarzt des SMD oder<br />

sein Vertreter führten, ohne dass sie selbst<br />

Gutachten erstellten. Die Mitglieder der<br />

Kommission hatten versicherungsrelevante<br />

Schäden zu beurteilen, deren Ursachen<br />

schwerpunktmäßig im Leistungssport des<br />

zivilen Bereiches zu suchen waren. Die ASV<br />

Vorwärts <strong>und</strong> die SV Dynamo hatten für diesen<br />

Zweck eigene Gremien. Gelegentlich erfolgte<br />

ein Austausch über fachliche Fragen.<br />

Wegen der bei Sportlern vorherrschenden<br />

Gründe für ein Gutachten, nämlich die Folgen<br />

eines Traumas <strong>und</strong>/oder einer Fehlbelastung<br />

des Binde- <strong>und</strong> Stützgewebes, waren<br />

ausschließlich Unfallchirurgen <strong>und</strong> Orthopäden<br />

in dieser Kommission vertreten (K.<br />

Franke – Berlin, B. Paul – Berlin bzw. Rostock,<br />

J. Weber – Kreischa, D. Jungmichel – Bad<br />

Düben, H. Schmidt – Leipzig). Gutachten<br />

zu Schadensfällen bei Sportlern, die andere<br />

Fächer der Medizin betrafen (z. B. Innere,<br />

HNO, Augen, Psychiatrie), machten weniger<br />

als 5 % aus. Sie wurden von den hierzu beauftragten<br />

Spezialisten erstellt <strong>und</strong> in der<br />

Kommission entschieden. Aus eigener Erinnerung<br />

ist festzustellen, dass sich unter den<br />

von der Kommission des SMD begutachteten<br />

Schadensfällen keine befanden, die auf<br />

den Missbrauch von Pharmaka zurückzuführen<br />

gewesen wären.<br />

Die Konzentration sporttraumatologischer<br />

Problempatienten in der DDR ermöglichte<br />

relevante Aussagen zur Prophylaxe, optimalen<br />

Therapie <strong>und</strong> Rehabilitation unter<br />

dem Blickwinkel der Wiederherstellung<br />

der sportlichen Leistungsfähigkeit. Hierzu<br />

dienten Vorträge auf Tagungen von Sportmedizinern,<br />

Unfallchirurgen ( Abb. 1) <strong>und</strong><br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 59


Abb. 2 Fahrt durch den Spreewald nach der AO-Tagung in Cottbus, Sep. 1973. Von links: 1. Reihe: PD<br />

Paul (Dresden) – K. Franke; 2. Reihe: Frau Paul – Dr. Bernhard (Dresden) – Frau Bernhard; 3. Reihe: OMR<br />

Dr. Welz (Cottbus) – Prof. Wehner (Karl-Marx-Stadt) – Frau Prof. Arzinger (Leipzig); 4. Reihe: Frau Welz –<br />

Prof. Szyszkowitz (Graz) – Frau Szyszkowitz; 5. Reihe: Prof. Willenegger (Liestal) – Prof. Seyfarth (Leipzig)<br />

– Prof. Schneider (Biel); 6. Reihe: Prof. Sander (Halle) – Frau Sander – Prof. Otto (Halle)<br />

Aus: Privatarchiv K. Franke<br />

Abb. 3 Franke K. Traumatologie des Sports.<br />

3. Aufl. Berlin: Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1986<br />

Abb. 4 Franke K, Unger RR, Paul B. Das Schädel-<br />

Hirntrauma in der Notfallpraxis; 2. Aufl. Berlin:<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1978<br />

Abb. 5 Arthroskopie-Hospitation im Massachusetts General Hospital in Boston, Feb. 1980. Auch dort<br />

waren noch Röhren-Kameras von der Größe eines halben Schuhkartons in Gebrauch!<br />

Aus: Privatarchiv K. Franke<br />

Orthopäden, ferner auf Lehrgängen der<br />

Akademie für ärztliche Fortbildung (AfÄF<br />

– Abb. 2). Publikationen in Zeitschriften<br />

<strong>und</strong> als Monographien ( Abb. 3, 4, 6) sind<br />

ebenfalls zu erwähnen. Als ein Forum für<br />

die Verallgemeinerung unserer sporttraumatologischen<br />

Erfahrungen sahen wir die<br />

seit 1975 im Krankenhaus Pankow organisierte<br />

„Berliner Woche für Traumatologie“<br />

( Abb. 9) an, die bis 1988 unter Mitwirkung<br />

der Berliner unfallchirurgischen<br />

Kliniken durchgeführt wurde. Nachdem<br />

drei Berliner Kliniken mit sporttraumatologischen<br />

Ambitionen auf verschiedenen Importwegen<br />

1980 ein Arthroskop ( Abb. 5)<br />

erhielten (Pankow/K. Franke, Weißensee/H.<br />

Wuschech, Dynamo/E.Ahrendt), konnten<br />

wir in den Folgejahren vielen Kollegen aus<br />

allen Bezirken der DDR bei Hospitationen<br />

<strong>und</strong> Vorträgen erste praktische Erfahrungen<br />

mit dieser neuen Methode vermitteln. Nach<br />

1990 war das für sie ohne Zweifel von Nutzen.<br />

Bezüglich der Weiterbildung ist zu erwähnen,<br />

dass unter Schirmherrschaft der<br />

FIMS (Fédération Internationale de Médicine<br />

Sportive) 1973, 1979 <strong>und</strong> 1982 in Rostock<br />

Lehrgänge für Sportmediziner aus den<br />

Entwicklungsländern stattfanden, wo auch<br />

die Arbeitsmethoden <strong>und</strong> -ergebnisse der<br />

DDR-Sporttraumatologen vorgetragen wurden.<br />

Die ges<strong>und</strong>heitliche Betreuung von Leistungssportlern<br />

erfolgte nach bestimmten<br />

Richtlinien. Eine freie Arztwahl war dementsprechend<br />

im Allgemeinen nicht gegeben.<br />

Das trug jedoch zum Optimieren medizinischer<br />

Maßnahmen aller Art bei <strong>und</strong> bot<br />

damit beste Voraussetzungen für den angestrebten<br />

weiteren sportlichen Erfolg. Heimliche<br />

Konsultationen bei ‚W<strong>und</strong>erheilern’,<br />

die BRD-Sportmediziner immer als abträglich<br />

für ihre Aufgaben bezeichneten, waren<br />

in der DDR praktisch nicht möglich.<br />

Die Einrichtungen des staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />

welche in Belange des SMD<br />

durch Kooperationsverträge eingeb<strong>und</strong>en<br />

worden waren, kamen in den Genuss von<br />

zwei in damaliger Zeit wichtigen Vorteilen:<br />

1. wurden ihnen zusätzliche Planstellen<br />

(Ärzte, Schwestern, Physiotherapeuten)<br />

bewilligt <strong>und</strong><br />

2. erhielten sie die für zusätzlich übernommene<br />

Aufgaben benötigten Geräte, Instrumente<br />

<strong>und</strong> Verbrauchsmaterialien<br />

außerhalb der klinikeigenen Planung,<br />

evtl. sogar aus Importen.<br />

Da das relativ kleine Krankenhaus Pankow<br />

auch über geringere Mittel <strong>und</strong> weniger<br />

Planstellen verfügte als größere Einrichtungen,<br />

konnte durch die „Liaison“ mit<br />

dem SMD unsere tägliche Arbeit optimiert<br />

werden. Von medizin-ethischer Bedeutung<br />

60<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


erscheint dabei der Fakt, dass alle zur Verfügung<br />

gestellten Geräte <strong>und</strong> Materialien<br />

auch uneingeschränkt zur Versorgung von<br />

anderen, nicht über den SMD eingewiesenen<br />

Patienten verwendet werden konnten.<br />

Da nur etwa 10 % der im Krkhs. Pankow<br />

behandelten unfallchirurgischen Patienten<br />

Spitzensportler der SMD-Nomenklatur waren,<br />

kann man wohl zweifelsfrei von einer<br />

Kooperation zum allseitigen Nutzen sprechen.<br />

Da auch viele verletzte Freizeitsportler<br />

aus Berlin <strong>und</strong> dem Umland zu uns kamen,<br />

ergaben sich aus der Anzahl der Patienten<br />

<strong>und</strong> der Art ihrer Verletzungen oder Fehlbelastungsfolgen<br />

relevante Schlussfolgerungen<br />

für Prophylaxe <strong>und</strong> Therapie. Zur<br />

„Spezialstrecke“ entwickelte sich in Pankow<br />

die Behandlung von Läsionen des Kniegelenkes<br />

(Menisken, Bänder, Knorpel), was<br />

auch anderenorts der sporttraumatologischen<br />

Realität entsprach. Daraus ergaben<br />

sich die nachstehend genannten wissenschaftlichen<br />

Analysen <strong>und</strong> praxisrelevanten<br />

Schlussfolgerungen:<br />

– Knorpelschäden unterschiedlichen<br />

Schweregrades wurden bei Arthrotomien<br />

<strong>und</strong> später auch bei Arthroskopien in<br />

jährlich zunehmender Prozentzahl festgestellt,<br />

zuletzt bei 78 % der operierten<br />

Kniegelenke. Falls hierfür ursächlich keine<br />

gestörte Biomechanik wie bei einer Meniskus-<br />

oder Bänderläsion gegeben war,<br />

kam als Ursache nur das Missverhältnis<br />

zwischen Belastbarkeit <strong>und</strong> tatsächlicher<br />

Belastung in Frage. Wir konnten in den<br />

frühen 1970er Jahren als einen Gr<strong>und</strong> ermitteln,<br />

dass die bei älteren Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen als Krafttraining durchgeführten<br />

Tiefkniebeugen bzw. Hock-Streck-<br />

Sprünge mit Gewichtsbelastung geradezu<br />

Gift für den Gelenkknorpel sein können.<br />

Unsere diesbezügliche Intervention bei der<br />

Leitung des SMD bewirkte eine Änderung<br />

der Trainingsprogramme. Die an der Praxis<br />

orientierte wissenschaftliche Bearbeitung<br />

des Themas (mehrere Promotionen, Habilitation<br />

von B. Paul 1980) ergab neben den<br />

vorstehend genannten Veränderungen<br />

im Krafttraining noch Empfehlungen für<br />

die operative/arthroskopische Entfernung<br />

veränderten Knorpels, für medikamentöse<br />

Adjuvantien <strong>und</strong> für die Rehabilitation.<br />

– Verletzungen der Kreuzbänder wurden<br />

in zunehmender Zahl in Pankow behandelt.<br />

Ab 1966 folgten wir vorzugsweise<br />

der Empfehlung von H. Brückner (1964),<br />

ein gestielt bleibendes Drittel des Lig. patellae<br />

für den plastischen Ersatz des VKB<br />

zu verwenden. Wir modifizierten das Verfahren,<br />

indem ein freies Transplantat mit<br />

Knochenblöcken an beiden Enden gebildet<br />

wurde. Die Ergebnisse der ersten Serie<br />

von 207 VKB-Ersatzplastiken konnte 1979<br />

( Abb. 7) vorgestellt werden. P. Hertel hat<br />

Abb. 6 Franke K. Kritik des Boxsports aus ärztlicher Sicht; Vortragsreferat 15.12.1969; Berliner Chirurg.<br />

Ges.<br />

Abb. 7 Franke K. Erfahrungsbericht über 200 Operationen zum Kreuzbandersatz durch ein freies<br />

Transplantat aus dem Ligamentum patellae; Kongressbericht Int. Soc. of the Knee, Lyon, 24.–<br />

27.04.1979<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 61


das Verfahren mit seiner press-fit-Technik<br />

weiter vervollkommnet. Wir haben seit<br />

etwa 1980 propagiert, Bänderläsionen am<br />

Kniegelenk primär, möglichst innerhalb<br />

von drei Tagen nach dem Unfall zu operieren.<br />

Damit sollte dem Knorpelschaden infolge<br />

einer über längere Zeit gestörten Biomechanik<br />

vorgebeugt werden. Es gelang<br />

uns, von anfänglich 5 % primärer Operationen<br />

auf einen 30 %-Anteil zu kommen.<br />

– Die operative Behandlung der rezidivierenden<br />

Patellaluxation wurde in Pankow<br />

nach dem Verfahren von Roux (1886),<br />

mitunter in Kombination mit der Methode<br />

von H. Brückner (1970) durchgeführt.<br />

Bei 200 solcherart Operierten wurde das<br />

Ergebnis in zwei konsekutiven Serien im<br />

Rahmen von Promotionsschriften analysiert<br />

(Ch. Zastrow 1987, K. Senst 1994):<br />

bei 95 % fand sich ein gutes Ergebnis.<br />

Weitere praxisrelevante Erfahrungen aus<br />

der Sporttraumatologie jener Jahre waren:<br />

– die möglichst frühe Bewegung operierter<br />

Gelenke mittels Motorschiene,<br />

– Versuch des Erhaltens der antrainierten<br />

kardiopulmonalen <strong>und</strong> muskulären Leistungsfähigkeit<br />

durch frühzeitige Belastung<br />

nicht operierter Regionen (Expander,<br />

Fahrrad- oder Drehkurbelergometer).<br />

Hierfür fanden Beratungen durch extern<br />

tätige Sportmediziner statt.<br />

Die Analyse der Ergebnisse unserer Arbeit<br />

führte zu einer Reihe von Promotionen von<br />

Mitarbeitern des eigenen Bereiches bei<br />

der AfÄF, wo wir den Status einer Weiterbildungsklinik<br />

besaßen. Im Rahmen dieser<br />

Aufgabe organisierten wir weiterhin<br />

– die Berliner Woche für Traumatologie<br />

(1974–1988; Abb. 9),<br />

– Hospitationen von Interessenten zu Problemen<br />

der Sporttraumatologie ( Abb. 8) <strong>und</strong><br />

– die Betreuung von Promotionen <strong>und</strong> Habilitationen<br />

aus anderen Bereichen des<br />

staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens (insgesamt<br />

81 Promotionen A <strong>und</strong> 11 Promotionen<br />

B = Habilitation).<br />

Wissenschaftliche Publikationen zur<br />

Sporttraumatologie in der DDR<br />

– Die Zeitschrift Medizin <strong>und</strong> Sport erschien<br />

ab 01.03.1961 zweimonatlich <strong>und</strong> ab<br />

1965 monatlich als Organ der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Sportmedizin der DDR <strong>und</strong> des<br />

SMD mit einer Auflage von zuletzt 1.750<br />

Exemplaren (Chefredakteur 1961–1980:<br />

K. Franke, 1981–1990: W. Bringmann). Ab<br />

1991 ging sie in der <strong>Deutsche</strong>n Zeitschrift<br />

für Sportmedizin auf. Der Inhalt von Medizin<br />

<strong>und</strong> Sport galt zu etwa einem Drittel<br />

unfallchirurgischen <strong>und</strong> orthopädischen<br />

Themen, die Bezug zu Sport <strong>und</strong> Rehabilitation<br />

besaßen. Mit Übersichtsarbeiten<br />

<strong>und</strong> Kongressberichten wurde dem Anliegen<br />

der Weiterbildung zum Facharzt<br />

entsprochen. Autoren aus dem Ausland<br />

kamen auf Anforderung oder spontan zu<br />

Wort.<br />

– Monographien entsprachen neben dem<br />

Anspruch auf Wissenschaftlichkeit auch<br />

stets dem Weiterbildungsanliegen. Auf<br />

die 1959 erschienene Traumatologie des<br />

Sports eines Autorenkollektivs wurde bereits<br />

hingewiesen.<br />

1977 erschien, von K. Franke herausgegeben,<br />

erneut eine Traumatologie des Sports.<br />

Von dieser 1. Auflage wurde in Italien ein<br />

„Raubdruck“ hergestellt. Die 2. Auflage erschien<br />

1980 bei Volk & Ges<strong>und</strong>heit in Berlin<br />

<strong>und</strong> als Lizenzausgabe bei Thieme, Stuttgart.<br />

Sie wurde in der UdSSR übersetzt <strong>und</strong><br />

nachgedruckt. Die 3. überarbeitete Auflage<br />

(Abb. 4) erschien dann 1986 wieder in Berlin<br />

<strong>und</strong> Stuttgart unter Mitarbeit von A. Franke<br />

(Epidemiologie), R. Müller (Rückenmark <strong>und</strong><br />

peripheres Nervensystem), sowie J. Weber,<br />

H. Brenke <strong>und</strong> L. Dietrich/Kreischa (Rehabilitation).<br />

Die in der 3. Auflage ca. 1.000<br />

zitierten Quellen sind zu erwähnen.<br />

Mit sporttraumatologischem <strong>und</strong> -orthopädischem<br />

Inhalt erschienen weiterhin:<br />

Arnold A. Lehrbuch der Sportmedizin.<br />

2. Aufl. Leipzig: J. A. Barth; 1960<br />

Schmidt H. Orthopädie im Sport. Leipzig: J.<br />

A. Barth; 1972<br />

Arndt KH. Achillessehnenruptur <strong>und</strong> Sport.<br />

Leipzig: J. A. Barth; 1976<br />

Ehricht HG. Die Wirbelsäule in der Sportmedizin;<br />

Leipzig: J. A. Barth; 1978<br />

Tittel K. Sprunggelenke im Sport; Tagungsbericht<br />

Dresden 1982 in Medizin <strong>und</strong> Sport<br />

H.1/2; 1983<br />

Abb. 8 „Kniekurs in Pankow“, 16.-21.11.1981 – Dank der finnischen Gäste<br />

Abb. 9 Programm der 11. Berliner Woche für<br />

Traumatologie, 17.–21.11.1986<br />

62<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Zusammenfassung<br />

Nach einer Übersicht zur Entwicklung der<br />

Sporttraumatologie im deutschsprachigen<br />

Raum bis 1945 wird deren fachliche Gestaltung<br />

<strong>und</strong> organisatorische Struktur im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

der DDR abgehandelt. Als<br />

Positiva werden angeführt:<br />

– Einbindung von Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie<br />

in die staatliche Anerkennung<br />

als Sportarzt (1956) <strong>und</strong> in die Weiterbildung<br />

zum Facharzt für Sportmedizin<br />

(1963);<br />

– Einbeziehen territorialer Kliniken in die<br />

Betreuung verletzter Sportler. Nur die SV<br />

Dynamo besaß eine eigene sporttraumatologisch-klinische<br />

Abteilung;<br />

– zentralisierte Rehabilitation verletzter Leistungssportler<br />

in Kreischa;<br />

– zentralisierte Begutachtung versicherungsrelevanter<br />

Fehlbelastungsfolgen<br />

<strong>und</strong> Verletzungen beim Sport;<br />

– Einbinden sporttraumatologischer Erkenntnisse<br />

in die Weiterbildung (AfÄF);<br />

– Vorteile in der materiell-technischen Versorgung<br />

für Vertragspartner des SMD.<br />

Monographien zur Geschichte<br />

der Sporttraumatologie:<br />

1. Thiem C. Handbuch der Unfallerkrankungen.<br />

2. Aufl. Stuttgart: Enke; 1910<br />

2. Arnold A. Lehrbuch der Sportmedizin.<br />

2. Aufl. Leipzig: J. A. Barth; 1960<br />

3. v. Saar G. Sportverletzungen. Stuttgart:<br />

Enke; 1914<br />

4. Czymek G. A. Bier. In: Posterausstellung<br />

Berliner Chirurgische <strong>Gesellschaft</strong>, Tagung<br />

16.–18.02.2006<br />

5. Mandl F. Chirurgie der Sportunfälle.<br />

Wien: Urban & Schwarzenberg; 1925<br />

6. Wachsmuth W, Wölk H. Über Sportunfälle<br />

<strong>und</strong> Sportschäden. Leipzig: Thieme; 1935<br />

7. Baetzner W. Sport- <strong>und</strong> Arbeitsschäden.<br />

Leipzig: Thieme; 1936<br />

8. Breitner B. Sportschäden <strong>und</strong> Sportverletzungen.<br />

2. Aufl. Stuttgart: Enke; 1953<br />

9. Petitpierre M. Wintersportverletzungen.<br />

Stuttgart: Enke; 1939<br />

10. Gebhardt K. Der Bandschaden des Kniegelenkes.<br />

Leipzig: J. A. Barth; 1933<br />

11. David H. „… es soll das Haus die Charité<br />

heißen …“. Hamburg: akademos Verlag;<br />

2004<br />

12. Kater MH. Ärzte als Hitlers Helfer. München:<br />

Piper; 2002<br />

Monographien zur Sportmedizin<br />

in der DDR:<br />

13. Wonneberger G, Westphal H, et al. Geschichte<br />

des DDR-Sports. Berlin: Spotless;<br />

2002<br />

14. Strauzenberg SE, Gürtler H. Die Sportmedizin<br />

in der DDR. Dresden: Saxonia Verlag;<br />

2005<br />

Prof. Dr. K. Franke<br />

Kleine Homeyerstr. 4<br />

13156 Berlin<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 63


Voraussetzungen für die operative<br />

Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie in<br />

der DDR<br />

W. Otto<br />

In den letzten 40er, den 50er <strong>und</strong> den frühen<br />

60er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts standen<br />

für die operative Behandlung von Verletzungen,<br />

Erkrankungen, Fehlstellungen<br />

<strong>und</strong> -bildungen im Osten Deutschlands, der<br />

späteren DDR, Implantate <strong>und</strong> Instrumente<br />

etwa in dem Umfang <strong>und</strong> der Qualität zur<br />

Verfügung, wie sie großen Teils auch schon<br />

vor dem zweiten Weltkrieg in Zentraleuropa<br />

benutzt worden waren. In dieser Zeit wurden<br />

erste Fortschritte auf dem Gebiet der<br />

Forschung zur Knochenheilung <strong>und</strong> dem<br />

jeweils erforderlichen Bedingungsgefüge<br />

erreicht. Auch der prothetische Ersatz von<br />

Gelenken oder Gelenkanteilen fand zunehmendes<br />

Interesse <strong>und</strong> wurde zur Anwendungsreife<br />

gebracht. Aufgabenteilung <strong>und</strong><br />

Spezialisierung waren die Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

Zuständigkeiten zwischen Unfallchirurgen<br />

<strong>und</strong> Orthopäden, in Abhängigkeit von der<br />

lokalen oder regionalen Konstellation.<br />

Instrumente <strong>und</strong> Implantate<br />

für die Osteosynthese<br />

Während des 2. Weltkrieges <strong>und</strong> in den Jahren<br />

danach hat der Küntscher-Nagel seine<br />

Einführung <strong>und</strong> anschließend eine so weit<br />

gehende Verbreitung gef<strong>und</strong>en, dass er<br />

zur Behandlung der Schaftfrakturen großer<br />

Röhrenknochen genutzt werden konnte.<br />

Drei-Lamellen- <strong>und</strong> andere Schenkelhals-<br />

Nägel mit oder ohne Lasche, der Lezius-Nagel,<br />

der Y- oder Trochanternagel nach Küntscher,<br />

einzelne oder gebündelte Kirschner-<br />

Drähte <strong>und</strong> Rush-Pins dienten der inneren<br />

Schienung. Bei den beiden letzteren erwartete<br />

man eine elastische Verklemmung. Die<br />

damit erreichte Stabilität genügte jedoch<br />

häufig nicht, um Komplikationen im Heilungsverlauf<br />

zu vermeiden <strong>und</strong> die Erfolgschancen<br />

spürbar zu verbessern. Einzelne<br />

Schrauben, den üblichen Holz-Schrauben in<br />

Material <strong>und</strong> Form entsprechend, wurden<br />

für die Adaptation von Fragmenten verwendet.<br />

Gleiches gilt für Kirschner-Drähte,<br />

Cerclagen, <strong>und</strong> Hemicerclagen. Auch lyophilisierte<br />

Knochenspäne <strong>und</strong> Fremdmaterialien,<br />

wie Holz, Elfenbein, Plexiglas wurden<br />

als innere Verbindungs- <strong>und</strong>/oder Überbrückungsmaterialien<br />

erprobt. Die Erfolge waren<br />

zweifelhaft bis katastrophal!<br />

Die genannten Implantate <strong>und</strong> die dazu<br />

benötigten Instrumente wurden im Osten<br />

Deutschlands, also der DDR, im VEB Medizin-Mechanik<br />

Suhl <strong>und</strong> in kleineren metallverarbeitenden<br />

Betrieben überwiegend<br />

in Thüringen <strong>und</strong> Sachsen hergestellt. Es<br />

bestand jedoch bei Ihrer Anwendung ein<br />

hohes therapeutisches Risiko, besonders bei<br />

Problemfrakturen mit ausgedehnten Weichteilschäden<br />

<strong>und</strong> längerstreckigen, mehrfragmentären<br />

strukturellen Zerstörungen. Ganz<br />

besonders problematisch war die Situation<br />

bei kontaminierten offenen Verletzungen<br />

oder sich anbahnenden oder bereits manifesten<br />

Infektionen. Durch die von der AO der<br />

Schweiz inaugurierte stabile Osteosynthese,<br />

mit den speziell dafür entwickelten Implantaten<br />

(Schrauben <strong>und</strong> Platten) <strong>und</strong> den<br />

für deren prinzipiengerechte Einbringung<br />

notwendigen Instrumentensätzen, konnten<br />

geradezu revolutionäre Verbesserungen auf<br />

diesem Feld erreicht werden. Mit der Einführung<br />

von zunächst 12 Gr<strong>und</strong>instrumentarien<br />

<strong>und</strong> Implantatesätzen für die von der AO<br />

entwickelten Platten- <strong>und</strong> Schrauben- Osteosynthesen<br />

<strong>und</strong> Fixateur-externe-Versorgungen<br />

in den späten 60er <strong>und</strong> frühen 70er<br />

Jahren konnte diese Entwicklung auch bei<br />

uns nachvollzogen werden. Zum Bedauern<br />

der seinerzeit in der Unfallchirurgie Tätigen<br />

wurde die Genehmigung zum Import der<br />

Marknägel nicht erteilt. Es gelang jedoch, die<br />

Kliniken mit den Markraumbohrsystemen<br />

der AO, pressluftgetrieben <strong>und</strong> mit flexiblen<br />

Bohrwellen, auszustatten. Dazu gehörten<br />

ebenfalls Ein- <strong>und</strong> Ausschlaginstrumente,<br />

die ohne die zugehörigen Implantate allerdings<br />

nicht verwendet werden konnten. Als<br />

Implantate mussten nämlich die in der DDR<br />

hergestellten „Küntscher-Nägel“ verwendet<br />

werden, jene in ganzer Länge geschlitzten,<br />

im Querschnitt kleeblattförmig gestalteten<br />

„Rohre“.<br />

Die Verteilung der Gr<strong>und</strong>ausstattungen<br />

erfolgte planmäßig flächendeckend über<br />

das gesamte Gebiet der DDR, wobei der<br />

Nachweis qualifizierter unfallchirurgischer<br />

Erfahrung <strong>und</strong> die Teilnahme an den Einführungsveranstaltungen<br />

<strong>und</strong> Instruktionskursen<br />

der Arbeitsgemeinschaft für<br />

operative Knochenbruchbehandlung in der<br />

Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR nach dem Vorbild der<br />

Schweizerischen AO-Kurse wesentliche Kriterien<br />

für die getroffene Auswahl darstellten.<br />

Einige Kliniken, die zunächst nicht mit<br />

einem solchen Gr<strong>und</strong>instrumentarium ausgerüstet<br />

werden konnten, versuchten über<br />

den Erwerb von Einzelteilen sich Zugang zu<br />

diesen Methoden zu verschaffen. Dadurch<br />

traten allerdings gehäuft Komplikationen<br />

<strong>und</strong> nicht selten schwere Fehlergebnisse<br />

ein. Die Sachlage wurde weiter verschärft<br />

dadurch, dass der Import dieser Instrumentarien<br />

<strong>und</strong> Implantatesätze später eingestellt<br />

<strong>und</strong> staatlicherseits darauf orientiert<br />

wurde, die AO-Implantate <strong>und</strong> die verschleißbedingt<br />

erforderlichen Ersatzinstrumente<br />

(Bohrer, Gewindeschneider etc.) im<br />

eigenen Land nachzubauen <strong>und</strong> diese Produkte<br />

dann den Chirurgen, Unfallchirurgen<br />

<strong>und</strong> Orthopäden zur Verfügung zu stellen.<br />

Zwar wurde das gleiche Ausgangsmaterial<br />

(Stahllegierung) benutzt wie bei dem Originalhersteller,<br />

aber der technologische Prozess<br />

der Endfertigung, die Kaltverformung,<br />

konnte nicht in gleicher Weise durchgeführt<br />

werden. Deshalb waren die Implantate<br />

aus der eigenen Produktion von geringerer<br />

Steifigkeit <strong>und</strong> Verformungsbeständigkeit<br />

<strong>und</strong> genügten in vielen Fällen von ihren<br />

mechanischen Qualitäten her nicht den Anforderungen.<br />

Platten, die man mit der Hand<br />

biegen konnte (Schmale 4,5 mm 10-Lochplatte),<br />

Gewindebohrer/-schneider, die sich<br />

bei vorschriftsmäßiger Verwendung um<br />

die Längsachse verwinden <strong>und</strong> ein Sechskantimbus<br />

in den Schraubenköpfen, der<br />

die Schraubendreher nicht formschlüssig<br />

aufnahm, so den Schraubendreher <strong>und</strong> sich<br />

selbst sehr leicht ab- oder ausr<strong>und</strong>ete, waren<br />

eindeutige Hinweise auf diesen Mangel<br />

in der Endfertigung der Produkte. Veränderungen<br />

im Design <strong>und</strong> in den Anwendungsprinzipien,<br />

wie sie schrittweise von der AO<br />

erarbeitet <strong>und</strong> umgesetzt wurden, konnten<br />

ebenfalls nicht oder nicht zeitgerecht begleitet<br />

oder nachvollzogen werden.<br />

64<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Hersteller dieser nachgebauten Produkte<br />

waren der VEB (Volkseigener Betrieb) Medizinmechanik<br />

Suhl <strong>und</strong> die Instrumentenfabrik<br />

in Königssee. Der Vertrieb der trotz allem<br />

immer noch knappen Materialien erfolgte<br />

über das Staatliche Versorgungskontor in<br />

Gera. Dabei kam es jedoch immer wieder zu<br />

langen Wartezeiten <strong>und</strong> Versorgungsengpässen,<br />

die zum Teil durch zeitweilig doch<br />

wieder genehmigte Importe, allerdings<br />

oft von anderen, preis- oder devisengünstigeren<br />

Herstellern, meistens ohne Rücksicht<br />

auf Systemkompatibilität <strong>und</strong> Qualität<br />

ausgeglichen werden mussten.<br />

Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch<br />

die später aufkommenden Verriegelungsnägel<br />

nicht von Herstellern im Ausland bezogen<br />

werden durften, in der DDR aber solche<br />

auch nicht hergestellt wurden. So blieb<br />

nur die Möglichkeit, die Verriegelungslöcher<br />

entweder selbst zu Hause oder in der Werkstadt<br />

der Klinik in die vorhandenen Küntscher-Nägel<br />

zu bohren. Das war technisch<br />

nicht einfach <strong>und</strong> begrenzte zwangsläufig<br />

das zur Verfügung stehende Lager dieser<br />

Nägel. Die Verriegelung erfolgte an beiden<br />

Nagelenden mit Kortikalisschrauben in der<br />

„freien Technik“.<br />

Diese Mängel <strong>und</strong> Engpässe auf dem Instrumenten-<br />

<strong>und</strong> Implantatsektor trugen nicht<br />

unerheblich dazu bei, dass Verlaufs- <strong>und</strong><br />

Heilungsstörungen, sogenanntes oder wirkliches<br />

Implantatversagen <strong>und</strong> Fehlergebnisse<br />

auftraten. Der vor allem durch die AO<br />

induzierte Fortschritt in der Versorgungsstrategie<br />

von knöchernen Läsionen machte<br />

sich aber trotzdem an vielen sehr viel besseren<br />

Ergebnissen deutlich bemerkbar.<br />

In dem Bemühen, sich bezüglich dieser<br />

Medizinprodukte von Importen aus dem<br />

sogenannten „nichtsozialistischen Wirtschafts-<br />

<strong>und</strong> Währungsgebiet“ unabhängig<br />

zu machen, wurde von „Staat <strong>und</strong> Partei“<br />

(SED) dann schließlich darauf orientiert<br />

bzw. gefordert, eigene Methoden <strong>und</strong> Mittel<br />

zu entwickeln. Einige Kollegen schufen<br />

daraufhin Osteosynthese-Systeme nach<br />

dem Vorbild bzw. den technologisch-therapeutischen<br />

Prinzipien der AO <strong>und</strong> brachten<br />

diese auf den Markt. Beispiele hierfür sind<br />

die Fixateur-externe-Modelle von Miehle<br />

mit Gewindestäben <strong>und</strong> wenig flexiblen Zusatzelementen<br />

(ein Schritt in die technologische<br />

Vergangenheit!), der für die Millitärmedizin<br />

entwickelte Stab-Fixateur in großer<br />

<strong>und</strong> kleinerer Variante <strong>und</strong> der „Plattenfixateur“,<br />

der in Polen entwickelt („Zespol“) <strong>und</strong><br />

von einigen Kliniken (Bezirkskrankenhaus<br />

Frankfurt/Oder; Med. Akademie Erfurt) modifiziert<br />

<strong>und</strong> genutzt wurde. Der Vergleich<br />

der Anwendbarkeit <strong>und</strong> der Ergebnisse mit<br />

denen der modernen Osteosynthese, wie sie<br />

die AO entwickelt hatte, fiel jedoch für diese<br />

Verfahren eindeutig negativ aus. Von der<br />

Mehrzahl der qualifizierten Traumatologen<br />

wurden diese Eigenprodukte eher skeptisch<br />

betrachtet bzw. abgelehnt. Sie konnten sich<br />

also nicht durchsetzen.<br />

Endoprothetik<br />

Zusammen mit den ersten AO-Instrumentarien<br />

wurden in ausgewählte Kliniken auch<br />

Instrumentarien <strong>und</strong> Implantate von der<br />

Firma Prothek, ebenfalls aus der Schweiz,<br />

ausgeliefert, um die unfallbedingte primäre<br />

oder sek<strong>und</strong>äre Endoprothetik, zunächst<br />

nur der Hüfte, abzusichern. Auch hier traten<br />

später Probleme mit Nachschub- oder<br />

Ergänzungsimporten ein, die Ärzte <strong>und</strong> Patienten<br />

in sehr unangenehme Situationen<br />

bringen konnten bzw. gebracht haben.<br />

Deshalb wurde auch die Produktion von<br />

Hüftgelenkendoprothesen im eigenen Land<br />

von offizieller Seite gefordert <strong>und</strong> gefördert.<br />

Dazu wurde, ausgehend von der Orthopädischen<br />

Universitätsklinik Jena, Standort<br />

Eisenberg, ein Metallschaft (Prothecast) im<br />

Sinne eines gestreckten Bananenschaftes<br />

entwickelt <strong>und</strong> kombiniert mit einem Keramik-Kopf<br />

aus den keramischen Werken<br />

Hermsdorf, entweder als Kopf-Prothese<br />

oder in Kombination mit einer Polyaethylenpfanne<br />

als Totalendoprothese <strong>und</strong> für<br />

Standardversorgungen ausnahmslos angeboten.<br />

In vielen Fällen wurden diese erfolgreich<br />

eingesetzt. Sonderprothesen, z. B. für<br />

Revisionseingriffe oder die Korrektur orthopädischer<br />

<strong>und</strong> posttraumatischer Problemsituationen<br />

wurden im begrenzten Umfang<br />

auch weiterhin importiert, wobei die Wahl<br />

des Herstellers <strong>und</strong> des jeweiligen Modells<br />

wiederum von der „Devisensitua tion“ der<br />

DDR abhängig gemacht wurde <strong>und</strong> nicht<br />

in erster Linie von den Wünschen <strong>und</strong> Bedürfnissen<br />

der Patienten <strong>und</strong> Ärzte. Eine<br />

von Prof. Hellinger, damals Ordinarius für<br />

Orthopädie in Dresden, vorgelegte „Neuschöpfung“<br />

einer Femurkomponente aus<br />

Metall, die mit einer Standardpfanne aus<br />

Polyäthylen kombiniert werden sollte, fand<br />

keine verbreitete Anwendung.<br />

Es fehlten außer den Schaftraspeln die für<br />

die korrekte Implantation erforderlichen<br />

Instrumentarien, was die Operationen erschwerte<br />

<strong>und</strong> das Risiko von Fehlergebnissen<br />

anwachsen ließ. Bis zum Ende der DDR<br />

blieb also immer eine Importabhängigkeit<br />

auch auf diesem Sektor bestehen, die immer<br />

stärker restriktiv gesehen <strong>und</strong> gehandhabt<br />

wurde.<br />

Zulassung von Medizinprodukten<br />

Die Entscheidungen über Importe von Medizinprodukten<br />

(Implantate, Instrumentarien,<br />

Einwegmaterialien, Medikamente) wurden<br />

von einem zentralen Gutachterausschuss<br />

beim Außenhandelsministerium der DDR<br />

in Berlin getroffen, in dem namhafte Vertreter<br />

der klinischen Fachdisziplinen vertreten<br />

waren oder bedarfsweise eingeladen wurden.<br />

Aus ökonomischen Gründen oder in<br />

Folge sachlich unrichtiger Beratung dieses<br />

Gremiums kam es häufig zu Ablehnungen<br />

oder zu Importsperrungen von medizinisch<br />

dringend benötigten Medikamenten <strong>und</strong><br />

anderen Medizinprodukten. Es bedurfte<br />

oft langwieriger Verhandlungen, Neu-Zulassungen<br />

zu erreichen oder verhängte<br />

Importsperrungen rückgängig zu machen,<br />

zumal die Meinungen <strong>und</strong> das Opportunitätsverständnis<br />

der verschiedenen Fachvertreter<br />

sehr unterschiedlich waren.<br />

Unter all diesen Umständen war <strong>und</strong> blieb<br />

der Mangel an produkt- <strong>und</strong> methodenspezifischen<br />

Instrumenten, Implantatmaterialien<br />

speziellen Medikamenten <strong>und</strong><br />

adjuvanten Medizinprodukten als dauerhafte<br />

Behinderung bestehen, obwohl seit<br />

1976 eine Sektion DDR der AO-International<br />

staatlich genehmigt <strong>und</strong> gegründet<br />

<strong>und</strong> die Zusammenarbeit zugesagt worden<br />

war. Deshalb konnte auch nicht originalgetreu<br />

von den Weiterentwicklungen der AO<br />

in den Erkenntnissen, daraus abgeleiteten<br />

Prinzipien <strong>und</strong> Fortschritten auf dem Implantatsektor<br />

Gebrauch gemacht werden.<br />

Daraus ergab <strong>und</strong> verstärkte sich mehr <strong>und</strong><br />

mehr die Notwendigkeit der schöpferischen<br />

Improvisation bei der Umsetzung moderner<br />

Prinzipien mit den verfügbaren Mitteln.<br />

Dabei wurde deutlich, dass es in erster Linie<br />

auf die prinzipiengetreue konzeptionelle<br />

Umsetzung der Erkenntnisse ankommt,<br />

wenn man erfolgreich behandeln will, <strong>und</strong><br />

dass dieses auch mit relativ einfachen, allgemein<br />

nutzbaren Implantaten möglich<br />

<strong>und</strong> vergleichbar erfolgreich sein kann oder<br />

ist.<br />

Organisatorisch-strukturelle<br />

Voraussetzungen<br />

Nach dem 2. Weltkrieg wurde im Osten<br />

Deutschlands, der späteren DDR, in aller Regel<br />

die Behandlung von Unfallschäden von<br />

Chirurgen ausgeführt. Die orthopädischen<br />

Kollegen waren mehr für die Therapie von<br />

Krankheiten <strong>und</strong> unfallunabhängigen Schäden<br />

am Stütz- <strong>und</strong> Bewegungsapparat zuständig.<br />

Letztere waren in eigenständigen<br />

Kliniken organisiert <strong>und</strong> strukturiert. Die<br />

unfallchirurgisch interessierten <strong>und</strong> qualifi-<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 65


zierten Chirurgen waren allenfalls in Abteilungen<br />

innerhalb chirurgischer Struktureinheiten<br />

zusammengefasst <strong>und</strong> standen unter<br />

der übergeordneten Leitung des Chefarztes<br />

oder Direktors der jeweiligen Klinik oder<br />

Abteilung für Chirurgie. Nur wenige dieser<br />

Ordinarien oder Chefärzte waren selbst unfallchirurgisch<br />

interessiert <strong>und</strong> qualifiziert.<br />

Vielmehr waren sie geprägt von schlechten<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Ergebnissen mit den bis<br />

dahin verfügbaren Behandlungsmethoden<br />

<strong>und</strong> übertrugen die Aufgabe oft an junge,<br />

<strong>und</strong>/oder operativ nicht so sehr gut einzusetzende<br />

Mitarbeiter. Lediglich in Cottbus,<br />

Dessau, Rostock-Südstadt <strong>und</strong> in Zwickau<br />

(damals Bezirkskrankenhäuser) <strong>und</strong> Berlin-<br />

Friedrichshain (den Bezirkskrankenhäusern<br />

quasi gleichgestellt) entstanden schon früh<br />

eigenständige unfallchirurgische Kliniken<br />

unter Leitung spezialisierter Traumatologen.<br />

Ansonsten regierten die Chirurgischen<br />

Chefs über die Unfallabteilungen, entschieden<br />

über deren finanzielle, personelle sowie<br />

die apparativ-instrumentelle Ausstattung<br />

<strong>und</strong> engten so den Entwicklungsfreiraum<br />

der unfallchirurgisch interessierten <strong>und</strong> mit<br />

der Ausübung beauftragten Kollegen ein. Bei<br />

der Zuteilung von Personal, OP-Kapazitäten<br />

<strong>und</strong> anderem wurden zunehmend Prioritäten<br />

zugunsten anderer prestigeträchtiger<br />

chirurgischer Disziplinen gesetzt, sodass in<br />

der Unfallchirurgie oft Behandlungsverfahren<br />

geändert <strong>und</strong> zeitliche Abläufe nicht<br />

garantiert werden konnten. Häufig waren<br />

daher konservative Verfahren immer wieder<br />

alternativ erforderlich <strong>und</strong> wegen der Unsicherheit<br />

in der Planung, Organisation <strong>und</strong><br />

Durchführung operativer Maßnahmen kristallisierte<br />

sich das Prinzip der „quasi definitiven“<br />

Erstbehandlung heraus. Das Resultat<br />

der primären Therapiemaßnahmen musste<br />

dabei so gut sein, dass es unter ungünstigen<br />

Umständen notfalls auch so zur Ausheilung<br />

kommen <strong>und</strong> befriedigende funktionelle Ergebnisse<br />

erwarten lassen konnte.<br />

Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang<br />

auch, dass in der Krankenhauslandschaft<br />

der DDR die Versorgungsaufträge<br />

deutlich abgestuft waren <strong>und</strong> danach<br />

auch der Ausrüstungsstandard bemessen<br />

wurde. Qualifizierte oder gar spezialisierte<br />

Unfallchirurgie konnte praktisch nur in<br />

den Universitätsklinika <strong>und</strong> den Bezirkskrankenhäusern<br />

erfolgen. Wo derartige<br />

Häuser nicht in angemessener Entfernung<br />

zu erreichen waren, wurden Kreiskrankenhäuser<br />

„mit erweiterter Aufgabenstellung“<br />

beauftragt <strong>und</strong> entsprechend ausgestattet.<br />

Darüber entschied der jeweilige Bezirksarzt.<br />

In den übrigen Kreis- oder den konfessionellen<br />

Krankenhäusern reichten in der Regel<br />

personelle <strong>und</strong> materielle Möglichkeiten<br />

sowie individuelle spezielle Erfahrung nicht<br />

aus, um über die Gr<strong>und</strong>versorgung hinaus<br />

in größerem Umfang moderne operative<br />

Unfallchirurgie zu praktizieren. Es bestand<br />

ein erhebliches Gefälle in der Versorgungskapazität<br />

<strong>und</strong> -qualität von den Universitätskliniken<br />

über die Bezirkskrankenhäuser<br />

hin zu den peripheren stationären <strong>und</strong> ambulanten<br />

(Polikliniken) Versorgungseinrichtungen.<br />

Daraus lässt sich auch erklären,<br />

dass die Kliniken <strong>und</strong> Krankenhäuser Fachambulanzen<br />

unterhielten, in denen eine in<br />

der Regel lebenslange Betreuung im Sinne<br />

eines Dispensaires angeboten wurde, was<br />

sowohl für die Patienten als auch für die<br />

Ärzte in den Kliniken eine ganze Reihe Vorteile<br />

<strong>und</strong> Nutzeffekte hatte, wie z. B: die<br />

gesicherte unkomplizierte Betreuung oder<br />

Behandlung wegen der Verletzungsfolgen<br />

bis zur abgeschlossenen Rehabilitation <strong>und</strong><br />

auch darüber hinaus (Qualitätskontrolle,<br />

wissenschaftliche Bearbeitung, intensives<br />

Arzt-Patienten-Verhältnis).<br />

Thermische Verletzungen<br />

Die Therapie von Patienten mit thermischen<br />

Schäden war traditionell eine chirurgische<br />

Aufgabe. Mit der Herausbildung von unfallchirurgischen<br />

Funktionseinheiten ging die<br />

Verantwortung dafür in der Regel auf diese<br />

über in enger Zusammenarbeit mit den<br />

Anästhesiologen. Die Bezirksärzte beauftragten<br />

die Fachabteilungen der Universitätskliniken<br />

als Zentren für die umfassende<br />

Behandlung von Schwerbrandverletzten.<br />

Rückenmarksverletzungen<br />

Unfallbedingt querschnittgelähmte Patienten<br />

wurden ebenfalls in Unfallchirurgischen<br />

Zentren primär versorgt <strong>und</strong> zur<br />

Weiterbehandlung in dafür spezialisierte<br />

Rehabilitationseinrichtungen, wie etwa in<br />

Sülzhayn oder Kreischa, verlegt.<br />

Nicht zuletzt wegen dieser Patientengruppen<br />

aber auch wegen der zunehmenden<br />

Schwere der Unfallverletzungen waren die<br />

Unfallchirurgen auch im Osten Deutschlands<br />

an der Einrichtung, Nutzung <strong>und</strong> Betreuung<br />

von Wach- <strong>und</strong> Intensivstationen<br />

interessiert <strong>und</strong> beteiligt. Deren Leitung lag<br />

in aller Regel zwar in anästhesiologischer<br />

Verantwortung, jedoch war die Zusammenarbeit<br />

im Interesse der Patienten gut abgestimmt<br />

<strong>und</strong> führte nur selten zu Kontroversen<br />

oder Nachteilen für die Patienten.<br />

Kollegiale Zusammenarbeit<br />

Ein „DDR-spezifisches Versorgungsprinzip“<br />

war auch, dass im Bedarfsfall der ärztliche<br />

Spezialist (Unfallchirurg, Neurochirurg u. a.)<br />

aus dem Zentrum zum Patienten in ein peripheres<br />

Krankenhaus gerufen wurde <strong>und</strong><br />

fuhr, um ihn dort mit den Kollegen vor Ort<br />

zu versorgen <strong>und</strong> die weitere Betreuung<br />

abzustimmen. Ein funktionierendes Luftrettungs-<br />

oder -transportsystem stand nicht<br />

zur Verfügung <strong>und</strong> der Krankentransport<br />

per Sanitätskraftwagen war oft zu zeitaufwendig<br />

oder zu risikovoll. Nebenbei ergab<br />

sich auch ein Wissenstransfer, der sich positiv<br />

auf die regionale Zusammenarbeit auswirkte.<br />

Zusammenfassung<br />

Als Zeitzeuge <strong>und</strong> Mitwirkender an dieser<br />

Entwicklung kann man zusammenfassend<br />

von schwierigen, hindernis- <strong>und</strong> arbeitsreichen,<br />

aber auch sehr interessanten <strong>und</strong><br />

erfolgreichen Jahren sprechen. Der weitgehend<br />

reibungs- <strong>und</strong> problemlos abgelaufene<br />

Prozess der gleichberechtigten Eingliederung<br />

der ostdeutschen Unfallchirurgen<br />

in das gesamtdeutsche Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />

sowie der Auf- <strong>und</strong> Ausbau von selbständigen<br />

Unfallabteilungen oder -kliniken,<br />

geleitet von adäquat qualifizierten Traumatologen,<br />

waren Bestätigung <strong>und</strong> Anerkennung<br />

des unter gr<strong>und</strong>sätzlich anderen Bedingungen<br />

zurückgelegten Weges mit dem<br />

gleichen Ziel, der Verbesserung der Diagnostik,<br />

Therapie <strong>und</strong> Nachsorge unfallverletzter<br />

Patienten.<br />

Prof. Dr. W. Otto<br />

Am Park 5<br />

06184 Kabelsketal<br />

OT Dieskau<br />

66<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Die Entwicklung der externen<br />

Knochenfixation in der DDR<br />

D. Miehle<br />

Die Methoden der externen Fixation für<br />

knöcherne Verletzungen <strong>und</strong> deren Folgen<br />

für Korrekturen am knöchernen Skelett,<br />

Weichteilplastiken etc., rückten in den 70er<br />

<strong>und</strong> 80er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts immer<br />

mehr in den Blickpunkt des Interesses<br />

<strong>und</strong> wurden so zu einem der bedeutendsten<br />

Fortschritte in der Skelett-Traumatologie<br />

<strong>und</strong> Orthopädie der letzten Jahrzehnte.<br />

Wichtige Gr<strong>und</strong>voraussetzungen für einen<br />

erfolgreichen Einsatz dieser Methoden<br />

waren verbesserte Technik <strong>und</strong> verbesserte<br />

Werkstoffe, neue biomechanische Erkenntnisse<br />

besonders auf dem Gebiet der<br />

Vaskularität <strong>und</strong> des Weichteilschadens,<br />

Erkenntnisse bei der Behandlung von Rasanztraumen<br />

<strong>und</strong> der Behandlung von Multitrauma-Patienten.<br />

So kam es zu einer echten<br />

Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Alternativen für diese klinischen<br />

Problemfälle.<br />

In der gesamten Welt war man bemüht,<br />

Geräte für die externe Knochenfixation zu<br />

entwickeln oder vorhandene weiterzuentwickeln<br />

<strong>und</strong> zu vervollkommnen.<br />

In der DDR hatten Ende der 60er <strong>und</strong> Anfang<br />

der 70er Jahre nur wenige Kliniken den bekannten<br />

drahtfixierten Apparat nach Ilisarov<br />

<strong>und</strong> später die Apparate nach Kalmbers<br />

zur Verfügung <strong>und</strong> durch die Wirtschaftsbeziehungen<br />

in der damaligen sozialistischen<br />

Staatengemeinschaft auch den Fixateur<br />

externe nach Poldy (CSSR) <strong>und</strong> einen bulgarischen<br />

Apparat. Alle diese Geräte waren<br />

drahtfixierte Geräte mit den bekannten Problemen<br />

der Kerbungen.<br />

Nach Einführung der Druckplattenosteosynthese<br />

der Schweizer Arbeitsgemeinschaft<br />

für Osteosynthesefragen (AO) im Jahre 1968<br />

in der DDR, wurde später das Rohrsystem<br />

als nagel- <strong>und</strong> schraubenfixiertes Gerät in<br />

kleinen Stückzahlen importiert. Der Vorgänger<br />

war der kleine Gewindefixateur.<br />

Alle einzelnen Apparate <strong>und</strong> Systeme waren<br />

jedoch auf dem internationalen Markt teuer,<br />

woraus sich erhebliche Devisenaufwendungen<br />

notwendig machten.<br />

Da andererseits die Anwendungsbereiche<br />

Anfang der 70er Jahre stürmisch anwuchsen<br />

<strong>und</strong> damit ein großer Bedarf in den unfallchirurgischen<br />

<strong>und</strong> orthopädischen Einrichtungen<br />

in der DDR entstand, sich also<br />

eine große Marktlücke auftat, musste man<br />

sich auch in der DDR in Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Praxis diese Probleme annehmen.<br />

So wurde in Zusammenarbeit mit einem<br />

Großbetrieb, dem VEB Sachsenring Automobilwerke<br />

Zwickau, nach Art eines Patenschaftsvertrages<br />

auf der Basis des Schweizer<br />

Gewindefixateurs eine völlig neue Variante<br />

konstruiert, entwickelt <strong>und</strong> an vielen<br />

Patienten, anfänglich an der Unfallchirurgischen<br />

Klinik des damaligen Karl-Marx-<br />

Stadt (heute wieder Chemnitz), von mir erfolgreich<br />

erprobt <strong>und</strong> weiterentwickelt, bis<br />

es zu einer eigenständigen Produktion im<br />

VEB MLW Medizinmechanik Suhl kommen<br />

konnte.<br />

So entstand ein eigenständiges Modell<br />

nach Art eines Baukastenprinzips als ein<br />

universell anwendbares nagel- <strong>und</strong> schraubenfixiertes<br />

Gerät, das sich durch Pflegeleichtigkeit,<br />

Einfachheit in der Handhabung,<br />

besonders auch räumlicher Anwendbarkeit<br />

auszeichnet <strong>und</strong> nur auf wenige Bauteile<br />

reduziert war ( Abb. 1–2).<br />

Entscheidend waren u. a. auch die neuen<br />

Erkenntnisse biomechanischer Untersu-<br />

Abb. 1 Der Fixateur extern – System Miehle<br />

Abb. 2 Das Montage-Set des Fixateur<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 67


Abb. 3 Knochenmodell montage am Unterschenkel mit Fußplatte<br />

<strong>und</strong> dosierbarem Druck<br />

Abb. 4 Montage Knochenmodell Becken-Oberschenkel<br />

chungen drahtfixierter gegenüber schrauben-<br />

<strong>und</strong> nagelfixierter Geräte im Tierexperiment<br />

durch Mayer Greifswald-Dresden.<br />

Im eigenen Modell wurden die notwendigen<br />

Forderungen an moderne Osteosynthesematerialien<br />

berücksichtig, die sich<br />

auf biologischen, biomechanischen <strong>und</strong><br />

metallurgischen Erkenntnissen ergaben.<br />

So entstand der Fixateur externe der DDR,<br />

der schließlich als „System Miehle“ in die<br />

Literatur eingegangen ist. Dabei wurden<br />

die aus der Praxis gewonnenen Erkenntnisse<br />

<strong>und</strong> Notwenigkeiten an einen modernen<br />

Apparat, wie Kraftschlüssigkeit der<br />

äußeren Verbindungen, Apparatspannkraft,<br />

besonders dimensionierte Implantate für<br />

alle Knochenarten (große <strong>und</strong> kleine Röhrenknochen,<br />

Spongiosa), Druckverformung<br />

des Knochens <strong>und</strong> Größe der Kerblochspannungen,<br />

bei der Konzipierung berücksichtigt.<br />

Die Abbildungen 3–6 zeigen verschiedene<br />

Anwendungen des Fixateurs.<br />

Das Erzeugnis bestand zunächst aus rostfreiem<br />

V4A-Stahl <strong>und</strong> später aus Titan.<br />

Das Erzeugnis hat sich in der Praxis außerordentlich<br />

bewährt <strong>und</strong> wurde an h<strong>und</strong>erten<br />

Patienten erfolgreich eingesetzt. Daraus<br />

erfolgten viele Publikationen in der Fachliteratur<br />

über den Einsatz an der oberen <strong>und</strong><br />

unteren Extremität, am koxalen Femurende,<br />

als Ligamentotaxis bei Extensionsfrakturen<br />

am Handgelenk, den Einsatz bei so<br />

genannten Kettenfrakturen (Becken, Ober<strong>und</strong><br />

Unterschenkel), bei Arthrodesen am<br />

Knie <strong>und</strong> Sprunggelenk, bei Cross-leg-Plastiken,<br />

temporären Gelenküberbrückungen<br />

bei multitraumatisierten Patienten <strong>und</strong> bei<br />

Extremitätenverlängerung. Selbst bei nicht<br />

gelungenen Repositionen nach Totalendoprothesenimplantationen<br />

des Hüftgelenkes<br />

intraoperativ konnte das System als ileofemorale<br />

Montage hilfreich eingesetzt werden,<br />

indem durch kontinuierlichen Zug die<br />

Verkürzung <strong>und</strong> damit das Repositionshindernis<br />

ausgeglichen werden.<br />

Aus vielen Fachvortragsreisen ergaben sich<br />

für MLW Intermed Berlin stets weitere Initiativen.<br />

So wurden Prospektmaterialien,<br />

sowohl in deutscher, englischer, spanischer,<br />

niederländischer <strong>und</strong> russischer Sprache, erarbeitet.<br />

Die große Bedeutung der externen<br />

Fixation <strong>und</strong> das Vorhandensein eines eigenen<br />

Modells wurden auch in der Militärmedizin<br />

erkannt, wo der Einsatz für Schussverletzungen<br />

das Mittel der Wahl ist.<br />

So wurde von der Abteilung für Forschung<br />

des Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

der Auftrag erteilt, den Fixateur externe<br />

„Sys tem Miehle“ als ein herausragendes<br />

Forschungsergebnis als Exponat in einer<br />

Dauerausstellung im Hygienemuseum<br />

Dresden im Jahr 1981 auszustellen.<br />

Während die Bestrebungen, das Produkt<br />

patentrechtlich zu schützen, fehlschlugen,<br />

konnte aber im Jahr 1981 die Produktion<br />

im VEB MLW Medizinmechanik Suhl aufgenommen<br />

werden.<br />

Eine Weiterentwicklung durch viele gute<br />

Erfahrungen erfolgte durch mich im Jahre<br />

1987 mit verschiedenen Einzelteilen,<br />

einschließlich eines Zielgerätes <strong>und</strong> einer<br />

Fußplatte mit dosierbarem Federzug zur<br />

Verbesserung des venösen Rückflusses <strong>und</strong><br />

damit zur Prophylaxe von thromboembolischen<br />

Komplikationen.<br />

Vorausgegangen waren klinische Prüfungen<br />

des Fixateur externe „System Miehle“ an der<br />

Orthopädischen Klinik der Medizinischen<br />

Akademie Dresden, der Unfallchirurgischen<br />

Klinik der Universität Leipzig, am Bezirkskrankenhaus<br />

Cottbus <strong>und</strong> Bezirkskrankenhaus<br />

Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) <strong>und</strong> im<br />

Waldkrankenhaus Bad Düben.<br />

An allen Kliniken wurde das System erfolgreich<br />

erprobt <strong>und</strong> die wichtigen Vorteile der<br />

hohen Stabilität <strong>und</strong> variablen Einsatzmöglichkeiten<br />

gelobt. Dabei ist besonders zu<br />

nennen, dass die Toleranzbreite zwischen<br />

einer geforderten Stabilität einerseits, <strong>und</strong><br />

einer nicht erwünschten absoluten Rigidität<br />

andererseits zwar gering ist, aber im System<br />

mit berücksichtigt wurde.<br />

Besonderes wissenschaftliches Aufsehen<br />

erregten im In- <strong>und</strong> Ausland auf Kongressen<br />

sowie auf der Leipziger Messe, der Einsatz<br />

dieses Systems bei instabilen Wirbelfrakturen<br />

mit <strong>und</strong> ohne Lähmungen. Diese<br />

Eingriffe wurden erstmalig an der Universität<br />

Leipzig unter der Leitung von Prof. Dr.<br />

Arnold <strong>und</strong> an der Charité Berlin unter der<br />

Leitung von Prof. Dr. Zippel durchgeführt.<br />

In vielen Gutachten wurde betont, dass der<br />

„Typ Miehle“ den internationalen Angeboten<br />

standgehalten hat <strong>und</strong> wurde danach<br />

eindeutig als Importablösung angesehen<br />

<strong>und</strong> zum eigenen Export empfohlen.<br />

Der Fixateur externe „System Miehle“ wurde<br />

auch 1979/80 im Beisein des Präsidenten<br />

der AO-International, Prof. Dr. Willenegger<br />

Schweiz, in Ungarn vorgestellt <strong>und</strong> erhielt<br />

auch dort deutliche Anerkennung.<br />

Prof. Dr. Arnold Universität Leipzig / später<br />

Bezirkskrankenhaus Suhl hat allein 4 Sets<br />

des Fixateur externe „System Miehle“ mit<br />

nach Äthiopien genommen <strong>und</strong> hat das System<br />

außerordentlich erfolgreich dort eingesetzt<br />

<strong>und</strong> entsprechend positive Gutachten<br />

über die Vielseitigkeit der Einsatzmöglichkeiten<br />

der räumlichen Anwendbarkeit <strong>und</strong><br />

der vielen Korrekturmöglichkeiten insbe-<br />

68<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 5 Knochenmodell Handgelenk<br />

Abb. 6 Knochenmodel Wirbelsäule<br />

sondere auch der Einfachheit der Handhabung<br />

dem Ministerium mitgeteilt <strong>und</strong> im<br />

Gutachten insbesondere bei Ausstellungen<br />

anlässlich der Leipziger Messe dargelegt.<br />

In der Zeit meiner Tätigkeit an der Charité<br />

Berlin wurde das System in der Chirurgischen<br />

Klinik bei Prof. Dr. med. habil. Dr. h.c.<br />

Helmut Wolff <strong>und</strong> der Unfallchirurgischen<br />

Abteilung bei Prof. Dr. Hildebrandt von mir<br />

weiter vervollkommnet <strong>und</strong> viele Knochenmodelle<br />

angefertigt, die im In- <strong>und</strong> Ausland<br />

vorgestellt wurden.<br />

Neben einer intensiven Vortragstätigkeit<br />

in Kliniken der DDR, so an der Universität<br />

Jena, an der Humboldt Universität Berlin,<br />

der Universität Leipzig, der Medizinischen<br />

Akademie Magdeburg, Dresden <strong>und</strong> verschiedenen<br />

anderen Kliniken (Berlin-Buch,<br />

Bad Düben) u. v. a. wurden auch Direktiven<br />

erarbeitet zur Realisierung von Aufgabenstellungen<br />

im sogenannten NSW.<br />

Ab Anfang der 80er Jahre wurden Vortragsreisen<br />

in die BRD <strong>und</strong> ins Ausland organisiert.<br />

So erfolgten Vortragsreisen nach Ungarn,<br />

vom 31.5. bis 2.6.1979 / Kesckemed, nach<br />

Frankreich/Montpellier/Avignon im Januar<br />

1980.<br />

Prof. Kalnbers kam persönlich nach Chemnitz<br />

im Jahr 1980 <strong>und</strong> hat sich den Aufbau<br />

<strong>und</strong> die Wirkweise des Fixateur genauestens<br />

angesehen <strong>und</strong> Einladungen nach<br />

Riga in seine Klinik ausgesprochen.<br />

Vorstellungen erfolgten ebenso erfolgreich<br />

beim Weltkongress für externe Fixation<br />

vom 2.4. bis 4.4.1981 in Puerto Rico in der<br />

Hauptstadt San Juan.<br />

Im Jahr 1982 wurden mehrere Vorträge vom<br />

Autor des Fixateur „System Miehle“ auf Einladung<br />

in Palm Springs Kalifornien verlesen.<br />

Auch hier waren die Rückinformationen<br />

außerordentlich positiv über die Einsatzmöglichkeiten<br />

des Fixateur externe „System<br />

Miehle“.<br />

Im Jahr 1982 wurde der Fixateur erfolgreich<br />

im Iran in Teheran vorgestellt.<br />

Neben der Ausstellung zur Leipziger Messe,<br />

erfolgten ebenso Ausstellungen in Düsseldorf<br />

auf der Interhospital-Messe vom 7.6.<br />

bis 10.6.1983, sowie in Le Bouscat in Frankreich<br />

im gleichen Jahr.<br />

Ebenso erfolgte die Vorstellung einschließlich<br />

mehrerer Vorträge zur 10. Internationalen<br />

Konferenz für externe Fixation vom<br />

22.9. bis 24.9.1983 an der Université Libre<br />

de Bruxelles.<br />

Am 08.06.1983 <strong>und</strong> am 20. bis 22.9.1983<br />

wurden Vorträge in Kurgan (Ural) bei Prof.<br />

Ilisarov gehalten.<br />

Auch in Damaskus in Syrien wurden vom<br />

14.2. bis 22.2.1984 erfolgreiche Opera tionen<br />

durchgeführt.<br />

In Budapest wurde der Fixateur erfolgreich<br />

eingesetzt anlässlich einer Forschungsreise<br />

vom 29.10. bis 2.11.1984, wo neben Vorlesungen<br />

<strong>und</strong> operativen Einsätzen auch ein<br />

Hochschulfilm in Ungarisch <strong>und</strong> Deutsch<br />

angefertigt wurde.<br />

Als Vertragspartner in der BRD wurde durch<br />

Vortragsreisen nach Tuttlingen die Firma<br />

Medicon-Instrumente gewonnen. Diese<br />

Aktivitäten fanden in den Jahren 1984 <strong>und</strong><br />

1985 statt. In diesem Zusammenhang wurde<br />

der Fixateur auch an der Universitätsklinik<br />

Tübingen erprobt einschließlich Erstellung<br />

eines ausführlichen Werbeprospektes.<br />

Ebenso erfolgte der erfolgreiche Einsatz am<br />

Zentralinstitut für Traumatologie in Budapest<br />

bei Prof. Dr. Manninger am 19.7.1985.<br />

Von Prof. Dr. Manninger wurde dann auch<br />

ein sehr positives Gutachten über dieses<br />

Modell an das Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

der DDR weitergeleitet.<br />

Weiterhin erfolgten Reisen nach dem Irak,<br />

insbesondere nach Bagdad vom 6.11. bis<br />

13.11.1983 <strong>und</strong> 16.4. bis 24.4.1986. Dort<br />

wurde der Fixateur an der Universität Bagdad<br />

vorgestellt <strong>und</strong> in mehreren Kliniken<br />

erfolgreich eingesetzt. Selbst schwerste<br />

Schussverletzungen konnten damit ausgeheilt<br />

werden, wo dem Patienten vorher die<br />

Amputation angeraten wurde.<br />

Vom 15.5. bis 17.5.1986 erfolgten mehrere<br />

Vorträge auf dem Symposium in Katovice.<br />

Vom 1.3. bis 11.3.1987 konnte der Fixateur<br />

externe „System Miehle“ erfolgreich an vielen<br />

Kliniken in Nicaragua vorgestellt werden.<br />

Anschließend erfolgten auch Einladungen<br />

von Chirurgen <strong>und</strong> Orthopäden aus Nicaragua<br />

in die DDR in das Kreiskrankenhaus<br />

Lichtenstein, wo der Autor diese Kollegen<br />

auf dem Gebiet der externen Fixation mit<br />

dem „System Miehle“ erfolgreich ausbilden<br />

konnte. Im gleichen Jahr wurde der Fixateur<br />

einschließlich wissenschaftlicher Vorträge<br />

in Nürnberg vom 23.10. bis 24.10.1987 vorgestellt,<br />

ebenso in Kuba 1988.<br />

Auch durch Aktivitäten eines Dia-Ton-Vortrages<br />

konnte der Fixateur weiter bekannt<br />

gemacht werden.<br />

Dozent Dr. habil. D. Miehle<br />

Innere Zwickauer Str. 112<br />

08064 Zwickau<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 69


Studienreise nach Nicaragua<br />

1.3. bis 9.3.1987<br />

D. Miehle<br />

Abb. 1 Zwei typische Kliniken in Managua<br />

Nach Produktionsbeginn des Fixateur-externe-Systems<br />

Miehle im VEB Medizinmechanik<br />

Suhl standen im Mittelpunkt der<br />

Öffentlichkeitsarbeit neben Referenzen<br />

namenhafter Unfallchirurgen <strong>und</strong> Orthopäden<br />

im In- <strong>und</strong> Ausland über dem volkseigenen<br />

Außenhandelsbetrieb MLW Intermed<br />

export <strong>und</strong> import, Schicklerstraße 5/7 in<br />

Berlin <strong>und</strong> Medicon chirurgische Instrumente<br />

Tuttlingen BRD eine Vielzahl von Studienreisen<br />

<strong>und</strong> Ausstellungen.<br />

Als Beispiel soll in diesem Beitrag ein kurzer<br />

Erfahrungsbericht über eine Studienreise<br />

in das mittelamerikanische Land Nicaragua<br />

dienen <strong>und</strong> ein Gegenbesuch zweier<br />

Unfallchirurgen aus Managua in die DDR<br />

nach Berlin (Charité) <strong>und</strong> in das Kreiskrankenhaus<br />

Lichtenstein in Sachsen aus dem<br />

Jahre 1987.<br />

Nach entsprechender Vorbereitung durch<br />

Intermed <strong>und</strong> VEB Medizinmechanik Suhl<br />

erfolgte die weitere Einführung der externen<br />

Knochenfixation mit dem System<br />

Miehle in Nicaragua. Die Reise fand vom 1.3.<br />

bis zum 9.3.1987 statt. Nach einer über 14-<br />

stündigen Flugreise von Berlin Schönefeld<br />

über Moskau, je einer Zwischenlandung in<br />

Irland <strong>und</strong> Kuba setzte die Maschine vom<br />

Typ IL 62 M auf dem Flughafen von Managua<br />

sicher auf. Als erstes fielen mir die völlig<br />

ungewohnten, extremen klimatischen Bedingungen<br />

mit hoher Luftfeuchtigkeit <strong>und</strong><br />

Hitze auf. Für uns Mitteleuropäer erheblich<br />

belastend.<br />

Nach einem überaus fre<strong>und</strong>lichen Empfang<br />

durch Mitarbeiter der Botschaft der<br />

DDR <strong>und</strong> heimischer Unfallchirurgen wurde<br />

ich im Hotel Estrella in Managua untergebracht.<br />

Ein Hotel mit westlichem Niveau.<br />

Gleich am ersten Tag wurde ein konzentriertes<br />

wissenschaftliches Programm festgelegt.<br />

Dazu hatten die <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie in Nicaragua,<br />

die Botschaft <strong>und</strong> der Handelsrat der<br />

DDR gute Vorarbeit geleistet. Für die geplanten<br />

Besuche in den einzelnen Kliniken<br />

( Abb. 1) wurde mir eine junge Frau der<br />

Botschaft mit einem PKW zur Verfügung<br />

gestellt wie auch eine Dolmetscherin Frau<br />

Molina de Espinosa.<br />

Beide haben mir auch in der wenig zur Verfügung<br />

stehenden Freizeit, Land <strong>und</strong> Leute<br />

vorgestellt. Ein Land großer Gegensätze.<br />

Viele Menschen lebten dort in bitterster<br />

Armut in Blechhütten nur ein kleiner Teil<br />

verfügte über Reichtum, feinste Villen <strong>und</strong><br />

große interessante Gr<strong>und</strong>stücke. Die gesamte<br />

Landschaft war sehr interessant wegen<br />

des vulkanischen Ursprunges der entstandenen<br />

Seenkrater, noch aktiven Vulkanen,<br />

Palmen <strong>und</strong> großen Bananenstauden.<br />

Ich wurde dort mir großer Gastfre<strong>und</strong>lichkeit<br />

empfangen, was unvergessen bleiben<br />

wird.<br />

Insgesamt wurde an 9 Tagen ein straffes<br />

wissenschaftliches Programm mit Vorträgen<br />

<strong>und</strong> Workshops durchgeführt.<br />

Besonders war auffällig, dass die nicaraguanischen<br />

Kollegen überdurchschnittlich fleißig,<br />

motiviert <strong>und</strong> für jeden Hinweis dankbar<br />

waren.<br />

Bereits am ersten Tag wurde mir mitgeteilt,<br />

dass in einer Klinik bereits mit zwei<br />

Instrumentarien des Systems Miehle der externen<br />

Knochenfixation erfolgreich gearbeitet<br />

wurde. Dies konnte ich per Teilnahme an<br />

Visiten selbst feststellen. Leider konnten mir<br />

die Kollegen keine Fotos zeigen, weil dies einerseits<br />

an finanziellen Mitteln gemangelt<br />

hat, andererseits insgesamt im Land das<br />

anfertigen von Fotos nicht einfach war, weil<br />

landespolitische Probleme entgegenstanden.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e sind auch einige<br />

Fotos von mir versteckt aus dem fahrenden<br />

Auto gemacht worden.<br />

Der erste Besuch am 3.3.1987 galt dem<br />

Mi litärhospital unter der Leitung des Chefarztes<br />

Dr. med. Salac. An diesem Vortrag<br />

nahmen über 20 Ärzte teil.<br />

70<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Am 4.3.1987 erfolgte der Besuch des Hospitales<br />

Antonio Lenin Fouseca. Dieses Klinikum<br />

verfügte über 180 Betten <strong>und</strong> 25<br />

Ärzte. Dieses Klinikum arbeitete bereits mit<br />

zwei Instrumentarien des Systems Miehle.<br />

Durch Teilnahme an Visiten konnte ich<br />

mir einen guten Überblick verschaffen <strong>und</strong><br />

wertvolle Ratschläge erteilen. An diesem<br />

Tag erfolgten auch praktische Übungen an<br />

Knochenmodellen <strong>und</strong> ein großer Diavortrag<br />

durch mich.<br />

Am 5.3.1987 wurde die Vortragstätigkeit<br />

am Krankenhaus Manolo Morales unter<br />

der Leitung des Chefarztes Dr. med. Luis Cutierrez<br />

fortgesetzt. Hier nahmen insgesamt<br />

25 Ärzte <strong>und</strong> gleichzeitig der Präsident der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie<br />

teil, sowie der Stellvertreter des<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesens von Nicaragua <strong>und</strong><br />

Direktor der Firma Coforma Herr Fernando<br />

Sanchanz. Der Chefarzt der Klinik Manolo<br />

Morales bedankte sich am Schluss des Vortrages<br />

<strong>und</strong> bat darum, Fachliteratur über die<br />

Anwendung des Systems Miehle in Englisch<br />

<strong>und</strong> Spanisch zu erhalten.<br />

Der 6.3.1987 führte mich in die Universitätsstadt<br />

Leon etwa 90 km östlich von Managua.<br />

Auf der Fahrt dorthin lernte ich die<br />

typische Landschaft kennen. Im Hörsaal der<br />

Universität hielt ich eine Vorlesung mit über<br />

25 Ärzten mit anschließender Übung an<br />

Knochenmodellen.<br />

Am 7.3.1987 erfolgte eine abschließende<br />

große Zusammenkunft mit allen Ärzten<br />

<strong>und</strong> außerdem eine Einladung zur Botschaft<br />

<strong>und</strong> dem Handelsrat der DDR. Sowohl der<br />

Präsident der <strong>Gesellschaft</strong>, als auch die anwesenden<br />

Ärzte bedankten sich herzlich<br />

für die geleistete solidarische Hilfe <strong>und</strong><br />

betonten, dass ich als erster Spezialist aus<br />

dem Ausland das Land besucht hätte <strong>und</strong><br />

wertvolle Hilfe geleistet hätte.<br />

Im Ergebnis des Besuches wurde der Wunsch<br />

nach weiteren Literaturmitteilungen, Wiederholungskursen<br />

mit praktischen Übungen<br />

<strong>und</strong> Operationen <strong>und</strong> Teilnahme an Visiten<br />

mir mit auf den Weg gegeben. Vom Präsident<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> wurde mitgeteilt,<br />

dass insgesamt 20 Systeme an 6 Kliniken<br />

des Landes verteilt wurden <strong>und</strong> alle Kollegen<br />

seien von der Einsatzmöglichkeit <strong>und</strong><br />

Variabilität des Systems Miehle überzeugt.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e hat der Präsident den<br />

Wunsch geäußert, dass zwei oder drei Chefärzte<br />

noch im Jahre 1987 gerne in die DDR<br />

zur weiteren Vertiefung der erworbenen Erkenntnisse<br />

kommen möchten.<br />

Im September 1987 kamen dann die Chefärzte<br />

Dr. med. Gerardo Alfaro Pineda <strong>und</strong><br />

Dr. med. Luis ed Gardo Gutierrez Quant in<br />

die DDR. Wir führten zunächst in Berlin an<br />

der Charité praktische Übungen durch an<br />

Knochenmodellen <strong>und</strong> danach reisten die<br />

Kollegen in das Kreiskrankenhaus Lichtenstein/Sachsen<br />

wo ich als Chefarzt tätig war.<br />

Hier nahmen die Kollegen am täglichen<br />

OP-Programm teil <strong>und</strong> konnten ihre Kenntnisse<br />

auf dem Gebiet der externen Fixation<br />

<strong>und</strong> auch im Gesamtgebiet Chirurgie,<br />

Unfallchirurgie <strong>und</strong> Orthopädie vertiefen.<br />

Neben ausführlicher wissenschaftlicher Arbeit<br />

<strong>und</strong> operativer Tätigkeit kam auch die<br />

Kultur <strong>und</strong> Kunst nicht zu kurz, so haben<br />

die Kollegen am Theater <strong>und</strong> Konzertaufführungen<br />

in meiner Heimatstadt Zwickau<br />

teilgenommen. Beim Abschied haben sich<br />

die außerordentlich bescheidenen Kollegen<br />

herzlichst bedankt <strong>und</strong> schrieben mir in<br />

mein Klinikbuch folgendes:<br />

„Wir haben viel bei Ihnen gelernt <strong>und</strong><br />

werden alles was Sie uns mit Geduld <strong>und</strong> mit<br />

Begeisterung beigebracht haben so gut wie<br />

möglich in unserer Heimat anwenden.“<br />

Dozent Dr. habil. D. Miehle<br />

Innere Zwickauer Str. 112<br />

08064 Zwickau<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 71


Begutachtung<br />

W. Senst<br />

Einführung<br />

In allen sozialistischen Ländern vollzog sich<br />

eine Umgestaltung des Begutachtungswesens.<br />

Im März 1961 fand in Bukarest die<br />

1. Internationale Konferenz dieser Länder<br />

zu Gutachtenfragen statt. Dort wurde u. a.<br />

festgelegt, „dass die stürmische Entwicklung<br />

der gesellschaftlichen Produktion, der Ökonomik,<br />

der Wissenschaft <strong>und</strong> der Kultur in den<br />

sozialistischen Ländern neue Anforderungen<br />

an die ärztliche Begutachtung zur weiteren<br />

Vervollkommnung ihrer Methoden stellt“. [5]<br />

In der am 20.9.1965 vom Minister für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

der DDR erlassenen Anweisung<br />

Nr. 1 über die Organisation des ärztlichen<br />

Begutachtungswesens ist der Kern<br />

der Ungestaltung dokumentiert: Bisherige<br />

traditionelle deutsche Regelungen <strong>und</strong><br />

Formen der Begutachtungsdienste wurden<br />

endgültig aufgegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />

lag die Begutachtung ausschließlich<br />

in den Händen der Versicherungsträger, die<br />

auch die Gutachter beriefen. Damit wurde<br />

das ärztliche Begutachtungswesen definitiv<br />

in die Verantwortung staatlicher Organe des<br />

Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens übernommen<br />

<strong>und</strong> zu einem integrierten Bestandteil<br />

der ärztlichen Tätigkeit an sich. [8]<br />

Anmerkung In den 60er Jahren gab es in Berlin<br />

den Versuch, eine abgewandelte Form des<br />

traditionellen deutschen Verletztenarten-Heilverfahrens<br />

der Berufsgenossenschaften zu etablieren<br />

[2, 4] <strong>und</strong> in diesem Rahmen auch die<br />

Begutachtung von Unfallfolgen zu regeln. Qualifizierte<br />

Unfallärzte, von den Stadtbezirksärzten<br />

ernannt, sollten diese Aufgabe übernehmen.<br />

Der Berliner Stadtrat für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

hatte schon am 18.9.1962 ein „Statut über das<br />

Spezielle Unfallverletztenheilverfahren“ herausgegeben.<br />

Die Initiatoren dieses Berliner Weges<br />

waren Arnold <strong>und</strong> Häublein, weiterhin Barbier,<br />

Schäfer, B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Mitarbeiter der Poliklinik für<br />

Bauarbeiter. Sie führten unter anderem Informationsbesuche<br />

in den Rehabilitationszentren<br />

(u. a. Raupennest, Kreischa) durch, um den Stand<br />

der Nachbehandlung unfallverletzter Berliner<br />

Bürger vor Ort zu überprüfen. Alle diese Bemühungen<br />

blieben aus unterschiedlichen Gründen<br />

erfolglos. Das Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

war gegen Einzellösungen <strong>und</strong> bestand<br />

generell auf zentralen Regelungen, auch des<br />

Begutachtungswesens. Aber auch an der Basis<br />

hielt man sich zurück. So war zum Beispiel nach<br />

den ursprünglichen Vorstellungen der Sozialversicherungskasse<br />

(SVK) nur eine Gutachtenpauschale<br />

von 3,50 Mark vorgesehen.<br />

Aufgaben des Begutachtungswesens<br />

Mit der im Gesetzblatt vom Januar 1974 veröffentlichen<br />

„Anordnung über Ärztliche Begutachtungen<br />

vom 18. Dezember 1973“ [3]<br />

war die Umgestaltung des Begutachtungswesens<br />

in der DDR offiziell abgeschlossen.<br />

Diese Anordnung regelte Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong><br />

Organisation:<br />

– Geltungsbereich <strong>und</strong> staatliche Leitung<br />

des Begutachtungswesens<br />

– die Verfahrensweise bei Anforderung von<br />

Gutachten<br />

– die zum Leistungsprofil der Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen<br />

zählende Gutachtertätigkeit<br />

<strong>und</strong> die daraus erwachsenden Pflichten<br />

– die Gutachtenerstellung für die Justiz- <strong>und</strong><br />

Sicherheitsorgane<br />

– die Vergütung.<br />

Für die besonderen Belange der Medizinischen<br />

Dienste des Verkehrswesens <strong>und</strong><br />

der Wismut erließen die jeweiligen Leiter in<br />

Abstimmung mit dem Minister für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

zusätzliche Bestimmungen.<br />

„Medizinische Begutachtungen von Angehörigen<br />

bewaffneter Organe erfolgen auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage der von den zuständigen Ministern<br />

getroffenen Festlegungen“ (Zitat aus<br />

der Anordnung von 1973).<br />

Eine Sonderstellung nahm auch die Begutachtung<br />

von Leistungssportlern ein (s. Kap.<br />

12 „Sporttraumatologie“).<br />

Gegenstand der Begutachtungen waren<br />

Leistungen der Sozialversicherungen (Invaliden-<br />

<strong>und</strong> Unfallrenten, Berufskrankheiten,<br />

Sachleistungen), des Sozialwesens,<br />

der Staatlichen Versicherung (z. B. private<br />

Unfallversicherung). Weiterhin: Gutachten<br />

zur Prüfung <strong>und</strong> Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen<br />

im Rahmen der medizinischen<br />

Versorgung <strong>und</strong> materiellen Verantwortlichkeit<br />

der Einrichtungen, sowie Gutachten<br />

für Justiz- <strong>und</strong> Sicherheitsorgane.<br />

Zur gutachtlichen Prüfung einer Voraussetzung<br />

für die Gewährung einer erweiterten<br />

materiellen Unterstützung („EMU“) für Betroffene<br />

bei Ges<strong>und</strong>heitsschäden, die nicht<br />

Sorgfaltspflichtverletzungen anzulasten<br />

waren, wird noch gesondert Stellung genommen.<br />

Im Rahmen zivilrechtlicher Verfahren konnten<br />

von Bürgern der DDR Gutachten zur Beurteilung<br />

körperlicher Schäden <strong>und</strong> medizinischer<br />

Leistungen angefordert werden.<br />

Die Gutachten hatten Einrichtungen der ambulanten<br />

<strong>und</strong> stationären Betreuung, Kliniken<br />

<strong>und</strong> Institute der Hochschulen <strong>und</strong> medizinisch-wissenschaftliche<br />

Institute zu erstellen.<br />

Struktur des Begutachtungswesens<br />

Die Zentralstelle für Ärztliches Begutachtungswesen,<br />

von einem Direktor geleitet,<br />

war direkt dem Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

nachgeordnet. Ihre Aufgabe<br />

bestand in der Durchführung der vom Ministerium<br />

vorgegebenen Aufgaben <strong>und</strong> in der<br />

Zusammenarbeit mit Versicherungen <strong>und</strong><br />

jenen staatlichen Organen, welche Gutachten<br />

anforderten.<br />

In Analogie zur allgemeinen Verwaltungsstruktur<br />

der DDR bestand in jedem Bezirk<br />

eine Bezirksstelle für Ärztliches Begutachtungswesen<br />

<strong>und</strong> in jedem Kreis eine Kreisstelle<br />

für Ärztliches Begutachtungswesen.<br />

Die Bezirksstelle <strong>und</strong> ebenso die Kreisstelle<br />

wurden von einem Arzt in hauptamtlicher<br />

Tätigkeit geleitet. Sie waren dem jeweiligen<br />

Bezirksarzt bzw. Kreisarzt unterstellt. Häufig<br />

handelte es sich um Ärzte in den letzten<br />

Jahren ihres Berufslebens. Diese Stellen<br />

übernahmen in erster Linie Aufgaben der<br />

Verwaltung <strong>und</strong> Koordination [7], der Qualitäts-<br />

<strong>und</strong> Terminkontrolle <strong>und</strong> Beratung<br />

(nicht fachlichen!) der Gutachter. An der Erstellung<br />

von Gutachten beteiligten sich die<br />

Leiter in der Regel nicht. Eine Ursache dürfte<br />

auch die begrenzte fachliche Kompetenz,<br />

aus welchen Gründen auch immer, gewesen<br />

sein.<br />

Zur fachlichen Beratung wurden in den einzelnen<br />

Ebenen Gutachterkommissionen<br />

gebildet: Zentrale Gutachterkommission<br />

<strong>und</strong> Bezirksgutachterkommissionen. Eine<br />

Gutachterkommission auf der Kreisebene<br />

gab es nicht.<br />

Begriffserklärungen<br />

Die Verwendung von Begriffen wie „Minderung<br />

der Erwerbsfähigkeit“, „Erwerbsminderung“,<br />

„allgemeiner Arbeitsmarkt“, „Teilinvalidität“<br />

hatten in der DDR keine Gültigkeit<br />

<strong>und</strong> waren nicht zu verwenden.<br />

72<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Für die Versehrtheit war in der ärztlichen<br />

Begutachtung offiziell als medizinischer<br />

Begriff „Körperschaden (KS)“ zu verwenden,<br />

nach welchem regelwidrige körperliche <strong>und</strong><br />

psychische Zustände zu beurteilen waren.<br />

Als Bewertungsanhalt für den „Grad des<br />

Körperschadens (GdK)“, ausgedrückt in Prozenten,<br />

gab es eine Tabelle mit Richtwerten<br />

(Kürzinger, Kollmorgen, Müldner 1987;<br />

( Abb. 1). Diese entsprachen weitgehend<br />

den MdE- <strong>und</strong> GdB-Orientierungen. Bei der<br />

Abstufung des GdK waren 10 %-Schritte<br />

anzustreben, aber auch 5 %-Schritte waren<br />

möglich.<br />

Die Summe von „Teilkörperschäden“ entsprach<br />

nicht gr<strong>und</strong>sätzlich dem „Gesamtkörperschaden“,<br />

welcher für jeden Einzelfall<br />

gesondert zu bewerten war.<br />

Der offizielle Terminus für die dauernde<br />

Erwerbsunfähigkeit bei Nichterreichen des<br />

Rentenalters war „Invalidität“. Diese Frage<br />

wurde nicht mit Prozentsätzen, sondern nur<br />

mit „ja“ oder „nein“ beantwortet [7].<br />

Anmerkung Die Begriffsdefinition „Invalidität“<br />

lehnte sich an die alte Reichsversicherungsordnung<br />

(RVO) an: Invalidität liegt vor, wenn<br />

durch Krankheit, Unfall oder sonstige geistige<br />

bzw. körperliche Schädigung das Leistungsvermögen<br />

<strong>und</strong> der Verdienst um mindestens zwei<br />

Drittel gemindert sind <strong>und</strong> die Minderung des<br />

Leistungsvermögens in absehbarer Zeit durch<br />

Heilbehandlung nicht behoben werden kann.<br />

Zur „Schonarbeit“ (Arbeitsgesetzbuch<br />

§ 216): „Wird ärztlich festgestellt, dass der<br />

Abb. 1 Umschlag der Monografie „Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der ärztlichen Begutachtung“. Herausgegeben<br />

von: OMR Prof. Dr. med. Richard Kürzinger, OMR<br />

Dr. med. Günther Kollmorgen, OMR Dr. med.<br />

Jürgen Müldner. Berlin: VEB Verlag Volk <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit; 1987<br />

Werktätige wegen vorübergehender Minderung<br />

der Arbeitsfähigkeit oder zum vorbeugenden<br />

Ges<strong>und</strong>heitsschutz die vereinbarte<br />

Arbeitsaufgabe unter den bisherigen<br />

Bedingungen nicht ausführen kann, hat der<br />

Betrieb durch Einschränkung der Arbeitsaufgabe,<br />

Veränderung der Bedingungen am Arbeitsplatz<br />

oder Veränderung der Arbeitszeit<br />

die Weiterbeschäftigung des Werktätigen<br />

mit dieser Arbeitsaufgabe zu ermöglichen<br />

oder ihm eine zumutbare andere Arbeit zu<br />

übertragen (Schonarbeit) …“.<br />

Die Gutachterkommissionen<br />

Die Bezirksgutachterkommission setzte sich<br />

aus erfahrenen Fachärzten eines Bezirkes<br />

zusammen, die vom Bezirksarzt berufen<br />

wurden.<br />

Beispiel In der Bezirksgutachterkommission<br />

Frankfurt (Oder) waren folgende Fachgebiete<br />

vertreten: Innere Medizin (Chefarzt BKH), 2 x<br />

Chirurgie (Chefarzt BKH <strong>und</strong> Chefarzt KKH),<br />

Gynäkologie <strong>und</strong> Geburtshilfe (Chefarzt BKH),<br />

Gerichtliche Medizin (Leiter Bezirksinstitut),<br />

Neurologie <strong>und</strong> Psychiatrie (Oberarzt BKH),<br />

Orthopädie (Chefarzt BKH).<br />

Den Kommissionen oblag „insbesondere<br />

die Klärung der Begutachtungen – in Beschwerde-<br />

oder Einspruchsverfahren, – bei<br />

Meinungsverschiedenheiten über die wissenschaftliche<br />

Begründung, inhaltliche Darstellung<br />

bzw. Schlussfolgerung in Gutachten“<br />

(Zitat aus der Anordnung von 1973).<br />

Ein Beratungsschwerpunkt einer Bezirksgutachterkommission<br />

waren die Gutachten<br />

zur Prüfung des Verdachts auf Verletzung<br />

der ärztlichen Sorgfaltspflicht oder einer<br />

anderen schuldhaften Handlung. Im Ergebnis<br />

der Beratung wurde die Anerkennung<br />

oder Ablehnung einer Pflichtverletzung<br />

empfohlen. Das Beratungsergebnis hatte<br />

bei Anerkennung eines schuldhaft verursachten<br />

Schadens neben der Regulierung<br />

durch die Versicherung auch indirekten Einfluss<br />

auf die weiteren rechtlichen bzw. disziplinarischen<br />

Konsequenzen. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

wurde es als Bonus für den belasteten Arzt<br />

gewertet, wenn dieser um eine objektive<br />

Darstellung bemüht war <strong>und</strong> zu seiner Fehlleistung<br />

stand.<br />

In der DDR galt das Prinzip des doppelten<br />

gutachtlichen Prüfungsverfahrens. Deshalb<br />

war das Beratungsergebnis der Bezirksgutachterkommissionen<br />

zur Überprüfung<br />

durch die Zentrale Gutachterkommission<br />

der Zentralstelle für Ärztliches Begutachtungswesen<br />

vorzulegen. Erst nach der Bestätigung<br />

durch die Zentralstelle konnten<br />

auf Bezirksebene weitere Maßnahmen<br />

veranlasst werden. Die Abänderung eines<br />

Beratungsergebnisses war möglich, erfolgte<br />

ohne Diskussion mit der Bezirksgutachterkommission<br />

<strong>und</strong> war verbindlich.<br />

Erweiterung der materiellen<br />

Unterstützung („EMU“)<br />

Am 16.12.1974 trat die „Anordnung über die<br />

Erweiterung der materiellen Unterstützung<br />

der Bürger infolge medizinischer Eingriffe“ in<br />

Kraft [6, 9].<br />

Die entsprechenden Fälle wurden der Bezirksgutachterkommission<br />

zur Beratung<br />

vorgelegt.<br />

Voraussetzungen für die Anwendung dieser<br />

Anordnung waren:<br />

– Die medizinischen Eingriffe sind definiert<br />

als diagnostische <strong>und</strong> therapeutische<br />

Maßnahmen, die mit operativ-chirurgischen<br />

oder anderen Handlungen verb<strong>und</strong>en<br />

sind.<br />

– Wenn die Ges<strong>und</strong>heitsschädigung trotz<br />

richtigen <strong>und</strong> pflichtgemäßen Handelns<br />

im krassen Missverhältnis zu dem Risiko<br />

steht, das aufgr<strong>und</strong> des medizinischen<br />

Eingriffs vorhergesehen werden konnte.<br />

Ansprüche aus der materiellen Haftung der<br />

Einrichtung wegen schuldhaft verursachter<br />

Schadenszufügung ihrer Mitarbeiter blieben<br />

von dieser Anordnung unberührt.<br />

Einige Beispiele, auf die sich diese Anordnung<br />

bezog [9]:<br />

In einer technisch gut ausgestatteten Einrichtung<br />

sachgerecht durchgeführte, indizierte<br />

(Verdacht auf Aneurysma der Hirngefäße) Angiografie;<br />

unerwartete Folge: Halbseitenlähmung,<br />

Pflegebedürftigkeit.<br />

Indizierte <strong>und</strong> sachgerecht durchgeführte<br />

Stell atumblockade (längere Zeit Durchblutungsstörungen<br />

in den Armen) in technisch<br />

gut ausgestatteter Einrichtung. Im Anschluss<br />

Lähmung aller Gliedmaßen. Folge: Invalidität,<br />

Rollstuhl.<br />

Indizierte Cholangiografie mit jodhaltigem<br />

Kontrastmittel. Folge: Anaphylaktischer<br />

Schock, trotz sofortiger Maßnahmen Tod des<br />

Unter suchten.<br />

Intraglutäale Injektion eines Penizillins bei<br />

einem 7 Wochen alten Säuglings wegen<br />

Otitis media. Sachgerechte Durchführung.<br />

Danach Sickerblutung <strong>und</strong> Zeichen einer<br />

Thrombembolie im Bein. Verlegung in eine<br />

Säuglingsklinik wegen Nicolau-Syndroms.<br />

Folge: Entwicklungsstörungen <strong>und</strong> letztlich<br />

Gebrauchsunfähigkeit des betroffenen Beines,<br />

Funktionsausfälle von Blase <strong>und</strong> Mastdarm.<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 73


Im Bezirk Frankfurt/Oder betrug in den<br />

Jahren 1975 bis 1987 der durchschnittliche<br />

Anteil der Emu-Anerkennungen 10 % aller<br />

Entschädigungsanträge der Patienten. Für<br />

47 % trafen die Kriterien der „Materiellen<br />

Verantwortung der Ges<strong>und</strong>heitseinrichtung“<br />

(MVGE) zu, das heißt, es lag eine Verletzung<br />

der Sorgfaltspflicht (Verstoß gegen<br />

anerkannte Regeln der Heilk<strong>und</strong>e oder ein<br />

Organisationsverschulden) vor. 43 % der Anträge<br />

wurden abgelehnt. Für das letzte Jahr<br />

des Berichtszeitraumes 1987 lauteten die<br />

Zahlen: EMU 14 % (gegenüber 21 % 1976),<br />

MVGE 54 % (gegenüber 33 % 1976), Ablehnung<br />

32 % (gegenüber 46 % 1976).<br />

Formen der materiellen Unterstützung waren:<br />

– Finanzielle Beihilfen bei wesentlicher<br />

Änderung der Arbeits- <strong>und</strong> Lebensbedingungen<br />

des Geschädigten (monatliche<br />

Rentenzahlungen, Pflegekostenbeitrag;<br />

bei Tod des Geschädigten einmalige<br />

Zahlung von 1000 Mark – sofern Unterhaltspflicht<br />

ein Jahresbruttoverdienst;<br />

einmalige Zahlung bei erheblichen Entstellungen).<br />

– Die bevorzugte Versorgung mit Versehrtenfahrzeugen<br />

<strong>und</strong> anderen Hilfsmitteln.<br />

– Berufliche Umschulung,<br />

Die finanziellen Leistungen hatte die Staatliche<br />

Versicherung der DDR zu übernehmen.<br />

Diese „EMU“-Regulierung von Schadensfällen<br />

hatte sich bewährt <strong>und</strong> wurde allgemein,<br />

insbesondere von den Ärzten <strong>und</strong><br />

anderen Mitarbeitern der betroffenen Einrichtung,<br />

begrüßt.<br />

Begutachtungswesen <strong>und</strong><br />

Fachgesellschaften<br />

Innerhalb der Sektion Traumatologie der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR bestand<br />

eine kleine, aber sehr aktive Arbeitsgemeinschaft<br />

Begutachtung <strong>und</strong> Rehabilitation. Diese<br />

AG knüpfte an die ersten Erfolge einer<br />

Gruppe von engagierten Ärzten an, die vom<br />

Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des<br />

KKH Stavenhagen Dr. Jahnke geleitet wurde<br />

[10]. Jahnke hatte unter anderem aus eigener<br />

Initiative in Jürgenstorf bei Stavenhagen<br />

eine regional wirksame Rehabilitationseinrichtung<br />

für Unfallverletzte geschaffen. Im<br />

Jahre 1973 übernahm G. Woziwodski die<br />

Leitung der Gruppe, die er bis 1990 innehatte.<br />

Seine ersten Bemühungen waren auf<br />

die allseitige Integration als AG der Sektion<br />

Traumatologie <strong>und</strong> auf eine systematische<br />

Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften<br />

ausgerichtet.<br />

Arbeitsschwerpunkt der AG waren Belange<br />

der Rehabilitation. Das Begutachtungswesen<br />

war unter staatlicher Kontrolle<br />

<strong>und</strong> straff organisiert (s. Kap. „Aufbau des<br />

staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens der DDR“),<br />

so dass hier die Möglichkeiten einer Einflussnahme<br />

sehr beschränkt waren. Jedoch<br />

brachte die AG Themen der Begutachtung<br />

<strong>und</strong> Rehabilitation in die Programme wissenschaftlicher<br />

Tagungen ein <strong>und</strong> zeichnete<br />

für diese verantwortlich [10].<br />

Vom 23. bis 25.11.1981 fand in Dresden die<br />

erste „Wissenschaftliche Konferenz des Ärztlichen<br />

Begutachtungswesens“ statt. Veranstalter<br />

war das Präsidium der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Klinische Medizin der DDR (Präsident:<br />

OMR Prof. Dr. Matthes), gemeinsam mit der<br />

Zentralstelle für Ärztliches Begutachtungswesen<br />

(Direktor: OMR Dr. Kollmorgen). Zwei<br />

weitere Kongresse folgten, der dritte vom<br />

1. bis 3.11.1988 in Karl-Marx-Stadt.<br />

Auswahl von Themen des Kongresses<br />

1981 [1]:<br />

• Philosophisch-ethische Aspekte des ärztlichen<br />

Handelns<br />

• Zur Psychologie des Gutachters, des zu Begutachtenden<br />

<strong>und</strong> der Begutachtungssituation<br />

• Prinzipielle rechtliche Fragen der ärztliche<br />

Begutachtung<br />

• Gutachtlich relevante Rechtsfragen der Aufklärung<br />

<strong>und</strong> Schweigepflicht<br />

• Das ärztliche Gutachten als eine Form angewandter<br />

medizinischer Wissenschaft; Rechte<br />

<strong>und</strong> Pflichten des Gutachters im Gerichtsverfahren<br />

• Aspekte der Begutachtung aus der Sicht der<br />

gerichtlichen Medizin<br />

• Schadenersatz <strong>und</strong> andere Leistungen im<br />

Zusammenhang mit Ges<strong>und</strong>heitsschädigungen<br />

im Prozess der medizinischen Betreuung<br />

• Zu den Begriffen richtunggebende Verschlimmerung,<br />

eigengesetzlicher Verlauf,<br />

objektiver Besserungsnachweis<br />

• Zur Problematik des Risikos <strong>und</strong> der Risikohöhe<br />

bei medizinischen Eingriffen<br />

• Trauma <strong>und</strong> maligner Tumor.<br />

Jährliche Fortbildungslehrgänge für ärztliche<br />

Gutachter im Seebad Ahrenshoop<br />

wurden von der <strong>Deutsche</strong>n Akademie für<br />

Ärztliche Fortbildung (später Akademie für<br />

Ärztliche Fortbildung der DDR) durchgeführt.<br />

Aus der Praxis<br />

Die Qualität der zur DDR-Zeit erstellten<br />

Gutachten wurde oft kritisiert, die unzureichende<br />

Ausführlichkeit <strong>und</strong> Aussage bemängelt.<br />

Das mag prinzipiell richtig sein, erscheint<br />

aber bei Betrachtung der Vergütung<br />

in einem anderen Licht. Zum Beispiel: für<br />

ein Formular-Erstgutachten zur Beurteilung<br />

der Invalidität, Arbeits- oder Berufsfähigkeit<br />

zahlte der Auftragsgeber 12 bis 15 Mark der<br />

DDR, für ein Nachgutachten 9 bis 12 Mark.<br />

Für ein Erstgutachten zur Beurteilung von<br />

Unfallfolgen standen 6 bis 15 Mark, für ein<br />

Nachgutachten 6 bis 9 Mark zur Verfügung.<br />

Von diesem Honorar wurde noch ein Steuersatz<br />

von 20 % abgezogen. Ein Anspruch auf<br />

Vergütung bestand aber nur dann, wenn<br />

das Gutachten außerhalb der Dienstzeit gemacht<br />

wurde, denn gemäß § 1 der zitierten<br />

Anordnung vom Jahre 1973 zählten Begutachtungen<br />

zum unmittelbaren Aufgabenbereich<br />

der Ärzte.<br />

Die folgerichtigen Reaktionen der Ärzte lagen<br />

auf der Hand: Das Formular wurde fast<br />

immer mit dem Vermerk „außerhalb der<br />

Dienstzeit“ versehen; die Ausführlichkeit<br />

des Textes entsprach dem Honorar; die in<br />

der Anordnung vorgegebene Frist von 6 Wochen<br />

wurde in der Regel nicht eingehalten.<br />

Das Formulargutachten war Standard.<br />

Freie Gutachten bedurften der Zustimmung<br />

des Auftraggebers. Deren Honorierung (z. B.<br />

Obergutachten) war wesentlich besser,<br />

wenn auch nicht immer angemessen.<br />

Die Indikation zur Invalidisierung wurde<br />

mitunter sehr großzügig gehandhabt. Das<br />

geschah in der Regel in sozialen Härtefällen;<br />

teilweise aber auch zur komplikationsarmen<br />

„Ausgliederung“ älterer Leitungsmitglieder<br />

in Betrieben <strong>und</strong> Verwaltungen,<br />

die ihren Aufgaben wegen Überforderung<br />

oder vorzeitiger biologischer Alterung nicht<br />

(mehr) gewachsen waren.<br />

Zusammenfassung<br />

Die bisherigen traditionellen deutschen Regelungen<br />

<strong>und</strong> Formen der Begutachtungsdienste<br />

wurden in der DDR aufgegeben <strong>und</strong><br />

das ärztliche Begutachtungswesen in die<br />

Verantwortung staatlicher Organe des Ges<strong>und</strong>heits-<br />

<strong>und</strong> Sozialwesens übernommen.<br />

Damit wurden sie zu einem integrierten<br />

Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit an sich.<br />

Einrichtungen der ambulanten <strong>und</strong> stationären<br />

Betreuung, Kliniken <strong>und</strong> Institute<br />

der Hochschulen <strong>und</strong> medizinisch-wissenschaftlichen<br />

Institute hatten die Gutachten<br />

zu erstellen.<br />

Gegenstand der Begutachtungen waren<br />

Leistungen der Sozialversicherungen (Invaliden-<br />

<strong>und</strong> Unfallrenten, Berufskrankheiten,<br />

Sachleistungen), des Sozialwesens,<br />

der Staatlichen Versicherung (z. B. private<br />

Unfallversicherung). Weiterhin: Gutachten<br />

zur Prüfung <strong>und</strong> Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen<br />

im Rahmen der<br />

medizinischen Versorgung <strong>und</strong> materiellen<br />

Verantwortlichkeit der Einrichtungen, so-<br />

74<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


wie Gutachten für Justiz- <strong>und</strong> Sicherheitsorgane,<br />

für die Medizinischen Dienste des<br />

Verkehrswesens <strong>und</strong> der Wismut, für die<br />

Angehörigen bewaffneter Organe. Eine<br />

Sonderstellung nahm auch die Begutachtung<br />

von Leistungssportlern ein (s. Kap. 12<br />

„Sporttraumatologie“)<br />

Die Strukturen: Die Zentralstelle für Ärztliches<br />

Begutachtungswesen, direkt dem<br />

Ministerium für Ges<strong>und</strong>heitswesen nachgeordnet<br />

<strong>und</strong> von einem Direktor geleitet,<br />

leitete die Bezirks- <strong>und</strong> Kreisstellen an. Es<br />

standen beratend Kommissionen zur Seite,<br />

die sich aus erfahrenen Fachärzten zusammensetzten.<br />

1974 trat die „Anordnung über die Erweiterung<br />

der materiellen Unterstützung der Bürger<br />

infolge medizinischer Eingriffe“ in Kraft.<br />

Ansprüche aus der materiellen Haftung der<br />

Einrichtung wegen schuldhaft verursachter<br />

Schadenszufügung ihrer Mitarbeiter blieben<br />

von dieser Anordnung unberührt.<br />

Die Fortbildung erfolgte durch jährliche<br />

Lehrgänge im Seebad Ahrenshoop <strong>und</strong> seit<br />

1983 zusätzlich im Rahmen der von der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Klinische Medizin getragenen<br />

„Wissenschaftlichen Konferenzen des Ärztlichen<br />

Begutachtungswesens“.<br />

Eine Ursache der vielfach bemängelten<br />

Qualität <strong>und</strong> Ausführlichkeit medizinischer<br />

Gutachten war die spärliche Vergütung der<br />

Formulargutachten. Die besser honorierten<br />

Gutachten in freier Form bedurften der Zustimmung<br />

des Auftragsgebers <strong>und</strong> waren<br />

die Ausnahme.<br />

Literatur<br />

1. Wissenschaftliche Konferenz des ärztlichen Begutachtungswesens.<br />

Dt. Ges<strong>und</strong>h.-Wesen 1982;<br />

37: 769–816<br />

2. Arnold K: Persönliche Mitteilung<br />

3. Anordnung über ärztliche Begutachtungen vom<br />

18.12.1973. Gesetzblatt Teil I Nr. 3, S. 33–34. Ausgabetag:<br />

24.1.1974<br />

4. Franke K: Persönliche Mitteilung 2007<br />

5. Kollmorgen G. Die Entwicklung des Invaliditätsbegriffs<br />

in Deutschland. Vortrag Fortbildungslehrgang<br />

„Aktuelle Begutachtungsfragen“. Sonderdruck<br />

aus: Redetzki H, Thiele H. „Schriftenreihe<br />

der ärztlichen Fortbildung“. Band XXII. Berlin: VEB<br />

Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1963<br />

6. Kollmorgen G. Gr<strong>und</strong>sätze zur Organisation des<br />

Ärztlichen Begutachtungswesens in der DDR<br />

<strong>und</strong> zur Begutachtung bei Verfahren wegen behaupteter<br />

Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht.<br />

Vortrag Berliner Chirurgische <strong>Gesellschaft</strong><br />

am 12.11.1973<br />

7. Kollmorgen G: Persönliche <strong>Mitteilungen</strong> 2006<br />

8. Kürzinger R, Kollmorgen G, Müldner J. Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der ärztlichen Begutachtung. Berlin: VEB Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1987<br />

9. Mandel J, Kollmorgen G. Erweiterung der materiellen<br />

Unterstützung der Bürger infolge medizinischer<br />

Eingriffe. Zschr. Ärztl. Fortbild 1975; 69:<br />

610–2<br />

10. Woziwodki G: persönliche Mitteilung 2005<br />

Prof. Dr. W. Senst<br />

Wildenbruch Str. 5a<br />

15230 Frankfurt/O<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 75


Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft<br />

Kindertraumatologie<br />

W. Kurz<br />

Die Idee für eine Arbeitsgemeinschaft „Kindertraumatologie“<br />

äußerte 1971 auf der<br />

Kinderchirurgentagung der DDR in Dresden<br />

der Leipziger Lehrstuhlinhaber für Kinderchirurgie<br />

Herr Prof. Meißner ( Abb. 1). Er<br />

beauftragte während der Tagung seinen<br />

damaligen Mitarbeiter Herrn Dr. Vinz sich<br />

der Sache anzunehmen <strong>und</strong> ihn über den<br />

Aufbau einer Arbeitsgemeinschaft zu unterrichten.<br />

Abb. 1 Prof. Dr.<br />

Meißner, Leipzig;<br />

Ideengeber für die AG<br />

Kindertraumatologie.<br />

Aus: Privatarchiv W.<br />

Kurz<br />

Herr Kollege Vinz suchte als erstes Mitstreiter<br />

für dieses Unterfangen <strong>und</strong> konnte bis<br />

zum 1.3.1972 bereits 10 Kollegen, Traumatologen<br />

<strong>und</strong> Kinderchirurgen gewinnen.<br />

Mit dem aufkommenden Interesse an der<br />

Kindertraumatologie ist aber auch bei uns<br />

– wie anderswo – <strong>und</strong> dies zunehmend als<br />

Begleiterscheinung das Kompetenzgerangel<br />

um die Zuständigkeit des kindlichen Unfalls<br />

zu beobachten gewesen. So erhoben sowohl<br />

die bestehenden Sektionen Kinderchirurgie<br />

<strong>und</strong> Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

der DDR den Anspruch auf Heimstadt<br />

der zu gründenden Arbeitsgemeinschaft,<br />

wie der zahlreich erhaltene Schriftverkehr<br />

zwischen den Vorständen belegt.<br />

Herr Dr. Vinz setzte sich von Anbeginn für<br />

eine interdisziplinäre Trägerschaft ein <strong>und</strong><br />

geriet so rasch zwischen die Fronten, was<br />

auch zu einem Zerwürfnis mit dem Ideengeber<br />

führte <strong>und</strong> für die Aufbauarbeit nicht<br />

hilfreich war. Ob der unterschiedlichen<br />

Ansichten beider Sektionen zur Trägerschaft<br />

eskalierte der Streit <strong>und</strong> beschäftige<br />

schließlich die Vorstände der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie <strong>und</strong> der <strong>Gesellschaft</strong> für klinische<br />

Medizin der DDR.<br />

Hier nur ein paar kurze Auszüge aus Briefen,<br />

die die unterschiedlichen Ansichten zeigen:<br />

Am 9.5.1972 schreibt der Vorsitzende der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR, Herr<br />

Prof. Schober, Halle an den Vorsitzenden der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für klinische Medizin der DDR,<br />

Herrn Prof. Mathes, Berlin: „Sie werden sich<br />

vielleicht erinnern an Ihre Verhandlungen<br />

in der letzten Vorstandssitzung in Halle. So<br />

wurde seiner Zeit über die Frage einer Arbeitsgemeinschaft<br />

Kindertraumatologie der<br />

Sektion Kinderchirurgie, andererseits auch<br />

über die Verankerung der Kindertraumatologie<br />

in der Sektion Traumatologie gesprochen.<br />

Abschließend stellten wir fest, dass die beiden<br />

Sektionen durch ihre Vorstände hierüber<br />

weiter verhandeln <strong>und</strong> dem Vorstand berichten<br />

sollten.“<br />

Nach weiteren Detailerläuterungen folgt<br />

dann die Empfehlung: „die Kindertraumatologie<br />

vorwiegend der Sektion Traumatologie<br />

zuzuordnen, da in der DDR derzeit noch der<br />

überwiegende Anteil der traumatologischen<br />

Kinder in Kreis- <strong>und</strong> Bezirkskrankenhäuser<br />

eingeliefert werden <strong>und</strong> nicht in kinderchirurgische<br />

Spezialabteilungen“. Diese Entscheidung<br />

war nun für die Kinderchirurgen<br />

nicht akzeptabel.<br />

Trotz solcher Rückschläge hat Herr Kollege<br />

Vinz immer wieder versucht vermittelnd<br />

einzugreifen, da für ihn eine von beiden Sektionen<br />

getragene Arbeitsgemeinschaft der<br />

Idealfall zu sein schien. So schreibt er unter<br />

anderem am 15.12.1972 an die Vorsitzende<br />

der Sektion Kinderchirurgie Frau Chefarzt<br />

Dr. Krause, Berlin: „Kürzlich sprach ich mit<br />

Herrn Prof. Dr. Wehner (Vorsitzender der Sektion<br />

Traumatologie) wieder über die Arbeitsgemeinschaft<br />

für Kindertraumatologie. Bei<br />

dieser Gelegenheit zeigte er mir die von Ihnen<br />

neu ausgearbeitete Arbeitsordnung mit<br />

der Präambel. An dieser Präambel nahm Herr<br />

Prof. Wehner Anstoß, m.E. zu recht. Sie ist<br />

so abgefasst, dass auch ich als Vertreter der<br />

Sektion Kinderchirurgie aus dem Wortlaut<br />

entnehmen muss, dass die Sektion Traumatologie<br />

nur als zeitweise geduldeter Arbeitspartner<br />

anzusehen ist.“ Er schlussfolgert:<br />

„Wenn die Sektion Kinderchirurgie tatsächlich<br />

Einfluss auf die Kindertraumatologie<br />

nehmen will, so kann sie das nur als gleichberechtigter<br />

Partner zusammen mit der Sektion<br />

Traumatologie. Sollten beide Sektionen Konkurrenzunternehmen<br />

unter gleichem Namen<br />

starten, so ist die Sektion Kinderchirurgie von<br />

vornherein hoffnungslos verloren.“<br />

Er begründet seine Meinung u. a. so:<br />

– „die Sektionen Kinderchirurgie <strong>und</strong> Traumatologie<br />

sind wissenschaftlich <strong>und</strong> praktisch<br />

gleichermaßen an der Traumatologie<br />

des Kindesalters interessiert;<br />

– die Bildung von zwei gleichlautenden Arbeitsgemeinschaften<br />

würde eine wesentlich<br />

geringere Effektivität erbringen;<br />

– demgegenüber würde eine Arbeitsgemeinschaft,<br />

die gleichzeitig von zwei wichtigen<br />

Sektionen der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

getragen wird ein hohes Maß an Autorität<br />

besitzen <strong>und</strong> praktisch alle auf dem Gebiet<br />

der Kindertraumatologie tätigen Ärzte ansprechen.“<br />

Letztlich bat Herr Dr. Vinz ( Abb. 2) in<br />

einem erneuten Brief an die Vorsitzende<br />

der Sektion Kinderchirurgie Frau Dr. Krause:<br />

„Beauftragen Sie mich bitte durch ein entsprechendes<br />

Schreiben als Vertreter der Sektion<br />

Kinderchirurgie mit dem Vorsitzenden der<br />

Sektion Traumatologie die Details der Zusammenarbeit<br />

beider Sektionen im Rahmen der<br />

interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für<br />

Kindertraumatologie zu verhandeln. Mit der<br />

Autorisierung ausgerüstet würde ich unter<br />

allen Umständen versuchen, für die Kinderchirurgie<br />

das Beste herauszuholen. Herr Prof.<br />

Wehner hat sich mündlich mir gegenüber<br />

bereits damit einverstanden erklärt, dass ich<br />

für die ersten 2 Jahre den Vorsitz der interdisziplinären<br />

Arbeitsgemeinschaft übernehmen<br />

sollte. Ich glaube, dass wäre unter den gegebenen<br />

Umständen kein schlechter Anfang.“<br />

Schließlich teilte der 1. Vorsitzende der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie der DDR Herr Prof.<br />

Schmauss, Berlin am 28.4.1973 den Vorsitzenden<br />

der Sektionen Traumatologie <strong>und</strong><br />

Kinderchirurgie mit: „dass von unserer Seite<br />

aus keine Bedenken gegen die Gründung der<br />

interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft bestehen.<br />

Die Arbeitsordnung entspricht den<br />

Richtlinien der <strong>Gesellschaft</strong> für klinische Medizin<br />

der DDR.“<br />

So konnte nach mehrmaligen Verschiebungen<br />

während des IV. Unfallkongresses<br />

der DDR in Leipzig am 7.12.1973 die Gründungsversammlung<br />

durchgeführt <strong>und</strong> die<br />

Arbeitsfähigkeit der Arbeitsgemeinschaft<br />

erklärt werden.<br />

76<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Publikationen der Arbeitsgemeinschaft<br />

Kindertraumatologie der DDR<br />

(Die Publikationen beruhen auf den jeweils<br />

durchgeführten Gemeinschaftsstudien der AG)<br />

Abb. 2 In der Mitte der langjährige, aktivste Mitarbeiter der AG Kindertraumatologie Prof. Dr. H. Vinz,<br />

Burg. Rechts daneben Prof. Dr. J. Hargitai, Budapest, <strong>und</strong> Prof. Dr. W. Breyer, Berlin. Aus: Privatarchiv W.<br />

Kurz<br />

Nach der bei der Gründungsversammlung<br />

beschlossenen Arbeitsordnung wurde die<br />

Arbeitsgemeinschaft „Kindertraumatologie“<br />

als interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft<br />

von den Sektionen Traumatologie<br />

<strong>und</strong> Kinderchirurgie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR getragen, war gleichermaßen<br />

beiden Sektionen unterstellt <strong>und</strong><br />

wurde von den Sektionsvorsitzenden angeleitet.<br />

Die Leitung der Arbeitsgemeinschaft<br />

wurde aus dem Vorsitzenden <strong>und</strong> einem<br />

Stellvertreter gebildet. In einem 2 jährigen<br />

Intervall sollte ein neuer Vorsitzender<br />

von der Mitgliederversammlung gewählt<br />

werden, wobei sich jeweils ein Kinderchirurg<br />

<strong>und</strong> ein Traumatologe abwechseln sollten.<br />

Eine Reihe von Aufgaben haben wir uns in<br />

der Arbeitsordnung gestellt, so zum Beispiel:<br />

– die Förderung <strong>und</strong> Entwicklung der Traumatologie<br />

des Kindesalters als eines speziellen<br />

Fachgebietes;<br />

– prognostische Arbeit auf dem Gebiet der<br />

Traumatologie des Kindesalters unter besondere<br />

Berücksichtigung sozial-medizinischer<br />

Aspekte;<br />

– Vorbereitung von wissenschaftlichen Veranstaltungen<br />

u. v.<br />

Unsere Basistätigkeit in der Arbeitsgemeinschaft<br />

bestand zunächst in der Durchführung<br />

von retrospektiven Gemeinschaftsstudien,<br />

in die Kliniken aller Größenordnungen<br />

<strong>und</strong> aus allen Regionen der DDR einbezogen<br />

wurden. Es konnte davon ausgegangen werden,<br />

dass das jeweils bearbeitete Krankengut<br />

im Wesentlichen den aktuellen Querschnitt<br />

in der DDR repräsentierte.<br />

Als die Arbeitsgemeinschaft 1974 ihre erste<br />

Gemeinschaftsstudie zur „Osteosynthese<br />

im Kindesalter“ startete war der Begriff der<br />

Multicenterstudie im deutschen Sprachraum<br />

noch nicht so geläufig. Wir erfassten<br />

mit dieser Arbeitsweise ein großes Krankengut,<br />

insbesondere auch von Einrichtungen,<br />

die in der Regel auf klinische Forschungstätigkeit<br />

nicht eingerichtet <strong>und</strong> deren oft<br />

umfangreiches Material ansonsten verloren<br />

gegangen wäre.<br />

Die in den Gemeinschaftsstudien erfassten<br />

hohen Fallzahlen eines vergleichsweise<br />

kurzen Zeitraumes waren in der Literatur<br />

meist unerreicht. Die großen Fallzahlen<br />

ergaben repräsentative Aussagen zur Epidemiologie,<br />

zu den praktizierten Behandlungsmethoden<br />

<strong>und</strong> die auf die einzelnen<br />

Behandlungsmethoden bezogenen Spätergebnisse.<br />

So konnte z. B. anhand der<br />

Ergebnisse der Studie über die Oberschenkelfrakturen<br />

an einem überzeugend großen<br />

Krankengut nachgewiesen werden, dass die<br />

intramedulläre Schienung über die Trochanterapophyse<br />

die Gefahr der Veränderung<br />

der Winkelverhältnisse am Schenkelhals<br />

bringt. Außerdem sind bei seltenen Verletzungen,<br />

wie z. B. bei Schenkelhals- oder Fußwurzelfrakturen,<br />

Gemeinschaftsstudien die<br />

einzige Möglichkeit, um überhaupt einen<br />

Erkenntnisgewinn zu bekommen.<br />

Die Bearbeitungsgruppe einer Gemeinschaftsstudie<br />

bestand aus 2–4 Mitgliedern,<br />

die für das zu bearbeitende Thema ein für<br />

alle Studienteilnehmer verbindliches Bearbeitungs-<br />

<strong>und</strong> Nachuntersuchungsschema<br />

festlegten. Auswertung, Vortrag oder Manuskriptgestaltung<br />

zur Veröffentlichung<br />

übernahmen die Bearbeiter. Die Veröffentlichungen<br />

erschienen als Gemeinschaftsarbeit<br />

der Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie<br />

( Anlage 1).<br />

1. Vinz H. Osteosynthese im Kindesalter. Beitr.<br />

Orthop. u. Traumatologie 1976; 23: 107–11<br />

2. Schickedanz H, Vinz H, Adam G. Die<br />

Extensionsbehandlung von Frakturen bei<br />

Kindern <strong>und</strong> ihre Komplikationen. Beitr.<br />

Orthop. u. Traumatologie 1976; 23: 267–71<br />

3. Reichmann J. Die stumpfe Bauchverletzung<br />

im Kindesalter. Zbl. Chirurgie 1976; 103:<br />

1041–51<br />

4. Vinz H, Grobler B, Wiegang E. Ostitis nach<br />

Osteosynthesen im Kindesalter. Beitr.<br />

Orthop. u. Traumatologie 1978; 25: 349–61<br />

5. Kurz W, Vinz H. Zur Epidemiologie <strong>und</strong> Klinik<br />

der geschlossenen Unterschenkefraktur<br />

im Kindesalter. Zbl. Chirurgie 1979; 104:<br />

1402–9<br />

6. Vinz H, Kurz W. Die offene diaphysäre<br />

Unterschenkelfraktur im Kindesalter. Zbl.<br />

Chirurgie 1980; 105: 32–8<br />

7. Kurz W, Vinz H, Wahl D. Spätergebnisse<br />

nach Osteosynthesen von<br />

Unterarmschaftfrakturen im Kindesalter.<br />

Zbl. Chirurgie 1982; 107: 149–55<br />

8. Kurz W, Gündel Th, Hartmann H.<br />

Fußwurzelfrakturen im Kindesalter. Zbl.<br />

Chirurgie 1984; 109: 984–90<br />

9. Stock H. Die kindliche Oberschenkelfraktur.<br />

Zbl. Chirurgie 1985; 110: 969–82<br />

10. Kurz W, Vinz H, Wahl D. Fehler <strong>und</strong><br />

Gefahren bei der Osteosynthese von<br />

Vorderarmschaftfrakturen im Kindesalter.<br />

Zbl. Chirurgie 1986; 111: 659–82<br />

11. Reuter G, Laskas S. Zur Lokalbehandlung<br />

thermischer Verletzungen bei Kindern –<br />

Ergebnisse einer multizentrischen Studie.<br />

Zbl. Chirurgie 1986; 111: 825–6<br />

12. Reuter G, Laskas S. Thermische Verletzungen<br />

im Kindesalter – Schlussfolgerungen zur<br />

Lokalbehandlung aus einer DDR-Studie.<br />

Pädiatr. Grenzgeb 1988; 27: 109–14<br />

13. Kurz W, Grumbt H. Die traumatische<br />

Hüftluxation im Kindsalter. Zbl. Chirurgie<br />

1988; 113: 716–8<br />

14. Vinz H, Bohl J, Höhndorf H, et al.<br />

Physiotherapie im Rahmen der<br />

Frakturbehandlung bei Kindern. Zbl.<br />

Chirurgie 1988; 113: 719–23<br />

15. Kurz W, Grumbt H. Schenkelhalsfrakturen<br />

im Kindesalter. Zbl. Chirurgie 1988; 113:<br />

881–92<br />

16. Bollmann L, Wahl D. Bandverletzungen<br />

<strong>und</strong> Korrekturosteotomien. Medizin aktuell<br />

1990; 4: 162<br />

17. Vinz H, Franz R, Kurz W, et al. Die<br />

Behandlung der Monteggia-Fraktur im<br />

Kindesalter. Zbl. Chirurgie 1991; 116:<br />

143–150<br />

Anlage 1 Publikationen der Arbeitsgemeinschaft<br />

Kindertraumatologie der DDR<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 77


Arbeitstagungen der AG Kindertraumatologie der DDR<br />

1. Arbeitstagung der AG<br />

18.–19.4.1980 in Burg/Magdeburg<br />

Vorsitzender: Prof. Dr. Schickedanz / Jena<br />

Wissenschaftlicher Leiter:<br />

Prof. Dr. Schickedanz/Jena<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. med. habil. Vinz /<br />

Burg<br />

Thema: Problemdiskussion über kindliche<br />

Schaftfrakturen<br />

2. Arbeitstagung der AG<br />

28.–29.5.1981 in Burg/Magdeburg<br />

Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner/Karl-Marx-Stadt<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/<br />

Karl-Marx-Stadt<br />

Organisatorischer Leiter: D. med. habil. Vinz/<br />

Burg<br />

Thema: Ellenbogenfrakturen im Kindesalter<br />

3. Arbeitstagung der AG<br />

22–23.4.1982 in Burg / Spreewald<br />

Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner / Karl-Marx-Stadt<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/Karl-<br />

Marx-Stadt<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Kurz /<br />

Lübben<br />

Thema: Verletzungen des Kniegelenkes in<br />

Kindesalter<br />

4. Arbeitstagung der AG<br />

21.–22.4.1983 in Neuendorf am See<br />

Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner/Karl-Marx-Stadt<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/Karl-<br />

Max-Stadt<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />

Lübben<br />

Thema: Begutachtungsfragen nach<br />

Verletzungen im Kindesalter unter<br />

Berücksichtigung von Sport- <strong>und</strong> Berufstätigkeit<br />

5. Arbeitstagung der AG<br />

26.–27.4.1984 in Jessern/Schwielochsee<br />

Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner/Karl-Marx-Stadt<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/<br />

Karl-Marx-Stadt<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Kurz /<br />

Lübben<br />

Thema: Verletzungen der kindlichen Wirbelsäule<br />

6. Arbeitstagung der AG<br />

18.–19.4.1985 in Wassersuppe<br />

Vorsitzender: Prof. Dr. Wehner/Karl-Marx-Stadt<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Wehner/<br />

Karl-Marx-Stadt<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Machan/<br />

Rathenow<br />

Thema: Epiphysenfugenverletzungen<br />

Anlage 2 Arbeitstagungen der AG Kindertraumatologie der DDR<br />

7. Arbeitstagung der AG<br />

17.–18.4.1986 in Burg/Magdeburg<br />

Vorsitzender: Dr. med. habil. Vinz/Burg/<br />

Magdeburg<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Dr. med. habil. Vinz/<br />

Burg<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. med. habil. Vinz/<br />

Burg<br />

Thema: Schenkelhalsfrakturen <strong>und</strong> traumatologische<br />

Hüftluxationen im Kindesalter<br />

8. Arbeitstagung der AG<br />

23.–24.4.1987 in Wusterhausen/Pritzwalk<br />

Vorsitzender: Dr. med. habil. Vinz/Burg/<br />

Magdeburg<br />

Wissenschaftliche Leitung: Dr. med. habil. Vinz/<br />

Burg<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. Bohl/Pritzwalk<br />

Thema: Pathologische Frakturen;<br />

Lokalbehandlung von Verbrennungen;<br />

Physiotherapie bei kindlichen Frakturen<br />

9. Arbeitstagung der AG<br />

5.–6.5.1988 in Zempin/Usedom<br />

Vorsitzender: Dr. sc. med. Kurz/Lübben<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />

Lübben<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />

Lübben<br />

Thema: Radiusköpfchenfrakturen <strong>und</strong><br />

Luxationen; Polytrauma<br />

10. Arbeitstagung der AG<br />

27.–28.4.1989 in Blankenburg/Harz<br />

Vorsitzender: Dr. sc. med. Kurz/Lübben<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />

Lübben<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. Müller/Halberstadt<br />

Thema: Bandverletzungen des oberen<br />

Sprunggelenkes<br />

11. Arbeitstagung der AG<br />

9.–11.5.1990 in Bad Düben<br />

Vorsitzender: Dr. sc. med. Kurz/Lübben<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Dr. sc. med. Kurz/<br />

Lübben<br />

Organisatorischer Leiter: Dr. Jungmichel/Bad<br />

Düben<br />

Thema: Beckenfrakturen im Kindesalter;<br />

Arthroskopie im Kindesalter<br />

Bis zum Jahre 1979 stellten wir die Ergebnisse<br />

unserer Gemeinschaftsstudien mit<br />

Einzelbeiträgen auf den jeweiligen Tagungen<br />

unserer Trägergesellschaften vor,<br />

ohne jedoch eine umfassende Darstellung<br />

der Studien vornehmen zu können. So waren<br />

leicht Missverständnisse möglich, wie<br />

z. B. bei der Vorstellung der Gemeinschaftsstudie<br />

„Ostitis nach Osteosynthesen bei<br />

Kindern“. Der Referent berichtete über 19<br />

Fälle aus 12 Einrichtungen. In der Diskussion<br />

wurde er von einem Ordinarius gerügt:<br />

„wenn bei mir 19 Kinder eine Osteomyelitis<br />

nach operativer Knochenbruchbehandlung<br />

bekämen, dann müssten ja wohl Maßnahmen<br />

ergriffen werden.“ Auf den Einwand<br />

des Referenten, dass es sich ja um eine Sammelstudie<br />

handelt <strong>und</strong> auf die beteiligten<br />

Kliniken maximal 2 Fälle entfallen, erhielt er<br />

zur Antwort: „19 sind auf alle Fälle zu viel.“<br />

Es wurde uns zunehmend bewusst, dass<br />

wir eine Möglichkeit zur umfassenden Darstellung<br />

der jeweils anstehenden Themen<br />

brauchten. Überdies mussten wir bekannte,<br />

einflussreiche Chirurgen der DDR, die an der<br />

Kindertraumatologie interessiert waren, für<br />

die Übernahme des Vorsitzes der Arbeitsgemeinschaft<br />

gewinnen, wenn ein weiteres<br />

Vorankommen gelingen sollte.<br />

Unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Schickedanz,<br />

Leiter der Kinderchirurgie der Universität<br />

Jena, konnte Herr Dr. Vinz 1980 in<br />

Burg bei Magdeburg die 1. Arbeitstagung<br />

mit dem Thema „Problemdiskussion über<br />

kindliche Schaftfrakturen“ organisieren<br />

( Anlage 2, Arbeitstagungen).<br />

Nach dem erfolgreichen Verlauf der 1. Arbeitstagung<br />

übernahm Herr Prof. Dr. Wehner<br />

den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft.<br />

Durch seine guten Kontakte zum Generalsekretariat<br />

der medizinischen Wissenschaften<br />

in Berlin gelang es ihm, ich möchte es so<br />

formulieren, die jährliche Arbeitstagung<br />

Kindertraumatologie, dort hoffähig zu machen.<br />

So durften wir 1982 erstmals Gäste<br />

aus dem sozialistischen Ausland zu unserer<br />

Arbeitstagung einladen.<br />

Es entwickelten sich in den Folgejahren<br />

rasch gute <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftliche Beziehungen<br />

zu Kindertraumatologen in Polen<br />

( Abb. 3) um Herrn Dr. Hielgier aus Warschau,<br />

nach Tschechien um Herrn Prof. Matzek<br />

aus Brno <strong>und</strong> nach Ungarn zu Frau Dr.<br />

Rohanie <strong>und</strong> Dr. Hargitai aus Budapest.<br />

78<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 3 Arbeitstagung der polnischen<br />

Kindertraumatologen 1987 in Warschau;<br />

Teilnehmer aus der DDR: H. Vinz, Burg; J. Bohl,<br />

Pritzwalk; J. Bohlmann, Schwerin; W. Kurz,<br />

Lübben. Aus: Privatarchiv W. Kurz<br />

Abb. 4 6. Arbeitstagung der AG Kindertraumatologie 1985 in Wassersuppe. Aus: Privatarchiv W. Kurz<br />

Ab 1985 konnten wir auch jährlich einen<br />

Gast aus den deutschsprachigen Ländern<br />

Schweiz <strong>und</strong> Österreich einladen. Damit<br />

hatten wir internationale Kontakte <strong>und</strong><br />

lernten einige Protagonisten der Kindertraumatologie,<br />

die wir zuvor nur aus der Literatur<br />

kannten, persönlich kennen. Unsere<br />

Arbeitstagungen wurden so durch kompetente<br />

Beiträge <strong>und</strong> Diskussionen bereichert<br />

<strong>und</strong> führten uns aus der anfänglichen<br />

Isolation. Gäste unserer Arbeitstagungen<br />

waren neben den oben genannten Persönlichkeiten<br />

weiterhin aus Österreich die<br />

Herren Professoren Poigenfürst, Schwarz,<br />

Böhler Nikolaus, Linhart <strong>und</strong> v. Laer aus der<br />

Schweiz, den ich als ersten Gast aus dem<br />

nichtsozialistischen Ausland, wie es damals<br />

im Sprachgebrauch für die westlichen Länder<br />

hieß, einladen durfte ( Abb. 4).<br />

Die 11. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft<br />

fand 1990 in Bad Düben statt, es war<br />

die letzte unter der genannten Trägerschaft.<br />

Bei dieser Tagung war bereits abzusehen,<br />

dass sich nach der zu erwartenden Wiedervereinigung<br />

Deutschlands alle wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en der DDR auflösen<br />

würden. War auch unserer Arbeitsgemeinschaft<br />

das gleiche Schicksal bestimmt?<br />

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />

wollten einen Zerfall unbedingt verhindern,<br />

zumal es in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

eine solche Arbeitsgemeinschaft nicht<br />

gab. Herr Dr. sc. med. Kurz als damaliger<br />

Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft wurde<br />

deshalb beauftragt alle Möglichkeiten<br />

zum Erhalt der Arbeitsgemeinschaft zu prüfen.<br />

Nach Meinung der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />

wäre eine weitere Fortführung<br />

der interdisziplinären Trägerschaft<br />

der Idealfall gewesen. Dies ließ sich jedoch<br />

nicht verwirklichen.<br />

Mit großer Unterstützung durch den Kinderchirurgen<br />

Herrn Prof. Dr. Gdanietz, Berlin<br />

habe ich deshalb nach anderen Möglichkeiten<br />

gesucht. Die „angeblich“ internationale<br />

Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie<br />

in der Schweiz, Leiter Prof. Dr. Schärli,<br />

Luzern, lehnte meinen Beitrittsantrag ab.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Kinderchirurgie,<br />

Präsident Prof. Dr. Daum, Heidelberg,<br />

sah zunächst einen längeren Beratungsbedarf,<br />

also Wartezeit, die wir nicht hatten.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie,<br />

unter den damaligen Präsidenten Professor<br />

Dr. Pannicke, Frankfurt, <strong>und</strong> Professor<br />

Dr. Havemann, Kiel, <strong>und</strong> der Generalsekretär<br />

Professor Dr. Probst, Murnau, prüften mein<br />

Beitrittsgesuch innerhalb einer Woche <strong>und</strong><br />

teilten mir mit, die Arbeitsgemeinschaft<br />

Kindertraumatologie der ehemaligen DDR<br />

ohne Bedingungen komplett zu übernehmen.<br />

Damit hatten wir eine neue Heimstadt<br />

gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> konnten unsere Arbeit<br />

mit großem Eifer <strong>und</strong> mit vielen neuen Mitgliedern<br />

jetzt deutschlandweit fortführen.<br />

Dr. W. Kurz<br />

Hubertusweg 12<br />

15907 Lübben<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 79


Die Unfallchirurgie als Wurzel der<br />

außerklini schen Notfallversorgung<br />

in Ost deutschland<br />

M. Burgkhardt, R. Schäfer<br />

Bei der geschichtlichen Betrachtung der<br />

außerklinischen ärztlichen Versorgung ist<br />

zunächst festzustellen, dass bis weit in die<br />

Neuzeit hinein kein Zusammenhang zwischen<br />

Transportnotwendigkeit <strong>und</strong> medizinischer<br />

Versorgung gesehen wurde. Als<br />

erster Arzt hat wohl der Leibarzt des französischen<br />

Kaisers Napoleon I. Dominique<br />

Larrey ( Abb. 1) [26] diesen Zusammenhang<br />

hergestellt. Larrey war Chef des Sanitätswesens<br />

in den Feldzügen Napoleons<br />

<strong>und</strong> reformierte die Kriegschirurgie <strong>und</strong> die<br />

Verw<strong>und</strong>etenfürsorge. Ihm war reichlich<br />

Anlass gegeben, die Betreuung der Verw<strong>und</strong>eten<br />

zu organisieren, denn die Eroberungszüge<br />

Napoleons verursachten neben<br />

zehntausenden von Toten auch eine große<br />

Anzahl von Verletzten aller Schweregrade.<br />

Er baute das Sofortprinzip der Behandlung<br />

aus, indem er begann, hinter der Feuerlinie<br />

zu operieren.<br />

Nach der Schlacht von Borodino 1812<br />

wandte er erstmals eine Triagierung, also<br />

eine dreiwegige Gliederung der Verletztenströme<br />

an. Er teilte in drei Gruppen<br />

ein: eine Gruppe, die keiner weiteren Hilfe<br />

bedurfte <strong>und</strong> die sich selbst helfen konnte,<br />

eine Gruppe, denen aus medizinischer Sicht<br />

nicht zu helfen war <strong>und</strong> eine Gruppe, deren<br />

Transport <strong>und</strong> Versorgung einen Sinn ergab.<br />

Zu diesem Zweck ließ er kleine <strong>und</strong> wendige<br />

Sanitätsfahrzeuge konstruieren, die jeweils<br />

von 4 Pferden gezogen wurden <strong>und</strong> die er<br />

als „fliegende Ambulanzen“ bezeichnete.<br />

Die einachsigen Kastenwagen mögen<br />

aus heutiger Sicht unbequem <strong>und</strong> unvollkommen<br />

gewesen sein. Dennoch gab Larrey<br />

mit diesem Transportmodell h<strong>und</strong>erten von<br />

Verletzen eine Chance zum Überleben <strong>und</strong><br />

verhinderte deren sicheren Tod.<br />

Einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung<br />

stellten die Samaritervereine dar, die<br />

im Rahmen der Industrialisierung vor allem<br />

in Mitteldeutschland in den 80er Jahren des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts in großer Zahl gegründet<br />

wurden. Diese auf den Kieler Chirurgen Philip<br />

von Esmarch zurückgehenden Initiativen<br />

widmeten sich nicht nur dem Krankentransport,<br />

sondern auch der Versorgung von<br />

Verletzten <strong>und</strong> der Ausbildung von Laien<br />

zu Ersthelfern. Als Beispiel sei die Rettungsgesellschaft<br />

zu Leipzig von 1883 zu nennen,<br />

mit welcher für die 650.000 Einwohner<br />

der sächsischen Großstadt um 1900 eine<br />

weitgehend flächendeckende Versorgung<br />

gewährleistet werden konnte [9]. Vom Anfang<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bis zum Anfang<br />

des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts war die Notfallversorgung<br />

im Prinzip nur auf den chirurgischen<br />

Notfall <strong>und</strong> hier vermutlich nahezu ausschließlich<br />

auf den traumatologischen<br />

Notfall orientiert. Demzufolge sind Ideen<br />

zur Verknüpfung von Transportlogistik <strong>und</strong><br />

medizinischer Versorgung in erster Linie von<br />

Chirurgen entwickelt worden.<br />

Die Zusammenhänge zwischen schnellem<br />

<strong>und</strong> gesichertem Transport <strong>und</strong> möglicher<br />

Erstversorgung durch den Arzt am Notfallort<br />

beschrieb als erster Arzt umfassend der<br />

Chirurg Martin Kirschner ( Abb. 2) in seinem<br />

bedeutenden Vortrag „Der Verkehrsunfall<br />

<strong>und</strong> seine erste Behandlung“, den er im<br />

Jahre 1938 in Berlin vor der 62. Tagung der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie hielt<br />

[7, 16] .Dieser Vortrag muss aus heutiger<br />

Sicht als wesentliche Initialzündung für ein<br />

arztgestütztes Rettungssystem gewertet<br />

werden , wenngleich auch er ausschließlich<br />

den traumatologischen Notfall bei seiner<br />

Argumentation heranzog. Kirschner hat in<br />

seinem Vortrag zur Versorgung von Schwer­<br />

Abb. 1 Dominique Larrey, 1766–1842. Aus:<br />

D. Rüster: Alte Chirurgie – von der Steinzeit bis<br />

zum 19. Jahrh<strong>und</strong>ert. 4. Aufl. Berlin: VEB Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit; 1999<br />

Abb. 2 Dr. med. Martin Kirschner, 1879–1942.<br />

Aus: Archiv Zeitschrift Rettungsdienst,<br />

www.skverlag.de<br />

Abb. 3 Dr. med. Paul Streffer, 1865–1941.<br />

Aus: Archiv Zeitschrift Rettungsdienst,<br />

www.skverlag.de<br />

80<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


letzten zwei wesentliche Feststellungen<br />

<strong>und</strong> Forderungen getroffen [22]:<br />

– „… wir müssen soweit kommen, dass nicht<br />

mehr der Schwerverletzte zum Arzt, sondern<br />

der Arzt zum Schwerverletzten gebracht<br />

wird.“<br />

<strong>und</strong><br />

– „… lieber ein gesicherter Transport über<br />

100 Kilometer in eine geeignete Klinik, als<br />

der schnelle Transport über die Strasse in<br />

eine ungeeignete Arztpraxis.“<br />

Obwohl diese Erkenntnisse zu der damaligen<br />

Zeit überhaupt nicht in eine neue<br />

Strategie <strong>und</strong> Umrüstung der zivilen Notfallversorgung<br />

mündeten, gelten diese<br />

zwei Bemerkungen als die wegweisenden<br />

Gedanken für einen späteren arztbesetzten<br />

Rettungsdienst.<br />

Die Meinungsäußerung von Kirschner ist<br />

bekannt <strong>und</strong> stellt wohl die am besten<br />

dokumentierte Gr<strong>und</strong>lage für die spätere<br />

Entwicklung der präklinischen Notfallmedizin<br />

dar. Dennoch hat sich lange vor<br />

Kirschner ein anderer deutscher Arzt über<br />

die ärztliche Verantwortung bei der sanitätsdienstlichen<br />

<strong>und</strong> rettungsdienstlichen<br />

Organisation geäußert. Es ist der Leipziger<br />

praktische Arzt Dr. Paul Streffer ( Abb. 3),<br />

Vorstand der Rettungsgesellschaft zu Leipzig<br />

<strong>und</strong> später erster Geschäftsführer des<br />

Hartmannb<strong>und</strong>es, der sich bereits im Jahre<br />

1908 auf dem Internationalen Kongress für<br />

das Rettungswesen in Frankfurt/Main wie<br />

folgt äußerte [17]:<br />

– „der Krankentransport muss unter ärztliche<br />

Leitung gestellt werden“<br />

<strong>und</strong><br />

– „der Arzt muss nicht nur am Orte des Unglücks<br />

die erforderliche Hilfe leisten, sondern<br />

auch den Kranken bis zur Übergabe<br />

in die endgültige ärztliche Versorgung auf<br />

dem ganzen Weg begleiten.“<br />

Abb. 4 Seltene Aufnahme eines Lufttransportes mit Hubschrauber. Flughafen Leipzig-Mockau, 1958<br />

Aus: Privatarchiv M. Burgkhardt<br />

Handlungsmuster reagierte <strong>und</strong> Strukturen<br />

vorbereitete:<br />

„7. Mai 1955: Um 5 nach 10 Uhr ruft die<br />

Wächterstraße (umgangssprachlicher Begriff<br />

für die Volkspolizeidienststelle in der<br />

Dimitroffstraße, früher Wächterstraße. Die<br />

Autoren) an <strong>und</strong> teilt mit, dass es in der Simsonstrasse<br />

einen Gerüststurz gegeben hat<br />

<strong>und</strong> dass das Blaulichtauto unterwegs ist.<br />

Trude (die Sprechst<strong>und</strong>enhilfe. Die Autoren)<br />

geht in das Wartezimmer <strong>und</strong> teilt den Patienten<br />

mit, dass wegen eines Notfalles die<br />

Sprechst<strong>und</strong>e unterbrochen werden muss.<br />

Ich nehme die Arzttasche <strong>und</strong> den Verbandskoffer<br />

<strong>und</strong> gehe auf die Straße. Das Polizeiauto<br />

bringt mich mit Blaulicht an den Unfallort,<br />

wo der Unfallwagen der Feuerwehr<br />

schon eingetroffen ist. Zusammen mit den<br />

Feuerwehrmännern versorge ich den Schwerverletzten<br />

<strong>und</strong> bringe ihn in die Chirurgische<br />

Universitätsklinik. Leider ist er später seinen<br />

schweren Kopfverletzungen erlegen …“ [6]<br />

Fahrzeuge konstruieren ließen. Bauers Idee<br />

eines „mobilen Operationssaales“ auf der<br />

Basis eines umgebauten Setrabusses war<br />

sicherlich noch durch die Erfahrungen der<br />

Kriegschirurgie geprägt <strong>und</strong> besaß keine<br />

Chance auf eine längere Anwendung.<br />

Fast zeitgleich zu den vorgenannten Entwicklungen<br />

setzten im Osten Deutschlands<br />

die zwei jungen Magdeburger Ärzte, der Anästhesist<br />

Röse <strong>und</strong> der Chirurg Lembcke in<br />

Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr<br />

das Konzept eines arztbesetzten Rettungsmittels<br />

um ( Abb. 6). Auch hier war die<br />

Zielrichtung überwiegend der traumatologische<br />

Notfall, da die Kenntnisse über die<br />

pathophysiologischen Zusammenhänge<br />

<strong>und</strong> die therapeutischen Möglichkeiten bei<br />

internistischen Leiden, wie zum Beispiel<br />

beim akuten Koronarsyndrom, noch nicht<br />

Die weitere Entwicklung wurde durch den<br />

2. Weltkrieg verzögert; die Nachkriegsjahre<br />

wiederum waren zunächst im Wesentlichen<br />

durch die Bekämpfung der großen<br />

Volksseuchen <strong>und</strong> durch die Bewältigung<br />

von Hunger <strong>und</strong> Krankheit gekennzeichnet<br />

[6]. Der individuelle Notfall stand in seiner<br />

Bedeutung wohl in der zweiten Reihe.<br />

Dennoch beschreibt der Leipziger praktische<br />

Arzt Dr. Bruno Gittner in seinen Lebenserinnerungen<br />

als Leipziger Kassenarzt sehr<br />

anschaulich, wie man bereits in den 50er<br />

Jahren bei Notfällen nach einem festen<br />

1 Hamilkar Barkas, kathargischer Feldherr (290 bis 228 v.<br />

Chr.), Vater des Hannibal, Beiname „Barkas“ (der Blitz)<br />

wegen seiner blitzartigen Kampftaktik. Das Fahrzeuglogo<br />

war, wohl in Adaptation des „Opel-Blitz“, demzufolge auch<br />

ein Blitzsymbol.<br />

Aus dieser Schilderung wird deutlich, dass<br />

man sich noch nicht mit der Trennung von<br />

Dringlichkeitsversorgung <strong>und</strong> Rettungsdienst<br />

befasste, also den niedergelassenen<br />

Arzt hinzuzog, wenn es sich um schwere<br />

Verletzungen oder Erkrankungen handelte.<br />

Im Vordergr<strong>und</strong> stand bei Notfällen in der<br />

Öffentlichkeit der schnelle Abtransport;<br />

ärztliche Versorgungen vor Ort <strong>und</strong> auf dem<br />

Transport gab es im Wesentlichen nicht [21].<br />

Dennoch war hier in dem geschilderten Fall<br />

bereits der Ansatz für ein Rendezvous-System<br />

zu sehen.<br />

Erste Gedanken zur Optimierung der Versorgung<br />

von Notfällen gab es unter den Heidelberger<br />

Chirurgen Bauer ( Abb. 5) <strong>und</strong> Gögler<br />

<strong>und</strong> dem Gummersbacher Internisten<br />

Gillmann, die dann auch entsprechende<br />

Abb. 5 Prof. Dr. med. Karl-Heinrich Bauer,<br />

1890–1978. Aus: Archiv Zeitschrift<br />

Rettungsdienst, www.skverlag.de<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 81


Abb. 6 Arztbesetztes Rettungsfahrzeug, Magdeburg, 1960. Aus: Privatarchiv<br />

M. Burgkhardt<br />

Abb. 7 Fahrzeug der Dringlichen Medizinischen Hilfe (DMH), Leipzig, 1968<br />

Aus: Privatarchiv M. Burgkhardt<br />

in dem Maße vorhanden waren wie in späteren<br />

Jahren.<br />

Bei der Betrachtung der Notfallversorgung<br />

in der <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen Republik<br />

(DDR) muss allerdings im Jahre 1953 begonnen<br />

werden. Mit der „Anordnung über<br />

die ärztliche Versorgung der Werktätigen“<br />

wurde ein Instrument geschaffen, welches<br />

dazu diente, bis zum Jahre 1989 die ärztliche<br />

Versorgung außerhalb der normalen<br />

Arbeitszeiten zu sichern. Mit dieser Anordnung<br />

waren alle Ärzte <strong>und</strong> Zahnärzte in der<br />

DDR verpflichtet, sich an einem Dienstsystem<br />

zur Absicherung der medizinischen<br />

Versorgung außerhalb der Regelarbeitszeit<br />

zu beteiligen [1].<br />

Von 1953 bis Anfang der 70er Jahre lief die<br />

außerklinische Betreuung im Wesentlichen<br />

relativ unkoordiniert:<br />

– jegliche Notfälle in umschlossenen Räumen<br />

wurden durch die wenigen niedergelassenen<br />

Ärzte oder aber durch die angestellten<br />

Ärzte aus den staatlichen Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen,<br />

den Polikliniken<br />

<strong>und</strong> Ambulatorien abgewickelt,<br />

– Notfälle in der Öffentlichkeit versorgte im<br />

Wesentlichen das <strong>Deutsche</strong> Rote Kreuz der<br />

DDR (DRK der DDR), in den Großstädten<br />

auch die Berufsfeuerwehr, <strong>und</strong> transportierte<br />

ohne Arztbegleitung die Patienten<br />

in die stationären Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen<br />

( Abb. 4).<br />

In Leipzig begannen im März 1964 die Anästhesisten<br />

Splith <strong>und</strong> Heidel mit einem<br />

Pilotprojekt unter dem Namen „Dringliche<br />

Medizinische Hilfe“ (DMH). Hierbei handelte<br />

es sich um einen umgebauten Krankentransportwagen<br />

(KTW) vom Typ Barkas 1<br />

B-1000 ( Abb. 7), der auch aus heutiger<br />

Sicht eine allumfassende medizinische<br />

Ausstattung aufwies. Diese Fahrzeuge – zunächst<br />

zwei Fahrzeuge für das Stadtgebiet<br />

mit damals 460.000 Einwohnern – waren<br />

mit zwei Krankentransporteuren <strong>und</strong> einem<br />

Arzt besetzt. Krankentransporteure waren<br />

Mitarbeiter des DRK der DDR mit einer beliebigen<br />

Berufsausbildung <strong>und</strong> einer eher<br />

mittelmäßigen Sanitätsausbildung von 160<br />

St<strong>und</strong>en.<br />

Neben diesem Leipziger DMH-Modell gab<br />

es ähnliche Einrichtungen zum Beispiel in<br />

Greifswald, Jena, Dresden <strong>und</strong> Chemnitz.<br />

Aus diesen Erfahrungen heraus entstand im<br />

Jahre 1967 eine erste staatliche Direktive,<br />

die Empfehlungen zur Einrichtung mobiler<br />

Notfallsysteme für Großstädte <strong>und</strong> Ballungsgebiete<br />

vermittelte [2].<br />

Parallel zu den rettungsdienstlichen Orientierungen<br />

auf den außerklinischen Notfall<br />

kam es zu ersten interdisziplinären Notfallaufnahmen,<br />

die in der DDR den Namen<br />

„Rettungsstellen“ trugen. Wegweisend war<br />

hier die Initiative des Krankenhauses Berlin-<br />

Friedrichshain unter dem Internisten Kurt<br />

Scheidler [26].<br />

Mit der zunehmenden Entwicklung eines<br />

Notarztdienstes (DMH) wurde aber zugleich<br />

erkannt, dass damit die Dringlichkeitsversorgung<br />

ausgeklammert wurde <strong>und</strong> weiterhin<br />

Stellv. Technik<br />

<strong>und</strong> Transport<br />

Krankentransport<br />

– Pfleger SMH/KT<br />

– Facharbeiter SMH/KT<br />

SMH-Leiter<br />

SMH-Leitstelle<br />

Dispatcher DRK<br />

KT DMH DHD DKHD<br />

als normaler Hausbesuchsdienst bestand.<br />

Dabei war vielfach der Arzt auf sich alleine<br />

angewiesen, besaß keine Kommunikationsmöglichkeit<br />

<strong>und</strong> war mit dem eigenen Pkw<br />

auch nachts alleine unterwegs.<br />

Zu Beginn der 70er Jahre entwickelte sich in<br />

den osteuropäischen Staaten, den Staaten<br />

des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe<br />

(RGW-Staaten), ein Trend, duale Notfallsysteme<br />

aufzubauen, die sowohl eine<br />

Dringlichkeitsversorgung, wie auch den<br />

Rettungsdienst umfassen sollten. Als hemmend<br />

wurde schon damals erkannt, dass<br />

eine Schwierigkeit darin besteht, den Notfall<br />

mit seinen unterschiedlichen Dringlichkeitsstufen<br />

zu definieren. Ein wesentlicher<br />

Markstein war die 15. Konferenz der<br />

Ges<strong>und</strong>heitsminister der RGW-Staaten von<br />

1974 in Budapest, in deren Ergebnis der<br />

medizinische Notfall allgemeinverbindlich<br />

definiert wurde [27]. Diese, sogenannte<br />

„Budapester Definition“ umfasste die folgenden<br />

medizinischen Zustandsbilder:<br />

– unmittelbare Lebensbedrohung, die ohne<br />

rechtzeitige ärztliche Hilfe zum Tode führen<br />

kann,<br />

med.<br />

Fachpersonal<br />

– Schwestern/<br />

Pfleger<br />

– Facharbeiter<br />

– Krankenpflege<br />

Stellvertreter<br />

Ärzte<br />

– Allgemeinmediziner<br />

– Internist<br />

– Pädiater<br />

– Anästhesist<br />

Abb. 8 System<br />

der Schnellen<br />

Medizinischen<br />

Hilfe (SMH)<br />

82<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 9 Rettungsfahrzeug vom Typ BARKAS/<br />

SMH-3. Aus: Privatarchiv M. Burgkhardt<br />

– Nichtvorliegen einer Lebensbedrohung,<br />

jedoch kann durch Verzögerung wirksamer<br />

Hilfe im Organismus oder in einzelnen<br />

Organen ein bleibender Schaden<br />

entstehen,<br />

– Nichtvorliegen einer Lebensbedrohung,<br />

jedoch muss zur Linderung subjektiver<br />

Erscheinungen dem Patienten kurzfristig<br />

Hilfe gewährt werden,<br />

– Nichtvorliegen einer Lebensbedrohung,<br />

jedoch erfordert das Verhalten des Patienten<br />

in seinem <strong>und</strong> im Interesse seiner<br />

Mitmenschen eine sofortige medizinische<br />

Hilfe.<br />

Aus dieser Definition wird deutlich, dass<br />

einheitlich für die RGW-Staaten eine Notfalldefinition<br />

erlassen wurde, die auch den<br />

Notfall unterhalb der Lebensbedrohung,<br />

also die sogenannte „Dringlichkeit“, in die<br />

Gesamtbetrachtung mit einbezieht. Somit<br />

war zu erkennen, dass ein zu planendes einheitliches<br />

Notfallsystem die Versorgung aller<br />

Notfälle über eine einheitliche Leitstelle<br />

anstrebte ( Abb. 8).<br />

Aus dieser organisatorischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />

Vorarbeit entwickelte sich in<br />

der DDR das System der Schnellen Medizinischen<br />

Hilfe (SMH), das durch ministeriellen<br />

Erlass für 10 Bezirksstädte <strong>und</strong> 4 Kreisstädte<br />

1976 aufgebaut wurde (Anweisung<br />

Nr. 1 des Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

DDR zum Aufbau der SMH vom<br />

09.03.1976). Der wesentliche Unterschied<br />

zur bis dahin praktizierten Notfallversorgung<br />

lag in folgenden Neuerungen:<br />

– schrittweise Einführung des DDR-einheitlichen<br />

medizinischen Notrufes 115 (allerdings<br />

nicht münzfrei von öffentlichen<br />

Fernsprechern zu wählen)<br />

– Einheitliche SMH-Leitstellen (Rettungsleitstellen)<br />

mit der Bündelung sämtlicher<br />

Notrufmeldungen in einem definierten<br />

Territorium unter Einbeziehung von Routinehausbesuchsvermittlungen<br />

<strong>und</strong> Katastrophenschutz.<br />

– Fahrzeuge mit einheitlichem äußeren Erscheinungsbild<br />

<strong>und</strong> identischer Ausstattung<br />

sowohl für den Rettungsbereich,<br />

wie auch für die Dringlichkeitsversorgung<br />

(Sonderlackierung creme/orange,<br />

Sondersignal, einheitliche Beschriftung)<br />

( Abb. 9).<br />

Das Besondere des SMH-Systems war, dass<br />

zwar DMH (Dringliche Medizinische Hilfe)<br />

<strong>und</strong> DHD (Dringlicher Hausbesuchsdienst)<br />

bzw. DKHD (Dringlicher Kinder-Hausbesuchsdienst)<br />

sehr genau definiert waren,<br />

in der Außendarstellung jedoch ein Unterscheiden<br />

nicht gewollt war. Es war das<br />

Ansinnen der Begründer der SMH, dass der<br />

Bürger den Notruf absetzte <strong>und</strong> dieser in der<br />

SMH-Leitstelle auflief. Dort sollte der Notruf<br />

qualifiziert werden; dann sollte eine „SMH-<br />

Einsatzgruppe“ zum Einsatz kommen. Für<br />

den Außenstehenden war dann nicht zu<br />

erkennen, ob eine „DHD-Dienstgruppe“,<br />

bestehend aus ambulant tätigem Arzt <strong>und</strong><br />

Krankentransporteur, oder eine „DMH-Einsatzgruppe“,<br />

bestehend aus einem notfallmedizinisch<br />

ausgebildeten Arzt, einem<br />

Krankentransporteur <strong>und</strong> einer SMH-Krankenschwester<br />

am Notfallort eintraf.<br />

Abb. 10 SMH-Dokumentationsbogen<br />

Diese bewusste Darstellung spiegelte sich<br />

auch in dem sehr beliebten kleinen SMH-<br />

Ratgeber, der sogenannten „SMH-Fibel“,<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 83


wieder, in welcher die Notfälle verständlich<br />

für jeden „SMH-Arzt“ dargestellt wurden<br />

[5]. Die Autoren um den Leipziger Anästhesisten<br />

Heidel formulierten noch 1990 in<br />

der 6. Auflage: “Die einheitliche inhaltliche<br />

<strong>und</strong> räumliche Ausstattung aller SMH-Fahrzeuge<br />

ermöglicht im Notfall jedem hinzugezogenen<br />

<strong>und</strong> in der SMH ausgebildeten Arzt<br />

rasches Handeln auch außerhalb seines<br />

SMH-Bereiches.“<br />

Die komplexe Betrachtung beider Säulen<br />

der Notfallversorgung (DHD <strong>und</strong> DMH)<br />

war auch darin zu sehen, dass eine einheitliche<br />

Dokumentation auf einem einheitlichen<br />

Dokumentationsblatt vorgesehen<br />

war( Abb. 10). Damit waren optimale Bedingungen<br />

für eine DDR-weite Auswertung<br />

gegeben.<br />

Die SMH hatte sich gut etabliert <strong>und</strong> in<br />

manchen Bereichen zu einer hervorragenden<br />

Organisationsform gef<strong>und</strong>en, wie<br />

zum Beispiel in Greiz oder Görlitz.<br />

Das Modell „Schnelle Medizinische Hilfe“ ist<br />

auch aus der heutigen Sicht als Ideallösung<br />

für die komplexe Betreuung von Notfällen<br />

zu sehen. Sefrin bezeichnete es in einer Publikation<br />

von 1986 als „beispielhaftes Modell“<br />

[25]. Auch Geier, der als Rettungssanitäter<br />

1989 die DDR besuchte, stellte fest:<br />

“Von seiner Gr<strong>und</strong>struktur her völlig anders<br />

organisiert <strong>und</strong> durchgeführt, stellt sich das<br />

Rettungssystem der DDR als interessantes<br />

Untersuchungsobjekt für aufmerksame Besucher<br />

aus dem Westen dar.“ [18].<br />

Als einen besonderen Vorteil werteten<br />

die Vordenker des SMH-Systems, wie zum<br />

Beispiel Scheidler, die Existenz einer eigenen<br />

medizinischen Notrufnummer, der 115.<br />

Über diese Nummer wurden alle medizinischen<br />

Notfälle, also auch medizinische<br />

Hilfeersuchen ohne Lebensbedrohung entgegengenommen<br />

[15].<br />

Das System der SMH wurde allgemein auch<br />

außerhalb der DDR als ein weitgehend perfektes,<br />

komplexes System der Notfallbetreuung<br />

gewürdigt [18, 24, 25]. Die Schnelle Medizinische<br />

Hilfe (SMH) der DDR kann als ein<br />

komplexes System der Notfallversorgung<br />

mit einem vorrangig dualen Prinzip charakterisiert<br />

werden. Das heißt, dass sowohl die<br />

„Rettungssäule“, also die Dringliche Medizinische<br />

Hilfe (DMH), die dem Notarztprinzip<br />

entsprach, wie auch der Dringliche Hausbesuchsdienst<br />

(DHD), der dem heutigen<br />

Vertragsärztlichen Notfalldienst entspricht,<br />

über ein einheitliches System abgewickelt<br />

wurden. Die einheitliche Leitstelle (SMH-<br />

Leitstelle) stellte das einheitliche Koordinationszentrum<br />

dar <strong>und</strong> war über die Rufnummer<br />

115 erreichbar. Es muss gleichfalls<br />

als überstürzt angesehen werden, dass<br />

diese medizinspezifische Notrufnummer<br />

1993 abgeschaltet wurde. Die Landesregierungen<br />

der ostdeutschen B<strong>und</strong>esländer<br />

bezogen sich bei den Entscheidungen auf<br />

den Beschluss der Europäischen Union (EU)<br />

von 1991, wonach europaweit die einheitliche<br />

Notrufnummer 112 einzuführen sei.<br />

Dabei war die flächendeckende Versorgung<br />

mit dem Notruf 115 in der DDR eine anzuerkennende<br />

Leistung, weil dadurch ein ausschließlich<br />

für medizinische Besonderheiten<br />

zuständiger Notruf existierte.<br />

Mit der politischen Wende in Ostdeutschland<br />

<strong>und</strong> dem Beitritt der DDR zur BRD wurde<br />

in vorauseilendem Gehorsam aber auch<br />

das System der SMH beseitigt <strong>und</strong> durch<br />

das Versorgungssystem der BRD ersetzt, wie<br />

es im Sozialgesetzbuch V definiert ist [14].<br />

Damit wurde die „Säule Rettungsdienst“<br />

der staatlichen Aufgabenwahrnehmung (Sicherstellungsauftrag)<br />

zugeordnet <strong>und</strong> die<br />

„Säule Dringlichkeitsversorgung“ dem Sicherstellungsauftrag<br />

der Kassenärztlichen<br />

Vereinigung. Vielerorts wurde die Disposition<br />

der Dringlichkeitsversorgung aus den<br />

Rettungsleitstellen herausgelöst. Das heißt,<br />

dass die bestehenden integrierten SMH-<br />

Leitstellen aufgelöst wurden <strong>und</strong> nur die<br />

„Rettungssäule“ den Rettungsleitstellen<br />

zugeordnet wurde. Das bedeutete eine Verschlechterung<br />

der ambulanten Versorgung.<br />

Bei einer zukünftigen Neustrukturierung<br />

der Notfallversorgung würde es einen Sinn<br />

geben, sich mit den Gr<strong>und</strong>prinzipien des<br />

Systems der Schnellen Medizinische Hilfe<br />

auseinanderzusetzen, um eine effektivere<br />

Betreuung der Notfallpatienten zu planen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich muss jedoch festgestellt werden,<br />

dass die Visionen von Larrey bis Kirschner<br />

umgesetzt worden sind.<br />

Literatur<br />

1. Anordnung (1953) über die ärztliche Versorgung<br />

der Werktätigen <strong>und</strong> ihrer Angehörigen in den<br />

Einrichtungen des staatlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens<br />

der DDR <strong>und</strong> die Organisation des ärztlichen<br />

Dienstes vom 22.04.1953. ZBl. Nr. 15, S. 180 i. d. Fassung<br />

der VO vom 29.06.1961. GBl. der DDR Nr. 43, S.<br />

279.<br />

2. Anweisung (1967) Nr. 1 über die Dringliche Medizinische<br />

Hilfe vom 17.07.1967, Verfügungen <strong>und</strong><br />

<strong>Mitteilungen</strong> des Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

der DDR, Nr. 17, S. 134–136<br />

3. Anweisung (1976) Nr. 1 über die Schnelle Medizinische<br />

Hilfe (SMH) sowie die Rahmenordnung<br />

über die Leitung <strong>und</strong> Organisation der Planung<br />

der SMH vom 09.03.1976. Zitiert bei [4]<br />

4. Anweisung (1979) Nr. 2 zum Aufbau der SMH vom<br />

12.06.1979, Verfügungen <strong>und</strong> <strong>Mitteilungen</strong> des<br />

Ministeriums für Ges<strong>und</strong>heitswesen der DDR, Nr.<br />

6, S. 89<br />

5. Böhme M, Heidel HJ, Ludewig R, et al. Schnelle<br />

Medizinische Hilfe. Berlin: Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1985<br />

6. Burgkhardt A. Betrachtung zur Implementierung<br />

eines Dringlichen Hausbesuchsdienstes (DHD) als<br />

Element der ärztlichen Dringlichkeitsversorgung<br />

<strong>und</strong> der Einfluss auf die Senkung der Notarzteinsatzrate.<br />

Master-Thesis 2007. Donau-Universität<br />

Krems.<br />

7. Burgkhardt M. Martin Kirschner – Wegbereiter<br />

moderner Rettungswesen. Rettungsdienst 1985;<br />

8: 345–6<br />

8. Burgkhardt M. Notfallmedizin – was ist das? Heilberufe<br />

1986; 38: 367–8<br />

9. Burgkhardt M. Historische Betrachtung zur Entwicklung<br />

der außerklinischen Notfallmedizin in<br />

Leipzig. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1987;<br />

81: 793–5.<br />

10. Burgkhardt M. Quo vadis – Rettungswesen der<br />

DDR? Rettungsdienst 1990; 13: 181-3<br />

11. Burgkhardt M, Ebmeyer U, Leibe R, et al. Fachk<strong>und</strong>enachweis<br />

für Ärzte im Rettungsdienst „Rettungsarzt-Papier“<br />

– ein Ausbildungsdokument<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Notfallmedizin der DDR. Der<br />

Notarzt 1990; 6: 174–8<br />

12. Burgkhardt M. Rettungsdienst in Sachsen. Rettungsdienst<br />

1991; 14: 276–7<br />

13. Burgkhardt M. Von der Schnellen Medizinischen<br />

Hilfe zum Rettungsdienst. Der Notarzt 1992; 8:<br />

138–41<br />

14. Burgkhardt M. Der Sächsische Notarzt. Der Notarzt<br />

2004; 20: 221–4<br />

15. Casper W, Scheidler K. Schnelle Medizinische Hilfe.<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen DDR 1976; 11: 297–8<br />

16. Dick W. Martin Kirschner: 1879-1942 - A surgeon in<br />

prehospital care. Resuscitation 2006; 68: 319–21<br />

17. Frerichs H. Paul Streffer: Vergessener Wegbereiter<br />

der modernen Notfallmedizin. Rettungsdienst<br />

2005; 28: 446–7<br />

18. Geier W. Notruf 115 – Zu Gast beim Rettungsdienst<br />

der DDR. Rettungsdienst 1989; 1: 24–6<br />

19. Gillmann H. Vom Unfallwagen zum interdisziplinären<br />

Notarztwagen. In: Ahnefeld FW, Brandt L,<br />

Safar P. Notfallmedizin. München: Laerdal Eigenverlag;<br />

1990<br />

20. Gögler E. Das Rettungswesen der 50er <strong>und</strong> 60er<br />

Jahre. In: Ahnefeld FW, Brandt L, Safar P. Notfallmedizin.<br />

München: Laerdal Eigenverlag; 1990<br />

21. Handschak H, Weber F. Handbuch der Schnellen<br />

Medizinischen Hilfe. Berlin: Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1990<br />

22. Kirschner M. Der Verkehrsunfall <strong>und</strong> seine erste<br />

Behandlung. Vortrag vor der 62. Jahrestagung der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie, Berlin 1938<br />

23. Knuth, P. Präklinische Notfallmedizin im Wandel<br />

der Zeiten. Intensivmedizin 1998; 35: 304–6<br />

24. Schriewersmann W. Schnelle Medizinische Hilfe<br />

in der DDR: Ein Ziel – ein Konzept – ein Notruf.<br />

Rettungsdienst 1988; 11: 157–81<br />

25. Sefrin P. Ausbildung im Bereich der „Notfallmedizin“<br />

in der DDR. Fortschr Med 1984; 102: 99–101<br />

26. Scheidler K, Wolf E. Notfallmedizin. Organisation<br />

<strong>und</strong> Praxis. Berlin: Verlag Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit;<br />

1981<br />

27. Weidle R, Rentsch J. Prähospitale Notfallversorgung.<br />

Görlitz: Eigenverlag Schnelle Medizinische<br />

Hilfe; 1987<br />

Dr. med. M. Burgkhardt<br />

Gletschersteinstr. 34<br />

04299 Leipzig<br />

Dr. med. R. Schäfer<br />

Biberweg 18<br />

07749 Jena<br />

84<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie*<br />

<strong>und</strong> ihre Verbindungen zu den<br />

Unfallchirurgen in der DDR 1950–1990<br />

J. Probst<br />

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges verfügten<br />

die Alliierten unterschiedslos die<br />

Aufhebung von Vereinigungen, Verbänden<br />

<strong>und</strong> Vereinen <strong>und</strong> damit auch die Tätigkeit<br />

der Wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en. Die<br />

damalige <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e,<br />

Versicherungs- <strong>und</strong> Versorgungsmedizin<br />

e. V. hatte ihre Arbeit schon<br />

während des Krieges ruhen lassen. Der<br />

letzte Kongress, die 13. Jahrestagung, hatte<br />

am 7. <strong>und</strong> 8.6.1939 unter Vorsitz von A. W.<br />

Fischer in Kiel stattgef<strong>und</strong>en. Zwölf Wochen<br />

später erhielten zahlreiche Chirurgen<br />

ihre Einberufung zum Kriegsdienst. Für eine<br />

Reihe von ihnen begann eine andere Art<br />

von Unfallchirurgie, die Kriegschirurgie in<br />

Front-, Kriegs- <strong>und</strong> Reservelazaretten, einige<br />

übernahmen von Anfang an oder später die<br />

Funktion eines Beratenden Chirurgen (H.<br />

Bürkle de la Camp, A. W. Fischer, W. Wachsmuth).<br />

Im Krieg wurden in der Heimat nicht<br />

nur zahlreiche Krankenhäuser schwer beschädigt<br />

oder total zerstört, es gingen dort<br />

oder auch bei Verlagen <strong>und</strong> Druckereien<br />

viele wichtige wissenschaftliche Unterlagen<br />

verloren. In Berlin wurden sämtliche<br />

Kongress- <strong>und</strong> Personalunterlagen <strong>und</strong> die<br />

Mitgliederlisten in der Unfallambulanz von<br />

Walther Schwarz bei deren Ausbombung<br />

vernichtet. Dann senkte sich der Eiserne<br />

Vorhang durch die Mitte Europas nieder [1].<br />

Mühselig wurden in den folgenden Jahren<br />

die Anschriften der heimgekommenen, aber<br />

auch der vertriebenen <strong>und</strong> nun an anderer<br />

Stelle an ihre chirurgische Arbeit zurückgekehrten<br />

Mitglieder ermittelt; Hilfe leisteten<br />

dabei neben dem Reichsverband der für Berufsgenossenschaften<br />

tätigen Ärzte (gegr.<br />

1926) auch einzelne berufsgenossenschaftliche<br />

Verwaltungen. Der 1939 in Kiel als<br />

Vorsitzender für die nächstjährige Tagung<br />

gewählte H. Bohnenkamp, Freiburg i. Br.,<br />

später Oldenburg, war verhindert, sein Amt<br />

auszuüben. Im Frühjahr 1949 hielt die <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie in Frankfurt<br />

am Main ihre erste Nachkriegstagung ab;<br />

deren Schriftführer, A. Hübner, Berlin, auch<br />

* Bis zur Mitgliederversammlung am 29.11.1990<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e, Versicherungs<strong>und</strong><br />

Versorgungsmedizin e. V.<br />

Herausgeber der „Monatsschrift für Unfallheilk<strong>und</strong>e“,<br />

die ihr Erscheinen bereits wieder<br />

aufgenommen hatte, veranlasste dort<br />

für die inzwischen ermittelten Mitglieder<br />

der noch ruhenden <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e „eine Besprechung aller<br />

an der Wiederherstellung unserer <strong>Gesellschaft</strong><br />

interessierten Chirurgen“, der etwa<br />

50 Teilnehmer folgten. H. Bürkle de la Camp,<br />

Chefarzt der Berufsgenossenschaftlichen<br />

Krankenanstalten Bochum, wurde die Aufgabe<br />

übertragen, „als Vorsitzender unsere<br />

<strong>Gesellschaft</strong> wieder arbeitsfähig zu machen“<br />

[1].<br />

Die 14. Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e, Versicherungs-<br />

<strong>und</strong> Versorgungsmedizin, somit die<br />

1. Tagung nach Wiedererrichtung der <strong>Gesellschaft</strong>,<br />

fand am 20. <strong>und</strong> 21.10.1950 in<br />

Bochum statt. Erst dort konnte die Mitgliederversammlung<br />

den bisher die Geschäfte<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> führenden Arbeitsausschuss<br />

nachträglich als Vorstand anerkennen,<br />

dem neben H. Bürkle de la Camp als<br />

Vorsitzendem W. Schwarz als Schriftführer<br />

<strong>und</strong> P. Hörnig als Schatzmeister angehörten.<br />

Es wurde eine Satzung beschlossen. In seiner<br />

Eröffnungsrede sprach der Vorsitzende die<br />

Hoffnung aus, „dass in nicht zu ferner Zeit<br />

auch unser zerrissenes Deutschland <strong>und</strong> vor<br />

allem sein so trostlos gespaltenes Volk wieder<br />

zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen<br />

wird.“ Die <strong>Gesellschaft</strong> zählte nun wieder<br />

428 Mitglieder; an dieser ersten Nachkriegstagung<br />

nahmen insgesamt schon<br />

etwa 500 Ärzte <strong>und</strong> Versicherungsfachleute<br />

teil. Bei der Durchsicht der – seither ununterbrochen<br />

in den Heften zur Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />

erscheinenden – Tagungsberichte fällt<br />

auf, dass sich unter den Vortragenden zwar<br />

schon Kollegen aus der Schweiz <strong>und</strong> Österreich<br />

befanden, doch keiner aus der sowjetisch<br />

besetzten Zone. F. Quensel, Schkeuditz,<br />

weil. Nervenheilanstalt Bergmannswohl,<br />

der später zum Ehrenmitglied ernannt wurde,<br />

beteiligte sich an der Aussprache über<br />

Bandscheibenprolaps, dabei beklagte er<br />

„die größte Schwierigkeit, die Zustimmung<br />

der Kranken zu einem operativen Eingriff zu<br />

erlangen.“ [1].<br />

Im folgenden Jahr 1951 konnte der Vorsitzende<br />

E. Frh. v. Redwitz, Bonn, Gäste aus<br />

Holland, aus Österreich <strong>und</strong> aus der Schweiz<br />

sowie aus dem unter französischer Verwaltung<br />

stehenden Saargebiet begrüßen, er<br />

hob aber auch die Anwesenheit der Kollegen<br />

hervor, „die es ermöglicht haben, aus der<br />

Ostzone zu unserer Tagung zu erscheinen.“ F.<br />

Quensel, jetzt Leipzig, meldete sich dreimal<br />

zur Aussprache: „Bei dem traurigen Schicksal<br />

Querschnittsgelähmter ist eine zentrale Einrichtung<br />

zu ihrer Behandlung sehr zu begrüßen<br />

<strong>und</strong> es wäre ein wertvoller Erfolg, wenn<br />

unsere Versammlung den Anstoß gibt, dass<br />

auch in der DDR eine derartige Sammelstelle<br />

geschaffen würde, die meines Wissens bisher<br />

nicht existiert.“ Und zum Referat von L. Böhler,<br />

Wien, über „Die Entwicklung der Unfallchirurgie<br />

für Betriebsunfälle in Öster reich“<br />

kommentierte F. Quensel: „Wie aus den<br />

Ausführungen des Vortr. hervorgeht, sind die<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> die wirtschaftlichen<br />

Vorteile einer spezialisierten Behandlung Unfallverletzter<br />

so groß, dass sie in Österreich<br />

die Neueinrichtung besonderer Unfallkrankenhäuser<br />

rechtfertigen. Wenn man bisher in<br />

der DDR die noch bestehenden Anstalten wegen<br />

dringenderer Aufgaben anderer Bestimmung<br />

hat zuführen müssen, so darf man<br />

hoffen, dass das Gewicht der vorgetragenen<br />

Zahlen dahin führen wird, die Häuser wie<br />

Bergmannstrost, Bergmannswohl usw. wieder<br />

ihrer früheren Aufgabe zuzuführen oder<br />

Ersatz dafür zu schaffen“ [2].<br />

H. Bohnenkamp musste entgegen den allseitigen<br />

Hoffnungen bei der 16. Jahrestagung<br />

1952 in Oldenburg als Vorsitzender<br />

„die bedrückende Mitteilung machen, dass<br />

von den zahlreichen Mitgliedern unserer <strong>Gesellschaft</strong>,<br />

die in der Ostzone beheimatet sind,<br />

<strong>und</strong> die aufgefordert wurden <strong>und</strong> besondere<br />

persönliche Einladungen von mir erhielten,<br />

trotz allen Versuchen wegen der Ungunst<br />

der Zeit <strong>und</strong> der politischen Lage nur eine<br />

einzelne Genehmigung erhielt, an diesem in<br />

Westdeutschland stattfindenden Kongress<br />

teilzunehmen. Die Mehrzahl hat dem Verlauf<br />

unserer Tagung beste Wünsche entbieten lassen.<br />

Ja, unser Ehrenmitglied, Herr Professor<br />

Dr. Quensel aus Leipzig, hat sogar noch ein<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 85


Manuskript für seinen Diskussionsbeitrag<br />

geschickt. Wir hoffen, dass mit der Lösung<br />

der Spannungen wir wieder gemeinsam zu<br />

unseren Tagungen zusammentreffen <strong>und</strong> in<br />

einem gemeinsamen Vaterland um neue Erkenntnisse<br />

<strong>und</strong> ärztliche Fortschritte ringen<br />

können“ [3]. Der Tagungsbericht wurde den<br />

Mitgliedern in Ostdeutschland zugesandt.<br />

Dr. Cyrenius, Mühlhausen in Thüringen,<br />

dankte dafür schriftlich: „Wie ich aus dem<br />

Inhalt ersehen habe, verdanke ich diese großzügige<br />

Gabe einer Spende aller westdeutschen<br />

Mitglieder, um auch uns, die wir an<br />

der Tagung leider nicht teilnehmen konnten,<br />

einen vollständigen Einblick in die Verhandlung<br />

während der Tagung in Oldenburg zu<br />

geben. Ich möchte mich dafür bei Ihnen recht<br />

herzlich bedanken.“ [4] Aus dem Tagungsbericht<br />

1953 ist zu entnehmen, dass B. Karitzky,<br />

Rostock, in der Diskussion zu Schock <strong>und</strong><br />

Kollaps sowie zu juristisch-chirurgischen<br />

Problemen Stellung nahm, während G.<br />

Ostapowicz, Ostberlin, sich an der Diskussion<br />

über die Verbrennungskrankheit beteiligte.<br />

[4] Beide waren auch 1954 in Stuttgart<br />

mit Diskussionsbemerkungen zur Stelle [5],<br />

Ostapowicz erneut auch 1955 in Goslar mit<br />

einer interessanten, längeren Bemerkung<br />

zum Frakturgeschehen bei M. Paget [6].<br />

Erst 1956 konnten sich in Heidelberg K. Unger,<br />

Rostock, mit einem Referat „Zur Versorgung<br />

Schwerstverletzter“ <strong>und</strong> J. Rehm, Leipzig,<br />

mit seinem Vortrag „Druckmessungen<br />

im Knochenmarkraum <strong>und</strong> Bestimmung des<br />

Gesamtfettgehaltes in den abführenden Venen<br />

bei Küntschernagelung“ an der wissenschaftlichen<br />

Arbeit beteiligen [7]. Ebenso<br />

referierte W. van de Kamp, Potsdam, 1957<br />

in Köln ausführlich über „Erfahrungen mit<br />

der fächerförmigen Drahtosteosynthese<br />

bei Oberarmkopfbrüchen“ [8]. Im Tagungsbericht<br />

für 1958, Kiel, wird erwähnt, dass<br />

Professor Dr. Friedrich Quensel, seit 1952<br />

Ehrenmitglied, 1957 85-jährig verstorben<br />

ist [9].<br />

Auch in den folgenden Jahren konnten<br />

sich nur wenige Kollegen aus der DDR mit<br />

Vorträgen <strong>und</strong> Diskussionsbemerkungen<br />

beteiligen, so 1959 G. Bellmann, Dresden,<br />

zu Berufskrankheitenproblemen bei Bandscheiben<br />

<strong>und</strong> Menisken, Gelenken <strong>und</strong><br />

Knochen [10], 1960 G. Ostapowicz, Berlin,<br />

zur Rückenmarkbeteiligung bei Wirbelsäulenverletzungen<br />

[11], 1961 H. Hainzl, Eisleben,<br />

zur Dreipunkt-Fixation im Gips bei<br />

Unterarmbrüchen [12]. Doch 1962 musste<br />

der Vorsitzende, C. Dierkes, bei der 26.<br />

Jahrestagung in Bad Godesberg mitteilen,<br />

„in diesem Jahr die Kollegen aus dem Osten<br />

Deutschlands nicht begrüßen zu können. In<br />

den vergangenen Jahren hatten wir immer<br />

die Freude, sie unter uns zu sehen.“ [13] Es<br />

war die Zeit nach dem 13.8.1961. Seit der<br />

Tagung 1963 in Berlin finden sich im Programm<br />

keine Vortragenden <strong>und</strong> keine Diskussionsredner<br />

mehr aus der DDR. Der Vorsitzende,<br />

H. Lauterbach, musste sich darauf<br />

beschränken: „Unser besonderer Gruß gilt<br />

unseren Brüdern <strong>und</strong> Schwestern in der sowjetisch<br />

besetzten Zone Deutschlands. Viele<br />

von ihnen – das wissen wir – wären heute<br />

hier unter uns <strong>und</strong> würden mit uns zusammen<br />

die den Kongress bewegten Fragen erörtern,<br />

wenn sie nicht in ihrer Bewegungsmöglichkeit<br />

gehemmt wären. Ein unerbittliches<br />

Schicksal zwingt sie gegen ihren Willen, uns<br />

fernzubleiben. In einem mir als Eilbrief gestern<br />

zugegangenen Schreiben eines prominenten<br />

Vertreters der Unfallheilk<strong>und</strong>e in der<br />

Ostzone, dessen Name ich aus naheliegenden<br />

Gründen nicht nennen möchte, klingt diese<br />

Feststellung wieder. Er schreibt Folgendes:<br />

„Leider ist es uns immer noch versagt, an den<br />

Tagungen <strong>und</strong> Kongressen im anderen Teil<br />

unseres Vaterlandes teilzunehmen. Wir aber<br />

brauchen die Verbindung mit unseren Verwandten<br />

<strong>und</strong> Kollegen, mit unseren Fre<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Bekannten nötiger denn je! Darum<br />

danke ich Ihnen für Ihre verbindenden, herzlichen<br />

Worte im Vorwort Ihres Tagungsprogramms.<br />

Ich wünsche Ihrer Tagung von hier<br />

aus einen echten Erfolg <strong>und</strong> grüße Sie <strong>und</strong><br />

die Teilnehmer in bleibender Verb<strong>und</strong>enheit.“<br />

Soweit die Worte unseres in Mitteldeutschland<br />

lebenden Fre<strong>und</strong>es! Steine, Zement <strong>und</strong><br />

Mörtel können zwar eine äußere Trennung<br />

erreichen, sie können aber das geistige Band<br />

<strong>und</strong> unsere innere Gemeinsamkeit <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>enheit<br />

mit den Menschen der Ostzone<br />

nicht lösen oder lockern. In der festen Überzeugung,<br />

dass wir dereinst wieder in einem<br />

vereinten Deutschland unsere Kongresse begehen<br />

können, grüßen wir unsere Mitglieder<br />

in der sowjetisch besetzten Zone <strong>und</strong> alle die<br />

dort drüben leben <strong>und</strong> genau so zu uns streben<br />

wie wir zu ihnen.“ [14] Ein Jahr später,<br />

1964, eröffnete A. N. Witt in Würzburg den<br />

Kongress mit den Worten: „Mit Bedauern<br />

stelle ich fest, dass auch in diesem Jahr immer<br />

noch unsere Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen aus<br />

der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands<br />

unter uns fehlen. Dass unsere Gedanken mit<br />

besonderer Sympathie bei ihnen sind, wissen<br />

Sie alle. Hoffen wir, dass sie in nicht allzu ferner<br />

Zeit ihre Erfahrungen <strong>und</strong> ihr Wissen wieder<br />

beisteuern können zum Gelingen dieses<br />

Kongresses.“ [15] Immer wieder waren die<br />

<strong>Gesellschaft</strong> <strong>und</strong> ihre Vorsitzenden bemüht,<br />

die Verbindungen aufrechtzuerhalten. Referenten<br />

wurden eingeladen, durften aber<br />

nicht reisen; manchmal gelang es, das<br />

schriftlich eingereichte Referat in den Tagungsbericht<br />

aufzunehmen, so von Kühne,<br />

Jena, 1965 über „Staubbedingte Lungenveränderungen<br />

bei Schmalkalder Schleifer. Pathologisch-anatomische<br />

Untersuchungen“.<br />

Es klingt anrührend, wenn der Vorsitzende<br />

von 1965, K. Humperdinck, sagte: „Auch<br />

dies Mal kommt uns wieder zu Bewusstsein,<br />

dass innerhalb unseres Vaterlandes Grenzen<br />

bestehen. Wir sind keine Politiker <strong>und</strong><br />

können nur wünschen, dass sich Wege der<br />

Verständigung finden mögen. Denn drüben<br />

wie hüben hallt der Ruf, wie ihn Beethoven<br />

in seinem Werk „Fidelio“ so tief empf<strong>und</strong>en<br />

in Musik gesetzt hat: ¸Es ruft der Bruder seine<br />

Brüder.“ [16]<br />

Hoffnungen weckte 1982 der Regierende<br />

Bürgermeister von Berlin, der spätere B<strong>und</strong>espräsident<br />

Richard Frh. v. Weizsäcker, in<br />

seiner Begrüßungsansprache zur 46. Jahrestagung<br />

(Präsident J. Probst), 60 Jahre nach<br />

Gründung der <strong>Gesellschaft</strong>: „Auch wenn ein<br />

bipolares System heute eine endgültige Trennungslinie<br />

mitten durch Europa, Deutschland<br />

<strong>und</strong> Berlin gelegt zu haben scheint, so<br />

lehrt uns dennoch ein Blick in die Geschichte,<br />

dass noch nie irgendeine Lösung politischer<br />

Art, die in dieser zentraleuropäischen Region<br />

Platz gegriffen hat, von Dauer war. Weder<br />

dürfen wir an der Tatsache vorbeigehen,<br />

dass der Versuch der <strong>Deutsche</strong>n, aus dem<br />

Einflussbereich von Nachbarn <strong>und</strong> Nächsten<br />

durch den Griff nach einer Vormacht- oder<br />

Weltmachtstellung zu entkommen, in diesem<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert gescheitert ist, noch aber<br />

dürfen wir aus der Antwort der Geschichte,<br />

nämlich der Antwort der Teilung schließen,<br />

dass dies die endgültige <strong>und</strong> die letzte Antwort<br />

der Geschichte sei.“ Wie schon seit langem<br />

waren keine Teilnehmer aus der DDR<br />

anwesend [17].<br />

In den folgenden Jahren 1973 bis 1987 wiesen<br />

die Kongressberichte [18] eine zunehmende<br />

internationale Beteiligung aus, die<br />

sich nicht nur auf die uns eng verb<strong>und</strong>enen<br />

Kollegen in der Schweiz <strong>und</strong> in Österreich<br />

bezog, sondern auch Referenten aus dem<br />

übrigen westlichen Europa zu uns führte.<br />

Nicht selten waren auch Vortragende aus<br />

Kanada, USA <strong>und</strong> Südafrika unsere Gäste.<br />

Und durch alle Jahre hindurch erfreuten<br />

uns Kollegen aus den Staaten des Ostblocks<br />

regelmäßig mit ihrer Anwesenheit. Alle Präsidenten<br />

bemühten sich über jegliche möglichen<br />

Verbindungen, Ausnahmegenehmigungen<br />

für die Kollegen in der DDR zu<br />

erwirken; doch alle diese Versuche schlugen<br />

fehl.<br />

Mit dem Jahr 1972 begann die Reihe der<br />

gemeinsamen deutsch-österreichischschweizerischen<br />

Unfalltagungen, in diesem<br />

Jahr in Bern, mit bemerkenswert reger Beteiligung<br />

nicht nur aus diesen drei Ländern,<br />

sondern u. a. auch aus Polen, Finnland, der<br />

Tschechoslowakei <strong>und</strong> Jugoslawien – doch<br />

ohne Beteiligung der Kollegen aus der DDR.<br />

86<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Die gemeinsamen Tagungen in Wien (1979)<br />

<strong>und</strong> Lausanne (1983) ließen die Erwartung<br />

zu, dass die Kollegen aus der DDR eine Reisegenehmigung<br />

für die neutralen Länder erhielten;<br />

aber auch in diesen Fällen wurden<br />

sie <strong>und</strong> wir enttäuscht. 1987 fand die gemeinsame<br />

Tagung zum zweiten Mal in Berlin<br />

statt; Vorverhandlungen schienen eine<br />

Beteiligungsmöglichkeit zu versprechen –<br />

man setzte auf die nun zum Tagesgespräch<br />

gewordene Perestroika. Während die durchgehend<br />

Deutsch sprechenden Kollegen aus<br />

den Ostblockstaaten sich unter uns nicht<br />

anders bewegten als die Österreicher <strong>und</strong><br />

Schweizer, mussten die <strong>Deutsche</strong>n aus der<br />

DDR wiederum draußen bleiben [19].<br />

Schon im Frühjahr 1989 mehrten sich die<br />

Vorzeichen eines politischen Wandels, dem<br />

teils mit Hoffnung, nach den Vorgängen<br />

in Peking aber auch mit großer Sorge begegnet<br />

wurde. Am 1. September begann<br />

in Budapest die Tagung der Ungarischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Traumatologie. Der Empfang<br />

durch die ungarischen Kollegen war<br />

ebenso überwältigend, wie der Eindruck des<br />

lockeren Auftretens der Honveds. Während<br />

mir Gyula Laszlo, der uns schon mehrfach in<br />

Murnau besucht hatte, einige Schönheiten<br />

der Stadt zeigte, begegneten uns viele Rekruten,<br />

die mir wenig militärisch auftretend<br />

vorkamen. Sowjetische Soldaten waren nirgendwo<br />

zu sehen. Auf meine offene Frage<br />

an den Kollegen, was hier vorginge, erklärte<br />

er mir freimütig, die jungen Soldaten würden<br />

jetzt hauptsächlich für soziale Aufgaben<br />

eingesetzt, eine irgendwie bedrohliche,<br />

insbesondere militärische Eskalation stehe<br />

nicht an, wobei er insbesondere hervorhob,<br />

man stehe mit den Russen auf gutem Fuß,<br />

ein 1956 werde sich nicht wiederholen. Vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> der zum Massenphänomen<br />

anschwellenden Fluchtbewegungen<br />

aus der DDR über Ungarn <strong>und</strong> Österreich<br />

wurde der bereits im Gange befindliche politische<br />

Wandel offenk<strong>und</strong>ig. Beim festlichen<br />

Abendessen traf ich erstmals Eberhard<br />

Markgraf aus Jena, der mir bisher nur aus<br />

der Fachliteratur bekannt war. Wir kamen<br />

sehr schnell ins Gespräch, das im Hinblick<br />

auf die aktuellen politischen Entwicklungen<br />

beiderseits „rücksichtsvoll“ geführt wurde.<br />

Aber wir spürten beide, dass eine Zäsur bereits<br />

eingetreten war. Ich vernahm in diesen<br />

Tagen den Hauch der Geschichte <strong>und</strong> verabschiedete<br />

mich von Eberhard Markgraf<br />

mit den Worten, in knapp drei Monaten, zur<br />

Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e in Berlin, werde die<br />

Welt anders aussehen. Von seinem Gesicht<br />

las ich ab, dass auch er es hoffte, aber noch<br />

nicht glauben mochte, dass ein gr<strong>und</strong>legender<br />

Wandel eintreten werde, von dessen<br />

Abb. 1 Einladungsschreiben vom 9.11.1989 an die Unfallchirurgen in der DDR, unmittelbar nach<br />

Verkündung der Grenzöffnung der DDR verfasst <strong>und</strong> an ca. 200 Chirurgen in der DDR versandt.<br />

Abb. 2 Da die Unfallchirurgen aus der DDR über keine Mitgliedsausweise verfügten, die ihnen den<br />

kostenfreien Zutritt zum Kongress ermöglicht hätte, wurden eiligst „Gastkarten“ gedruckt – die bange<br />

Frage nach der Teilnahmegebühr musste gar nicht erst gestellt werden.<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 87


Form <strong>und</strong> Ablauf wir beide freilich noch keine<br />

wirkliche Vorstellung haben konnten.<br />

In meinem Tagebuch bemerkte ich unter<br />

dem 9.11.1989 nüchtern: „Bekanntgabe<br />

der freien Reisemöglichkeiten in der DDR um<br />

19:00 Uhr.“ Wenige Tage zuvor hatte ich mit<br />

dem Präsidenten, K.-P. Schmit-Neuerburg,<br />

in einem längeren Telefonat erörtert, was<br />

im Hinblick auf die sich in der DDR überstürzenden<br />

politischen Veränderungen für<br />

unseren am 20. November in Berlin beginnenden<br />

Kongress zu veranlassen sei. Meines<br />

Erachtens müssten Vorbereitungen getroffen<br />

werden, den Kollegen aus der DDR Möglichkeiten<br />

zum Besuch unseres Kongresses<br />

zu verschaffen. Doch zögerte der Präsident,<br />

der eine so rasche Entwicklung noch nicht<br />

erwartete. Nun aber war eingetreten, was<br />

28 Jahre lang unser aller Hoffnung gewesen:<br />

Die Mauer war gefallen! Was nun? Es<br />

war keine Zeit zu verlieren; denn der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e fiel<br />

in diesem Augenblick die Pflicht zu, stellvertretend<br />

für alle wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

den Kollegen im Osten des gemeinsamen<br />

Vaterlandes die Hände entgegenzustrecken.<br />

Wie konnte ich als Generalsekretär<br />

der DGU zwölf Tage vor Beginn der Jahrestagung<br />

auch die Türen des Kongresszentrums<br />

ICC für die Kollegen aus der DDR öffnen?<br />

Mir kam der Zufall zu Hilfe: In all den Jahren<br />

der Trennung hatte sich ein schmales,<br />

aber dauerhaftes Band zwischen dem in<br />

der Murnauer Unfallklinik befindlichen Literaturarchiv<br />

<strong>und</strong> zahlreichen Chirurgen in<br />

der DDR gespannt. Jährlich wurden viele<br />

h<strong>und</strong>ert Sonderdrucke unfallchirurgischen<br />

Inhalts dorthin ausgeliehen <strong>und</strong> nicht wenige<br />

im Gegenzug zur Verfügung gestellt. Gerade<br />

war wieder einmal eine Aussendung<br />

in Vorbereitung <strong>und</strong> an die zweih<strong>und</strong>ert<br />

Adressen lagen versandfertig bereit. Ich verfasste,<br />

immer wieder unterbrochen von den<br />

sich überstürzenden Meldungen im Fernsehen,<br />

in dieser Nacht einen Einladungsr<strong>und</strong>brief<br />

an die Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in der<br />

DDR, der am folgenden Morgen mit der Post<br />

abging ( Abb. 1). Schon eine Woche später<br />

traf die erste Zusage ein, ihr Absender war<br />

Eberhard Schenk, Magdeburg; er ließ seinen<br />

befreiten Gefühlen offenen Lauf.<br />

Es kam der 22.11.1989. Der Eröffnung des<br />

Kongresses ging die turnusgemäße Sitzung<br />

des Präsidiums voraus, in der erste Beschlüsse,<br />

die Öffnung der innerdeutschen Grenze<br />

betreffend, gefasst wurden. Zunächst<br />

wurde die Frage der Mitgliedschaft diskutiert,<br />

wobei verständlicherweise zunächst<br />

keine einheitliche Meinung gebildet werden<br />

konnte. Das lag zum einen daran, dass<br />

auch im politischen Raum noch gar keine<br />

Vorstellungen einer „Wiedervereinigung“<br />

bestanden, vielfach günstigenfalls von einer<br />

fortbestehenden Zweistaatlichkeit ausgegangen<br />

<strong>und</strong> lediglich eine zwischenstaatliche<br />

Normalisierung <strong>und</strong> Angleichung mit<br />

freiem Personenverkehr erwartet wurde.<br />

Zum anderen bestanden in der DGU keine<br />

hinreichenden Kenntnisse der strukturellen<br />

Verfassung der wissenschaftlichen Organisationen<br />

in der DDR, hier insbesondere<br />

der Sektion Traumatologie in der fachübergreifenden<br />

wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie der DDR. So wurde pragmatisch<br />

beschlossen, „interessierten Kollegen<br />

aus der DDR die Mitgliedschaft in der DGU<br />

zu eröffnen, wobei der Mitgliedsbeitrag in<br />

der Landeswährung gezahlt werden“ solle.<br />

Allen Präsidiumsmitgliedern war zu diesem<br />

Zeitpunkt jedoch schon klar, dass die<br />

Grenzöffnung, welche Folgen auch immer<br />

sie im gesamtpolitischen Raum haben werde,<br />

auch seitens der wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en aktive Unterstützung <strong>und</strong><br />

Hilfe, <strong>und</strong> zwar unbürokratisch <strong>und</strong> rasch,<br />

gegenüber den Kollegen in der DDR erfordere.<br />

So beschloss das Präsidium auf Vorschlag<br />

des Geschäftsführenden Vorstandes als erste<br />

Maßnahme, vier Stipendien zu je 2.500<br />

DM auszusetzen, die Kollegen aus der DDR<br />

die Möglichkeit bieten sollten, an Kliniken<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik zu hospitieren, um<br />

Kontakte aufzunehmen, Verbindungen zu<br />

schaffen, Erfahrungen auszutauschen. Die<br />

Stipendien sollten auch als Anstoß für andere<br />

Institutionen wirken, ihrerseits Möglichkeiten<br />

zu Hospitationen zu eröffnen<br />

<strong>und</strong> Eigeninitiativen anzuregen [21]. In der<br />

traditionsgemäß am zweiten Kongresstage<br />

stattfindenden Mitgliederversammlung<br />

hob der Generalsekretär hervor, jetzt zu entwickelnde<br />

„Eigeninitiative könne ein bescheidener<br />

Dank sein für das, was die Kollegen in<br />

der DDR viele Jahre lang unter schwierigsten<br />

Umständen <strong>und</strong> Verhältnissen geleistet hätten.<br />

Ihnen gebühre auch Dank dafür, dass<br />

sie es geschafft hätten, nun wenigstens die<br />

Einheit im Geist sichtbar herzustellen (anhaltender<br />

Beifall).“ Zu erinnern bleibt, dass in<br />

dieser Mitgliederversammlung auch bereits<br />

ein erstes Mitglied aus der DDR in die DGU<br />

aufgenommen wurde [17]. Der kostenlose<br />

Zutritt zu allen Kongressveranstaltungen<br />

wurde kurzerhand durch Ausgabe von<br />

„Gastkarten“ geregelt ( Abb. 2).<br />

Als eine demonstrative Geste hatte ich am<br />

Vortage gemeinsam mit meinem 1. Oberarzt<br />

G. Hofmann die Charité besucht, wo<br />

wir sehr fre<strong>und</strong>lich vom Leiter der Unfallabteilung,<br />

W. Tausch, empfangen wurden.<br />

Späteren Nachforschungen zufolge war<br />

dies wahrscheinlich die erste Verbindungsaufnahme<br />

einer wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong><br />

zu einer Einrichtung in der DDR. Staunend<br />

betrachteten wir den Sitzungssaal, in<br />

welchem die Büsten der großen Chirurgen<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts aufgereiht standen.<br />

Wir blickten nicht ohne innere Bewegung<br />

auf das Gemälde mit den Gründern der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie [20].<br />

Zur Kongresseröffnung öffneten sich die Türen<br />

des ICC, die bis dahin üblich gewesenen<br />

Einlasskontrollen erwiesen sich als Regularien<br />

von gestern – ich hatte sie kraft Amtes<br />

kurzerhand aufgehoben. Der Ansturm am<br />

Kongressbüro konnte erst im Laufe der Tage<br />

abgearbeitet werden; ob alle Kongressteilnehmer<br />

registriert worden sind, ist zweifelhaft.<br />

Insgesamt hatten wir mit etwa<br />

100 Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen gerechnet,<br />

tatsächlich waren es dann ungefähr 300.<br />

Dies war auch ein Signal für andere wissenschaftliche<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en. Der historischen<br />

Treue mag es am besten dienen, den Dokumenten<br />

im Bericht über die Jahrestagung<br />

in Nr. 212 der Buchreihe „Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e“<br />

[17] zu folgen: Präsident K.-P.<br />

Schmit-Neuerburg in seiner Eröffnungsansprache:<br />

„Ich begrüße sehr herzlich unsere lieben Kollegen<br />

aus der DDR <strong>und</strong> Ostberlin. In all den<br />

Jahren konnte der Präsident immer nur sein<br />

Sprüchlein aufsagen, dass die Kollegen aus<br />

der DDR zwar eingeladen worden seien, aber<br />

nicht kommen durften. Ich bin jetzt der erste<br />

Präsident, den Sie selbst dank Ihrer friedlichen<br />

Revolution in die Lage versetzt haben,<br />

Sie hier als Teilnehmer unseres Kongresses begrüßen<br />

zu dürfen. Von ganzem Herzen hoffe<br />

ich, dass es auch künftig immer so sein möge,<br />

nicht nur in Berlin, sondern auch bei allen<br />

Kongressen <strong>und</strong> Symposien in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

<strong>und</strong> im westlichen Ausland. Sollten<br />

Sie irgendeinen Wunsch haben, den ich Ihnen<br />

erfüllen kann, bitte ich Sie, sich jederzeit an<br />

mich, meine Sekretärin oder an das Kongress-<br />

Büro zu wenden: Wir werden alles tun, was<br />

in unsren Kräften steht.<br />

Unser ständiger Tagungsort Berlin ist historischer<br />

Urgr<strong>und</strong>. Hier ereignet sich Geschichte<br />

hautnah. Wie oft war hier in der Vergangenheit<br />

Erregung spürbar – durch Ereignisse<br />

an der Mauer, durch politische Kälteeinbrüche,<br />

die sich an dieser sensiblen Nahtstelle<br />

sofort in Spannung umsetzten. Wer nach<br />

Berlin kam <strong>und</strong> kommt, wurde sofort mit der<br />

Vergangenheit konfrontiert, hatte die Bilder<br />

der Kaiser- <strong>und</strong> Nazi-Zeit vor Augen, sah im<br />

Geiste die transparenten Gesichter der ausgehungerten,<br />

tuberkulösen Kinder nach dem<br />

Ersten Weltkrieg <strong>und</strong> die Überlebenden am<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges, die nach ungezählten<br />

Bombennächten in einer bizarren<br />

Trümmerlandschaft aus den Kellern krochen.<br />

88<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Anlage 1 Antwortschreiben vom 5.4.1990 an die ca. 80<br />

Hospitationsbewerber.<br />

Anlage 2 Programm der Informationsveranstaltung der Berufs ge nos sen ­<br />

schaften für Unfallchirurgen aus der DDR am 21./22.9.1990 in Berlin.<br />

So war es später beim Mauerbau <strong>und</strong> den<br />

dramatischen Fluchtversuchen mitten in Berlin.<br />

Es gab sehr wenige Ereignisse, die bei aller<br />

Brisanz freudige Emotionen weckten – da<br />

waren eigentlich nur die Luftbrücke während<br />

der Blockade Berlins <strong>und</strong> der Besuch Präsident<br />

Kennedys an der Berliner Mauer. Und jetzt,<br />

dieser 9. November: ein typisches Berliner Ereignis,<br />

unerwartet, plötzlich, extrem <strong>und</strong> von<br />

atemberaubendem Tempo im Handlungsablauf.<br />

Wäre über Nacht die ganze Berliner<br />

Mauer von Souvenir-Jägern geklaut worden<br />

– wen hätte es noch gew<strong>und</strong>ert!<br />

Aber nicht nur der 9. November 1989 wird<br />

als das einzige freudige „November-Ereignis“<br />

in die Geschichte eingehen. Diese <strong>Deutsche</strong>n,<br />

die in der DDR noch weitere 40 Jahre eine<br />

Diktatur ertragen mussten <strong>und</strong> denen man<br />

noch nie eine Revolution zugetraut hatte,<br />

weil sie zu sehr vom Untertanengeist beseelt<br />

seien, diese <strong>Deutsche</strong>n haben ganz allein<br />

die erste friedliche Revolution zustande gebracht<br />

<strong>und</strong> die Regierung gestürzt, ohne dass<br />

ein Tropfen Blut vergossen worden wäre. Das<br />

1 Allgemeine Betrachtungen zur Weltliteratur 1827 bis 1830.<br />

Die Zusammenkunft der Naturforscher in Berlin 1928<br />

ist ein Novum in Europa, eine historische Tat,<br />

die besonders gut in die ereignisreiche Geschichte<br />

Berlins passt.“<br />

Der Bericht über diese Tagung, der als Nr.<br />

212 der Reihe „Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e“<br />

einige Monate später erschien <strong>und</strong> als ein<br />

historisches Dokument einen besonderen<br />

Platz einnimmt, wurde allen Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen in der DDR als Geschenk übergeben.<br />

Er enthält eingangs folgende Widmung:<br />

„Die 52. Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e vereinte in den<br />

schon historisch zu nennenden Novembertagen<br />

1989 als erste wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong><br />

die fast 30 Jahre lang getrennten<br />

Kollegen. Obwohl eine ganze Generation<br />

ausgefallen war, fanden wir in jenen Tagen<br />

<strong>und</strong> in den nachfolgenden Monaten zusammen,<br />

als ob es nie eine Grenze zwischen uns<br />

gegeben hätte.<br />

Jetzt leben <strong>und</strong> arbeiten wir wieder in<br />

einem Land. Vieles ist aufzuholen. Die Diskussion<br />

<strong>und</strong> Weitergabe von Erfahrungen<br />

– urtümliche Aufgabe einer wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong> – begonnen am traditionsreichen<br />

Kongressort Berlin, fortgesetzt in<br />

bereits unzähligen kollegialen Begegnungen<br />

<strong>und</strong> ergänzt durch den freien Austausch der<br />

Literatur, wird in Zukunft wesentlich dazu<br />

beitragen, dass sich auch im Sinne unserer<br />

Wissenschaft das Goethewort erfüllt:<br />

Der Himmel gönne dem wissenschaftlichen<br />

Streben in unserem deutschen Vaterland<br />

noch lange Friede <strong>und</strong> Ruhe, so<br />

wird sich eine Tätigkeit entfalten, wie sie<br />

die Welt nur in einem Jahrh<strong>und</strong>ert nach<br />

langer Finsternis, nach Erfindung des<br />

Druckes, bei weit geringeren Hilfsmitteln<br />

erlebt hat. 1<br />

Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />

widmet diesen Kongressbericht ihren<br />

Kollegen, die 1989/90 mit ihrem Eintritt in<br />

unsere <strong>Gesellschaft</strong> auch dieser neue Aufgaben<br />

gestellt haben.“ [17]<br />

In den folgenden Wochen <strong>und</strong> Monaten kristallisierte<br />

sich erst allmählich heraus, dass<br />

viele politische Hürden zu nehmen waren,<br />

ehe die staatliche Einheit wiederhergestellt<br />

werden könne. Viel rascher wuchs das Bewusstsein,<br />

jenen noch gar nicht abgemessenen<br />

staatlichen äußeren Rahmen durch<br />

praktisches Handeln füllen <strong>und</strong> durchdringen<br />

zu müssen. Dabei wurde allmählich<br />

allen klar, dass trotz allen Bewahrens die<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 89


Abb. 3 Bericht über die 11. Murnauer<br />

Unfalltagung, 19.5.1990.<br />

Abb. 4 Teilnehmer des Einweisungskurses 1990 aus der DDR. Hörsaal der BG-Unfallklinik Murnau. Aus:<br />

Privatarchiv J. Probst<br />

innere Substanz viele Schäden erlitten hatte.<br />

So kam es dazu, dass insbesondere durch<br />

die Initiative der Ärztlichen Direktoren der<br />

Berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken<br />

an diesen <strong>und</strong> an anderen Krankenhäusern<br />

zahlreiche mehrwöchige Einzelhospitationen<br />

für Chef- <strong>und</strong> Oberärzte organisiert<br />

wurden <strong>und</strong> diese, auch dank der Einsicht<br />

vieler Verwaltungen, nicht an Kostenfragen,<br />

die großzügig ausgeschaltet wurden, scheitern<br />

mussten. Durch die DGU sind mehr als<br />

80 derartige Hospitationen vermittelt worden,<br />

die bereits ab April 1990 anliefen; sie<br />

dauerten in der Regel vier Wochen. Die Gäste<br />

konnten aus einer Liste aufnahmebereiter<br />

Kliniken frei wählen. Im Vordergr<strong>und</strong> der<br />

Aufenthalte standen neben der Teilnahme<br />

an Operationen, Visiten <strong>und</strong> Fortbildungen<br />

die Organisation der berufsgenossenschaftlichen<br />

Verfahren <strong>und</strong> das Zusammenspiel<br />

mit den Sachbearbeitern der Unfallversicherungsträger<br />

sowie die Praxis der Begutachtung.<br />

Aus diesen Hospitationen<br />

entwickelten sich nicht wenige dauerhafte<br />

kollegiale Beziehungen ( Anlage 1). Insbesondere<br />

im berufsgenossenschaftlichen Bereich<br />

wurde auch die Übernahme unfallverletzter<br />

Patienten aus DDR-Krankenhäusern<br />

in BG-Unfallkliniken eröffnet. Am 27.4.1990<br />

erfolgte der erste Hubschraubertransport<br />

einer Patientin von Dresden nach Murnau;<br />

das ist insofern bemerkenswert, als die Lufthoheit<br />

in der DDR noch bei der sowjetischen<br />

Besatzungsmacht lag [20].<br />

Rasch wuchs auch das Interesse der Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen an Fachtagungen<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik. So nahmen mehr<br />

als 30 von ihnen am 18./19.5.1990 an der<br />

11. Murnauer Unfalltagung „Der verletzte<br />

Fuß“ teil ( Abb. 3 <strong>und</strong> 4). Bei noch bestehender<br />

Währungsunterschiedlichkeit musste<br />

die Unterbringungsfrage gelöst werden:<br />

Spontan stellte die Murnauer B<strong>und</strong>eswehrgarnison<br />

sich kostenlos als „Hotel garni“ zur<br />

Verfügung. Das Blockdenken war bereits<br />

ferne Vergangenheit! Als die Teilnehmer<br />

sich nach getaner Arbeit am Staffelsee in<br />

geselliger R<strong>und</strong>e zusammenfanden, wurde<br />

der Gedanke geboren, die regionale Unfallmedizinische<br />

Tagung mit ihrem noch<br />

diskussionsfreudigen Rahmen auch auf die<br />

DDR zu übertragen [20]; daraus ging 1996<br />

die mit dem BG-Landesverband Bayern <strong>und</strong><br />

Sachsen <strong>und</strong> der Unfallchirurgischen Klinik<br />

der TU Dresden (Professor Dr. H. Zwipp) gegründete<br />

„Dresdner Unfalltagung“ hervor<br />

[22].<br />

Den Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> anderen<br />

gesetzlichen Unfallversicherungsträgern<br />

oblag nach dem Staatsvertrag die Einführung<br />

dieses Sozialversicherungszweiges<br />

in der DDR. Schon bevor die rechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen gegeben waren, wurden praktische<br />

Maßnahmen ergriffen, wobei der<br />

insoweit fachlich zuständige „Heilverfahrensausschuss“<br />

des Hauptverbandes der<br />

gewerblichen Berufsgenossenschaften sich<br />

auch auf die Beratenden Ärzte seiner sechs<br />

Landesverbände stützen konnte. Erste Erörterungen<br />

fanden am 20.2.1990 in einer Sitzung<br />

der „Vereinigung der Berufsgenossenschaftlichen<br />

Kliniken“ (VBGK) statt [20]. Am<br />

16./17.3.1990 hielten die Landesverbände<br />

Berlin <strong>und</strong> Nordwestdeutschland in Berlin<br />

ihre turnusgemäße Unfallmedizinische Tagung<br />

ab, mit der sich die Berufsgenossenschaften<br />

den DDR-Chirurgen in Referaten<br />

<strong>und</strong> Diskussionen vorstellten [23]. Ungeachtet<br />

dessen, dass noch eine mehrjährige<br />

Organisationsarbeit bevorstand, hatten<br />

sich die Berufsgenossenschaften schon<br />

mit dieser Tagung als zukunftsverheißend<br />

eingeführt. Im Verlauf der Einigungsverhandlungen<br />

wurde die Einführung der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung in den neuen<br />

B<strong>und</strong>esländern zum 1.1.1991 festgelegt.<br />

Dies bedeutete auch eine Übernahme der<br />

Berichts- <strong>und</strong> Heilverfahrensarten, insbesondere<br />

des Durchgangsarzt- <strong>und</strong> des Verletzungsartenverfahrens.<br />

In Vorbereitung<br />

hierzu <strong>und</strong> unter Mithilfe der DGU konnte<br />

der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />

am 21./22. 9.1990 in<br />

Berlin eine Informationsveranstaltung für<br />

diejenigen Chefärzte durchführen, die künftig<br />

für die Berufsgenossenschaften in den<br />

neuen B<strong>und</strong>esländern tätig sein würden<br />

( Anlage 2).<br />

Vorausgegangen waren zahlreiche Konferenzen<br />

<strong>und</strong> Beratungen in größerem oder<br />

kleinerem Kreis ( Anlage 3), sodann am<br />

21.8.1990 eine Sitzung des Arbeitskreises<br />

„Qualität“ der Kommission für Rehabilitation<br />

des Hauptgeschäftsführer–Arbeitskreises<br />

in Frankfurt/Main, an der neben den<br />

Beratenden Ärzten S. Decker, G. Hierholzer,<br />

H. Nonnemann <strong>und</strong> J. Probst als Sachverständige<br />

auf Vorschlag der DGU auch E.<br />

Schenk, Magdeburg, <strong>und</strong> K. Welz, Cottbus,<br />

teilnahmen. Die Niederschrift [32] liest sich<br />

wie ein Katechismus, sie spiegelt die wechselseitigen<br />

Informationen aus den seit Jahresbeginn<br />

aufgenommenen Gesprächen<br />

wider <strong>und</strong> vermittelt dokumentarisch die<br />

Bereitschaft, auf diesem Sektor die Wiedervereinigung<br />

rasch <strong>und</strong> ohne zeitraubende<br />

Umwege durchzuführen. Dies wurde so<br />

eingeleitet, obwohl noch keine gesetzliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage hergestellt war, dass „zum<br />

1.1.1991 auch auf dem Gebiet der DDR die<br />

volle Zuständigkeit der Träger der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung für die Leistungen<br />

zur Heilbehandlung gegeben sein wird.“ Es<br />

90<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Anlage 3 Schreiben des Generalsekretärs der DGU <strong>und</strong> Beratenden Arztes des LV Bayern der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 23.3.1990 an den<br />

Vorsitzenden des Heilverfahrensausschusses des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften, Dir. Förster.<br />

spricht gleichermaßen für die Berufsgenossenschaften<br />

wie für die Unfallchirurgen<br />

in der DDR, dass dieses Ziel in kurzer Zeit,<br />

nachhaltig <strong>und</strong> reibungslos erreicht worden<br />

ist ( Anlage 4).<br />

Dabei war festgelegt worden, dass die berufsgenossenschaftliche<br />

Betreuung durch<br />

die jeweils angrenzenden Landesverbände<br />

regional erfolgen werde, nämlich in Berlin,<br />

Brandenburg <strong>und</strong> Mecklenburg-Vorpommern<br />

durch den Landesverband Berlin, für<br />

Sachsen-Anhalt durch den LV Nordwestdeutschland<br />

in Hannover, für Thüringen<br />

durch den LV Hessen-Mittelrhein in Mainz,<br />

für Sachsen durch den LV Bayern in München.<br />

Im Rahmen dieser Entwicklung oblag<br />

den Beratenden Ärzten der Landesverbände<br />

die Evaluation der D-Ärzte <strong>und</strong> Chefärzte<br />

der zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen<br />

Krankenhäuser; dieses Verfahren<br />

entsprach den hergebrachten Zulassungskriterien<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik. Auch in<br />

dieser Hinsicht wirkten sich die zahlreichen<br />

Hospitationen hilfreich aus <strong>und</strong> dies umso<br />

mehr, als den Beratenden Ärzten nunmehr<br />

viele Kollegen, die sich um diese Zulassungen<br />

bewarben, schon persönlich bekannt<br />

geworden waren [24].<br />

Zur gleichen Zeit – <strong>und</strong> auch im Zusammenhang<br />

mit den berufsgenossenschaftlichen<br />

Zulassungen – tauchte das Problem der<br />

Anerkennung der in der DDR erworbenen<br />

Facharztqualifikationen sowie der Anrechenbarkeit<br />

erbrachter Weiterbildungsleistungen,<br />

speziell zur Subspezialität Traumatologie,<br />

auf. Wiederum waren die Präsidiumsmitglieder<br />

der DGU Anlaufstelle <strong>und</strong><br />

Vermittler in einem, wenn es darum ging,<br />

Ratschläge zu erteilen oder Zugangswege<br />

aufzuzeigen. Die Subspezialität Traumatologie<br />

wurde vorbehaltlos anerkannt, in<br />

einzelnen Zweifelsfällen konnten anhand<br />

von Leistungsnachweisen positive Entscheidungen<br />

für die Kollegen erwirkt werden.<br />

Für die berufsgenossenschaftlichen Zulassungen<br />

musste indessen darauf bestanden<br />

werden, dass ausschließlich die verbriefte,<br />

seitens der Landesärztekammern anerkannte<br />

Subspezialität Traumatologie unabdingbare<br />

Voraussetzung war [25].<br />

Dass in einer so umwälzenden Situation,<br />

wie sie durch die Ereignisse des Novembers<br />

1989 <strong>und</strong> in den folgenden Monaten entstanden<br />

war, auch menschliche Probleme<br />

auftraten, kann nicht verw<strong>und</strong>ern. Manche<br />

Kollegen mussten sich um ihre Stellung sorgen,<br />

manchen mussten neue Betätigungsmöglichkeiten<br />

aufgezeigt werden. Die frühzeitige<br />

Einleitung direkter Kontakte schuf<br />

jedoch alsbald Vertrauensbeziehungen,<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 91


Anlage 4/1 Ergebnisniederschrift des AK „Qualität“ vom 21.8.1990 (Seite 1–2).<br />

<br />

die sich gelegentlich auch bei amtlichen<br />

Stellen als nützlich erwiesen. So erließ das<br />

Bayerische Staatsministerium für Arbeit,<br />

Familie <strong>und</strong> Sozialordnung „Leitlinien für<br />

Hilfen im Ges<strong>und</strong>heitswesen Thüringens <strong>und</strong><br />

Sachsens“, die genau den von der DGU bzw.<br />

den Berufsgenossenschaften bereits praktizierten<br />

Verfahren, neben Hospitationen<br />

auch Seminare, Beratungstätigkeiten, Entsendung<br />

von Fachkräften, entsprachen [26].<br />

Ebenso konnten den Berufsgenossenschaften,<br />

denen ihrerseits an der Aufnahme<br />

vertraglicher Beziehungen zu den Ärzten gelegen<br />

war, insbesondere durch deren Beratende<br />

Ärzte der Landesverbände wirksame<br />

Unterstützung <strong>und</strong> eine Art persönliche<br />

Bürgschaft für die zu den Verfahren zuzulassenden<br />

Unfallchirurgen vermittelt werden.<br />

In einzelnen Fällen galt es auch Denunziationen<br />

(in Anspielung auf den Titel einer einschlägigen<br />

Broschüre waren solche nur als<br />

Ausgeburten „kranker Gehirne“ begreiflich),<br />

wie sie typische Begleiterscheinungen jedes<br />

Umbruchs sind, entgegenzutreten. Dabei<br />

musste bei den davon passiv Betroffenen,<br />

die sich vom Rechtsstaat im Augenblick enttäuscht<br />

fühlten, erst einmal geworben werden<br />

um Verständnis für die zurückhaltende<br />

Entscheidungspraxis öffentlich-rechtlicher<br />

Institutionen, die pflichtgemäßes Ermessen<br />

walten lassen mussten, wo die DGU sich auf<br />

die Prinzipien der Kollegialität berufen <strong>und</strong><br />

danach pragmatisch handeln konnte. Langwierige<br />

Ungewissheiten, wie sie Jahrzehnte<br />

zuvor, in der Nachkriegszeit, über mehrere<br />

Jahre hinweg nicht wenige Ärzte belastet<br />

hatten, konnten so vermieden werden, ohne<br />

neue Ungerechtigkeiten zu schaffen [27].<br />

Schon seit Jahresbeginn 1990 beantragten<br />

viele Kollegen aus der DDR die Mitgliedschaft<br />

in der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Unfallheilk<strong>und</strong>e. Es stellte sich die Frage,<br />

ob neben den satzungsgemäßen Voraussetzungen<br />

weitere Auflagen zu erfüllen<br />

waren. Manche wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

haben lange, einige sehr lange<br />

gezögert, offen auf die Kollegen zuzugehen;<br />

das hat später deren Annäherung unnötig<br />

erschwert. Für die DGU stellte sich dieses<br />

Problem nicht: Die schon seit den denkwürdigen<br />

Kongresstagen im November 1989<br />

<strong>und</strong> in den ersten Wochen <strong>und</strong> Monaten<br />

1990 geknüpften Verbindungen, dazu die<br />

Aufnahme enger persönlicher Beziehungen<br />

– in meinem Falle u. a. mit E. Markgraf in<br />

Jena, K. Welz in Cottbus, E. Schenk in Magdeburg<br />

– hatten Gewissheiten begründet,<br />

die ausreichende Gewähr für eine sachlich<br />

einwandfreie <strong>und</strong> kollegiale Zusammenarbeit<br />

verhießen ( Anlage 5). Der Geschäftsführende<br />

Vorstand der DGU billigte am<br />

7.6.1990 <strong>und</strong> das Präsidium der DGU bestätigte<br />

am 29.6.1990 die vom Generalsekretär<br />

angewandte Verfahrenspraxis. In dieser<br />

Sitzung beschloss das Präsidium auch, zwei<br />

Kollegen aus der DDR als außerordentliche<br />

Mitglieder in den Beirat zu berufen, um die<br />

Zusammenarbeit rasch <strong>und</strong> wirkungsvoll zu<br />

vertiefen. Ausgewählt wurden hierfür Eberhard<br />

Schenk, Magdeburg, <strong>und</strong> Klaus Welz,<br />

Cottbus, die schon seit November 1989 im<br />

engen Kontakt mit uns standen. Diskutiert<br />

worden war auch, ob die noch bestehende<br />

Sektion Traumatologie der DDR bzw. deren<br />

Mitglieder summarisch in die DGU übergeführt<br />

werden sollten. Dazu gelangte das<br />

92<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Anlage 4/2 Ergebnisniederschrift des AK „Qualität“ vom 21.8.1990 (Seite 3–4).<br />

<br />

Präsidium der DGU jedoch mehrheitlich zu<br />

der Auffassung, eine solche „Gleichschaltung“<br />

nicht zuzulassen. Es sollte auch nicht<br />

der Eindruck erweckt werden, die Sektion<br />

Traumatologie zu zerschlagen, zumal zu dieser<br />

Zeit die endgültige staatliche Struktur,<br />

d. h. die staatliche Wiedervereinigung, nicht<br />

nur noch nicht bestand, sondern immer<br />

noch nicht mit Gewissheit zu sehen war. Es<br />

wurde stattdessen beschlossen, den Mitgliedern<br />

der Sektion Traumatologie ihr wissenschaftliches<br />

Zuhause in der DGU zu bieten,<br />

wenn sie dieses wünschten <strong>und</strong> durch<br />

persönliche Beitrittserklärung beantragten.<br />

Damit wurden auch rechtliche Schwierigkeiten,<br />

die sich aus den satzungsgemäßen<br />

Verfassungen sowohl der Sektion als auch<br />

der DGU ergeben würden, von vornherein<br />

vermieden; die DGU in der Rechtsform des<br />

rechtsfähigen, eingetragenen Vereins kannte<br />

<strong>und</strong> kennt nur die persönliche ordentliche<br />

Mitgliedschaft [28]. Bis zur Jahrestagung im<br />

November 1990 wurden 216 Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen aus der DDR bzw. den nunmehr<br />

„neuen Ländern“ als Mitglieder in die<br />

DGU aufgenommen.<br />

Am 3.10.1990 wurde die Wiedervereinigung<br />

mit der staatlichen Herstellung der Einheit<br />

Deutschlands vollzogen. Kurz darauf fand<br />

unter der Leitung von E. Markgraf, Jena, in<br />

Leipzig der XII. Kongress der Sektion Traumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

der DDR, an dem sich zahlreiche Mitglieder<br />

der DGU beteiligten, statt. Deren Präsident,<br />

A. Pannike, Frankfurt/Main, stellte<br />

dieses Ereignis auf der 54. Jahrestagung am<br />

29.11.1990 in den Mittelpunkt seiner Eröffnungsansprache<br />

[29]:<br />

„Nach dem Zerbrechen der Mauer waren<br />

wir zuerst überwältigt von der Freude über<br />

die bis dahin unvorstellbare Chance, die der<br />

ungebrochene Freiheitswille der Menschen in<br />

dieser Stadt <strong>und</strong> in diesem Land, aber auch<br />

die gleichermaßen historische Qualität des<br />

menschlichen <strong>und</strong> politischen Verständnisses<br />

unserer Nachbarn, unserem Volk eröffnet<br />

hatten. Seither hat sich manche erste Hoffnung<br />

nicht erfüllt, vielleicht auch nicht erfüllen<br />

können. Wir erkennen nun die Realität,<br />

die von uns allen als Aufgabe angenommen<br />

werden muss, wenn unsere Hoffnungen<br />

Wirklichkeit werden sollen.<br />

Die Zeit erfordert gebieterisch gemeinsame<br />

Arbeit: Hoffnung <strong>und</strong> Zuversicht scheinen<br />

weniger fern, wenn wir erinnern, dass dieses<br />

Motto unserer <strong>Gesellschaft</strong> in die Wiege gelegt<br />

wurde, als sie 1922 hier in Leipzig als<br />

interdisziplinäre Unfallmedizinische <strong>Gesellschaft</strong><br />

gegründet wurde. Im Sinne dieser<br />

Gemeinsamkeit möchte ich an dieser Stelle<br />

– wie in Leipzig so auch hier – einem Manne<br />

danken, dem Deutschlands Unfallchirurgen<br />

in besonderem Maße zu danken haben. Wir<br />

danken Herrn Professor Hans Willenegger für<br />

das nie nachlassende menschliche Engagement,<br />

mit dem er dort Kontakte nicht abreißen<br />

ließ <strong>und</strong> neue Kontakte knüpfte, wo uns<br />

dies über viele Jahre politisch verwehrt war.<br />

Dies sei unvergessen.<br />

Mit dem XII. Unfallchirurgenkongress in<br />

Leipzig hat die Sektion Traumatologie der<br />

ehemaligen DDR ihre Arbeit beendet. Wir<br />

anerkennen mit hohem Respekt die wissenschaftliche<br />

<strong>und</strong> menschliche Leistung, die in<br />

schwerer Zeit vollbracht wurde <strong>und</strong> erleben<br />

mit großer Freude, dass die Kolleginnen <strong>und</strong><br />

Kollegen aus den neuen B<strong>und</strong>esländern von<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 93


Anlage 4/3 Ergebnisniederschrift des AK „Qualität“ vom 21.8.1990 (Seite 5–6).<br />

nun an mit uns in unserer <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e für die gemeinsame<br />

Zukunft arbeiten werden. Noch einmal:<br />

Herzlich Willkommen.“<br />

Anschließend sprach Eberhard Sander,<br />

Halle, altes <strong>und</strong> reaktiviertes Mitglied der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e,<br />

Gruß- <strong>und</strong> Dankesworte, die gewissermaßen<br />

nicht nur als Abschluss des Jahres<br />

der staatlichen Wiedervereinigung sondern<br />

auch als glücklicher Auftakt der wiederhergestellten<br />

Einheit der deutschen Unfallchirurgie<br />

empf<strong>und</strong>en wurden:<br />

„Es ist für mich eine große Ehre, dem diesjährigen<br />

Kongress der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e, der erstmalig in einem<br />

geeinten Deutschland stattfindet, im Namen<br />

der neu hinzugekommenen B<strong>und</strong>esländer<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen<br />

<strong>und</strong> Mecklenburg-Vorpommern einen<br />

guten Verlauf zu wünschen.<br />

Wir freuen uns sehr, dass wir nun endlich<br />

dazugehören. Ganz besonders freuen<br />

sich die, denen es früher nie vergönnt war,<br />

solche Veranstaltungen zu besuchen. Hier<br />

im ehemaligen West-Berlin schon gar nicht.<br />

Gottseidank gehört die Zeit der handverlesenen<br />

Delegationen endgültig der Vergangenheit<br />

an. Dem ganz natürlichen Anspruch<br />

auf Weiterbildung kann heute jeder meiner<br />

Landsleute nachgehen, wo immer er will.<br />

So auch bei internationalen Kongressen, die<br />

zu den wichtigsten Kommunikationseinrichtungen<br />

zählen, durch die der Fortschritt in<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Technik verbreitet wird.<br />

Als ich am Anfang des Jahres von Ihnen,<br />

Herr Präsident, damit betraut wurde, zu diesem<br />

Kongress ein Grußwort für meine Landsleute<br />

zu sprechen, war die Einheit Deutschlands<br />

noch nicht vollzogen <strong>und</strong> es erübrigt<br />

sich heute eigentlich, aus dem vereinten Land<br />

eine gesonderte Grußbotschaft zu entbieten.<br />

Ich möchte aber diese Gelegenheit nutzen,<br />

um gleichzeitig ein Wort des Dankes an den<br />

Vorstand der <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> auch an Sie, verehrte Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen aus der alten B<strong>und</strong>esrepublik,<br />

zu richten. Sie haben unmittelbar nach der<br />

Wende, noch weit vor der Währungsunion,<br />

damit begonnen, Kollegen, die Ihnen sogar<br />

meistens unbekannt waren, weil sie ihrer<br />

Unangepasstheit wegen stets im zweiten<br />

Glied standen <strong>und</strong> keinem „Reisekader“ angehörten,<br />

eine Fülle von Möglichkeiten zur<br />

fachlichen Weiterbildung zu erschließen<br />

durch Einladungen mannigfacher Art – oft<br />

auf ganz persönlicher <strong>und</strong> privater Basis –,<br />

wofür wir Ihnen an dieser Stelle noch einmal<br />

unseren Dank sagen möchten. Es wurde viel<br />

in dieser Hinsicht getan – in selbstloser Spontaneität.<br />

Den meisten halfen die neuen Kontakte<br />

bei der Überbrückung von mancherlei<br />

Hemmschwellen. Schließlich haben 40 Jahre<br />

Abgrenzung, geographisch <strong>und</strong> politisch,<br />

aber auch der nichtkonvertierbare Markt der<br />

DDR Spuren im Selbstbewusstsein der Bürger<br />

hinterlassen. Gewiss nicht bei allen, so gibt<br />

es auch Kollegen, deren Selbstbewusstsein<br />

in den vergangenen Jahren keinerlei Schaden<br />

genommen hat, auch jetzt nicht. Einige<br />

von ihnen leiden hinsichtlich ihrer früheren<br />

politischen Aktivitäten an einer Amnesie. Sie<br />

sollten sich besinnen. Etwas mehr Zurückhaltung<br />

wäre jetzt angebracht.<br />

Was die Leistung in unserem Fachgebiet<br />

anbetrifft, so haben wir insgesamt keinen<br />

Gr<strong>und</strong>, unser Licht unter den Scheffel zu stel-<br />

94<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


len. Unsere Arbeitsergebnisse können sich<br />

trotz der spezifischen Gegebenheiten durchaus<br />

sehen lassen. Durch unsere mehr als<br />

zwei Jahrzehnte währende Einbindung in die<br />

Schweizer-AO <strong>und</strong> später in die AO-International<br />

erhielten wir vielseitige Hilfe <strong>und</strong> Anregung<br />

von dort. Hierbei sind wir insbesondere<br />

Herrn Prof. Willenegger zu großem Dank verpflichtet.<br />

Ich nenne hier nur die Workshops,<br />

die wir als Geschenk erhielten <strong>und</strong> die regelmäßige<br />

Bereitstellung von Plätzen für<br />

Kurse <strong>und</strong> Hospitation in schweizerischen,<br />

seit geraumer Zeit auch in b<strong>und</strong>esdeutschen<br />

AO-Kliniken. Unsere eigenen, alljährlich<br />

stattfindenden AO-Veranstaltungen <strong>und</strong><br />

Unfall kongresse wurden ebenfalls kollegial<br />

unterstützt. Auch die Österreichische Allgemeine<br />

Unfallversicherungsanstalt stellte<br />

uns seit mehr als 10 Jahren eine bestimmte<br />

Anzahl an Hospitationsplätzen <strong>und</strong> Teilnahmeplätzen<br />

für die Jahrestagung der Österreichischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie zur<br />

Verfügung. Allen sei gedankt, denn dadurch<br />

waren wir immer auf dem Laufenden <strong>und</strong><br />

imstande solide Arbeit in unserem Fach zu<br />

leisten. Wir müssen jetzt jedoch bemüht sein,<br />

unsere Ausrüstung mit Instrumentarien <strong>und</strong><br />

apparativer Technik auf den neuesten Stand<br />

zu bringen, <strong>und</strong> das in mehr Kliniken als bisher.<br />

Der wachsende Rückstand auf diesem<br />

Gebiet hat die Arbeit der Kollegen, insbesondere<br />

in der Peripherie sehr erschwert. Der<br />

Vergleich mit westlichen Möglichkeiten war<br />

oft frustrierend. Dass dabei dennoch gute<br />

Resultate zustande kamen, muss umso höher<br />

eingeschätzt werden. Unsere Unfallchirurgen<br />

bringen also Zusammenarbeit in Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Forschung mit.“ [29]<br />

Am Jahresende 1990 zählte die <strong>Gesellschaft</strong><br />

1.544 Mitglieder. In ihrer Mitgliederversammlung<br />

am 29.11.1990 beschloss sie die<br />

Namensänderung <strong>und</strong> heißt nun <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie e. V.<br />

Schon im Frühjahr 1990 hatte der Leiter<br />

der Arbeitsgemeinschaft für Traumatologie<br />

des Kindesalters der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

– Sektion Traumatologie – der DDR,<br />

W. Kurz, Lübben, die Verbindung zur DGU<br />

gesucht ( Anlage 6). Vorangegangen war<br />

die Tagung dieser Arbeitsgemeinschaft am<br />

10.5.1990 in Bad Düben, die dem Generalsekretär<br />

Gelegenheit geboten hatte, auch<br />

in diesem Kreise kollegiale Verbindungen<br />

zu knüpfen, die sich bald fruchtbringend erweisen<br />

sollten. Die Arbeitsgemeinschaft sah<br />

sich in der Gefahr, in den Veränderungen<br />

der Wendezeit unterzugehen, zumal von<br />

der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Kinderchirurgie<br />

(West) zunächst wenig Interesse an<br />

Kontakten gezeigt worden war. Die Tagung<br />

in Bad Düben hatte aber gerade erwiesen,<br />

welch wertvolle Arbeit die Arbeitsgemeinschaft<br />

schon bisher leistete <strong>und</strong> dass ihre<br />

Anlage 5 Schreiben des Generalsekretärs der DGU vom 5.3.1990 an Prof. Dr. Markgraf, Jena.<br />

Zukunftsvorstellungen den Intensionen der<br />

DGU umso mehr entgegenkamen, als die<br />

Neufassung der Satzung der DGU die Bildung<br />

von Arbeitsgemeinschaften ausdrücklich<br />

vorsah <strong>und</strong> die Pflege dieses Arbeitsgebietes<br />

nicht zuletzt deswegen als verpflichtende<br />

Aufgabe der DGU gesehen wurde, weil<br />

im Zuge der Differenzierung der Chirurgie<br />

die Kinderchirurgie zunehmende Verselbständigungsbestrebungen<br />

(die alsbald<br />

auch realisiert wurden) erkennen ließ. Die<br />

Unfallchirurgie des Kindes musste jedoch<br />

weiterhin als Aufgabe gelten, die sich jedem<br />

Unfallchirurgen <strong>und</strong> auch vielen Allgemeinchirurgen<br />

stellt, während der Kinderchirurg<br />

in der Regel nicht in der Behandlung der Unfallverletzungen<br />

seine Schwerpunktaufgabe<br />

sieht. Begünstigt wurde die Annäherung<br />

durch den Eintritt zahlreicher Kollegen, die<br />

in der Arbeitsgemeinschaft schon viele Jahre<br />

aktiv mitgewirkt hatten, als Mitglieder<br />

in die DGU, sodass am 27.11.1990 das<br />

Präsidium die Neugründung der „Arbeitsgemeinschaft<br />

Kindertraumatologie in der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie“<br />

beschloss [30].<br />

Ihre erste Tagung hat diese Arbeitsgemeinschaft<br />

vom 20. bis 22.11.1991 unter<br />

starker Beteiligung von Unfallchirurgen,<br />

Kinderchirurgen <strong>und</strong> Orthopäden abgehalten.<br />

Dem Anlass angemessen fand die<br />

ebenso würdige wie festliche Eröffnung in<br />

Anwesenheit des Ministerpräsidenten von<br />

Thüringen <strong>und</strong> des Oberbürgermeisters im<br />

historischen Rathaussaal von Erfurt statt.<br />

In der Begrüßungsansprache führte der Generalsekretär<br />

unter anderem aus: „Auf den<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 95


Wochentag genau nach zwei Jahren hat sich<br />

für die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />

eine Hoffnung erfüllt, die in öffentlichen<br />

Verlautbarungen eher vom Legitimationszwang<br />

getragen wurde. Hoffnung ist<br />

aber etwas sehr Menschliches <strong>und</strong> eigentlich<br />

überhaupt nichts Materielles. Paragraphen<br />

<strong>und</strong> Verträge, selbst wenn sie in einer Sprache<br />

geschlossen wurden, schaffen Erfüllungsansprüche<br />

– „pacta servanda“ – die durch sie<br />

geschaffenen Bedingungen sind nur rechtlicher<br />

Natur. Das Ereignis des 9. November<br />

1989 ist nicht auf diesem Boden entstanden,<br />

eher sogar gegen die noch herrschende<br />

Konvention. Unsere ersten Begegnungen<br />

am Buß- <strong>und</strong> Bettag 1989 haben ganz im<br />

Zeichen des menschlichen Aufbruchs jener<br />

Tage gestanden. Nie werde ich das erste Kennenlernen<br />

mit vielen Kollegen, die uns heute<br />

so vertraut sind, als hätte es je keine Grenze<br />

zwischen uns gegeben, vergessen. Menschliche<br />

Qualitäten hängen nicht von äußeren<br />

Umständen ab! Wir haben Anlass, unseren<br />

Kollegen, bei denen wir heute zu Gast sind,<br />

zu danken, dass sie das Unveräußerliche bewahrt<br />

haben, auch wenn Schaden nicht immer<br />

unabwendbar gewesen ist. Bei den sehr<br />

viel stärker materialisierten Bemühungen,<br />

die Wiederherstellung der staatlichen Einheit<br />

durchzuführen, dürfen wir nicht übersehen,<br />

dass die Ordnung der Gegenständlichkeiten<br />

ein Prozess ist, als dessen eines Maß der Faktor<br />

Zeit nicht hinweggedacht werden kann.<br />

Nichts aber wäre mit diesem Prozess gewonnen,<br />

gäbe es nicht den aus dem Gewissen<br />

entspringenden Willen, der lange hat verborgen<br />

werden müssen, der jedoch fortbestand.<br />

Unfallchirurgen sind nicht W<strong>und</strong>ärzte<br />

mit viel Handwerk <strong>und</strong> wenig Nachdenken.<br />

Der Unfallchirurg bringt auch den ersten Zuspruch,<br />

noch mehr: die erste Hoffnung dem<br />

W<strong>und</strong>geschlagenen. Die Verletzten in diesen<br />

Ländern konnten sich in den vergangenen 4<br />

Jahrzehnten sehr wohl darauf verlassen, in<br />

ihrer durch Unfall herbeigeführten Not nicht<br />

allein gelassen zu werden, auch dann nicht,<br />

wenn die medizinischen Mittel knapp waren.<br />

Die Unfallchirurgen sind auch dadurch Bewahrer<br />

der Hoffnung, ohne die kein Mensch<br />

leben kann, gewesen. Dabei dürfen wir nicht<br />

vergessen, dass nicht nur die heutige Chirurgengeneration<br />

diese Sorge getragen hat,<br />

sondern schon fast 2 Generationen in diesem<br />

Bewusstsein unanfechtbar geblieben sind;<br />

auch ihnen schulden wir Dank!<br />

Die ersten Monate nach der Wende <strong>und</strong><br />

das erste Jahr der staatlichen Einheit haben<br />

immer wieder die Frage laut werden lassen,<br />

ob, wie weitgehend <strong>und</strong> mit welchen Vorbehalten<br />

den Menschen zwischen Elbe <strong>und</strong><br />

Oder, Ostsee <strong>und</strong> Erzgebirge vertraut werden<br />

dürfe. Wir Unfallchirurgen haben diese<br />

Frage nie gestellt. Dabei stand nicht nur die<br />

Einsicht Pate, besser sei es doch wohl, schnell<br />

Anlage 6 Schreiben von Dr. sc. med. Kurz, Lübben, Vorsitzender der AG Kindertraumatologie an den<br />

Generalsekretär der DGU mit Einladung zur 11. Arbeitstagung der AG KT in Bad Düben. Von diesem<br />

Schreiben gingen die Verhandlungen zur Bildung der Arbeitsgemeinschaft (heutigen Sektion)<br />

Kindertraumatologie der DGU aus.<br />

<strong>und</strong> wirksam Unterstützung zu leisten. Vielmehr<br />

wollten wir uns die Freiheit des Irrtums<br />

erlauben, eher die eine oder andere Enttäuschung<br />

zu erleben, als Schuld aus eigenem<br />

Hochmut, versteckt hinter weisem Zögern,<br />

auf uns zu nehmen. Der heilige Augustinus<br />

hat einmal verkündet, das Gewissen sei eine<br />

tiefe Einsamkeit, darin keines Menschen Fuß<br />

noch Auge dringe; darin solle man gläubig<br />

wohnen!<br />

Zu denen, die sich in der Vergangenheit<br />

nicht irre machen ließen, gehörten unsere<br />

Kindertraumatologen, deren Tagungseröffnung<br />

wir heute miterleben dürfen. Viele Jahre<br />

haben sie auf dem beschränkten Territorium<br />

<strong>und</strong> ohne die Möglichkeit grenzüberschreitender<br />

Kommunikation die selbstgestellte<br />

Aufgabe treulich erfüllt. Dafür schulden wir<br />

ihnen Anerkennung. Das traumatisierte Kind<br />

ist das bedauernswerteste aller Geschöpfe.<br />

Aus voller Ges<strong>und</strong>heit trifft es der Unfall, dessen<br />

überall lauernder Gefahr sich das Kind<br />

nicht bewusst ist. Der unter Umständen tiefe<br />

Einschnitt in Körper <strong>und</strong> Psyche kann von lebensprägender<br />

Bedeutung sein. Das Schädel-<br />

Hirn-Trauma als Todesursache Nummer 1 des<br />

Kindesalters macht allzu deutlich, was der<br />

Unfall bedeutet.<br />

Deswegen muss Sorge dafür getragen sein,<br />

dass jedes unfallverletzte Kind auf dem kürzesten<br />

Wege sachk<strong>und</strong>ige Hilfe erhält. Diesen<br />

Teil der Chirurgie am Kinde müssen wir jedem<br />

sorgfältigen Chirurgen als Pflicht auferlegen.<br />

Die auf Wunsch der Kollegen aus den neuen<br />

B<strong>und</strong>esländern gegründete Arbeitsgemeinschaft<br />

für Kindertraumatologie übernimmt<br />

auch die an Wichtigkeit gar nicht zu überschätzende<br />

Aufgabe, die traumatologischen<br />

Ansprüche der Kinder stärker zur Geltung zu<br />

bringen.“ [31]<br />

96<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Allen Beschränkungen <strong>und</strong> Behinderungen<br />

zum Trotz hatten sich die Mitglieder der<br />

DGU in der DDR über lange Zeit zu ihrer<br />

Mitgliedschaft bekannt. Darüber geben die<br />

zeitweilig den Mitgliederverzeichnissen<br />

beigefügten Ortsverzeichnisse eine beredte<br />

Auskunft: Im Gründungsjahr 1950 zählte<br />

die DGU 464 Mitglieder, darunter aus „Ost-<br />

Berlin bzw. Ost-Zone“ jeweils 9 bzw. 11; Mitglied<br />

im Beirat war Professor Dr. Quensel,<br />

Leipzig. Der <strong>Gesellschaft</strong> gehörten auch bereits<br />

wieder 6 ausländische Kollegen an. In<br />

den folgenden Jahren vermehrte sich dieser<br />

Mitgliederbestand sogar: 1954/55 747 Mitglieder,<br />

darunter aus Ost-Berlin 11, aus der<br />

übrigen DDR 22, ausländische Mitglieder<br />

27. 1956/57 864 Mitglieder, davon aus Ost-<br />

Berlin 11, aus der DDR 29, aus dem Ausland<br />

30. 1957/58 914 Mitglieder, aus Ost-Berlin<br />

10, aus der DDR 35, aus dem Ausland 36.<br />

Nach dem Mauerbau trat zunächst keine<br />

Minderung der Zahl der Mitglieder aus Ost-<br />

Berlin <strong>und</strong> der DDR ein: Die <strong>Gesellschaft</strong><br />

zählte 1965 1.059 Mitglieder, aus Ost-Berlin<br />

9, aus der DDR 54, aus dem Ausland 48<br />

Kollegen. Auch 1969 nannte das Verzeichnis<br />

bei insgesamt 1.114 Mitgliedern noch 7 Kollegen<br />

aus Ost-Berlin, 36 aus der DDR sowie<br />

54 ausländische Kollegen. Waren bis 1961<br />

Kongressbesuche von Kollegen aus der DDR<br />

bereits mit großen Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en,<br />

so waren solche nach dem Mauerbau<br />

1961 so gut wie ausgeschlossen. Dass dennoch<br />

eine so beachtliche Zahl von Kollegen<br />

an ihrer Mitgliedschaft in der DGU festhielt,<br />

verdient ausdrückliche Würdigung!<br />

Am Ende des Wiedervereinigungsjahres<br />

1990 zählte die <strong>Gesellschaft</strong> 1.544 Mitglieder.<br />

Aus den neuen B<strong>und</strong>esländern waren<br />

inzwischen 216 Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

eingetreten. – Im Jahre 2008 sieht die<br />

Bilanz ähnlich aus: Berlin stellt 278, die neuen<br />

B<strong>und</strong>esländer verzeichnen 545, die alten<br />

2.467 Mitglieder. Einschließlich der 186<br />

ausländischen Kollegen beträgt der aktuelle<br />

Bestand 3.476 Mitglieder.<br />

1994 wählte die Mitgliederversammlung<br />

E. Markgraf, Jena, der schon mehrere Jahre<br />

dem Beirat angehörte, zum Präsidenten der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />

für 1996. Sie gab damit weithin k<strong>und</strong>, dass<br />

die deutschen Unfallchirurgen die Wiederherstellung<br />

ihrer Einheit vollendet hatten.<br />

Literatur<br />

1. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1950); Nr. 42;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

2. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1951); Nr. 43;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

3. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1952); Nr. 44;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

4. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1953); Nr. 47;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

5. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1954); Nr. 48;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

6. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1955); Nr. 52;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

7. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1956); Nr. 55;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

8. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1957); Nr. 56;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

9. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1958); Nr. 60;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

10. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1959); Nr. 62;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

11. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1960); Nr. 66;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

12. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1961); Nr. 71;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

13. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1962); Nr. 75;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

14. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1963); Nr. 78;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

15. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1964); Nr. 81;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

16. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1965); Nr. 87;<br />

Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

17. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1982); Nr.<br />

164; Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

18. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongresse 1973-1987);<br />

Nr. 117, 121, 126, 129, 132, 138, 148, 153, 158,<br />

163, 174, 181, 189, 200; Berlin Göttingen Heidelberg:<br />

Springer<br />

19. Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongresse 1972/79/<br />

83); Nr. 114, 148, 163; Berlin Göttingen Heidelberg:<br />

Springer<br />

20. Probst J. Tagebuch<br />

21. Protokoll Präsidiumssitzung DGU 2/1989<br />

22. Dresdner Unfalltagung Schriftenreihe Unfallmed<br />

Tagungen 1996; 94<br />

23. Unfallmed. Tagung LV Nordwestdeutschland,<br />

Berlin 16./17.3.1990. Schriftenreihe Unfallmed<br />

Tagungen 1990; 73<br />

24.Die Berufsgenossenschaft. „Wie hat die Unfallversicherung<br />

die Wiedervereinigung erlebt <strong>und</strong> gestaltet?“<br />

Berlin, Bielefeld, München: Erich Schmidt<br />

Verlag, Schwerpunktheft 12/2001<br />

25.<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong>. <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e 1990; 22<br />

26.Bayer. Staatsministerium für Arbeit, Familie <strong>und</strong><br />

Soziales, München (Umdruck)<br />

27.Persönl. bzw. dienstl. Schriftwechsel<br />

28.Protokoll Präsidiumssitzung DGU 1/1990<br />

29.Hefte zur Unfallheilk<strong>und</strong>e (Kongress 1990); Nr.<br />

220; Berlin Göttingen Heidelberg: Springer<br />

30.Protokoll Präsidiumssitzung DGU 2/1990<br />

31.<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong>. <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallchirurgie 1991; 24<br />

32.Ergebnisniederschrift AK Qualität, Frankfurt/<br />

Main, 21.8.1990<br />

33.Zentralblatt für Chirurgie 1940; 67<br />

Prof. Dr. J. Probst<br />

Asamallee 10<br />

82418 Murnau/Staffelsse<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 97


Unfallchirurgie in der Zeit der<br />

Wiedervereinigung Deutschlands<br />

E. Markgraf<br />

Anmerkungen zum Verlauf der Wende<br />

Im August 1989 hatte die Massenflucht von<br />

DDR-Bürgern, insbesondere der jüngeren in<br />

b<strong>und</strong>esdeutsche Botschaften in Ostberlin,<br />

Prag, Budapest <strong>und</strong> Warschau bedeutend<br />

zugenommen.<br />

Vom 30.08. bis 02.09.1989 fand in Budapest<br />

ein Kongress „Unfallchirurgie <strong>und</strong> Rehabilitation“,<br />

an dem auch Unfallchirurgen<br />

der DDR teilnahmen, statt. Überall in der<br />

Stadt waren DDR-Bürger, die ihre Republik<br />

über Ungarn verlassen wollten, zu beobachten.<br />

Am Rande des Kongresses wurden die<br />

Vorgänge in der DDR lebhaft diskutiert. E.<br />

Markgraf <strong>und</strong> Frau hatten anlässlich einer<br />

Einladung von Frau <strong>und</strong> Herrn G. Berentey<br />

zum Abendessen in ihre Wohnung Gelegenheit,<br />

Frau <strong>und</strong> S. Weller aus Tübingen näher<br />

kennen zu lernen <strong>und</strong> über die Lage zu sprechen.<br />

Erstmals kam es während des Festabends<br />

des Kongresses zu einem längeren<br />

Gespräch mit dem Generalsekretär der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />

(später für Unfallchirurgie), J. Probst. Zu<br />

diesem Zeitpunkt hatte keiner von uns damit<br />

gerechnet, dass schon in naher Zukunft<br />

die Wiedervereinigung der zwei deutschen<br />

Staaten erfolgen würde. Die meisten der<br />

DDR-Bürger erwarteten gr<strong>und</strong>legende Reformen<br />

des Systems in der DDR. Zu diesen<br />

musste auf alle Fälle das Aufheben des Reiseverbots,<br />

die Abschaffung der Hegemonie<br />

des Parteiapparates <strong>und</strong> der Aufbau demokratischer<br />

Verhältnisse gehören.<br />

Später, am 23.1.1990, betonte J. Probst in<br />

einem Brief an E. Markgraf: „Ich denke noch<br />

manchmal an unsere Begegnung in Budapest<br />

zurück. Damals waren wir beide gleichermaßen<br />

skeptisch <strong>und</strong> besorgt. Seit dem ist so viel<br />

auf den Weg gekommen <strong>und</strong> wir können nur<br />

hoffen, dass bald alle Hindernisse aus dem<br />

Weg geräumt sein werden“.<br />

In einem Telefongespräch von E. Krenz, der<br />

begleitet von neuen Protesten der Bevölkerung<br />

als Nachfolger des zurückgetretenen<br />

Vorsitzenden des Staatsrats E. Honecker gewählt<br />

wurde, mit B<strong>und</strong>eskanzler H. Kohl am<br />

26.10.1989 betonte er, dass die DDR sozialistisch<br />

bleiben werde <strong>und</strong> eine Vereinigung<br />

nicht auf der Tagesordnung stünde [1].<br />

Abb. 1 Der Vorstand der Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR am 16.1.1989<br />

in Berlin. Von links: K Welz, K. Franke, E. Markgraf, E. Sander, H. Arzinger-Jonasch, L. Stöcker, W. Kurz, G.<br />

Woziwodski. Nicht auf dem Bild: W. Senst (Fotograf). Aus: Privatarchiv E. Markgraf<br />

Am 4.9.1989 begannen die Montagsdemonstrationen<br />

mit Gottesdiensten in der<br />

evangelischen Nikolaikirche in Leipzig, deren<br />

Teilnehmerzahl ständig zunahm. Die<br />

unaufhörlich ausgerufenen Sprechchöre der<br />

Demonstranten „Wir sind das Volk“ wurden<br />

bald abgewandelt in „Wir sind ein Volk“. Für<br />

die Unfallchirurgen <strong>und</strong> andere Ärzte war<br />

die Situation belastend <strong>und</strong> <strong>und</strong>urchsichtig,<br />

da immer damit zu rechen war, dass es zu<br />

blutigen Auseinandersetzungen mit Polizei<br />

oder Armee kommen könnte. Die Krankenhäuser,<br />

besonders in Leipzig <strong>und</strong> Berlin,<br />

wurden so ausgerüstet, dass sie in der Lage<br />

sein sollten, eine größere Anzahl von Verletzten<br />

zu versorgen.<br />

Am 9.10.1989 kamen zur Montagsdemonstration<br />

70.000 Menschen nach Leipzig.<br />

Es war die größte Protestk<strong>und</strong>gebung in<br />

der DDR seit dem Aufstand vom 17.6.1953<br />

[1]. Glücklicherweise ist es nicht zu den befürchteten<br />

Übergriffen der Sicherheitskräfte<br />

auf die Demonstranten gekommen.<br />

Zum AO-Kurs vom 4.10. bis 7.10.1989<br />

in Salzburg hat der Vorstand der Sektion<br />

Traumatologie der DDR eine „Delegation“,<br />

bestehend aus E. Markgraf, Jena (Delegationsleiter)<br />

<strong>und</strong> W. Wehner, Karl-Marx-Stadt,<br />

gesandt. Immer noch herrschte das diskriminierende<br />

<strong>und</strong> absolut sinnlose Ritual,<br />

dass die Delegierten vor der Abreise in das<br />

Außenministerium in Berlin bestellt wurden.<br />

Hier wurde ihnen erläutert, wie man<br />

sich in einem kapitalistischen Land zu verhalten<br />

habe <strong>und</strong> dass allen Versuchen der<br />

Kontaktaufnahme zu widerstehen sei. Nach<br />

Beendigung der Reise war ein politischer<br />

Kurzbericht innerhalb der ersten Tage <strong>und</strong><br />

später ein fachlicher Bericht an das Ministerium<br />

erforderlich.<br />

In den Kliniken wurde in dieser Zeit viel<br />

diskutiert. Die ersten wagten, die Verhältnisse<br />

konkret anzusprechen. St<strong>und</strong>enlange<br />

Belegschaftsversammlungen deckten immer<br />

deutlicher bestehende Missstände auf.<br />

Ein Fanal für die „friedliche Revolution“<br />

war eine K<strong>und</strong>gebung in Berlin am<br />

4.11.1989, an der geschätzte 500.000 bis<br />

eine Million Menschen teilnahmen. Ausdrucksstark<br />

wurde das Begehren der Bevölkerung<br />

neben anderen Rednern durch die<br />

Schriftsteller Stefan Heym <strong>und</strong> Christa Wolf<br />

artikuliert.<br />

Die Regierung der DDR ist am 7.11. <strong>und</strong><br />

das Politbüro der SED am 8.11.1989 zurückgetreten.<br />

98<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 2 Brief von G. Muhr, Bochum, vom 2.11.1990<br />

Am 8./9.11.1989 fand im „Hufhaus“ im<br />

Harz das letzte gemeinsame Unfallsymposium,<br />

das von den Unfallchirurgen W.<br />

H<strong>und</strong>shagen, Nordhausen <strong>und</strong> K. Arnold,<br />

Unfallklinik Berlin Friedrichshain, veranstaltet<br />

wurde, statt. E. Markgraf hatte dort<br />

über das Management beim Polytrauma zu<br />

sprechen. Anschließend wurde vom 10. bis<br />

11.11.1989 die Jahreshaupttagung in Heiligenstadt<br />

durchgeführt. Der 10. November<br />

war der Tag der Maueröffnung. Es herrschte<br />

eine euphorische Stimmung mit der Fragestellung:<br />

„Warst Du schon in Duderstadt?“<br />

Das ist die nächste von Heiligenstadt aus zu<br />

erreichende Stadt in der BRD. Auf der Rückfahrt<br />

über Worbis fuhren wir an einer über<br />

45 km langen Autoschlange, die sich in Richtung<br />

der bisherigen innerdeutschen Grenze<br />

formiert hatte, vorbei.<br />

H. Modrow, seit dem 13.11.1989 neuer Regierungschef,<br />

hat am 26.11.1989 eine Regierungserklärung<br />

abgegeben, in der er den<br />

Vorschlag einer Vertragsgemeinschaft mit<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik angeregt <strong>und</strong> eine Kooperation<br />

mit der EG angekündigt hat [1].<br />

Zur Sitzung des Vorstandes der Sektion Traumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der<br />

DDR am 21.11.1989 in Berlin wurde angesichts<br />

der politischen Entwicklung konkret<br />

erörtert, wie es mit der Sektion weitergehen<br />

soll. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde keine<br />

Beendigung der Tätigkeit erwartet. Die Abbildung<br />

1 ( Abb. 1) zeigt den Vorstand der<br />

Sektion anlässlich einer Sitzung vom Januar<br />

1989 in Berlin.<br />

Am 22.11.1989 nahmen zahlreiche Unfallchirurgen<br />

erstmals an der Jahrestagung<br />

der DGU im ICC in Berlin teil. P. Schmit-Neuerburg,<br />

Präsident dieser 53. Tagung, hat diesen<br />

Umstand sehr gewürdigt <strong>und</strong> die Kollegen<br />

der DDR herzlich begrüßt.<br />

Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen<br />

Lebens der DDR haben am 26.11.1989 einen<br />

Aufruf „Für unser Land“ veröffentlicht, in<br />

dem sie sich für die Eigenstaatlichkeit der<br />

DDR eingesetzt haben.<br />

Vom 6. bis 8.2.1990 fand in Berlin eine weitere<br />

Sitzung des Vorstandes der Sektion<br />

Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

der DDR statt. Es ging um gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Positionierungen der Sektion in der<br />

Wendezeit <strong>und</strong> die Überlebenschancen der<br />

eigenen <strong>Gesellschaft</strong>. Übereinstimmend<br />

wurde davon ausgegangen, dass die Sektion,<br />

in welcher Art auch immer, weiter bestehen<br />

sollte, gegebenenfalls als unfallchirurgische<br />

Dachorganisation der Region Ost.<br />

G. Muhr, Bochum, hat seine Ansicht dazu in<br />

einem Brief mitgeteilt ( Abb. 2). Auf dieser<br />

Tagung wurde E. Markgraf, gewählter Vorsitzender<br />

der Sektion für 1991, gebeten, die<br />

wissenschaftliche Leitung des XII. Unfallchirurgenkongresses<br />

der DDR mit internationaler<br />

Beteiligung im November 1990 in<br />

Leipzig zu übernehmen.<br />

Die Frage, wie die Arbeit der Sektion<br />

Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

zukünftig aussehen soll, war auch im<br />

Juni 1990 noch nicht geklärt, wie aus einem<br />

R<strong>und</strong>brief an die Mitglieder der Sektion vom<br />

22.6.1990 hervorgeht. Dieser lautete: „Sehr<br />

verehrte Frau Kollegin! Sehr geehrter Herr<br />

Kollege!<br />

In einer Zeit bedeutender politischer Entscheidungen<br />

möchten wir Ihnen in dieser<br />

Form unsere Meinung über die weitere Arbeit<br />

<strong>und</strong> die Perspektive unserer Sektion Traumatologie<br />

mitteilen sowie auf einige Veranstaltungen<br />

hinweisen.<br />

Die Arbeit der Sektion wird auch unter den<br />

veränderten Umständen wie bisher fortgesetzt.<br />

Der Vorstand ist Ihnen dankbar, wenn<br />

Sie auch weiterhin ihr Engagement einbrin-<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 99


gen. Wir streben im Rahmen der Vereinigung<br />

der beiden deutschen Staaten selbstverständlich<br />

auch die Vereinigung der unfallchirurgischen<br />

Organisationen an. Möglicherweise<br />

wird in der einheitlichen <strong>Gesellschaft</strong> eine<br />

gewisse Selbständigkeit der durch die heutige<br />

DDR repräsentierten Landesabschnitte<br />

verbleiben. In gleicher Weise ist vorgesehen,<br />

der Sektion Ostdeutschland der AO International<br />

innerhalb der vorgesehenen einheitlichen<br />

Sektion Deutschland ein spezifisches<br />

Gepräge zu erhalten.<br />

Die von allen Unfallchirurgen für wichtig<br />

erachteten Kontakte zur <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e haben sich in kurzer<br />

Zeit erfreulich gut entwickelt <strong>und</strong> werden<br />

auch auf dem Kongress in Leipzig ihren Niederschlag<br />

finden.<br />

Der XII. Unfallchirurgenkongress der DDR<br />

mit internationaler Beteiligung wird vom<br />

6. bis 8. November 1990 unter der wissenschaftlichen<br />

Leitung von Herrn Professor<br />

Markgraf, Jena, stattfinden. Die Programme<br />

werden rechtzeitig versandt. Da es sicherlich<br />

der letzte Kongress unserer Sektion in der<br />

herkömmlichen Form sein wird, wären wir<br />

Ihnen für eine engagierte Teilnahme sehr<br />

verb<strong>und</strong>en.<br />

Im Rahmen des Unfallchirurgenkongresses<br />

wird selbstverständlich eine Mitgliederversammlung<br />

stattfinden, zu der Ihre aktive<br />

Teilnahme erwünscht ist.<br />

Der erweiterte Vorstand der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie der DDR hat sich im Mai 1990<br />

für ein Weiterbestehen der <strong>Gesellschaft</strong> ausgesprochen,<br />

soweit noch selbständige politische<br />

Einheiten in Deutschland bestehen.<br />

Somit soll auch der Chirurgenkongress der<br />

DDR vom 11. bis 15.3.1991 in Berlin stattfinden.<br />

Die unfallchirurgische Thematik bezieht<br />

sich auf die Verletzungen des Beckens.<br />

Das für November 1991 vorgesehene IV.<br />

Symposium der Sektion DDR der AO-International<br />

soll in Weimar stattfinden <strong>und</strong> wird<br />

vorbereitet.<br />

Wir wünschen Ihnen persönlich <strong>und</strong> in<br />

Ihrer anspruchsvollen beruflichen Tätigkeit<br />

alles Gute <strong>und</strong> bauen weiter auf eine gute<br />

Zusammenarbeit."<br />

gez.:<br />

OMR Prof. Dr. K. Franke<br />

Berlin<br />

1. Vorsitzender<br />

Prof. Dr. E. Markgraf<br />

Jena<br />

2. Vorsitzender<br />

OMR Dr. K. Welz<br />

Cottbus<br />

Sekretär<br />

Abb. 3 Brief von S. Weller, Tübingen, vom 27.2.1990<br />

Entwicklungen nach der Wende<br />

Nach der Öffnung der Grenze haben die Unfallchirurgen<br />

der DDR ein uneingeschränktes<br />

Entgegenkommen der Kollegen aus der BRD<br />

<strong>und</strong> eine Vertiefung der schon bestandenen<br />

guten Beziehungen zur AOI <strong>und</strong> wichtigen<br />

Vertretern der Unfallchirurgie Österreichs<br />

<strong>und</strong> der Schweiz erlebt. E. Markgraf wurde<br />

von G. Muhr zum traditionellen „Bochum-<br />

Treff“ vom 1.–3.2.1990 eingeladen <strong>und</strong><br />

mit dem Vorsitz eines Tagungsabschnitts<br />

betraut. Am 19.3.1990 weilte J. Probst mit<br />

Gattin in Jena, um die weiteren notwendigen<br />

Schritte in der Annäherung der beiden<br />

unfallchirurgischen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

mit E. Markgraf, damals 2. Vorsitzender der<br />

Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR, zu erörtern.<br />

Vom 20.–22.3.1990 war der Präsident der<br />

AO-International U. Heim mit seiner Gattin<br />

in Jena. Mit dem Obmann elect. E. Markgraf<br />

wurden nach Abstimmung mit dem Obmann<br />

der Sektion DDR, E. Sander, Fragen<br />

der weiteren Arbeit der DDR-Sektion besprochen.<br />

Zum traditionellen AO-Kurs in Freiburg/<br />

B. vom 26.–30.3.1990 hatte der wissenschaftliche<br />

Leiter, E.H. Kuner, Direktor der<br />

Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums<br />

als Referenten <strong>und</strong> Instrukteure<br />

die Herren E. Markgraf, Jena, W. Otto, Halle<br />

<strong>und</strong> K. Welz, Cottbus, eingeladen.<br />

An der seit einigen Jahren etablierten Fortbildungsveranstaltung<br />

für Unfallchirurgen<br />

vom 8.–10.4.1990 in Gera-Kaimberg nahmen<br />

erstmals Vertreter dar Unfallchirurgen<br />

100<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Nürnbergs unter Leitung von H.W. Stedtfeld<br />

teil. Die Festveranstaltung in der Gaststätte<br />

„Wilhelmshöhe“ in Jena war ein emotionales<br />

Erlebnis der gewonnenen Gemeinsamkeit.<br />

S. Weller hat in einem Schreiben vom<br />

27.2.1990 ein großzügiges Hospitationsangebot<br />

( Abb. 3) für Unfallchirurgen der<br />

DDR gemacht.<br />

E. Markgraf hat, wie zahlreiche andere Kollegen,<br />

das Angebot dankbar wahrgenommen<br />

<strong>und</strong> vom 6.–12.5.1990 in der Berufsgenossenschaftlichen<br />

Klinik (Universitätsklinik)<br />

Tübingen hospitiert. Empfang <strong>und</strong> Aufenthalt<br />

wurde vom Klinikdirektor, S. Weller <strong>und</strong><br />

seiner Frau für den Hospitanten optimal<br />

gestaltet. Es gab viele Gelegenheiten, die<br />

Ereignisse der Zeit zu besprechen. Herzlich<br />

war der Empfang auch seitens der Oberärzte<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter der Klinik. Der gegenseitige<br />

Informationsbedarf war außerordentlich<br />

groß. Manche fre<strong>und</strong>schaftliche Beziehungen<br />

haben sich bis heute erhalten.<br />

Abb. 4 Brief von G. Hierholzer, Duisburg, vom 27.2.1990<br />

Neben anderen leitenden Unfallchirurgen<br />

der BRD hat auch G. Hierholzer seine Erwartungen<br />

in einem Schreiben vom 27.2.1990<br />

zum Ausdruck gebracht ( Abb. 4).<br />

Inzwischen hatte die Industrie für Implantate<br />

<strong>und</strong> Instrumente für die Unfallchirurgie<br />

ihre Chancen in den ostdeutschen<br />

B<strong>und</strong>esländern entdeckt. Das war für die<br />

Unfallchirurgen vorteilhaft, zumal damit<br />

auch bemerkenswerte Hilfeleistungen <strong>und</strong><br />

Unterstützungen verb<strong>und</strong>en waren. So<br />

positionierte die Firma „Synthes Bochum“,<br />

Hauptverteiler der Schweizer AO-Implantate,<br />

im Mai 1990 ihr „Infomobil“ in mehreren<br />

ostdeutschen B<strong>und</strong>esländern als sehr<br />

wertvolles Informationsangebot. Betreut<br />

wurde dieses Mobil vom Geschäftsführer J.<br />

Gühne. Die briefliche Ankündigung dieser<br />

Präsentation geht aus Abb. 5 hervor.<br />

Eine Aktennotiz vom 1. Vorsitzenden der<br />

Sektion Traumatologie, K. Franke, über die<br />

Mitgliederversammlung der <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie der DDR am 18.8.1990 in Magdeburg<br />

unter der Leitung der Vorstandsmitglieder<br />

P. Heinrich, Magdeburg, S. Kiene,<br />

Leipzig <strong>und</strong> W. Usbeck, Erfurt, enthält folgende<br />

Angaben.<br />

1. Nach Satzung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie ist ein korporativer Beitritt<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR<br />

nicht möglich, so dass nur der Erwerb von<br />

Einzelmitgliedschaften durch Chirurgen<br />

der DDR bleibt.<br />

2. Der Auflösung der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

der DDR wird von den Anwesenden<br />

mit einer Gegenstimme zugestimmt. Geschäftsschluss<br />

ist der 14.10.1990.<br />

2.1. Auf Antrag des Unterzeichnenden (in<br />

Bestätigung eines Briefes von Prof. Markgraf)<br />

wird die Tätigkeit der Sektion Traumatologie<br />

bis zum Unfallchirurgenkongress<br />

in Leipzig (6.–8.11.1990) verlängert,<br />

wo diese dann ihr Wirken einstellt.<br />

3. Dem Schatzmeister wird Entlastung erteilt.<br />

Das Vermögen der <strong>Gesellschaft</strong> wird<br />

auf die Regionalgesellschaften für Chirurgie<br />

in den Ländern der DDR aufgeteilt.<br />

4. Das Protokoll der letzten Mitgliederversammlung<br />

wird in der Medizinischen<br />

Akademie Erfurt deponiert. Die Akten der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR werden<br />

der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

zur Aufbewahrung übergeben.“<br />

Übernahme der Mitglieder Der Sektion<br />

Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

in die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e,<br />

später Unfallchirurgie<br />

Am 15. <strong>und</strong> 16. 9.1990 waren E. Markgraf<br />

<strong>und</strong> Gattin einer Einladung des Generalsekretärs<br />

der DGU J. Probst <strong>und</strong> seiner Frau<br />

nach Murnau am Staffelsee gefolgt. Die<br />

sehr persönliche Begegnung, die mit einer<br />

Besichtigung der beeindruckenden BG-Klinik<br />

begann, diente der sachlichen Erörterung<br />

aller Fragen, die mit der möglichen Zusammenführung<br />

der DGU <strong>und</strong> der Sektion<br />

Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

der DDR verb<strong>und</strong>en waren.<br />

Die spätere Übernahme der Mitglieder der<br />

Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR erfolgte ohne Ansehen<br />

der Personen oder Hinterfragung ihrer jeweiligen<br />

politischen Anamnesen durch ihre<br />

Zustimmung nach brieflicher Befragung, ob<br />

die Bereitschaft zur individuellen Übernah-<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 101


Abb. 5 Brief von J. Gühne, Bochum, vom 23.4.1990<br />

me in die DGU besteht. Als Bürgen fungierten<br />

J. Probst <strong>und</strong> seine Mitarbeiter.<br />

In einem Brief des Präsidenten A. Pannike<br />

<strong>und</strong> des Generalsekretärs J. Probst der<br />

DGU vom 4.10.1990 an den Vorsitzenden<br />

der Sektion Traumatologie der DDR wird formuliert:<br />

„Seit den denkwürdigen Novembertagen<br />

des vergangenen Jahres haben die Unfallchirurgen<br />

als erste <strong>und</strong> demonstrativ deutlich<br />

gemacht, dass die Jahrzehnte währende<br />

Trennung nicht zur gegenseitigen Entfremdung<br />

der Kollegen in Ost <strong>und</strong> West zu führen<br />

vermocht hat. Wir haben mit großer Freude<br />

gesehen, dass in diesen Monaten ungezählte<br />

Beziehungen zwischen Kollegen <strong>und</strong> Kliniken<br />

geknüpft wurden.<br />

Wenn die Sektion Traumatologie mit dem<br />

XII. Internationalen Unfallkongress vom<br />

6.–8.11.1990 in Leipzig, der Stadt, in der<br />

1922 die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />

gegründet worden ist, ihre Tätigkeit<br />

beendet, sollen die Unfallchirurgen aus<br />

den neuen B<strong>und</strong>esländern wissen, dass sie<br />

uns entsprechend ihrem frei bek<strong>und</strong>eten Antrag<br />

auf persönliche Aufnahme in die <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e als Mitglieder<br />

herzlich willkommen sind.<br />

Wie sehr wir uns mit allen diesen Kolleginnen<br />

<strong>und</strong> Kollegen verb<strong>und</strong>en fühlen, haben<br />

wir inzwischen mehrfach, nicht zuletzt<br />

auch durch die Kooption von zwei Kollegen –<br />

Prof. Dr. Schenk <strong>und</strong> Dr. Welz – als außerordentliche<br />

Mitglieder des Beirats unserer <strong>Gesellschaft</strong>,<br />

deutlich gemacht.<br />

Im Augenblick unserer staatlichen Vereinigung<br />

geht nicht nur der Wunsch der<br />

Menschen in Erfüllung, gemeinsam in einem<br />

Land zu leben, sondern es ergeben sich auch<br />

neue <strong>und</strong> in ihren Aussichten noch gar nicht<br />

abzusehende Möglichkeiten der praktischen<br />

<strong>und</strong> wissenschaftlichen Zusammenarbeit<br />

in einem wesentlich vergrößerten Kollegenkreis.<br />

Wir grüßen alle am Unfallchirurgenkongress<br />

in Leipzig teilnehmenden Kollegen mit<br />

dem vom Mitbegründer unserer <strong>Gesellschaft</strong><br />

1922 dort ausgegebenen Leitspruch: Die Zeit<br />

fordert gebieterisch gemeinsame Arbeit.“<br />

In der Folgezeit besuchten immer mehr<br />

Unfallchirurgen aus der DDR Tagungen <strong>und</strong><br />

Kurse in der BRD. Der begonnene Dialog<br />

wurde fortgesetzt <strong>und</strong> es zeigte sich eine<br />

fre<strong>und</strong>schaftliche Zuwendung von beiden<br />

Seiten. Stellvertretend möchte ich den AO-<br />

Kurs unter der Leitung von G. Hierholzer,<br />

Duisburg, G. Muhr, Bochum <strong>und</strong> P. Schmit-<br />

Neuerburg, Essen vom 26.–29.8.1990 <strong>und</strong><br />

das Münchener Innenstadtsymposium,<br />

geleitet von L. Schweiberer, München, vom<br />

10.–13.10.1990 nennen.<br />

Im Rahmen des 7. Mittelfränkischen<br />

Trauma-Colloquiums unter der Leitung von<br />

H. Beck am 3.10.1990 wurde E. Markgraf,<br />

der als Referent auftrat, von H.W. Stedtfeld<br />

in dessen Haus eingeladen, wo im Beisein<br />

zweier seiner Oberärzte die <strong>Deutsche</strong> Einheit<br />

gefeiert wurde.<br />

Vom 6.–8.11.1990 fand der XII. <strong>und</strong> letzte<br />

Unfallchirurgenkongress der Sektion Traumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der<br />

DDR in Leipzig statt. Obwohl die DDR zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht mehr existierte, wurde<br />

die Kongressbezeichnung belassen, da das<br />

Drucken der Programme bereits im August<br />

1990 stattgef<strong>und</strong>en hatte. Die Organisation<br />

des Kongresses oblag KH. Sandner, der<br />

bereits für die vorangegangenen Tagungen<br />

der Sektion verantwortlich war. Der holzgetäfelte<br />

kleine Gewandhaussaal war ein<br />

würdiger Tagungsort. In den Abb. 6/1 <strong>und</strong><br />

6/2 sind die im Programm aufgeführten<br />

Vorsitzenden <strong>und</strong> Referenten dargestellt.<br />

Nachfolgend ist der Wortlaut der Eröffnungsansprache<br />

des Präsidenten E. Markgraf<br />

wiedergegeben.<br />

„Meine sehr verehrten Damen <strong>und</strong> Herren!<br />

Ich erlaube mir, Sie auf des herzlichste in Leipzig<br />

zu begrüßen. Ich fühle eine große Genugtuung<br />

darüber, dass Sie trotz der vielen persönlichen<br />

<strong>und</strong> allgemeinen Aufgaben dieser<br />

wildbewegten Zeit unserer Einladung gefolgt<br />

sind. Ganz herzlich begrüße ich Herrn Pannike,<br />

Präsident <strong>und</strong> Herrn Probst, Generalsekretär<br />

als Repräsentanten der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e.<br />

Es ist uns eine große Freude, Gäste aus der<br />

Schweiz, aus Österreich, Ungarn, der CSFR,<br />

Jugoslawien <strong>und</strong> der Sowjetunion zu begrüßen.<br />

Stellvertretend für alle ausländischen<br />

Gäste möchte ich Herrn Heim, Präsident der<br />

AO-International, sehr willkommen heißen.<br />

Gruß <strong>und</strong> Dank gilt dem Rektor der ehrwürdigen<br />

Leipziger Universität Magnifizenz Leu-<br />

102<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 6/1 Vorsitzende <strong>und</strong> Referenten des XII. Unfallchirurgenkongresse vom 5.–8.11.1990 in Leipzig (auszugsweiser Abdruck aus dem Programm)<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 103


Abb. 6/2 Vorsitzende <strong>und</strong> Referenten des XII. Unfallchirurgenkongresse vom 5.–8.11.1990 in Leipzig (auszugsweiser Abdruck aus dem Programm)<br />

104<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


tert, der das Anliegen unseres Kongresses in<br />

großzügiger Weise unterstützt.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren!<br />

Im Herbst 1989, vor einem Jahr, begannen<br />

die ersten Vorbereitungen für diese Tagung.<br />

Rings um uns war, insbesondere in dieser<br />

Stadt, eine gespannte Atmosphäre. Die Menschen<br />

wurden, teils ängstlich, teils durch Anfangserfolge<br />

gestärkt, selbsbewusster, solidarischer<br />

<strong>und</strong> emotioneller, trotz des Gespürs<br />

der Gefahren, die mit dem Heraufbeschwören<br />

eigenen Wollens <strong>und</strong> eigener Initiative<br />

verb<strong>und</strong>en waren. Schritt für Schritt wurde<br />

das Volk zum Gestalter der historischen Szene.<br />

Alle wollten das „Alte“ überwinden, aber<br />

keiner wusste, welche Gestalt das „Neue“<br />

haben würde. Wie das aus bunten Glassteinen<br />

reflektierte Bild eines Kaleidoskops bei<br />

forcierter Bewegung zusammenfällt, um ein<br />

neues anderes Mosaik entstehen zu lassen,<br />

so haben wir in den vergangenen Monaten<br />

immer neue Situationen, neue Reflektionen,<br />

neuen Fortschritt <strong>und</strong> bei aller Freude über<br />

die erreichten geschichtlichen Tragweiten<br />

auch neue Probleme <strong>und</strong> Ängste erlebt. Alle<br />

fest geglaubten Strukturen kamen ins Wanken<br />

<strong>und</strong> wir lernten, dass das kaleidoskopische<br />

Bild Kleinkorrekturen nicht verträgt.<br />

Inzwischen ist, wie Jens Reich betont, der<br />

Überfall der Freiheit weitgehend irreversibel<br />

abgeschlossen. Der schicksalsgestaltende<br />

Umbruch hat dabei im kritiklosen Ansturm,<br />

besonders in Leipzig, auch ehrenwerte Persönlichkeiten<br />

umgerissen <strong>und</strong> es bleibt uns<br />

die Hoffnung, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt.<br />

Oft waren in den letzten Monaten die uns<br />

prägenden Gefühle wie antipodische Kräfte.<br />

Wir wussten nicht, wie nahe euphorische<br />

Wiederbegegnungsumarmungen mit der<br />

Absteckung von Machtansprüchen verwandt<br />

sein können. Ständig fühlten wir, dass das Leben<br />

immer live ist <strong>und</strong> jede Herausforderung<br />

eine Antwort verlangt. Es zeigte sich nun ein<br />

neues Selbstwertgefühl, das für Kraft <strong>und</strong><br />

Kreativität Bedingung ist.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren!<br />

Wir haben das Programm unseres Kongresses,<br />

der in der Erstjährung des neuen Aufbruchs,<br />

dessen politischen Konsequenzen <strong>und</strong> dessen<br />

neues Denken unser Leben in allen Dimensionen<br />

verändert hat <strong>und</strong> der der letzte herkömmlicher<br />

Art sein wird, mit dem Bild der<br />

Nikolaikirche in Leipzig im Programm ausgewiesen.<br />

Was sonst hätte das ungewöhnliche<br />

Drehbuch ins Leben übertragen können,<br />

wenn nicht der aus bitterer Enttäuschung<br />

entstandene hoffnungsergreifende Wille der<br />

Menschen mit dem Symbol brennender Kerzen<br />

zu einer Macht geworden wäre!<br />

In diesen St<strong>und</strong>en des Kampfes <strong>und</strong> Bangens<br />

waren wiederum, wie immer in problembelasteten<br />

Situationen, die Unfallchirurgen<br />

gefordert.<br />

Ihnen, meine Damen <strong>und</strong> Herren, den Unfallchirurginnen<br />

<strong>und</strong> Unfallchirurgen, ihren<br />

Familien <strong>und</strong> ihren Mitstreitern, die unbeirrt<br />

<strong>und</strong> mit großer Hingabe wirken <strong>und</strong> wissend,<br />

dass der Beruf derer, die Unfallchirurgie betreiben,<br />

oft nur eine reduzierte Lebensqualität<br />

hat, sei dieser Kongress gewidmet.<br />

Sie haben über Jahre <strong>und</strong> Jahrzehnte eine<br />

große Arbeit geleistet. Auch deshalb möchten<br />

wir die gelegentlich zu spürende Schuldzuweisung<br />

ablehnen, dass sich das DDR-System<br />

deshalb so lange halten konnte, weil<br />

viele Unfallchirurgen auf das Verlassen des<br />

Landes, was aber die Kündigung der Verantwortung<br />

gegenüber ihren Patienten bedeutete,<br />

verzichtet hätten.<br />

Viel freudiger ist unser Empfinden über den<br />

Wunsch Goethes, der mit dieser Stadt so eng<br />

verb<strong>und</strong>en war <strong>und</strong> 1829 schrieb:<br />

„Mir ist nicht bange, dass Deutschland<br />

nicht eins werde,<br />

vor allem sei es eins in Liebe untereinander<br />

<strong>und</strong> immer sei es eins<br />

dass der deutsche Thaler <strong>und</strong> Groschen<br />

im ganzen Reich gleichen Wert habe -<br />

eins, dass mein Reisekoffer durch alle deutschen<br />

Länder<br />

ungeöffnet passieren könnte.“<br />

Große Hilfe haben wir in den vergangenen<br />

Monaten durch viele Fre<strong>und</strong>e erfahren. Ihr<br />

Rat, ihre konkrete Hilfe, ihr mitfühlender<br />

<strong>und</strong> mitgestalteter Beistand haben uns sehr<br />

geholfen. Vielen Unfallchirurgen unseres<br />

Landesabschnittes wurde inzwischen die<br />

Möglichkeit zu Hospitationen geboten, die<br />

sie dankbar nutzten, um bestehende Defizite<br />

kraftvoll <strong>und</strong> in kurzer Zeit ausgleichen zu<br />

können.<br />

Dank sei auch den Firmen gesagt, die unseren<br />

Kongress mit ihren Expositionen bereichern<br />

<strong>und</strong> darüber hinaus mit großem Entgegenkommen<br />

aufwarten.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren!<br />

Die Geometrie <strong>und</strong> schlichte Eleganz dieses<br />

historischen Raumes, Ernst <strong>und</strong> Freude dieser<br />

St<strong>und</strong>e, die Anwesenheit von Gästen aus<br />

vielen Ländern <strong>und</strong> der ausgeprägte Sinn von<br />

Unfallchirurgen zum Zusammenhalt geben<br />

der Eröffnung unseres Kongresses ihr Gepräge<br />

<strong>und</strong> das Gefühl großer Freude <strong>und</strong> Dankbarkeit.<br />

Seien Sie noch einmal herzlich willkommen<br />

geheißen, <strong>und</strong> es möge Ihnen vergönnt<br />

sein, die ungewöhnliche Dimension der Stadt<br />

Leipzig zu erleben, sich bleibender menschlicher<br />

Begegnungen zu erfreuen <strong>und</strong> sie mit<br />

fruchtbaren Erfahrungen der wissenschaftlichen<br />

Debatten zu verbinden. Der XII. Unfallchirurgenkongress<br />

in Leipzig ist eröffnet.“<br />

An der 54. Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e unter der<br />

Präsidentschaft von A. Pannicke, die vom<br />

28.11.–1.12.1990 in Berlin stattfand, nahmen<br />

zahlreiche Vertreter der ehemaligen<br />

Sektion Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR teil, wobei einige als Vortragende<br />

tätig oder mit dem Vorsitz von Tagungsabschnitten<br />

betraut wurden.<br />

Die Stimmung der ostdeutschen Unfallchirurgen<br />

war betont ambivalent. Einerseits<br />

war die Freude über die Überwindung des<br />

erstarrten DDR-Regimes <strong>und</strong> die nun uneingeschränkten<br />

Kontakte mit den Kollegen<br />

der BRD groß, andererseits waren die Ängste<br />

über die Zukunft des DDR-Ärztestandes<br />

real vorhanden.<br />

Übernahme der Mitglieder der Sektion<br />

DDR der AOI in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />

Am 21.9.1990 fand in Berlin die letzte Sitzung<br />

der Sektion DDR der AO-I statt. E.<br />

Markgraf wurde zu diesem Anlass als Nachfolger<br />

von E. Sander zum Obmann der Sektion<br />

gewählt.<br />

Am 24.9.1990 hat E. Markgraf als Obmann<br />

der Sektion DDR der AO-International einen<br />

Brief an den Obmann der <strong>Deutsche</strong>n Sektion<br />

der AO-International, Prof. Dr. Dr. h.c. S.<br />

Weller mit folgendem Inhalt geschrieben:<br />

„Sehr verehrter Herr Vorsitzender, lieber Herr<br />

Weller!<br />

Ich erlaube mir, Sie über den Verlauf <strong>und</strong> das<br />

Ergebnis der letzten Mitgliederversammlung<br />

der Sektion DDR der AO-International am<br />

21.9.1990 in Berlin zu informieren. Gleichzeitig<br />

möchte ich Ihnen unsere auf der Sitzung<br />

formulierten Vorstellungen über die<br />

weitere Entwicklung zur Kenntnis bringen.<br />

Die Mitglieder der Sektion DDR haben mich<br />

für die Übergangsphase als Nachfolger von<br />

Herrn Prof. Sander in demokratischer Abstimmung<br />

als Obmann gewählt <strong>und</strong> mich für<br />

Absprachen über die künftige Entwicklung in<br />

Deutschland mit Ihnen autorisiert. Nach der<br />

Vereinigung Deutschlands sollte <strong>und</strong> kann es<br />

aus der Sicht der Mitglieder der bisherigen<br />

Sektion DDR nur noch eine Sektion Deutschland<br />

der AO-International geben. In dieser<br />

einheitlichen Sektion sollte die Arbeit nach<br />

Gebieten von den dort tätigen Mitgliedern<br />

der Sektion organisiert werden. Diese Gebiete<br />

könnten neben den schon vorhandenen<br />

Strukturen Nordwestdeutschland <strong>und</strong> Süddeutschland<br />

künftig durch Ostdeutschland<br />

ergänzt werden.<br />

Der Anspruch auf die Übernahme der bisherigen<br />

Sektion DDR in die gesamtdeutsche<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 105


<strong>und</strong> das Weiterwirken einiger ihrer Repräsentanten<br />

in der künftigen einheitlichen Sektion<br />

Deutschland ergibt sich nach unseren Vorstellungen<br />

daraus, dass die Sektion DDR ein<br />

eigenständiges Mitglied der AO-International<br />

gewesen ist. Es wurde in der Vergangenheit<br />

entsprechend der Satzung der Sektion DDR<br />

<strong>und</strong> den Empfehlungen der AO-International<br />

eine umfangreiche Arbeit geleistet.<br />

Wir gehen auch davon aus, dass die zu<br />

lösenden Probleme <strong>und</strong> die inhaltliche Zielstellung<br />

der AO-International im Gebiet<br />

Ostdeutschland einen gewissen besonderen<br />

Charakter, zumindest in den nächsten Jahren,<br />

haben wird.<br />

So möchten wir das für den Herbst 1991<br />

geplante IV. AO-Symposium in Weimar<br />

durchführen <strong>und</strong> auch bei der Ausrichtung<br />

von AO-Kursen weiter aktiv bleiben.<br />

Ich wäre Ihnen sehr verb<strong>und</strong>en, wenn Sie<br />

sich zu unseren Vorstellungen äußern würden.<br />

Zu einer persönlichen Aussprache, die<br />

Sie bereits in Kiel in Aussicht gestellt haben,<br />

bin ich zusammen mit anderen Mitgliedern<br />

unserer Sektion selbstverständlich jederzeit<br />

bereit.<br />

Mit vorzüglicher Hochachtung <strong>und</strong><br />

herzlichen Grüßen<br />

Ihr Eberhard Markgraf“<br />

Am 16.11.1990 trafen sich in der BG-Klinik<br />

in Tübingen der Vorstand der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Sektion der AO mit ihrem Obmann S. Weller<br />

mit E. Markgraf, Obmann, S. Grafe <strong>und</strong> K.<br />

Welz als Vertreter der Sektion DDR der AOI.<br />

An der Beratung nahmen auch G. Hierholzer,<br />

A. Pannike, <strong>und</strong> O. Oest teil.<br />

Nachdem zunächst unterschiedliche<br />

Standpunkte dargelegt wurden, konnte später<br />

Einigkeit darüber erzielt werden, dass es<br />

nicht sinnvoll wäre, 2 Sektionen in Deutschland<br />

bestehen zu lassen. Der Vorschlag der<br />

Übernahme der Mitglieder der Sektion DDR<br />

in die <strong>Deutsche</strong> Sektion, gleichberechtigt<br />

ohne Ausgrenzung Einzelner wurde von allen<br />

als faire <strong>und</strong> moderate Lösung empf<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> beschlossen.<br />

Für die Übernahme wurde ein späterer<br />

Termin in Aussicht gestellt. Die Verhandlungspartner<br />

der Sektion DDR wurden in<br />

den Beirat der <strong>Deutsche</strong>n Sektion kooptiert.<br />

Am 5.10.1991 erfolgte in Berlin die Aufnahme<br />

der Mitglieder der Sektion DDR der<br />

AOI in die nunmehr gemeinsame <strong>Deutsche</strong><br />

Sektion. Die Abb. 7 zeigt die gute Stimmung<br />

von drei Teilnehmern zu diesem Anlass.<br />

Ebenso wurden ostdeutsche Unfallchirurgen<br />

als aktive Mitgestalter des AO-Kurses in<br />

Davos vom 8.–14.12.1990 eingeladen.<br />

Abb. 7 Während der Aufnahme der Mitglieder der ehemaligen Sektion DDR in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />

der AOI am 5.10.1991. Von links: U. Heim, Davos, W. Senst, Frankfurt/Oder, E. Markgraf, Jena.<br />

Aus: Privatarchiv E. Markgraf<br />

Abb. 8 Die Vorsitzenden eines Tagungsabschnittes des IV. Ostdeutschen AO-Symposiums. Von links:<br />

G. Muhr, Bochum, E. Markgraf, Jena, S. Weller, Tübingen <strong>und</strong> St. Perren, Davos. Aus: Privatarchiv E.<br />

Markgraf<br />

Vom 31.5.–1.6.1991 fand in München die<br />

Jahrestagung der <strong>Deutsche</strong>n Sektion der<br />

AOI statt. Auf der Mitgliederversammlung<br />

wurde das am 16.11.1990 in Tübingen ausgehandelte<br />

Vorgehen von den Mitgliedern<br />

akzeptiert.<br />

Vom 9.–11.10.1991 fand in Weimar das IV.<br />

Ostdeutschen AO-Symposium statt <strong>und</strong><br />

vereinigte wieder eine große Zahl von Unfallchirurgen<br />

<strong>und</strong> Orthopäden aus dem In<strong>und</strong><br />

Ausland.<br />

Der wissenschaftliche Leiter des Symposiums,<br />

E. Markgraf, betonte bei der feierlichen<br />

Eröffnung des Symposiums am 9.10.1991<br />

im Schloss Weimar (auszugsweise):<br />

„Meine sehr verehrten Damen <strong>und</strong> Herren!<br />

Sehr herzlich begrüße ich Sie zum AO-Symposium<br />

in Weimar. Nachdem in der 15-jährigern<br />

Geschichte unserer eigenen Sektion<br />

Symposien 1979 in Cottbus, 1983 in Potsdam<br />

uns 1987 in Eisenach stattfanden, freue<br />

ich mich sehr, Sie in Weimar, der Stadt der<br />

großen Kontraste <strong>und</strong> einer weitreichenden<br />

Bedeutung begrüßen zu können.<br />

In der vergangenen Woche wurde zu unserer<br />

Freude den Mitgliedern der ehemaligen<br />

Sektion DDR der AO-International in feierlicher<br />

Form <strong>und</strong> nach absolut akzeptablen<br />

Verhandlungen die Aufnahme in die <strong>Deutsche</strong><br />

Sektion ermöglicht.<br />

Somit haben wir in der <strong>Deutsche</strong>n Sektion<br />

reichlich Gelegenheit zur weiteren Betäti-<br />

106<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Abb. 9 Vorsitzende <strong>und</strong> Referenten des IV. Ostdeutschen AO-Symposium (auszugsweiser Abdruck aus dem Programm)<br />

gung unter dem Dach der AO-International,<br />

die wohl zu den überzeugendsten Gemeinschaftswerken<br />

der Wissenschaftsgeschichte<br />

<strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge gehört <strong>und</strong><br />

deren Philosophie uns begeistert <strong>und</strong> zusammenführt.<br />

Wir haben nach Weimar gebeten, der<br />

Stadt „der Weimarer Republik“, als Stätte<br />

bedeutender nationaler aber auch kultureller<br />

Traditionen. Im Konversationslexikon von<br />

Knauer (1934) wird Weimar als die Hauptstadt<br />

Thüringens, an der Ilm gelegen, mit<br />

einer Einwohnerzahl von 51.700 ausgewiesen<br />

<strong>und</strong> namentlich Schloss, Friedhof mit der<br />

Fürstengruft <strong>und</strong> Goethe-Nationalmuseum<br />

erwähnt.<br />

Weimar ist auch die Stadt bedeutender<br />

Gelehrter <strong>und</strong> Künstler, der Architektur <strong>und</strong><br />

Industrie <strong>und</strong> konträr zu ihrer hohen kulturellen<br />

<strong>und</strong> humanistischen Tradition leider<br />

auch die Stadt, in deren Schatten Buchenwald<br />

auf dem Ettersberg liegt.<br />

Das IV. AO-Symposium ist die erste Veranstaltung<br />

in den neuen B<strong>und</strong>esländern unter<br />

der Schirmherrschaft der einheitlichen <strong>Deutsche</strong>n<br />

Sektion <strong>und</strong> wird, nicht zuletzt durch<br />

die zahlreiche Teilnahme bedeutender Vertreter<br />

des Unfallchirurgie aus dem In- <strong>und</strong><br />

Ausland, an der Schaffung <strong>und</strong> Vertiefung<br />

menschlicher Begegnungen zu messen sein.“<br />

Die Abb. 8 zeigt die Vorsitzenden eines Tagungsabschnittes.<br />

In der Abb. 9 sind die<br />

Vorsitzenden <strong>und</strong> Referenten dieses Symposiums<br />

aufgeführt.<br />

Ereignisse nach der Wende<br />

Die Zeit nach der Wende, insbesondere die<br />

Jahre 1990 <strong>und</strong> 1991 brachten für die Bürger<br />

der ehemaligen DDR, so auch für die<br />

ostdeutschen Ärzte teilweise unfassbare Erkenntnisse.<br />

Dazu gehörten die verhängnisvolle<br />

Tätigkeit der Staatssicherheit <strong>und</strong> die<br />

Verstrickungen von Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzten<br />

mit dem Ministerium für Staatssicherheit<br />

[3,4]. Viele andere Missstände wurden jetzt<br />

offiziell bekannt.<br />

Es vollzogen sich für die Ärzte tiefgreifende<br />

Veränderungen im Personalwesen, in der<br />

ärztlichen Tätigkeit <strong>und</strong> den Krankenhaus<strong>und</strong><br />

Verwaltungsstrukturen.<br />

An den Hochschulen wurden Evaluationskommissionen<br />

gebildet, die über die<br />

Weiterbeschäftigung leitender Ärzte <strong>und</strong><br />

Hochschullehrer befinden mussten. Lagen<br />

keine politisch motivierten Gründe für die<br />

Beendigung einer Weiterbeschäftigung vor,<br />

mussten sich die Hochschullehrer offiziell<br />

schriftlich bewerben <strong>und</strong> wurden von je<br />

zwei Ordinarien der BRD begutachtet.<br />

Für die ärztliche Tätigkeit ergab sich der<br />

erfreuliche Aspekt, dass durch die BRD eine<br />

Modernisierung der Krankenhaustechnik,<br />

eine zugängliche Ausrüstung mit Instrumenten<br />

<strong>und</strong> Implantaten erfolgte. Der Ansturm<br />

von Firmenvertretern erschwerte die<br />

Auswahl.<br />

Von besonderer Bedeutung waren die<br />

Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

mit flächendeckender Etablierung<br />

von Durchgangsärzten <strong>und</strong> die Einführung<br />

des Verletzungsarten-Verfahrens, was aus<br />

dem Beitrag von K. Welz [5] ersichtlich<br />

wird. Dazu war die Erfüllung bestimmter<br />

Auflagen durch die jeweiligen Landesverbände,<br />

die für den Aufbau des Systems in<br />

den neuen B<strong>und</strong>esländern eine Patenschaft<br />

übernahmen, notwendig. Die relativ zügige<br />

Durchsetzung der berufsgenossenschaftlichen<br />

Unfallbehandlung muss als organisatorische<br />

Meisterleistung bezeichnet werden<br />

[5]. Neben der unmittelbaren Betreuung in<br />

den Kliniken mit Übergabe von Ordnern, die<br />

alle notwendigen Informationen <strong>und</strong> Vor-<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 107


drucke enthielten, wurden Exemplare der<br />

Broschüre „Die Berufsgenossenschaften,<br />

was sie wurden, was sie sind, was sie leisten“<br />

übergeben, wodurch auch Informationen<br />

an die Verletzten möglich waren. Zahlreiche<br />

Fortbildungen wurden durchgeführt.<br />

Vom 21.–22.9.1990 fand im Hotel Steigenberger<br />

in Berlin eine zentrale Informationsveranstaltung<br />

statt.<br />

Die Themen der sehr gut besuchten Tagung<br />

waren u. a.<br />

– Die Stellung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in der Sozialversicherung,<br />

– die Leistungen der Unfallversicherung <strong>und</strong><br />

deren Berichterstattung im Durchgangsarzt-Verfahren,<br />

– Aufgaben der Berufsgenossenschaften bei<br />

der Heilbehandlung <strong>und</strong> Begutachtung<br />

für die gesetzliche Unfallversicherung.<br />

J. Probst referierte über „Durchgangsarzt<strong>und</strong><br />

Verletzungsarten-Verfahren in der berufsgenossenschaftlichen<br />

Heilbehandlung“.<br />

Weitere Informationsveranstaltungen organisierten<br />

die jeweiligen Landesverbände in<br />

ihrem Zuständigkeitsbereich. So wurde eine<br />

solche Veranstaltung am 21.2.1991 im Hörsaal<br />

der Chirurgischen Klinik der Friedrich-<br />

Schiller-Universität durchgeführt.<br />

Ein weiterer wichtiger Schritt war der Aufbau<br />

der ärztlichen Selbstverwaltung in den<br />

neuen B<strong>und</strong>esländern, da sich erhebliche<br />

Veränderungen in der Organisation des<br />

Ges<strong>und</strong>heitssystems ergaben. Während<br />

zum Stichtag des 31.12.1989 von den ambulant<br />

tätigen Ärzten der DDR noch 62 %<br />

in Polikliniken, 18 % in Ambulatorien, 11%<br />

in sonstigen Einrichtungen, 7 % in Staatspraxen<br />

<strong>und</strong> nur 2 % in Niederlassungen<br />

tätig gewesen sind, waren am 31.12.1994<br />

97 % niedergelassen <strong>und</strong> nur noch 3 % in<br />

Einrichtungen nach & 3112 SGB V tätig [2].<br />

Allein diese Zahlen verdeutlichen die gewaltigen<br />

Umbrüche im Ges<strong>und</strong>heitssystem der<br />

Wendezeit. Der letzte Ges<strong>und</strong>heitsminister<br />

der DDR vor der Wiedervereinigung, J. Kleditzsch,<br />

sah nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Nach dem Einigungsvertrag<br />

hätten sich die Ereignisse überschlagen.<br />

Qualifiziertes Personal im Ministerium gab<br />

es kaum. Nach Angaben von Kleditzsch<br />

wurden „Gesetze am Abend vorbereitet <strong>und</strong><br />

am nächsten Morgen verabschiedet.“ Auf<br />

dem 93. <strong>Deutsche</strong>n Ärztetag im Mai 1990<br />

in Würzburg wurde der Wunsch nach einer<br />

Veränderung des Ges<strong>und</strong>heitssystems in<br />

ganz Deutschland angesprochen, dem aber<br />

nicht entsprochen wurde. [2].<br />

Die Wende hat bei den überwältigenden<br />

großen Fortschritten <strong>und</strong> der endlich errungenen<br />

Freiheit der Bürger der DDR auch<br />

zu einigen schmerzlichen Veränderungen<br />

geführt. Zu diesen gehört das Schicksal des<br />

Johann Ambrosius Barth Verlags in Leipzig.<br />

Dieser Verlag, der auch die Zeitschrift<br />

„Zentralblatt für Chirurgie“ verlegt hat, war<br />

eines der wichtigsten Publikationsorgane<br />

für Chirurgen <strong>und</strong> Unfallchirurgen. In einem<br />

offenen Brief vom 5.11.1990 an die Teilnehmer<br />

des XII. Unfallchirurgenkongresses der<br />

DDR schrieb der damalige Cheflektor Bläske<br />

auszugsweise: „Wir freuen uns, allen Kongressteilnehmern<br />

mitteilen zu können, dass<br />

unser 210-jähriger Verlag nach schweren<br />

Jahren <strong>und</strong> einer Zwangsehe mit anderen<br />

Häusern wieder ein selbständiges Unternehmen<br />

mit obiger Bezeichnung ist. Auch auf<br />

unseren traditionellen Gebieten Chirurgie<br />

einschließlich Traumatologie können wir nun<br />

wieder in hoher Qualität <strong>und</strong> kürzester Zeit<br />

produzieren.“<br />

1990 hatte sich der Barth Verlag prinzipiell<br />

bereit erklärt, die Veröffentlichung<br />

eines umfangreichen Fachbuchs „Unfallchirurgie“,<br />

dessen Veröffentlichung beim Verlag<br />

Volk <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in Berlin gescheitert<br />

war (siehe Seiten 41–42), zu übernehmen.<br />

Zu dieser Veröffentlichung ist es nicht<br />

gekommen.<br />

Im März 1991 haben die Herren Hüthig<br />

<strong>und</strong> Dr. Windsheimer von der Verlagsgemeinschaft<br />

Hüthig Decker & Müller GmbH<br />

in einem persönlichen Brief an Prof. Markgraf<br />

geschrieben (Auszug):<br />

„Johann Ambrosius Barth Verlag, Leipzig <strong>und</strong><br />

Heidelberg<br />

Sehr geehrter Herr Professor Markgraf,<br />

die Treuhandanstalt in Berlin hat dieser Tage<br />

ein Dokument unterzeichnet, das uns – nun<br />

endlich doch – zum alleinigen <strong>Gesellschaft</strong>er<br />

des Johann Ambrosius Barth Verlages macht.<br />

Um diese Entscheidung ist lange gerungen<br />

worden, <strong>und</strong> uns allen wäre es lieb gewesen,<br />

sie wäre früher gekommen. Denn die Ungewissheit,<br />

unter der nicht nur die Mitarbeiter<br />

des Verlages, sondern auch seine Herausgeber<br />

<strong>und</strong> Autoren zu leiden hatten, hinterlässt<br />

Spuren <strong>und</strong> ist der Entwicklung des Verlages<br />

nicht förderlich gewesen.<br />

Umso mehr beeilen wir uns jetzt, Ihnen<br />

die Botschaft zu überbringen. Wir bitten Sie,<br />

dem Johann Ambrosius Barth Verlag Ihr Vertrauen<br />

zu bewahren <strong>und</strong> ihn in eine neue Ära<br />

verlegerischen Schaffens zu begleiten. Als der<br />

neue <strong>Gesellschaft</strong>er sind wir aufgefordert,<br />

den Standort des Verlages zu bestimmen <strong>und</strong><br />

ihm im Umfeld der großen <strong>und</strong> glänzenden<br />

Institutionen des wissenschaftlichen Literaturbetriebes<br />

seinen Platz zu sichern.“<br />

Am 3.12.1991 schrieb Cheflektor Bläske an<br />

Prof. Markgraf auszugsweise u. a.: „Heute<br />

möchte ich Ihnen nur mitteilen, dass im<br />

Zusammenhang mit der in Jena angedeuteten<br />

Neustrukturierung unseres Hauses im<br />

Verb<strong>und</strong> der Hüthig Verlagsgruppe Frau H.<br />

Zscherp das Fachgebiet Chirurgie weiterführt,<br />

ich befasse mich mit Innerer Medizin<br />

<strong>und</strong> anderen nichtchirurgischen Gebieten.<br />

Das Leipziger Cheflektorat wurde durch eine<br />

Bereichsleitung Medizin mit Sitz in Heidelberg<br />

ersetzt. Ich danke Ihnen bei dieser Gelegenheit<br />

für die sehr guten persönlichen<br />

Kontakte in der Zusammenarbeit der vergangenen<br />

Jahre, <strong>und</strong> ich bitte Sie, in diesem<br />

Sinne die Herren Prof. Senst <strong>und</strong> Prof. Muhr<br />

ganz herzlich von mir zu grüßen.“<br />

Die langjährige Lektorin des Verlages,<br />

Frau Zscherp, hat mir in einer persönlichen<br />

schriftlichen Mitteilung mit dem Zuspruch<br />

des Rechts der Veröffentlichung 2008 die<br />

weitere Geschichte des Verlags mitgeteilt.<br />

„Ab Juli 1990 gehörte der Johann Ambro sius<br />

Barth Verlag zur Hüthig-Verlagsgruppe in<br />

Heidelberg. Das Verlagsgebäude in der Salomonstr.<br />

wurde verkauft, das Verlagsarchiv<br />

nach Heidelberg ausgelagert. Fünf Mitarbeiter<br />

führten die Verlagsgeschäfte in neuen<br />

Büroräumen weiter. Schwerpunkte der<br />

Verlagsarbeit waren die Weiterführung der<br />

verbliebenen Zeitschriften (Zentralblatt für<br />

Chirurgie, Zentralblatt für Neurochirurgie,<br />

Zentralblatt für Kinderchirurgie, Zentralblatt<br />

für Gynäkologie, Endokrinologie) <strong>und</strong> die Herausgabe<br />

u. a. der chirurgischen Literatur.<br />

1999 trennte sich der Hüthig-Verlag vom<br />

Johann Ambrosius Barth Verlag. Der Georg<br />

Thieme Verlag Stuttgart übernahm den Johann<br />

Ambrosius Barth Verlag <strong>und</strong> schloss<br />

das Büro in Leipzig. Trotz Intervention der<br />

Mitarbeiter, vieler Autoren des Verlages <strong>und</strong><br />

des damaligen Oberbürgermeisters der Stadt<br />

Leipzig gab es für den bekannten Leipziger<br />

Verlag kein Überleben an seinem Gründungsort.“<br />

Literatur<br />

1. Bahrmann H, Links C. Am Ziel vorbei. Die deutsche<br />

Einheit – Eine Zwischenbilanz. Berlin: Ch. Links<br />

Verlag; 2005<br />

2. Merten M, Gerst T. Wende im DDR-Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

1989/1990: Vom Westen viel Neues.<br />

<strong>Deutsche</strong>s Ärzteblatt 2006; 103:36, C-1916–21<br />

3. Richter-Kuhlmann E. Die meisten IM-Ärzte bespitzelten<br />

Kollegen. <strong>Deutsche</strong>s Ärzteblatt 2007;<br />

104:48, C-2806<br />

4. Thom A. Das Entscheidungsjahr 1989 - die ersten<br />

Auswirkungen der politischen Wandlungen in der<br />

DDR am Bereich Medizin. In: Kästner I, Thom A.<br />

575 Jahre Medizinische Fakultät der Universität<br />

Leipzig. Leipzig: J.A. Barth Verlag; 1990, S. 287–91<br />

5. Welz K. Der Aufbau der Gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in den östlichen B<strong>und</strong>esländern. Langenbecks<br />

Arch Chir Suppl (Kongressbericht) 1995:<br />

685–91<br />

Prof. Dr. med. E. Markgraf<br />

Gillestr. 5<br />

07743 Jena<br />

108<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Einführung <strong>und</strong> Aufbau der<br />

gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />

K. Welz<br />

Gesetzliche Unfallversicherung <strong>und</strong> berufsgenossenschaftliche<br />

Heilbehandlung<br />

können in historischer Rückschau auch im<br />

östlichen Deutschland durchaus auf Tradition<br />

setzen. Bereits um die vorige Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />

hat Prof. Dr. Carl Thiem (Cottbus)<br />

bis zu seinem Tode 1917 mit größtem Elan<br />

nicht nur die Belange der Unfallchirurgie,<br />

sondern gerade auch jene des berufsgenossenschaftlichen<br />

Heilverfahrens im damaligen<br />

Deutschland vertreten. Besonderen<br />

Respekt verdienten Thiems Thesen <strong>und</strong><br />

kritischen Beiträge zu der Problematik „13-<br />

wöchige Karenzzeit für Arbeitsunfallverletzte“,<br />

auf der vor allem gewerbliche <strong>und</strong> landwirtschaftliche<br />

Berufsgenossenschaften in<br />

damaliger Zeit bestanden, ehe Leistungen<br />

in der Heilbehandlung beansprucht werden<br />

durften. Schließlich argumentierte Thiem<br />

leidenschaftlich gegen damalige Auflagen,<br />

die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung<br />

nach Knochenbrüchen nicht wie festgelegt<br />

mit der knöchernen Konsolidierung,<br />

sondern erst mit Wiederherstellung der<br />

Funktion betroffener Gliedmaßen oder anderer<br />

Körperabschnitte zu beenden, - eine<br />

Forderung die uns heute selbstverständlich<br />

erscheint.<br />

Die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in den neuen B<strong>und</strong>esländern ab<br />

1.01.1991 bedeutete also nichts gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

Neues. Es galt für einen bestimmten<br />

Kreis von Unfallchirurgen eine Aufgabe zu<br />

übernehmen, die zuvor vom bisherigen Sozialversicherungsträger<br />

in der DDR wahrgenommen<br />

wurde, wenn auch unter anderen<br />

Vorzeichen.<br />

Die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

zum 1.01.1991 mit flächendeckender<br />

Bestellung von Durchgangsärzten<br />

<strong>und</strong> der Etablierung des Verletzungsartenverfahrens<br />

stellte die Unfallchirurgen der<br />

ehemaligen DDR somit doch vor eine neue<br />

Herausforderung.<br />

Dazu erforderliche Maßnahmen stützten<br />

sich auf die bereits im Mai 1990 mit Art.<br />

23 des Staatsvertrages <strong>und</strong> am 31. August<br />

1990 mit dem Einigungsvertrag festgeschriebene<br />

Angleichung der Sozialversicherungssysteme<br />

in den ostdeutschen Ländern<br />

zum 1.01.1991. Zu diesem Zeitpunkt war<br />

es unübersehbar, dass ein solches Unterfangen<br />

als schwierige Aufgabe vor Verwaltungsorganen<br />

der neuen B<strong>und</strong>esländer <strong>und</strong><br />

den dafür zuständigen ärztlichen Kollegen<br />

im Osten <strong>und</strong> Westen stand. Für zahlreiche<br />

Unfallchirurgen der westlichen Landesteile<br />

galt es, das organisatorische Bemühen der<br />

Verwaltungen der gesetzlichen Unfallversi<br />

cherungen zu fördern <strong>und</strong> durch theoretisches<br />

Unterweisen <strong>und</strong> praktisches Anweisen<br />

langjährig gewonnene Erfahrungen<br />

in den Aufbau des Systems in den östlichen<br />

Regionen einzubringen. Vor Unfallchirurgen<br />

der fünf neuen Länder stand infolge der<br />

Kürze der Vorbereitungszeit die dringliche<br />

Aufgabe, sich über Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Richtlinien<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

<strong>und</strong> über ein umfangreiches Regelwerk an<br />

Leitnummern zu informieren, um ein Rüstzeug<br />

für die Praxis zu gewinnen. Auch stand<br />

fest, dass die Organisation der BG Heilbehandlung<br />

als qualitätsförderndes Anliegen<br />

nur im Zusammenwirken von Verwaltungsorganen<br />

<strong>und</strong> Ärzten bewältigt werden<br />

konnte.<br />

Der nur kurz bemessene Aktionsraum zwischen<br />

Gesetzesvorlage im Mai 1990 <strong>und</strong><br />

praktischer Realisierung zum 1.01.1991<br />

spiegelte ein allseitig engagiertes Bemühen<br />

der beteiligten Partner aus allen Ländern<br />

wider. Einige Stationen der Vorbereitung<br />

verdienen besondere Erwähnung:<br />

– Im Juni 1990 fand in engen Gesprächsr<strong>und</strong>en,<br />

initiiert durch Probst, J. (Murnau)<br />

<strong>und</strong> Hierholzer, G. (Duisburg) ein erster<br />

Informationsaustausch, eine Bestandsaufnahme<br />

<strong>und</strong> die Sondierung von Möglichkeiten<br />

zur Realisierung eines Systems<br />

der medizinischen Versorgung Arbeitsunfallverletzter<br />

statt.<br />

– Die am 21.08.1990 anberaumte Vertiefung<br />

des Gedankenaustausches in der BG<br />

Unfallklinik Frankfurt/Main vereinte Vertreter<br />

des Hauptverbandes, Geschäftsführer<br />

von Landesverbänden, Beratende Ärzte<br />

<strong>und</strong> eingeladene Unfallchirurgen aus den<br />

östlichen Ländern.<br />

– Im Ergebnis von Sachverständigengesprächen<br />

zeichnete sich die Notwendigkeit<br />

gezielter Informationsr<strong>und</strong>en ab. Am<br />

21. <strong>und</strong> 22.09.1990 trafen sich im Hotel<br />

„Steigenberger“ in Berlin 120 Unfallchirurgen<br />

der östlichen Länder. Diese potentiellen<br />

Träger der zu erwartenden Aufgaben<br />

nahmen die gebotenen Informationen<br />

namhafter Referenten <strong>und</strong> Kenner<br />

der Materie in der Gewissheit entgegen,<br />

einer aufwendigen <strong>und</strong> verantwortungsvollen,<br />

aber auch erfolgversprechenden<br />

Tätigkeit entgegen zu sehen. Die Themen<br />

der sehr gut besuchten Tagung waren<br />

u. a. die Stellung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in der Sozialversicherung,<br />

Leistungen der Unfallversicherungen <strong>und</strong><br />

deren Feststellung, Berichterstatttung<br />

im Durchgangsarztverfahren, Aufgaben<br />

der Berufsgenossenschaften bei der Heilbehandlung<br />

<strong>und</strong> Begutachtung für die<br />

gesetzliche Unfallversicherung. J. Probst<br />

referierte über Durchgangsarzt- <strong>und</strong> Verletzungsartenverfahren<br />

in der berufsgenossenschaftlichen<br />

Heilbehandlung.<br />

Weitere Informationsveranstaltungen organisierten<br />

die jeweiligen Landesverbände in<br />

ihren Zuständigkeitsbereichen.<br />

– Nach Verwirklichung der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Einheit am 3. Oktober 1990 aktivierten<br />

einige Landesverbände der Berufsgenossenschaften<br />

die organisatorischen Vorbereitungen.<br />

Die zunächst in Aussicht<br />

genommene Gründung eines Landesverbandes<br />

„Ost“ wurde bald wieder verworfen.<br />

– Das Konzept, die Verwaltungsträgerschaft<br />

durch bestimmte westdeutsche Landesverbände<br />

für die beginnende berufsgenossenschaftliche<br />

Arbeit in den aus 16<br />

Bezirken reorganisierten Landesstrukturen<br />

der 5 neuen B<strong>und</strong>esländer zu übernehmen,<br />

muss rückwirkend als erfolgversprechende<br />

Strategie zur Lösung des<br />

anstehenden Gesetzesauftrages gesehen<br />

werden. Berlin-Brandenburg-Mecklenburg-Vorpommern<br />

entstand als neuer LV,<br />

Sachsen-Anhalt übernahm der LV Nordwestdeutschland,<br />

Thüringen kam zum<br />

bisherigen LV Hessen-Mittelrhein, der LV<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 109


Bayern titelte seither als LV Bayern <strong>und</strong><br />

Sachsen. Die festgelegten Zuständigkeiten<br />

haben sich bis in die Gegenwart bewährt.<br />

– Für die Realisierung der Schwerpunktaufgaben:<br />

• Bestellung von D-Ärzten,<br />

• Zulassung von VAV-Krankenhäusern,<br />

• Sicherstellung kompetenter<br />

Begutachtung von Unfallfolgen<br />

seien die wichtigsten Vorbereitungen<br />

schlagwortartig genannt:<br />

1. Erfassung qualifizierter Unfallchirurgen,<br />

2. Bestandaufnahme leistungsfähiger<br />

Einrichtungen,<br />

3. Prüfung von Antragstellungen auf<br />

Bestellung bzw. Zulassung,<br />

4. Bestätigungsverfahren.<br />

Dieser Maßnahmenkatalog gibt zu zwei<br />

Feststellungen Anlaß:<br />

– Der Aufbau des BG-Heilverfahrens hieß<br />

für die tätige Chirurgengeneration der<br />

ehemaligen DDR Betreten von Neuland.<br />

Institutionelle Vorleistungen gab es nicht.<br />

– Der Stand der Entwicklung der Unfallchirurgie<br />

zum 03.10.1990 bedeutete dagegen<br />

bei Weitem keinen Nullanfang. Als<br />

Gr<strong>und</strong>lagen eines leistungsfähigen Systems<br />

erwiesen sich:<br />

1. Die ehemaligen Bezirke Ostdeutschlands<br />

verfügten über gegliederte Betreuungsstrukturen<br />

in der stationären Behandlung<br />

Verletzter. Unterschieden wurde<br />

nach:<br />

• Einrichtungen mit Schwerpunktfunk tion<br />

<strong>und</strong><br />

• Einrichtungen zur Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Regelversorgung.<br />

Zu den Einrichtungen mit Schwerpunktaufgaben<br />

in der Unfallchirurgie zählten:<br />

- Hochschulkliniken,<br />

- Kliniken <strong>und</strong> Abteilungen an Bezirkskrankenhäusern,<br />

- Abteilungen an Kreiskrankenhäusern<br />

mit erweiterter Aufgabenstellung. Dieser<br />

Kreis integrierte r<strong>und</strong> 90 Krankenhäuser.<br />

Diesen Einrichtungen konnte<br />

organisatorische <strong>und</strong> fachliche Verantwortung<br />

für die Behandlung Arbeitsunfallverletzter<br />

uneingeschränkt übertragen<br />

werden. Aufgr<strong>und</strong> gegliederter<br />

Strukturen mit Schwerpunktkompetenz<br />

zur spezialisierten Behandlung Verletzter<br />

bestanden gute Voraussetzungen<br />

für die Wahrnehmung qualifizierter unfallchirurgischer<br />

Aufgaben im Rahmen<br />

des Verletzungsartenverfahrens.<br />

2. Die fachliche Kompetenz fußte auf<br />

dem Erwerb der besonderen unfallchirurgischen<br />

Qualifizierung der Subspezialisierung<br />

Traumatologie. Zum Zeitpunkt<br />

der Vereinigung Deutschlands am 03.<br />

Oktober 1990 existierten in östlichen wie<br />

westlichen Landesteilen des vereinten<br />

Deutschlands Weiterbildungsordnungen<br />

für Unfallchirurgie, die konzeptionell <strong>und</strong><br />

inhaltlich durchaus vergleichbare Maßstäbe<br />

besaßen. So war die Gestaltung der<br />

Weiterbildung zum qualifizierten Unfallchirurgen<br />

in der Vergangenheit im Osten<br />

wie im Westen durch die Überzeugung<br />

der Verantwortlichen bestimmt, das eine<br />

schwerpunktmäßige <strong>und</strong> qualifizierte<br />

ärztliche Tätigkeit in der Unfallchirurgie<br />

unabdingbare Voraussetzung für die Optimierung<br />

der Behandlung Verletzter darstelle.<br />

3. Bei der Standortbestimmung der räumlichen<br />

<strong>und</strong> apparativen Kapazitäten musste<br />

allerdings davon ausgegangen werden,<br />

dass zunächst nur Mindestanforderungen<br />

vorausgesetzt werden konnten <strong>und</strong> gewisse<br />

Einschränkungen an die Anforderungsprofile<br />

zugestanden werden mussten.<br />

Die Zulassung der Krankenhäuser war<br />

daher in zahlreichen Fällen vorerst mit<br />

Auflagen verb<strong>und</strong>en.<br />

4. Die Bestellung zum D-Arzt setzte keine<br />

Subspezialisierung, wohl aber eine<br />

2-jährige Betätigung von Fachärzten für<br />

Chirurgie in der klinischen Unfallchirurgie<br />

voraus, um damit Bedingungen der<br />

Qualität für die stationäre <strong>und</strong> ambulante<br />

Behandlung von Arbeitsunfallverletzten<br />

außerhalb der Zulassung zum Verletzungsartenverfahren<br />

zu schaffen. Zusätzlich<br />

galt die erforderliche Ausstattung des<br />

Arbeitsplatzes als wesentliches Kriterium<br />

der Bestellung zum D-Arzt.<br />

– Der Stand am Aufbau der gesetzliche<br />

Unfallversicherung spiegelte sich bereits<br />

1992, mehr noch 1994 nach erhobenen<br />

Analysen in einem dem territorialen Gefüge<br />

<strong>und</strong> zu versorgender Bevölkerungsdichte<br />

angemessenen Umfang wider.<br />

– In den vier Landesverbandsbereichen<br />

Berlin-Brandenburg <strong>und</strong> Mecklenburg-<br />

Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />

<strong>und</strong> Thüringen waren 1992 zunächst 605,<br />

1994 bereits 755 D-Ärzte tätig (in stationären<br />

Einrichtungen 272, in ambulanten<br />

Einrichtungen 483). Dieser Anteil von 64<br />

% stand dem Prozentanteil von 67,5 % in<br />

den alten B<strong>und</strong>esländern nur gering nach.<br />

– Die Zahl der zum VA-Verfahren zugelassenen<br />

Einrichtungen betrug Ende 1994<br />

42,2 % (Anzahl 132 von 313 Abteilungen).<br />

In den alten B<strong>und</strong>esländern angesichts<br />

höherer Bevölkerungsdichte 58,4 % (1., 2.).<br />

– Für BGSW-Verfahren waren in den östlichen<br />

B<strong>und</strong>esländern per 31.12.1994 26<br />

Einrichtungen bestimmt worden. Dieser<br />

Anteil machte r<strong>und</strong> 1/3 aller in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

für BGSW-Verfahren verfügbaren<br />

Einrichtungen aus.<br />

Über chirurgisches Fachwissen <strong>und</strong> operative<br />

Fertigkeiten auch die sozialen<br />

Rechtsgr<strong>und</strong>lagen zu berücksichtigen <strong>und</strong><br />

chirurgische Verantwortung im System<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung mit<br />

sozialrechtlicher Kompetenz <strong>und</strong> gutachterlichem<br />

Sachverstand zu paaren, hat zunächst<br />

eine anspruchsvolle Anforderung<br />

bedeutet. Nach etwa 2-3-jährigem Wirken<br />

galten gewisse Anfangsschwierigkeiten als<br />

weitgehend überw<strong>und</strong>en.<br />

Die in doch kurzer Zeit nachweisliche respektable<br />

Angleichung der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung in den östlichen B<strong>und</strong>esländern<br />

verlief bei rückwirkender Einschätzung<br />

weitgehend reibungslos <strong>und</strong><br />

offenbarte nach kurzem Zeitraum noch geringe<br />

Niveauunterschiede zu den alten B<strong>und</strong>esländern.<br />

Dafür sprachen drei Umstände:<br />

– die Voraussetzung <strong>und</strong> der Bestand einer<br />

Subspezialisierung Traumatologie mit<br />

ebenbürtiger personeller Qualifikation,<br />

– die dankenswerte Unterstützung durch<br />

die entsprechenden Verwaltungen der<br />

Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> engagierter<br />

ärztlicher Kollegen in den alten B<strong>und</strong>esländern,<br />

die ihre langjährigen Erfahrungen<br />

in die Aufbauphase einbrachten.<br />

– das unübersehbare Engagement <strong>und</strong> die<br />

Bereitschaft, die ostdeutsche Unfallchirurgen<br />

für die Realisierung der neuen Aufgabe<br />

an den Tag legten,<br />

– letztlich der Umstand, dass der Aufbau<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung in<br />

einer Rückkoppelung zur Aktivierung der<br />

fachlichen Entwicklung in den östlichen<br />

Ländern beigetragen hat. Hervorzuheben<br />

sind:<br />

• die Einführung der Luftrettung,<br />

• die Errichtung spezieller BG-licher stationärer<br />

Strukturen (BG-Kliniken Berlin<br />

Marzahn <strong>und</strong> Halle, Brandverletzten-<br />

Zentren) sowie stationärer Kapazitäten<br />

zu erweiterten Rehabilitation.<br />

– Das gemeinsame Verständnis zu existentiellen<br />

Positionen der Unfallchirurgie in<br />

den östlichen wie westlichen Landesteilen<br />

trug wesentlich zur Bewältigung einer<br />

sicher anspruchsvollen Aufgabe bei,<br />

ein als vorbildlich akzeptiertes System<br />

medizinischer <strong>und</strong> sozialer Rehabilitation<br />

Verletzter im östlichen Teil Deutschlands<br />

in bemerkenswert kurzem Zeitraum aufzubauen.<br />

Dr. med. K. Welz<br />

Finsterwalder Str. 45a<br />

03048 Cottbus<br />

Literatur<br />

1. Nehls, J. Die Situation der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />

in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der Dt. <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Unfallheilk<strong>und</strong>e. Heft 25 (1992) 29–32<br />

110<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


2. Nehls, J. Die Entwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in den neuen B<strong>und</strong>esländern aus<br />

Sicht der gesetzlichen Unfallversicherung. Berichte<br />

über unfallmedizinische Tagungen in Mainz<br />

(1992) 115–123<br />

3. Probst, J. Errichtung der BG Unfallklinik Berlin-<br />

Marzahn. <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> der Dt.<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e. 13, 24 (1991),<br />

35–37<br />

4. Welz, K. Entwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in den neuen B<strong>und</strong>esländern aus ärztlicher<br />

Sicht. Schriftenreihe Unfallmedizinischer<br />

Tagungen der Landesverbände 81 (1992) 125–135<br />

<strong>und</strong> Unfallchirurgie 1 (1993) 54–59<br />

5. Welz, K. Der Aufbau der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

in den östlichen B<strong>und</strong>esländern.<br />

Langenbeck’s Archiv Chirurgie, Supplement (Kongressbericht<br />

1995) 685–691<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 111


Autoren des Supplements<br />

mit Bild <strong>und</strong> Curriculum<br />

Burgkhardt, Michael<br />

Dr. med.,<br />

geb. am 20.6.1945 in<br />

Pößneck/Thüringen<br />

1964–1968 Hilfspfleger an den<br />

Universitätskliniken Leipzig<br />

1965–1967 Volkshochschule Leipzig<br />

1967 Abitur Volkshochschule Leipzig<br />

1968–1975 Medizinstudium an der<br />

Karl-Marx-Universität Leipzig<br />

1975 Medizinische Approbation in Leipzig<br />

1975–1982 Facharztausbildung Urologie an den<br />

Universitätskliniken Leipzig<br />

1978 Medizinisches Diplom Universität<br />

Leipzig<br />

1981 Facharzt für Urologie<br />

1982–1983 Ärztlicher Leiter der Schnellen<br />

Medizinischen Hilfe (SMH) in<br />

Pößneck/Thüringen<br />

1983 Promotion an der Akademie für<br />

Ärztliche Fortbildung der DDR,<br />

Berlin<br />

1983–1986 Allgemeinmedizinische Tätigkeit an<br />

der Poliklinik Leipzig-Ost<br />

1986–1990 Ärztlicher Direktor der Poliklinik<br />

Leipzig-Ost<br />

1990–1991 Leiter der Landesrettungsschule<br />

Sachsen e.V. in Leipzig<br />

1991–1993 Ärztlicher Leiter Rettungsdienst der<br />

Stadt Leipzig<br />

1993 Niederlassung als Praktischer Arzt in<br />

Leipzig<br />

2003 Facharzt für Allgemeinmedizin<br />

2003 Niederlassung Gemeinschaftspraxis<br />

für Allgemeinmedizin <strong>und</strong><br />

Gynäkologie (mit Ehefrau)<br />

Fachk<strong>und</strong>e Leitender Notarzt, Strahlenschutz<br />

<strong>und</strong> Sonographie; Zusatzbezeichnungen<br />

Notfallmedizin <strong>und</strong> Suchtmedizin;<br />

Qualifikationen: „Medical examiner for divers“,<br />

“Reisemedizin, Verkehrsmedizinischer Gutachter,<br />

Psychosomatische Gr<strong>und</strong>versorgung, Übende<br />

Verfahren/autogenes Training, Ärztlicher Leiter<br />

Rettungsdienst“<br />

Zahlreiche Lehrtätigkeiten, u. a. Taktikausbildung<br />

Ärztekammer für Kärnten/Österreich;<br />

Refresherkurse für Leitende Notärzte<br />

Funktionen:<br />

– Prüfungsausschutzvorsitzender Notfallmedizin<br />

der Sächsischen LÄK<br />

– Ausschussvorsitzender Notfall- <strong>und</strong><br />

Katastrophenmedizin der Sächsischen LÄK<br />

– Redaktionsausschussmitglied der Zeitschrift<br />

„DER NOTARZT“<br />

– Stellvertretender Prüfungsvorsitzender für<br />

Rettungsassistenten Regierungspräsidium<br />

Leipzig<br />

– Vorstandsmitglied der AG Sächsischer Notärzte<br />

e. V.<br />

– Lehrbeauftragter für das Fach Allgemeinmedizin<br />

Universität Leipzig<br />

– Aufsichtsratsmitglied Klinikum St. Georg<br />

Leipzig gGmbH<br />

– Stellvertretender Vorsitzender der B<strong>und</strong>esvereinigung<br />

der Notarztarbeitsgemeinschaften<br />

Deutschlands (BAND) e. V.<br />

– Mitglied im Beirat für den Brandschutz,<br />

Rettungsdienst <strong>und</strong> Katastrophenschutz im<br />

Freistaat Sachsen<br />

– Mitglied im Drogenbeirat der Stadt Leipzig<br />

– Ehrenvorsitzender des Kriseninter ventionsteams<br />

Leipzig e. V.<br />

Franke, Kurt<br />

Prof. Dr. med., OMR,<br />

geb. am 27.10.1926<br />

in Berlin; gest. am<br />

5.3.2008 in Berlin<br />

1943–1944 Luftwaffenhelfer mit Notabitur<br />

1944–1945 Marinesoldat <strong>und</strong> britische<br />

Gefangenschaft<br />

1946–1951 Medizinstudium an der Humboldt-<br />

Universität Berlin<br />

1951 Promotion<br />

1952–1958 Weiterbildung zum Facharzt für<br />

Chirurgie im Stadtkrankenhaus<br />

Meißen (Chefarzt Dr. Krohn) <strong>und</strong> im<br />

Städtischen Krankenhaus<br />

Berlin-Friedrichshain (Prof. Klose;<br />

Prof. Janik)<br />

1961–1963 Oberarzt der Chirurgischen Klinik<br />

Berlin-Buch (Dr. Weber)<br />

1964–1991 Chefarzt der Chirurgischen Klinik,<br />

gleichzeitig<br />

1967–1991 Leiter der Abteilung für<br />

Sporttraumatologie im Städtischen<br />

Krankenhaus Berlin-Pankow<br />

1961–1980 Chefredakteur der Zeitschrift<br />

„Medizin <strong>und</strong> Sport“<br />

1969 Habilitation<br />

1977 Berufung zum Professor für<br />

Chirurgie/Unfallchirurgie<br />

1984–1986 Vorsitzender der Berliner<br />

Chirurgischen <strong>Gesellschaft</strong><br />

1986–1988 Vorsitzender der Sektion Traumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR<br />

1984–1991 Vorstandsmitglied der ESKA<br />

(European Society of Knee Surgery<br />

and Arthroscopy)<br />

1981–1990 Mitglied der „WHO-advisory group<br />

on accident prevention”<br />

Betreuung von 11 Habilitanden <strong>und</strong> 75<br />

Doktoranden<br />

Verfasser mehrerer Fachbücher <strong>und</strong> des autobiographischen<br />

Buches „Chirurg am linken Ufer der<br />

Panke“ (Verlag Das Neue Berlin, 2002)<br />

Grafe, Sieghart<br />

Gottgetreu<br />

Prof. Dr. med.,<br />

OMR, geb. am<br />

15.8.1935 in Bautzen<br />

1953–1958 Medizinstudium in Halle<br />

1958 Promotion<br />

1961–1965 Ausbildung zum Facharzt an der<br />

Chirurgischen Klinik der<br />

Martin-Luther-Universität<br />

in Halle (Prof. Mörl)<br />

1965 Facharzt für Chirurgie<br />

1965–1978 Wissenschaftlicher Assistent der<br />

Chirurgischen Klinik der Martin-<br />

Luther-Universität Halle <strong>und</strong> der<br />

Traumatologischen Abteilung (Prof.<br />

Sander)<br />

1976 Subspezialisierung Traumatologie<br />

1976 Berufung als Gründungsmitglied<br />

der Sektion DDR der AO-<br />

International<br />

1978–2001 Leitender Chefarzt <strong>und</strong> Chefarzt<br />

der Klinik für Chirurgie am<br />

Diakonissenhaus (später<br />

Diakonissen krankenhaus gGmbH)<br />

Leipzig<br />

1988 Habilitation<br />

1990 Hochschuldozent<br />

1990 Mitglied der DGU<br />

1991 Mitglied der Deutsch Sektion der<br />

AO-International<br />

1991 Facultas docendi<br />

1992 außerplanmäßige Professur<br />

1998 Mitpreisträger des Förderpreises des<br />

Richard-Merten-Preises<br />

2001 Ruhestand<br />

112<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


Kurz, Wolfgang<br />

Dr. s.c. med., MR, geb.<br />

am 25.11.1934 in<br />

Breslau<br />

1954–1959 Medizinstudium an der Humboldt-<br />

Universität in Berlin<br />

1960 Promotion<br />

Chirurgische Ausbildung in Lübben<br />

1966 Facharzt für Chirurgie<br />

1976–1990 Chefarzt der Chirurgischen Klinik<br />

der Spreewaldklinik<br />

1982 Subspezialisierung<br />

Traumatologie<br />

1979 Habilitation<br />

1983 Facultas docendi<br />

1989 Lehrauftrag für Chirurgie<br />

1990–1995 Ärztlicher Direktor der<br />

Spreewaldklinik Lübben<br />

1995 Facharzt für Viszeralchirurgie<br />

1987–1991 Vorsitzender der Arbeits gemeinschaft<br />

Kindertraumatologie<br />

der Sektion Traumatologie <strong>und</strong><br />

Kinderchirurgie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR<br />

1991–1998 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft,<br />

später Sektion Kindertraumatologie<br />

der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />

Mitglied mehrerer wissenschaftlicher<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en<br />

Ehrenmitglied der Ungarischen <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Kindertraumatologie<br />

Markgraf, Eberhard<br />

Univ.-Prof. Dr. med.,<br />

geb. am 2.4.1937 in<br />

Zwickau/Sachsen<br />

1955–1960 Medizinstudium in Leipzig<br />

1960 Promotion in Leipzig<br />

1961 Pflichtassistent am Bezirkskrankenhaus<br />

Meiningen<br />

1962–1964 Landarzt im Thüringer Wald<br />

1964–1965 wissenschaftlicher Assistent am<br />

Pathologischen Institut der<br />

Karl-Marx-Universität Leipzig<br />

(Prof. Holle)<br />

1965 Assistent an der Chirurgischen<br />

Klinik der Friedrich-Schiller-<br />

Universität Jena (Prof. Becker)<br />

1968 Facharzt für Chirurgie<br />

1976 Leiter der Abteilung für Traumatologie<br />

<strong>und</strong> der Abteilung für<br />

Physio- <strong>und</strong> Ergotherapie der<br />

Chirurgischen Klinik der FSU Jena<br />

1977 Habilitation<br />

1979 Subspezialisierung Unfallchirurgie<br />

1980 Mehrwöchentliche Hospitation an<br />

Unfallkrankenhäusern in Österreich<br />

1983 Dozentur<br />

1984–1990 Mitglied der Bezirksgutachterkommission<br />

Gera<br />

1987 außerordentlicher Professor für<br />

Chirurgie<br />

1990 Obmann der Sektion DDR der<br />

AO-International<br />

1988–1990 Stellvertretender Vorsitzender<br />

der Sektion Traumatologie der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der DDR<br />

1990 Präsident des XII. Unfallchirurgenkongresses<br />

der DDR in Leipzig<br />

1990 Partner Ostdeutschlands bei<br />

den Verhandlungen über die<br />

Zusammenführung der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallheilk<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> der Sektion Traumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie<br />

der DDR sowie der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Sektion <strong>und</strong> der Sektion DDR der<br />

AO-International. Über mehrere<br />

Jahre wissenschaftlicher Leiter<br />

der „Ostdeutschen AO-Seminare“<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Sektion der AO-<br />

International<br />

1991–2001 Member of the Board of Trustees of<br />

the AO-Fo<strong>und</strong>ation<br />

1992 Lehrstuhl für Unfallchirurgie<br />

(C-4-Professur) an der FSU Jena<br />

1992–2004 Direktor der Klinik für Unfall-, Hand<strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie<br />

1996 Präsident der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />

1995, 1997 Vizepräsident; seitdem Mitglied des<br />

Präsidiums der DGU<br />

Herausgeber <strong>und</strong> Mitherausgeber<br />

von mehreren wissenschaftlichen<br />

Zeitschriften<br />

Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en<br />

2004 Emeritierung<br />

2005–2007 Sprecher des Senats der DGU<br />

Ehrenmitglied<br />

der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie,<br />

der European Trauma Society (ETS) <strong>und</strong><br />

der Tschechischen <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Unfallchirurgie<br />

„Carl Thiem Gedenkmünze“ der DGU<br />

Miehle, Dietrich<br />

Doz. Dr. med. habil.,<br />

geb. am 4.12.1936 in<br />

Zwickau/Sachsen<br />

1955–1960 Medizinstudium in Leipzig <strong>und</strong><br />

Erfurt<br />

1961 Pflichtassistent Heinrich Braun<br />

Krankenhaus Zwickau<br />

1961 Promotion<br />

1961–1967 Allgemeinpraktisches Jahr im<br />

Landambulatorium Mosel<br />

Ausbildung zum Facharzt für<br />

Chirurgie am Heinrich Braun<br />

Krankenhaus Zwickau<br />

1967 Facharzt für Chirurgie<br />

1969 Oberarzt<br />

1975–1978 Chefarzt der Unfallchirurgischen<br />

Klinik am BKH Heinrich Braun in<br />

Zwickau<br />

1977 Subspezialisierung Traumatologie<br />

1978–1982 Delegierung an die Unfall chirurgische<br />

Klinik Karl-Marx-Stadt<br />

1982–1985 Delegierung an die Chirurgische<br />

Klinik der Humboldt-Universität<br />

Berlin, Charité<br />

1982 Habilitation an der Akademie für<br />

Ärztliche Fortbildung der DDR<br />

1988 Dozentur für Chirurgie an der<br />

Humboldt-Universität Berlin<br />

1986–1990 Chefarzt der Chirurgischen<br />

Klinik des Kreiskrankenhauses<br />

Lichtenstein/Sachsen<br />

1992 Niederlassung in einer chirurgischen<br />

<strong>und</strong> unfallchirurgischen<br />

Praxis in Zwickau; D-Arzt<br />

Preis für Medizin Karl-Marx-Stadt<br />

Virchowpreisträger<br />

Otto, Wieland<br />

Univ.-Prof. Dr. med.,<br />

geb. am 25.4.1942 in<br />

Halle<br />

1962–1968 Medizinstudium in Halle<br />

1968 Approbation als Arzt in Halle<br />

1968 Eintritt in die Chirurgische Universitätsklinik<br />

Halle (Prof. Schober)<br />

1969 Promotion<br />

1970–1989 Regelmäßige aktive Beteiligung<br />

(Instruktor, Referent) an den<br />

Halleschen AO-Kursen für Ärzte <strong>und</strong><br />

Pflegekräfte<br />

1973 Facharzt für Chirurgie<br />

1977 Subspezialisierung für<br />

Traumatologie<br />

1981 Oberarzt <strong>und</strong> stellvertretender<br />

Leiter der Traumatologischen<br />

Abteilung (Prof. Sander)<br />

1988 Kommissarischer Leiter der<br />

Abteilung für Traumatologie<br />

1988 Habilitation<br />

1989 Venia legendi <strong>und</strong> Leiter der<br />

Abteilung Traumatologie<br />

1989 Aufnahme in die Sektion DDR der<br />

AO-International<br />

1991 Übernahme in die <strong>Deutsche</strong> Sektion<br />

der AO-International<br />

1992–2003 Wissenschaftliche Leitung der<br />

Halleschen AO-Kurse 10-21<br />

1993 Gründung der Klinik für Unfall<strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie<br />

des Klinikums der Martin-Luther<br />

Universität Halle/Wittenberg<br />

Einsetzung als kommissarischer<br />

Direktor<br />

1994 Universitätsprofessor für Chirurgie/<br />

Unfallchirurgie <strong>und</strong> geschäftsführender<br />

Direktor der Klinik für Unfall<strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 113


1996 Auslagerung der Klinik für Unfall<strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie in<br />

die BG-Kliniken „Bergmannstrost“<br />

in Halle. Lehrstuhlinhaber <strong>und</strong><br />

Direktor der BG-Klinik (bis 2005)<br />

2006 Rückkehr des Lehrstuhls an<br />

die Medizinische Fakultät der<br />

Universität Halle; Beschränktes<br />

Aufgabengebiet wegen Krankheit<br />

<strong>und</strong> Schwerbehinderung<br />

2007 Emeritierung<br />

2008 Ehrenmitglied der AO Deutschland<br />

Eine bedeutende Zahl wissenschaftlicher<br />

Publikationen <strong>und</strong> Vorträge; Anleitungen zu den<br />

praktischen Übungen der Halleschen AO-Kurse<br />

Paul, Karin<br />

geb. am 27.2.1942 in<br />

Markersdorf<br />

1958 Mittlere Reife<br />

1958–1962 Ausbildung zur Krankenschwester<br />

im Kreiskrankenhaus Rochlitz,<br />

Medizinische Fachschule Karl-Marx-<br />

Stadt<br />

1962 Staatsexamen<br />

1963–1975 Beginn der Tätigkeit im Bezirkskrankenhaus<br />

Dresden-Friedrichstadt<br />

als Zweitschwester der<br />

II. Medi zi nischen Klinik<br />

1975 Abteilungsschwester der HNO-<br />

Poliklinik Dresden-Friedrichstadt<br />

1983–1985 Auslandseinsatz Chirurgische<br />

Abteilung Provinzkrankenhaus Tete<br />

in Mosambik<br />

1985 Auszeichnung mit der Hufeland-<br />

Medaille<br />

1992–2000 Sachbearbeiterin für BG-Angelegenheiten<br />

in der Unfallklinik Dresden-<br />

Friedrichstadt<br />

2000 Ruhestand<br />

Paul, Dieter<br />

Priv.-Doz. Dr. med., MR,<br />

geb. am 16.4.1935 in<br />

Leipzig<br />

1948–1953 Mitglied des Thomanerchors Leipzig<br />

1953–1958 Medizinstudium in Leipzig<br />

1958 Promotion in Leipzig<br />

1959 Pflichtassistent im Krankenhaus<br />

Mittweida<br />

1960–1963 Chirurgische Facharztausbildung im<br />

Krankenhaus Rochlitz<br />

1963 Tätigkeit in der Chirurgischen<br />

Klinik Dresden Friedrichstadt (Prof.<br />

Schumann, Prof. Herzog)<br />

1965 Facharzt für Chirurgie<br />

1966 Oberarzt, mit der Entwicklung der<br />

Unfallchirurgie betraut<br />

1975 Subspezialisierung (Schwerpunkt)<br />

Traumatologie<br />

1981 Abteilungsleiter der Abteilung<br />

Unfall- <strong>und</strong> Wiederherstellungschirurgie<br />

1983 Habilitation (Prof. Knoch)<br />

1983–1985 Auslandseinsatz Chirurgische<br />

Abteilung Provinzkrankenhaus Tete<br />

in Mosambik<br />

1986 Facultas docendi der Akademie für<br />

Ärztliche Fortbildung der DDR<br />

1989 6 Monate Tätigkeit in Uganda<br />

1990 Privatdozent der Medizinischen<br />

Akademie Dresden<br />

1994–2000 Kommissarischer, ab 1995<br />

Chefarzt der Klinik für Unfall-,<br />

Wiederherstellungs- <strong>und</strong> Handchirurgie<br />

Krankenhaus Dresden<br />

Friedrichstadt<br />

2000 Ruhestand; ausgedehnte<br />

Gutachtertätigkeit für<br />

Sozialgerichte, Landesgerichte <strong>und</strong><br />

Schlichtungsstellen<br />

Vormals Mitglied der Sektion Traumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie DDR <strong>und</strong> der<br />

Sektion DDR der AO-International; nach 1990<br />

Mitglied der DGU <strong>und</strong> der <strong>Deutsche</strong>n Sektion<br />

der AO-International; Prüfungsvorsitzender<br />

Unfallchirurgie der LÄK Sachsen; D-Arzt <strong>und</strong><br />

Beratungsarzt mehrerer Berufsgenossenschaften;<br />

Vertragsgutachter Sächsisches Landessozialgericht<br />

<strong>und</strong> Sachverständigenrat der<br />

Schlichtungsstelle LÄK Dresden<br />

Probst, Jürgen<br />

Prof. Dr. med., geb. am<br />

19.1.1927 in Hannover<br />

1943–1945 Soldat<br />

1946–1952 Studium Veterinärmedizin, Medizin<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaften in<br />

Hannover <strong>und</strong> Mainz<br />

1952 Promotion Dr. med. in Mainz<br />

1954–1961 Chirurgische, orthopädische <strong>und</strong><br />

röntgenologische Ausbildung<br />

(Klinikum Sanderbusch, BG-Unfallklinik<br />

Murnau, Klinikum München<br />

rechts der Isar (Prof. Lob; Prof.<br />

Maurer, Prof. Schede)<br />

1961 Facharzt für Chirurgie<br />

1969 Schwerpunkt Unfallchirurgie<br />

1975–1980/<br />

1989–1997 Generalsekretär der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />

(DGU)<br />

1970/1993 Gründung der Unfalltagungen<br />

Murnau/Dresden<br />

1972 Habilitation TU München<br />

1969–1993 Ärztlicher Direktor der BG-<br />

Unfallklinik Murnau<br />

1977 Präsident der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Plastische <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie<br />

1978–1998 Leiter des BG-Archivs (Lobsche<br />

Sammlung) mit zuletzt 200.000<br />

Literaturtiteln<br />

1982 Präsident der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie<br />

1985 Schwerpunkt Physikalische Therapie<br />

1972–1999 Beratender Arzt BG-Landesverband<br />

Bayern <strong>und</strong> Sachsen<br />

1993 Facharzt Physikalische Medizin <strong>und</strong><br />

Rehabilitationsmedizin<br />

Bücher, Buchbeiträge <strong>und</strong> eine Vielzahl von<br />

Publikationen, Vorträgen <strong>und</strong> Beiträgen zu<br />

Unfallchirurgie, Rehabilitation, Physikalische<br />

Therapie, Krankenhaushygiene, Geschichte,<br />

Rechtsfragen <strong>und</strong> zur Begutachtung; Redaktion<br />

<strong>und</strong> Herausgeber der Kongressberichte der DGU<br />

1974–1980 <strong>und</strong> 1989; Gründung, Redaktion <strong>und</strong><br />

Herausgabe der „<strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong>“<br />

der DGU 1979–1997<br />

Ehrungen:<br />

Korrespondierendes Mitglied Schweizerische<br />

<strong>und</strong> Österreichische <strong>Gesellschaft</strong>en für<br />

Unfallmedizin bzw. Unfallchirurgie <strong>und</strong> der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Wehrmedizin<br />

<strong>und</strong> Wehrpharmazie/Vereinigung <strong>Deutsche</strong>r<br />

Sanitätsoffiziere<br />

Ehrenmitgliedschaft: Bayerische<br />

Chirurgenvereinigung; <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Plastische <strong>und</strong> Wiederherstellungschirurgie;<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Unfallchirurgie; Thüringische <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Chirurgie; Sächsische/ Mitteldeutsche<br />

Chirurgenvereinigung; B<strong>und</strong>esverband der für<br />

BG tätigen Ärzte; Griechische <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Orthopädie <strong>und</strong> Traumatologie; Küntscher-Kreis;<br />

Johann-Friedrich-Dieffenbach-Büste der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie;<br />

Goldene Medaille B<strong>und</strong>esverband der für BG<br />

tätigen Ärzte; Karl Schuchardt-Medaille der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für Plastische <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie; Ernst-von-<br />

Bergmann-Plakette der B<strong>und</strong>esärztekammer<br />

Staatliche Auszeichnungen:<br />

BVK a.B.; BVK I. Klasse, Gold. Ehrenzeichen<br />

Bayerisches Rotes Kreuz; Bayerische<br />

Staatsmedaille für Soziale Verdienste;<br />

Ehrenmedaille in Gold des Landkreises Garmisch-<br />

Partenkirchen<br />

Sandner, Karlheinz<br />

Prof. Dr. med., geb.<br />

am 21.7.1939 in<br />

Landwüst/Vogtland<br />

1957–1963 Medizinstudium in Leipzig<br />

1963 Promotion an der Karl-Marx-<br />

Universität in Leipzig<br />

1963–1964 Pflichtassistent am Anatomischen<br />

Institut der KMU Leipzig;<br />

Theoretische Vollapprobation<br />

114<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008


1964–1965 Pflichtassistent in der Medizinischen<br />

<strong>und</strong> Chirurgischen Klinik<br />

der KMU Leipzig; Klinische<br />

Vollapprobation<br />

Ausbildung zum Facharzt am<br />

Universitätsklinikum Leipzig<br />

1968 Facharzt für Chirurgie<br />

1979 Subspezialisierung Traumatologie<br />

1987 Habilitation<br />

1988 Oberarzt der Klinik für Chirurgie der<br />

KMU Leipzig<br />

1990 Facultas docendi<br />

1992 Kommissarischer Leiter der<br />

Traumatologischen Abteilung der<br />

Klinik für Chirurgie<br />

1993 Mai bis Dezember: Kommissarischer<br />

Direktor der Klinik III für Unfall- <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie der<br />

Universität Leipzig<br />

1994–1996 1. Oberarzt der Klinik III für Unfall<strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie<br />

1995 Professur (C3) für Chirurgie mit<br />

Schwerpunkt Unfallchirurgie<br />

1996–1997 Kommissarischer Direktor<br />

der Klinik III für Unfall- <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungs chirurgie<br />

1997–2000 1. Oberarzt der Klinik III für Unfall<strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie<br />

1999 Zusatzbezeichnung Handchirurgie<br />

2000–2007 Chefarzt der Abteilung Unfallchirurgie<br />

des Klinikum Mittleres<br />

Erzgebirge gGmbH, Haus Zschopau<br />

Organisatorischer Leiter der Unfallchirurgenkongresse<br />

der DDR von 1978 bis 1990<br />

(Prof. Markgraf)<br />

2001 Facharzt für Chirurgie<br />

2000 Fachk<strong>und</strong>e Tauchmedizin<br />

(Taucherarzt), Halle<br />

2003 Kurs Ärztlicher Leiter Rettungsdienst<br />

Jena<br />

2004 Oberarzt der Klinik für Unfall-,<br />

Hand- <strong>und</strong> Wiederherstellungschiru<br />

rgie des Klinikums der FSU Jena<br />

2004–2007 Ärztlicher Leiter der Zentralen<br />

Notaufnahme des Universitätsklinikums<br />

der FSU Jena<br />

2005 Erwerb der Zusatzbezeichnung<br />

Notfallmedizin<br />

2007 Ärztlicher Leiter der<br />

Interdisziplinären Zentralen<br />

Notaufnahme des<br />

Universitätsklinikums Jena<br />

2008 Promotion<br />

Mitarbeit in zahlreichen nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en <strong>und</strong> Gremien der<br />

Notfallmedizin; Wissenschaftlicher Leiter internationaler<br />

Kongresse für Notfallmedizin;<br />

Engagement in der DLRG<br />

Schulz, Frieder<br />

Priv.-Doz. Dr. med., geb.<br />

am 11.5.1944 in Jena<br />

1990 Hospitationen in Unfallkliniken in<br />

Österreich, der Unfallchirurgischen<br />

Klinik in Darmstadt <strong>und</strong> der<br />

Chirurgischen Universitätsklinik in<br />

Basel<br />

1993 Chefarzt der Chirurgischen<br />

Abteilung des Sophienkrankenhauses<br />

in Weimar<br />

1998 Chefarzt der Klinik für Unfall- <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungschirurgie II des<br />

Sophien- <strong>und</strong> Hufeland-Klinikums<br />

Weimar<br />

2002 Chefarzt der zusammengelegten<br />

Kliniken für Unfall- <strong>und</strong> Wiederh<br />

erstellungschirurgie I <strong>und</strong> II des<br />

Sophien- <strong>und</strong> Hufeland-Klinikums<br />

Weimar<br />

Umfangreiche wissenschaftliche Leistungen<br />

(Publikationen <strong>und</strong> Vorträge); Ausrichtung<br />

mehrerer unfallchirurgisch-orthopädischer<br />

Symposien in Weimar<br />

Senst, Wolfgang<br />

Prof. Dr. med., OMR,<br />

geb. am 1.3.1934 in<br />

Reetz (Mark)<br />

Schäfer, Raik<br />

Dr. med. geb. am<br />

4.4.1965 in Weißenfels<br />

1983 Abitur<br />

1983–1986 Wehrdienst NVA<br />

1986–1992 Humanmedizinstudium an der FSU<br />

Jena<br />

1992–1993 Arzt im Praktikum, Klinik für<br />

Unfallchirurgie der FSU Jena<br />

1993 Junior House Officer, Stafford<br />

District General Hospital,<br />

Großbritannien<br />

1993–2001 Weiterbildung zum Facharzt am<br />

Klinikum der FSU Jena<br />

1995 Fachk<strong>und</strong>e Notfallmedizin Jena<br />

1995–2004 Lehrtätigkeit in der studentischen<br />

Ausbildung mit fakultativer<br />

Vorlesungsreihe „Notfallmedizin<br />

aus unfallchirurgischer Sicht“ sowie<br />

IDK Notfallmedizin<br />

1996 Organisatorischer Leiter der<br />

96. Tagung der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für Unfallchirurgie in<br />

Berlin, dabei Organisator einer viel<br />

beachteten Repräsentation von<br />

Rettungselementen<br />

1998 Fachk<strong>und</strong>e Strahlenschutz<br />

1998 Kurs Leitender Notarzt Jena<br />

1999–2004 Ärztlicher Leiter des Nothilfezentrums<br />

des Klinikums der FSU<br />

1962 Abitur in Jena<br />

1963 Facharbeiterprüfung als<br />

Chemielaborant<br />

1963–1964 Vorpraktisches Jahr in der Chirurgischen<br />

Universitätsklinik Jena<br />

1964–1970 Medizinstudium in Jena <strong>und</strong> Halle<br />

1970 Approbation in Halle<br />

1970–1974 Assistenzarzt in der Chirurgischen<br />

Universitätsklinik Jena<br />

1973 Dipl.-Med.<br />

1974 Promotion (Universität Halle)<br />

1975 Facharzt für Chirurgie<br />

1975–1977 Allgemeinchirurgische Tätigkeit <strong>und</strong><br />

ab<br />

1977 Mitarbeit in der Abteilung für<br />

Traumatologie der Chirurgischen<br />

Universitätsklinik Jena<br />

1981 Subspezialisierung Traumatologie<br />

1985 Habilitation an der Medizinischen<br />

Fakultät der Friedrich-Schiller-<br />

Universität Jena<br />

1986 Tätigkeit im Wissenschaftlichen<br />

Zentralinstitut für Orthopädie <strong>und</strong><br />

Traumatologie der Universität Riga/<br />

Lettland<br />

1987 Oberarzt der Chirurgischen<br />

Universitätsklinik Jena<br />

1988 Facultas docendi<br />

1987–1990 Viszeralchirurgische Tätigkeit in der<br />

Universitätsklinik Jena<br />

1990 1. Oberarzt der Klinik für Unfall-,<br />

Hand- <strong>und</strong> Wiederherstellungschirurgie<br />

der FSU Jena (Prof. Markgraf)<br />

1990 Ernennung zum Privatdozenten<br />

1952 Abitur in Wiesenburg (Mark)<br />

1952–1957 Medizinstudium in Leipzig<br />

1957 Promotion Karl-Marx-Universität<br />

Leipzig<br />

1958 Pflichtassistent im Kreiskrankenhaus<br />

Rochlitz/Sachsen<br />

1959–1960 Ambulantes Pflichtjahr im Landambulatorium<br />

Geringswalde<br />

1960–1961 Schiffsarzt der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Seerederei Rostock<br />

1961–1965 Chirurgische Ausbildung im<br />

Kreiskrankenhaus Mittweida <strong>und</strong><br />

ab 1963 an der Chirurgischen<br />

Universitätsklinik der Ernst-Moritz-<br />

Arndt-Universität Greifswald<br />

1965 Facharzt für Chirurgie<br />

1966–1969 Oberarzt<br />

1969–1974 1. Oberarzt der Klinik<br />

1971–1974 Leiter der Abteilung Traumatologie<br />

der Universitätsklinik für Chirurgie<br />

Greifswald<br />

1972 Habilitation<br />

1976 Honorardozentur<br />

1982 Honorarprofessur<br />

1975–1990 Mitglied der „Zentralen Fachkommission<br />

Chirurgie der DDR“<br />

1974–1999 Chefarzt der Klinik für Chirurgie des<br />

Klinikums Frankfurt/O<br />

1974–1989 Vorsitzender der Bezirks fachkommission<br />

Chirurgie (Frankfurt/O)<br />

1975–1990 Mitglied der Bezirksgutachterkommission<br />

(Frankfurt/O)<br />

1968–1990 Mitglied des Vorstands bzw. des<br />

Erweiterten Vorstands der Sektion<br />

Traumatologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR<br />

1980–1984 Vorsitzender der Sektion<br />

Traumatologie<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008 115


1980–1989 Mitglied des Redaktionskollegiums<br />

der Zeitschrift „Beiträge zur<br />

Orthopädie <strong>und</strong> Traumatologie“<br />

1982–1990 Vorsitzender der Zentralen Fachkommission<br />

Chirurgie der DDR, in<br />

dieser Funktion a.o. Mitglied des<br />

Vorstands der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR<br />

1991–1999 Mitglied Prüfungsausschuss<br />

Chirurgie <strong>und</strong> Unfallchirurgie der<br />

Ärztekammer Brandenburg<br />

Mitglied in mehreren nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />

wissenschaftlichen <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

Ehrenmitglied der Polnischen <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Orthopädie <strong>und</strong> Traumatologie<br />

Welz, Klaus<br />

Dr. med., OMR, geb. am<br />

31.1.1934 in Berlin<br />

1952–1957 Medizinstudium an der Humboldt-<br />

Universität Berlin<br />

1958 Beginn ärztliche Tätigkeit am<br />

Bezirkskrankenhaus Cottbus<br />

1958 Promotion an der Humboldt-<br />

Universität Berlin<br />

1963 Facharzt für Chirurgie<br />

1964 Oberarzt der Chirurgischen Klinik<br />

Cottbus (Prof. Welcker)<br />

1964–1970 Spezielle Qualifizierung in der<br />

Unfallchirurgie bei Prof. Dr. Sander,<br />

Frau Prof. Büchter, Halle, <strong>und</strong> Prof.<br />

Manninger, Budapest; weitere<br />

Hospitationen in Kosice, Graz, St.<br />

Gallen, Bern, Davos<br />

1971 Chefarzt der Klinik für Unfall-,<br />

Wiederherstellungs- <strong>und</strong><br />

Handchirurgie am Carl-Thiem-<br />

Klinikum Cottbus<br />

1973 Subspezialisierung Traumatologie<br />

<strong>und</strong> Berufung zum 1. Vorsitzenden<br />

der „Zentralen Fachgruppe für<br />

Traumatologie“ an der „Akademie<br />

für Ärztliche Fortbildung (AfÄF)“<br />

1974 Stellvertretender Vorsitzender der<br />

Sektion DDR der AO-International<br />

1974–1978 2. Vorsitzender der Sektion<br />

Trauma tologie der <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Chirurgie der DDR<br />

1975–1989 Mitglied des Redaktionskollegiums<br />

der Zeitschrift „Zentralblatt für<br />

Chirurgie“<br />

1978–1990 Sekretär der Sektion Traumatologie<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> für Chirurgie der<br />

DDR<br />

1991–1999 Mitglied des Redaktionsbeirates der<br />

Zeitschrift „Unfallchirurgie“<br />

1991–1999 Vorsitzender des Fachausschusses<br />

<strong>und</strong> der Prüfungskommission<br />

Unfallchirurgie der LÄK<br />

Brandenburg<br />

1991–1998 Mitglied des „Nichtständigen<br />

Beirats“ des Präsidiums der DGU<br />

1992–1997 Mitglied des Beirats der „<strong>Deutsche</strong>n<br />

Sektion der AO-International“<br />

1995–1999 Wissenschaftliche <strong>und</strong> organisatorische<br />

Leitung des 5. <strong>und</strong> 10.<br />

„Ostdeutschen AO-Seminars“ in<br />

Cottbus<br />

1999 Wissenschaftliche <strong>und</strong> organisatorische<br />

Leitung der 9. Sommertagung<br />

der „Berliner Chirurgischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>“ in Cottbus<br />

1999 Emeritierung nach 42 Dienstjahren<br />

am Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus<br />

2000 Verleihung der „Carl-Thiem-<br />

Gedenkmünze“ der DGU<br />

116<br />

DGU <strong>Mitteilungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachrichten</strong> | Supplement 1/2008

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